Sophie Bernhardi
Wunderbilder und Träume

[1] Die Quelle der Liebe

[1] [3]Der Morgen funkelte mit goldenen und purpurnen Strahlen auf Fluren und Wäldern, die Vögel stimmten ihren Gesang an, und wollten das Echo ermuntern, als sich schon die muntere Jagd des Prinzen Alwino in dem Walde ausbreitete. Die Vögel erschracken vor dem Hundegebell, und schwiegen mit ihren Liedern; Echo mußte jetzt den Waldhörnern antworten, und aus sanftem Schlummer wurde das Wild aufgejagt, floh bestürzt hin und her, und traf auf allen Wegen nur schnelle Hunde oder rüstige Jäger. Bald wurde der Prinz der Jagd überdrüßig, [3] stieg vom Pferde, und setzte sich unter einen schattigen Baum. Er blickte zu den Zweigen auf, wie die Blätter mit einander zu flüstern schienen, und von der Sonne vergoldet wurden, ein leiser Wind rührte die Zweige an, sie schüttelten alle die Thautropfen von sich ab, und ruhig stand der Baum, und der Wind schlich durch den Wipfel fort zu den andern. Nachdenkend saß Alwino, und so wie der Baum ihn mit seinen Thautropfen beregnete, wurde wieder alle Sehnsucht in seinem Busen wach, und er brach in Strömen von Thränen und in lauten Klagen aus: Fröhlich schwärmen die Freunde durch den rauschenden Wald, und keiner wird von so herber Qual bedrängt als ich; hören sie des Jagdhorns Töne, so stürzen sie muthiger dem scheuen Wilde nach, ach und ich – mich lockt der Klang, daß ich möchte in die weite Ferne rennen, mit dem schnellen Rosse die höchsten Berge erklimmen, und dann hernieder in die Thäler stürzen, und immer weiter, und mir so die Ruhe erjagen.

[4] Indem er noch so mit sich selber sprach, hörte er den Zug der Jäger, die sich gesammelt hatten, sie näherten sich mit einem fröhlichen Liede, und legten die Beute der Jagd zu seinen Füßen nieder. Er befahl den Jägern, an den Hof zurück zu kehren, er werde ihnen folgen. Schweigend erfüllten sie seinen Willen, nur Lenardo, sein Freund, den er immer vorzüglich geliebt hatte, gehorchte ihm nicht, und blieb an seiner Seite.

Der Prinz bemerkte ihn bald und fragte, warum er nicht die andern nach der Stadt begleitet. Ach! mein theuerstev Fürst, antwortete der treue Lenardo, mehr als mein Leben habe ich dich immer geliebt, und wie ich die Eltern verlohr, und als Knabe schon einsam und ohne Schutz war, da tröstete mich deine Liebe, und ich glaubte, ich könnte mich nimmer verlassen fühlen. Und nun: – du hast dein Herz von mir gewendet, deine Liebe hat mich verlassen, aber doch will ich nimmer von deiner Seite weichen.

Gerührt sagte der Prinz: Wie kannst du, mein treuer Freund, so lieblos von mir [5] denken? – Er nahm hier auf Lenardo's Hand, drückte sie wider sein Herz, und Thränen flossen aus seinen Augen, und fielen in großen Tropfen auf jene herab; da warf der treue Freund sich nieder auf seine Knie, und beschwur den Prinzen, ihm sein Leiden zu entdecken; und Alwino antwortete: Ja mein Freund, ich will dir sagen, was meine Seele so gewaltig quält. Ihr alle mögt mich wohl beneiden, weil ihr mich glücklich glaubt, denn ihr denkt, was könne mir fehlen? Meinem Vater gehorcht das blühende Land, und mich, seinen einzigen Sohn, liebt er so zärtlich, daß ich mit aller Macht schon jetzt im Lande gebiete, das Volk achtet mich als seinen König, und jeder strebt meine Wünsche auszuforschen, und sie alle, so viel ich nur nennen mag, zu erfüllen. Dies alles, mein Freund, ich fühl' es, ist wohl ein Glück, doch niemals das, welches mir bei meiner Geburt bestimmt wurde; in der Ferne schreiten mir gewiß wunderbare Empfindungen entgegen, und füllen die Leere im Busen aus, und befriedigen die schmerzliche Sehnsucht; es schwärmen [6] in ungekannten Gegenden Freuden und Schmerzen, die mir zugehören, und darum will ich hinziehn, sie mir erbeuten, und wenn ich das Glück gefunden, das mein ist, dann kehre ich wieder zu dir und meinen theuren Eltern, und ihr erfreut euch über den Glücklichen.

Und ihm antwortete Lenardo: Laß mich, geliebter Alwino, dich auf deiner Reise begleiten; du bist es ge wohnt, daß so viele dir dienen, darum gehe nicht allein, um dein Glück zu suchen, sondern nimm wenigstens mich als Einen Diener mit, und meine Liebe wird dir viele ersetzen.

Aber der Prinz bat ihn zurück zu bleiben, und die Eltern über des Sohnes Abwesenheit zu trösten, hierauf schwang er sich auf sein Roß und sprengte in den Wald hinein. Lenardo verlohr ihn bald aus den Augen, und kehrte mit trauerndem Herzen an den Hof des Königs zurück.

Alwino aber zog mit Eile durch das Land, und rastete Nachts nur wenige Stunden; oftmals blickte er mit neuem Muth den glänzenden [7] Morgen an, und dachte: Gewiß wird dieser Tag nicht enden, ohne daß ich meine Schmerzen stille; und immer kam des Tages Ende, und noch brannte unbefriedigt die alte Sehnsucht ihm im Busen.

So kam er endlich an den Hof des Königs Delamo, mit dem Entschluß, sich ihm als Ritter, unter fremdem Nahmen, vorzustellen. Der Greis empfing ihn freundlich, aber Alwino bemerkte, daß ein schwerer Kummer seinen Geist niederbeugte, und als er sich die Ursache zu erforschen bemühte, erfuhr er, daß ein mächtiger Riese die Felder des Königs verwüste, und sein Morden und Rauben nicht eher einzustellen geschworen, bis ihm der König die schöne Angela, seine einzige Tochter, zur Gemahlin geben wolle. Die kühnsten Ritter hatten den Streit mit dem Unholde versucht, und keinem war der Sieg gelungen: in großen Schaaren hatte das Volk ihn schon ermorden wollen, oder aus dem Lande vertreiben, aber er widerstand jeder Macht, und alle die ihn angegriffen, hatten den Tod gefunden; nun verlangte das Volk von [8] seinem Könige, er solle den Riesen mit der schönen Angela vermählen, damit der Schreckliche aufhöre, das Land zu verderben. Delamo konnte nur mit Thränen und Bitten von dem Volke gewinnen, daß sie noch zehn Tage den Wüthrich ertrugen, und wenn sich nach dem zehnten Tage kein Ritter fand, der den Riesen besiegte, so wolle er sich entschließen, seine einzige Tochter dem Lande zum Opfer zu geben. Acht Tage waren schon verflossen, als Alwino sich dem Könige vorstellte, und am neunten erfuhr er das harte Schicksal des Vaters. Da eilte er schnell zu dem Trauernden, und erbot sich, gleich am kommenden Morgen den Kampf mit dem Riesen zu wagen. Der König schloß ihn in die Arme, weinte und sagte: Gewiß, du edler Ritter, bist du mit der Gefahr nicht genug bekannt, daß du kommst, und dich zum Kampfe anbietest, denn in allen verflossenen Tagen hat es keiner gewagt, den Streit mit dem Riesen zu beginnen, so reiche Preise ich auch dem Ueberwinder geboten habe, ja selbst, wenn er von adelicher Geburt wäre, meine[9] einzige Tochter zur Gemahlin, die jeder als ein Wunder der Schönheit und Tugend verehrt. Bei diesen Worten ging dem Prinzen Alwino die Hoffnung in seiner Seele auf. Ist es, sprach er zu sich, vielleicht die Liebe, die mir mangelt? O! dann kehre ich bald glücklich zur Heimath zurück, wenn das himmlische Bild der schönen Angela mir im Herzen wohnt; dann flieht jeder Kummer von mir zurück, denn sie ist gewiß himmlisch gebildet, Entzücken ergreift ja jeden, der mir nur ihren Nahmen nennt.

Fröhlich verließ er den König, und bereitete sich zum Kampfe. Als kaum der junge Tag mit freundlicher Stirne die Menschen begrüßte, zog er hinaus vor die Stadt, um den gräulichen Riesen zu tödten, und eine große Schaar ihrer Bewohner begleitete ihn voll Neugier, das Ende des Kampfes zu sehn.

Als der Riese den jungen Prinzen erblickte, der ihn zum Kampfe forderte, konnte er sich des Lachens nicht erwehren; er betrachtete die schöne zarte Gestalt, und sagte spottend: Nun das ist mir warlich noch nicht [10] begegnet, daß ein verkleidetes Mädchen kömmt und mich zum Kampfe ruft, aber du, Knabe, sollst bald den Uebermuth büßen. Und so eilte er mit furchtbar breitem Schwerdte auf Alwino zu, und als das schwere Eisen sausend durch die Luft fuhr, den Prinzen zu verderben, ergriff schon eine so gewaltige Angst das Volk, welches in der Ferne stand, daß sie laut aufschreiend die Gesichter verhüllten. Unerschrocken hielt Alwino den Angriff aus, suchte durch geschickte Wendungen den Streichen zu entgehen, und brachte durch seine Geschwindigkeit dem Riesen manche Wunde bei. Vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne währte der Streit, und Alwino war ermattet, und konnte sich kaum mehr auf den Füssen erhalten, da nahm der Niese sein Schwerdt in beide Hände, voll Wuth, daß der Kampf sich nicht früher geendet, und dachte nun mit Einem Streich den Prinzen zu verderben. Aber er strauchelte und fiel; schnell raffte Alwino seine letzten Kräfte zusammen, sprang hinzu, und stieß sein scharfes Schwerdt in den Nacken des Riesen; als er den Todesstoß [11] vollbracht hatte, verließen ihn seine Kräfte, und er sank in Ohnmacht neben der Leiche des Riesen.

Das Volk eilte herbei, und trug mit Siegesliedern den Prinzen zu dem Pallast des Königes; er öffnete wieder die Augen, und als er die Burg des Königs erblickte, und man ihn durch die hohe Pforte trug, da war ihm, als redete eine Stimme in seinem Busen: Nein hier nicht, hier wird nimmer dein Glück erblühen. Eine quälende Angst ergriff ihn, und die Trompeten und Hörner, die ihm aus dem Pallast entgegen tönten, konnten die Stimme in ihm nicht übertäuben. Der König kam ihm vor dem Saale entgegen, und schloß ihn in die Arme, dann führte er ihn zu seiner Tochter, die von ihren Frauen begleitet in den Saal gekommen war; aber Alwino vermochte es nicht, die Prinzessin anzuschauen, so sehr er auch früher gewünscht hatte, ihre Schönheit zu betrachten. Auch die Prinzessin empfing abgewendet seine Hand, und als der König in seiner Freude aussprach, daß an dem folgenden Tage ihre [12] Hochzeit gefeiert werden sollte, zogen beide zugleich die Hände erschrocken zurück und trennten sich von einander.

Ein prächtiges Gastmahl hatte der König angeordnet, und Alwino saß neben der schönen Angela, als seiner Braut, und wurde vom ganzen Volke beneidet. Er betrachtete sie, und noch beängstigter wurde sein Herz, als er ihre himmlische Schönheit bemerkte; abwärts zog ihn eine heimliche Gewalt, und er beschloß, in der Nacht diesem Glücke zu entfliehen, das er nicht als das seinige begrüßen konnte.

Als das Gastmahl geendigt war, berief die Prinzessin eine alte Dienerin zu sich, redete sie freundlich an und sagte: Liebe Camilla, du hast mich gesäugt, und immer wie deine Tochter geliebt, darum will ich dir jetzt meinen Vorsatz vertrauen. Als ich gebohren ward, theilte mir das Schicksal zu, daß mein Herz verschlossen bliebe vor den Freuden der Hoheit, darum war mir schon als Kind der Hof des Vaters zuwider, ich fühlte mich einsam unter der glänzenden Schaar der Männer [13] und Frauen, und du fandest mich oft in den einsamsten Gängen des Gartens; da waren die Blumen meine Gespielen, und es erfreute mein Herz, wenn ein leiser Wind die tausendfarbigen in ihren Beeten durch einander schwanken ließ. Das Geflüster der Büsche redete verständlich zu meinem Herzen, und tröstete mich über alles, was ich entbehrte. Jetzt, da ich erwachsen bin, und die Blumen nicht mehr mit Kinderaugen betrachten kann, ist mir der Glanz erloschen: ich sehe noch die verschiedenen Farben, aber sie haben keine Strahlen mehr, die mein Herz mit Freude rühren; die vernehmliche Stimme in den Büschen schweigt mir, und die Blätter rauschen unverständlich durch einander. Darum, gute Amme, liebe Camilla, laß uns mit einander gehn, und meines Vaters Pallast verlassen. Mir graut vor der Vermählung, denn zu hoch und herrlich ist mir der Mann, den mein Vater meinen Bräutigam nennt, ich würde mich seiner nie erfreuen. Alles Große und Hohe rührt mein Herz nicht, selbst nicht die Furcht vor einem großen Unglück; als der [14] Riese das Land verwüstete, konnte ich nicht mit dem Volke trauern, so sehr ich auch mein Herz oft zwang; auch stimmte ich nicht in die allgemeinen Jubellieder, als der Held ihn besiegte, und kann nun diesen nicht ehren. Du hast mir oft erzählt, daß du, ehe ich gebohren wurde, und meine Mutter verlangte, daß du mich säugen solltest, eine Hütte besaßest, und eine Heerde Schaafe und wie du diese geliebt und wie oft du geweint hast, wenn dir in den Sinn gekommen, daß du sie nun bald verlassen solltest. Als dir nun deine kleine Tochter gestorben war, da erst hast du angefangen, so erzähltest du mir, mich als deine Tochter zu lieben, und nur, um in meiner Nähe zu bleiben, hast du endlich die liebe Hütte und die Schaafe vergessen. Laß uns jetzt gehen, du gute Mutter, und deine verlassene Hütte wieder suchen, sieh ich will viel Goldes mit mir nehmen, wir wollen eine neue Heerde kaufen, ich werde für die Lämmer Sorge tragen, sie lieben, und so das Glück finden, das mir immer fehlte, vor allem aber der Vermählung entgehen, die ich fürchte.

[15] Mit Erstaunen hatte die Amme das Verlangen der Prinzessin gehört, aber sie liebte sie zu sehr, als daß sie gegen einen Wunsch der schönen Angela etwas einwenden konnte, auch freute sie sich, die alte längst verlassene Hütte wieder zu sehen. Sie ging noch in derselben Nacht heimlich mit der Prinzessin aus dem Pallaste, und trat mit ihr den Weg nach ihrer ehemaligen Wohnung an. Als der Morgen herauf kam, und die Vögel singend ihre Flügel in dem Glanze badeten, betraten die beiden reisenden Frauen schon den Wald, in dem Camilla's Hütte versteckt lag, und seufzend sagte die Prinzessin: Ach gute Camilla! ich fühle schon jetzt, auch die Lämmer, die wir kaufen werden, auch deine Hütte wird mich nicht erfreuen, aber doch will ich deine Sorge für alles theilen, und vielleicht sendet mein gutes Schicksal mir einst noch die Gedanken, die mir jetzt mangeln, und mit denen es mir gelingt, mein Herz zufrieden zu stellen.

Als der Prinz den königlichen Saal verlassen, ging er hinunter, reichte einem [16] Diener ein Geschenk, und befahl ihm, sein Pferd herbei zu führen, er wolle beim Lichte des Mondes durch die Stadt reiten, und sie betrachten; der Diener ehrte in ihm den Eidam des Königes, und eilte schnell seinen Befehl zu vollziehn. Mit Demuth erbot er sich, den Prinzen zu begleiten, Alwino aber befahl ihm zu ruhen, und ihn seinen Gedanken zu überlassen. Einsam ritt er durch die Gassen der Stadt, und athmete freier als die Burg hinter ihm lag; er lenkte bald vom Wege ab, damit man ihn nicht entdecken möchte, wenn ihn der König verfolgen sollte.

Viele Tage durchzog er wieder das Land, und einst, bei der schwülen Hitze des Mittags, suchte er Schutz in einem Walde. Eine liebliche Kühle wehte ihm entgegen, und er war nicht lange fortgezogen, als er auf einen kleinen Rasenplatz kam, den schattige Buchen rings einschlossen; auf einem niedrigen Hügel saß ein Hirte, und verzehrte mit heitern Augen seinen mitgenommenen Vorrath; zu seinen Füßen lagen die Hunde, denen er auch zuweilen Bissen zutheilte, und die ihm dankbar [17] für seine Güte schmeichelten. Auf dem Rasenplatz hatten sich die Schaafe gelagert. Alwino stieg vom Pferde, und setzte sich ihm gegenüber, und beneidete den ruhigen Hirten. Sollte wohl, sagte er bei sich, hier das Glück, die Ruhe wohnen? Ist vielleicht in der Freiheit die Qual? Wenn wir meinen, daß wir unserer Gedanken und Thaten Herr sind, dann beherrscht uns vielleicht ein böser Dämon, daß wir ihm folgen müssen, und wenn wir uns selbst der Freiheit begeben, und unsern Willen unterthan machen unter das Gebot eines andern Mannes, vielleicht daß wir so der bösen Gewalt entrinnen.

Er stand auf und nahte sich dem Hirten, der demüthig sein Haupt entblößte, als ihn Alwino anredete. Nachdem der Prinz sich erkundigt, wem die Schaafe angehörten, und der Hirt ihm geantwortet hatte, daß sie das Eigenthum eines reichen Bauern aus dem nahen Dorfe wären, fragte der Prinz, ob der Herr der Schaafe wohl noch eines Hirten bedürfte. Er erhielt die Antwort, es fehle jetzt bei der Heerde eben an einen Hirten, da [18] der, welcher die übrigen Schaafe versorgte, diese heute zum letzten Male ausgetrieben habe, weil seine Dienstzeit mit diesem Tage zu Ende gehe. Der Prinz erbot sich, als er dies gehört, die Heerde zu versorgen; der Hirt aber betrachtete lächelnd seine prächtige Kleidung, schüttelte den Kopf und sagte: Es mag euch gern erlaubt seyn, mit einem armen Manne zu scherzen. Als ihm der Prinz aber versicherte, daß es ihm Ernst sey, und der Hirt es endlich glauben mußte, sagte dieser: Wenn ihr in diesen Kleidern zu meinem Herrn kämet, und ihm dienen wolltet, so würde er glauben, ihr kämet nur um seiner zu spotten, und er möchte euch übel empfangen; nehmt also die Heerde hier in Acht, indeß ich hingehe, und euch einen Rock hohle, wie ihn die Hirten tragen. Alwino dankte ihm, und der Hirte kam bald mit einem groben leinenen Rock zurück, mit welchem er den Prinzen bekleidete. Noch an demselben Tage wurde der Prinz als Hirte von dem reichen Bauer angenommen, und trieb am folgenden [19] Morgen seine Heerde mit dem andern Hirten zugleich aus.

Als sie den Platz erreicht hatten, wo beide Heerden sich trennten, sagte der Hirte zum Prinzen: Hütet euch, noch tiefer in den Wald hinein mit eurer Heerde zu treiben, ich habe mich nie weiter gewagt, als bis zu dem Platze, wo ihr mich gestern fandet; in dem andern Theile des Waldes, sagt man, wohnen Feen und böse Geister, die den armen Menschen, die sich ihnen nahen, die Sinne verrücken, und so könntet ihr leicht mit der Heerde in Schaden gerathen. Alwino versprach, seinen Rath zu befolgen, er ging hinter seiner Heerde, und blies auf der Flöte, der helle Ton ermunterte die Vögel, sie stimmten mit ihrem Gesange in seine Lieder ein. Die Hunde hielten bellend die Heerde bei einander, und Echo rief ihre schallenden Töne zurück. Da warf Alwino die Flöte von sich, und setzte sich nieder auf den Boden. So finde ich denn nirgend Trost für mein Herz, rief er aus, dessen thörichte Wünsche ich selber nicht kenne. Wie in einer fremden [20] Sprache redet die Natur zu mir, ich verstehe nur, daß jeder Klang mir etwas gebietet, aber ich kann die Befehle nicht begreifen.

Camilla hatte mit der Prinzessin ihre Hütte gefunden, und bald war die alte Ordnung darin wieder hergestellt, eine kleine muntere Heerde erfüllte den Hof und die Ställe, und Camilla war so glücklich, daß sie den wachsenden Kummer der schönen Angela nicht einmal bemerkte. Oft stand die Prinzessin sinnend auf der kleinen Wiese, ängstlich hafteten ihre Augen auf den Blumen, sie wollte sie zwingen, daß sie ihr wieder wie vormals glänzen sollten; so wie ein Wind die Gebüsche berührte, horchte sie auf, und glaubte in jedem Augenblick, die alte sonst gekannte Empfindung würde ihr Herz beschleichen, aber immer blieb ihr Busen leer und kalt, und schmerzlich weinend warf sie sich oft auf den grünen Rasen nieder. Eines Tages stand sie am Fenster der kleinen Hütte, und suchte in dem blauen Himmel mit den Augen nach Trost für ihre Schmerzen; die Sonne neigte sich, und warf einen goldnen Schleier über [21] die Gegend; die Hütte, und Angela darinnen, waren mit Glanz umwebt, und der Prinzessin wurde die Gegend so fremd, sie konnte keinen Baum finden, an den sie sich erinnerte, und eine unnennbare Angst beklemmte ihren Busen; endlich sank die Sonne hinter den fernen Wald hinab, und der Zauberschleier fiel von ihren Augen, sie erkannte alles und weinte herzlich. Einzelne Sterne blickten auf Angela, und winkten ihr wie mit Augen nach dem Walde; da konnte sie die Sehnsucht nicht länger bemeistern, sie ging an der alten Camilla vorüber, die im Strahle des Abends eingeschlafen war, nahm ihren langen weißen Schleier, der ihre schöne Gestalt ganz verhüllte, und verließ eilend die Hütte. Sie hatte den Wald noch nicht erreicht, als der Morgen schon wieder hinter den Bergen herauf schwebte, sie verdoppelte ihre Eile, denn sie fürchtete, daß das helle Tageslicht sie der suchenden Camilla verrathen möchte. Endlich erreichte sie den Wald, und ermattet sank sie auf den Boden, ein sanfter Schlummer bedeckte ihre Augen, und hielt ihre Sinne viele Stunden gefangen. –

[22] Vier Tage waren es jetzt, daß der Prinz die Heerden hütete; als er am fünften Morgen mit ihnen den Rasenplatz erreicht hatte, den ihm der Hirte als die Gränze bezeichnet, setzte er sich auf denselben Hügel, wo er jenen gefunden, ließ seine Thränen fließen, und sagte: Nein, ich ertrage es nicht länger, mir wurde bei meiner Geburt nur die Hälfte meines Wesens gegeben, und nun jagt es mich rastlos durch die Welt, den Theil meines Selbst zu suchen, den ich so schmerzhaft entbehre. Ich will hinein in den Wald eilen, und mich der Gewalt der Geister gefangen geben, der böseste beherrscht mich ja in meinem Busen. Er stand auf, verließ seine Heerde, und eilte in den Wald. Er hatte kaum die dichten Schattengänge betreten, so faßte ein Grauen seine Brust, Geister schienen in den Baumwipfeln zu schweben, die ihre Sprache in einem Rauschen der Blätter verkleideten, damit sie ihm nicht verständlich wäre, weil sie sein Verderben beschlossen. Er ging einige Schritte weiter, und drängte sich durch ein dichtes Gebüsch, da störte er aus [23] ihrem Neste zwei Vögel, sie flatterten vor ihm auf, schwebten über seinem Haupte, und sangen wunderbare Töne, die sein ganzes Herz ergriffen; er konnte sich nun vor Wehmnth nicht mehr lassen, diese Töne sprachen es aus, was ihm gebrach, und doch konnte er sie nicht verstehen; mit inniger Angst wartete er endlich, wann in seinem Herzen das Geheimniß aufgehen sollte. Er konnte sich nicht mehr erhalten, sondern sank auf seine Kniee nieder, und fürchtete immer, die Vögel würden ihn mit ihren Tönen verlassen. Diese schwebten über seinem Haupte, drehten sich in kleinen Kreisen, und fuhren fort ihren Gesang auszuhauchen; endlich flohen sie tiefer in den Wald hinein, und Alwino sprang auf, um sie wieder zu erjagen, er dachte nichts, ihn belebte nur der brennende Wunsch, die Töne wieder zu vernehmen.

Und Angela erwachte, nachdem sie viele Stunden geschlafen hatte, sie erhob sich und blickte um sich, wunderbare Träume hatten ihre Sinne umschwebt, aber sie hatte sie vergessen, ihr schien es, als würde sie getröstet [24] und beruhigt seyn, wenn sie sich nur auf diese Träume zu besinnen vermöchte, sie ging sinnend tiefer in den Wald, und glaubte die glänzenden Gestalten, die sie umgaukelt hatten, in seinen dichtesten Schatten zu finden.

Alwino war den ganzen Tag den Vögeln nachgezogen, und Angela den wunderbaren Traumgestalten, und das brennende Verlangen wuchs in jedes Busen. Als die Schatten im Walde finsterer wurden, beschlossen beide voll Verzweiflung ihr Leben zu enden, das ihnen zur Qual ward; in demselben Augenblicke hörten beide einen Waldbach, der von einem Berge herab in ein kleines Thal floß. Du wirst ja Wasser genug haben, rief Alwino, um einen Lebensmüden aufzunehmen. Lieblicher Fluß, sagte Angela, schlage deine kalten Arme um mich, und entnimm mich der Qual. Und beide näherten sich von verschiedenen Seiten dem Bache, und setzten sich an seine Ufer nieder, jeder blickte gedankenvoll vor sich hin, und sahe nicht den andern. Als sie nun so die silberne Fluth betrachteten, ergriff sie beide der Wunsch das klare Wasser zu kosten; Angela [25] schlug den Schleier zurück, und bückte sich mit Alwino zugleich, in der Hand etwas Wasser zu schöpfen, und als beide, über den Quell gebeugt, das Wasser tranken, sahe jeder das Bild des andern in der klaren Welle. Sie hoben die Häupter auf, und blickten mit seeligem Lächeln einander in die freundlichen Augen. Angela streckte die Hände aus, und Alwino sprang über den schmalen Fluß, sie lag in seinen Armen, und wie er den feurigsten Kuß auf ihre Lippen drückte, entfiel der Schleier ihren Schultern, und die goldnen Haare umwallten die Hüften.

Jetzt war alle Sehnsucht gestillt, Ruhe wohnte in ihren Busen, und die Stimmen der Geister, die in den Bäumen schwebten, wurden ihnen verständlich. Ihr habt von der Quelle der Liebe getrunken, rauschte es in allen Zweigen, Ruhe und Seeligkeit wird nun immer in eurem Busen wohnen; glückliche Sterbliche! kehret heim: Dies ist die Quelle der Liebe.

[26]

Die Stimme im Walde

[27] [29]Nur noch eine Tagereise war Alfonso von seiner Heimath entfernt. Er hatte die Diener vorausgesendet, um der Mutter die frohe Bothschaft zu bringen, daß sie ihren geliebten Sohn wieder an ihren Busen drücken sollte. Er hatte die Nacht in einer einsamen Hütte, am Fuße eines Berges geruht, und die Bewohner hatten ihm wunderbare Dinge erzählt, von Geistern, die in dem Walde wohnen sollten, der jetzt vor dem Ritter lag. Er dachte an diese Erzählungen, als er hinein ritt, und die hohen Baumwipfel über ihm rauschten; eine sonderbare Empfindung beklemmte seine Brust, furchtsam schaute er um sich, und lächelte über seine eigne Thorheit. Bin ich denn noch derselbe, sprach er, der den Tod nicht [29] fürchtete, der mit Ruhm und Ehre kämpfte? Und nun erbebt mein Herz vor den Erzählungen einer leichtgläubigen Alten. Er ritt muthig weiter, und seine Augen schwärmten in den Blätterlabyrinthen, die sich über ihm durch einander bewegten. Er erreichte einen offnen Platz im Walde, und der hohe Rasen, den Alfonso nie so frisch und grün gesehen zu haben glaubte, die Bäume, die ringsum so still standen, ohne auch vom kleinsten Lüftchen bewegt zu werden, luden ihn zur Ruhe ein. Er stieg ab, und band sein Pferd an einen Baum, und setzte sich nieder. Es war ein heißer Tag, und die Kühle an diesem Plätzchen empfing ihn mit aller Lieblichkeit; er irrte mit den Augen durch die hohen Gräser, dann wieder in den Zweigen umher; kein Lüftchen regte sich. Endlich entstand in dem Baumwipfel über ihm ein Rauschen, als wenn ein sanfter Wind die Blätter durch einander kräuselt. Alfonso richtete seine Augen empor, die Bäume bewegten sich, und es entwickelte sich aus dem Rauschen eine Stimme, die leise rief; Mir nach! mir nach! und immer stärker [30] wurde, indeß Alfonso, vom Erstaunen gefesselt, seiner selbst nicht Meister war. Der himmelsüße Ton hatte sein Herz gefangen genommen, er blickte noch starr auf zu dem Wipfel, da hörte er das Rauschen und die Stimme in einem andern Baume, er sprang auf und näherte sich diesem; da zog es schneller, und immer schneller durch alle Baumwipfel fort, und Alfonso folgte mit ängstlicher Eile, denn er fürchtete, die liebe Stimme zu verlieren. – Sie schwieg, er hörte nur noch das Rauschen in den Wipfeln. Ich Unglücklicher! rief er, ich habe sie, ich habe mein Glück verlohren. Ermattet sank er nieder, der Schweiß stand auf seiner Stirne; da rauschte und flüsterte es über ihm weg: Mir nach! und er raffte sich auf und folgte der Zaubergewalt, Unermüdet rannte er, so lange es Tag blieb; die Sonne fing schon an, sich zu neigen, und es lockte die Stimme ihn immer durch dunkle Büsche, und wenn er still stand, um sich zu erholen, so rief es über seinem Haupte weg: Mir nach! und er mußte den Tönen folgen. Endlich stand er auf der [31] Spitze eines Hügels, da schlüpfte die Stimme ins Gras zu seinen Füßen: Mir nach! und er eilte hinunter, und stand am Rande eines kleinen Sees, um dessen Ufer in bestimmten Entfernungen schwarze Steine gelegt waren. Die Sonne war schon untergegangen, und der Himmel glühte noch in Gold und Purpur; da schwamm auf der andern Seite der Mond herauf, und der See, der bis jetzt ruhig gewesen war, fing an, sich in kleinen Wellen zu bewegen. Die silbernen Stralen des Mondes und die Purpurgluten der Sonne berührten wechselsweise die Wellen, und sie fingen an zu tönen, und die liebliche Musik berauschte Alfonso's Herz. Endlich wurden die Töne leiser, die Wellen theilten sich, und lagen auf der einen Seite in silbernem, und auf der andern in rothem Feuer; aus der Kluft, die sich gebildet, hörte er die Götterstimme, die ihn den ganzen Tag sich nachgezogen hatte, dieselben Worte singen, die sie bis jetzt nur flüsternd oder rufend ausgesprochen. Dieser Gewalt konnte er sich nicht erwehren, er stürzte sich in die Kluft, und die Wellen [32] bedeckten ihn. Ein wunderbares Rauschen, als würden hundert Instrumente zugleich gespielt, so daß keins mit dem andern zusammen stimmte, betäubte sein Gehör. Er bemühte sich seine Besinnung zu behalten, aber vergeblich, er mußte sich der Betäubung ergeben. und bald vernahm er nichts mehr. Am andern Morgen erwachte Alfonso, und fand sich am Fuß eines Berges, vor der Thür einer kleinen Hütte, er saß auf einer Bank unter einer schattigen Linde. Er konnte sich auf die Begebenheiten des vorigen Tages nicht besinnen, eine Schwermuth beklemmte sein Herz, deren Ursach er sich nicht erklären konnte. Gedankenvoll hob er seine Augen auf zu dem grünen Blättergewebe, ihm war als würde das Rauschen dieses Baumes ihm sagen, was seinem Herzen mangelte. Die Thür der Hütte öffnete sich, und eine freundliche Alte trat zu ihm. Warum, junger Herr, sagte sie, bleibt ihr draußen vor der Hütte? kommt doch herein, und eßt das Frühstück mit mir. Alfonso stand auf und folgte ihr. Sie setzte ihm Milch und Obst vor, er aß [33] wenig und blieb nachdenkend, so sehr ihm seine freundliche Wirthin auch zusprach. Aber sagt mir, junger Herr, rief sie endlich, was ist es, das euch bekümmert, so daß ihr nicht essen mögt, und auf alle meine freundlichen Reden nicht hört? Ihr werdet über mich lachen, gute Mutter, erwiederte Alfonso. Wer weiß? sagte die Alte; erzählt mir nur euern Kummer. Ich kann ihn selbst nicht nennen, sprach Alfonso; mir ist, als hätte ich gestern ein großes Gut besessen, und mein träger Geist kann sich darauf nicht besinnen, Mir ist, als gäbe es einen Klang in der Welt, wonach mein Herz mit Sehnsucht schmachtet, und mir dünkt, wenn dieser Klang mich wieder berührte, so würde ich glücklich seyn: aber wie soll ich ihn suchen? wo soll ich ihn finden? da ich ihn nicht einmal zu nennen weiß. Die Alte hatte seine Erzählung sehr ernsthaft angehört, und stand auf, ohne ein Wort zu sagen; Alfonso wunderte sich, daß sie ihm nichts antworte, sie trat zur Thür, und indem sie sie öffnete, wandte sie sich, sahe ihn einen Augenblick lächelnd an, und rief: [34] Mir nach! Er erwachte, alle Besinnung kam ihm wieder, die Stimme, wonach sein Herz sich sehnte, war ihm wiedergekehrt, er wollte auf die Alte zueilen; sie war verschwunden; er trat vor die Hüttenthür und sahe den Baum, er wußte nun, warum er so sehnsüchtig nach dem grünen Laube hinauf geblickt hatte. Die Zweige regten sich, und aus dem kühlen grünen Schatten rief die Stimme, und Alfonso zog ihr nach, sie flohe durch den ganzen Wald, und er war unermüdet, sie zu ereilen. Der Tag verging wie der vorige, und als die Sonne sank, stand Alfonso wieder am Ufer des Sees. Der Mond war noch nicht aufgegangen, und von der untergesunkenen Sonne waren nur noch einige Streifen sichtbar; unruhig bewegte sich der See, ohne daß ein harmonischer Klang aus ihm empor stieg. Die Wellen theilten sich, aber sie glänzten nicht in lieblichem Schimmer. Wie zwei graue Berge lagen sie auf beiden Seiten, und aus der Kluft erscholl die Stimme ernst und befehlend: Mir nach! Alfonso war bestürzt, er erkannte den Zauberklang, [35] aber er wurde nicht liebevoll zu folgen eingeladen; es war Befehl, und die Stimme tönte ernst und unfreundlich. Noch einmal rief es den Zögernden, und Liebe und Sehnsucht zog ihn hin; er stürzte in die Kluft, und die Wellen rauschten wie gewaltige Ströme über ihm, er hatte bald seine Besinnung verlohren.

