[261] Aus: Göttliche Liebesfunken,
Erster Teil

1698.

Vorrede

1.

Wofern es auff einigerley Weise möglich gewesen wäre/ so hätte man diese Blätter gerne nur einigen solchen Liebhabern durch den druck gemein gemachet/ welche sie mit so unpartheyischen Augen angesehen/ daß es keiner Entschuldigung bedürfft hätte. Nachdem es aber dergestalt auch unter andere gerathen wird/ hat man zuförderst eins und das andere ungegründete Vorurtheil nach Vermögen hinweg räumen wollen. Es ist der Autor hiermit keines Weges gemeinet die Anzahl derer Teutschen Gedichte zu vermehren/ oder den Namen einer jetzo gebräuchlichen Poetischen Schreib-Art zu verdienen. Beydes erfordert mehr Übung und Fertigkeit/ ist auch nach der Weise/in welcher es zur Zeit gegebrauchet wird/ mit nicht geringer Eitelkeit verknüpffet.

2.

Sondern die Gelegenheit zur gantzen Sache ist folgende: Es hat zum öfftern durch Veranlassung guter Freunde sich gefüget/ daß er auff ihr Erinnern über diese und jene Sinn- oder andere Bilder einige kurtze Verse entwerffen müssen. Nicht selten hat ihn selber diese und jene Begebenheit oder eigne Angelegenheit zu dem Außdruck seiner Betrachtungen gebracht. Bißweilen ist ihm unvermuthet etwa eine kurtze Aria oder ein ander Lied in die Feder oder nur in die Schreib-Tafel geflossen/ wenn er auff dem Lande spatzieren gangen/ und in Gott ruhig und frölich gewesen/ oder wenn sich auch sonst ein Antrieb zum Lobe Gottes ereignet hat.

[261] Das meiste/ ja fast alles ist unter andern häuffigen, und zwar ernsthafften Verrichtungen gleichsam gebohren/ und kan dahero dem Leser keine grosse Künste versprechen. So wird er auch viel weniger hochtrabende Worte/ weit gesuchte verblümte Redens-Arten/oder sonsten viel affectirte Manieren drinnen finden. Ja man hat manchmal gemeint das Recht zu haben/daß man nicht allezeit denen gemeinen Kunst-Regeln unterworffen wäre/ wo die Sache selbst und der Nachdruck etwas besonders erforderte. Man war gemeiniglich vergnügt/ wann ein Verß von sich selber ungezwungen dahin floß/ daß es keines Flickens und Kopffbrechens bedurffte; angesehen die Verständigen allezeit die gezwungene Reimerey unn das affectirte großsprecherische Phantasieren einiger Gern-Poeten in gleichem oder keinem Werth gehalten haben.

Und ob man wol an denen vortrefflichen dichtern/dergleichen Opitz/ Buchner/ Francke/ Hoffmannswaldau/ Lohenstein/ Johannes Angeluss, Rosenroth und andere gewesen/ viel grosse und recht göttliche Gaben auffrichtig bewundert und verehret; so ist doch die Zeit und Kräffte am besten und verantwortlichsten angewendet/ die sie auff Betrachtung beständiger göttlicher und ewiger dinge gerichtet. Zum wenigsten ist einem Christen seine übrige Lebens-Zeit so kostbar/daß er sie mit nichtigen Grillen oder solchen Übungen/ die sich nur auff diese wenige Jahre erstrecken/nicht verderben darff. Die Heydnischen Poeten/ und nach ihnen viel ihrer Nachfolger unter den sogenannten Christen/ machen viel Wesens von der Ewigkeit ihrer Gedichte und Wercke. Wie viel hundert haben dem thörichten Horatio sein Exegi monumentum aere perennius nachgelernet/ und müssen doch in der That erfahren/ daß allein das lebendige Wort des Schöpffers in Ewigkeit bleibe? O daß doch ein jeder unsterblicher Geist einmal recht klug würde/ die Nichtigkeit aller dinge/ und die immerwährende Liebe seines Schöpffers zu erkennen!

Hoffentlich soll der Leser hier keinen Anlaß zu eitelen Einfällen finden/ weniger unnütze und faule Worte/ die sonst fast das Wesen der gemeinen Poesie außmachen. Ich halte alles Dichten und Singen vor unnütze/ das nicht auß dem Geist Gottes fleusset. Und wer sich hiebey auff eigne Kunst und Hurtigkeit seines Kopffs verlässet/ der verfällt gemeiniglich im Meditiren auff ungereimte/ ärgerliche und unverantwortliche Sachen. Und hierinn bedörffte auch unsere Teutsche Poesie wol einmal eine [262] merckliche Verbesserung/ wollen wir uns anders auch vor denen Ausländern nicht ferner prostituiren. Dann welches redliche Gemüth kan doch wol die schändlichen und unflätigen Gedichte billigen/ die doch mitten unter denen/die sich rechtgläubig nennen/ ungescheuet geheget werden? Zu geschweigen/ daß man im Gegentheil leichtlich nichts leiden kan/ was sich von Gott nennet/oder von seinem höhern Ursprung zeuget. Ungeacht auch so gar die Heydnischen dichter von sich gesagt haben/ daß Gott in ihnen wäre/ und daß er sie triebe/wann sie feurig und geschickt wären/ Verse zu machen? Was solte dann nun ein wahrer Christ nicht von diesem ewigen Licht erwarten und geniessen/ welches er kennet/ und mit dem er genau vereiniget ist?

Vielmehr ist gewiß/ und dem offenbaren Willen Gottes gemäß/ daß ein Gemüthe desto besser von Gott und dessen Lieblichkeit zu singen und zu sagen wisse/ je genauer es mit ihm in Gebett und Gehorsam des Glaubens umbgehet. Es redet/ was es weiß/ und zeuget/ was es gesehen hat/ gesetzt/ daß die wenigsten das Zeugnis annehmen? Müssen wir/ wie jedermann zugibt/ Gott vor dem Ursprung aller Wissenschafften und Gaben erkennen und verehren: so wird ja vielmehr das von ihm kommen/ was ihn besinget und beschreibet. Und warum solte auch der Schöpffer nicht so mächtig und frey seyn/ eine Creatur nach seinem Wolgefallen zustimmen/ die ja ohne ihm keinen Finger regen darff! Wird ihm nun diese über diß getreu/und lässet die alte Unart außschaffen/ so füllet er sie mit sich selbsten/ d.i. mit allem ersinnlichen Gute/und sonderlich mit seiner empfindlichen Süssigkeit. Warum solte so dann der Mund nicht übergehen/ da das Hertz biß oben an voll ist? Oder wie kan ein Gefäß vor sich behalten/ wann ein Freund Gottes hier und da daran rüttelt und die Gabe durch sein Verlangen und Gebett erwecket?

[263] 2.
I. Aus Matth. V.v.z.
Bildet ab einen Menschen/ der allen Reichthum und Vorrath von sich geworffen/ bloß vor Gott daliegt/ aber durch einen Engel überkleidet wird.

Ich bin ein armes Kind/ aus dieser Welt gerissen/
Und von mir selbst entblöst/ von allen abgethan/
Ich hab und liebe nichts/ ich kan und will nichts wissen/
Bekenne/ daß ich mir im Grund nichts helffen kan.
So arm und bloß bin ich. Wo aber soll ich finden/
Was mich in Armuth reich/ im Elend herrlich macht.
Ich wehle was ich will/ so muß mirs bald verschwinden/
Die gantze Creatur hat mir nichts zugebracht.
Die Welt die gibt mir nichts/ sie hat mich abgetrennet/
Die Frommen sind selbst arm/ sie haben nichts vor sich/
Ein jeder bettelt selbst/ was er sein eigen nennet.
So gar stehts ausser Gott umb uns sehr jämmerlich/
Hier steh ich/ Herr/ vor dir; Entblöß und füll zugleich/
Mein außgeleertes Hertz mit deinem Himmel-Reich.

