Higher revision available You are viewing revision 0 of this document. A higher revision of this document has been published: Revision 2.
[83]
An Hrn. Purkinje
Werther Freund!

Da Sie denn doch wissen, wie sehr ich auf Convennienz-Komplienten sehe, und da ich weiss wie sehr Sie selbst in deren Beobachtung Genuss finden, so können Sie sich leicht vorstellen, wie sehr es mich kränkt, dass Sie nicht zu meinem Namensfeste mit Ihrer Reisetasche gratulieren kamen, oder doch, wenn Sie auf dem Lande eben herumstreiften, mir, wenn kein Grandbillet, doch ein Vergissmeinnicht in Laub gehüllt zugesendet haben. Sie haben den Schein, {auf} mich vergessen zu haben, mich zwang der Schmerz auf Sie zu denken. Nun hören Sie einmahl wie: Der k. preussische Generalchirurg Rust, Professor zu Berlin, durchreiste Vorgestern Prag, besuchte mich und seinen alten Freund Wawruch. Da ergab sich das Gespräch, dass er vom Könige den Auftrag habe, einen ausstudierten für Naturgeschichte geneigten Menschen aufzufinden, der in dieser und vorzüglich für Aufschlüsse der thierischen Chemie Beiträge nach Belieben sammeln, eben darum auf Reisen geschickt werden möchte. Gleich schilderte ich Sie, und Ihr Vorhaben nach der Schweiz und ihrem Pestalozi zu reisen. H. Rust meint, da Sie dies auf eigene Kosten thun wollten, es doch besser wäre, dafür vorhinein schon unterstützt zu werden. Er glaubte, dass eben die Schweiz für beides - ja für alles zur Beobachtung vorzüglich geeignet wäre.

Wenn Sie daher diesen Antrag nehmen wollten, so sollten Sie sogleich an ihn nach Wien erga Recepisse poste restante schreiben: Sie werden dann Reisegeld nach Berlin erhalten, und von diesem Zeitpunkt in die Peripherie schiessen. Die Tasche hoppelt ja schon. Unterrichten Sie mich von Ihrem Entschlusse, der wahrscheinlich zur Professur führt.

Wie ernstlich man in Preussen jetzt auf allseitige Bildung und {Vervollkommung} der Wissenschaften gehet, mag Ihnen der Bericht der wirklichen Geschichte beweisen, die ich aus Rust's Munde habe. Er lernte dieses Jahr den bekannten {Lotka}, den untreuen Mediziner und allbekannten Schwärmer kennen, als dieser hinkam. So einen Abentheuerer könnte man brauchen; schnell ward ein Vertrag geschlossen. {Lhotka} bekommt 500 Thaler Reisegeld, wird auf einem bestimmten {Schife} - wohin? . . nach Hayti - gebracht, und wird bei der Rückkunft nach der Zahl der Insekten u. a. m. stückweise[84]bezahlt. Ist er fleissig bekommt er viel. Leistet er nichts, so sind 1000 Thaler für den preuss. Staat kein empfindlicher Verlust.

Gott erhalte Sie gesund: bei mir ist alles wohl.
Fritz
CC-BY-NC-SA-4.0

Editionstext kann unter der Lizenz „Creative Commons Attribution Non Commercial Share Alike 4.0 International“ genutzt werden.


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 2. September 1818. Fritz an Purkinje. Z_1818-09-02_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-3653-7