Ein heftiger Frost schüttelte ihn und er erwachte; hinter grauen Wolken bemühte sich die Sonne durchzubrechen, aber es gelang ihr nur mit wenigen Stralen; Alfonso lag unter einer wilden Tanne, die ihn mit ihren Zweigen nicht gegen den Thau hatte schützen können, der in der Nacht kalt niedergefallen war. Er blickte um sich, und sahe zu seinen Füßen einen fürchterlichen Abgrund; ein hoher Felsen stand ihm zur Seite, und drohte in jedem Augenblick, mit seinen überhängenden Steinen Alfonso zu zerschmettern. In dem Gesträuch am Felsen nisteten Uhus und Raben, die er mit seiner Bewegung aus ihren Nestern verscheuchte. Scheu flatterten sie über seinem Haupte weg. Alfonso glaubte sich in dieser Einsamkeit verlohren, er erblickte [36] rings um sich keine Spur, daß jemals ein Wanderer diese Wüste besuchte. Endlich hörte er wie in weiter Ferne den Klang einer Glocke, und nun fühlte er wieder daß sein Herz mit einer Sehnsucht nach etwas erfüllt war, und doch lernte er dies Etwas nicht begreifen. Unwillkührlich ging er dem Klange nach, der ihn immer schwermüthiger machte. Er war den Felsen umgangen, unter dem er diese Nacht zugebracht hatte, und stand nun auf der andern Seite; da erblickte er auf der äußersten Spitze desselben eine kleine Hütte, aus der ihm der Klang zu kommen schien. Er bemühte sich den Felsen zu ersteigen, er brauchte aber eine lange Zeit, ehe er den mühsamen Pfad hinauf gelangte; er fühlte seine Kräfte ermattet, aber er konnte sich die Ursache nicht erklären. Endlich erreichte er die Hütte, er öffnete die Thür, und auf einer steinernen Bank saß ein Einsiedler, der in Gedanken vertieft schien. Alfonso wagte es nicht ihn zu stören, und blieb an der Thür stehen. Endlich blickte der Greis auf, und betrachtete den Jüngling mit Verwunderung: [37] Wie kamst du hieher, redete er ihn an, in eine Gegend, die keines Menschen Fuß betritt? Zürne nicht, ehrwürdiger Greis, erwiederte Alfonso, wenn ich deine Frage nicht beantworte, mir ist es selber unbekannt. Ich kann, sagte der Greis verdrüßlich, jedem sein Geheimniß lassen, setze dich zu mir, ich will dich bewirthen. Alfonso setzte sich, und der Greis brachte ihm einige Wurzeln und eine Schaale mit Wasser. Als er sah, daß Alfonso nur wenig davon genoß, wurde er zornig und rief: Ich glaube, du leckerer Jüngling verschmähst meine Mahlzeit, daß du so traurig vor dir nieder blickst. Zürne nicht, sagte Alfonso, ich weiß die Ursache meines Kummers nicht zu sagen, ich erinnere mich dunkel, daß ich in rastloser unglücklicher Mühe mich abmattete, aber ich ziehe jenen Zustand meinen jetzigen vor. Damals erfüllte eine glühende Sehnsucht mein Herz, und ich konnte doch streben, das zu erreichen, wonach ich glühte; jetzt ist mein Herz todt und kalt, und ich wünsche mir meine Wünsche zurück. Bei jedem Worte, das Alfonso sprach, wurde der [38] Greis freundlicher, und als jener seine Rede geendet hatte, ergriff er seine Hand und sagte: Du bist ein edler Jüngling, und darum folge mir nach! Bei den letzten Worten erkannte Alfonso seine geliebte Stimme; er wollte die Hand halten, aber der Einsiedler und die Hütte waren verschwunden, und Alfonso stand auf der Spitze eines furchtbaren Felsen, kalte Lüfte umwehten ihn, er war noch in Erstaunen verlohren, da rief die Stimme schon am Fuß des Felsens zu ihm hinauf, und ohne Besinnung stürzte er nach. Durch die dunkelsten Gebüsche, bei furchtbaren Abgründen vorüber, lockte die Stimme den Bethörten; endlich als die Sonne anfing sich zu neigen, war er in ein Labyrinth von hohen Eichen und finstern Tannen verlohren, die Zweige rauschten nicht, der Himmel hing grau und schwer über den hohen Wipfeln, eine ängstliche Schwüle beklemmte seine Brust, und die Stimme schwieg, sie zog ihn nach keiner Seite hin. Er blickte flehend auf zu den Bäumen, aber keins von den tausend Blättern bewegte sich. Als kein Lüftchen sich zu seinem Troste [39] regte, wurde er von unnennbarer Angst ergriffen, er arbeitete sich durch das Gesträuch, und ritzte sich Gesicht und Hände blutig. Als er endlich einen freien Platz erreicht hatte, blickte er um sich und hoffte, nun die geliebte Stimme zu finden; aber auch hier herrschte ein dumpfes Schweigen, er erstieg einen Hügel, und erblickte am Fuße desselben den See, er erinnerte sich jetzt, daß er sich jeden Abend in diesen gestürzt hatte. Ich will, ich muß dich finden, rief er wie im Wahnsinn aus. Er eilte dem See zu, der eine trübe, graue Fläche bildete, er hoffte, die Stimme würde ihn aus der Tiefe rufen, aber kein Laut berührte sein Ohr. Hast du mich verlassen? rief Alfonso, so will ich dir auch gegen deinen Willen folgen. Er sprang in den See, und die Wellen umschlangen ihn, er wollte sich in die Tiefe senken, aber die Fluthen hoben ihn immer wieder empor. Er brach endlich in Thränen aus: Giebt es denn keine Linderung, rief er, für diesen Schmerz der Sehnsucht, der in meinem Busen glüht? Versagst du mir, grausamer See, in deine [40] Tiefe mich aufzunehmen, wo ich die Beruhigung finden, oder sterben will? – Als er diese Worte gesprochen hatte, fühlte er sich von zarten Armen umschlossen; warme, weiche Lippen drückten sich auf die seinigen, und ein balsamischer Athem wehte ihn an; er wollte die Gestalt umarmen, die so Ruhe und Seeligkeit in sein Herz küßte, aber er berührte nur die nassen Wellen. Eine unwiderstehliche Schläfrigkeit ergriff ihn, und die süßen Harfentöne, die von zärtlichen Flöten zuweilen unterbrochen wurden, wiegten ihn ein. Als er erwachte, war es Mitternacht, die silberne Scheibe des Mondes schwamm an dem reinen, blauen Himmel, und Alfonso fand sich auf einem von dem schwarzen Steinen sitzend, welche rings um den See lagen. Er erkannte jetzt, daß es Fußgestelle waren, auf denen weiße Bildsäulen standen. Es waren Bilder von Jünglingen, und eine Traurigkeit war auf allen Gesichtern sichtbar. Alfonso wunderte sich, daß er diese Bilder niemals bemerkt hätte, ob ihm gleich die schwarzen Steine, auf denen sie standen, aufgefallen waren. Er [41] dachte noch darüber nach, als er in einiger Entfernung Fußtritte hörte, die so schwer niederfielen, daß Alfonso eine furchtbar-große Gestalt erwartete. Wie erstaunte er, als eine ganz kleine menschliche Figur sich dem See näherte; er konnte sich nicht überzeugen, daß diese Gestalt mit so schwerem Gange auftreten könne, und doch kam ihm das Geräusch immer näher. Endlich stand der Zwerg bei den Statuen still, und betrachtete eine jede mit Wohlgefallen. Ein Fußgestell war immer noch leer, sagte er: ich muß doch einmal nachsehen, ob noch kein neues Bild angekommen ist; er näherte sich mit diesen Worten Alfonso, und dieser fühlte, daß die Erde von den Fußtritten des Zwerges zitterte. Als der Klelne zu dem Fußgestelle kam, und sahe Alfonso darauf sitzen, machte er ein unwilliges Gesicht, und wendete sich um. Wie er von ihm ging, sahe Alfonso, daß seine Füße schwerer, schwarzer Marmor waren. Alfonso konnte sich des Lachens über diesen seltsamen Anblick nicht enthalten; der Alte drehte sich um, und drohte ihm mit [42] aufgebobnem Finger: Wir treffen uns schon einmal, wo ich mich an dir rächen kann, sagte er, und ging in den Wald. Alfonso war froh, diesen seltsamen Gesellschafter los zu werden. Er wendete nun den Blick wieder nach dem See, und erstaunte von neuem: Die Bilder fingen an sich zu bewegen, und stiegen langsam von ihren Gestellen herunter. Sie standen einige Augenblicke und sahen in den See, plötzlich färbten sich ihre Gesichter und Kleider, und sie gingen mit traurigen Geberden um das Wasser, sobald sie vor Alfonso standen, sahen sie ihn an, und ein Lächeln schwebte um ihre Lippen. Alfonso wollte sie anreden, als der See zu rauschen begann, die Jünglinge bebten und eilten, ihre Gestelle wieder zu erreichen; kaum hatten sie sie bestiegen, so erblichen ihre Wangen wieder zu Marmor. Der See schlug in hohen Wellen, welche wieder leise erklangen, eine rauschende fröhliche Musik tönte aus der Tiefe, die sich in Flötentönen endigte. Das Wasser beruhigte sich, und auf der glatten Flüche schwebte eine weibliche Gestalt, ganz in silberne Schleier verhüllt. [43] Alfonso! rief sie, und er eilte hinzu, und kniete am Rande des Sees nieder, es war die Stimme, die ihn durch Wälder und über Felsen gelockt. Alfonso, sagte sie, du hast mir die Hofnung gegeben, daß ich mich aus dem unglücklichen Zustand befreit sehen werde, in welchem ich seit vielen Jahren schmachte. Ein Zauberer, der mich liebt, hat diesen Fluch über mich ausgesprochen, als ich seine Hand verweigerte. Er zwang mich, in diesem See zu wohnen, und mit meiner Stimme jeden Jüngling, der durch diesen Wald zog, zu fesseln, daß er der Stimme folgte, und jeden Abend ihr nach in den See sich stürzte. War nun die Sehnsucht am dritten Morgen, wenn er sich einsam und verlassen am Abgrunde fand, gestillt, so schlief er bei dem Einsiedler den ganzen Tag, und am Abend fand er sich am Ufer dieses Sees, der Zauberer stand vor ihm, und zwang ihn einen jener Würfel zu besteigen, die von dem Tyrannen selbst um den See gelegt waren. Hier müssen die Armen unbeweglich als Bildsäulen stehen. Ein Stein war noch leer, [44] und wenn du nicht am dritten Abend dich aus Liebe freiwillig in den See gestürzt hättest, so ständest du hier als Bild, und ich müßte, wenn die Sonne wieder herauf kömmt, dem Verhaßten meine Hand reichen, und du und alle die übrigen Unglücklichen, ihr müßtet traurig um dies Wasser stehen, und keines Menschen Macht vermöchte es euch und mich zu befreien; denn so gebietet ein unerbittliches Schicksal: wurden so viele durch mich unglücklich, daß alle diese Steine mit Bildern besetzt sind, dann sollten ich und sie es ewig bleiben. Jetzt aber kann ich hoffen, daß du uns zum neuen Leben zurück rufst, denn du liebst mich wahrhaft, und deine Liebe wird dich siegen lehren. Ich darf dir nicht helfen, nimm dieses Armband, begegnest du Einem, der das zweite trägt, das so wie dieses gearbeitet ist, so fordere es von ihm, er ist mein Feind. Bringst du mir dies Armband zurück, so bin ich die deinige, und zugleich aus der Gewalt des Tyrannen befreit. In jenem Armbande ist mein Bild, so wie in diesem das Bild meiner Mutter, du wirst dann sehen, ob du mich [45] lieben kannst; hast du dem Zauberer das Bild entrissen, so hat er über mich nichts mehr zu gebieten. Sie reichte bei diesen Worten dem knieenden Alfonso das Kleinod hin, er wollte ihr antworten und schwören, daß er sie ewig lieben werde, aber sie sank in die Wellen, die Musik erklang, so wie das Wasser über sie hinglitt. Jetzt färbte die Sonne mit ihren ersten Stralen den Himmel, da sahe Alfonso, daß die Statuen anfingen zu erblassen, und so wie das Licht höher stieg, erloschen sie immer mehr, und als der helle Tag über die Erde glänzte, sahe er nichts als die schwarzen Steine, die rings um den See lagen. Er wußte nicht, ob er alle diese Dinge geträumt hätte, aber er sahe das Kleinod in seinen Händen und erstaunte über die wunderbare Arbeit; es war aus einem einzigen Diamant, der so künstlich geschnitten war, daß es schien, als ob sich ein vielfaches Gitterwerk durch einander schlänge. Alfonso verwahrte das Armband in seinem Busen, und ging dem Walde zu. Wohin werde ich mich nun wenden, rief er, und wo soll ich meinen Feind [46] finden? Er durchirrte den Wald, und setzte sich endlich im Schatten eines Baumes nieder; er hatte kein Obdach gefunden, keinen Menschen, der ihn mit Speise oder Trank erquickt hätte. Ich werde hier im Walde verschmachten, sagte er traurig, und wenn ich nun den Zauberer finde, wie werde ich Gewalt haben, ihn zu bekämpfen? Diesen Betrachtungen hing er nach, da bewegte sich der Boden, auf welchem Alfonso ruhte; erstaunt blickte er um sich, und die Wand eines niedrigen Felsen öffnete sich, der Zwerg, den Alfonso in der Nacht gesehen hatte, trat heraus, und sagte mit einer Freundlichkeit, die sein Gesicht widrig entstellte: Ich habe in meinem Hause deine Klage gehört, und will dir deine Verspottung verzeihen, komm in meine Wohnung, mich jammert dein Zustand, du magst mit mir essen. Alfonso sah ihn mißtrauisch an. Warum traust du mir nicht? sagte der Kleine, ich bin in meinem Hause ganz allein, und meine es gut mit dir. Alfonso war matt und durstig, er entschloß sich also, das Anerbieten des ungestalteten Zwerges [47] anzunehmen, und folgte ihm in seine Höhle. Der Alte ließ ihn an einem kleinen Tische niedersitzen, und hohlte ihm Brod und Früchte. Beide saßen einander gegenüber, der Zwerg aß wenig, nöthigte aber seinen Gast sehr freundlich. Als sie gegessen hatten, sagte er: Nun will ich dir auch einen guten Trnnk Weins reichen, den du schon lange entbehrt hast; er ging und hatte eine volle Schaale, und reichte sie Alfonso; als dieser getrunken hatte, und der Alte die Schaale zurück nehmen wollte, fiel das Kleid von seinem Arm zurück, und Alfonso erblickte das Armband, genau wie das seinige gearbeitet, welches er aus den Händen der wunderbaren Schönen empfangen hatte. Er erschrack, als er es erkannte, er fühlte sich in der Gewalt des Wesens, das er gesucht hatte und bekämpfen wollte. Der Alte sahe sein Erstaunen und lächelte; Alfonso faßte sich, stand auf, sahe dem Zwerg ins Gesicht und sagte: Ich fordere im Nahmen einer Unglücklichen das Armband von dir, das du entwendet hast, gieb es freiwillig zurück, oder mein Schwerdt und [48] mein Arm sollen es dir mit Gewalt entreissen. Der Greis sahe ihn an und lachte: Ey! rief er, gieb mir lieber das, welches du in deinem Busen verbirgst, so habe ich den Schmuck vollkommen, und wir bleiben bessere Freunde. Alfonso's Zorn entbrannte, er zog den Degen, und wollte auf den Zauberer eindringen, dieser lachte noch mehr und sagte: Du verstehst schlecht das Gastrecht zu ehren, weißt du nicht, daß du deinem Wirth, der dich in dieser Wüste aufnahm, dankbar seyn sollst? Er drehte sich um und verließ die Höle, Alfonso wollte folgen, als er aber im Begriff war hinauszutreten, schloß sich der Felsen, und Alfonso war in der Dunkelheit gefangen. Verzweiflungsvoll rannte er gegen die Wand, er wollte das Schwerdt in seine eigne Brust stoßen, da fiel das Armband aus seinem Busen, und der Edelstein beleuchtete mit seinen Strahlen die Wände des Gefängnisses. Wie soll ich hier entrinnen? sagte Alfonso, indem er die Höle betrachtete. Auf der einen Seite war eine Vertiefung; Alfonso näherte sich, und sahe in dem einen Winkel der Höle verschiedne [49] Früchte und Weine, dazwischen wunderbares Geräth aufgestellt; eine Thür war im Grunde, und Alfonso suchte sie zu öffnen, sie war aber so vielfach verschlossen, und so stark, daß jeder Versuch vergeblich war. Soll ich denn hier, rief er aus, in der Gewalt dieses Ungeheuers verschmachten? Soll denn keine Rettung für mich und meine theure Geliebte seyu? In der Wuth ergriff er die Flaschen, die aufgestellt waren, und zerschmetterte sie gegen die Thür; unter diesen zerbrach er auch eine kleine, die mit einem rothen Safte angefüllt war, zuletzt; und kaum flossen die rothen Tropfen über die ungeheuern Schlösser, als sich die eiserne Pforte von selbst öffnete, und ein lieblicher Geruch ihm entgegen duftete. Er stand in einem kleinen, von Bergen eingeschlossenen Thale, wo tausend gewürzreiche Kräuter blühten; von jedem Berge floß ein Quell, und zog wie ein Silberfaden durch den grünen Grund, das reinste Blau des Himmels bedeckte dieses Thal. Alfonso stand noch in Enzücken verlohren, da sahe er, wie die kleine unförmliche [50] Gestalt zwischen den duftenden Kräutern lag, und mit wehmüthigem Blick sein Bild in einem klaren Bach betrachtete. Schnell eilte Alfonso auf ihn zu: Verräther! Bösewicht! rief er ihm entgegen; der Zwerg stand auf und sagte verwundert: Wie kommst du in meinen Garten? Gieb das Armband oder stirb! rief Alfonso. Der Alte lächelte, und Alfonso wollte ihn mit dem Schwerdte niederstoßen, aber jener ergriff es mit der Hand, und entriß es mit großer Leichtigkeit dem bestürzten Alfonso; kaltblütig warf er es in die Höhe, und es flog über die Berge weg. Was willst du nun? redete er den Bestürzten an: Ich dächte, du gäbest mir dein Kleinod, damit wir gute Freunde bleiben. Verzweifelnd warf sich Alfonso auf ihn, und wollte ihn im Ringen überwältigen; aber zu groß war die Kraft des Alten, er faßte Alfonso's Arme, und in wenigen Augenblicken lag der Jüngling am Boden. Jetzt wollte der Greis ihm das Armband aus dem Busen ziehen, da wurde Alfonso von der Angst der Verzweiflung ergriffen, er schrie laut und umfaßte[51] wüthend die Kniee des Alten. Der Zwerg wankte und wollte widerstreben, aber Alfonso ließ nicht ab, und der Zauberer fiel mit lautem Getöse zu Boden. Alfonso sprang schnell auf, lösete ihm das Armband ab, und bemerkte nun erst, daß der Zwerg ohnmächtig sey. Er wollte sich schnell entfernen, als er sahe, daß die Gestalt sich wieder bewegte. Nach einigen Zuckungen löseten sich die schwarzen Marmorsteine von seinen Füßen ab, die Gestalt wurde größer, das häßliche Gesicht verschwand, und ein schöner Jüngling lag schlummernd im Grase. Bald darauf richtete sich dieser auf, sahe Alfonso an und rief: O mein Erretter, wie danke ich dir für das neue Leben! Er schloß ihn in seine Arme und fuhr fort: Ja! Rosalinde ist dein, du verdienst sie, betrachte ihr Bildniß, und du wirst sehen, daß sie jedes Verdienst belohnt. Alfonso betrachtete das Bildniß, welches in das Armband gefaßt war, und rief entzückt: Wo ist sie? laßt mich zu ihr, daß ich zu ihren Füßen es auszusprechen versuche, wie glücklich ich bin. Ich will dich hinbegleiten, sagte [52] jener, und indeß wir gehen, dir sagen, wie es kommt, daß du mich in der Gestalt gefunden, in der ich dir abscheulich war. Rosalinde ist meine Verwandte, sie hat mich aber in dieser schändlichen Gestalt nie gekannt, und ich konnte ihr mein Schicksal nicht sagen. Eine alte Base, die in allen Künsten der Zauberei unterrichtet war, flehte ich oft begierig an, mir ihre Wissenschaft mitzutheilen. Sie versprach es mir endlich unter der Bedingung, daß wenn ich mein achtzehntes Jahr erreicht hätte, ich sie zu meiner Gemahlin wählen sollte; ich war damals noch jung, und gab leichtsinnig dies Versprechen; ich wurde von ihr unterwiesen, und erfuhr alle ihre Künste, doch blieb sie mir immer überlegen. Endlich erreichte ich mein achtzehntes Jahr, und sie verlangte die Erfüllung meines Versprechens, jetzt erst sahe ich meine Thorheit ein, es war mir unmöglich, mich mit ihr zu verbinden; sie entdeckte meinen Abscheu, und ihre ungerechte Eifersucht glaubte, daß eine Neigung zu der schönen Rosalinde mir diesen Widerwillen einflößte; sie beschloß in ihrer [53] Wuth uns beide zu verderben, und noch viele andere durch uns. Ich hatte oft Rosalindens himmlische Stimme bewundert, und sie legte nun den Fluch auf diese Stimme, daß sie das Herz eines jeden Mannes fesselte, der sie hörte; sie bestimmte den See zu Rosalindens Aufenthalt, und ich mußte sie selbst dorthin verbannen. Rosalinde hatte oft meine Leichtigkeit im Tanzen gerühmt, und darum mußte ich diese ungestalteten Füße zum Spotte mit mir tragen. Die böse Zauberin legte selbst die funfzig Steine um den See, die jedem Bilde zum Fußgestelle dienen, und zwang mich, einen jeden Jüngling, dessen Sehnsucht nach der Stimme nicht so glühend war, daß er am dritten Abend freiwillig zurück kehrte, in ein Marmorbild zu verwandeln. Nur wenige Minuten durfte ich den Unglücklichen erlauben, in jeder Nacht als Menschen um den See zu wandeln. Sie gab mir das Armband mit Rosalindens Bild, und auch mit mir mußte der Jüngling noch den Streit wagen und mich überwinden. Dir ist es gelungen, du hast uns allen das Leben wieder [54] gegeben. Als der Jüngling geendigt hatte, erreichten sie die Spitze eines Hügels; sie blickten in das Thal, und Alfonso erstaunte von neuem; der See war ausgetrocknet, in der Mitte eines grünen Platzes saß eine Dame in weiße Schleier gehüllt. Funfzig Jünglinge standen in einem Kreise in ehrerbietiger Entfernung umher, es schien, als ob der Hauch des Lebens noch alle diese schöne Gestalten berühren müsse. Alfonso stürzte von dem Hügel hinunter, knieete vor der Schönen nieder, und reichte ihr die beiden Armbänder hin. Sie nahm sie an und schlug zugleich den Schleier zurück; ein himmlisch schönes Gesicht lächelte Alfonso an, und die süße Stimme sagte: Ich bin dein. Er war berauscht, er schloß die Geliebte in seine Arme, und nun bewegten sich froh alle Jünglinge, und drängten sich hinzu, um ihrem Retter zu danken. Auch Rosalindens Freund trat hinzu, Rosalinde erkannte ihn; und alle die so lange unglücklich waren, athmeten froh das neue seelige Leben.

[55][57]

Die Blume der Liebe

[57] [59]Eine fröhliche Gesellschaft von Jünglingen schwamm in einem leichten Nachen auf der silbernen Fluth; sie hatten Fackeln auf dem Fahrzeuge, die sich in dem Wasser spiegelten; zu der muntern Musik tönten Lieder, welche die Liebe und den Wein verherrlichten. Fernando war unter ihnen, und stimmte fröhlich in die Gesänge, halb spottend sang er Liebesreime, er fühlte sich froh und frei, keine von den vielen Mädchen, welche er kannte, hatte sein Herz gefesselt.

Der Mond schwamm herauf, und wie das Wasser sich bewegte, schien sein Bild in jeder Welle zu tanzen. Seltsam wurde Fernando's Herz bewegt, als er jetzt aus weiter Ferne eine sanfte Musik vernahm; er hieß [59] die fröhlichen Töne seiner Freunde verstummen, und hörte mit Aufmerksamkeit auf die fernen Klänge. Endlich entdeckte er einen hellen Glanz auf dem Wasser, die Musik und die Fackeln kamen näher, und es war ein anderer Nachen, der in der mondhellen Nacht auf dem Wasser schwamm. Weibliche und männliche Stimmen sangen zu Flöten und Harfen, und einzelne Worte, die Fernando hörte, ließen ihn glauben, daß es ein Fest sey, welches ein Liebender gab, um seine Schöne zu verherrlichen. Das Fahrzeug war dem seinigen endlich nahe gekommen, und Fernando bemerkte, daß es mit Blumenketten und vielfarbigen Bändern geziert war, die von dem Schiffchen herab in das Wasser hingen. Eine Dame, deren Gesicht mit einem Schleier verhüllt war, saß in der Mitte des Nachens, und viele schöne Mädchen neben ihr, die mit lauter Stimme sangen. Die Ruderer hatten Kränze von Rosen in den mit langen grünen Bändern aufgebundenen Haaren. Ein Mann in reicher Kleidung, stand in der Spitze des Schiffes, und schien [60] dieses Fest zu regieren. Als sich beide Fahrzeuge nahe gekommen waren, befahl Fernando, die Gesellschaft im Vorbeifahren mit einer fröhlichen Musik zu begrüßen, sogleich wurde sein Wunsch erfüllt, und seine Freunde stimmten ein frohes Lied zur Ehre der Schönen an. Die Mädchen in dem andern Fahrzeuge scherzten über die Artigkeit der vorüberfahrenden Jünglinge, und warfen lachend Blumenkränze hinüber. Jeder von den Jünglingen hatte einen Kranz oder einen Strauß erhalten, eine von den Mädchen warf auch Fernando einen zu, er wollte ihn ergreifen, aber die Blumen fielen in den Strom, und Fernando sahe die Rosen den Fluß hinunter schwimmen. Die Ruderer hatten bei dem allgemeinen Scherzen und Lachen, nicht auf ihre Fahrzeuge Acht gehabt, und sie stießen an einander. So will ich mich jetzt, rief Fernando, für meinen Verlust schadlos halten! Mit diesen Worten ergriff er eine von den Blumenketten, die von dem Nachen hingen. Beide Schiffe trennten sich wieder, und Fernando hielt eine Kette von vielen Blumen, und ein [61] rosenfarbiges Band in seiner Hand, worauf die Verse mit Silber gestickt waren, die er in der Ferne hatte singen hören. Er las sie beim Scheine der Fackeln, und eine sanfte Schwermuth bemächtigte sich seiner.


Rosalia, wie nenn' ich dein Gemüthe,
In dem man ganz den Himmel mag erkennen?
Soll ich es himmlisch, überirdisch nennen?
Doch dem entgegen ist die sanfte Güte.
Dein Leib und Angesicht sind süße Blüthe,
Die zarte Rosen uns und Lilien gönnen,
Die Augen wie zwei Himmelslichter brennen,
Aus denen ew'ger Reiz den Wangen glühte:
Die sind der hohen Liebe zarte Thronen,
Und Blum' und Lieb' und Himmel stehn verbunden
In deinem Blick, in deinem Angesichte.
Ihr güt'gen Mächte, ihr müßt meiner schonen!
Genügt euch nicht an Thränen und an Wunden,
Befehlt der Sehnsucht, daß sie mich vernichte.

Er behielt die Blumen und das Band, er konnte nichts mehr als Rosalia denken, diese Zeichen schienen ihm ein Unterpfand, daß er sie wieder finden müsse; er zweifelte nicht, daß die verschleierte Dame diejenige sey, [62] von der das Band bewundernd sprach, und er fühlte sich elend, daß der Schleier ihm das Gesicht verhüllt hatte, nach dessen Anblick er so heiße Sehnsucht empfand. Seine Freunde verspotteten ihn, daß er so plötzlich alle Munterkeit verlohren habe, doch er vernahm es kaum. Das Schiffchen landete an Fernando's Garten, er stieg mit seinen Freunden aus, die Diener nahmen die Fackeln und leuchteten den Gästen durch den Garten. Fernando befahl, man solle ihn allein lassen; er ging in die dunklen Gänge, und sah das Licht von fern durch das Laub der Bäume schimmern, eine unnennbare Wehmuth faßte sein Herz, er fühlte sich verlassen, abgewendet hatte sich ihm jeder Stern des Glücks, ausgelöscht war ihm die Fackel der Freude, und in trüber Dunkelheit rauschten über ihm die alten Bäume, und schienen sich prophetisch kummervolle Begebenheiten zuzuflüstern, die in kurzer Zeit sein Herz mit bittern Schmerzen erfüllen würden. Eine Thräne schlich langsam über seine Wange, als er den Mond erblickte, der mit seinem matten Schimmer[63] nicht durch die dichten Zweige der Bäume hatte dringen können. Jetzt stand Fernando auf einem kleinen Rasenplatz vor seinem Hause, der Mond beleuchtete das frische Gras; aus den Fenstern seines Gemachs schimmerte ihm ein Licht entgegen, und schien ihm freundlich zu winken. Fernando fühlte die Thräne auf seiner Wange, er suchte sich zu fassen, und eilte mit schnellen Schritten seinem Gemache zu.

Er hatte es erreicht, und wurde nur wehmüthiger. Wohin, wohin, rief er, will mich diese Sehnsucht ziehen! Ich fühle, es werden alle Wünsche in meinem Busen wach; wo finde ich den Freund, der sie mir nennt? und ach! wo ihre Erfüllung, wenn ich sie kenne? Er trat zum Fenster, und schaute hinunter nach dem Garten, den der Mond jetzt heller erleuchtete, und auf dem Platze vor Fernando's Wohnung stand ein Greis, der ihm mit freundlichen Gebehrden winkte. Was willst du? fragte Fernando bestürzt. Der Greis gab keine Antwort, aber er fuhr fort bittende Zeichen zu machen, daß Fernando [64] herabkommen sollte. Wie bist du in den verschloßnen Garten gekommen? fragte dieser, und der Alte kniete mit flehender Gebehrde nieder. Fernando betrachtete sein Gesicht, und das Gefühl der Liebe ergriff ihn; die freundlichen Züge waren ihm so bekannt, und doch konnte er sich nicht erinnern, wer der Greis seyn möchte. Er eilte in den Garten hinunter; der Alte blieb stehen und wartete, bis Fernando ganz nahe zu ihm gekommen war, dann nahm er seine Hand, blickte ihm freundlich in die Augen und fragte: Kennst du mich nicht? – Nein, sagte Fernando. Hast du deinen Retter vergessen? fragte der Alte. – Aus welcher Gefahr hast du mich befreit? erwiederte Fernando. – Als du einst, ein wilder Knabe, über die Wiesen ranntest und endlich den Wald erreichtest, und dich so weit hinein verlohrst, daß du den Rückweg nicht finden konntest, setztest du dich voll Betrübniß an den rauschenden Waldstrom nieder. Du trugst einen Ring, den deine Mutter dir auf ihrem Sterbebette gab, du gedachtest ihrer Worte, die sie damals zu dir sprach, und die [65] dir unverständlich waren, und es noch sind. »Bewahre, sprach sie, den Ring: in der Stunde der seeligsten Liebe gab ihn mein Vater mir, und ich schloß allen Zauber der Liebe in seinen engen Kreis. Seit der Zeit sind viele Thränen geflossen, meinen Augen scheinen sie ein Bach, den meine Seufzer in hohen Wellen bewegen. Führt die brausende Fluth diesen engen Reif einem Mädchen zu, so wird der Strom der Liebe ewig durch ihr Herz fließen, und sie wird dich ewig lieben.« Du betrachtetest den Ring, als du diese Worte überdachtest, und zogst ihn vom Finger. Er entfiel deiner Hand, und rollte in den Fluß. Du warst in Verzweiflung, das theure Geschenk deiner Mutter zu verlieren, und stürztest dich nach, um es wieder zu gewinnen. Dein Leben war verlohren; die Wellen schlugen über deinem Haupte zusammen, ich errettete dich.

O vergieb! rief Fernando; die Liebe zu dir regte sich in meinem Busen, ich fühlte, daß ich dir dankbar seyn müßte, aber ich konnte mir den Augenblick nicht zurück rufen, [66] mich nicht auf die Wohlthat besinnen, die du mir erzeigt hast.

Wehe mir! sagte der Alte, so hast du auch das Versprechen vergessen, das du mir damals gabst?

Nein, rief Fernando, ich verhieß dir damals, daß wenn du etwas von mir begehren würdest, ich deinen Wunsch erfüllen wollte. Fordere, mein Vater! nenne eilig dein Verlangen; warum warst du stumm, bis ich mich dir näherte? Schon könnte es erfüllt seyn.

Nein, sagte der Greis, es war nicht anders möglich; siehe um dich! Ein Kreis von Blumen hält dich umschlossen, wenn ich dich außer diesem Kreise gebeten hätte, so würdest du dich nicht an den Augenblick erinnert haben, in welchem ich dich aus den Wellen trug. Fernando sahe mit Erstaunen, daß er und der Alte in einem dichten Kreise von Blumen standen. Wie sind diese Blumen, fragte er, so schnell empor gewachsen? – Ich, sagte der Alte, pflanzte sie im Mondenscheine, mein Flehen lockte sie schnell hervor aus der harten Erde, es sind Zeichen der Liebe und [67] Erinnrung; sie fühlen meine Gegenwart und meine Liebe zu dir, und bewegen froh ihre kleinen, bunten Häupter, sie neigen sich aber und sterben, wenn ich sie verlasse. Fernando sah den Alten mit Verwunderung an und schwieg. Willst du mir meine Bitte erfüllen, sagte der Greis. so ist es jetzt der Augenblick.

Nenne sie, rlef Fernando.

Gieb mir mit deiner eignen Hand eine Blume, die in deinem Garten wächst, damit mich niemand beschuldige, ich habe sie entwendet.

Deine Bitte ist sehr gering, sagte Fernando.

Nicht für mich, erwiederte der Alte, folge mir, ich will dir die Blume zeigen, die ich zu besitzen wünsche.

Er nahm Fernando's Hand, und als beide aus dem Kreise herausgetreten waren, bewegte ein leiser Wind die Blumen; sie neigten ihre Häupter zur Erde, und ihre Farben verblichen; der Wind wehte in einigen Augenblicken die welken Blätter umher.

Der Alte hatte Fernando durch die dunkeln [68] Gänge seines Gartens geführt, und sie standen jetzt beinahe an der äußersten Grenze desselben.

Hier, rief er endlich und stand still, reiche mir diese Blume. Fernando sah eine hohe weiße Lilie, die sich still im Abendwinde hin und her bewegte; in ihrem Kelche schien ein Stern zu ruhen, der seine Strahlen weit nach jeder Richtung verbreitete.

Gieb mir diese Blume, sagte der Greis mit heftiger Begierde; siehe, noch gehört sie der Erde, und darum breitet sie die Strahlen der Liebe nach allen Seiten, nach jedem Geschöpfe aus; du hast das Recht, sie mir zu geben, sie blüht in deinem Garten. Gieb sie mir, damit ich sie besitze.

Fernando brach die Blume und reichte sie dem Alten, und die vielen Strahlen, die von der Blume ausgegangen waren, zogen sich in den Stern zurück, und nur ein heller Strahl berührte Fernando, ein anderer dehnte sich aus und verlohr sich in die weite Ferne.

Der Mensch kann nicht viel lieben, sagte [69] der Greis; siehe, nur ein freundlicher Strahl meiner Liebe berührt dich, ein anderer dehnt sich in die Ferne aus; zwei Geschöpfe sind meinem Herzen theuer; ich danke dir für dein Geschenk. Lebe wohl!