12.
Das Seufftzen des Gefangenen.
Die Seele liegt mit Ketten gebunden an die Welt/und sich selbst/ wird auch von hinten zu durch den Satan noch gehalten.

Wie lieg ich/ Arme/ noch gebunden/
Wie druckt mich meiner Fessel Last.
Ich meint'/ ich hätte Freyheit funden/
Als mich die Lieb der Welt gefast.
Da wollt ich ungebunden gehn/
Und meinen freyen Willen haben:
Drauff must ich zu gebotte stehn
Den Feinden/ die mich nicht loß gaben.
Nun sah ich/ daß ich noch nicht bin
Auß ihrer Macht und Stricken gangen:
[264]
Ach Herr/ nimm diese Fessel hin:
Mach loß/ was noch von mir gefangen.
Die Welt-Lieb ist noch sehr subtil
In mir nach der Natur verborgen/
Und was ich noch vom Fleische fühl/
Das macht dem Geist viel tausend Sorgen.
O schaue mein Gefängniß an/
Ich lasse nimmer ab zu schreyen.
Doch deine Langmuth ists/ die kan
Mich nach Verzug geschwind erfreuen.
Mach nur eins nach dem andern los/
So komm ich frey in deinen Schoos.

13.
Ein Christ/ ein Wunder. Viel Christen/ viel Wunder.

Ich lebe noch in dieser Welt/
Ich bin doch schon zum Himmel auffgehoben.
Ich trag ein Joch/ das mir gefällt:
Ich bin ein Engel/ und kan GOTT doch loben.
Ich heiß ein mangelhafftes Kind/
Und bin doch werth/ denselben zu umfangen/
An dem man nichts als heiligs find:
Ich hab ihn schon/ und muß ihn doch verlangen.
Sein Creutz wird leicht/ und doch auch schwer/
Nachdem ich so genau mit ihm vereinet:
Mein Hertz ist voll/ und dennoch leer:
Voll Liebe/ leer von dem/ was ich beweinet:
Ich bin ein Wunder-Mensch vor anderer Menschen Augen/
Und weiß nicht/ ob ich noch werd unter Menschen taugen.
Des Creutzes Krafft hat mich zum Thoren längst gemacht;
Mich wundert/ daß man mich nicht ins Gesicht verlacht.

17.
Uber ein brennend Hertz.
Luc. 24.
Brennet nicht dein Hertz in dir/ er mit dir redet.

Wenn nur mein Hertze brennend ist/
Da ich das Wort des Lebens fasse/
[265]
So weiß ich/ daß dus selber bist/
Des Vatters Wort/ das ich nicht lasse.
Die Flamme deiner Liebe macht/
Daß ich mich immer höher schwinge:
Und wenn ich deine Treu betracht/
Ein Liebes-Feur zum Opffer bringe.
Die Flamm ist ja von dir entzündt/
Drum eilt sie zu dem Ursprung wieder/
Und wenn sie unterwegs dich findt/
So kehrt sie nie zur Erden nieder.
O laß mich stille stehn und hören/
Wenn du willt in mein Hertz einkehren.
Du ziehst allein bey denen ein/
Die dir im Grund gelassen seyn.
Wie gerne wär ich doch in dieser Flamme rein!

31.
Vorstellung und Verlangen des Göttlichen Willens.

Du unumschränckter Geist/ du freyes Wesen/
Darnach sich alle Welt bequemen muß.
Ich hab von deinem Rath genug gelesen/
Und bin in Demuth an der Weißheit Schluß.
Ach daß ich ihm möcht gantz gleichförmig werden/
Wie solt ich nicht dir selbst so ähnlich seyn!
Der Himmel wär in mir schon auff der Erden/
Mein Wille wäre mehr als Englisch rein.
O Wille/ der du nur mein Wohl verlangest/
Laß diesen Schluß alsbald gehn in die That.
Ich weiß/ wie du mit einer Seelen prangest/
Die sich nur überläst dem treuen Rath.
Laß meinen Vorsatz nicht so flüchtig bleiben/
Bereite/ stärck/ erhalt/ was du gethan:
Du wollst mich lieber in die Enge treiben/
Wenn ich außtreten wollt von deiner Bahn.
Dein Wille sey mein Weg/ die Regel/ und das Ziel/
Kurtz: Alles sey er mir! Ich will ja nicht zu viel.
[266]

33.
Auff den gecreutzigten Jesum/ in dessen Seiten die Seele als geflügelt auffsteiget.

Wie grauet doch dem Fleisch vor seinem Tod/
Es fleucht das Creutz/ erschüttert vor dem Leiden/
Drum sind dem Geist des Glaubens Flügel noth/
Der mich auffhebt und bringt in deine Seiten/
Da steig ich frisch die Jacobs-Leiter an/
Ach geh mir doch von deinem Creutz entgegen/
Ach laß mich fein in deine Wunden legen/
Und bind mich fest/ daß ich nicht weichen kan!
Laß die Natur entkräfftet sincken hin/
Und Lust und Nutz und Ehre seyn erstorben/
Biß ich der Welt ein rechtes Scheusal bin/
Und an dem Creutz in Adam gantz verdorben.
Erheb dafür den neuen Sinn empor/
Und mach ihn leicht zu dir hinauff zu fliegen/
Leg immer ihm die leichten Lasten vor/
Darunter er sich schmiegen soll und biegen.
O laß mich stets zu dir gestrecket seyn/
Und doch noch mehr ins Tieffe gehen ein:
Hoch an dem Creutz/ tieff in mein Nichts gesencket/
Biß du mir gantz und ich dir werd geschencket.

39.
Gedancken über etliche Sinn-Bilder/Aus dem Hohen Lied Salomonis:
1. Uber die Honigsammlenden Bienen und ein weidendes Lamm auß Cap. 1. v. 1. Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes!

Der Hunger kan das Lamm so sehr ans Gras verbinden/
Der Bienen Honig-Mund weicht von den Blumen nicht/
Und iede Creatur kan das Geliebte finden/
Da wo dem Hunger und Verlangen gnug geschicht.
So saugt auch meine Lieb/ O Saransblum/ das Leben
Auß dir/ dein Kuß soll mir die volle Nahrung geben.
[267]

44.
Die Seele erquicket sich an Jesu v. 16. und Cap. 6/2. Siehe du bist schöne/ mein Lieber/ und holdselig.

So spielen die lieblichen Buhlen zusammen/
Und mehren im Spielen die himmlischen Flammen/
Das eine vermehret des anderen Lust/
Und beyden ist nichts als die Liebe bewust.
Sie kämpffen im Lieben/ sie geben sich eigen/
Die Vielheit muß endlich dem Einen hin weichen.
Er singet; sie spielet; er küsset/ sie hertzet/
Er lehret/ sie höret; er lachet/ sie schertzet.
Er saget: wie bist du mir ewig erkohren!
Er ruffet: du bist mir zur Freude gebohren!
Die beyde verdoppeln das Echo in Ein/
Und schreyen: mein Freund ist vollkommentlich mein! Echo: Ich mein!
So recht/ so vermehrt sich der göttliche Schein!

