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[134r]

Verhandelt Berlin in der St. Johannis Loge
zum Pilgrim
(d.)den 25. (Octbr.)October 1825.

Es eröffnete heute um 6 Uhr, in Abwesenheit des
hochwürdigen Meisters, der (hochw.)hochwürdige deputirte Meister
(Br.)Bruder Turte die Loge, und theilte der versammelten Brü-
derschaft den Zweck der heutigen Arbeit mit, näm-
lich die Aufnahme dreier fremden Suchenden, des
Herrn Rinck, Neander und Purkinje, die Namen
der beiden erstern hätten mehr als die vorgeschrie-
bene Zeit ohne Einspruch an der Tafel gehangen, und
der letztere sollte etwas früher, als es sonst die
Gesetze gestatteten, aus dem Grunde aufgenommen
werden, weil er abreisen müßte. Da früher
über die Candidaten nicht ballottirt worden war,
[134v]so wurde zuerst die Ballottage für Herrn Rinck auf
Geheiß des hochwürdigen veranstaltet, welche mit
18 hellleuchtenden Steinen günstig ausfiel.

Der würdige (Br.)Bruder Rösel erhielt nun den Auftrag,
das Amt des einführenden (Br.)Bruders zu übernehmen, sich
zu dem Ende zu drei verschiedenen Malen in die
dunkle Kammer zu den bereits dort befindlichen
Candidaten zu begeben, und dann der Loge in
einer Meldung Bericht zu erstatten.

Nach der Entfernung des einführenden (Br.)Bruders wurde
über die beiden letzten Candidaten die Ballottage
vorgenommen, welche für beide ebenfalls mit 18 hell-
leuchtenden Steinen günstig ausfiel.

[...]

Jetzt trat der einführende Bruder ein, und
stattete über den fremden Suchenden Rinck
den Bericht ab, der eben so günstig ausfiel,
als die Meldung des Pathen.

Beide (Br. Br.)Brüder erhielten den Auftrag, den
fremden Suchenden der Loge zuzuführen, der
einführende (Br.)Bruder überdies noch den Befehl, sich
nach Einführung desselben zum zweiten Suchenden
zu verfügen, seine Forschungen anzustellen, und
dem würdigen (Br.)Bruder Eggert im Stillen Bericht
[135r]zu erstatten, damit gleich nach beendigter Aufnahme des ersten Suchenden der zweite und dann
der dritte eingeführt werden könne.

Der erste Candidat wurde hiernächst in die Loge
geführt, worauf seine Aufnahme nach allen ge-
setzlichen Gebräuchen erfolgte, und hierüber in
das Jahrbuch des Ordens Folgendes eingetragen wur-
de.

[...]
[135v][...]

Der einführende (Br.)Bruder trat nun auch, nach vor-
her erfolgter Meldung, mit dem dritten Aufzu-
nehmenden ein. Die Aufnahme wurde gesetz-
mäßig vollzogen, und in das Ordensbuch hierüber
Folgendes niedergeschrieben.

Im Jahr der Welt 5825, am 25sten Tage
des zehnten Monats wurde zur Aufnahme
[136r]vorgestellt der fremde Suchende:
Johann Purkinje
des Joseph Sohn, den 18. December 1787 zu Lubocho-
witz
geboren, katholischer Religion, bürgerlicher
Abkunft, Professor der Medicin an der Universität
zu Breslau, jetzt Freimaurer.

Er versichert, nie Mitglied eines bekannten oder un-
bekannten Ordens gewesen zu seyn, auch sey es ein
reiner Eifer und Trieb, der ihn zum Orden führe, er
sey von niemand dazu angelockt oder überredet
worden, noch habe eine eitle Neugier einigen Theil
daran, weshalb er auch den Gesetzen des Ordens
gemäß vermittelst seiner Ballottirung gewählt, in die St. Johannisloge, zum Pilgrim genannt, all-
hier eingeführt, und zum Freimaurer, Ritter, Lehrling und Bruder aufgenommen worden ist.

Seine Pathen sind der Hochwürdige (Br.)Bruder Rust und die
würdigen (Br. Br.)Brüder Rösel und Jüngken.

Die drei Neuaufgenommenen erhielten nun nach
ihrer Rückkehr aus dem Ankleidezimmer am Al-
tar aus den Händen des Hochwürdigen die Klei-
dung und den Schmuck des Ordens und des Lehrlings-
grades, und von dem (Br.)Bruder Redner und (Br.)Bruder Secretair
wurde ihnen die Erklärung der bei ihrer Aufnahme
vorgekommenen Gebräuche und Umstände, so wie der
auf der Tafel vorgestellten Figuren u. Erkennungs-
zeichen dieses Grades vorgelesen. In den letztern
durch die (Br. Br.)Brüder Aufseher näher unterrichtet,
traten sie abermals zum Altar, und gaben sich
dem Hochwürdigen durch Zeichen, Griff und Wort
als Maurer zu erkennen, worauf ihnen ihr Platz
in der Loge angewiesen wurde.

[136v]Der würdige (Br.)Bruder Redner wünschte in einer ge-
haltvollen, herzlichen Rede den Neuaufgenommenen
Glück, und ermahnte sie zur Eintracht und Liebe. Als nun auf Befragen des Hochwürdigen nie-
mand weiter etwas vorzutragen hatte,
wurde die Loge 9 1/4 Uhr geschlossen.

Bei der Tafellage wurden 3 (r.)Reichsthaler 15 (g.)Groschen für die
Armen gesammelt; gegen 11 Uhr wurde auch
diese geschlossen, und die (Br. Br.)Brüder giengen ver-
gnügt und mit ihrer Arbeit zufrieden nach
Hause.

(a. u. s.)actum ut supra
Döring
CC-BY-NC-SA-4.0

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 25. Oktober 1825. Johannisloge Zum Pilgrim, Sitzungsprotokoll (Auszug). Z_1825-10-25_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-5A5B-7