Er drückte Fernando's Hand, und ehe sich dieser von seinem Erstaunen erhohlt hatte, war der Alte verschwunden,

Fernando setzte sich in einer Laube seines Gartens nieder, und wollte die Begebenheiten dieser Nacht überdenken, da ging der Mond unter, und die Sonne sandte ihre ersten Strahlen. Wie ein Traum erschien ihm jetzt alles; er ging nach der Stelle, an der die Lilie gestanden hatte, und sah den abgebrochnen Stengel; ein heftiger Schmerz ergriff ihn. – Was habe ich nun noch, rief er unter heftigen Thränen, das mich hier fesseln könnte! das kostbarste habe ich hinweggegeben, auch ich will die Wohnung meiner Väter verlassen, und mir ein besseres Glück in fernen Thälern suchen. Er verließ seinen Garten, und eilte dem Ufer des Meeres zu. Schiffe lagen hier ruhig vor Anker, und der Wind scherzte [70] mit den seidnen Wimpeln, andere wurden befrachtet, und viele Menschen eilten schnell ihre Geräthschaften hinein zu bringen. Eins lichtete die Anker, die Flaggen und Wimpel spielten fröhlich in der Luft, ein lautes Jauchzen der Abfahrenden tönte in Fernando's Ohr, der still nach seiner Wohnung zurückkehrte. Hier befahl er seinen Dienern, seine Kleider und Geräthe nach dem Ufer zu schaffen, versah sich mit Gold, und vertraute die Aufsicht über sein Haus dem ältesten der Diener, ging noch einmal in den Garten, um die Stelle zu betrachten, auf der die wundervolle Blume geblüht hatte, und eilte nun, seine Reise anzutreten. Er wußte nicht, wohin er wollte, er überließ es dem Schicksale, und fragte den Hauptmann eines Schiffes, welches er befrachten sah, ob er ihn noch aufnehmen könne? Wenn ihr euch nicht mehr lange auf dem Lande verweilen wollt, war die Antwort, denn in wenig Stunden denke ich die Anker zu lichten. Fernando erklärte, daß er sogleich das Schiff besteigen könne, und er wurde gern aufgenommen. Als er in das [71] Boot treten wollte, sahe er einen alten Mann auf sich zukommen. Dieser reichte ihm die Hand entgegen, und Fernando erkannte den Greis, welcher die Blume zum Geschenk von ihm gefordert hatte. Lebe wohl! sagte er, wir sehen uns in meiner Wohnung wieder. Fernando war erstaunt, er wollte den Alten noch mancherlei fragen, dieser aber hatte sich im Gedränge der Neugierigen verlohren, die am Ufer standen, um die abfahrenden Schiffe zu sehn. Es wurde Abend und der Mond stand wieder am Himmel, Fernando trat auf das Verdeck des Schiffs, er blickte nach seiner verlaßnen Heimath zurück, da sah er, daß ein glänzender Strahl sich über das Meer hin ausdehnte, und endlich seine Brust berührte; er stand in dem Glanze, und eine heiße Sehnsucht wurde in seinem Busen wach. Er wünschte den Alten wieder zu sehen, was er in seinem Erstaunen leichtsinnig überhört hatte, wünschte er nun zu erfahren, er hätte gern den Sinn gelöst, den die Worte seiner Mutter enthielten. Er war noch so in Betrachtungen versenkt, als der Hauptmann des [72] Schiffes zu ihm trat, und ein Gespräch mit ihm anfing. Er erzählte ihm, daß mit einem andern Schiffe ein Jüngling von außerordentlicher Schönheit angekommen sey, der sogleich das seinige bestiegen habe, und seine Reise fortsetze, ohne auf dem Lande auszuruhen. Er sey sehr schwermüthig, und antworte fast auf keine Frage. Fernando war ziemlich gleichgültig bei dieser Erzählung, er sah tiefsinnig in die rauschenden Wellen, und der Schiffsmann verließ ihn, mißvergnügt darüber, daß auch er nicht gesprächiger sey, als der Jüngling, von dem er ihm erzählt hatte. Fernando hatte sich zur Ruhe begeben, er träumte von dem Alten, von dem Mädchen, die er sich unter dem Nahmen Rosalia dachte, wie er sie in seinen Armen hielte, wie er seine Lippen auf die ihrigen drückte, und erwachte endlich, unzufrieden, daß ein Traum ihn so getäuscht hatte. Es wurde ihm ängstlich in seinem engen Gemach, er ging hinaus auf das Verdeck, um hier das weite Meer zu überschauen. Hier fand er den Jüngling, welcher mit nachdenkender Miene saß, und [73] auf das prächtige Schauspiel der aufgehenden Sonne nicht zu achten schien. Fernando redete ihn an, er antwortete wenig, und schien die Gesellschaft aller Menschen zu fliehen, denn er verließ Fernando bald, und verschloß sich den ganzen Tag in seiner Kammer. Fernando konnte den schönen Jüngling nicht vergessen, er fühlte sich zu ihm hingezogen, der schwermüthige Blick der blauen Augen hatte ihn gerührt; mit Aengstlichkeit war er bemüht, die Gesellschaft des Unbekannten aufzusuchen, aber dieser verbarg sich nur mehr, jemehr Fernando sein Zutrauen zu gewinnen suchte.

Mehrere Tage waren so vorüber gegangen, das Schiff schwamm ruhig auf der Meeresfläche; endlich erhob sich ein Wind. Ein furchtbares Gewitter stand am Himmel, und die Strahlen des Blitzes zuckten und schienen das Schiff zu verfolgen, welches vom wüthenden Sturme hin und her geschleudert ward. Alle die sich auf dem Schiffe befanden, versammelten sich, und angstvoll blickte jeder nach den Wolken, und erbebte bei jedem Donnerschlage.

[74]

Fernando's Augen suchten den Jüngling, er wagte sich hinaus auf das Verdeck, hier fand er ihn, wie er in höchster Angst knieend betete. Fernando wollte tröstende Worte zu ihm sprechen, da zuckte ein gewaltiger Blitzstrahl vor ihnen nieder, und in wenigen Augenblicken wurde das Schiff von Flammen ergriffen. Mit dem Ausdruck der Verzweiflung blickte der schöne Knabe in Fernando's Augen, der ihn schnell in seine Arme faßte und mit ihm sich in die Fluthen stürzte. Der ganze Himmel glühte in Feuer, und in wenigen Augenblicken schwammen die Trümmer des Schiffes, das der Sturm an einem Felsen zerschellt hatte, auf dem Meere. Fernando hatte mit den Wogen zu kämpfen, aber dennoch ließ er den Jüngling nicht, der ohnmächtig in seinen Armen lag. Von den Strahlen des Blitzes geblendet, und dann wieder in schwarze Finsterniß gehüllt, konnte Fernando keinen Gegenstand sehen, der ihm zu seiner Errettung Hoffnung machte. Endlich wurde er von einer Welle hoch empor gehoben, da sahe er einen glänzenden Strahl,[75] der sich weit durch die Finsterniß ausdehnte und seine Brust berührte; er wurde von einer neuen Hoffnung belebt, ohne zu wissen, was er erwartete. Ein heftiger Wind ergriff ihn jetzt, er glaubte nun in den Abgrund zu versinken, und hielt nur den Jüngling fest, um ein Grab mit ihm zu finden, als er fühlte, daß die Wellen sie beide an ein Ufer geworfen hatten; er raffte seine letzten Kräfte zusammen, und trug den Knaben tiefer in das Land hinein. Dann lagerte er sich auf den Boden, und schloß ihn von neuem in die Arme; er konnte keine Spur des Lebens fühlen, und erwartete mit Ungeduld den anbrechenden Tag. Endlich theilten sich die Wolken, Fernando konnte in der Dämmerung die Gegenstände unterscheiden, und ein Strom von Thränen floß aus seinen Augen, als er das blasse Gesicht des Jünglings sahe. So habe ich dich denn nur aus den Wellen gerettet, sagte er, um dich hier auf fremder Erde begraben zu können; so hat Liebe und Sehnsucht mich an dich gefesselt, und ich muß nun von meiner Liebe scheiden? Noch einmal, [76] will ich dein holdes Gesicht betrachten, und dann mich von dir trennen, denn wenn ich dich in dein Grab lege, werde ich nicht mehr den Muth haben dich zu betrachten. Er beugte sich, indem er diese Worte sprach, über des Jünglings Gesicht, und wollte mit einem Kusse von ihm Abschied nehmen, da fielen seine heißen Thränen auf die blassen Wangen nieder, und der Knabe schlug seine himmelblauen Augen auf; dankend hob Fernando seine Hände empor. Wo bin ich? rief der Jüngling und schaute verwundert um sich. Nach und nach erinnerte er sich, aus welcher Gefahr Fernando ihn befreit hatte. – O mein Freund! mein Retter! rief er aus, wie soll ich dir danken? –

Die Sonne fing an, die Gegend zu beleuchten, und die beiden Geretteten sahen, daß sie sich in dem Schatten uralter Eichen befanden, die nicht weit von dem Ufer des Meeres standen. Sie sahen keine Spur von Menschen, noch weniger bot sich irgend eine genießbare Frucht den Schmachtenden dar. Sollte ich dich, sagte Fernando, aus den [77] Wellen errettet haben, und um dich in dieser menschenleeren Wüste verschmachten zu sehen? – Sie irrten noch lange umher, endlich sagte der Jüngling: Laß uns ausruhen, denn meine Kräfte sind erschöpft. Auch ich, erwiederte Fernando, fühle mich ermattet, und doch wage ich es nicht zu schlafen, da ich dich dann ohne Schutz weiß. Der Jüngling bat Fernando noch einmal zu ruhen; – was kann uns, sagte er, schlimmeres begegnen, als daß wir sterben müssen? und mir wäre der Tod ein Gewinn. Als er diese Worte gesagt hatte, legte er sich auf den Rasen nieder, und der Schlaf schloß die schönen Augen bald; auch Fernando konnte seiner Gewalt nicht widerstehen und entschlief an des Jünglings Seite.

Als er erwachte, blickte er zuerst nach dem Genossen, aber dieser hatte sein Lager verlassen. Fernando erhob sich schnell um ihn zu suchen; er fühlte sich von Angst ergriffen, er glaubte es sey ihm ein Unfall begegnet, als er aber keine Spur von ihm fand, wurde er bekümmert. Undankbarer Knabe! rief er, hast du mich so tückisch verlassen, als [78] ich schlief? Hat das Schicksal irgend einen Menschen an diesen Strand geführt, der dir hülfreich die Hand bot, wie konntest du so deinen Freund vergessen? – Ich will nun, fuhr er fort, hier einsam mein Leben vertrauren; der Boden wird ja einige Wurzeln tragen, die mich Einsamen erhalten. Er ging tiefer in das Land, um einen Platz zu finden, auf dem er seine Hütte errichten wollte. Als er einige Stunden umhergeirrt war, zeigte sich seinen Augen ein zierliches Gitter, hinter welchem vielfarbige Blumen prangten. Erstaunt blieb Fernando stehen, und betrachtete diesen kleinen Garten, in dessen Mitte eine hohe weiße Lilie stand, die ohne Glanz und Schimmer über die andern hervorragte. Sinnend stand Fernando noch, als die Sonne unterging, es wollten alle Erinnerungen in ihm wiederkehren, wie ein Traum war es ihm, als der Mondschein endlich auf die kleinen Blumen glänzte, und sie die Häupter fröhlich durch einander bewegten. Endlich hob er die Augen zu der Lilie auf, die ihren Kelch langsam zu ihm hinwendete. Da glänzte ihm der [79] helle Stern entgegen, und berührte ihn mit seinem Strahle. Ein heiliges Schweigen herrschte rings umher. Die Bäume rauschten nicht, sondern ließen still die Mondenstrahlen auf ihren Blättern spielen. In dieser Stille hörte Fernando menschliche Stimmen, sie kamen aus einem Gebüsch, das den Garten begrenzte. Er ging diesen Stimmen nach, und als er näher gekommen, sah er, daß die Büsche ein kleines Haus versteckten, woraus er ein Gespräch vernahm. Er trat hinzu und sahe durch das Fenster in das kleine Gemach; der Alte und der Jüngling saßen darin. Der Alte hielt die Hand des Knaben und sagte mit bittenden Worten: Vertraue dich mir, damit ich dir helfen möge. Vergebens, rief der Jüngling, dringst du in mich; ich habe nur einmal den Menschen vertraut, ich wurde elend da ich um Rettung flehte. Führe mich zurück zu meinem Freunde. – Er lenkt die Schritte schon nach meiner Wohnung, sagte der Alte, du siehst ihn bald; du selbst beherrschest jetzt dein Schicksal, vertraue dich mir, und gieb dich in meine Gewalt; von einer [80] Seite naht dir die Liebe, der Haß von der andern, gieb dich freiwillig in meine Hände, damit ich dich erretten möge.

Habe ich nicht selbst dem mein Geschick verschwiegen, der mich rettete, warum sollte ich mich dir vertrauen? antwortete der Jüngling; und hast du mich nicht schon getäuscht? Ich ging, als mein Freund schlief, von seiner Seite hinweg, um vielleicht eine Frucht zu finden, die ich dem Ermatteten bei seinem Erwachen hätte reichen können; da kamst du, als ich mich zu weit entfernt hatte, und ihn nicht wiederfinden konnte, und versprachst mir Früchte, und wolltest mich wieder zu ihm führen; hast du mir nun Wort gehalten? – Er zögert nur einzutreten, sagte der Greis; ich weiß, daß er in der Nähe meines Hauses ist.

Als Fernando diese Worte hörte, öffnete er die Thür des Hauses; erstaunt sah ihn der Jüngling an, der Alte reichte ihm freundlich die Hand: Willkommen hier in meiner Wohnung! rief er ihm entgegen. – Aber du siehst mich bekümmert, mein Sohn! – du hast unser [81] Gespräch vernommen, vereinige deine Bitte mit der meinigen, vielleicht daß der schöne Jüngling sie erhört.

Fernando, der selbst begierig war, die Begebenheiten des Jünglings zu erfahren, bat ihn dringend, jedes Leid ihm zu vertrauen, und von ihm zu glauben, daß er es gern lindern möchte. – Mich fesselt ein Schwur, den ich mir selber that, sagte der Jüngling endlich, darum laßt mich.

So muß ich denn mein Glück, rief der Alte schmerzlich, noch lange verschieben, so siegt die Bosheit über dich durch deine eigne Schuld.

Er bat die beiden mit trauriger Miene, etwas zu genießen, und setzte ihnen Wein und Früchte vor. Das Mahl war stumm. Als es beendigt war, sagte der Alte, ich kann euch keine Ruhestätte anbieten, denn Ruhe werdet ihr nicht finden. Er hatte diese Worte kaum gesprochen, als sich die Thür der kleinen Hütte öffnete; der Mann, welchen Fernando bei dem Feste auf dem Wasser sahe, trat ein. Er trug dieselbe prächtige Kleidung, [82] womit er in der Spitze des kleinen Fahrzeugs stand, von welchem Fernando die Blumen und die Verse erbeutete. An seiner Hand führte er eine Alte in einem dunkeln Kleide; als der Jüngling beide erblickte, sank er zu Boden.

Die Alte trat zu dem Greise und sagte: Siehst du, sie ist noch mein, freiwillig hat sie sich mir gegeben, und ich gebe sie diesem. Der Mann näherte sich dem Knaben und hob ihn vom Boden auf. – Warum fliehst du meine Liebe? fragte er; der Jüngling streckte die Hand nach Fernando aus, der jetzt an seinem Finger den Ring seiner Mutter erblickte. Die Verse fielen ihm ein; Rosalia! rief er aus und wollte auf sie zueilen, fühlte sich aber von unsichtbarer Gewalt gehalten. Sie ist's, rief die Alte mit boshaftem Lachen, aber du wirst sie nimmer besitzen.

Als sie diese Worte gesprochen hatte, nahm sie die Hand des Mannes, der Rosalien in seinen Armen trug, und alle drei verließen die Wohnung, ohne daß der Greis oder Fernando zu folgen vermochte.

[83] Ich Unglücklicher! rief Fernando, als er sich frei fühlte: wohin soll ich eilen, um sie mir wieder zu gewinnen?

Fasse dich! sagte der Alte, sie ist dir nicht verlohren; du findest sie einst, wenn sie sich dir freiwillig giebt, dann ist sie dein.

Wer ist sie? fragte Fernando, und wer bist du wunderbarer Mann?

Ich, sagte der Alte, bin dein Vater, komm an meine Brust, mein theurer Sohn.

Fernando betrachtete den Greis mit Erstaunen; ja du bist mein Vater! rief er endlich, ich gehorche der Stimme der Liebe in meinem Busen. – Beide umarmten sich, und ihre Thränen flossen in einander. Warum hast du dich von mir verbannt? fragte endlich Fernando, wie oft habe ich geklagt, daß ich keinen Vater gekannt habe, der mich auf der rauhen Bahn des Lebens geleitet hätte. Mein Verbrechen, sagte der Alte, hat mich von dir getrieben, ich verließ deine Mutter, und darum durfte ich nie den Sohn sehen. Setze dich zu mir, fuhr er fort, nachdem er eine Zeitlang geschwiegen hatte; alle alten Erinnerungen [84] treten so frisch vor meine Seele, ich will dir jetzt meine Schuld enthüllen.

Ich war ein Jüngling wie du, mit frohem leichtem Herzen; ich verlebte einen Tag voll Scherz und Lust nach dem andern; viele Mädchen bemühten sich meine Gunst zu gewinnen, aber immer blieb ich frei von den Wunden der Liebe. Endlich nahte sich die Stunde, wo auch ich ihre Schmerzen fühlen sollte; eine junge Schöne fesselte mich, die dunkeln braunen Augen, die Fülle der schwarzen Locken, die zarten Glieder, die sie mit unnennbarer Anmuth bewegte, alles machte sie mir unwiderstehlich. Damals richtete auch deine Mutter ihre sanften Augen nach mir hin, ich las ihre Liebe, die zu mir ihr Herz bewegte, deut lich in den schönen blauen Sternen, und ich Thor fühlte mich geschmeichelt, sie zu verschmähen, und alle meine Huldigungen nur der Undankbaren zu weihen, die mir Liebe heuchelte, und in den Armen eines Andern meiner spottete. – Du wirst betrogen, sagte mir einst deine Mutter, und ich Unsinniger glaubte, sie wolle zu ihrem Besten die [85] Freundin verläumden, ich forderte von ihr einen Beweis. Ich will ihn dir geben, sagte sie, aber du wirst dann nicht glücklich seyn. Ich forderte es dringend, und in wenigen Tagen war ich überzeugt; nun schwur ich, daß nie ein Weib meine Gattin werden sollte, die, in Pracht und Ueppigkeit erzogen, alle Künste des Betrugs verstände. Wenn ich mich ja vermähle, rief ich, so soll es ein unschuldiges Geschöpf seyn, die zu ihrem Putz die Blumen der Wiese wählt, fröhlich der kleinen Heerde folgt, und keinen andern Reichthum besitzt, als ihr reines Herz. So willst du uns also verlassen? fragte deine Mutter. – Ja, rief ich aus, ich will in stillen Thälern eine Wohnung suchen.

So lebe wohl! sagte sie, indem sie sich schmerzlich von mir wendete. Ich eilte, einen Aufenthalt zu verlassen, in dem ich mich so unglücklich fühlte, und schweifte lange Zeit umher, ehe ich einen Ort fand, den ich zu meiner Wohnung erwählte. Endlich hatte ich ein Dörfchen gefunden, dessen reizende Lage mir gefiel. Ich kam mit dem Besitzer eines [86] Hauses bald überein, daß er es mir für eine Summe überließ, und nun fühlte ich mich in dieser kleinen Behausung glücklich. Verschiedne Monden hatte ich hier gelebt, und ich glaubte alle Sehnsucht meines Herzens befriedigt, jeden Morgen schwärmte ich auf meinem Rosse durch die frischen Wiesen, durch den rauschenden Wald, und kehrte immer heiterer zurück. Eines Morgens sprengte ich über eine Wiese, die frischen Gräser dufteten lieblich, und ein singendes Volk von Schnittern war beschäftigt, sie mit blanken Sicheln zu schneiden; Mädchen, leicht gekleidet, brachten das geschnittene Gras in Haufen zusammen, und ein froher Muth belebte die ganze Gesellschaft. Eine von den Mädchen theilte nicht die allgemeine Freude; still und sinnend saß sie im Grase, und schien sich um die Arbeit nicht zu kümmern. Endlich erschreckte sie der Hufschlag meines Pferdes; sie hob die Augen auf, und die holden Mienen machten einen plötzlichen tiefen Eindruck auf mein Gemüth. Ich stieg ab und fing ein Gespräch mit ihr an, und sie wurde mit jedem Worte freundlicher, [87] ihre Wangen färbten sich höher, als ich Worte der Liebe redete; wir trennten uns endlich, und sie versprach mir, sich am folgenden Morgen im Schatten des Waldes finden zu lassen. Mit Ungeduld wünschte ich, daß es Abend werden möchte, und als die Sonne untersank, wünschte ich sie wieder herauf. Die Stunde meines Glücks erschien endlich; ich harrte im Walde und konnte mein Entzücken nicht ausdrücken, als ich die liebliche Gestalt sich durch die Bäume bewegen sah. Sie hatte die vollen blonden Locken oben auf dem Kopfe zusammen gebunden, ein Mieder schloß sich eng an den schönen Busen, das kurze Röckchen zeigte den zierlichsten Fuß. Ich eilte ihr entgegen, ich suchte meine heiße Liebe auch in ihrer Brust anzufachen; die schönsten Augen flossen endlich von Thränen über, sie sank an meine Brust, ich steckte einen Ring an ihren Finger. Meine Verlobte, mein Weib! rief ich aus, und drückte meine glühenden Lippen auf die ihrigen. Die seeligste Stunde der Liebe verflog, sie sahe mich mit Beschämung an, und vermochte die [88] Thränen nicht zurück zu halten. Weine nicht meine Theure! rief ich, kränke mein Herz nicht durch einen unedlen Verdacht, morgen schon sollst du öffentlich meine Gattin seyn. Sie trocknete ihre Thränen und sagte: Ich weiß es wohl, daß sich jetzt mein Glück noch nicht von mir wendet, aber ich beweine mein zukünftiges Geschick. Ich verstand ihre Worte damals nicht, und sie bat mich, sie in ihrer Hütte zu besuchen. Ich begleitete sie, ein artiges kleines Haus nahm uns auf, ein junges Mädchen trat uns entgegen. Ich bin glücklich, redete meine Geliebte sie an, auch du sollst es nun seyn. Als ich in ein reinliches Zimmer getreten war, sagte meine Geliebte: ich möchte sie wenige Augenblicke erwarten. Sie verließ mich mit dem Mädchen, und in kurzer Zeit öffnete sich die Thür wieder, und eine prächtig gekleidete Schöne trat herein, in welcher ich meine Geliebte erkannte, und zugleich diejenige, deren Liebe ich einst verschmäht hatte.

Ich war von Erstaunen gefesselt; kannst du mich nun noch verlassen? redete deine [89] Mutter mich an. Niemals, o niemals! rief ich aus, aber sage mir, du Theure: wie hast du den Ort meines Aufenthalts erfahren, wer hat ihn dir genannt? – Dieser, sagte sie, indem sie mir einen Spiegel vorhielt, worin ich zu meinem Erstaunen, in verschiedenen Bildern, meinen ganzen Lebenslauf erblickte, bis auf den jetzigen Augenblick. Meine Bestürzung vermehrte sich, als ich mich auf dem letzten Bilde neben der schönen Dame stehen sah. Denke dir, fuhr meine Geliebte fort, welche Person du willst, und augenblicklich wird ihr Lebenslauf vor dir stehen. Unwillkührlich dachte ich an meine erste schwarzgelockte Gebieterin, und sahe, wie sie als Kind schon bösartig war. Dann erschien deine Mutter, beide vereinigten sich in Freundschaft, ein gleiches Streben nach einer magischen Gewalt ergriff beider Herzen. Ich sahe sie einem finstern Walde zueilen, sie standen vor einer Höhle, ein alter Greis trat heraus, empfing sie freundlich und unterrichtete sie willig; dann sah ich, wie jene bald alle ihre erlangte Macht anwendete, um dem Engel zu [90] schaden, der jetzt neben mir stand, und die Bilder der vergangenen Zeit mit Lächeln betrachtete. Ich erschien im Kreise ihrer Anbeter, und verdrüßlich über meine Thorheit, die ich jetzt so deutlich vor mir sah, wünschte ich bald ein anderes Bild zu sehn. Die schöne Gonzala erschien als Kind und als Mädchen; ihre verborgensten Tugenden wurden mir bekannt, sie wendete die erlangte Macht nur zum Heil der Menschen an; ich sah auch mich in dem Kreise ihrer Bewunderer, und erkannte jetzt dankbar das Glück, wenn ihre schönen Augen liebend nach mir blickten. Ich sahe wie sie, als ich sie verlassen hatte, meinen Aufenthalt erforschte, wie ihre Seele mich auf allen meinen Reisen begleitete, und wie sie aus ihrer prächtigen Wohnung zog, und in meiner Nähe unbekannt in dem kleinen Hause wohnte, wie ihre Augen mich jeden Morgen begleiteten, wenn ich ihrer Wohnung vorüberritt. Endlich stand unser Gespräch auf der Wiese vor mir, als aber der Wald mit seinen hohen rauschenden Bäumen erschien, schlug sie beschämt die Augen [91] nieder, und wendete den Spiegel von mir hinweg. – Wie kann ich, rief ich aus, deine Liebe jemals belohnen? – Bleibe mir treu, sagte sie. Ich wollte die heiligsten Eide schwören. Eide kann man brechen wie Worte, sagte sie, schwöre mir nichts. Sie wurde bald meine Gattin, und in kurzer Zeit vernahm ich, daß ich mich Vater glauben durfte. Ich bat nun meine Gattin oft dringend, mich in ihre Geheimnisse einzuweihen, sie versagte mir meine Bitte. Ich weiß es, sprach sie, daß du für mich verlohren bist, wenn du diese Begierde nicht bekämpfst, es ist mein Schicksal, ich kann aber die Ursache davon nicht enthüllen. Die wiederhohlte Verweigerung meiner Bitte machte mich endlich unmuthig, ich war nicht mehr so zärtlich gegen sie; sie bemerkte es, und ertrug es mit stillen Thränen. Ich ließ sie jetzt oft allein. Einst als ich in den Garten trat, um von ihr Abschied zu nehmen, fand ich sie weinend. Ich fragte nach der Ursache, und sie sagte: ein feindliches Geschick beherrscht uns heut, verlaß mich nicht an diesem Tage, ich könnte dich vielleicht [92] sonst niemals wiedersehen. Quäle dich nicht, sagte ich, mit ängstlichen Ahndungen, oder wenn deine Kunst dich etwas fürchten läßt. so theile sie mir mit. Sie schwieg und sah auf den Boden, eine große Thräne fiel aus ihren Augen auf die Erde nieder. Schmerz, sagte sie, gebiert endlich die Liebe; wenn aus dieser Thräne des bittersten Schmerzens nach langer Zeit die Blume der Liebe hervorblüht, die keusch und rein ihre Stralen sendet, dann vielleicht kannst du wieder glücklich werden. Aber viele Jahre werden vergehn, ehe die Erde aus meinem herben Schmerz die holde Blume hervorbringt. Die Erde, sagte sie nach einer Weile, hat den Saamen aufgenommen, den ich ihr vertraute. In der Hütte, die ich verließ, keimt jetzt auch ein zartes Leben, ein Mädchen wird darin gebohren werden, ein Wunder der Schönheit und Tugend; der Knabe, welchen ich unter meinem Herzen trage, wird einst mit ihr glücklich seyn, wenn du sein Glück nicht zerstörst. Sie wendete sich hierauf von mir, ich wußte nicht, ob ich bleiben oder gehn sollte; und als ich es noch überlegte, hatte ich schon den Weg zum Walde angetreten. Ich [93] ging hinein, immer noch in Gedanken verlohren erreichte ich den Bach, in welchen du dich als Knabe stürztest; er floß damals sanft, und bewegte sich nur in leisen Wellen. Ich erstaunte, als ich die Augen aufhob; auf seinem blumigen Ufer saß eine schöne Frau, ihr dunkles Kleid war bis zum Knie aufgeschürzt, und zeigte die schönsten nackten Füße, die sie in dem Fluß badete; ihre schwarzen Haare hingen über das Gesicht, und bedeckten es wie ein Schleier. Sie hatte eine Rose in der Hand, aus der sie einzelne Blätter zupfte, und sie in den Fluß warf. Zu mir her! sagte sie dabei halb laut, du Blume der Liebe! führe ihn zu mir her. Eine heftige Sehnsucht ergriff meine Brust, ich konnte mich kaum halten, daß ich nicht hineilte, die unbekannte Gestalt an meine Brust zu drücken. Als das letzte Blatt der Rose in den Strom fiel, war ich mir meiner nicht mehr bewußt, ich fühlte ein seltsam Weh in meinem Busen, weinend stürzte ich zu den Füßen der Schönen nieder. Hier bin ich! rief ich aus; o nimm mich gütig auf! Sie hob den Kopf [94] empor, schüttelte die schwarzen Locken zurück; halb wild und halb freundlich sahe mich meine ehemalige Geliebte an. Erschrocken sprang ich auf. Fliehe nicht! rief sie, auch ich kann dich wie deine Gattin unterrichten. Sie hat dich betrogen, in wenigen Stunden wirst du es wissen. Ihre Stimme war widerlich, als sie diese Worte sprach, und doch fühlte ich mich durch sie gefesselt. Ich setzte mich, ein gelehriger Schüler, zu ihren Füßen nieder. Viele Geheimnisse theilte sie mir in wenigen Augenblicken mit. Als sie geendigt, sagte sie: Um diesen Preis habe ich dich erkauft; deine Gattin wollte dich zu ihrem Knecht behalten, darum schlossen sich ihre Lippen, so oft du um Belehrung batest. Sie ist dir in einsame Thäler gefolgt, um deine Liebe zu gewinnen; siehe, in dieser Höhle habe ich gewohnt, blos um deinen Anblick zu genießen, wenn du den Wald durchirrtest. – Ich wollte dankbar zu ihren Füßen sinken, sie zog mich in die Höhle, ein Lager von Moos empfing uns, und ich genoß jetzt ein Glück, wonach ich ehemals mit so heißer Sehnsucht glühte. [95] Als ich mich aus dem Taumel erhohlte, hörte ich ein gewaltiges Brausen. Ich verließ an der Hand der Zauberin die Höhle, und zu meinem Erstaunen sahe ich, daß der Bach sich ausgedehnt hatte, und seine schwarzen Wellen brausten furchtbar. Siehe doch! sagte meine Begleiterin, wie der kleine Bach angeschwollen ist. Es sind, setzte sie lächelnd hinzu, die Thränen deiner geliebten Gattin, die in ihrem Spiegel unsre Umarmung sahe, sie schwellen diesen Bach, und wie seine Wellen niemals ruhig fließen werden, so werden ewige Schmerzen in ihrem Busen wohnen. Meine Kunst habe ich dir verliehen, jetzt erwäge, wer dich betrog. Der Sohn, welchen mir diese Stunde gab, wird dich nie erfreuen. – Sie verließ mich, und nun erwachte ich aus meinem Taumel; es bedurfte nicht der magischen Kunst, um zu erfahren, daß sie mich grausam verrathen hatte. Ich beschloß, da ich mich meiner Gattin nicht wieder nähern durfte, mich in die Höhle zu verschließen; ein strenges Schicksal verbot mir auch dich zu sehen, bis die Zeit gekommen seyn würde, in [96] welcher die Blume blühte. Dein Mutter starb, mein Herz trauerte um sie; die junge Rosalia war in der Hütte gebohren, und ich hoffte viel für dich; aber meine Feindin hatte durch ihre Zauberei meine Wünsche erspäht, sie raubte die kleine Rosalie aus der Hütte, und ließ sie in der Ferne erziehen. Du nahtest dich dem Waldstrom, du stürztest dich hinein, ich vergaß es, daß ich dir nicht nahen sollte, und entriß dich der Gefahr. Der Frevel gegen das Schicksal machte, daß meine noch starken Glieder plötzlich welkten, ich wurde in wenigen Stunden zum Greise. Ich wollte der Gefahr entgehen, mir noch härtere Strafen zuzuziehen, und verließ den Wald, der dir so nahe war, und wählte diese Insel zu meinem Aufenthalt, und hier hat das Schicksal dich, meinen Sohn, mir wiedergegeben. Er umarmte Fernando aufs neue und küßte ihn heftig.

Und was ist aus Rosalien geworden? fragte Fernando.

Meine Feindin, fuhr der Alte fort, hatte einen Sohn gebohren, der dein Bruder ist, [97] für ihn hatte sie Rosalien bestimmt, doch hatte sie keine Macht über diese junge Schöne, wenn sie sich nicht freiwillig in ihren Schutz begab. Rosalia wurde von Landleuten erzogen, die sie für ihre Eltern hielt; sie war zufrieden in dem engen Kreise, der sie umgab, und wünschte nichts weiter. Nicht weit von dem Hause, welches sie bewohnte, floß ein Bach, an dessen Ufer schattige Bäume standen. Rosalia besuchte ihn oft, und setzte sich an seinem blumigen Ufer nieder.

Als sie einst in tiefen Betrchtungen verlohren war, bewegten die kleinen Wellen sich stärker, und berührten das Ufer. Rosalia sahe dem Spiele zu, und freute sich, als eine Welle etwas Glänzendes zu ihren Füßen niederwarf, sie bückte sich darnach und hob den Ring auf, den du verlohren hattest. Sie steckte ihn an ihren Finger, und eine nie gekannte Sehnsucht umfing ihren Busen.

So liebt sie mich? rief Fernando.

Ja, sie liebt dich, sagte der Greis, und diese Liebe, die sie selbst nicht kannte, machte es, daß sie den Liebkosungen deines Bruders [98] widerstand, der jetzt die Reichthümer seiner Mutter besaß, die von einem gleichen Schicksal getroffen, wie ich, plötzlich veraltet war, und sich nun in demselben Dorfe, wo Rosalia wohnte, vor den Augen ihrer Anbeter verbarg. Die unschuldige Rosalie klagte ihren vermeinten Eltern die Zudringlichkeit des jungen Ritters, und hoffte bei ihnen Schutz zu finden. Hier hörte sie aber zu ihrem Entsetzen, daß sie nicht deren Tochter sey. Sie schalten sie eine Thörin, die ihrem Glück entrinnen wolle, und sagten, daß sie sie dem jungen Ritter überlassen hätten, der sie diesen Abend in Empfang nehmen sollte.

Bestürzt floh Rosalie aus dem Hause, das sie so lange bewohnt hatte, und eilte dem Walde zu. Da begegnete ihr meine Feindin, und redete sie mit lieblichen Worten an, und fragte nach der Ursach ihres Kummers. Rosalie vertraute sich ihr, und rief: Ich gebe mich in deine Hände, nur rette mich vor meinen Eltern! Das will ich, sagte die Boshafte, folge mir in meine Hütte. Die Arme folgte und sank auf den Boden nieder, da sie eintrat [99] und den Ritter erblickte. Nimm sie, mein Sohn! sagte die Alte: sie hat sich mir gegeben, ich gebe sie dir. Der Sohn nahm die Unglückliche, die sich nicht zu regen vermochte, und trug sie zu seinem Schlosse. Er verbarg sie in seiner Burg, und sie athmete die Luft des Himmels nur in seiner Gegenwart. Sie widerstand seinen Bitten und Drohungen eben so standhaft, als er unermüdet war, auf neue Vergnügen für sie zu sinnen. Ein glückliches Geschick führte euch an einander vorüber, als eben die Kraft der Liebe die harte Erde überwunden hatte, und ihre Blume in der schönsten Pracht emporwuchs. Eine neue Sehnsucht wehte Rosalien an, als sie sich in deiner Nähe fühlte, und sie fand noch in derselben Nacht Gelegenheit ihren Hütern zu entfliehen. Damals schienen euch günstige Sterne, auch dich zog die Sehnsucht fort, ihr fandet euch auf Einem Schiffe, und ein günstiger Sturm führte euch meiner Wohnung zu.

Und wo soll ich die Unglückliche nun finden, wie sie wieder gewinnen?

[100] Ich weiß nicht wo sie ist, sagte der Alte, ich kann so deutlich nicht die Zukunft lesen, doch ich weiß, daß du noch Hoffnung hast, sie zu gewinnen. Mutter und Sohn können die Arme nicht immer bewachen, sie müssen jeden Monat eine Stunde den verborgnen Künsten weihen, damit die Mächte, die sie jetzt beherrschen, sich nicht von ihnen wenden. Findet Rosalia diese Stunde, so kann sie entfliehen, und vertraut sie sich dir, so ist sie dein,

Muß ich gleich, sagte Fernando, mein Glück auf ungewisse Hoffnung gründen, so will ich sie doch suchen, die mir einzig theuer ist. Aber ich Elender! wie soll ich diese meerumgebne Insel verlassen? – Soll ich mich in die Fluthen stürzen, und so den Tod finden? und meine Geliebte in den Armen eines andern wissen?

Gieb dich zufrieden, sagte der Greis, siehe schon dämmert der Morgen herauf, laß uns an des Meeres Ufer gehen, ein Schiff liegt bereit uns aufzunehmen. Sie gingen dem Ufer zu, und Fernando sahe ein Schiff, das in dem Sturm gelitten zu haben schien,[101] denn alles Schiffsvolk war beschäftigt, den Schaden, welchen es genommen hatte, wieder auszubessern. Fernando verlangte den Hauptmann zu sprechen, und erstaunte als er sahe, daß es derselbe war, welcher dem Schiffe befahl, auf dem er sich vorher befand. Wie seyd ihr dem Tode entronnen? rief er ihm entgegen.

Mit Mühe und Noth, erwiederte der Schiffer, viele von uns sind umgekommen, und unser Schiff hat viel gelitten; dennoch müssen wir fort, und es wieder auf dem unsichern Meere versuchen. Wenn ihr es noch einmal mit uns wagen wollt, so folgt uns schnell!

Fernando und sein Vater bestiegen das Schiff, und fuhren mit heiterem Himmel und günstigen Winden einige Tage. Eine Windstille trat ein, und sie konnten sich nur langsam dem Lande nähern, das sie bemerkten.

Ich klage über diese langweilige Reise, sagte Fernando, und weiß doch nicht, wenn ich sie schneller vollendete, ob es mich nicht von meinem Ziele nur weiter abführte.

[102] Fasse Muth, mein Sohn, sagte der Vater, oft erscheint dem Menschen eine gute Stunde, die er durch seinen Kleinmuth verliert. – Der Hauptmann fragte Fernando und den Alten, ob sie nicht Lust hätten, mit ihm das Boot zu besteigen und das Land zu besuchen, wovon sie nicht mehr weit entfernt wären. Wir können uns dort ein wenig erhohlen, sagte er, wenn man lange auf dem Wasser schwimmt, so lockt das grüne Ufer fast unwiderstehlich. Sie folgten ihm gern, das leichte Boot brachte sie bald dem Ufer nahe, und sie bemerkten, daß in einer geringen Entfernung ein prächtiges Lustschloß erbaut war.