60.
Auff das Bild Mariä Magdalenä/ welche im Uberdruß ihr selbst allen Schmuck abreist und wegwirfft.

Wie hertzlich müde bin ich doch
Von meinem eignen Thun und Willen!
Bey Jesu sanfftem Friedens-Joch
Kan mir das Liebste nicht mein Hertze stillen.
Mein matter Sinn
Steht nur nach dir/ und deiner Ruhe hin.
Was soll mir doch noch eine Creatur/
Wann Christus mir selbst wird Krafft/ Wesen und Natur?
Ein ander mag sich mit was anders noch behängen/
Mein Sehnen wird sich stets zu Jesus Hertze drängen.
Da liegt man ja so sanfft/ man ist von allem Frey:
Ich seh es schon zuvor/ daß ich vollendet sey.

74.
Auff eine gekrönte Braut.

Sophia meine Braut/ Gespielin keuscher Sinnen/
Du wunder-Bild von Gott/ du Abdruck seiner Treu/
[268]
Was reitzt mich dich so sehr im Geist lieb zu gewinnen/
Als deine Reinigkeit/ die mir noch immer neu/
Und so empfindlich ist in dir und deinen Gliedern.
O Lamm/ du zartes Lamm/ das mir im Schose liegt
Wie werd ich deine Huld mit gleicher Treu erwiedern?
Ich geb dir wieder hin/ was ich von dir hab krigt:
Du schenckst mir nichts als Lieb/ ich will sie wieder geben;
Du krönest mich mit Lust/ die rein und himmlisch ist/
Und nennst mich deine Braut/ ich will ohn dich nicht leben/
Weil du mir mehr als Braut/ ja selbst mein Leben bist.
Dein Glantz und Himmel-Schein/ Sophia/ blick mich an/
Ach setz mich auf dein Hertz/ als wie ein Siegel hin:
Und weil ich ohne dich nicht selig werden kan/
So schaffe/ daß ich nur nicht mehr mein eigen bin.

87.
Spatziergang mit Jesu.

Es ist ja wahr/ im Feld siehts lieblich aus/
Wo alles sich mit Blumen kan bezieren:
Ich aber geh auch hier in meinem Hauß
In aller Still mit meinem Lamm spatziren.
Da scheint die Sonn/ da singt die Nachtigal/
Da grünts und blühts/ da rauschen frische Quellen.
Ich seh da nichts als Jesum überall/
Sein Engel-Chor erfüllet alle Stellen.
Er ist die Sonn/ die Liebe/ der Gesang/
Dabey die Hoffnung grünt/ und reine Wasser springen.
Ist das nicht gnung bey meinem schönen Gang?
Er soll mich ja zum Paradiese bringen.

91.
Der Liebes-Trieb.

Ach ziehe mich/ ach ziehe mich hinein/
O Abgrund sonder Maß/ o Brunnquell aller Huld!
Geliebter Schmertz/ versüßte Pein!
Du Zucker-Guß/ du Necktar-Fluß!
Womit hab ich den Himmels-Kuß
Und tiefsten Eindruck deiner Lieb verschuld?
Ich weiß nicht wer ich bin.
[269]
Ich bin in meinem Sinn
Ein faules Aas/ ein todter Hund/
Den Sünden-Fäulniß machet wund/
Und dennoch liebt dein Liebes-Bund
Mit Hertz und Mund den todten Hund!
Du soltest nicht einmahl berühren mich/ ja ewiglich/
Sollt mich dein Fuß von dir weg stossen.
Und siehe du kanst liebekosen
Mich armen Wurm so süßiglich!
Wolan so fahre fort/ erfüll dein treues Wort.
Der Abgrund der Barmhertzigkeit
Hegt manches Hertz/ das du erfreut.
Darein will ich versuncken seyn/
Ach! ziehe! ziehe! mich hinein!

92.
Liebes-Geschichte.

Als meine Kindheit noch konnt wenig Jahre zehlen/
Und noch aus Sicherheit nicht dacht ans düstre Grab/
Da wolt Sophia mich zu ihren Liebsten wehlen/
Ich solte nur der Welt auff ewig sagen ab.
Die Fordrung schien zu groß. Zwar must die Braut gefallen
Dem sonst fast ecklen Sinn. Sie war von schöner Art/
Von holder Liebligkeit/ von Reichthum und von allen/
Was durch den Eigensinn an ihr verlanget ward.
Sie both mir sehnlich an ein unvergänglich Wesen/
Ich solt auff ihrem Schooß unendlich seyn vergnügt.
Die Klugheit kont ich ihr schon aus den Augen lesen/
Bevor ich selber wust/ worinn die Klugheit liegt.
Kein Zancken/ kein Geschrey/ kein ungeschickte Reden/
Kein Hochmuth/ noch was sonst der Lieb verdrießlich ist/
Und einen freyen Muth kan unter Füße treten/
War zu besorgen hier. So offt sie mich geküst/
Könt ich die Himmels-Krafft in höchster Lust empfinden.
Nur wolt mein Unverstand mir noch entgegen stehn/
Der meint/ ich solt mich nicht an diese Braut so binden/
Und nur bißweilen noch zu ihrer Wohnung gehn.
[270]
Man könte doch nicht stets nach ihrem Willen leben/
Ihr Leben sey zu eng in Schrancken eingespannt.
Halb könt ich mich der Welt/ halb ihrer Lieb ergeben/
Damit ich dennoch blieb mit ihrem Thun bekannt.
So könt ich bleiben frey. Was war mir da zu machen?
Ein gantz verborgner Trieb zog mein Verlangen hin
Zu ihrer Trefflichkeit. Die Welt mit ihren Sachen
Stund mir zwar nie recht an. Doch brachte mich der Sinn/
Die Mittelbahn zu gehn/ und Wollust zwar zu meiden/
Der schnöden Geld-Begier nicht zu ergeben sich:
Doch nicht die Sklaverey des eitlen Ruhms zu meiden/
Durch falsch berühmte Kunst empor zu schwingen mich.
Sophiam schmertzte diß: Ihr treu gesinnt Gemüthe.
Ließ doch nicht ändern sich durch meinen falschen Sinn;
Biß daß ich meine Zeit sammt ihrer besten Blüthe
In eitler Wissenschaft vergebens brachte hin.
Da zog sie mich zurück mit starcken Liebes-Seilen
Halt! sprach sie/ kennstu nicht die unverrückte Treu?
Denck nicht/ du könnst noch wol in Eitelkeit verweilen/
Und meiner vollen Gunst geniessen doch darbey.
Ach eil geschwind zurück/ laß diese Hure fahren/
Die Larven/ Schminck/ Betrug zum besten Mahlschatz hat:
Ihr Kram ist Puppen-Werck/ wurmstichig sind die Waaren/
Kein Segen keine Ruh sind bey der Thorheit statt.
Komm/ laß dein armes Hertz in meinem Schose hegen/
Nachdem es lang genug bestürmet und geplagt/
Und hin und her geweht die Winde/ die sich legen/
Wenn du der Buhlerin den Kauff hast auffgesagt.
Furcht/ Hoffnung/ Ehrsucht/ Angst/
Reu/ Schmertzen und Verlangen/
Verdruß/ Müh/ Sorgen/ Quaal war vor dein täglich Brod;
Mich sollstu ohne Noth in süsser Ruh umbfangen/
Zu leben fangen an nach so elenden Todt.
Kaum hört ich das/ so fieng die Seele an zu wallen/
Es griff mir Reu und Freud zugleich das Hertze an/
Ich mußt ihr um den Halß mit heissen Thränen fallen.
Und sagte: was hab ich Unseliger gethan?
Ich bin der Treu nicht werth/ die du auff dich genommen/
O allzu frommes Hertz! Doch laß vergessen seyn
Der Narrheit falschen Sinn. Und darff ich wieder kommen/
[271]
So zieh mich gantz und gar in deine Lieb hinein.
Du sollst mein Leit-Stern seyn/ mein Leben/ mein Ergetzen/
Mein Lieb/ mein Hertz/ mein Schatz/ mein Engel/ Spiel und Ruh:
Ich will zum Siegel dich auff Arm und Hertze setzen/
Du sollst mein Alles seyn/ du liebste Schwester du!
Drauff ward ich außgesöhnt/ sie druckt ihr Liebes-Zeichen
Auff Augen/ Brust und Mund/ und ich umbfaßte sie/
Bath/ daß sie nimmer möcht von meiner Seiten weichen/
Und sie verband sich mein zu bleiben je und je.
Nun leb ich recht mit ihr in ungestörter Stille/
Ihr sanfftes Wesen macht mich ewiglich vergnügt;
Ihr Vorrath ist sehr reich/ sie gibt mir Hüll und Fülle/
Und macht/ daß unsre Eh viel 1000. Kinder kriegt/
Die vor dem Herrn stehn/ und seine Weißheit preisen.
Sophigen weiß es wohl/ wie Gottes Rath sich hält/
Wie sie sich gegen Mann und Vater soll erweisen/
Was jenem nützlich ist/ und diesem wohlgefällt.
In Summa/ nun hab ich ein reiches Weib bekommen/
Ein hold und zartes Bild. Ihr Ehrenstand ist gros/
Der Ruhm von Klugheit kan ihr niemals seyn benommen.
Es ist auffs lieblichste gefallen mir das Los.
Sie ißt und trinckt mit mir/ sie geht mit mir zu Bette/
Steht mit mir wieder auff/ schreibt/ lißt und redt mit mir/
Sie lacht und schertzet offt anmuthig in die Wette;
O selig! Wer also geneußt den Himmel hier!

93.
Die seligste Vermählung.

Ihr Nymphen/ die ihr noch die Liebe nicht empfunden/
Die JESUS reiner Geist in freye Hertzen schickt.
Hört an/ wie seine Treu mit meiner sich verbunden/
Und mich als liebste Braut an seine Brust gedrückt:
Ich hiesse noch ein Kind/ und war kein Kind zu nennen
An Boßheit und Betrug/ die Blindheit hielte mich/
Ich wust nicht/ wer ich war/ und konnt mich selbst nicht kennen/
Es stunde umb mein Heyl und Hoffnung jämmerlich.
Man schaute mich damals im eigen Willen gehen/
Es lag der arme Geist im Irrthum trüber Nacht/
[272]
Must ohne Schmuck/ geschändt/ dürr/ arm und heßlich stehen/
Vom Feinde krumm und lahm/ stumm/ blind und taub gemacht
Und grausam zugericht; doch ließ sich das nicht schrecken
Die Hoheit/ so der Chor der Engel tieff verehrt.
Vor der die Seraphim ihr Angesicht bedecken/
Der ward die Neigung nicht durch meinen Koth verwehrt/
Besondern noch gestärckt; mit 1000. Liebekosen.
Und 1000. noch dazu war seine Gunst vermengt.
Der Mund war Anmuth-reich/ die Wangen voller Rosen/
Die Augen voller Blitz/ und gar als wie versengt
Von der Begierde Brunst. So trat er zu mir Armen/
Und wollte gleich von mir das Ja-Wort nehmen hin.
Wie aber wehrt ich mich! Ich solt darinn erwarmen/
Und seht/ noch kälter ward mein sonst schon kalter Sinn.
Wie schüchtern war das Hertz! wie zitterten die Glieder/
Als er nun allgemach zu säubern mich begunt!
So offt ich ihn vertrieb/ so offte kam er wieder/
Und machte mir die Treu beständig/ klar und kund.
Da zeigten sich mit Macht des Geistes obre Kräffte;
Ich war nicht/ die ich war; die gantz verborgne Gluth
Gieng in dem innern auff; die fleischlichen Geschäffte
Erstorben mählich hin: Ich ward dem Liebsten gut/
Den ich zuvor verwarff. Zwar wolte sich noch regen/
Ich weiß nicht was vor Scham und allzu grosse Scheu/
Biß ich auch diese must zu seinen Füssen legen/
Und im Vertrauen sprach: Wie ich die deine sey,
Und du mein eigen bleibst! So ward ich auserkohren
Zu eines Königs Braut: Es zog mich sein Magnet
Nach seinen Lippen hin. Die Wollust ward gebohren/
Als er mich selbst umbfieng. Wer solche Lieb versteht/
Der kennt auch ihre Pracht/ ihr wunderbahres Wesen/
Ihr Lachen und ihr thun; Wenn zarte Unschuld schertzt/
Und wenn man ihren Trieb kan auß den Augen lesen/
Wenn seine lincke Hand mich deckt/ die Rechte hertzt.
Nunmehr bestrahlt Er mich mit 1000. holden Blicken/
Verknüpfft mich ewig Ihm durch seines Geistes Band.
Jetzt kan ich kennen erst das himmlische Geschicke/
Wenn er drückt Hertz auff Hertz/ und Mund auf Mund und Hand.
Nun ist das meine Pflicht/ Ihm treu und hold zu bleiben/
Und nur getrost in Fried auff seinem Schos zu ruhn/
[273]
Mißtrauen Scham und Furcht auß Geist und Seel zu treiben/
Und in Vertraulichkeit/ was ihm beliebt/ zu thun.
So fängt mein Leben dann recht frölich an zu grünen/
Wenn ich Ihm niemals Hand und Hertz und Mund entzieh.
Mir soll sein sanfftes Joch zu einem Polster dienen/
Das mir die Liebe weist. So kan ich lustig hie/
Und dorten selig seyn. So darff ich nichts verlangen/
Mein Liebster flöst mir ein den Zucker süsser Ruh.
Kömmt er zu meinem Schlaff mit sanfftem Schritt gegangen/
So schließ ich auch mit Ihm die frohen Augen zu.
Ich weiß, ich will mit Ihm und in Ihm endlich sterben/
Nicht sterben/ sondern erst recht leben ewiglich.
Es kan ja keine Braut beym Bräutigam verderben.
Ihr Nymphen werdet doch so selig/ als wie ich!

97.
Spatzier-Gedanken.

1.
Ihr Hügel/ die ihr mich noch kennet/
Erinnert euch der grossen Lust/
die jenesmahl mir war bewust/
Als ich das Paradiß euch nennet.
Ihr Auen die ihr kont ergetzen/
Vergönnet mir/ daß ich die Freud/
Die mir der Herr bey euch bereit/
Dem Edens-Platz mag ähnlich schätzen/
Da spielte der Einfalt vollkommene Treue/
Und knüpffte die Bande der Hertzen auffs neue.
2.
Es musten frohe Lieder schallen/
Die Vögel musten Zeugen seyn/
Der schnelle Bach der stimmte ein/
Gott könt der Umbgang wol gefallen.
Die Creatur must uns bedienen/
Es lacht uns alles lieblich an/
Wir traten auff der Liebe Bahn/
Und lobten unsern Gott im grünen/
Man hatte der Städte Getümmel vergessen/
Und ware den Sorgen und Kummer entsessen.
[274] 3.
Ihr Zweige/ laßt die Blätter fallen/
Die ihr damahls so schön geblüht/
Und nun die Kräffte einwärts zieht.
Doch soll bey euch noch wieder schallen/
Nach dem ihr lang betrübt gesehen/
Was der und jener liebes weiß/
Und was er weiß von Gottes Preiß.
Ihr sollt bald wieder grünend stehen/
Wenn euch die erhöhete Sonne anblicket/
Und unsere Sonne die Hertzen erquicket.
4.
Die Hoffnung soll mir nimmer fehlen/
Daß mir ein Frühling wieder grünt/
Und mir mit frischen Rosen dient.
Ich will nicht mehr die Stadt erwehlen/
Und überall gebunden stehen;
Ich weiß noch endlich frey zu seyn/
Und in das freye Feld hinein
Mit dem/ was ich erwehlt zu gehen.
Ich gehe zur Freyheit auff guldenen Stuffen/
Das Echo soll itzo entgegen mir ruffen.