Hier ist eine bequeme Gelegenheit zum Landen, sagte der Schiffshauptmann; wir können zugleich den Besitzer des Schlosses besuchen, wenn ihr Lust dazu habt.

Fernando war zuerst ausgestiegen und sahe, daß eine weiße Gestalt den Berg herunter eilte, und auf sie zukam. Er ermahnte seine Freunde, in dem Boote zu bleiben, und ging dem weißgekleideten Mädchen entgegen. [103] Rette mich! rief sie ihm in einiger Entfernung zu, o nimm mich auf in deinen Schutz! Sie sank ermattet in seine Arme, und er trug sie an das Ufer.

Laßt uns nach dem Schiffe zurückkehren, rief er seinen Freunden, und stillschweigend wurde sein Befehl vollzogen. Als sie das Schiff bestiegen hatten, legte Fernando das Mädchen, die er noch immer ohnmächtig in seinen Armen trug, nieder; er hob ihren Schleier auf. – Rosalia! rief er aus, und stürzte zu ihren Füßen nieder. Rosalia schlug die schönen Augen auf. So bin ich dir, mein theurer Freund, wieder gegeben? sagte sie mit matter Stimme.

Jetzt, meine Kinder, rief der Greis aus, bin ich glücklich! keine Macht, mein Sohn, kann dir nun deine Geliebte entreißen! Ihr werdet fröhlich eure Heimath erreichen, und ich werde still nach meiner Wohnung ziehen.

So willst du, mein Vater, nicht bey uns wohnen? fragte Fernando.

Willst du unser Glück nicht vollenden? sagte Rosalia.

[104] Ich will in meiner einsamen Hütte dem Andenken deiner Mutter leben, erwiederte er, und euch zuweilen besuchen, mich fesselt kein Meer, ich bedarf keines Schiffes, in der kommenden Nacht werde ich von euch scheiden. – Die Glücklichen erfüllte er durch diese Worte mit Trauer.

Als des Mondes Scheibe auf dem Wasser glänzte, ging Fernando mit Rosalien hinaus; da sahen sie, daß zwei glänzende Strahlen ihre Brust berührten, und sie wußten, daß ihr Vater fern war, und nur noch seine Liebe sie umgab.

Günstige Winde führten sie schnell ihrer Heimath zu, so sehr der Schiffshauptmann auch dagegen arbeitete, der nun nach großer Beschwerde wieder dort hinkam, von wo er mit so vieler Hoffnung vor langer Zeit ausgesegelt war.

[105][107]

Der Einsiedler und die Nonne

[107] [109]In einer mondhellen Nacht stand Rinaldo unter dem Fenster seiner geliebten Lucinde; er hatte ein zärtliches Lied geendigt, und blickte schweigend auf zu den verschlossenen Gittern. Willst du, Grausame, sagte er endlich, denn nimmer meine Seufzer erhören? wird sich niemals dies Gitter öffnen, und du wie eine glänzende Sonne hervortreten? O richte deine Augen nach mir hin, laß mich in ihren Sternen Hoffnung lesen!

Rinaldo! rief eine ernste Stimme, und der Jüngling erschrack, er fürchtete das Geheimniß seiner Liebe verrathen.

Ein alter Mann näherte sich ihm und sagte: Dir leuchtet kein günstiger Stern der [109] Liebe, laß ab, einem Glücke nachzujagen, welches du niemals erreichen wirst.

So wird sie mich ewig verschmähen? rief Rinaldo aus.

O Thor! sagte der Alte, bedarf es nur ihrer Liebe, um dich zu beglücken?

Ach nur ihrer! seufzte der Jüngling. Laß nur sie auf mich hernieder lächeln, so will ich dreist mit des Schicksals Stürmen kämpfen.

Folge mir in meine Wohnung, sagte der Alte, und faßte Rinaldo's Hand, dort soll sich dein Schicksal deinen Augen enthüllen! Der Jüngling stand noch zweifelnd, als eine süße Stimme: Rinaldo! rief. Schnell wendete er sich um, es war Lucinde, die das Gitter ihres Fensters geöffnet hatte, und in aller Pracht der Schönheit stand, und auf den entzückten Jüngling herunter blickte.

Folge mir in meine stille Wohnung, sagte der Alte. Rinaldo ließ seine Hand fahren: O niemals rief er aus, werde ich deine arme Wohnung suchen, siehe dort öffnet sich mir der Himmel, und ich sollte mich ungläubig von ihm wenden?

[110] Du wirst einst meine Wohnung finden, sagte der Alte, und dann nicht glücklich seyn. Er verließ den Jüngling, der sein Weggehn nicht bemerkte, seine Augen waren nur nach Lucinden gerichtet. So ist denn endlich, redete Rinaldo die Schöne an, die seeligste Stunde meines Lebens erschienen; du gewährst, was ich nur in den kühnsten Augenblicken zu hoffen wagte. Ich darf dein holdes Angesicht betrachten, und dir sagen, wie unaussprechlich ich dich liebe.

Ja du Geliebter, antwortete Lucinde, meine Sehnsucht hat endlich die Furcht besiegt. Ich öffne dir mein Herz, und sage dir, wie ich im Stillen deine Liebe belohnte. Ich hörte alle deine Lieder mit süßen Thränen an, wenn du dich von meiner Wohnung entferntest, öffnete ich das Fenster, und rief sehnsüchtig deinen Namen in die Luft, dann machte ich mir selber Vorwürfe, daß ich dich ohne Trost von hinnen gehen ließ, und beschloß am folgenden Abend deine Treue zu belohnen. Wenn der Abend dämmerte, quälte ich mein Herz mit der Angst, daß du nun wohl des [111] Verschmähens müde deine Schritte nicht zu mir lenken würdest, und frohes Erstaunen durchbebte meine Brust, wenn ich die ersten Klänge deiner Laute vernahm.

Deine Stimme tönt mir, sagte Rinaldo, wie ein Zaubergesang, der mich alles, was ich litt, vergessen lehrt. O fahre fort! wie goldne Funken fallen deine Worte zu mir nieder, und entzünden mein Herz mit der seeligsten Freude.

Wie so anders, sagte Lucinde, ist alles um mich her geworden. Es lacht die Welt in neuem Glanze, und die unbekannten Strahlen treffen und blenden mein Auge. Wenn ich zurück an meine Kindheit denke, so ist mir, als wenn ich die Welt durch einen Schleier betrachtet hätte, so trübe und gedämpft sah ich alle Gestalten sich darin bewegen; kein Leben reizte mich, denn ich hatte es nicht in seiner Freudigkeit gesehen. Die frohe Musik schallte mir wie freche Klänge, die es wagten, das stille Gebet der Natur zu unterbrechen. Nur meines Vaters Befehl vermochte mich in wilden Kreisen zu drehen und den Boden [112] zu stampfen. Ich sehnte mich nach der Ruhe des Klosters, wo mein stiller Gang mich nur zur Kirche leitete, und meine Stimme sich nur in langsam feierlichen Tönen zum Gebet erhob. Mit solchen Sinnen stand ich eines Morgens am Fenster, und schaute in Betrachtungen verlohren über die Felder hinweg nach dem fernen Walde, und sprach zu meiner Amme, wie ich es meinem Vater dankte, daß er mir erlaube, einige Monden vom Geräusch der Stadt entfernt zu leben; da sprengte ein Ritter daher, kühn regierte er sein Roß, und war den Dienern weit voraus, die ihn zu ereilen strebten. Seine grüne Kleidung war reicht mit Gold geschmückt, worin die Sonne sich spiegelte, der Wind tändelte mit den Federn seines Hutes. – Wer mag der schöne Jüngling seyn? fragte ich meine Amme.

Es ist Rinaldo, antwortete sie, den euer Vater zu dem Feste, welches er giebt, geladen hat.

Jetzt hattest du unsre Wohnung erreicht, und hobst deine hellen Augen zu meinem Fenster auf. Ein glühend Roth flog in meine [113] Wangen, als du dich vor mir freundlich beugtest, und plötzlich regte sich das lange schlummernde Gefühl des Lebens in meinem Busen. Wie lieb, wie hold erschienen mir an diesem Tage die Menschen, und ach, wie vergaß ich alle, als ich dich im Saale erblickte! Wie anders war mir an diesem Tage der Tanz, als ich an deiner Hand durch die Reihen schwebte; die Töne hoben mich, die Freude regte sich in allen meinen Adern.

Und ich, sagte Rinaldo, wurde von deiner Schönheit bezaubert. Als deine zarte Hand die meinige berührte, fesseltest du mich auf ewig.

Noch tausend freundliche Worte wechselten die beiden Liebenden; der Mond ging unter, sie hatten es nicht bemerkt; endlich mußte Lucinde den Ermahnungen ihrer Amme gehorchen, sie mußte sich von Rinaldo trennen. Unter tausend Schwüren der Liebe entfernte sich der Jüngling, und kehrte von süßen Hoffnungen berauscht nach seiner Wohnung zurück; denn er hatte das Versprechen der schönen Lucinde, er durfte sie in jeder Nacht am Fenster sehen.

[114] Verschiedne Nächte waren den Beglückten so vorüber gegangen; ihre Liebe war jedermann ein Geheimniß, nur die alte Amme wußte darum; sie war bei jedem Gespräch zugegen.

Rinaldo bat jeden Abend: erlaube nur einmal, schönste Lucinde, daß ich meine Lippen auf die deinigen drücken darf; aber die Amme war zu furchtsam. Wenn euer Vater, sagte sie Lucinden, es entdecken sollte, daß ich einem jungen Manne erlaubt hätte, euer Gemach zu betreten, so würde ich seinen Zorn zu ertragen haben, ja er würde alle meine treuen Dienste vergessen, und mich hinaus aus dem Hause stoßen. Nein, hier am Fenster mögt ihr unter meiner Obhut den jungen Ritter, eurer Ehre unbeschadet, sprechen. – Endlich hatte Rinaldo's heißes Flehen gesiegt, sie versprach ihm am folgenden Abend die Pforte des Gartens zu öffnen, und er sollte dann Lucinden in den dunkeln Gängen treffen. Wie lang erschien dem Jünglinge dieser Tag. Sehnsüchtig blickte er oft nach dem Himmel, ob die Sonne noch nicht bald untersinken[115] würde. Endlich war es Abend geworden, und der Mond sendete seine Strahlen in Rinaldo's Gemach. Fröhlich eilte er dem Garten zu; er stand bald an der Pforte, und hoffte in jedem Augenblicke, sie würde sich öffnen, und ihn einlassen. Aengstlich horchte er auf jedes leise Geräusch, immer glaubte er den Schritt der Amme zu vernehmen, und wenn er meinte, daß sich die Thür öffnen würde, so entdeckte er, daß es Wind sey, welcher das dürre Laub kräuselte. So hatte er eine lange Herbstnacht durchwacht; der Morgen röthete den Himmel, und immer konnte er nicht glauben, daß er ohne Lucinden gesehen zu haben, nach seiner Wohnung zurückkehren sollte. Endlich mußte er zurückkehren. Er ging dem Pallast vorüber, und wie erstaunte er, als er alle Gemächer hell erleuchtet fand, und ein fröhliches Jauchzen auf ihn herunter schallte. Wie! rief er aus, einsam stand ich die ganze Nacht hindurch, ich blickte so oft mit Sehnsucht nach dem Hause hin, der Mond glänzte auf alle Fenster, die nach dem Garten sehen, aber still und todt war alles, mir blinkte [116] kein freundliches Licht entgegen. Ach Lucinde! hast du mich so vergessen in dem Geräusch der Freude? Er mußte sich entfernen, damit er nicht von dem fröhlichen Haufen, der jetzt aus dem Hause strömte, erkannt würde.

Lucinde begab sich in ihr Gemach; weinend sank sie auf ihr Lager nieder. Ach Rinaldo! rief sie aus: du Armer hast wohl in der kalten Nacht einsam gestanden, und gehofft, daß sich dir die Thür öffnen, und ich in deine Arme eilen sollte. Ach! ein hartes Geschick will mich auf immer deinen Armen entreißen.

Lucindens Vater war ein reicher Graf, die Tochter sein einziges Kind. Er hoffte sie einem vornehmen Manne zu vermählen, und so den Glanz seines Hauses zu vermehren. Daher betrübte es ihn oft, daß Lucinde bei aller ihrer Schönheit sich von den jugendlichen Freuden abwendete; kaum bemerkte irgend einer von den vielen Männern die reizende Gestalt, so wurde sie allen andern Mädchen vorgezogen. An dem Tage, an welchem die Liebe zu Rinaldo in Lucindens Busen erwachte, [117] erschien sie, mit glänzendern Augen, lebhafter war ihr Gang, das Lächeln der Freude spielte um ihren zarten Mund, ihr Tanz war ein leichtes Dahinschweben über den Boden, sie wendete sich nicht wie sonst ernsthaft von der scherzenden Gesellschaft hinweg; auch sie erhob ihre Silberstimme, um mit den heitern Mädchen Lieder der Liebe zu singen.

Nun bemerkten alle Männer diese liebliche Blume. Ludovico, ein junger Graf, fühlte sich von einer heftigen Leidenschaft ergriffen. Er hatte sich Lucindens Vater entdeckt, und der alte Graf, froh, einen so reichen und schönen Mann um sein Kind werben zu sehen, hatte sie ihm versprochen.

Ohne Lucinden davon zu unterrichten, hatte der Vater viele Gäste geladen, er befahl endlich seiner Tochter, sich prächtig zu kleiden, weil er ein Fest angestellt habe, und Lucinde freute sich, weil sie hoffte, daß die allgemeine Freude es ihr leicht machen würde, sich zu entfernen, und in die Arme des Geliebten zu eilen. Schön wie eine junge Rose trat sie [118] in den Saal; der Vater ging freundlich auf sie zu, nahm ihre Hand, und führte sie Ludovico entgegen. Hier, sagte er, sage ich dir meine Tochter noch einmal öffentlich zu, und diese ganze Versammlung bezeuge es, daß ich dich für meinen Eidam erkenne. Lucindens Wangen erblichen, als sie vernahm, daß ihr Vater mit diesem Feste ihre Verlobung feiern wollte. Glückwünsche bestürmten sie, man scherzte über die Verlegenheit, über das Erblassen der Braut. Lucinden erschien alles wie ein Traum, sie hoffte, sie würde erwachen, und darum ließ sie es geschehen, daß der entzückte Bräutigam seine Lippen auf die ihrigen drückte. Er wich den ganzen Abend nicht von ihrer Seite, er verzieh es der Ueberraschung der Braut, daß sie auf alle seine Reden nicht antwortete. Lucinde blickte kalt nach den Sternen, es war ihr, als müßten alle diese Gestalten verschwinden, wenn die Sonne mit ihren Strahlen den Himmel färbte. Endlich erblaßten die Sterne, und die ersten rothen Streifen des Tages wurden sichtbar, da brach die Gesellschaft auf, und [119] Ludovico nahm mit einem Kusse von ihr Abschied.

Sie war nun allein, die dumpfe Betäubung verließ sie, und sie brach in laute Klagen aus; ihre Amme suchte sie zu trösten, aber alle ihre Worte, ihre Schmeicheleien waren vergeblich.

So gebt euch doch zufrieden, mein theures Fräulein, rief sie endlich aus, ich will hin zu Rinaldo, vielleicht daß er euch Hülfe weiß.

Lucinde sprang auf, und fiel der Alten um den Hals, dann deutete sie stumm nach der Thür, und verbarg ihr thränendes Gesicht.

Es war noch früh am Tage, als die Amme durch die einsamen Straßen ging, sie wollte Rinaldo's Wohnung suchen, und fürchtete doch seinen Namen zu nennen, denn immer glaubte sie, man würde ihren Auftrag errathen. Endlich kam sie einer Kirche vorüber; ein alter Mann trat heraus, diesem näherte sie sich und fragte scheu nach Rinaldo's Wohnung.

[120] Ich weiß deinen Auftrag an ihn, sagte der Alte, ich kenne den Kummer der schönen Lucinde, aber gehe nicht hin, um Rinaldo zu suchen, denn diese beiden werden niemals glücklich seyn. Als er diese Worte gesagt hatte, wendete er sich ab, und verließ die Amme, die ihm von Erstaunen gefesselt nachblickte. Sie wußte nicht, was sie thun sollte, ob sie Rinaldo aufsuchen, oder zu dem Fräulein zurückkehren sollte. In diesen Zweifeln stand sie noch, als Rinaldo sich ihr näherte. Die Unruhe über Lucindens Betragen jagte ihn aus seiner Wohnung, und trieb ihn in den einsamen Straßen umher.

Als ihn die Amme erblickte, konnte sie ihre Thränen nicht zurückhalten.

O hätte, so redete sie ihn an, die unglückliche Lucinde euch niemals gesehen, so würde jetzt nicht ein zwiefaches Wehe ihr Herz zerreißen!

Sage mir, rief Rinaldo, womit habe ich es verschuldet, daß mich Lucinde verschmäht? Die ganze Nacht habe ich geharrt, und sie hat meiner in der fröhlichen Gesellschaft vergessen.

[121] Sprecht solche Worte nicht, sagte die Amme; und nun erzählte sie ihm das Unglück, Lucindens Verlobung, ihre Verzweiflung, und verschwieg ihm auch die Worte des Alten nicht, die ihr wie eine Weissagung klangen. Betäubt stand Rinaldo, die Augen auf den Boden geheftet, große Thränen flossen über seine Wangen.

Seyd nur diesen Abend vor unserm Hause, sagte endlich die Amme, damit ihr dem Fräulein einige tröstende Worte sagen könnt, denn sie will verzweifeln, und gar nicht auf meine Rede achten. Rinaldo versprach es durch stumme Zeichen, dann entfernte er sich in tiefen Gedanken, und verschloß sich den ganzen Tag in seinem Gemach. Als es Abend geworden war, schwang er sich auf sein Roß, und befahl seinem Diener ihm zu folgen. Als er Lucindens Wohnung erreicht hatte, gab er dem Diener sein Pferd, und hieß ihn sich entfernen, damit er von Niemand bemerkt würde.

Er stand die Augen auf Lucindens Fenster gerichtet, endlich öffnete sich das Gitter. [122] Rinaldo! rief sie, und er näherte sich; er wollte sie anreden, sie kam ihm aber zuvor. Rinaldo, sagte sie, ich weiß kein anderes Mittel, als mit dir zu entfliehen. Eile der Pforte des Gartens zu, in wenigen Augenblicken werde ich bei dir seyn. Als sie diese Worte gesprochen hatte, flog das Gitter zu, und Rinaldo eilte, ihren Befehl zu erfüllen. Wenige Augenblicke hatte er gewartet, es öffnete sich die Pforte, und Lucinde trat ihm im weißen Kleide entgegen, schnell zog er sie in seine Arme, und seine Küsse brannten auf ihren Lippen. Nein, rief er aus, es ist nicht möglich, daß ich dich verlieren kann. Laß uns schnell seyn, sagte Lucinde, ehe die Amme meine Abwesenheit merkt. Sie eilten der Stelle zu, wo der Diener mit den Pferden harrte; Rinaldo hob die schöne Lucinde auf sein Roß, und sprengte mit ihr davon; die Sonne stand glänzend am Himmel, als sie durch einen dichten Wald ritten; Lucinde hob die Augen auf, und ihre Blicke irrten in den Zweigen und Blättern umher, munter sprangen die kleinen Vögel auf den Aesten, und [123] jauchzten mit langen wirbelnden Tönen der Sonne zu.

Ach wie glücklich, sagte Lucinde, seyd ihr kleinen Vögel, dichtes grünes Laub verbirgt euch vor den Augen der Menschen, und ihr bedürft keines andern Schutzes. Ach, nähme uns doch der dunkele Schatten des Waldes auf, schlügen die uralten Bäume freundlich ihre Arme um unsere kleine Hütte, und versteckten uns so vor den Augen der Welt! Fürchte nichts, sagte Rinaldo, wenn ich dich Geliebte in meinen Armen halte, soll uns nichts trennen, als der Tod.

Als sie noch so redeten, hörten sie den Hufschlag eines Pferdes. Scheu blickte Lucinde um sich, Rinaldo wurde aufmerksam. Als sie einen kleinen Platz im Walde erreicht hatten, wo sich der Weg in verschiedne Strassen theilte, sahen sie einen Reuter auf sich zu sprengen. Sein grüner Mantel flatterte weit in die Luft, ein breites goldnes Wehrgehenke hing um seine Schultern. Schon in der Ferne zog er sein Schwerdt und stürzte auf die Fliehenden zu.

[124] Als Rinaldo sahe, daß er dem Grafen Ludovico nicht ausweichen konnte, stieg er von seinem Pferde ab, zog sein Schwerdt und erwartete seinen Gegner. Lucinde hob flehend ihre Hände zum Himmel empor; die beiden erzürnten Kämpfer trafen auf einander, auch Ludovico sprang vom Pferde, und ohne ein Wort zu sprechen, drangen sie auf einander ein. Rinaldo wurde verwundet, und Lucinde that einen lauten Schrei, als sie sein Blut fließen sahe. In demselben Augenblicke sahe sie einige Diener ihres Vaters, sie wandte Rinaldo's Roß auf eine andere Straße in den Wald hinein. Die Diener hatten ihr Fräulein erblickt, sie jagten ihr nach, den Kämpfenden vorüber. Wuth der Eifersucht und Liebe führte Ludovico's, verzweifelnde Angst Rinaldo's Schwerdt, denn er sahe Lucinden fliehen, von den Dienern verfolgt. Ihre Streiche fielen dicht auf einander, endlich traf Rinaldo Ludovico's Brust, und ein rother Strom von Blut floß über das grüne Gewand. Rinaldo sahe ihn sinken, und wollte nun Lucinden nacheilen. Bleib, rief der sterbende [125] Ludovico, meine Seele scheidet mit irdischen Wünschen, von meinem Körper muß sie sich trennen, von Lucinden kann sie es nimmer; immer noch werde ich sie liebend bewachen, und niemals sollst du ihre Blüthen brechen, und wenn deine Arme sie jemals umschlingen, so soll sie nie von deiner Liebe erwarmen. Als er diese Worte gesprochen hatte, starb er.

In stummer Verzweiflung stand Rinaldo eine Zeitlang, und betrachtete das Gesicht des Grafen. Ja, rief er endlich aus, du hast mir eine Weissagung gesprochen, niemals werde ich sie wieder sehen. Er sahe um sich, und es war ihm, als wenn alle Bäume ihn mit ihren Zweigen waldeinwärts winkten; er sahe den todten Ludovico an, und ihm schien es, als wenn die Augen drohend zu ihm sprächen.

Ich habe ihn, rief Rinaldo verzweifelnd aus, von seiner Seeligkeit hinweggerissen, darum wird er mich ewig verfolgen. Eine heftige Angst ergriff ihn, er eilte in den dichtesten Wald hinein, auf ungebahnten Wegen suchte er immer weiter vorwärts zu dringen.[126] Die Zweige der Bäume hatten ihm seinen Hut entrissen; seine Wunden bluteten und hatten ihn entkräftet, ohne Speise und Trank war er den Tag geblieben: jetzt sank die Sonne unter, Finsterniß umgab den Unglücklichen, ein Schleier von schwarzen Wolken bedeckte den Mond und die Sterne. Ermattet sank Rinaldo am Fuße einer alten Eiche nieder; hier, sagte er, will ich sterben, ein einziger Tag hat grausam meine Jugend zerstört, warum sollte ich mir wünschen, noch einen zu erleben? Ach Lucinde! seufzte er, und schwieg plötzlich, denn der Schall einer fernen Glocke traf sein Ohr. Er hörte eine Zeitlang diesen einförmigen Klängen zu, und eine wundersame Ruhe floß in seine Brust, er stand auf, und betrachtete die Bäume, sie schienen ihm plötzlich so bekannt. Was ist aus mir geworden? sagte er; kehre ich in eine alte vergeßne Heimath wieder? Die Wolken theilten sich, und der Mond leuchtete hernieder, Rinaldo sah vor sich einen Weg, er bemerkte, daß er sich auf demselben der Glocke näherte, und je näher ihm die Töne klangen, je mehr [127] drängten sich aus seinem Gedächtnisse die Bilder des heutigen Tages hinweg. Endlich stand er vor der Hütte eines Einsiedlers, der die Glocke zog. – Ja, sagte er, hier ist mein Ziel, in dieser Hütte, in diesem Walde will ich bleiben. Er wollte in die Hütte treten, der Einsiedler kam ihm entgegen. Dieser bot dem Jünglinge die Hand, und sagte mit ernster Stimme: Willkommen Rinaldo in meiner Wohnung! Rinaldo erbebte, er erkannte den Alten, der ihn einst von Lucinden hinwegführen wollte. Dein Schicksal ist an dir erfüllt, sagte der Einsiedler, tritt ein in meine ruhige Wohnung! Rinaldo folgte ihm, der Greis legte heilende Kräuter auf des Jünglings Wunden, gab ihm Speisen, und hieß ihn ruhen. Rinaldo legte sich auf das Lager nieder, er wollte noch an Lucinden denken, aber der Schlaf schloß ihm die müden Augen zu.

Als er am andern Morgen erwachte, betrachtete er die kleine Hütte; sie war ihm nicht fremd, ob er sie gleich vorher niemals gesehen hatte. Wunderbar kam es ihm vor, daß er sich in seinem ehemaligen Leben mit [128] Tanz und Ritterspielen abgemüht, und diese Thorheit Freude geheißen hatte. Mein Herz, sagte er zu dem Einsiedler, hat auf ewig von der Welt Abschied genommen, nur Lucindens Gestalt schwebt wie ein Engelsbild vor meiner Seele; ich werde sie mir niemals gewinnen, darum verstatte, daß ich bei dir in deiner stillen Klause bleibe.

Dein Schicksal war es, sagte der Alte, diese Hütte zu finden, sie ist der Aufenthalt unglücklicher Liebe, bis sie das Grab der Liebe wird. Ich bleibe hier nur noch wenige Tage, dann scheide ich auf immer von der Erde, und du wirst meine Hütte allein bewohnen. – Er zeigte hierauf dem Jünglinge den Platz, auf welchem er ihn begraben sollte, wenn er in wenigen Tagen sterben würde. Weißt du, sagte Rinaldo, so gewiß, daß du sterben wirst, so sage mir, ob noch eine Blume in meinem Leben blüht? Werde ich Lucinden jemals wieder sehen? Wenn du sie siehst, antwortete der Greis, dann wirst du nicht lange mehr leben. Wenn ich sie nur in [129] meine Arme schließe, rief Rinaldo, mag dann dieser Augenblick immerhin mein letzter seyn.

Lucinde war vor den Dienern ihres Vaters geflohen; sie wagte es nicht, sich umzusehn, sie hörte nur, wie sie ihr in der Ferne folgten. Sie wollte schnell um eine Wald-Ecke lenken, da kam ihr Vater, von zweien Dienern begleitet, ihr entgegen, Lucinde konnte nun nicht mehr entrinnen; der Vater befahl den Dienern, den Zügel ihres Pferdes zu nehmen. Stillschweigend ertrug Lucinde die Vorwürfe des ergrimmten Vaters, sie hatte nicht den Muth, die Augen aufzuschlagen. Jetzt dachte sie wieder an Rinaldo, sie sahe ihn bluten, und es wurde ihr gewiß, daß Ludovico ihn er schlagen habe. Es war ihr gleichgültig, sich in ihres Vaters Gewalt zu wissen, sie beschloß ihr Leben zu enden. Auf einmal hörte sie in der Ferne einen andächtigen Gesang, die Töne kamen näher, und es waren Nonnen, die, angeführt von der Aebtissin, nach einer Waldkapelle zogen, um dort in Andacht zu beten. Die Reiter hielten still, und ließen die frommen Jungfrauen vor [130] sich vorüberziehen. Die Aebtissin sah Lucinden an, welche sich ehrerbietig vor ihr neigte. Als der Zug vorüber war, wendete sich Lucinde zu ihrem Vater und sagte: Erlaubt mir, mein theurer Vater, daß ich in dem Kloster dieser Aebtissin für meine Sünde büße, schon früh hatte ich mein Herz dem Himmel geweiht; Rinaldo's Auge entzündete das Feuer der Liebe in meinem Busen, ihr verhießt mich einem andern Manne. Rinaldo ist erschlagen, ich kehre zum Himmel zurück.

Anfangs erstaunte der Graf, daß seine Tochter es wagte, ihn so kühn anzureden, als er sie aber ansahe, und die Zuversicht in ihrem Auge erblickte, womit sie dem seinigen begegnete, konnte er nicht länger zürnen. – Wohlan, meine Tochter, sagte er, ich will deinen Wunsch erfüllen, und deinen Fehl verzeihen.

Schon am folgenden Morgen wurde Lucinde dem Kloster übergeben, es war ihr als ob das verzehrende Feuer der Liebe in ihrem Herzen erloschen sey, sie betrauerte in Rinaldo den gestorbenen Freund. Ihre Prüfungszeit [131] ging vorüber, und die Aebtissin liebte sie mehr als andere Nonnen, ihrer Demuth und Frömmigkeit wegen. Endlich erschien der Tag, den Lucinde lange herbeigewünscht hatte, an welchem sie von allen Freuden der Welt Abschied nehmen sollte. Sie erschien zum letzten Male prächtig geschmückt vor den Augen der Menschen, die versammelt waren, die schöne Nonne einkleiden zu sehen, sie legte den Eid in die Hand des Bischofs ab, und als man nun die goldnen Locken von ihrem Haupte schnitt, sah sie einen Ritter in einem grünen Mantel sich aus der Kirche entfernen, und ihr war, als fiele ein Schleier von ihren Augen hinweg, die heiße Sehnsucht nach Rinaldo erwachte von neuem in ihrem Busen, sie glaubte plötzlich, daß er noch lebe, und daß sie ihm treulos entsagt habe. Sie wurde mit dem weißen Schleier bekleidet und in ihre stille Zelle geführt. Kaum war sie allein, so dachte sie nur auf Mittel, wie sie dem Kloster entfliehen, und ihren geliebten Rinaldo wieder finden wollte. Viele Monden hindurch waren alle ihre Bemühungen vergeblich, endlich [132] gelang es ihr eines Abends zu entweichen; sie erreichte den Wald, und von Gebüschen verdeckt, wartete sie bis der Mond ihr auf ihrem Pfade leuchten würde. Endlich zog er am Himmel herauf, und Lucinde setzte ihren Weg fort. Sie erbebte, als sie in einiger Entfernung einen Mann erblickte, der, ohne sich ihr zu nähern, ihren Schritten zu folgen schien. Lucinde erwählte einen andern Weg, und ihr Begleiter folgte ihr wieder nach. Lucinde betete zum Himmel: O gieb daß ich Rinaldo finde, und er mich befreie aus Angst und Noth! Jetzt hörte sie aus einer geringen Entfernung die Glocke eines Einsiedlers, sie leitete dahin ihren Gang, ihr Begleiter folgte ihr, sie hatte schnell die Hütte erreicht, die Glocke war verstummt, sie öffnete die Thür, da sahe sie, wie der Einsiedler auf seinen Knieen betete. Sie trat ein in die Hütte: Sey gegrüßet, frommer Vater, sprach sie, o nimm eine arme Verlaßne auf! – Der Einsiedler erhob sich von seinen Knieen, und betrachtete die Nonne mit Erstaunen. Lucinde! rief er endlich aus, und breitete ihr seine [133] Arme entgegen; sie sank ihm nun an die Brust, sie vermochte nicht seinen Namen zu nennen. Rinaldo! rief eine dumpfe Stimme, und der Einsiedler bebte, er blickte auf, Lucindens Begleiter stand in der offnen Thür, es war Ludovico's Gestalt. Der Morgen dämmerte roth an den fernen Bergen, die Gestalt zerfloß in Luft, Rinaldo blickte auf seine geliebte Lucinde nieder, sie bog ihr Haupt an seiner Brust, und war wie eine Blume verblüht; er legte sie sanft auf den Boden nieder, dann sank er neben dem Leichname hin. Sterbend hörte er die Töne von Waldhörnern, es war Lucindens Vater, der mit seinen Freunden in diesem Theile des Waldes jagte.

[134]

Alcandor und Angelica

[135] [137]Die liebliche Frische des Morgens wehte durch alle Bäume, die Blumen richteten sich aus dem Schlafe auf, und falteten ihre glänzenden Blätter sorgfältig auseinander. Angelica stand als Pilgerin gekleidet auf dem Gipfel eines Berges, sie schaute hernieder in das Thal, wo die bunten Blumen sich durch einander bewegten, und sich in kindischen Spielen zu vergnügen schienen, dann hob sie die Augen auf zu dem blauen, in Gold und Purpur prangenden Himmel: O segne meine Wallfahrt! rief sie aus; belohne die treueste Liebe, daß sie den Liebsten findet. Jetzt ging sie den Berg hinunter, und als sie das Thal erreicht hatte, nahte sich ihr ein Greis. Er richtete mit Mühe seine gebückte Gestalt [137] auf, und betrachtete die schöne Angelica, die über seinen Anblick verwundert da stand, und sich nicht zu bewegen getraute. Nachdem er sie genau betrachtet hatte, redete er sie mit sanfter Stimme an: Sage mir an, wohin du wandelst, Pilgerin! – Ach, seufzte Angelica, dein Anblick erweckt Ehrfurcht und Vertrauen in mir, und ich will dir meine Leiden erzählen. Die Liebe hat sich von mir abgewendet, Alcandor hat mich verlassen; seitdem ist mein junges Herz voll Trauer, und mein Auge voll Thränen. Ich gehe nun als Pilgerin nach allen Capellen und heiligen Orten, um entweder Ruhe, oder den verlohrnen Geliebten zu finden. Der Greis deutete mit der Hand nach einem Walde, der das Thal begränzte, und sagte:


In des Waldes Rauschen schwimmen
Süße wunderbare Stimmen,
Vöglein fliegen aus und ein:
Drinnen wird die Liebe seyn.

Als er diese Worte gesagt hatte, wendete er sich um, und verließ die schöne Angelica, die mit sehnsüchtigen Blicken den Wald betrachtete. [138] Neue Hoffnung wurde in ihrem Busen rege, sie verdoppelte ihre Schritte, und eilte den hohen, rauschenden Bäumen zu.

Ein junger Ritter sprengte den Hügel herunter, der Morgenwind spielte mit seinem reichen Mantel, düster blickte er in die freundliche Welt hinein. O gieb mir Ruhe, so rief er aus, du frisches blumenreiches Thal! Laß mich sie wieder finden, gütiger Himmel; oder quäle nicht mit ihrem Angedenken mein Herz, laß nicht die Blumen mich an meine holde Rose erinnern, laß nicht die Bäume ihren Namen rauschen! Ein altes Mütterchen trat dem Ritter entgegen, sie faßte den Zügel seines Pferdes und sagte: Willkommen junger Herr, Alcandor wohl mit Namen. Woher weißt du meinen Namen? fragte der Ritter. Ein Mägdlein nannt' euch mir, die weinend über diese Wiese zog, sagte die Alte. O sage, rief Alcandor aus, wo kann ich die Geliebte finden?

Die Alte antwortete:


Im Walde die Schäfchen auf der Weide gehn,
Schäferinnen dort in Lieb'sgedanken stehn,
[139]
Ein grüner Platz umschlossen dicht von Buchen:
Dort magst du deine Liebe suchen.

Als sie diese Worte gesagt hatte, ließ sie den Zügel seines Pferdes los, und der Ritter sprengte ohne zu antworten über die Wiese; er hatte bald den Wald erreicht, und verlohr sich in seinem Schatten.

Angelika wanderte durch den Wald, sie hoffte jeden Augenblick, Alcandor würde ihr begegnen, ihr Verlangen ihn zu sehen wurde immer heißer; sie dachte sich ihn so lebendig, den stolzen Wuchs, das dunkle befehlende Auge, die braunen Locken, die um seine Stirne wehten.

Sie glaubte, ihr inbrünstiges Verlangen müßte ihn herbeiziehen, aber unbefriedigt blieb ihre Sehnsucht. Der Tag begann sich zu neigen, die Schatten wurden dunkler, jetzt ergriff Angst und Furcht die Arme, allein im Walde, ohne Nahrung, ohne Schutz, ermüdet, und nirgends, so weit ihr Blick reichte, ein Obdach! Sie wünschte nur eine Höhle zu finden, in der sie sich die Nacht hindurch verbergen könnte.

[140] O Liebe! rief sie aus, willst du mich denn nimmer belohnen? Wie manche mühevolle Tage habe ich in deinem Dienst verlebt, wie manchen dornigen Pfad habe ich betreten! Wirst du mir denn nimmer den Kranz der Siegerin reichen?

Sie hatte jetzt einen offnen Platz im Walde erreicht, in der Mitte desselben stand ein Berg, auf dessen Gipfel sie einen Pallast erblickte der ringsum von weißen schimmerndern Säulen umgeben war. Sie nahte dem Eingange, und eine leise Musik kam ihr entgegen. Bebend näherte sie sich der Pforte, und pochte leise an das Thor. Eine Stimme von innen fragte: Wer kommt noch so spät zu diesem Hause? Eine arme Pilgerin, antwortete Angelica, die um ein Obdach bittet. Das Thor öffnete sich, und Angelica trat ein; mit einem heftigen Schlage fielen die Thüren wieder zu, und sie stand im Finstern allein. Kein Mensch kam, sie zu empfangen, sie wagte es endlich, leise zu rufen, und eine Musik in der Nähe antwortete mit freundlichen Tönen. Angelica ging dem Schalle [141] nach, sie fand eine Thür, die sie öffnete, und ihr Auge wurde von dem Glanze, der sie plötzlich umgab, geblendet. Flammen zuckten glänzend in allen Farben auf und nieder, es schienen die Töne zu seyn, die auf und nieder wogten. Sie faßte Muth, und ging durch diesen Saal voll Klang und Farben; die Töne begleiteten sie; sie öffnete die Thür zu einem andern Gemach, und trat hinein. Ein Ritter saß an einem Tische, und stützte sein Haupt in seiner Hand, sein reich gestickter Mantel hing nachläßig von den Schultern zurück. Angelica betrachtete ihn genau, sie kannte den Mantel, den Hut mit der Schleife von glänzenden Steinen. Alcandor! rief sie aus, finde ich dich endlich wieder! Niemals sollst du mich nun wieder verlassen. O wende dich um, du Geliebter, und erkenne mich, deine Angelica! Sie eilte mit offnen Armen auf den Ritter zu, der, als sie nahe bei ihm war, sich rasch umwendete, und sie in seine Arme schloß. Lächelnd rief er aus, indem er sie fest an sich drückte:


Du bist nun gefangen, und ewig mein,
Sollst Königin von diesem Schlosse seyn!

[142] Angelica sank ohnmächtig zu Boden, sie hatte den Ritter erkannt, es war der Greis, der ihr am Morgen auf der Wiese begegnet war.

Alcandor spornte sein Roß, er durchirrte den Wald, aber kein menschliches Geschöpf zeigte sich feinen Augen. Angelica! rief er aus, und ein vielfaches Echo rief ihm den Namen zurück. Endlich hatte er einen schmalen Pfad erwählt; er mußte sein Pferd führen, und sich mühsam durch das dichte Gesträuch winden. Die sinkende Sonne, die wie feuriges Gold hinter den Büschen brannte, schien ihm immer vorwärts zu winken. Jetzt bog er ein Gebüsch aus einander, und trat auf einen grünen Platz, den die Sonne noch ganz erleuchtete. Uralte hohe Buchen schlossen ihn ringsum ein, in der Mitte stand eine Linde, woran sich eine Schäferin lehnte, die den Rücken nach Alcandor wendete, in dem hohen grünen Grase lagen weiße Schäfchen, die den Ritter freundlich anblickten. Alcandor betrachtete die Schäferin, Freude und Liebe bewegten seine Brust, er erkannte sie an den [143] reichen blonden Locken, die von ihren Schultern herab und um ihren weißen Nacken wehten. Er näherte sich ihr, und schloß sie in seine Arme. O blicke du Geliebte, rief er aus, hold auf deinen Gefangenen! Die Schäferin wendete sich um, und sahe dem Ritter ins Gesicht, darauf sagte sie mit lauter Stimme:


Du bist gefangen, und ewig mein,
Und sollst nun Hüter der Schaafe seyn!

Alcandor ließ seine Arme sinken, und betrachtete die Gestalt, es war die Alte, die ihm am Berge begegnete. Er suchte die blonden Locken, aber einzelne graue Haare sahe er durch den groben Schleier. Er wollte sich entfernen, aber er glitt aus, und sank zu den Füßen der Alten nieder, die ihn lächelnd betrachtete, und sich dann zu ihm setzte, die Schaafe waren näher gekommen, und lagerten sich um Alcandor. Nachdem die Alte den Ritter lange betrachtet hatte, sing sie an zu sprechen:

Es war ein Schäfer, der war schön und artig, kleidete sich zierlich, und trug immer [144] bunte Bänder am Hute, und einen Strauß von frischen Blumen an seiner Brust. Das alles that er aus Liebe zu einer jungen Schäferin, der er zu gefallen wünschte, und konnte doch den Muth nicht fassen, ihr seine Liebe zu sagen. Endlich fiel ihm ein Mittel ein, er schrieb mit zierlichen Worten auf ein Blatt alles was er wünschte, das die Geliebte wissen sollte, und faltete es wie ein Herz zusammen, dann legte er es unter einem Baume hin, wo er wußte, daß seine schöne Schäferin in der Mittagshitze zu ruhen pflegte, dann entfernte er sich. Nicht lange, so kam die Schäferin im weißen zierlichen Gewande, und setzte sich unter den Baum. Sie fand das Herz, das treu die treueste Liebe bewahrte und ihr offenbarte, und ihr Herz wurde dadurch zur Liebe bewegt, und Thränen der Lust flossen auf ihre Brust. Am andern Mittage kam der Schäfer und hoffte die Geliebte, oder doch ein Blatt von ihrer Hand im Sande zu finden, sie war aber nicht da, und auch kein Zeichen ihrer Liebe nah. Da wurde der Schäfer betrübt, und fing aus vollem Herzen mit [145] Schmerzen zu weinen an. Nachdem er lange geweint hatte, fielen seine Augen zu, die Blätter rauschten über ihm in allen Zweigen, und er schlief fest am Fuße des Baumes ein. Da öffnete sich der Baum, und die Fee, die ihn bewohnte, trat heraus. Sie wollte durch den Wald spatzieren, da erblickte sie den Schäfer und die bunten Bänder an seinem Hute, die frischen Blumen an seiner Brust. Die rothen Lippen und die geschlossenen Augen gefielen ihr so wohl, daß sie ihn zu lieben beschloß, und wie sie den Willen gefaßt, wurde ihr Herz von der süßen Gewalt der Liebe gefangen, sie küßte den Schäfer auf den Mund, hob ihn auf, und trug ihn in ihre Wohnung. Als der Schäfer erwachte, blickte er um sich, und konnte nicht begreifen, wo er sich befand. Er war in einem kleinem Gemach, die engen Wände waren glatt polirt, ein weiches Lager, ein kleiner Tisch und zierliche Sessel waren sein Hausrath; seine Wohnung war eng und hoch, und oben durch eine schmale Oeffnung sah er den blauen Himmel, und oft bogen sich, vom Winde bewegt, grüne [146] Zweige über sein Gemach. Er betrachtete alles in diesem kleinen Hause, und hatte eine rechte Ruhe des Gemüths. Wie die Fee ihn küßte, so hatte sie das Andenken an seine geliebte Schäferin in ihm ausgelöscht, und er schaute nun mit rechter Freude sein Haus, die grünen Zweige, die ihm oft den Himmel verbauten, und dann wieder das liebliche Blau, und konnte sich kaum erinnern, wie draußen die Welt aus sah. Wenn er in der Nacht schlief, dann kam die Fee, und setzte sich auf sein Lager, und sah ihn mit sehnsüchtiger Liebe an, aber sie hatte nicht den Muth sich ihm zu zeigen, sie dachte, er möchte sie vielleicht nicht achten, und ihre Liebe verschmähen, und dann glaubte sie, müßte sie an dem Feuer vergehen, das sie erst selbst in ihrem Busen angezündet hatte. So vergingen manche Tage und Nächte, und der Schäfer war ruhig, und die Fee verliebt; da saß er eines Tages und betrachtete das Blau des Himmels, ihm schien es, als hörte er ein Rauschen, aber nicht die grünen Zweige bogen sich über seine Wohnung, sondern ein junges[147] Gesicht blickte mit blauen Augen auf ihn hernieder. O Doris! rief er aus, und alle Erinnerungen der vergangenen Zeit kamen ihm auf einmal wieder; er suchte ängstlich einen Ausgang, er bestrebte sich zu dem Gesicht empor zu klimmen, aber vergeblich. Endlich verschwand es, und er fing zu schreien und zu weinen an. Die junge Schäferin war, seitdem sie den Brief des Schäfers gefunden hatte, alle Tage emsig zu dem Baume gekommen, und am Abend betrübt zurück gekehrt, wenn sie keine Spur von ihrem Geliebten fand. So saß sie auch, harrte und vertiefte sich in schwermüthige Gedanken, da kam ein Bär aus dem Walde, und eilte gerade auf die Schäferin zu, in der Angst stieg sie auf den Baum, und als sie oben die Oeffnung erblickte, bog sie neugierig ihr Gesicht hinein und sahe ihren Geliebten. Als es Nacht geworden, kam die Fee in ihre Wohnung, und meinte, sie wollte auf ihres Geliebten Lager sitzen, und den schönen Schäfer betrachten, aber wie erstaunte sie, als sie hereintrat, und fand daß er auf dem Boden [148] lag, und in der Verzweiflung sich die Haare ausraufte. Sie ging hinaus und befragte den Baum, was während ihrer Abwesenheit geschehen sey. Der Baum rührte seine Zweige verständig, und erzählte ihr den Vorfall. Da wurde die Fee betrübt, und überlegte was sie nun thun sollte, sie gebot endlich dem Baume, mit seinen Zweigen die Oeffnung oben zu verdecken, so daß der Schäfer den blauen Himmel nicht mehr sehen könnte. Dadurch hoffte sie, würde sich die Sehnsucht verlieren. Der Schäfer konnte nun den blauen Himmel nicht mehr sehen, da fing er recht an, sich nach den blauen Augen der Schäferin zu ängstigen; so sehr daß seine Augen matt wurden; seine rothen Lippen wurden bleich, und es sahe aus, als wenn er in dem Baume sterben wollte. Die Fee wurde immer betrübter, so oft sie ihn ansahe, sie wußte endlich kein Mittel mehr ihm zu helfen, so ließ sie ihn einschlafen, und legte ihn in der Mittags-Wärme hinaus vor den Baum. Als er nun so lag, und die helle Sonne ihn beschien, da war ihm, als träumte er, wie er [149] seine Schäferin aus dem Walde kommen sähe, die ihn unter dem Baume schlafend erblickte. Freudig sah er sie ihre Arme ausbreiten, um ihn damit zu umschließen; da kam von der andern Seite eine graue Gestalt, die gebückt ging, und wie eine alte Frau aussah, diese trat der jungen Doris in den Weg. Sie richtete sich auf, da war sie sehr groß, von ihrem Haupte fiel ein grauer Schleier herunter, und verhüllte die Schäferin, und der Schäfer konnte sie nicht mehr sehen, die alte Frau blieb stehen, wie er sie aber genau betrachtete, war es ein Berg, auf dem wenige Grasspitzen mit Mühe hervorkeimten. Die Fee trug nun den Schäfer wieder in den Baum, und er wurde gesunder. Am andern Mittag trug sie ihn wieder hinaus, und wie er im Sonnenscheine schlief, sahe er eine andere Schäferin, die mit ängstlichen Gebehrden die schöne Doris suchte, und laut klagte, daß man sie nirgends finden könne; da trat ihr die graue Alte entgegen und sagte:


Du wirst die Schwester nimmer finden,
Die eitle Hoffnung laß verschwinden.
[150]
Sie brachte heißer Liebe bittern Schmerz,
Darum verschließt sie nun ein treues Herz.
Sie soll der Sonne nie sich wieder freun,
Als Echo mag sie dort im Berge seyn.

Als das Mädchen diese Worte gehört hatte, verließ sie die Alte, und hörte auf, die Schäferin zu suchen. Die Fee trug den Schäfer, der nun ganz gesund war, wie der in den Baum. Als es Nacht war, legte sich der Schäfer auf sein Lager und schlief, die Fee kam und setzte sich zu ihm, Sie betrachtete ihn, und wie sie ihn ansah, bemerkte sie, daß er noch weit schöner geworden. Sie konnte ihrer Liebe nun nicht länger widerstehen, sondern küßte ihn auf den Mund, davon erwachte der Schäfer und betrachtete die Fee mit Erstaunen. Sie sagte ihm nun, wie sehr sie ihn liebe, aber der Jüngling antwortete: Geh, du Traumgesicht! ich weiß wohl, daß du in deinen Schleier meine Doris hüllest, aber ich bin doch ruhig dabei; und hiemit drehte er sich um, und entschlief von neuem.

Die Fee war über seine Antwort erzürnt, [151] sie legte aber ihre Hand auf sein Herz, da fühlte sie, daß er ihre Liebe niemals erwiedern würde, und nun flossen die Thränen aus ihren Augen. Sie stand auf und verließ ihre Wohnung, verschloß aber den Schäfer darin. Nun geht sie niemals wieder hinein, betrachtet aber oft den Baum von außen, und weint, wenn sie hört, daß die Seufzer des Knaben leise in den Blättern flüstern.

Jetzt hörte die Alte auf zu sprechen, und Alcandor konnte nicht mehr daran denken zu entfliehen, er sahe die Schaafe an, und sie gefielen ihm, er hob eine Schäferflöte vom Boden auf, und versuchte darauf zu spielen. Die Alte sah ihn lächelnd an und sagte:


Du sollst von eitler Pracht dein Aug' entfernen,
Es dünke dir dein vorig Thun ein Träumen;
Du sollst nun süße Liebeslieder lernen,
Die Flöte spielen unter diesen Bäumen.
Siehst du den Himmel glühn mit seinen Sternen,
So führe du mit Lust und ohne Säumen
Die kleine Heerde in des Mondes Schimmer,
Gedenk dabei der vor'gen Zeiten nimmer.

Ich soll vergessen, rief Alcandor, vergessen alles vorige Glück? Des Mondes Strahlen [152] sollen auf mich niederfließen, und ich sollte nicht an meine sanfte Angelica denken? Ja, ich bin gefangen, sagte er klagend, und kann dir nicht entrinnen, aber ich werde sie niemals vergessen. Die Alte sahe ihn mit Betrübniß an, dann brach sie in die Worte aus:


Ich will, ihm soll Erinnerung erbleichen,
Kühn soll er, frei von thörichtem Verlangen,
Das schönste Glück so ich ihm biet', umfangen:
Und er verschmähet meiner Liebe Zeichen!
Wie konnte so mir aller Sinn entweichen?
Erwachen mußte, wie die Wort' erklangen,
Nur zu Angelica sein Lieb'sverlangen,
Die gern zum Bund die Hand ihm wollte reichen.
Zerstöret hab' ich nun zum eignen Wehe,
Was ich mit Mühe künstlich mir erbauet;
Noch mehr verlohren, was noch nie das meine.
Ich will zum Freunde hin, damit ich sehe,
Wie weit mein Werk ist, das ich ihm vertrauet,
Ob seiner Kunst beglückter Lohn erscheine.

Alcandor wunderte sich über die zornigen Gebehrden der Alten, mit denen sie ihn verließ. Er sah die Schaafe und sie gefielen [153] ihm von neuem, so, daß er sein Gemüth beruhigte, er ergriff die Flöte, und wie er zu spielen anfing, drängte sich die kleine Heerde um ihn, er ging über den Rasenplatz, und der Mondschein ruhte lieblich auf den weißen Schäfchen. Einen kleinen Hügel ging er vorüber und stand still, denn ein Echo gab hier die zärtlichen Töne so klagend zurück, daß es Alcandor's Herz bewegte. Er näherte sich dem Hügel, und wie er ihn genau betrachtete, daß er dürr war, und nur wenige Gräser sich auf ihm hervordrängten, kam ihm die Geschichte, welche ihm die Alte erzählt hatte, dunkel in sein Gedächtniß zurück, wie im Traume war es ihm, und doch fragte er: Echo im Berge, bist du die Schäferin? und das Echo rief klagend zurück: Die Schäferin! und Alcandor fragte weiter: Trieb Liebesglut dich zu dem Baume hin? Hin sagte das Echo fast schluchzend.


In seinem Schatten wolltest du den Liebsten finden?
finden.
Da mußte dir statt Liebe, Haß begegnen;
begegnen.
[154]
Und Hasses Macht dich fesi im Kerker binden;
binden.
Wie würdest du den Tag der Freiheit segnen?
segnen.

Alcandor fragte noch weiter, aber das Echo schien so von Wehmuth besiegt, daß es keine Antwort mehr gab; und nun nahm er sich vor, die Unglückliche aus dem Berge und den Schäfer aus dem Baume zu befreien. Er trieb seine Schaafe weiter und sahe bald einen Pallast, den glänzend weiße Säulen umgaben. Oben am Fenster stand Angelica in reichem Schmucke, sie stützte das Haupt mit ihren Händen, und sah trauernd nieder in das Thal, aber Alcandor erkannte sie nicht, und sie erkannte ihn nicht, wie er mit seinen Schäfchen unter ihrem Fenster vorüber zog. Ach! seufzte Angelica, könnte ich frei seyn, und dürfte diese Heerde, diese frommen Schäfchen auf die Weide führen, abwerfen diesen lästigen Schmuck, der sich so wenig für meine Trauer ziemt, und im kurzen Kleide durch die Thäler schweifen, das freundliche Rauschen der Bäume hören und [155] den Gesang der Vögel. Alcandor stand und betrachtete die schöne Angelica. Diese Dame, sagte er, ist betrübt, sie scheint mir gefangen; o dürfte ich mein Schicksal mit dem ihrigen vertauschen! Ich bin ja auch gefangen, und weit schmählicher als sie, ich kann aus diesem Walde nicht entfliehen, o wäre ich doch lieber von hohen Marmorwänden eingeschlossen, schmückten mich reiche Gewänder, damit ich lebendig an mein verflossenes Leben gedächte. Dann schritte ich muthig durch den weiten Saal, blickte auf die mich umgebende Pracht, und dürfte nicht wie ein Knecht diese Thiere hüten.

Die Alte hörte die Rede der beiden Liebenden, und sagte zu dem Greise, ihrem Freunde: Laß uns ihr Schicksal vertauschen, vielleicht daß wir sie früher gewlnnen. Der Alte war es zufrieden, und als die Sonne die Schläfer erweckte, blickte Angelica und Alcandor erstaunt um sich. Prächtig geschmückt lag der junge Ritter auf einem Ruhebett, der Saal schimmerte von Gold und hell polirtem Marmor, und hohe Spiegel warfen sein Bild [156] vielfach zurück. Mit Zufriedenheit schaute er um sich; reich gekleidete Diener traten herein und waren bemüht ihm aufzuwarten, und alle seine Befehle wurden mit Schnelligkeit vollzogen. – Angelica erwachte unter der Linde auf weichem Rasen, ein kurzes weißes Gewand bekleidete ihren Körper, zu ihren Füßen lag ein Schäferstab und eine Flöte. Sie richtete sich freudig empor, und schaute nach allen Seiten um; sie hielt es für einen Traum, der schmeichelnd ihre Sinne umgab. Sie hob die Augen auf zu der hohen Linde, unter der sie ruhte, da bewegten sich mit leisem Rauschen die Blätter, und ihr war, als wenn traurige Seufzer dazwischen flüsterten. Ach Alcandor! rief sie aus, wie erinnert dieser Baum mich auf einmal so lebendig an dich! Ach welch böses Schicksal hemmt meine Schritte, daß ich nicht hinaus kann aus dem Walde, dich zu suchen! Ja ich fühle es, die heiße Sehnsucht nach dir hat mein Leben schon zerstört, unter diesem Baume werde ich sterben, und darum soll meine matte Hand deinen Namen in diesen Baum graben, [157] und meine letzten Worte, die letzten Zeichen meiner Liebe.

Sie hatte kaum den Namen Alcandor und noch einige Worte in den Baum geschnitten, so fing er an, sich in allen Zweigen zu rühren, ein heftiges Rauschen, aus dem sich eine Stimme zu entwickeln strebte, erschreckte Angelica. Endlich wurde der Baum still und ein leises Flüstern näherte sich und sprach zu ihr:


Ein treues Herze hält mein Stamm verschlossen,
Wodurch schon mancher bittre Schmerz geflossen.
Es wollte die Gebiet'rin mein
Gerne die Geliebte seyn,
Doch er mußt' ihre Gunst verhöhnen,
Und mit Thränen
Sich nach einer andern sehnen.
Da hat sie ihre Liebe abgewandt
Und die Gefangenschaft ihm zuerkannt:
Daß ich des Schäfers Hüter sey,
Hat sie in ihrem Sinn bedacht.
Mich besiegt der Liebe Macht,
Ich gebe den Gefangnen frei.

Der Baum öffnete sich, ein schöner junger Schäfer trat heraus, und knieete vor Angelica nieder, er wollte reden, aber heiße [158] Thränen flossen über sein Gesicht. Angelica tröstete ihn, und er klagte nun, wie er so lange in dem Baume verschlossen gewesen sey, und eilte fort, um seine geliebte Doris zu suchen. Angelica hörte noch das Flüstern, das sich wieder in des Baumes Rauschen verlohr.

Es war Mittag geworden, und Angelica trieb ihre Heerde tiefer in den Wald hinein, sie rief Alcandors Namen, der Anblick des Schäfers hatte die Sehnsucht und die Hoffnung ihn zu finden erneut, es wurde schon Abend, als sie über den Hügel zog, hier fand sie den Schäfer wieder, wie er kniete, und in beweglichen Worten zu seiner schönen Doris sprach. Das Echo im Berge antwortete mit klagender Stimme. Angelica stand jetzt oben auf dem Hügel, da bemerkte sie in der Ferne einen See. Sie dachte an des Baumes geheimnißvolles Flüstern, das ihr zuletzt unverständlich geworden war, und ihr schien es jetzt, als wären es Worte gewesen, die sie aus ihrer Noth befreien könnten. Sie betrachtete noch den See, da fingen seine Wellen an sich [159] lauter zu bewegen, ein leichter Wind spielte um Angelica's Wangen, und schien ihr Worte zu sagen, und sie rief voll Wonne und Schmerz:


O könnten diese Winde
Gelinde,
Von des Berges Höhen
Mich in die Tiefe wehen,
Wo sanfte Wellen
Schwellen!
Ein klarer Wasserbogen,
Ueber meinem Haupt gezogen,
Giebt treuer Liebe Schutz,
Beut Feinden Trutz.

Kaum hatte Angelica diese Worte gesprochen, als sich der Wind stärker erhob, sie fühlte, daß sie empor schwebte und bald rauschten die Wellen über ihrem Haupte zusammen. Sie blickte um sich, und fand sich in einem Gemach, dessen Wände mit vielen bunten Muscheln, Korallen und Edelgesteinen geziert waren, ein altes Mütterchen saß in einer Ecke des Zimmers und spann, ihre langen weißen Haare hingen auf den Boden. Sie sah so emsig nach ihrer Arbeit, daß sie[160] Angelica nicht zu bemerken schien, endlich blickte sie auf und fragte, ob sie ihr nicht helfen wolle, zugleich stand sie auf und brachte einen Spinnrocken. Angelica setzte sich in eine andere Ecke des Gemachs, der Alten gegenüber, und beide spannen mit großer Emsigkeit. Als sie eine Zeitlang ruhig gesessen hatten, fingen die Wände des Gemachs an zu klingen und zu zittern. Die Alte sah hinauf und lächelte: So siegen wir doch endlich, rief sie aus, und trat zu einem Fenster hin; sie winkte Angelica, die ihr stillschweigend folgte.

Blicke auf, sagte die Alte, und Angelica schaute empor. Durch die hellen Wasserbogen sah sie den reinen blauen Himmel, zu dem sich die Wellen zu erheben schienen, um ihn liebend zu umschließen. Sie sah die weißen Marmorsäulen des Pallastes, der vor kurzen ihr Gefängniß gewesen war, oben am Fenster stand Alcandor, der tiefsinnig in die Wellen hinein blickte. Alcandor! rief sie aus, o folge mir, du Geliebter, hieher, wo dich und mich die silbernen Wellen beschirmen.

Mit lieblicher Musik begannen die Wellen [161] sich zu heben, Stimmen flüsterten leise, und Angelica sahe, wie Alcandor sich aus dem Pallast herunter in die Fluten stürzte, die ihn sanft umschlossen, und ihn niedersenkten, so daß er sich bald in einem Gemache befand, in welchem er die Geliebte sehen konnte. Beide sahen sich lächelnd an, doch hatte keiner den Wunsch, zu dem andern hinüber zu gelangen.

Sie standen noch und betrachteten sich mit Wohlgefallen, als die Wellen anfingen heftig zu rauschen, und sich schwarz zu färben, aber doch ihre Durchsichtigkeit behielten. Angelica und Alcandor blickten verwundert empor, und das Blau des Himmels war verdeckt und ihren Blicken entzogen. Aengstlich fing ihr Herz an zu pochen, eine dumpfe Schwüle beklemmte ihre Brust, da fuhr ein goldner Schein durch die schwarzen Wellen, und wie sie es genau betrachteten, war es ein goldner Nachen, der sich auf dem See bewegte, und seinen Lauf nach Angelica richtete; von der andern Seite schwamm ein anderer Kahn herbei, der sich zu Alcandor wendete, auf jedem Schiffe hob sich eine weiße Gestalt empor, und Angelica erkannte [162] den Alten, der ihr freundlich zulächelte, und eine Angel, welche er in der Hand hielt, in die Fluten senkte. Wie ein blendender Stral schoß sie hernieder, und Angelica bemerkte, daß sich Rosen und Lilien in dem Wasser entfalteten, die ihr alle freundlich zu winken schienen. Eine unnennbare Sehnsucht faßte ihr Herz, sie hatte Alcandor vergessen, nur der Besitz dieser Blumen war das, was ihr einzig wünschenswerth schien. Die Alte schüttelte den Kopf, und deutete mit der Hand nach Alcandor. Angelica sahe hin und bemerkte, wie von der andern Seite sich die Fee in dem Nachen erhoben hatte, ein blendender Stral ging von ihrer Hand in die schwarzen Wellen, in denen Gold und reiche Edelgesteine glänzten. Alcandor's Blicke waren auf die Steine geheftet; die Begierde nach ihrem Besitz konnte Angelica deutlich in seinen Blicken lesen, die Fee stand triumphirend in dem Nachen, und die Angel in ihrer Hand bog sich nach des Ritters Herzen. Alcandor! rief Angelica schmerzlich aus, und er hob die Augen auf, und begegnete den ängstlich [163] flehenden Blicken seiner Geliebten. Angelica! sagte er mit zärtlichem Ton, nein ich verschmähe alle Pracht der Erde, die man mir bieten mag, Gold und glänzende Steine, wenn ich dich nur besitzen darf. Und für mich, sagte Angelica, hören alle Blumen auf zu blühen, wenn ich deine glänzenden Augen betrachte.


So ist denn unser Thun vergebens?
Gold, Ehre, alle Lust des Lebens,
Sie müssen thöricht es verschmähn,
Weil sie sich nur mit Liebesblicken sehn;
Vereinigt euch, ich kann es nicht verhindern,
Noch eurer Liebe Glück vermindern.

Die Fee sprach diese Worte mit zornigen Gebehrden, der Nachen, auf welchem sie stand, fing an zu schwanken, und der goldne Schein fuhr wie Blitze in die Wellen, die Edelgesteine und die Blumen waren verschwunden, der Alte wandte seine Bücke von Angelica weg, deutete mit der Hand in die Ferne und sagte:


Es öffnet sich der Berg und läßt das Echo fliehn,
Horch, Flötentöne schon durch blaue Lüfte ziehn,
Es ist der Schäfer, der die Liebste lang' beweint,
Sie kennt den Ton, und eilt entgegen ihrem Freund.

Die Alte, welche neben Angelica stand, betrachtete lächelnd die Fee und den Greis, [164] sie schüttelte den Kopf, und ihre weißen Haare bewegten sich wunderbar, endlich öffnete sie die Lippen und sagte:


Der Jugend Liebe hat des Alters List bezwungen,
Und so für sich den schönsten Kranz errungen;
Du mußt den jungen Liebsten nun entbehren,
Du magst dem alten Freund nicht die Umarmung wehren!

Die beiden goldnen Nachen schwammen zu einander hin, der Greis reichte der Fee die Hand, beide bogen sich zu einander um sich zu umarmen. Wie sie sich umschlossen hielten, waren die Nachen unter ihren Füßen verschwunden, und Angelica und Alcandor konnten auch die Gestalten der beiden nicht mehr sehn, sondern sie schwammen nur wie ein grauer Nebel auf dem Wasser, das nun wieder, ein krystallener Bogen, über ihr Haupt gezogen war.

Wie eine ferne Musik klang es Alcandor'n, die ihn aus einem sanften Schlummer erweckte; er öffnete die Augen, und fand sich ausgestreckt auf frischem grünem Rasen am Ufer eines klaren Baches, in dem die kleinen Fische sich munter bewegten. Ihm gegen über saß ein Schäfer, der seine Geliebte in den [165] Armen hielt, in einiger Entfernung von ihm schlummerte eine Pilgerin. Alcandor näherte sich der Schlafenden. Angelica! rief er aus, finde ich dich, theure Geliebte, endlich wieder? O erwache und komm an meine Brust, die geheilt ist von allen thörichten Wünschen, und nur die Liebe für dich bewahrt.

Angelica erhob sich, als sie die geliebte Stimme hörte, und sank an des Ritters Brust. Der Schäfer und die Schäferin waren näher gekommen, und der Schäfer sagte: Ihr, schöne Pilgerin, habt uns eine große Wohlthat erzeigt, die uns lebenslang euch zu dienen zwingt, doch weiß ich mich ihrer nicht zu erinnern. Ich kenne dich wohl, sagte Angelica, und doch weiß ich nicht woher.

Wir sind, sagte Alcandor, durch eine unsichtbare Macht mit einander verbunden, es ist der schönste Bund der Liebe und Freundschaft, wir können uns nicht wieder von einander trennen. Sie fühlten alle die Wahrheit seiner Worte, und der Schäfer und die Schäferin beschlossen gern ihm nach seinem Schlosse zu folgen.

[166]

Das Vögelchen

[167] [169]Es war ein kalter Winterabend, als Bernhard und Elsa, von ihren vier Kindern umgeben, beim Feuer des Kamins saßen. Wie verfliegen, fing Elsa an, die Tage, Wochen und Monden! Wie kurz dünkt mich noch die Zeit, als wir uns beide in Gram und Sehnsucht verzehrten, und uns so glücklich fühlten, da wir endlich vereinigt wurden: ach wie schnell ist die Zeit verschwunden! Weißt du noch, sagte Bernhard, wie ein Fremder in deines Vaters Hütte trat, wie er uns betrachtete, urd endlich freundlich zu mir sagte: Junger Bursch, du stehst so betrübt im Winkel; wenn ich dir das junge Mädchen zur Braut werbe, so glaube ich, daß alle Falten von deiner Stirn schwinden werden. Ich mußte [169] lächeln, und deine Wangen glühten hochroth. Am andern Morgen hatte er mit deinem Vater geredet, und dies Haus, den Garten und den Acker gekauft, auch eine kleine Heerde fanden wir, und er, unser unbekannter Freund, war verschwunden. Weißt du seine Worte noch, sagte Else, die er dem Vater gesagt hatte? – Wenn eure Kinder einmal von ihren Kindern umgeben sitzen, und eine rechte Sehnsucht nach mir empfinden, dann will ich sie wieder besuchen. Ach wie herzlich, sagte Bernhard, sehne ich mich, ihn wieder zu sehn, und die Hand dankend zu küssen, die so viel Segen um mich her verbreitet hat! Würdest du ihn wohl wieder erkennen? fragte Else.

O ganz gewiß! rief Bernhard, ich werde nie das freundliche ernste Gesicht vergessen.

Ein leises Pochen an der Thür unterbrach das Gespräch, und Elsa befahl ihrer ältesten Tochter Bertha, sie solle die Thür öffnen, und schalt zugleich, daß ihr alles müsse befohlen werden. Das Kind hatte mit großer Aufmerksamkeit dem Gespräche der Eltern zugehört, [170] und ihre Blicke hingen noch an den Lippen der Mutter, sie schien ganz in Träumen verlohren, und auch noch als die Mutter die scheltenden Worte sprach, hörte sie eben so aufmerksam zu, ging dann lächelnd, und öffnete die Thür. Ein fremder Mann, in einen Mantel gehüllt, fragte nach Bernhard und Elsa. Sie sind drinnen, sagte Bertha, und haben so eben von euch gesprochen. Der Fremde ging hinein und Bertha folgte ihm, Bernhard und Elsa erkannten ihren Wohlthäter sogleich, sie eilten ihm entgegen, um seine Hände zu küssen, Bertha setzte sich still in eine Ecke der kleinen Stube.

Der Fremde fragte, wie es ihnen gehe? Sie priesen ihm ihr Glück, und zeigten ihm die drei kleineren Kinder, deren Namen sie ihm nannten. Und ist das artige Mädchen, fragte der Fremde, die mir die Thür öffnete, nicht eure Tochter? Ach Herr! sagte Elsa, sie ist die Einzige, durch welche unser Glück getrübt wird, seht sie nur an, sie ist ungeschickt zu allen Dingen, es beschämt sie nichts, und wie sie jetzt zuhört, so thut sie es immer, [171] wenn von ihrem tückischen Gemüth gesprochen wird; sie hat keine Liebe zu ihren Eltern, und keine Ermahnungen fruchten etwas. Bertha hörte ihrer Mutter zu, als wenn es eine fremde Frau sey, die sich über ein fremdes Kind, welches gar nicht zugegen war, beklagte, und sie hatte beinah mit dem Kummer der guten Mutter ein herzliches Mitleid.

Der Fremde betrachtete die kleine Bertha, dann sagte er zu den Aeltern: Es ist vielleicht jetzt die Zeit gekommen, in welcher ihr mir alle Liebe, die ich euch erzeigt habe, erwiedern könnt, für heute bitte ich euch aber, mir eine Ruhestätte anzuweisen.

Die Aeltern gingen hinaus und nahmen die kleineren Kinder mit sich, Bertha wurde gar nicht bemerkt, als sie in der Ecke des Gemachs sitzen blieb. Der Fremde redete sie freundlich an und fragte: warum sie so gar still und nachdenkend wäre, und auf die Vorwürfe ihrer Aeltern nichts antworte? Meine Aeltern, sagte Bertha, kennen mich nicht, und wenn sie von mir reden, so kann ich auch nicht einmal glauben, daß sie mich meynen, zu [172] meinem Troste versteht einer meine Liebe, dem ich sie auch alle Abend vortrage, und der gar artig sein Köpfchen bewegt, und mit mir trauert, wenn ich ihm mein Leid klage; und ob es gleich Winter ist, und die Kälte macht, daß er zittert, so kommt er doch alle Abende, wenn die andern schlafen, an mein Fenster, und singt die lieblichsten Lieder. Ein Vogelgesang ließ sich aus der Ferne vernehmen, und Bertha sprang freudig auf. Da ist mein Freund! rief sie aus, und öffnete schnell die Laden des Fensters. Ein kleiner Vogel flatterte auf den Rand, schlug mit den Flügeln, und beugte seinen Kopf, als ob er die kleine Bertha grüßen wollte. Bertha gab dem Vogel die zärtlichsten Namen, fragte ihn wo er den ganzen Tag gewesen sey, beklagte ihn, daß er so frieren müsse, und tröstete ihn, daß der Sommer bald wieder käme, dann blühten die Blumen wieder, alle seine kleinen Freunde kehrten dann zurück, die hier keine Freundin hätten, so wie er, und darum dem unfreundlichen Winter entflöhen. Der Vogel schien sie zu verstehen, und sich über ihre [173] Rede zu freuen. Dann klagte sie ihm ihr Leid, wie sie von der Mutter ausgescholten würde, wie der Vater unfreundlich sey, und alle nur die kleinen Geschwister lieb hätten, und wie keiner ihre Liebe fühlte; der Vogel neigte traurig sein Haupt, dann erhob er sich und sang ein munteres Lied. Bertha war getröstet, der Vogel flog davon und sie schloß das Fenster. Der Fremde hatte all' ihr Thun betrachtet, was sie aber gar nicht kümmerte.

Als es Morgen geworden war, sagte er zu Bernhard und Else: Euch macht eure Tochter Bertha keine Freude, gebt sie mir, daß ich sie als die meinige erziehe, und ich will mich von euch für hoch belohnt halten.

Wollt ihr, sagte Bernhard, so unermüdet in eurer Liebe für uns seyn, daß ihr uns nicht nur beglückt, sondern auch das, was unser Glück stört, von uns nehmt?

Bertha mußte weinen, daß es ihre Aeltern als einen Gewinn betrachteten, wenn sie von ihnen genommen würde. Der Fremde fragte: Willst du mit mir gehen?