101.
Ein Engel wirfft alle Blumen hinter sich/ und behält die Rose.

Die Creatur ist schön/ noch schöner ist mein Freund/
Er ist die Ros im Thal/ die meine Seele meynt.
So geht mirs manches mal/ bleib ich nicht bey dem Einen/
Das Jesus selber ist/ so hab ich nichts als Pein/
Kan aber seine Lieb in mir alleine scheinen/
So pflegt er/ wie er ist/ auff einmal all's zu seyn.
Kurtz/ Vielheit ist mein Schad/ das Eine meine Ruh/
Die Welt hat eine Sonn/ mein Leib ein Hertz und Seele:
Was hält mich/ daß ich nicht gleich lauff dem Einen zu?
O Jammer! wenn ich mich noch in so vielen quäle.
Ihr welcken Blumen fallt/ ihr Creaturen weicht!
Nur einer ist mein Schatz/ was soll ich lange wehlen?
Ich weiß/ daß meinem Freund doch keine Rose gleicht:
Nun soll mir auch nichts mehr mein Hertz zur Liebe stehlen!
[275]

117.
Das wilde Natur-Feuer.

Der Salamander soll im Feuer können leben:
Ich bin kein solches Thier/ und leb doch in der Gluht;
Zorn und Begierde kan den Geist als Feuer heben.
Ach Wasser/ Wasser her! lescht ab mein heisses Blut!

Auff einen bösen Kirchen-Diener.

Hier liegt ein schwarzes Thier/ das kont Postillen lesen/
Und wieder sagen her/ von Gelde nimmer satt/
Von Stoltz und Wollust voll. Bistu nicht fromm gewesen/
So tröst dich/ daß er dich schon absolviret hat.

126.
Babels Grab-Lied. Herem. 51. v. 9.

Melod. Nur frisch hinein/ es kan so tieff etc.


1.

Der Wächter Rath/ den Gott bestellet hat/ Spricht die Sententz schon über Babels-wunden/ Es sey kein Artzt noch Kraut vor sie gefunden/ So gar verzweiffelt sey der Schad/ den Babel hat.


2.

Ein jeder will/ den Schmertz zwar machen still/ Wie viel Quacksalber wollen Ritter werden An diesem Krebs? Und sehn nicht die Beschwerden/ daß Babel selbst Gott niemals halten still Und folgen will.


3.

Sie inficirt den Artzt/ der sie berührt/ Und läßt an ihm zum Trinckgeld Plagen kleben/ der sie doch will erhalten bey dem Leben/ Und flickt an ihr. So/ daß man deutlich spürt/ Wer sie berührt.


4.

Es zieh ihr an die Larve/ wer noch kan/ Such seine Kunst mit Schwätzen zu beweisen/ die Zorn-Fluth wird den Heuchel-Schmuck abreissen. Das Feuer kommt und zündt die Stoppeln an. So bleibt nichts dran.


5.

Seht ihr noch nicht/ daß ihr gar nichts außricht/ Ihr/die ihr sie so gerne woltet heilen? Wollt ihr in dem Pest-Hause noch [276] verweilen? Seht/ daß euch ja der Patiente nicht den Halß noch bricht.


6.

Man siht den Greul/ der Boßheit starcke Seul. O pfuy wie stinckt die Hure hier auff Erden! Wie soll sie nicht ein Abscheu Engeln werden? Wenn sie entdeckt von so gar langer Weil der Boßheit Greul.


7.

So lasst sie gehn/ und ihrem Richter stehn! O reisset Band und Pflaster ihr vom Leibe/ damit sie bloß und nackend stehen bleibe! Die Schande muß der gantze Himmel sehn. Drum laßt sie gehn!


8.

Des Bechers Grimm schweigt ihre Zauber-Stimm: Der Könge Muth fängt sie schon an zu hassen. Man wird ihr nichts als Schand und Blösse lassen. Es zeigt ihr schon von fern die Engels-Stimm des Bechers Grimm.


9.

Der Tod sitzt ihr schon auff der Zungen schier/ Ihr Aas soll bald in Abgrund seyn begraben/ da mögen sich die Buhler an ihr laben. Die fürchten schon/ es falle ihre Zier/ Und merckens schier.


10.

Drüm stürmt ihr Nest/ Darinn sie stoltz gewest/ Zerschmettert ihre Kinder an den Steinen! Die Schlangenbrut soll ja niemand beweinen. Gebt ihrem Bau/dem Frevel-Sitz/ den Rest/ Und stürmt ihr Nest.


11.

Seht/ welcher Christ erst auff der Mauren ist/ Soll zur Belohnung Schwerdt und Feuer haben/ Bey diesem Sieg ertheilt man solche Gaben. Doch bey Gott kriegt ein solcher Helden-Christ/ Was ewig ist.


12.

Auff/ auff! Es rufft auß jener Sternen-Lufft/ Und bläßt schon Lerm der Wächter auff der Mauren der Sion-Stadt. Es müsse keinen dauren Ehr/ Gut und Blut! Hört wie euch in der Lufft der Wächter rufft.


13.

Laufft an/ und streit in Helden-Tapfferkeit! Soldaten müssen nicht so feige kämpffen; Wer will dann sonst der Hure Herrschafft [277] dämpffen/ Wann auch nicht Hirten-Knaben sind bereit Zur Tapfferkeit?


14.

Zwar mit dem Maul Ist annoch keiner faul; Es weiß ein jeder was davon zu sagen. Wer kan nicht über das Verderben klagen? Doch wenn es weiter geht/ als an das Maul/ So ist man faul.


15.

Drum dämpffet nicht den Geist/ wenn er außbricht In euch und andern/ Babels Grund zu stöhren; Ihr sonderlich/ die ihr wollt viel bekehren/ Seht/ daß nur erst in euch gantz Babel bricht/ Und heuchelt nicht.


16.

Nennt fein das Kind Mit Namen/ wie ihrs findt/ Und schmieret nicht ein Pflaster auf den Schaden/ das euch selbst zum Gerichte möcht gerathen. Geht auß! schreyt an das höllische Gesind/ Wo ihr es findt!


17.

Bey Heuchel-Tand Wird Zion nicht bekandt/ Wenn niemand will den Fuchs ins Fell recht beissen. Wollt ihr der Hur noch Reverentz beweisen/ Die balde soll mit Feur seyn verbrannt? O Heuchel-Stand!


18.

Indeß Geduld! Gott find schon Babels Schuld/ Thriumph! Es ist der Sturm Sion gelungen! Drum sey Gott schon im Vorrath Lob gesungen! Ein richtig Hertz bleibt doch in Gottes Huld/ Darum Geduld!

127.
Buchstabe-Geist.

So soll den Dinten und Papier
Euch Gottes Wort ins Hertze schreiben?
Wie weit geht gleichwol die Begier?
Soll nun der Schall euch nur eintreiben
Die volle Lebens-Krafft/
So Gottes Geist selbst schafft/
Wie lange wollt ihr Kinder seyn/
Und nicht zum Wesen gehen ein?
[278]
Ihr spielt als wie mit Puppen-Zeug/
Schwächt selber eure Stärcke/
Bleibt immer kindisch/ zart und weich;
Meynt ihr/ daß man nicht mercke/
Euch graue vor dem Licht/
Das auß Gott hell anbricht?
Ich rath/ schließt nicht die Augen zu/
Sonst kommt ihr nicht zu voller Ruh.
Wie könnt ihr andre Seelen noch
Mit diesen Dingen plagen?
Den legt ihr auff das harte Joch/
Im Schreiben/ Lesen/ Sagen/
Daß ja an dem Geschrey
Und Schall kein Ende sey.
Ach! wenn doch in der stillen Still
Geschähe willig Gottes Will!