[174] Gern, sagte Bertha, indem sie ihm die Hand reichte.

Der Fremde beschloß, sogleich abzureisen, er nahm Bertha bei der Hand und sagte: Gehe hin, mein Kind, und nimm von deinen Aeltern Abschied.

Bertha küßte den Vater und die Mutter unter vielen Thränen, Bernhard und Else gaben ihr noch manche Ermahnungen mit, und empfahlen ihr, wie sie die Wohlthat, die ihr so unverdient widerführe, durch ein gutes Betragen verdienen solle. Bertha antwortete nichts. Als sie aus der Thür der Hütte traten, kam ihnen ein reichgekleideter Diener mit schönen Pferden entgegen. Der Fremde hob die kleine Bertha auf ein weißes geschmücktes Roß, sie grüßten Bernhard und Elsa noch einmal, und zogen freudig fort. Bald erreichten sie den Wald, ein kalter Wind wehte ihnen entgegen, und die Bäume, ihrer Blätter beraubt, konnten ihnen keinen Schutz gewähren.

Der Wind ist kalt, sagte Bertha seufzend, und er ist so zart und klein, in diesem [175] ungestümen Wetter wird er mir wohl nicht folgen.

Wer? fragte ihr Begleiter.

Mein Freund, sagte Bertha, mein geliebter kleiner Vogel. Nun werde ich weinen, und er wird meine Thränen nicht sehen, seine Lieder werden mich nicht mehr trösten. Ein lieblicher Gesang erscholl. Da ist er! rief Bertha freudig aus, und sie sahen einen kleinen Vogel mit goldnen und grünen Federn, der mit seinen zarten Flügeln die Lust theilte, und sich eifrig bestrebte, die Reisenden zu erreichen. Als er zu ihnen gelangt war, flog er immer in Bertha's Nähe, und betrachtete sie, zuweilen näherte er sich ihrem Begleiter, der ihn oft zu sich locken wollte, aber immer floh der kleine Vogel furchtsam zurück, und schien zu dem fremden Manne kein Vertrauen zu gewinnen.

Sie waren den Tag fortgezogen, und erreichten endlich am Abend eine Herberge. Bertha war ermüdet, sie hörte den Vogel vor ihrem Fenster, und schlief unter diesen lieblichen Tönen sehr bald ein. Als sie am [176] Morgen erwachte, fand sie sich in einem prächtigen Gemach, dessen Wände mit Gold und reicher Seide bekleidet waren; schön geschmückte Mädchen standen und erwarteten ihre Befehle. Bertha konnte sich nicht finden, es erschien ihr alles wie ein Traum, sie betrachtete das Gemach, die Mädchen und die reichen Kleider, die vor ihr ausgebreitet lagen, aber alles war ihr so fremd, daß sie die Kleider nicht zu berühren, und die Dienerinnen nicht anzureden wagte. Da hörte sie aus der Ferne ihren geliebten Vogel singen, und nun kam es deutlich in ihr Gedächtniß zurück, wie sie mit dem Fremden von ihren Aeltern gezogen sey, wie ihre Aeltern sie so gern gelassen, und niemand als ihr getreuer Vogel sich ihren Abschied zu Herzen genommen habe, der ihr auch in seiner Liebe gefolgt war. Sie betrachtete die kostbaren Sachen wieder und mußte weinen, als sie dachte, daß ihre Aeltern und Geschwister alle diese Pracht entbehren müßten, und sich in grobe schlechte Kleider hüllen. Die Mädchen näherten sich ihr und kleideten sie an, darauf kam der fremde [177] Mann, welcher sie von ihren Aeltern weggeführt hatte, und zeigte ihr das ganze Haus und alle kostbare Dinge, die es enthielt. Bertha betrachtete den Mann, und er kam ihr in aller seiner Herrlichkeit so traurig vor, daß sie ein rechtes Mitleiden mit ihm hatte.

Sie lebte nun in dem prächtigen Hause, und vertrieb sich die Zeit mit allerhand Spielen, sie nannte den Besitzer des Hauses Vater, ohne sich um seinen Namen zu kümmern, der Vogel sang ihr muntere Lieder, und wurde immer dreister, so daß er oft am hellen Mittag an ihr Fenster kam, und sie begrüßte. Die Mädchen hatten ihn oft fangen wollen, weil sein Gesang so lieblich, seine Gestalt so überaus zierlich, und die Federn so zart und glänzend waren. Aber Bertha bat sie so beweglich, ihm seine Freiheit zu lassen, daß er vor allen Nachstellungen sicher blieb.

So hatte sie den Winter verlebt, die Sonne fing an wärmer zu scheinen, die Bäume hatten Knospen, und die grünen Blätter drängten sich schon an den Sträuchern hervor, da eilte Bertha oft in den Garten und [178] in den nahen Wald; die Vögel waren auch zurückgekommen, und wenn alle ihre Stimmen erhoben, und ihre Freude über den warmen Sonnenschein verkündigten, so kannte sie doch die Stimme ihres Lieblings, und erfreute sich seiner. Einst ging sie in den Wald, der Himmel war blau und freundlich, keine Spur mehr vom Winter, aller Schnee war hinweggeschmolzen, und Bertha erfreute sich über die vielen Vögel, als sie bald ihren Liebling vermißte; sie rief ihn, und betrachtete jeden vorüberfliegenden Vogel, aber nirgends wollte er sich zeigen. Sie ging immer tiefer in den Wald, und hoffte ihn noch endlich zu finden, doch alle Mühe war vergeblich; endlich konnte sie nicht weiter, sie setzte sich ermüdet und betrübt auf den Rasen nieder. Plötzlich sahe sie, sich gegenüber, in dem Schatten einer alten Buche einen Jüngling liegen, der starr nach dem Baume hinaufsah, dann machte er Gebehrden der Betrübniß, und Bertha glaubte, der Jüngling müsse einen schweren Kummer fühlen, den er einem Wesen auf dem Baume vertraue, zu welchem er so unbeweglich [179] hinauf schaute. Sie spähte in den Zweigen des hohen Baumes, und ersah endlich ihren geliebten Vogel, der sein Köpfchen traurig zu dem Jüngling herunterbog.

So hast du mich denn auch verlassen, rief Bertha aus, und dir einen andern Liebling erwählt? Nun, ich will mich auch um dich nicht mehr kümmern. Hätte ich es nur gelitten, daß die Mädchen dich fingen, wie sie es wollten, so hättest du mir nicht entfliehen können. Meine Eltern haben mich nicht geliebt, die Menschen sich nie um mich gekümmert, da kamst du zu mir und tröstetest mich, und ich hoffte, daß ein Vogel mir getreuer seyn würde. Sie hatte sich, indem sie diese Worte sprach, dem Baume genähert, der Vogel erhob sich und fing zu singen an, und wie die lieblichen Töne in der Luft zitterten, berührten sie Bertha's Herz, und sie mußte den Zorn fahren lassen. Sie betrachtete den Jüngling, der ihr überaus schön vorkam, der Vogel zog sich eine goldne Feder aus, und reichte sie Bertha hin, die sie an ihren Busen steckte, worauf der Vogel davon flog, der [180] Jüngling in den Wald ging, und Bertha nach Hause zurück kehrte. Die Mädchen hatten Sorge gehabt, Bertha möchte verirrt seyn, und den Weg nicht wieder finden, sie waren also erfreut, als sie sie kommen sahen.

Der fremde Mann, welchen Bertha Vater nannte, trat herein und sagte ihr, daß er auf einige Zeit verreisen müsse, sie möchte sich über seine Abwesenheit nicht bekümmern. Bertha nahm zärtlich von ihm Abschied, er bestieg ein prächtiges Roß, und eine Schaar geschmückter Diener begleitete ihn. Bertha ging, als er sie verlassen hatte, durch das ganze Haus, und kam endlich in ein einsames Gemach, in welchem viele Bücher lagen, neugierig blickte sie in einige, und verweilte unwillkührlich bei einem Buche, welches mit wunderbaren Zeichen beschrieben war, die sie aufmerksam betrachtete. Indem fiel die Feder von ihrer Brust auf eins der Zeichen nieder, sie hob die Feder wieder auf und erschrack heftig, als eine sanfte Stimme fragte: Was willst du von mir, mein Kind? Eine junge schöne Dame, in einem grünen Gewande. [181] welches reich mit Gold gestickt war, stand hinter ihr. Bertha konnte sich von ihrem Erstaunen nicht erholen, und die Dame fragte noch einmal: Du hast mich gerufen, sage, was du von mir wünschest. Ich dich gerufen? sagte Bertha, die sich etwas faßte: ich kenne dich nicht, wie kann ich dich rufen? Du hast mit der Feder, sagte die Dame, mein Zeichen berührt, worauf ich erscheinen muß. Und du kennst mich nicht? betrachte mich genau, ob du dich meiner nicht erinnerst. Bertha sahe sie an, und indem die Fremde den Kopf bewegte, schien es Bertha, als müßte es der kleine Vogel seyn, doch wagte sie nicht, diesen Gedanken zu äußern.

Du warst bekümmert, sagte die Dame, dein Liebling möchte aufhören, dich zu lieben, und seine Liebe dem schönen Jüngling schenken, den du im Walde sahest, aber dieser Jüngling ist mein Sohn, und darum mußt du ihn nicht beneiden; wenn du ihn wieder siehst, so rede ihn freundlich an, und tröste ihn für den vielen Kummer, den er um deinetwillen erlitten hat.

[182] Um meinetwillen? fragte Bertha. Ja, sagte die Dame, als du gebohren wurdest, hat er dein Bild gesehn, und seit der Zeit liebt er dich mit der heißesten Sehnsucht, und zieht nun durch die Welt um dich zu suchen, darum tröste ihn wenn er dich findet, damit er dich aber erkennen möge, will ich mit diesem Kusse alle Schönheit, die noch in dir schlummert, und die sich erst nach Jahren entfalten würde, erwecken. Bertha fühlte, daß sich ihre Gestalt ausdehnte, als die Dame ihre rothen Lippen auf ihre Stirn drückte, ihr Busen hob sich schneller, und das Bild des schönen Jünglings stand lebhaft vor ihren Augen. Die Dame betrachtete sie lächelnd und sagte: Warlich, meines Sohnes Liebe ist nicht zu tadeln, denn er hat sich ein schönes Kind gewählt. Bertha erblickte ihr Bild in einem Spiegel, und war überrascht, als sie sich so ganz verändert fand. Wenn du dich in Noth befindest, und meiner Hülfe bedarfst, so berühre nur mit der Feder dies Zeichen, und ich werde sogleich bei dir seyn. Bertha wollte ihr danken, aber jene wendete sich um [183] und verließ das Zimmer; gleich darauf kam der kleine Vogel und sang in so lieblichen Tönen am Fenster, daß es Bertha innig bewegte, und sie ihre Thränen nicht zurückhielt.

Sie ging auf ihr Zimmer und fürchtete, die Mädchen würden sie nicht erkennen, da sie so groß geworden, und ihre Gestalt ganz verändert war; diese schienen aber diese Verwandelung gar nicht zu bemerken, sondern redeten sie freundlich an und fragten: womit sie sich so lange die Zeit vertrieben habe. Bertha sagte, daß sie viele Bücher in ihres Vaters Gemach betrachtet hätte. Die Mädchen erwiederten, es sey ihnen zwar verboten, Bertha in dies Zimmer zu lassen, sie sey ihnen aber so gut und freundlich, daß sie ihr nichts verweigern möchten; doch müsse sie versprechen, wenn der Herr zurückkäme, es ihm zu verschweigen, daß sie diese Freiheit genossen habe.

Bertha gab dies Versprechen gern, sie brachte die Nacht schlaflos zu, der schöne Jüngling beschäftigte unaufhörlich ihre Gedanken, und kaum dämmerte der Morgen, so [184] hatte sie sich in ein leichtes Gewand geworfen, und eilte, ohne die Mädchen aus ihrem Schlummer zu wecken, in den Wald.

Alle Vögel begrüßten sie mit lieblichen Melodieen, aber unter so vielen erkannte sie ihren Liebling, der mit lauter Stimme sang, und mit seinen Liedern die Sehnsucht in Bertha's Busen zu hellen Flammen anfachte. Sie hatte endlich wieder den einsamen Platz erreicht, der Vogel flog auf die hohe Buche und fing von neuem zu singen an, da kam aus dem Gebüsch der Jüngling, und warf sich unter dem Baume nieder. Er wollte seine Klagen beginnen, als sich Bertha dem Baume näherte, der Jüngling hob seine Augen auf und erkannte die holde Gestalt, er konnte nicht reden, er warf sich zu ihren Füßen nieder und umfaßte ihre Knie. So wird mir endlich, rief er aus, meine Liebe belohnt, so finde ich dich, du Geliebte? O wende dich nicht von mir ab, weigere meinen schmachtenden Lippen nicht, sich auf den deinen zu erquicken, durch Jahre voll Leid habe ich mir diese Wonne erworben. Bertha konnte ihre [185] Lippen seinen Küssen nicht entziehn, der Vogel war hinweggeflogen, sie hörten seinen Gesang in weiter Ferne, und die zärtlichen Töne machten ihre Liebe um so inniger. Der Jüngling flehte Bertha an, ihm in seine Wohnung zu folgen, und sein Haus in Besitz zu nehmen. Bertha konnte ihm nichts mehr verweigern, sie folgte dem Geliebten durch die dichtesten Gesträuche, tief in den Wald hinein. Endlich stand der Jüngling vor einem Felsen still, an dem sich Epheu und wilde Blumen hinauf rankten; er bog die Blumen zurück, wodurch der Eingang zu einer Höhle sichtbar wurde, dann nahm er Bertha's Hand, und führte sie hinein. Kaum waren sie eingetreten, so schloß sich die Oeffnung wieder mit Blumen zu; der Jüngling berührte eine Wand der Höhle, die sich augenblicklich aufthat, und den Vorhof eines Pallastes sehen ließ. Diener und schön gekleidete Pagen kamen ihnen entgegen, und führten sie in das Schloß, woraus ihnen eine liebliche Musik entgegen tönte. Mädchen traten heraus, welche Blumenkränze in den Händen hielten, mit [186] denen sie Bertha schmückten, alles schien auf ihren Empfang vorbereitet, denn alle drängten sich herbei, um sie als die Herrin des Hauses zu grüßen. Der Tag verging unter festlichen Gesängen und Tänzen. Der Jüngling führte seine geliebte Braut endlich in ein einsames Gemach, wo ein prächtiges Lager für sie bereitet war. Bertha konnte seiner Sehnsucht, seinen süßen Bitten nicht widerstehen, und die Liebe umschlang beide mit festen Banden.

Als Bertha am Morgen erwachte, betrachtete sie den neben ihr schlummerden Gemahl, und wurde von seiner Schönheit entzückt; sie küßte seine geschlossenen Augen, die er aufschlug, und sie mit unendlicher Liebe betrachtete. So vergingen ihnen unter Scherz und süßen Schmeicheleien die Tage, und Bertha hatte den Vogel, den Vater und ihre Aeltern ganz vergessen, den Gesang des Vogels hatte sie nicht mehr gehört, sie war aber auch darüber unbekümmert gewesen. Jetzt fühlte sie, daß sie schwanger sey, und wie das Kind sich in ihrem Schooße regte, dachte sie [187] mit Sehnsucht an ihre Aeltern, die sie so ganz verlasser habe, auch wurden die Blicke ihres Geliebten trüber, alle ihre Dienerinnen sahen sie mit traurigen Blicken an, die fröhlichen Gesänge verstummten, und wenn Bertha aus dem fernen Walde die Stimmen der Vögel hörte, so dachte sie an ihren kleinen Liebling, und wünschte sich, seine Stimme nur einmal wieder zu vernehmen. Die Zeit ihrer Entbindung rückte näher, und ihr Herz wurde beklommener, sie dachte an die Dame, welche ihr im Gemache ihres Vaters erschienen war, und wünschte sich ihren Rath, ihre Hülse herbei, aber sie bedurfte jenes wunderbaren Buches, um die unbekannte Freundin zu rufen. So verlebte sie ihre Tage in Angst und Sorgen, ihr Geliebter entfernte sich oft und kam immer finster zurück; er suchte Bertha zu trösten, aber wenn er freundliche Worte sprechen wollte, schwammen seine Augen in Thränen. Eines Abends kam er wieder, sein Blick war trüber als je; Bertha wollte ihn um die Ursache seines Kummers fragen, doch plötzlich wurden sie durch einen heftigen Donnerschlag [188] erschreckt. Bertha schmiegte sich ängstlich an ihren Geliebten, Blitze zuckten mit rothen Strahlen hin und wieder, Donnerschläge folgten schnell auf einander, Bertha wurde durch die Angst ermattet und entschlief. Am andern Morgen erwachte sie von einem heftigen Weh, das durch ihren Körper zuckte, sie blickte um sich, und der herrliche Pallast, die reichen Gemächer, die vielen Diener und Mädchen waren verschwunden. Sie lag in einer geräumigen Höhle auf einem Lager von Moos, in dasselbe Gewand gehüllt, in welchem sie ihres Vaters Haus verlassen hatte, die Feder des kleinen Vogels glänzte an ihrer Brust. Sie konnte nicht begreifen, ob ein Traum sie täusche, sie wollte hinaus vor die Höhle treten, um zu sehn, ob sie sich im Walde befände, aber das Weh, welches sie heftig befiel, hielt sie zurück. Unter Angst und Schmerzen gebar sie einen Sohn, und als sie das Kind betrachtete, bemerkte sie, daß es ein überaus schöner Knabe sey, dem auf seiner Brust ein kleiner goldner Stern glänzte, auf derselben Stelle, an welcher sie die Feder [189] des Vogels trug. Sie hüllte das Kind in ihr Gewand, und stand auf um die Höhle zu verlassen, sie fühlte sich stark und leicht; sie bog die Blumen zurück, die den Eingang der Höhle bedeckten, und trat in den Wald hinaus. Lange irrte sie durch die dunkeln Gänge, und konnte nirgends einen Ausgang finden; die Sonne fing schon an sich zu neigen, sie zagte und wünschte, sie hätte die Höhle nicht verlassen. Endlich als es schon finster geworden, hatte sie den Ausgang aus dem Walde gefunden, und erblickte in der Ferne ein Licht, sie lenkte ihre müden Schritte dahin, und erreichte ein kleines Haus. Bertha pochte an die Thür, ein kleines Mädchen kam ihr freundlich entgegen und hieß sie eintreten. Sie folgte dem Kinde, und als sie in die Stube trat, erkannte sie ihre Aeltern, die von ihren Kindern umgeben am Kaminfeuer saßen. Elsa hatte noch ein kleines Kind auf ihrem Schooße, das an ihrer Brust sog. Die Aeltern erkannten Bertha nicht, und standen auf, sie zu begrüßen. Seyd uns willkommen, schöne Dame! sagte Elsa: wollt ihr ruhen? ihr [190] scheint ermattet. Bertha setzte sich an dieselbe Stelle am Camin, wo sie ehedem gesessen hatte, und Elsa stand auf, um ihr ein Abendessen zu bereiten.

Als Bertha mit ihren Aeltern gegessen hatte, begab sie sich zur Ruhe. Am andern Morgen trug sie ihrer Mutter an, da sie weiter reisen müsse, ob sie ihr Kind zur Verpflegung hier behalten wolle. Euer Sohn, sagte Elsa, ist ein so wunderschönes Kind, daß ihr mir eine Wohlthat erzeigt, wenn ihr ihn mir laßt. Er soll die Milch aus meiner Brust trinken, und wenn ihr ihn auch nicht wieder fordert, so will ich ihn statt meines Kindes erziehen, das wir freventlich weggegeben haben, und von dem wir nun gar nichts hören. Bertha nahm eine Schnur kostbarer Perlen vom Halse, und gab sie ihrer Mutter. Elsa dankte freundlich. Bertha küßte ihren kleinen Sohn noch einmal, und verließ ihrer Aeltern Haus.

Sie ging verschiedne Tage, und ruhte in der Nacht in Höhlen, oder im Schatten eines Baumes, keine Furcht kam in ihr Gemüth, sie wünschte mit Sehn sucht, das Haus des [191] Mannes wieder zu finden, der sie von ihren Aeltern weggeführt, und sie so freundlich bei sich aufgenommen hatte. Endlich am sechsten Tage erblickte sie das Haus, sie erkannte es sehr wohl, und ging dreist in den Hof hinein. Die Mädchen kamen ihr entgegen, und erkannten sie sogleich. Seyd uns gegrüßt, schöne Bertha! riefen sie ihr freundlich entgegen: wie vielen Kummer haben wir nicht während eurer Abwesenheit erlitten! Euer Vater ist wieder ausgegangen, wir glauben, daß er seine verlohrne Bertha zu suchen bemüht ist. Bertha erkundigte sich nun nach allem, und erfuhr, daß, als sie verschwunden war, das ganze Haus darüber voller Traurigkeit gewesen sey. Am andern Morgen habe man den Vogel erblickt, der sey auf ihr Fenster geflogen, und habe die zärtlichsten Lieder gesungen, so daß sich alle Mädchen der Thränen nicht haben erwehren können. Zugleich aber, fuhren sie fort, konnten wir den Glauben nicht fahren lassen, daß der böse Vogel die Ursache sey, warum ihr uns verlassen hattet, und wie wir schon immer beschlossen gehabt, [192] ihn zu fangen, so wollten wir es diesmal ausführen, und es gelang uns auch gar trefflich, wir sperrten ihn in einen engen Käfig, und als euer Vater von seiner Reise zurückkam, und nach seiner lieben Bertha fragte, überreichten wir ihn als den Schuldigen, da ihr nirgends zu finden wart. Der Herr betrachtete den Vogel mit nachdenklicher Miene, und brachte ihn in sein einsames Gemach. Hier versorgte er ihn selber täglich mit Speise, bis er nun wieder abreiste, wo er uns denn diese Sorge übertragen mußte. Bertha bat, man möchte ihr dies Geschäft überlassen, die Mädchen wollten aber nicht darein willigen, weil sie fürchteten, Bertha möchte ihrem Lieblinge die Freiheit wieder geben, die sie ihm sonst durch ihr flehentliches Bitten erhalten hatte. Aber Bertha versprach, daß er in seinem Käfig bleiben sollte, und nun erhielt sie die Erlaubniß, ihm seine Speise zu reichen. Sie begab sich in das Gemach, und erblickte den Vogel, der sein Köpfchen und seine Flügel artig neigte, um Bertha zu begrüßen. Wie ihn Bertha betrachtete, so schien es ihr [193] wieder, als müßte er die Dame seyn, welche ihr einmal erschienen war. Sie schlug das Zeichen in dem wunderbaren Buche auf, berührte es mit der goldnen Feder, und der Käfig zerbrach, der Vogel dehnte sich aus, richtete seine Flügel und seine Federn, und die Dame stand in einem grünen, reich mit Gold gestickten Kleide, und sahe Bertha lächelnd an.

Willkommen, meine Tochter! redete sie sie an, die Zeit des Grames ist nun vorüber, ich nehme diese geflügelte Gestalt nicht wieder an, und will auch meinem Gatten verzeihen, daß er mir diese Schmach bereitet hat.

Wer bist du? fragte die zitternde Bertha. Eine Fee, sagte jene, und die Mutter des Jünglings, der dein Gemahl ist. Ich bin mit dem Manne vermählt, in dessen Hause du lebst, er ist ein mächtiger Zauberer, und liebte mich heftig. Seine Liebe machte, daß er der Eifersucht Raum gab, und mich in einen Vogel verwandelte. Er sah sein Unrecht sogleich ein, denn weil ich unschuldig war, so wurde ihm zur Strafe unser Sohn genommen. Dein Gemüth bestimmte dich, [194] meinen Sohn zu lieben, und dadurch in der Zauberwelt zu leben. In wenigen Augenblicken werden wir alle vereinigt und glücklich seyn. Die Dienerinnen meines Gemahls haben mich mit Gewalt gefangen, und in sein Haus gebracht, er selbst ist ausgezogen dich zu suchen, und findet bei deinen Aeltern deinen Sohn, den er an dem goldnen Stern für seinen Enkel erkennt; er nimmt ihn mit Gewalt, und Bernhard und Elsa haben das Kind so lieb gewonnen, daß sie ihm folgen, und sich nicht von ihm trennen wollen. Mein Sohn mußte dich verlassen, als dein Sohn gebohren wurde, eure Wohnung mußte verschwinden, damit dies liebliche Kind uns alle wie ein freundlicher Stern vereinigen möchte.

Die Dame hatte kaum ihre Rede geendigt, als sich die Thür öffnete, und der Zauberer herein trat, er hielt Bertha's kleinen Sohn auf seinen Armen. Bertha nahm ihn und drückte ihn an ihre Brust, Elsa und Bernhard folgten, sie erkannten nun in der Mutter des Kindes ihre Bertha. Auch der [195] schöne Jüngling war herbei gekommen, und alle umarmten sich, und freuten sich des schönen Tages. Der Zauberer und die Fee versöhnten sich, und versprachen ihren Kindern, daß sie von nun an lauter glückliche Tage sehen sollten.

[196]

Der Unglückliche

[197] [199]Wie günstig, sagte Leonhard, ist mir bis jetzt das Glück gewesen, keines meiner Schiffe ist verunglückt, immer sind sie mit reichen Waaren wohl beladen zurück gekehrt; mein Haus ist gut eingerichtet, ein reiches schönes Mädchen werde ich in kurzem als meine Gattin hinein führen: was bleibt mir noch zu wünschen übrig? Dieses Selbstgespräch führte Leonhard auf seinem einsamen Spatziergange, er verglich alle Menschen, die er kannte, mit sich, und fand, daß keiner von ihnen sich an Glück mit ihm vergleichen ließe. Unter solchen Betrachtungen hatte er sich weit von der Stadt entfernt, die Sonne wollte bald untergehn, und erinnerte ihn, daß er auf seinen Rückweg bedacht seyn müsse. Er ging über [199] einen Platz, auf welchem das Gras und die Kräuter außerordentlich grün und sehr hoch empor gewachsen waren. Hier muß der Boden ganz besonders fruchtbar seyn, dachte Leonhard, und wunderte sich um so mehr, als er bemerkte, daß in der Mitte des Platzes eine Stelle dürr war. Er ging hin, um diese seltsame Erscheinung in der Nähe zu betrachten, und sahe, daß auf diesem Boden ein kleines Kästchen stand, das mit vielen Schlössern und Siegeln sorgfältig zugeschlossen war. – Welchen Schatz mag dies Kästchen enthalten? dachte Leonhard, und bemühte sich die Schlösser zu eröffnen. Es war ihm aber nicht möglich, und er entschloß sich, seinen gefundnen Schatz erst in seiner Wohnung zu betrachten, daher verdoppelte er seine Schritte, um sie bald zu erreichen.

Kaum war er auf sein Zimmer gekommen, als er auch schnell die Schlösser erbrach, und die Siegel von dem Kästchen herunter riß. Er hatte es nun geöffnet, und konnte das, was es enthielt, betrachten. Es war kein Stein und doch war es hart und fest, [200] es schien durchsichtig und klar, und doch, wenn er es genau betrachtete, war es trübe, und finstere Gestalten bewegten sich darin, und wenn es Leonhard schien, als ob er sie erkennen würde, so waren sie plötzlich in einer trüben Wolke erloschen. Leonhard hielt dies seltsame Ding für ein Wunder der Natur, und freute sich sehr über den Zuwachs seines Glücks, daß gerade er es gefunden habe. Er steckte es zu sich, und wollte seiner Braut noch heute seine Freude mittheilen, denn er hielt diesen Stein für einen von großem Werthe; zugleich fiel es ihm ein, daß er sie angenehm zur ungewöhnlichen Stunde überraschen wolle. Er eilte nach ihrem Hause, die Mutter wunderte sich, ihn noch so spät zu sehne, und sagte ihm, die Tochter sey im Garten, um den schönen Abend zu genießen. Leonhard ging hinunter, die Mutter sagte: Ich mag euch nicht begleiten, der Bräutigam überrascht die Braut weit angenehmer allein. Leonhard durchirrte eilig alle Gänge, suchte emsig in allen Gebüschen, er konnte die Zeit nicht erwarten, um seiner Emma von der gefundenen [201] Kostbarkeit zu erzählen; er wurde verdrüßlich, als er sie immer noch nicht fand. Endlich setzte er sich in einer dunkeln Laube nieder, es war indeß ganz finster geworden, und nun vernahm er Fußtritte; er glaubte schon, es sey seine Braut und wollte ihr entgegen gehn, als er eine männliche Simme hörte. Sey ruhig, sagte der Fremde, meine Liebe soll über alle Hindernisse siegen. Die beiden Sprechenden näherten sich der Laube, Leonhard drängte sich in eine Ecke zurück, und die Finsterniß verbarg ihn; an dem weißen Gewande erkannte er seine Emma, die mit einem Manne in die Laube trat, und sich ganz nahe bei Leonhard setzte, der ängstlich sich nicht zu athmen getraute, um seine Gegenwart nicht zu verrathen.

Kann ich diese Seufzer nicht stillen, sagte der Fremde, kann ich nicht Hoffnung und Frieden in deinen Busen küssen? Leonhard hörte die Küsse schallen, und war seiner kaum mehr mächtig. Ach mein theurer Freund! sagte Emma, so lange habe ich deinen Anblick entbehren müssen, immer war uns das Schicksal [202] zuwider, und vereitelte alle unsere Plane, und nun es dir endlich gelingt, und ich dich an mein Herz drücke, kann ich nichts, als an dem deinigen trostlos klagen.

Fasse doch Muth, du Geliebte! sagte der Jüngling, ich werde diese verhaßte Verbindung hindern, wenn du mir folgen und unserm Glücke vertrauen willst. Zugleich theilte er ihr seinen Plan mit, und bat sie mit ihm zu entfliehen; dieselbe Leiter, sagte er, die mir herein geholfen hat, hilft dir über die Mauer, draußen erwarten uns Pferde und ein treuer Diener, du rettest dich in meine Arme und bist mein. Wenn wir entdeckt würden! sagte Emma.

Dafür schützt uns dies, sagte der Jüngling, und zog einen Dolch aus dem Busen, der so hell polirt war, daß ihn Leonhard in der Dunkelheit deutlich sehen konnte. Dieser Anblick machte, daß er sich noch ängstlicher zurück drängte.

Laß uns aber die Zeit nicht versäumen, fing der Jüngling von neuem zu sprechen an, heute hast du über dich noch zu gebieten, die [203] Umstände sind uns günstig: wer weiß, ob sie nicht morgen schon eilen, dich in verhaßte Ketten zu schmieden?

Laß uns eilen! rief Emma heftig, denn bei dem Gedanken, daß Leonhards Arme mich umschließen sollen, erstarrt mein Blut, lieber will ich mich dem Tode, als seinen Umarmungen bieten. Beide verließen eilig die Laube, und Leonhard sah das weiße Gewand seiner Geliebten schimmern, wodurch er deutlich bemerken konnte, wie sie die Mauer erstieg. Er hielt sich ruhig, bis sie hinüber war, denn der Dolch und der bestimmte Ton des Mannes, der ihn führte, hatten ihn so in Furcht gesetzt, daß er sogar noch eine Zeitlang in dem Garten blieb, um nicht noch einmal mit ihnen zusammen zu treffen. Er ging endlich nach seiner Wohnung, ohne von Emma's Mutter Abschied zu nehmen. Als er auf seinem Zimmer war, überlegte er den Vorfall und war in Verzweiflung.

Soll ich, rief er, meine Braut, meine geliebte Emma verlieren? Nein! ich will ihr nach, ich will mit dem Buben kämpfen, der [204] sie mir entrissen hat. Doch, setzte er gemäßigt hinzu, es ist das erste Unglück welches mir begegnet, ich will es mit Vernunft ertragen. Er dachte daran, daß er noch seinen gefundnen Schatz bei sich führte, er betrachtete ihn, und erfreute sich von neuem an diesem Anblick. Der Stein war ganz verwandelt, die Gestalten, die schwarzen Wolken waren verschwunden, er war hell und durchsichtig, und rothe Flammen wogten darin auf und nieder.

Leonhard war bemüht, sich über Emma's Verlust zu trösten, und diesen seltenen Stein sorgfältig zu bewahren. Er verschloß ihn in eine eiserne Kiste, und legte sich nun, über seinen Verlst getröstet, zur Ruhe. Er hatte kaum wenige Stunden geschlafen, als ihn seine Diener mit ängstlichem Geschrei aufweckten. Ach Herr, riefen sie, eilet! rettet euch! das ganze Haus steht in hellen Flammen, wir wissen nicht woher dies Unglück kommt. Leonhard sprang auf, und war in Verzweiflung, als er sah, daß die Flamme am heftigsten in dem Theile des Hauses wüthete, in [205] welchem die Kiste stand, die seinen Schatz verwahrte. Er drängte sich hindurch, und achtete es nicht, wenn brennende Balken neben ihm niederstürzten, er hörte nicht, wie seine Diener flehten, und ihn zurückhalten wollten. Endlich hatte er das Gemach erreicht, er öffnete die Kiste, nahm den wunderbaren Stein heraus, und eilte nun sich damit zu retten. Mit verbrannten Haaren erreichte er den Ausgang des Hauses, und kaum befand er sich im Freien, so hörten die Flammen zu wüthen auf. Leonhard beschaute den Stein, und nun schien er ihm von noch grösserm Werth, denn die Flammen darin waren erloschen: dies überzeugte ihn, daß dieser Stein ihm in Bildern alles vorherzeigte, was ihm begegnen würde, und da das Feuer sogleich aufhörte, als er das Haus verlassen hatte, so glaubte er, der Stein werde ihn vor allem Unglück beschirmen, wenn er ihn immer bei sich trüge.

Leonhard sahe auf sein Haus zurück, das vor kurzem noch so wohl eingerichtet war: – Ach! seufzte er, wie schnell ist ein großer Theil [206] meines Glückes untergegangen, die Braut ist verloren, die ich in dies Haus führen wollte, ja das Haus selber ist verbrannt, und ich muß es noch als Gewinn betrachten, daß ich nicht den Tod in den Flammen gefunden habe. Dafür hast nur du mich beschützt, sagte er, indem er den Stein betrachtete, deine Wunderkraft hat mich aus den Flammen gerettet, dafür will ich dich als eine Gabe des Himmels bewahren. Daran thut ihr wohl, sagte ein alter Mann, der sich Leonhard genähert, und seine Worte gehört hatte, es ist auch eine Gabe des Himmels. Leonhard erschrack, sich beobachtet zu sehen, und wollte schnell den Stein verbergen. Seyd nicht besorgt, sagte der Alte, ich will euch das Ding nicht entreißen, ja ich gönne euch euer Glück von Herzen, und bin mit dem Schicksal sehr wohl zufrieden, daß es euch diese Creatur finden ließ. Der Alte ging hinweg, und Leonhard war immer mehr überzeugt, daß er seinen Stein hoch halten müsse. Er konnte den Anblick seines niedergebrannten Hauses nicht ertragen, und wollte einen seiner Freunde [207] besuchen, um sich bei ihm über den Verlust des Hauses und der Braut zu trösten, nur vorher wollte er den Stein noch einmal betrachten. Er war klar wie Wasser, doch plötzlich fingen Wellen an darin zu brausen und zu schäumen, und Leonhard glaubte ein zertrümmertes Schiff in den Wellen zu bemerken. Ach! seufzte er, verkünde mir nur kein neues Unglück, laß es nicht mein Schiff seyn, das die wilden Wellen hin und wieder werfen, laß nicht all mein Glück so schnell zu Grunde gehen. Er hatte nun keine Ruhe, er wurde von Sorgen und Zweifeln gepeinigt, und so ging er nach dem Hafen, um sich zu erkundigen, ob nicht eins von den angekommenen Schiffen ihm Zeitung von seinem Glücke brächte.