129.
Das anmuthige Endlich.

1.
Endlich soll das frohe Jahr
Der erwünschten Freyheit kommen!
Seht! Der Geist wirds schon gewahr/
Hats im Vorrath angenommen.
Seht! Er triumphiret schon/
Geht einher in Sieges Kräntzen/
Wartend bey der Feinde Hohn.
Auff den neu bekrönten Lentzen.
Freunde/ nicht Feinde/ die sollens erblicken/
Langes Verlangen soll Kinder erquicken.
2.
Endlich wird das Seufftzen still/
Und das Hertze ruhig werden/
Wenn Papa es haben will
Daß die Lieben/ die bewährten/
Auß dem finstern Kercker gehn/
Band und Eysen von sich schmeissen/
Und nicht mehr von ferne stehn/
Sondern Ihn in einem preissen.
[279]
Harte Chaldeer/ ihr müsset uns weichen/
Laodiceer/ ihr sollt wol erbleichen.
3.
Endlich wird man Pflanzen sehen
Gott zu Preiß in seinem Garten/
Wenn man wird bey Paaren gehn/
Und nicht mehr in Hoffnung warten/
Sondern eins dem andern wird
Können seine Führung zeigen/
Jeder wird als nur ein Knecht/
Allen in der Demuth weichen:
Weichen/ sich beugen zur Einigkeit Bande/
Singen und springen in lieblichem Lande.
4.
Weg Vernunfft und Zweiffel-Wind
Eigen Lieb und eigen Ehre!
Wer hier nichts in Einfalt findt/
Wiß/ daß er die Hoffnung stöhre/
Und der Liebe Schmack verdarb/
Die doch unvermischt soll bleiben.
Was in ihr noch scheinet hart/
Kan uns nicht in eins eintreiben.
Stille! Der Wille des Vaters wird zeigen/
Allen Gefallen bey kindlichem Schweigen.
5.
Wenn der Schnee verschmoltzen ist/
Pflegt der Blumen Zier zu blicken:
Wenn du auß dem Winter bist/
Wird der Lentz die Kräntze schicken/
Die noch jetzt verderbet stehn/
Doch nach kalten Schnee und Winden
Soll dein Fuß spatziren gehn/
Tausend Blumen einzuwinden/
Rosen/ Liebkosen der himmlischen Blüthe/
Engelsüß dort genieß seligster Güte.
6.
Endlich wirstu dennoch Braut/
Und dein Bruder Bräutgam heissen.
Wer dich jetzt in Neid anschaut/
Wird dich endlich selig preisen.
[280]
Endlich muß der Himmel auch/
Ein beliebtes Ja-Wort sagen/
Und wer sonst nach Welt Gebrauch
Niemals hier was wollen wagen.
Endlich unendliche Herrlichkeit bringt.
Endlich die endliche Trübsal verschlingt.

134.
Psalm 55. v. 7.

Im Thon: Ich hab funden/ den ich liebe etc.

1.
Wo flieh ich hin/ wo soll ich bleiben?
Wo wird die süsse Stille seyn/
Da ich mich könte schliessen ein/
Und mich nicht lassen mehr umtreiben
Die Unruh dieser äussern Dinge?
Ist keine Einsamkeit bereit/
Darinn ich Gott ein Lob-Lied singe/
Der von Zerstreuung mich befreyt?
2.
Mein Geist will in die Wüsten ziehn/
Und wünscht ihm Dauben-Flügel an/
Weil er vor Angst nicht bleiben kan/
Da wo die Menschen sich bemühen
Von Gott noch weiter weg zu gehen/
Und niemals bey sich selbst zu seyn.
Ich kan den Jammer nicht mehr sehen/
Und bleibe selbst dabey nicht rein.
3.
Drum fort/ O Seel/ entzeuch geschwinde
Dich der Gesellschafft dieser Welt.
Zerreiß/ was dich gefangen hält/
Damit dein Fuß die Ruhe finde/
Wo kein Geräusche dich verstöhret/
Kein Zuspruch/ Sorgen und Verdruß
Den Umgang dir mit Gott verwehret/
Der hier offt unterbleiben muß.
[281] 4.
Ich freu mich schon auff eine Kammer/
Die mich in sich verschliessen wird/
Und durch den engen Raum abführt
Von aller Unruh/ Streit und Jammer/
Die grosse Städt und Schlösser haben/
Hier soll nur meine Ruhstatt seyn/
Da Sicherheit und Fried mich laben/
Und kein Unfriede bricht herein.
5.
Nun will ich erst recht singen/ beten/
Und in die Andacht kommen weit/
Weil ich nicht durch so viel zerstreut
Vor Gott mit stillem Geist darff treten.
Da soll kein Feind mich hindern können/
Ich geh in Canaan schon ein/
Mein Paradis soll man es nennen/
Hier will ich auch begraben seyn.

135.
Gegen-Satz.

1.
Ach! triumphier nicht vor dem Siege/
O Seel/ wo wiltu fliehen hin/
Da dein geblendter Eigen-Sinn
Vor Feinden frey und sicher liege.
Suchstu noch Ruh in äussern Dingen?
Ach! glaube mir/ du findst sie nicht.
Wirstu nicht nach dem innern ringen/
So ists mit dem nicht außgericht.
2.
Laß dein Verlangen weißlich hangen
An jener wahren Einsamkeit/
Die dich erst von dir selbst befreyt/
Wenn du bist auß dir selbst gegangen.
Die Selbst-Lieb muß dich gantz verlassen/
Die Dauben-Flügel müssen dich
In Krafft des Geistes starck erfassen/
Mit Gott verbinden festiglich.
[282] 3.
Drum bleib nur im Gehorsam stehen;
Kein Kriegs-Mann weicht von seiner Post/
Obs auch schon Blut und Leben kost!
Wenn ihn sein Herr dahin heißt gehen.
Der Glaube weiß nicht von eignem Willen/
Er sieht ihm selbst den Weg nicht auß/
Dadurch er Gottes Will erfüllen/
Und auß dem Streit will kommen rauß.
4.
Du bist dir selbst die gröste Plage/
Du trägst noch Babel stäts in dir.
Wiltu noch Ruh geniessen hier/
So laß dir keine süsse Tage
Durch süsse Träume hier vorlegen/
Du machst dich nur mehr mißvergnügt;
Die Liebe Jesu wird dich hegen/
Die alles Wissen überwiegt.
5.
Nun freue dich auff jene Kammer
des Friedens/ da du wohnen wirst/
Wenn dich nicht mehr nach Ruhe dürst/
Und bist befreyt von allem Jammer/
Den hier noch Städt und Wüsten haben/
Und wo du nur wilt fliehen hin.
Die Einsamkeit kan dich nicht laben/
Wenn mit dir zieht dein eigen Sinn.
6.
Du kanst auch mitten im Getümmel
Der Welt den Vatter beten an/
Der dich doch bald erlösen kan/
Wenn dir schon nützte jener Himmel/
Und dich Egypten nicht soll üben/
Daß deiner Treiber schweres Joch
Dich lernte recht den Himmel lieben/
Und dein Verlangen stillte noch.
7.
Da ist ein Canaan zu hoffen/
Kein Paradieß ist mehr allhier.
Es hat noch niemand/ der mit dir
Entfliehen will/ den Zweck getroffen.
[283]
Die Hoffnung mehrt sich mit den Dingen/
Die süß und doch unsichtbar sind/
Es muß uns doch zuletzt gelingen:
Bleib nur in Einfalt Gottes Kind.