Er hatte kaum den Hafen erreicht, als ihm einer seiner treuen Diener entgegen kam, der sich auf dem Schiffe, welches Leonhard erwartete, befunden hatte. Ach Herr! redete ihn dieser an, ich bringe euch eine betrübte Zeitung. Wir waren mit reichen Gütern und mit einem zehnfachen Gewinn ganz in [208] der Nähe, wir hielten uns schon für sicher, und hatten keine Furcht vor irgend einer Gefahr; da erhob sich ein Sturm, der nur wenige Stunden währte, und euer schönes Schiff in der kurzen Zeit so zertrümmerte, daß von allen euren Gütern nichts gerettet ist, als euer unglücklicher Diener. Leonhard war erstarrt, er erzählte in wenigen Worten dem Diener sein Unglück, und kehrte voll Verzweiflung zur Stadt zurück. Er ging zu einem Kaufmanne, der ihm eine große Summe schuldig war, und erwartete schon, daß auch diese verlohren, und er, der noch vor kurzem so zufrieden mit seinem Glücke war, plötzlich zum Bettler verarmt seyn würde; wie groß war also seine Freude, als sie ihm ohne Schwierigkeit ausgezahlt wurde. Vielleicht habe ich nun für mein Glück gebüßt, sagte er, und das Schicksal ist müde mich zu quälen. Er betrachtete seinen Stein, um zu sehen ob ihm ein neues Unglück verkündet würde, aber er war ganz hell, und der reine blaue Himmel spiegelte sich darin. Der Anblick des freien Himmels brachte Leonhard auf den [209] Gedanken, mit der großen Summe Goldes, welche er jetzt besaß, eine Reise nach einer entfernten Gegend anzustellen: er wußte, daß er einen so vortheilhaften Handel machen konnte, der ihm allen seinen Verlust wieder ersetzen würde. Er theilte diesen Plan seinem alten Diener mit, der ihn billigte, und sie beschlossen beide, am andern Morgen abzureisen. Leonhard war nur besorgt, sein Gold und seinen wunderbaren Stein sorgfältig zu bewahren. Die Hoffnung auf einen nahen Gewinn machte, daß er sich über sein erlittenes Unglück zufrieden gab, und mit seinem Diener ziemlich heiter die Reise antrat.

Schon hatten sie einige Tagereisen gemacht, ohne daß ihnen ein unangenehmer Zufall zugestoßen wäre, jeden Tag betrachtete Leonhard seinen Stein, aber zu seinem Troste blieb er immer klar, und das Bild des Himmels spiegelte sich darin. Am zehnten Tage betrachtete er ihn wieder, und wurde erschreckt durch eine Gestalt, die er in ihm erblickte, es schien ihm ein mit Blute bedeckter Mann zu seyn. Er wurde ängstlich, es war die letzte [210] Tagereise, die er noch vor sich hatte, und die er nicht aufschieben konne. Ist es mein Schicksal, sagte er endlich zu seinem Diener, daß ich auf diesem Wege meinen Tod finde, so will ich mich muthig darein ergeben. Der Diener glaubte nicht an die prophetische Gabe des Steines, und bestritt die Besorgnisse seines Herrn, und beide setzten ihre Reise fort. Es war Mittag geworden, und noch war ihnen kein Ungemach begegnet. Sie zogen weiter, und sahen schon in der Ferne die herrliche Stadt, das Ziel ihrer Reise. Nun, sagte der Diener, seht ihr doch, daß euer Stein lügt, wir werden in kurzer Zeit die Stadt erreichen, und keiner von uns ist verwundet. Leonhard freute sich, daß er sich so nahe am Ziele sah; noch mußten sie einem kleinen Walde, der seitwärts lag, vorüber reiten. Sie hatten ihn kaum erreicht, als vier bewaffnete Männer ihnen daraus entgegen stürzten, die sie sehr bald für Räuber erkannten. Sie wollten ihnen entfliehen, die Räuber aber hatten bessere Pferde und holten sie schnell ein. Der Diener entfloh, weil alle beschäftigt [211] waren, Leonhard nieder zu werfen und zu berauben, dieser vertheidigte sich nur wenig, aber sie verwundeten ihn in der Hitze des Kampfes mit ihren Dolchen, und der Blutverlust machte, daß er entkräftet zu Boden sank. Sie nahmen ihm sein Gold, und einer von den Räubern hielt auch den Stein in der Hand, und betrachtete ihn. Leonhard bat mit schwacher flehender Stimme, wenn sie ihn gleich alles Goldes beraubten, so möchten sie ihm wenigstens diesen Stein lassen. Der Räuber warf ihn lachend hin, und sagte: Wenn ihr um nichts kostbareres bitten wollt, so können wir euer Verlangen leicht erfüllen.

Die Räuber verließen den Verwundeten, der den Stein in den Händen hielt, und ihn wehmüthig ansahe. So hast du mir doch die Wahrheit verkündet, sagte er, und mein Unglück kann nun nicht höher steigen. Ich bin selbst das Jammerbild, welches du mir zeigtest, aus meinen Wunden fließt mein Leben dahin, mein Diener ist entflohen, kein Mensch in der Nähe, der mir Hülfe leisten könnte, auch bin ich so aller meiner Güter beraubt, [212] daß ich selbst den kleinsten Dienst nicht zu belohnen vermöchte. Er konnte sich, indem er diese Betrachtungen anstellte, der Thränen nicht erwehren, sondern ließ sie unaufhaltsam fließen. Ein Einsiedler kam betend aus dem Walde; Leonhard erblickte ihn, und strengte seine letzten Kräfte an, um ihn um Hülfe anzurufen. Der Einsiedler hörte seine Stimme, und näherte sich ihm. Leonhard bat, sich seiner anzunehmen, der Einsiedler wollte ihn aufheben, als er den Stein in seinen Händen erblickte, voll Entsetzen trat er zurück. Wie seyd ihr, fragte er, zu dem unseeligen Wesen gekommen? Ich habe diesen kostbaren Stein, antwortete Leonhard, einst auf meinem Wege gefunden, und mich seiner als eines seltenen Gutes gefreut.

Thörichter Mann! rief der Einsiedler, ihr habt dasUnglück freiwillig aufgehoben, das ein mächtiger Zauberer in diese Gestalt gebannt hat. Leonhard warf den Stein weit von sich, aber nun offenbarte sich seine Gewalt, denn er befand sich sogleich wieder in seinen Händen. Der Einsiedler hob den [213] Unglücklichen auf, und sagte, ich will euch in meine Hütte tragen, und eure Wunden heilen, aber so lange ihr in meiner Wohnung verweilt, will ich sie nicht mit euch theilen, sondern mir ein Lager in einer Höhle suchen, denn wer möchte mit dem Unglücke unter einem Dache wohnen.

Der Einsiedler und Leonhard erreichten mit Mühe die Hütte. Der Eremit legte heilende Kräuter auf Leonhard's Wunden, setzte ihm dann Speise und Trank vor, und sagte: morgen will ich euch wieder besuchen; wenn fromme Bürger aus der nahen Stadt Nahrung und Geschenke bringen, so nehmt sie nur an, und ich will sie morgen mit euch theilen. Der Einsiedler verließ den unglücklichen Leonhard, der den Stein betrachtete, und ihn als den Urheber aller seiner Leiden verwünschte. Er bestrebte sich etwas zu ersinnen, wodurch er ihn loswerden könnte, denn er zweifelte nicht einen Augenblick, daß sein voriges Glück wieder aufblühen werde, wenn er nur dies gefundne Unglück wieder von sich entfernen könnte. Er entschloß sich endlich, [214] so matt er auch war, den Stein tief in die Erde zu vergraben. Er trug ihn also hinaus, grub so tief es ihm möglich war, legte den Stein in das Loch, und schüttete dann mit der größten Schnelligkeit Erde darüber. Als er seine Arbeit vollendet hatte, wälzte er zur grötsern Sicherheit ein großes Felsenstück auf die Stelle, und meinte nun, er habe das Unglück tief genug verborgen. Mit Zufriedenheit betrachtete er sein vollendetes Werk, und lehnte sich ermüdet an einen Baum. Zu seinem Erstaunen fing der Boden sich zu erwühlen an, eine furchtbare Macht schien darin zu arbeiten, und schleuderte den Stein, welchen Leonhard mit so großer Anstrengung darauf gewälzt hatte, mit leichter Mühe weit hinweg. Der Baum, unter welchem er stand, zitterte und wankte, und ein graues Kraut drängte sich aus der Erde empor. Mit großer Geschwindigkeit schoß es in die Höhe und hatte eine blutrothe große Knospe, die mit ihrer Schwere die ganze Staude zur Erde bog. Leonhard trat hinzu, um dies seltsame Gewächs zu betrachten, da sprang die Knospe, [215] aus der sich aber keine Blume entfaltete, sondern das Unglück, welches Leonhard so tief in die Erde vergraben hatte, fiel in seine Hand. Als die Staude sich dieser Frucht entladen hatte, welkte sie eben so schnell, als sie entstanden war. Die Blätter wurden dürr und fielen ab, sie vermischten sich in demselben Augenblick wieder mit dem Staube, und von der Pflanze war keine Spur mehr zu sehen. Leonhard betrachtete mit Entsetzen das Unglück, welches er nun wieder in seiner Hand hielt. Was soll ich mit dir beginnen? sagte er, wie soll ich mich von dir befreien? Indem hörte er eine Quelle rauschen, die sich von einem Felsen herunter in eine Kluft stürzte.

Hast du dich aus der Erde hervorgearbeitet, sagte er, so will ich sehen, ob du den Fluten auch entrinnen wirst. Er näherte sich der sprudelnden Quelle, warf den Stein mit großer Gewalt hinein, und hoffte, die Wellen sollten ihn mit sich fortführen. Er wurde betäubt von dem gewaltigen Brausen, das sich im Wasser erhob, das zischend und schäumend sich aufwärts bäumte. Leonhard [216] wollte entfliehn, da legte sich das wilde Toben, und eine weibliche Gestalt schwamm auf dem Wasser, vor deren Anblick sich Leonhard entsetzte. Ein dunkles Gewand umhüllte die bleichen Glieder, lange schwarze Haare flossen den Rücken herunter und bedeckten das halbe Gesicht, so daß sie den Elenden nur mit einem Auge betrachtete, welches ihm aber fürchterlich dünkte. Seine Haare sträubten sich vor Furcht empor, er floh in den Wald hinein. Mit Leichtigkeit erhob sich das Unglück aus dem Wasser und eilte ihm nach, Leonhard wagte es nicht sich umzusehen, sondern rannte unermüdet vorwärts. Endlich als seine Kräfte erschöpft waren, und die Ermattung ihn zwang still zu stehen, wagte er es den Blick zu wenden, und er sahe dicht hinter sich das Unglück, das ihn mit dem einen Auge ansah, und mit den Augenbrauen winkte.

Folgst du mir unermüdet, furchtbare Gestalt? rief der geängstete Leonhard: so sprich denn auch, und verkünde mir alles Elend, welches ich noch von dir erwarten muß. Das Unglück betrachtete ihn, und winkte von neuem [217] mit den schwarzen Augenbrauen, ohne zu sprechen. Dies Stillschweigen schien Leonhard das furchtbarste, wüthend warf er sich auf die Gestalt, und wollte mit ihr kämpfen, da war sie verschwunden; er blickte um sich, und nirgends war sie sichtbar. Er wagte die Hoffnung, daß er sie überwunden habe, und daß sie entflohen sey; er überlegte nun, was er, da er sein ganzes Vermögen verloren, beginnen sollte, und machte ruhig verschiedene Plane, denn er hatte wieder Muth gewonnen, indem er das Unglück besiegt zu haben meinte. Er hatte sich in Betrachtungen vertieft und war so, ohne es zu wissen, zur Hütte des Einfiedlers gekommen; jetzt hob er seine Augen auf: aber wie entsetzte er sich, als er sahe, daß das Unglück, ruhig sinnend, neben ihm ging. Das Weib betrachtete die Stelle, an welcher Leonhard sie hinein begraben hatte, und winkte ihm drohend mit den Augenbrauen. Voll Verzweiflung floh er in die Hütte, und das Unglück schritt ihm nach. Fromme Bürger hatten für den Einsiedler Früchte und allerlei Speisen gebracht, und sie auf seinen [218] steinernen Tisch gelegt, da sie niemand in der Hütte gefunden. Das Unglück setzte sich zu dem Tisch, und verschlang in wenigen Augenblicken alle Speisen. Leonhard sah mit Grausen zu. Nun kam der Einsiedler, um nach Leonhards Wunden zu sehn, und wollte schon mit Abscheu fliehen, als er die gräsliche Gestalt er blickte, aber die flehende Gebehrden des Fremden hielten ihn zurück.

Thörichter! rief der Einsiedler aus, was hast du gethan! Nicht nur daß du dir das Unglück freiwillig aufgehoben, und mit dir geführt hast, du hast es auch in die Wellen getaucht, und so den Zauber gänzlich aufgelöst, daß es nun in seiner natürlichen Gestalt umher wandelt. Leonhard sagte ihm, wie er sich habe davon befreien wollen, und wie übel ihm dies gelungen sey, dann erzählte er ihm, daß das Ungeheuer alle Nahrung verschlungen habe. So habe ich nichts, sagte der Einsiedler, um deinen und meinen Hunger zu stillen, als die Wurzeln, die im Walde wachsen. Leonhard ging mit dem Einsiedler, um Speise für sie zu suchen, das Unglück gesellte sich zu [219] jenem, der Einsiedler zeigte ihm, wo er Wurzeln finden würde, und so wie er eine auszog, die gut war, nahm sie ihm das Unglück aus der Hand und verschlang sie. Nur die schlechten und verdorrten ließ sie ihm, und winkte dabei mit den Augenbrauen.

Voll Jammer und nur halb gesättigt, kehrte Leonhard zu der Hütte zurück, der Einsiedler begab sich wieder in eine Höhle. Leonhard warf sich auf das Lager nieder und schloß die Augen; so, meinte er, wolle er wenigstens für die Nacht dem Unholde entrinnen, zu seinem Entsetzen aber fühlte er, wie das Unglück sich dicht zu ihm bettete. Unter Furcht und Angst erwartete er die Dämmerung des Morgens, er hoffte das Ungeheuer würde schlafen, aber als es so hell war, daß er es betrachten konnte, bemerkte er, daß es das halbe Gesicht sorgfältig mit den Haaren bedeckt hielt, und mit dem einen Auge Leonhard eben so sorgfältig beobachtete.

Ich sehe es, sagte er seufzend, nur der Tod wird mich von dir befreien, und darum will ich mein Leben enden. Er eilte [220] zu der Quelle, und rief dem Unglück zu, das ihm gefolgt war: Dich haben die Fluthen nicht aufnehmen wollen; um mich von der Qual zu befreien, werden sie mitleidig mich empfangen, und so werde ich dir entrinnen. Er sprang in die Wellen, aber er fühlte kaum das Wasser, so wurde er mit Gewalt wieder heraus gezogen, das Unglück hielt ihn bei den Haaren, stellte ihn an die Quelle hin, sahe ihn mit dem einen Auge an, und winkte ihm mit den Augenbrauen. Leonhards Herz wurde von neuem mit Angst und Entsetzen erfüllt, er glaubte mit Gewißheit, daß die Seite des Gesichts, die ihm das Unglück verdeckte, noch weit gräßlicher seyn müsse, als die, welche er sah. Er floh von neuem, wie ein scheues Wild, und das Unglück wie sein Jäger hinter ihm drein. Er erreichte die Hütte des Einsiedlers, und setzte sich trostlos nieder; das Unglück saß ihm zur Seite. Die frommen Bürger aus der nahen Stadt kamen, um dem Einsiedler ihre Geschenke zu bringen, flohen aber mit Schaudern zurück, als sie den fremden Mann und seine Gesellschafterin an dem [221] Tisch des Alten erblickten. Keine Speise war nun vorhanden, denn in der Angst hatten die Erschreckten ihre Gaben wieder mit sich genommen, darauf fing das Unglück an, den Armen um Speise zu plagen, und deutete mit seinen Winken an, daß er Wurzeln graben solle. Als es Leonhard immer nicht that, wollte sie den verdeckten Theil ihres Gesichts entschleiern, da ging er eilig, und fing an Nahrung für das Ungeheuer zu suchen; sie entriß sie seinen Händen, und verschlang alle Wurzeln, die er fand, mit der größten Schnelligkeit. Ermattet von der vielen Arbeit sank er zu Boden; der Einsiedler kam nun auch einige Wurzeln zu suchen, und fand Leonhard in diesem trostlosen Zustande.

Was ist dir von neuem begegnet? fragte der Einsiedler, und der Unglückliche klagte ihm sein hartes Geschick, wie er ohne Speise sey, und wie ihm auch nicht eine armselige Wurzel gegönnt werde.

Nein! rief der Einsiedler aus, mit dir ist nicht möglich zu leben, ich will deine Nähe fliehen, und weit von hier einen andern Wald [222] suchen, wo ich mich meinen stillen Betrachtungen weihen kann. Leonhards Bitten vermochten nicht, ihn zurück zu halten, er verließ noch denselben Abend den Wald, und jener war nun ganz ohne Hülfe, mit dem Unglück allein. Speise brachte ihm niemand mehr, denn das Gerücht hatte sich schnell verbreitet, welch ein seltsames Gespenst die Hütte des Einsiedlers bewohne, und Leonhard ward gezwungen, das Unglück mit Wurzeln zu ernähren, wovon es ihm kaum einige, und nur die schlechten zu essen erlaubte.

So hatte er mehre kummervolle Tage verlebt, und saß verzweifelnd vor der Hütte. Was soll ich beginnen? rief er aus, wie soll ich mich von dem Unglück befreien? Selbst dem Leben kann ich nicht entfliehen, denn so oft ich mich zu ermorden versucht, immer ist das Unglück bereit mich wieder zu erretten. Giebt es denn keine wohlthätige Macht, die mein Flehen hört, und zu meiner Hülfe herbeieilt?

Als er noch so mit sich selber sprach, hörte er ferne Hufschläge wie von vielen Rossen. Er wandte seine Blicke nach der [223] Gegend, aus der die Töne kamen, und erblickte bald auf stattlichen Pferden eine Menge reich gekleideter Leute. Eine Dame in einem prachtvollen Reisekleide saß auf einem weißen Pferde, ein alter Mann in einem reichen Mantel ritt ihr zur Seite, und auf der andern begleitete sie ein überaus schöner Jüngling, viele Diener folgten ihnen. Sie zogen unter fröhlichen Gesprächen ihren Weg, und ihr Scherz und das muntere Lachen machten, daß Leonhard weinen mußte. Er sah sich um und bemerkte, daß das Unglück dem fröhlichen Zuge aus dem Wege gegangen war, und ihn in der Hütte erwartete. Flehend streckte er nun seine Hände nach der Gesellschaft aus und rief:

O wenn ihr so vom Schicksal begünstigt seyd, daß vor eurem Anblick das Unglück flieht, so nehmt mich Armen in eure Gesellschaft auf, damit auch ich wieder genese, und von der Abscheulichen befreit werde!

Die Gesellschaft näherte sich ihm, um seine Bitte zu verstehen, da erkannte Leonhard seine ehemalige Braut, seine geliebte [224] Emma in der prächtig gekleideten Frau. Er warf sich zu ihren Füßen nieder, und flehte in beweglichen Worten, sie möchte ihn in ihre Gesellschaft aufnehmen. Emma war gerührt und sagte zu dem Alten: Wenn ihr es vermögt, mein Vater, so helft doch diesem Unglücklichen. Leonhard betrachtete den Mann, den Emma Vater nannte, und erkannte in ihm den Alten, der ihn einst anredete, und über seinen gefundenen Schatz verhöhnte. Ich ließ euch das Unglück finden, sagte der Alte, und ich hatte es durch meine Kunst zu einem seltsamen Stein gemacht; hättet ihr es nicht in die Fluthen einer reinen Quelle getaucht, und so den Zauber gelöst, so könnte ich es sogleich wieder in einen Kasten verbergen, aber ich will euch dennoch davon befreien.

Warum hast du mich aber so grausam verfolgt? fragte Leonhard.

Du wolltest mich meiner Tochter berauben, sagte der Alte, darum ließ ich dich das Unglück finden. Meine Emma war mir früh von einer bösen Zauberin geraubt, deren Macht ich nicht widerstehen konnte. Sie wurde [225] dem Manne, welchen sie für ihren Vater hielt, von der Abscheulichen als ein armes Kind verkauft, der sie, da er ohne Kinder war, als das seinige zu erziehen beschloß. Ich konnte meine Emma nicht wieder erhalten, wenn man sie mir nicht freiwillig übergab, einen solchen Zauber hatte meine Feindin um sie her verbreitet. Ich sahe dich, wie du um sie warbst, und wie du sie nicht verdientest, auch wäre meine Tochter auf ewig verlohren gewesen, hätte ein anderer als ich ihre Hand mit der Hand eines Mannes vereinigt. Ich sah auch die Liebe dieses Jünglings, der adelich an Geburt und Gestalt war, und dem sich das Herz meiner Emma entgegen neigte, ich begünstigte seine Liebe und ließ dich das Unglück antreffen. Meine Tochter entfloh, weil du dein böses Schicksal bei dir trugst. In dem ersten Walde, durch den sie reisten, erwartete ich sie in einer einsamen Hütte, in das Gewand eines Einsiedlers gehüllt, meine Worte gewannen ihr Herz, und der Jüngling legte ihre Hand in meine und sagte: sey du ihr Vater und gieb uns deinen Segen. In demselben Augenblick war der Zauber gelöst [226] und wir alle glücklich, und nun will ich auch dich beglücken, und dir alles, was du verlorst, reichlich ersetzen.

Als der Alte seine Worte geendigt hatte, winkte er dem Unglück, das zitternd in der Hütte saß. Es mußte, so sehr es sich auch krümmte, ganz nahe zu ihm treten, er berührte es mit einem kleinen Stabe und sagte: ich gebe dir deine ganze Freiheit wieder. Das Unglück erhob sich, und ließ die Haare vom Gesicht zurück fallen, über dessen Anblick sich Leonhard so entsetzte, daß er zu Boden fiel. Die langen schwarzen Haare wurden zu großen schwarzen Flügeln, mit denen es durch die Luft rauschte, und alle Bäume des Waldes zitterten, die es im Fluge berührte. Das Unglück ist nun entflohen, sagte der Alte freundlich zu Leonhard, folge uns, damit du ganz glücklich seyn mögest. Leonhard dankte dem Alten und verließ freudig in seiner Gesellschaft den Wald, da das Unglück ihn wieder verlassen hatte, und der Alte ihm für diese kummervolle Tage einen reichen Ersatz verhieß.

[227][229]

Belinde

[229] [231]Belinde stand in ihrem einsamen Gemach, und schaute hinunter in den blühenden Garten. Lebe wohl, sagte sie mit Thränen, du Schauplatz meines Glücks, lebt wohl, ihr rauschenden Bäume, die ihr mich und den Geliebten oft in eurem dunkeln Schatten vor den spähenden Augen verbarget! Lebt wohl, ihr süßen Blumen, spendet keine Gerüche mehr, haucht euren balsamischen Athem nicht mehr vergeblich in die Lüfte! Die Liebe, welche verstand, was ihr mit euren Farben, mit euren Düften meintet, sie muß euch verlassen. Hinweg wird man mich reißen von allen meinen Freuden, und ich werde einsam verblühn.

So klagte sie laut, und es trat ein Diener herein, er reichte ihr ein schlechtes Gewand, [231] und sagte mit traurigen Blicken: In diese grobe Tücher sollt ihr, edles Fräulein, eure zarten Glieder hüllen, so will es euer strenger Vater. Lächelnd nahm Belinde die Kleider und legte sie an; bald darauf erschien ihr Vater und befahl ihr, ihm zu folgen.

Laßt mich die Mutter nur noch einmal umarmen, sagte Belinde, daß ich ihren Segen mit mir hinweg nehme.

Schweig! rief der Vater, nimmer sollst du sie wieder sehen. Die Thörin! sie begünstigte deine Wahl, so büße sie denn auch mit dir. Ihr kennt den Jüngling nicht, den ihr verwerft, sagte Belinde. Er ist meines Feindes Sohn, rief der Vater, das ist mir genug, ihn zu verwerfen; du widersetzest dich, dem Manne die Hand zu reichen, den ich für dich erwählt habe, das genügt mir, dich zu bestrafen; du sollst deinen Ungehorsam, von meinem Angesicht verbannt, mit tausend Thränen büßen. Belinde mußte ihrem Vater folgen, er befahl ihr, ein Roß zu besteigen, und er selbst und einige Diener begleiteten sie. Stillschweigend ritten alle, der Vater war erzürnt, die [232] Diener betrübt, daß sie ihr Fräulein so verstoßen sahen. Sie war ihnen so oft tröstend erschienen, wenn der strenge Herr zu harte Befehle gab, sie hatte jede Strafe gemildert, jede Belohnung erhöht, denn sie war bis jetzt des Vaters Liebling gewesen, und hatte ihn oft versöhnt, wenn er im Zorn entbrannte, diesen Zorn hatte sie nun gegen sich selbst gereizt, und so mußte sie ihn in seiner ganzen Schrecklichkeit empfinden.

Belinde hielt ihre Thränen nicht zurück, als sie das Schloß ihres Vaters aus den Augen verlohr. Fernando, du Geliebter! sprach sie leise, ach auf ewig bist du meinen Blicken entzogen, vergebens werde ich meine Arme nach dir ausstrecken, vergebens wird der Strom der Liebe durch mein Herz fließen, meine heißen Thränen, sie werden dich nicht zu mir herziehn. Ach du weißt nicht einmal, wo deine unglückliche Belinde einsam trauert! O ihr mitleidigen Winde, bringt ihm Kunde von mir! ihr Bäume verrathet ihm mit eurem Rauschen den Weg, den wir gezogen sind, ihr Vögel zieht vor ihm her, und leitet seine [233] Schritte mir nach. Ach nur einmal noch, gütiges Schicksal, laß ihn mich an mein Herz drücken, nur Abschied laß mich von ihm nehmen, nur ihm sagen: vergiß mich nicht! damit er wisse, daß mein Leben mit seiner Liebe enden muß.

Den ganzen Tag waren sie ohne zu rasten fortgezogen; Belinde war ermattet, und ihr Vater mußte erlauben, daß man bei einer nahen Quelle still hielt. Belinde näherte sich der Quelle, um mit einigen Tropfen Wassers sich zu erquicken. Wie sie sich über die Quelle bog, um das Wasser mit der Hand zu schöpfen, sahe sie das Gesicht eines schönen Mädchens im Wasser, das ihr freundlich zuwinkte, und leise zu ihr sagte: Sey nur getrost, ich stehe dir bei. Belinde erschrack nicht über den Anblick, und die Worte, die sie vernahm, trösteten sie. Sie bestieg muthig ihr Pferd, ihr Auge war heiter geworden, und sie zogen weiter. Man erreichte einen Wald, hinter dessen Bäumen die Zinnen einer Burg sichtbar wurden, die auf einem Berge lag. Laßt uns hier noch einen Augenblick rasten, sagte der [234] Graf, wir sind bald am Ziel unserer Reise. Die Diener konnten ihren Thränen nicht Einhalt thun, daß sie sich nun so bald von ihrem Fräulein trennen sollten, auch Belindens Herz bangte. Sie setzte sich in einiger Entfernung von ihrem Vater, und lehnte sich an eine Grotte, die mit wilden Blumen ganz umwachsen war. Wenn du dich jetzt noch mir zu gehorchen entschließest, redete der Graf seine Tochter an, so will ich meine Liebe den Zorn über deinen Ungehorsam besiegen lassen, und dir deine Thorheit verzeihen. Gelobe dem Ritter deine Hand zu reichen, und du kehrest mit mir in mein Schloß zurück. Die Diener knieten zu Belindens Füßen nieder. und flehten sie an, ihres Vaters Wünschen zu gehorchen. Da hörte sie hinter sich eine Stimme: Sey getrost, ich stehe dir bei. Sie blickte nach der Grotte, und sahe einen Mann, der mit Fellen bekleidet war, und ihr freundlich zuwinkte. Sein Anblick gab ihr Muth. Verzeiht, mein Vater! sagte sie: mein Herz hat gewählt, und kann nun seine Wahl nicht wieder verläugnen, geschehe mir auch, was da [235] wolle, ja wenn ich mich selber dem Tode bieten müßte, so würde ich es freudig thun, und der Gedanke an ihn würde machen, daß ich mein Schicksal muthig ertrüge.

Der Graf gerieth über die Rede seiner Tochter von neuem in Wuth. Nein, nicht sterben, rief er, sollst du! viel härtere Plagen giebt es, als den Tod. Du in Freude und Ueberfluß erzogen, deren Befehlen sich viele Diener neigten, du sollst nun die ganze Schmach der Dienstbarkeit erfahren. Fort und bindet sie! rief er den Dienern zu, wie eine Verbrecherin will ich sie überliefern! Die Diener zögerten, diesen grausamen Befehl zu vollziehen, da riß der Graf sein breites Schwerdt von der Seite, und drohte den, welcher sich widersetzen würde, nieder zu hauen. Zitternd näherten sich die Diener Belinden, welche die zarten Hände lächelnd hinreichte, und sie fesseln ließ. Der Graf befahl, sie wieder auf ihr Pferd zu heben, und den Zug fortzusetzen. Weinend und lächelnd saß Belinde und betrachtete ihre gefesselten Hände. Von Zorn glühend ritt der Graf neben ihr, und von [236] Kummer ganz gebeugt folgten die Diener. Sie hatten schon beinahe das Ende des Waldes erreicht, als ihnen eine Alte entgegen kam, die mit Mühe an einem Stabe ging, sie trug einen großen schwarzen Schleier, den sie vom Gesicht zurückgeworfen hatte, so daß er ihr nachschleppte; in ihren Armen hatte sie ein Bündel von Kräutern und Blumen. Sie drohte dem Grafen mit ihrem Stabe und näherte sich Belinden, der sie eine Blume reichte. Sie winkte ihr, sich zu ihr niederzubücken, und steckte sie Belinden selbst an die Brust. Der Graf war bestürzt und wagte es nicht, sich dem Thun der Alten zu widersetzen, die sich sogleich wieder in den Wald begab. Unaufgehalten zogen nun die Reisenden weiter, und kamen bald an die Burg. Ein alter Ritter kam ihnen entgegen. Hier bringe ich euch eine Dienerin, sagte der Graf, übergebt sie eurer Hausfrau, und ich will, daß sie sie mit aller Strenge behandle. Der Ritter sahe Belinden mitleidig an, und hieß ihr ihm zu folgen; schweigend gehorchte sie, und stieg die hohen Stufen hinauf zu einem finstern Gemach, [237] der Ritter öffnete die Thür, und Belinde entsetzte sich vor dem Anblick einer Alten, die mit funkelnden Augen und grauen Haaren an einem goldnen Rocken saß und spann. Hier bringe ich dir eine Dienerin, sagte der Ritter; die Alte näherte sich, nahm eine große Brille, setzte sie auf die Nase und betrachtete Belinden. Es ist mir lieb, sagte sie, ich habe Hülfe recht nöthig. Sie befahl dem Fräulein die Hände zu lösen, und hieß sie dann sich niedersetzen und spinnen. Die Alte gebot nun, was sie jeden Tag arbeiten müsse, und ließ ihr schlechte Speisen zum Abendessen reichen. Belinden vergingen so traurige Tage; wenn sie ihr Tagewerk nicht vollendet hatte, schmählte die Alte, und ließ ihr keine Speise reichen, und gewährte ihr kein Nachtlager, aber der Gedanke an ihren Geliebten tröstete sie, sie war stolz darauf, daß sie alles um ihn erdulde. Einst stand sie an dem kleinen Fenster, das mit engen Gittern verschlossen war, und hörte ferne Vögel singen, sie erblickte die Blume, die ihr die alte Frau gegeben hatte, und verwunderte [238] sich, daß sie nach so vielen Tagen noch so frisch blühte, als ob sie erst vom Stengel gebrochen sey. Seltsam dünkte ihr die Gestalt der Blume, die Farben waren hellglänzend, und Belinde gedachte dabei wieder des Mädchens, welches sie an der Quelle gesehen hatte, des Mannes im Walde; sie sagte: Ihr habt mir alle zu helfen versprochen, und keiner nimmt sich meiner an! Plötzlich dehnte sich die Blume aus und wurde grösser, die Blätter erglänzten noch heller, und zeigten sich endlich ganz klar und durchsichtig. Die Blume schien in einen sanften Duft zu zerfließen, und ihre Form nur noch in den schönsten Farben zu brennen. Jetzt schloß sich der Kelch weiter auf, und das Gesicht des Mädchens, welches Belinde in der Quelle gesehen hatte, lächelte ihr aus dem Kelch der Blume entgegen. Fasse Muth, ich stehe dir bei! sagte das Mädchen mit klarer zarter Stimme, über deren Lieblichkeit Belinde erschrack, so daß sie die Blume aus der Hand fallen ließ. Als sie sie wieder aufhob, war das Gesicht des Mädchens verschwunden. Ihre Gebieterin kam [239] und sagte: Lange genug hast du gesponnen, du sollst nun in dem Garten arbeiten, meine Blumen warten und meine Pflanzen begießen. Belinde folgte ihr, sie übernahm mit ihren zarten Händen gern die Pflanzen zu pflegen, und Unkraut aus der Erde zu ziehn, damit sie nur wieder den Himmel sähe, und das Rauschen der Bäume aus dem nahen Walde hörte. Sie mußte nun täglich im Garten arbeiten, und die übrigen Diener verhöhnten sie, daß sie es oft kaum vollbringen konnte, was ihre strenge Gebieterin ihr auftrug. Diese häufte die Arbeit für ihre Gefangene täglich, so daß es Belinde nicht mehr ertragen konnte. Da weinte sie laut und rief, indem sie die Blume betrachtete: Wenn ihr es vermögt, die ihr mir Hülfe versprochen, so flehe ich euch an, mir beizustehn. Sie erwartete nun, daß eine Stimme ihr antworten würde, aber alles blieb stumm, das Gesicht des Mädchens lächelte ihr nicht aus der Blume entgegen, die Stimme des Mannes hörte sie nirgend, aber ihre Gebieterin sahe sie kommen, die ihre Arbeit betrachtete. Belinde bemerkte,[240] wie ihre Augen vor Wuth anfingen zu glänzen, daß sie heut noch so wenig gethan hatte; sie hörte schon die kreischende Stimme der Alten, und warf sich voll Verzweiflung auf den Boden. Ich will sterben, rief sie, und auf keine Verheißungen bauen, die mich betrügen! Sie wollte die Blume zerreißen, aber kaum hatte sie ein Blatt abgelöst, so hörte sie einen lauten Klang, als ob die Saiten eines Instruments mit Heftigkeit berührt würden, und lange nachzitterten; sie war darüber verwundert, doch plötzlich sahe sie die Alte mit ihrem schwarzen Schleier, die ihr im Walde begegnet war, eilig durch den Garten kommen. Sie bedrohte Belindens Gebieterin, die ihr entgegen ging, mit dem Stabe und eilte auf Belinden zu, die sie bei der Hand faßte, und mit sich fortführen wollte.

Wohin willst du mit meiner Magd? fragte Belindens Hausfrau, und wollte sie bei der Hand fassen, und der Alten entreißen; diese war aber sehr gewandt und schnell, sie schlug mit ihrem Stabe nach der Wüthenden, so [241] daß sie zu Boden sank, dann ging sie mit Belinden fort, die ihr stillschweigend folgte.

Als sie an das Thor des Gartens kamen, schlug die Alte mit ihrem Stabe daran, es öffnete sich von selbst, und sehr bald erreichte Belinde an der Hand ihrer Führerin den Wald.

Sie waren durch einen Theil des Waldes gegangen, und endlich in ein kleines Thal gekommen, das rings von Bergen eingeschlossen war. Ein freundliches Haus, von Bäumen beschattet, stand an einer Quelle; ein Garten mit vielen Obstbäumen und Früchten, von einem zierlichen Gitter umgeben, war dicht am Hause. In diese Wohnung führte die Alte Belinden. Als sie in den Hof traten, kam ihnen eine Heerde entgegen, die Schaafe thaten so bekannt mit Belinden, als ob sie schon immer für sie gesorgt hätte. Das Hausgeräthe war zierlich und hell polirt, und Belinde betrachtete noch alles in diesem freundlichen Hause, als die Alte schon verschwunden war. Ermüdet von dem Wege, entschlief Belinde bald auf dem reinlichen Lager, und [242] erwachte am Morgen mit neuem Muth. Fernando! rief sie aus, ach könntest du diese glückliche Einsamkeit mit mir theilen! – Sie ging durch das Haus und besorgte alle Geschäfte, dann eilte sie nach der Quelle um Wasser zu schöpfen. Sie blickte hinein und sagte: Erschiene mir doch wieder das holde Bild, so wollte ich Muth fassen und nach Fernando fragen. Das Gesicht des Mädchens blickte ihr aus dem Wasser freundlich entgegen, und sagte mit lieblicher Stimme: Ich will dir einen Boten senden, dem gieb ein Blatt aus der Blume, er wird damit zu deinem Geliebten fliegrn, und an meinem Hochzeittage wird er bei dir seyn. Mein kleiner Vogel ist oft mein Liebesbote gewesen, als die Mutter meiner Liebe zürnte. Als das Mädchen diese Worte gesagt hatte, tauchte sie in die Wellen und verschwand. Belinde schöpfte Wasser und kehrte in ihre Wohnung zurück.