139.
Der beste Führer.

Im Thon: Jehova ist mein Licht und Gnaden-Sonne.


1.

So führst du doch recht selig/ Herr/ die Deinen/ ja selig und doch meistens wunderlich! Wie könntest du es böse mit uns meynen/ da deine Treu nicht kan verleugnen sich? Die Wege sind offt krumm und doch gerad/ darauff du läst die Kinder zu dir gehn/ da pflegt es wunderseltzam außzusehn: doch triumphirt zuletzt dein hoher Rath.


2.

Dein Geist hängt nie an menschlichen Gesetzen/ So die Vernunfft und gute Meynung stellt: Den Zweiffels-Knoten kan dein Schwerdt verletzen/ Und lösen auff/ nachdem es dir gefällt. Du reissest wohl die stärcksten Band entzwey/ Was sich entgegen setzt/muß sincken hin. Ein Wort bricht offt den allerhärtsten Sinn/ dann geht dein Fuß auch durch Umwege frey.


3.

Was unsre Klugheit will zusammen fügen/ das theilt dein Witz in Ost und Westen auß: Was mancher unter Joch und Last will biegen/ Setzt deine Hand frey an der Sternen Hauß. Die Welt zerreist und du verknüpffst in Krafft/ Sie bricht/ du baust; sie baut/du reissest ein. Ihr Glantz muß dir ein dunckler Schatten seyn. Dein Geist bey Todten Krafft und Leben schafft.


4.

Will die Vernunfft was fromm und selig preisen/ So hast dus schon auß deinem Buch gethan: Wenn aber niemand will diß Zeugnuß weisen/ das führst du in der Still selbst Himmel an. Den Tisch der Pharisäer lästu stehn/ Und speisest mit den Sündern/ sprichst sie frey: Wer weiß/ was öffters deine Absicht sey? Wer kan der tieffsten Weißheit Abgrund sehn?


[284] 5.

Was alles ist/ hat nichts in deinen Augen/ Was nichts ist/ hast du/ grosser HERR/ recht lieb/ der werthe Pracht und Ruhm mag dir nicht taugen/ du gibst die Krafft und Nachdruck durch den Trieb. Die besten Wercke bringen dir kein Lot/ Sie sind versteckt/ der blinde geht vorbey/ Wer Augen hat/ sieht sie doch nicht so frey; die Sachen sind zu klar/ der Sinn zu grob.


6.

O Herrscher sey von uns gebenedeyet/ der du uns tödtest und lebendig machst. Wann uns dein Geist der Weißheit Schatz verleyhet/ So sehn wir erst/ wie wohl du vor uns wachst. Die Weißheit spielt bey uns/ wir spielen mit. Bey uns zu wohnen ist dir lauter Lust/ die reget sich in deiner Vatter-Brust/ Und gängelt uns mit zarten Kinder-Schritt.


7.

Bald scheinst du uns was harte anzugreiffen/ Bald fährest du mit uns gantz säuberlich. Geschichts/ daß unser Sinn sucht außzuschweiffen/ So weist die Zucht uns wieder hin auff dich. Da gehn wir denn mit blöden Augen hin/ du küssest uns/ wir sagen Bessrung zu/ drauff schenckt dein Geist dem Hertzen wieder Ruh/ und hält im Zaum den außgeschweifften Sinn?


8.

Du kennst/ o Vatter/ wohl das schwache Wesen/ die Ohnmacht und der Sinnen Unverstand. Man kan uns fast an unser Stirn ablesen/ Wie es um schwache Kinder sey bewand/ drum greiffst du zu und hältst und trägest sie/ Brauchst Vatter-Recht und zeigest Mutter-Treu/ Wo niemand meynt/ daß etwas deine sey/ da hegst du selbst dein Schäfgen je und je.


9.

Also gehst du nicht die gemeine Wege/ dein Fuß wird selten öffentlich gesehn/ damit du sehst/ was sich im Hertzen rege/ Wenn du in dunckelheit mit uns wilt gehn. Das Widerspiel legst du vor Augen dar Von dem/ was du in deinem Sinne hast. Wer meynt/ er hab den Vorsatz recht gefast/ der wird am End ein anders offt gewahr.


10.

O Auge/ das nicht Trug noch Heucheln leidet/ Gib mir der Klugheit scharffen Unterscheid/ dadurch Natur von Gnade wird entscheidet/ das eigne Licht von deiner Heiterkeit. Laß doch mein Hertz dich niemahls meistern nicht: Brich gantz entzwey den Willen/ der sich liebt/ Erweck die Lust/ die sich nur dir ergibt/ Und tadelt nie dein heimliches Gericht.


[285] 11.

Will etwa die Vernunfft dir wiedersprechen/ Und schüttelt ihren Kopff zu deinem Weg; So wolst du die Bevestung niederbrechen/ daß ihre Höh sich nur bey Zeiten leg. Kein frembdes Feuer sich in mir anzündt/das ich vor dich in Thorheit bringen möcht/ Und dir wol gar so zu gefallen dächt. Ach selig der dein Licht ergreifft und findt.


12.

So zieh mich dann hinein in deinen Willen/ Und trag und heg und führ dein armes Kind. Dein innres Zeugnuß soll den Zweiffel stillen/ dein Geist die Furcht und Lüste überwind. Du bist mein Alles/ denn dein Sohn ist mein/ dein Geist regt sich gantz kräfftiglich in mir. Ich brenne nun nach dir in Liebs-Begier/ Wie offt erquickt mich deiner Klarheit Schein?


13.

Drum muß die Creatur mir immer dienen/ Kein Engel schämt nun der Gemeinschafft sich: die Geister/ die vor dir vollendet grünen/ Sind meine Brüder und erwarten mich. Wie offt erquicket meinen Geist ein Hertz/ das dich und mich und alle Christen liebt/ Ists möglich/ daß mich etwas noch betrübt? Komm Freuden-Quell/ weich ewig aller Schmertz!

142.
Völliger Abschied.

Melodey: Entreisse dich du liebe Seele etc.


1.

Entfernet euch ihr matten Kräffte/ von allem was noch irrdisch heist. Wirff hin die zeitlichen Geschäffte/Mein gnuggeplagter müder Geist. Nun gute Nacht/ Es ist vollbracht./ Ich fang ein ander Wesen an/ das sich mit nichts vermengen kan.


2.

Ihr Berg und Thäler helfft mir singen/ Besingen meines Jesus Preiß/ der unter so geringen dingen Mich doch so lang zu schützen weiß. Habt gute Nacht/ Ich habs bedacht/ Es ist mit mir recht hohe Zeit/ Zu fliehen die Vergänglichkeit.


3.

Ihr seyd ja wol ihr grünen Auen Im Sommer lieblich anzusehn; doch wird man auch an euch bald schauen/Wie alle [286] Schönheit muß vergehn. Drum gute Nacht/Nim diß in acht/ Mein Hertz/ du liebest von Natur Nur allzugern die Creatur.

4.

Hast du bißher noch was geliebet/ das dir hat Zeit und Krafft verzehrt; So sey dann auch nicht mehr betrübet/Wann dir wird der Genuß gewehrt. Gib gute Nacht/der Bräutgam wacht/ Und will/ daß seine Braut ihm bleib Ein wohlgeschmückt Jungfräulich Weib.


5.

Nur weg du schnöde Eigen-Liebe/ du must mein Hertze lassen leer/ Zu folgen dessen Liebes-Triebe/ dem nur gebührt allein die Ehr. Nun gute Nacht/ Was sich selbst acht; Ich geh nun von mir selber auß/ Zu ziehn in meines Liebsten Hauß.


6.

Ach reiß mich loß von allen Banden/ Von dem subtilsten Netze frey/ Mach aller Feinde Rath zu schanden/daß ich dein freyes Schäfgen sey! Hab gute Nacht/ Du List und Macht/ die mich so offt betrogen hat/ Euch fehlt an mir nun Rath und That.


7.

Wie süß ist doch ein freyer Wandel/ In voller Abgezogenheit/ Wann dieser Welt ihr toller Handel Uns keine Sorg noch Furcht bereit. Ja gute Nacht/ Du Lust und Pracht; Ich bin bereits in meinem Sinn Verlobte Braut und Königin.


8.

Verbirg mich nur in deinem Frieden/ Und drück mich tieff in deinen Schoß; Mach mich von allem abgeschieden/ Und von den Creaturen bloß; Nun gute Nacht! Die Liebe macht/ daß ich mich selbst vergessen kan/ Und sehne mich nur Himmel an!

144.
Der unbekante Gott.

Melodey: Nur frisch hinein/ es kan so tieff etc.


1.

Verborgenheit/ Wie ist dein Meer so breit Und wundertieff! Ich kan es nicht ergründen. Man weiß kein Maaß noch Ziel noch End zu finden/ So lang man ist in der Vergänglichkeit/ Verborgenheit.


[287] 2.

Die Herrlichkeit/ die du hast allbereit/ den Kindern deiner Lieb hie beygeleget/ Ist sonderlich. Wer diß Geheimnuß heget/ der träget auch zu der elendsten Zeit die Herrlichkeit.


3.

Du selber bist der Brunn/ der ihnen ist In ihrem Geist zum stäten Heyl entsprungen; durch dich ist uns so manches Werck gelungen. Und was nicht leidt ein Maul- und Heuchel-Christ/ du selber bist.


4.

Des Glaubens Krafft Viel Wunder in uns schafft/davon der Heuchler nichts weiß zu errathen/ der blöde Sinn stöst sich an Helden-Thaten/ In dem er nur nach Wort und Schatten gafft/ Und nicht nach Krafft.


5.

Der Liebe Band Ist vielen unbekand/ Wie segnet sich der Geitzige im Hertzen/ Wann er mit Geld die Christen nur sieht schertzen/ das macht/ er kennt nicht Gottes Wunder-Hand in diesem Band.


6.

Wie schnaubt und schilt Laodiceens-Bild/ Wo sich das Feur von Philadelphie findet/ Wo Laulichkeit und Eigenheit verschwindet/ da man das Maas des falschen Urtheils füllt und schmäht und schilt.


7.

Ein Sinnen-Thier Muß wol verstummen hier/ Und Hörn und Sehn und allen Witz verlieren. Vernunfft kan nicht das Schiff allhier regieren. Den Außspruch thut davon zur Ungebühr das Sinnen-Thier.


8.

Darum versteckt der HERR was er erweckt/ Die Kinder gehn nur immer im Verborgen/ Die doch vor kein Gerichte dörffen sorgen/ Biß endlich GOTT die Herrlichkeit entdeckt/ die war verdeckt.

9.

So wandelt Er Im Heiligthum einher Mit leisem Schritt/ Der kan ihn nicht vernehmen/ Wer sich zur Einfalt nicht gern will bequemen. Wie Er sonst nichts zu thun pflegt ungefehr/ So wandelt er.


10.

Was Seligkeit Ist denen nicht bereit/ Durch welche Gott sucht Ehr in ihrer Schande! Gehorsam reist auch durch die stärcksten [288] Bande/ Drum ist ein Grad der höchsten Seligkeit Verborgenheit.

149.
Das Seufftzen der Gefangenen.

Nach der Melodey: Jesu meines Hertzens Freude/meine Sonne/ etc.


1.

O Durchbrecher aller Bande/ Der du immer bey uns bist/ Bey dem Schaden/ Spott und Schande Lauter Lust und Himmel ist: Übe ferner dein Gerichte Wider unsers Adams Sinn/ Biß uns dein so treu Gesichte führet aus dem Kercker hin.


2.

Ists doch deines Vatters Wille/ Daß du endest dieses Werck; Hierzu wohnt in dir die Fülle Aller Weißheit/Lieb und Stärck/ Daß du nichts von dem verliehrest/Was Er dir geschencket hat/ Und es von dem Treiben führest Zu der süssen Ruhe-Stadt.


3.

Ach! so must du uns vollenden/ Willst und kanst ja anderst nicht: Dann wir sind in deinen Händen/ Dein Hertz ist auff uns gericht: Ob wir wohl von allen Leuten/ Als gefangen sind geacht/ Weil des Creutzes Niedrigkeiten Uns veracht und schnöd gemacht.


4.

Schau doch aber unsre Ketten/ Da wir mit der Creatur Seufftzen/ ringen/ schreyen/ betten Umb Erlösung von Natur/ Von dem Dienst der Eitelkeiten/ Der uns noch so harte drückt/ Ungeacht der Geist in Zeiten Sich auff etwas bessers schickt.


5.

Ach! erheb die matte Kräfften/ Sich einmahl zu reissen loß/ Und durch alle Welt-Geschäfften durchgebrochen stehen bloß. Weg mit Menschen-Furcht und Zagen/ Weich Vernunffts-Bedencklichkeit! Fort mit Scheu vor Schmach und Plagen/ Weg des Fleisches Zärtlichkeit!


6.

Herr/ zermalme/ brich und reisse die verboßte Macht entzwey/ dencke/ daß ein armer Waise dir im Tod nichts nütze sey. Heb ihn aus dem Staub der Sünden/Wirff die Schlangen-Brut hinauß/ Laß uns wahre Freyheit finden In des Vatters Hochzeit-Hauß.


[289] 7.

Wir verlangen keine Ruhe Vor das Fleisch in Ewigkeit. Wie du's nöthig findst/ so thue noch vor unser Abschieds-Zeit: Aber unser Geist der bindet dich im Glauben/ Läst dich nicht/ Biß er die Erlösung findet/da ihm Zeit und Krafft gebricht.


8.

Herrscher herrsche/ Sieger siege/ König brauch dein Regiment/ Führe deines Reiches Kriege/ Mach der Sclaverey ein End! Laß doch auß der Grub die Seelen durch des neuen Bundes Blut: Laß uns länger nicht so quälen/ denn du meynsts mit uns ja gut.


9.

Haben wir uns selbst gefangen In Lust und Gefälligkeit/ Ach! so laß uns nicht stäts hangen In dem Tod der Eitelkeit! Dann die Last treibt uns zu ruffen/ Alle schreyen wir dich an/ Zeig doch nur die ersten Stuffen/ der gebrochnen Freyheits-Bahn.


10.

Ach! wie theur sind wir erworben/ Nicht der Menschen Knecht zu seyn: Drum/ so wahr du bist gestorben/ Must du uns auch machen rein/ Rein und frey und gantz vollkommen/ Nach dem besten Bild gebildt. Der hat Gnad umb Gnad genommen/ Wer auß deiner Hüll sich füllt.


11.

Liebe zeuch uns in dein Sterben/ Laß uns mit gecreutzigt seyn/ Was dein Reich nicht kan ererben/ Führ ins Paradiß uns ein! Doch wohlan! Du wirst nicht säumen/ Wo wir nur nicht lässig seyn/ Werden wir doch als wie träumen/ Wann die Freyheit bricht herein.


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