Sie war kaum hinein getreten, so hörte sie einen lieblichen Gesang am Fenster, es war ein weißer Vogel, dessen reine Federn in [243] der Sonne glänzten, er sah Belinden mit klugen Augen an. Weißt du meinen Freund zu finden? fragte Belinde, und der Vogel neigte sein Haupt. Belinde zog ein Blatt aus der Blume, die wie sanfte Flötentöne erklang, und das stille Leid der Liebe und Sehnsucht in süßen Melodieen aussprach. Der Vogel nahm das Blatt und flog damit davon.

Belindens Sehnsucht war durch den Ton aus der Blume recht von neuem erwacht, sie sah dem Vogel nach und wünschte ihn schon wieder zurück; sehnsüchtig blickte sie in den blauen Himmel, die Berge umschlossen sie zu eng, sie wünschte sich mit dem Vogel fliegen zu können, um ihren Geliebten früher zu begrüßen. So ging sie sehnsüchtig schmachtend umher, und indem entdeckte sie in einem der Felsen eine Grotte, sie trat hinein und fand den Mann, der sie im Walde getröstet hatte, drinne ruhen. Fürchte dich nicht, schönes Mädchen, redete er sie an, ich habe dir zu helfen versprochen, dein Geliebter ist schon auf der Reise, und wenn ich mit meiner Braut verbunden werde, so wird auch er in [244] deine Arme eilen. Als er diese Worte geredet hatte, sahe ihn Belinde nicht mehr; sie setzte sich in der Grotte nieder, und sahe alsbald den weißen Vogel durch die Luft fliegen, er eilte der Quelle zu, und tauchte sich in die silbernen Wogen. Er hat seine Reise vollbracht, rief Belinde aus, bald wird mein Fernando erscheinen, und ich werde freudig an seine Brust sinken. Sie ging wieder in die Hütte, und schaute oft in das Thal hinaus, und meinte Fernando müsse kommen, aber oft noch wurde ihre Sehnsucht getäuscht.

An einem Tage konnte sie ihre sehnsüchtigen Blicke nicht von dem Berge losmachen, sie meinte, er müsse an diesem Tage kommen; aber es wurde Abend. Heut kömmt er nicht! sagte sie seufzend, wehe mich an, du kühler Abendwind; und mit diesen Worten trat sie vor die Hütte hinaus, und setzte sich unter den Bäumen nieder. Der Mondschein ruhte auf den Bergen, und sandte seine blassen Strahlen in das Thal, und Belinde sah die Alte, welche ihr die Blume gegeben hatte, festlich geschmückt von dem Berg hernieder [245] steigen, ein langer silberner Schleier hing von ihrem Haupte und schleppte ihr weit nach, ihr Kleid glänzte von reichen Steinen, in der Hand hielt sie einen goldnen Stab, auf welchen gestützt sie eilfertig ging. Kaum hatte sie das Thal erreicht, so zeichnete sie mit dem Stabe einen Kreis im Grase, und bunte Flammen kamen aus dem Boden hervor, und brannten im Kreise. Als die Alte dies Geschäft vollbracht hatte fing die Quelle zu rauschen an, die Wellen hoben sich hoch empor, und das Mädchen schwamm darauf, dessen Gesicht Belinden oft tröstend entgegen gelächelt hatte, ein grüner Kranz umschloß ihre goldnen Locken, ein weißes Gewand schmiegte sich um die zarten Glieder. Sie entstieg dem Wasser, und nahte sich der Alten, welche sie auf die Stirn küßte. Viele Mädchen waren noch aus dem Wasser gekommen, die Alte ward ehrerbietig von ihnen begrüßt. Nun that sich auch der Berg auf, und man konnte weit hinein sehen, daß er in seiner Tiefe prächtige Gemächer enthielt; der Mann trat heraus, mit vielen Kränzen und kostbaren Fellen geschmückt. Die Alte [246] legte die Hand des Mädchens in die seinige, viele Jünglinge waren ihm gefolgt und ergriffen die Mädchen, mit denen sie lustig zwischen den bunten Flammen tanzten. Belinde betrachtete dies alles mit Verwunderung, und war so in Erstaunen verloren, daß sie nicht bemerkt hatte, wie sich ihr ein Mann näherte; sie erschrack heftig, als sie sich von einer wohlbekannten Stimme so anreden hörte:

Wollt ihr einen müden Wanderer nicht in eurem freundlichen Hause beherbergen? Belinde stand auf, betrachtete ihn und wollte doch ihren Augen nicht trauen. Fernando! rief sie entzückt, bist du es, geliebter Fernando? – Er erkannte ihre Stimme und rief, indem er sie in seine Arme drückte: Meine Belinde! welch ein Gott giebt dich mir zurück? Beide sprachen nichts weiter, sondern schauten sich in die Augen, küßten ihre Lippen und weinten vor Wonne und Schmerz. Habe ich dich so lange entbehren müssen? sagte endlich Fernando. Die finstern Tage liegen hinter mir, wie ein schwerer Traum, ich habe dich nun wieder, und nichts soll uns [247] mehr scheiden. Belinde führte ihn in ihr Haus. er sah es mit Entzücken. In dieser glücklichen Abgeschiedenheit von der Welt, sagte er, laß uns unserer Liebe genießen, und uns niemals nach jenen thörichten Freuden zurücksehnen.

Jeder fragte nun den Andern, wie er seine Abwesenheit ertragen habe, und wenn einer sprechen wollte, so küßte der andere die Worte von seinen Lippen. Unter solchen süßen Tändeleien war es Nacht geworden, und die Dunkelheit schloß sie inniger und vertraulicher an einander. Als der Morgen herauf dämmerte erwachte Belinde als Fernando's Weib.

Nun besorgten beide gemeinschaftlich die Geschäfte der kleinen Haushaltung, Fernando vertauschte seinen reichen Mantel und seine prächtige Kleidung mit einer leichten Hirtentracht, Belinde war die Wirthin des Hauses, und beide verlebten so die seligsten Tage. Oft sahen sie im Mondenscheine ihren Freund mit seiner schönen Freundin sich im Thale ergötzen, die Mädchen und die Jünglinge tanzten umher, und Fernando und Belinde wurden mit [248] diesen Erscheinungen so bekannt, daß ihr Anblick sie nicht mehr in Verwunderung setzte. Glückliche Tage, Wochen und Monden waren ihnen ungezählt verflossen, als Belinde fühlte, daß die Zeit nahe sey, wo noch ein dritter Hausgenoß ihre Freude theilen würde; sie empfand, daß sie Hülfe bedürfe, und zog ein Blatt aus der Blume. Ein lauter Klang zitterte durch die Luft, und die Alte mit ihrem schwarzen Schleier stieg an ihrem Stabe eilig den Berg hernieder. Sie stand der geängsteten Belinde bei, und gab bald der erfreuten Mutter ein schönes Kind in die Arme. Belinde betrachtete den holdseligen Knaben, und reichte ihn lächelnd Fernando entgegen, der so eben in die Hütte trat.

Ihr Glück war nun noch vermehrt, der Knabe wurde immer schöner und wuchs täglich heran, die Eltern freuten sich über sein Gedeihen. Er lernte bald gehen, und spielte fröhlich mit den Schaafen im Grase vor der Hütte. Fernando und Belinde ließen ihn oft mit diesen frommen Thieren allein, und fanden [249] ihn jedesmal wieder, ohne daß ihm ein Unfall begegnet wäre. Eines Abends kamen sie aus dem Garten zu ihrer Hütte zurück, und fanden den kleinen nicht, sie riefen seinen Namen, doch nur der Wiederhall rief ihn zurück, und ihr Sohn kam nicht. Sie stiegen auf die Berge, aber es wurde dunkel, und sie konnten ihn nirgends erspähen. Trostlos kehrten sie in ihre Hütte zurück, und benetzten ihr Lager mit Thränen, kein wohlthätiger Schlummer schloß ihre Augen. Am Morgen zog Belinde das letzte Blatt aus der Blume, die Alte kam von den Bergen herunter, Belinde fiel vor ihr nieder auf die Knie und rief: Kröne alle deine Wohlthaten durch die höchste, und gieb mir meinen Sohn wieder. Suche ihn jenseits der Berge, sagte die Alte und verschwand. Fernando und Belinde eilten fort, ihren Sohn zu suchen, beide erwählten einen verschiednen Weg, und schieden unter vielen Thränen von einander.

Verschiedne Tage waren sie den Wald durchzogen, nirgend aber fanden sie eine Spur von Menschen. Trostlos jammerten beide, als [250] sie am vierten Tage die Hütte eines Einsiedlers auf einem Felsen erblickten; sie erstiegen beide den Felsen, um bei dem Einsiedler zu ruhn, und ihm ihr Leiden zu klagen, damit er sie in sein Gebet schließen möchte, sie hatten den Felsen er klimmt, und trafen bei der Thür der Hütte zusammen. Die Thränen entflossen ihnen, als sie sich erblickten, und jeder seine Hoffnung getäuscht fand, daß der andere vielleicht den lieben Sohn gefunden habe. Sie traten in die Hütte, und erblickten an dem steinernen Tisch einen jungen Mann, in das Gewand eines Eremiten gehüllt, ihm gegenüber saß eine junge Frau, eben so gekleidet, und sahe den Eintretenden mit schalkhaftem Lächeln entgegen. Der feierliche Ernst, womit die Reisenden den Einsiedler begrüßen wollten, mußte sich verlieren, als sie ihn nicht einsam fanden. Seyd mir gegrüßt, redete der junge Mann sie an, wollt ihr unsere Mahlzeit theilen, so seyd uns dazu willkommen, doch ein bequemes Lager zum Ausruhen kann ich euch nicht bieten, denn seht, dies hat schon ein anderer Mann eingenommen. [251] Fernando und Belinde sahen hin. und erblickten ein Lager von weichen Fellen, worauf ein Mann lag, der sein Gesicht in einen reichen Mantel gehüllt hatte. Als Be. linde die Felle betrachtete, aus denen das Lager bereitet war, erinnerte sie sich plötzlich an das Gesicht des Einsiedlers, sie sahe ihn noch einmal an, und erkannte den Mann, der in der Grotte wohnte; die Frau war dasselbe Mädchen, die ihr aus den Quellen entgegen lachte. Belinde näherte sich ihnen und sagte: Ja ihr seyd es, gütige Wesen, die ihr mir helft und mich beschützt. Du hättest uns früher erkennen sollen, sagte der Einsiedler; siehe, wir haben für dein Wohl gesorgt, und dir diesen Mann versöhnt. Er trat zu dem Lager, hob den Mantel von dem Gesichte des Schlafenden, und Belinde erkannte ihren Vater. Er wollte, fuhr der Einsiedler fort, zu der Burg hin und sehen, ob die alte Zauberin, die dort wohnt, dich genugsam quälte; er wurde im Walde von Räubern überfallen, seine Diener flohen, und er blieb verwundet liegen. Wir nahmen ihn in diese Hütte, und [252] seine harten Wunden und unsere sanften Worte haben sein Gemüth erweicht. Wir haben ihm eure Liebe und eure Verbindung vertraut, und er wünscht euch nur zu finden, um euch zu verzeihen. Belinde kniete neben ihrem Vater nieder und küßte seine Hand. Der Graf erwachte und sah seine weinende Tochter. Weine nicht, mein Kind, rief er aus, komm an meine Brust, von nun an sollt ihr alle glücklich seyn! Ach mein Vater! sagte Belinde, nie wird mir wieder die Freude lächeln, ich habe meinen Sohn verloren. Geht nur auf jener Seite den Berg hinunter, sagte der Einsiedler lächelnd, da werdet ihr ihn in guter Gesellschaft finden. Sie stiegen alle den Berg hinab, auf der Seite, die ihnen der Einsiedler zeigte, und wie erstaunten Fernando und Belinde, als sie sich in dem Thale sahen, in welchem ihre Hütte stand. Auf dem Rasen spielte ihr kleiner Sohn mit einem andern, der den ihrigen noch an Schönheit übertraf, die Alte aus dem Walde gab auf die Kinder Acht.

Belinde drückte ihren Sohn mit Entzücken [253] an ihre Brust, der Graf weinte vor Freuden, daß er in diesem schönen Knaben seinen Enkel sah. Das fremde Kind näherte sich Belindens Sohn und sagte: Meine Eltern lieben die deinigen, laß uns auch in steter Freundschaft leben, und zum Zeichen meiner Liebe gebe ich dir diese Blume, die mich in aller Noth zu dir ruft. Er reichte dem Kleinen eben solch eine Blume, wie Belinde von der Alten erhalten hatte, und die Alte, der Einsiedler, das Kind und die Mutter waren verschwunden. Belinde lud ihren Vater für diese Nacht in ihre kleine Hütte, und am Morgen zogen sie alle fröhlich nach des Grafen Schloß, wo die Mutter Belinden und ihren Sohn mit Freudenthränen empfing.

[254]

Das Reh

[255] [257]Leopold war auf die Jagd geritten. Munter waren die Jäger hinter dem scheuen Wilde drein, Hörner ertönten, und das Bellen der Hunde schallte lustig in den Wald. Ein schönes Reh lockte den Ritter immer tiefer hinein, so daß er sich am Ende von seinen Dienern verlohr, und ihre Hörner nicht mehr hörte. Das zarte Thier floh immer vor ihm her, und so erreichten sie endlich einen Strom, der durch den Wald floß; das Reh stand am Ufer still und sahe sich ängstlich nach Rettung um, Leopold war nahe bei ihm, da sprang es plötzlich in die rauschenden Wellen, die es bald den Augen entzogen. Er betrauerte noch den Verlust, als er plötzlich ein lautes Rufen um Hülfe hörte, er blickte nach der [257] Seite hin, woher die Stimme zu kommen schien, und ein schönes Mädchen kam im schnellsten Lauf aus dem Walde, ihr Gewand wie ihre Haare flatterten im Winde, sie breitete die Arme aus, und ihre Augen suchten ängstlich nach Hülfe umher. Hinter ihr kam eine Alte, welche die dürren Arme nach dem Mädchen ausstreckte, und sie mit schrecklich funkelnden Augen anstarrte.

Das Mädchen erreichte den Strom, sie sahe Leopold nicht, die Alte war hinter ihr, und sie, um der Schrecklichen zu entrinnen, wollte sich in den Strom stürzen. Leopold hielt sie zurück, da wollte die Alte sich auf ihn werfen, und sie ihm entreißen; er zog sein Schwerdt, und stellte sich als ihr Beschützer der Alten entgegen; sie stieß ihn zurück, um sich des Mädchens zu bemächtigen, und er fühlte eine so gewaltige Kraft in ihren Armen, daß er ihr kaum widerstehen konnte. Darum zückte er sein Schwerdt, und wollte die Alte, die er für eine Zauberin hielt. damit vertilgen. In demselben Augenblicke sprang diese mit großer Behendigkeit zurück, [258] so daß er sie kaum berührte. Leopold ward betäubt von einem kreischenden Tone, der die Luft durchschnitt; als er sich wieder erhohlte, war die Alte verschwunden, und ein rüstiger Jäger mit einem langen Jagdspieß stand vor ihm. Anfänglich glaubte er, es sey einer von seinen Jägern, er wollte ihn anreden, da erschreckten ihn die funkelnden Augen, womit der Jäger ihn ansah, indem er zugleich seinen Jagdspieß drohend erhob, sich umwendete und dem Walde zueilte.

Leopold sahe sich nun nach dem Mädchen um, die noch zitternd am Ufer stand, und gern zu einem alten Manne, der ihr vom andern Ufer zuwinkte, hinüber wollte.

Willst du dich meinem Schutze vertrauen, schönes Mädchen? redete Leopold sie an. Statt ihm zu antworten, streckte das Mädchen die Arme nach dem Alten aus. O hilf mir hinüber zu dir! rief sie ihm zu; da fing das Wasser an zu rauschen, und das Reh, welches Leopold erst verfolgt hatte, schwamm an das Ufer zu dem Mädchen, freudig sprang sie auf seinen Rücken, auf welchem stehend [259] sie durch das Wasser getragen ward. Wie sie so hinüber schwamm, betrachtete Leopold die schöne Gestalt, von der die langen Gewänder in die Wellen hingen, ihre Haare waren aufgelöst, und wallten in reichen Locken bis auf ihre Hüften herab, ein Kranz von Rosen hatte die blonden Locken gefesselt, und sie bei der Flucht vor der Alten freigegeben. Jetzt hielt er sich nur noch oben auf der Scheitel.

Ein leiser Wind erhob sich, spielte mit ihren Haaren, hob den Kranz herunter, und warf ihn in die Wellen, diese führten ihn dem Ritter wieder zu, der ihn aus dem Wasser aufhob. Das Mädchen hatte nun das andere Ufer erreicht, der Alte gab ihr die Hand, sie ging mit ihm in den Wald hinein und das Reh tauchte sich wieder in die Wellen. Leopold hielt den Kranz in der Hand, er betrachtete ihn, und eine wunderbare Sehnsucht ergriff sein Herz. Wer bist du, holdseliges Mädchen? fragte er: willst du dich mir nicht wieder zeigen? soll ich dich auf ewig verlohren haben? – Nein! rief er aus, ich muß dich wieder finden, zum Zeichen deiner Huld [260] hat mir das Schicksal diese Blumen gegeben, die ich dir treu bewahren will.

Er wollte den Kranz in seinem Busen verbergen, als er hinter sich ein schallendes Gelächter hörte. Er wandte sich um, und es war die häßliche Alte, welche das Mädchen verfolgt hatte. Mit der größten Schnelligkeit riß sie eine Rose aus dem Kranz, welchen er noch in der Hand hielt, und eilte damit hinweg. Ein heftiger Schmerz erfüllte nun Leopold's Gemüth. Der Kranz war aus einander gegangen, und er betrachtete ihn mit stummen Thränen. Die Jagdhörner schallten in seiner Nähe, er hob aber die Augen nicht von den Blumen auf. Seine Diener traten endlich zu ihm, und äußerten ihre Freude, daß sie ihn nach langem Suchen gefunden hätten. Er achtete nicht darauf, seine Thränen flossen unaufhörlich und benetzten die Blumen.

Ein Page, der immer sein Liebling gewesen war, redete ihn an und fragte: ob sie nach dem Schlosse seines Vaters zurückkehren wollten; aber der traurige Ritter gab [261] keine Antwort, und hob auch die Augen von dem Kranze nicht auf.

Endlich entschlossen sich die Diener ihn fortzuführen, er litt es ohne Widerstand, und ritt stumm, die Rosen in den Händen, mit seinen Dienern in das Schloßthor ein. Der alte Graf wurde schnell von dem Zustande seines Sohnes unterrichtet, er eilte herbei, aber Leopold antwortete auf keine Frage, nur als der Graf den Kranz aus seinen Händen nehmen wollte, blickte der Sohn ihn mit so wehmüthig flehenden Augen an, daß sich keiner der Thränen erwehren konnte. Der Graf ließ seinen Arzt kommen, um nach dem Grunde dieses Uebels zu spähen, allein da der Kranke keine Antwort gab, so blieb seine Krankheit allen ein Räthsel, er saß nur immer und betrachtete die Blumen. So vergingen einige Tage, und die Traurigkeit herrschte auf dem Schlosse, wo sonst nur die Freude gewohnt hatte. Der alte Graf sah trostlos den letzten Zweig seines Geschlechts in seinem Sohne welken. Alle Mittel wurden versucht, um den Sohn zum Sprechen [262] zu bewegen. Der Graf beschwer ihn, wenn irgend ein Wunsch sein Herz beunruhige, ihn zu nennen, er wolle Leben und Ehre daran setzen, ihn zufrieden zu stellen. Leopold antwortete nicht, und blickte seufzend die Rosen an. Es fiel jetzt dem Grafen auf, daß die Blumen immer frisch blieben, und er glaubte, irgend ein Zauberer habe seinen Sohn so verwandelt. Er beschloß daher, ihn zu einem weisen Manne zu bringen, der einsam im tiefsten Walde wohnte, und durch seine Frömmigkeit eine solche Gewalt über alle Zauberei erlangt hatte, daß schon mancher Unglückliche getröstet von ihm ging.

Leopold wurde von dem Greise freundlich empfangen, und in seine Hütte geführt, an welche sich ein kleiner Garten schloß, nur mit hohen Rosenbüschen angefüllt, deren zarte Röthe seltsam gegen den grünen Wald abstach, worin die Hütte und der Garten versteckt lagen. Leopold betrachtete mit Wohlgefallen die Rosen, und verglich sie stillschweigend mit denen, welche er in den Händen hielt; er lächelte zufrieden, daß die seinigen doch in schöneren [263] Farben prangten. Der alte Graf und die Diener, welche ihn begleitet hatten, nahmen mit Thränen von ihm Abschied, und ließen ihn bei dem Alten allein. Er lächelte zufrieden, wie er sich von ihnen verlassen sah, setzte sich unter ein Rosengebüsch nieder, und betrachtete seine Blumen. Der Greis entfernte sich, und überließ ihn seinen Betrachtungen.

Die Sonne schien auf Leopold hernieder, der, als er ihre Stralen fühlte, auf zu dem Himmel blickte, und ihn im schönsten Blau glänzen sah. Wie er ihn eine Weile betrachtet hatte, zog sich ein leichter Duft über die blaue Fläche, der sich bald zu einer silberweißen Wolke zusammenzog, die sich in kurzem roth färbte, und wie eine große Rose am Himmel blühte. Ein leichter Wind schüttelte diese ätherische Blume hin und her, die sich aufblätterte und die goldnen Samenkörner aus ihrem Schooß herunter schüttete; sie fielen wie Funken auf die Blumen in Leopolds Händen nieder, der die Rose am Himmel mit inniger Freude betrachtete, denn es war [264] ihm, als müßte es die Blume seyn, welche die Alte ihm entrissen hatte. Es erhob sich ein Rauschen in den Rosen, worunter er saß, und jene, die über ihm so entzückend geblüht hatte, verschwand. Hinter dem Gebüsch hörte er nun eine weibliche ungemein sanfte Stimme, welche sagte: Ja, noch einmal bin ich dem Tode glücklich entronnen, aber wer weiß, wie nahe mir mein Feind ist, indem ich mich meiner Sicherheit freue. Sey ruhig, mein Kind! erwiederte eine männliche Stimme: unser Freund wird uns gegen ihn beistehn, und hier darf er uns nicht verletzen. Es war ein entsetzlicher Jäger, der dich verfolgte, seine drohenden Augen, sein gewaltiger Jagdspieß, mit Entsetzen hab' ich es betrachtet. Und hätte mich der Jüngling nicht errettet, sagte die weibliche Stimme. – Und der Fluß, mein Kind! rief die männliche, vergiß nicht, ihm hauptsächlich zu danken.

Leopold war überzeugt, daß das Mädchen und der Alte, welche er im Walde gesehen hatte, sich in seiner Nähe befänden; er stand auf und eilte hin, woher die Stimmen kamen, [265] aber erstaunt wollte er zurückkehren, als er das auf der Jagd verfolgte Reh unter den Rosengebüschen erblickte. Ein alter Hirsch saß neben dem zarten Thiere, und sah ihn mit großen Augen an.

Ein schallendes Gelächter hinter ihm brachte ihn aus der Fassung, er wandte sich um, und die Alte, welche das Mädchen verfolgt hatte, stand hinter ihm, und riß mit großer Schnelligkeit noch eine Blume aus dem Kranz, womit sie davon eilte. Wie sie das Ende des Gartens erreicht hatte, sah er sie nicht mehr, aber der Jäger mit seinem großen Jagdspieße ging in den Wald hinein. Die Alte hatte den Kranz, welchen Leopold so treu bewahrte, nun ganz zerrissen, viele Blumen lagen auf dem Boden, und andere hielt er noch in seinen Händen. Das Reh bückte sich und hob die Blumen auf, der Hirsch schüttelte den Kopf; die aus der Himmelsblume herniedergefallenen Funken waren wieder losgeschüttelt, und lagen im Grase. Das Reh eilte mit den Blumen davon, der Hirsch folgte bedächtig, und Leopold setzte sich [266] tiefsinnig nieder, sahe die Blumen, die er noch in den Händen hielt, dann betrachtete er wieder die Funken im Grase, und sein Herz wurde von neuem zur Traurigkeit bewegt. So fand ihn der freundliche Greis noch sitzen, als er aus dem Walde zurück kam, er lud den Jüngling ein, ihm in seine Hütte zu folgen, die Sonne werde bald untergehen. Leopold hörte auf seine Rede nicht, und der Greis verließ ihn wieder. Die Sonne ging unter, und küßte zum Abschied mit ihrem goldnen Schein die Bäume, und lag in zärtlicher Glut auf den Rosen, die sich höher färbten, und an den Büschen hin und her schwankten. Da entbrannte Leopolds Herz zur wildesten Sehnsucht, er betrachtete seine Blumen, drückte sie an sein Herz und an seine Lippen. Die Funken darin wurden von der Sonne beschienen, und blickten ihm mitleidig entgegen; da flossen Thränen aus seinen Augen, und seine Lippen öffneten sich zu lauten Klagen. Er blickte auf zu den Bäumen und zum Himmel. Gieb mir, rief er aus, was ich nicht kenne, wonach ich schmachte! [267] Er sah die Rosen, die an den Büschen blühten, riß sie wild von ihrem Stengel, und wollte damit den Kranz ergänzen. Aber so wie er sie den Büschen entrissen hatte, welkten sie, und die dürren Blätter fielen ab. Da er sahe, daß sein Bestreben vergeblich war, eilte er aus dem Garten in den Wald hinein. Kein verwachsenes Gesträuch hielt ihn auf, die dichtesten Zweige mußten seiner Wuth weichen. Endlich hatte er sich so tief auf ungebahnten Wegen in den Wald hinein gearbeitet, daß er nicht weiter konnte. Er lehnte sich nun an einen Baum, seine Kräfte waren erschöpft. Da hörte er Töne einer Zitter, von einer süßen Stimme begleitet. Eine unbekannte Macht ergriff nun sein Herz, und löste seine Wuth in sanfte Wehmuth auf, seine Thränen flossen, und er wurde so von der Gewalt des Gesanges bemeistert, daß er niederkniete und seine Hände flehend nach den Tönen ausstreckte. Schlage mit deinen melodischen Wellen, rief er, an meine Brust, und kühle mein glühendes Herz. Ein lautes Gelächter hinter ihm machte, daß er aufsprang; [268] es war die Alte, sie wollte ihm noch eine Rose entreißen, Leopold verbarg sie aber schnell in seinem Busen, und die Alte verließ ihn mürrisch. Er sahe sie bald nicht mehr, der Jäger aber lauschte hinter einem Baum hervor, und deutete mit seinem langen Jagdspieß in die Ferne, nach der Seite hin, woher die Musik kam. Von neuem wurde nun Leopold von einer heftigen Wuth ergriffen, die Töne berührten ihn wie zuckende Flammen, er wollte sie finden und an sein Herz reißen, damit er von der Glut verzehrt würde.

Nun konnten die Büsche mit ihren scharfen Dornen ihm nicht mehr widerstehen, gar bald war er hindurch gedrungen, und bis zu dem Flusse gelangt, an welchem er die Alte und das Mädchen zuerst erblickt hatte. Er blieb am Ufer stehen, urd seine Wuth löste sich in Zärtlichkeit und Erstaunen auf. Ein Thron von Rosen schwamm auf dem Wasser, die alle herrlich blühten, und weit umher süßen Duft verbreiteten. Die Wellen bestrebten sich die Rosen zu küssen, die Rosen bemühten [269] sich in die Wellen zu tauchen, und färbten mit ihrem Duft das Wasser rosenroth.

Ein Mädchen in einem blendend weißen Gewande saß auf dem Thron, ihre goldnen Haare hingen in vielen Locken herunter, sie hatte eine silberne Zitter in der Hand, worauf sie lieblich spielte. Ein Reh lag in ihrem Schooße und lauschte auf die Melodieen, während sie sang:


Weh um eure glüh'nden Farben!
Da des Kranzes Band zerreißt,
Ward verhaucht der duft'ge Geist,
Und die Schwesterrosen starben.
Ach ich hab' euch trauervoll
Von dem grünen Grab' erhoben,
In den Busen sanft geschoben,
Wo die Kraft der Liebe schwoll.
Doch erglühn nicht eure Farben,
Knüpft sich nicht, was Haß zerreißt,
Athmet nicht der duft'ge Geist:
Ewig muß ich schmachtend darben.

Leopold bemerkte einen Strauß von welken Rosen an ihrer Brust, und hatte ein so zärtliches Mitleid mit den Blumen, daß er laut zu weinen anfing. Er kniete am Ufer [270] nieder und sagte: Ach lange genug habe ich gelitten, o liebe mich, du Süße, damit die Blumen meines Lebens nicht verblühen!

Das Mädchen sahe ihn an, dann betrachtete sie das Reh in ihrem Schooße und die welken Blumen an ihrer Brust. Lächelnd nahm sie die Zitter und fing von neuem darauf zu spielen an. Die zärtlichen Töne beruhigten Leopolds Herz, und er war in Entzücken verloren, als sie die Worte sang:


Mag der sanften Wellen Schaukeln
Und der Purpurglanz vom Thron,
Und der Zitter Silberton
Schmeichelnd meine Seel' umgaukeln:
Süßer winkt der Liebe Lohn.
Ja des zarten Thieres Rücken,
Baut mir eine sichre Bahn,
Lindernd deiner Qual zu nahn:
Meine Huld soll dich beglücken,
Meine Arme dich umfahn.

Sie erhob sich von ihrem Sitze, das Reh sprang von ihrem Schooß in die Wellen, und sie stand auf seinem Rücken; ihre langen Gewänder hingen in das Wasser, der Rosenthron [271] sank unter, und der ganze Fluß war eine purpurne Glut. Lächelnd schaute das Mädchen hinein, und warf die silberne Zitter in die rothen Wellen, die, den Strom hinüber schwimmend, von dem Wasser auf und nieder gehoben ward, und wie die Wellen sie berührten, ihre Lust in lieblichen Tönen aussprach, die in der Luft zitterten, und Leopolds Herz zur heißesten Sehnsucht entflammten. Das Mädchen hatte das Ufer erreicht, sie nahte sich dem Geliebten, der dort kniete, und aus heißer Sehnsucht heftig weinte. Sie nahm ihre goldnen Haare und trocknete damit seine Thränen. Er erhob sich, sie an seine Brust zu drücken, ein lautes Gelächter schallte durch die Luft; Leopold ward plötzlich gewahr, daß die Alte vor ihm stand, und daß er das Reh in seinen Armen hielt. Sie sah ihn an und sagte: Viel Glück zu eurem Liebchen! dann schlug sie das schwarze Gewand von ihrer Brust zurück, und er sah die beiden Rosen, die sie ihm geraubt hatte, an einem zarten weißen Busen blühen. Er vergaß das abscheuliche Gesicht der Alten, die schrecklich [272] funkelnden Augen, seine Sinne waren berauscht, sein Herz entzückt über den Anblick des schönen Busens; er eilte auf sie zu, drückte sie schnell an seine Brust, und seine heißen Lippen auf die ihrigen. Die Alte lachte und war aus seinen Armen; der Jäger stand in einiger Entfernung, und winkte mit seinem Jagdspieß. Leopold folgte ihm sogleich, das Reh ging mit ihm, er bekümmerte sich aber nicht darum.

Vor dem Eingang einer dunkeln Höhle blieb der Jäger stehen. Blicke hinein, sagte er zu Leopold, alle diese Blumen haben ihre Farbe und ihren Duft verloren, schaffe sie ihnen wieder, sie werden dir gern folgen. Wenn alle wiederum in hellen Farben blühn, dann ist der Kranz deines Glücks wieder geschlossen. Die Blumen beugten sich alle vor Leopold zur Erde, das Reh ging in die Höhle hinein und betrachtete die Blumen aufmerksam. Leopold sah dem Jäger nach, der mit seinem Jagdspieß in den Wald hinein ging.

Wodurch, fragte er, kann ich euch Glanz und Farben schaffen? – Nur die Liebe, flüsterten [273] die Blumen, nur die Liebe macht uns glänzen, und lockt das zarte Blut in unsre Wangen; wenn sie von uns weicht, so müssen wir trauern und bleichen,

Leopold betrachtete die Blumen, welche er noch von dem Kranze hatte, sie blühten frisch und der Funke, welcher aus der Himmelsblume nieder gefallen war, glänzte aus jeder ihm freundlich entgegen. Das Reh stand vor ihm, und sah mit Sehnsucht zu den Rosen empor. Als Leopold die blassen Blumen in der Höhle wieder ansahe, kamen sie ihm so bekannt vor, ihm war, als ob es seine Freunde wären, die trauernd um ihm ständen, und von ihm Hülfe und Rettung begehrten.

Wie? sagte er, so muß ich denn ausziehen um Glanz, Duft und Farben zu suchen, und wenn ich sie gefunden, sie erbeuten und euch zuführen. Schaffe den Liebsten herbei! sagte eine kleine blasse Blume, so brauchst du nicht Duft und Farben zu suchen. Wer ist dein Freund? fragte Leopold. Ein Schmetterling! sagte die Blume, er hat rothe mit Gold gesäumte [274] Flügel, und flog wie die schönste Blume im Sonnenschein, als sich eben die Knospe öffnete, die mich verschlossen hielt. Er nahte sich der jungen Blume und küßte mich, wie ich meine Blätter entfalten wollte. Ich erröthete über diesen Kuß, und meine Blätter färbten sich, ich erglühte in Liebe zu ihm, und ein so süßer Duft mischte sich mit der Luft, daß er die Menschen und die Feen entzückte. Er hat mich verlassen, und mein Gram machte, daß ich erblich. Kein süßer Duft erfüllte mehr die Luft, und ich wurde in diese Höhle gebracht, und hoffe nun, du sollst meinen Gram stillen, meine Sehnsucht befriedigen. Ernsthaft hatte Leopold zugehört, das Schicksal der Blume war ihm wichtig geworden; er betrachtete sie und sagte: Mich bewegt dein Unglück zu innigem Mitleiden, ich will deinen Freund suchen, und wenn ich ihn gefunden, ihn zu dir bringen. Ich begleite dich, sagte die Blume, und in demselben Augenblick war sie aus der Höhle verschwunden, und in den Kranz mit eingeflochten, welchen Leopold im Busen verwahrte. Er [275] sah die andern Blumen an, und sagte: Also ihr alle habt den Vorsatz, euch unter meine frischen Rosen zu mengen? Die Blumen beugten sich, und in wenig Augenblicken war die Höhle leer. Leopold betrachtete seinen Kranz, der nun wieder ganz geschlossen war, denn die bleichen Blumen hatten sich alle hinein geflochten. O du Bild meines Lebens! redete er ihn an, wie zwischen die herrlich blühenden Rosen die bleichen sich hinein wagen, so stehen die herben Leiden ganz nahe bei meinen seligsten Stunden. Bei diesen Worten schlug er die Augen auf, und siehe, die Alte stand ihm gegenüber. Verliere dich nicht in müßige Betrachtungen, eile, wenn du die Blumen wieder gewinnen willst.

Was soll ich thun? fragte Leopold. Mir folgen, sagte die Alte, und in demselben Augenblick war sie aus seinen Augen verschwunden, und der Jäger stand in einiger Entfernung und winkte mit seinem Jagdspieß. Unverzüglich folgte Leopold, und der Jäger führte ihn durch den dunkeln Wald, als sie den Aus gang desselben erreicht hatten, war der [276] Jäger verschwunden. Leopold sah hier eine weite Ebne vor sich, in deren Mitte ein kleiner Thurm errichtet war, der aus lauter sehr feinem Gitterwerk bestand. Voll Verwunderung näherte er sich und bemerkte, daß es ein Gefängniß war, worin ein überaus schöner roth und goldner Schmetterling, und viele andere, die weniger schön waren, auch eine große Anzahl Bienen verwahrt wurden. Leopold nahm den Kranz aus seinem Busen, und betrachtete ihn. Die Blumen, welche er aus der Höhle mitgenommen hatte, bewegten sich traurig darin und seufzten leise. Wie die Bienen und die Schmetterlinge die Blumen bemerkten, bestrebten sie sich das Gitter zu durchbrechen, und schlugen ängstlich mit den Flügeln, so daß er ein großes Mitleid mit den Verliebten hatte, und die Gefangenen befreien wollte. Es dünkte ihm ein leichtes, dies so dünn geflochtene Gefängniß zu zerbrechen, daß er dazu nicht einmal seines Schwerdtes zu bedürfen glaubte. Er näherte sich also dem Thurme, um seinen Freunden zu helfen, aber kaum hatte er ihr Gefängniß berührt,[277] so wühlte sich der Boden neben ihm auf, ein kleiner Greis wand sich mit Schnelligkeit empor, er hielt eine Leier im Arm, und fing darauf zu spielen an. Kaum hatte Leopold die Töne vernommen, so sahe er von allen Seiten bewaffnete Streiter herbei eilen. Die Blumen zitterten, die Schmetterlinge und die Bienen suchten sich ängstlich zu verbergen, und der junge Ritter zog sein Schwerdt. Die Bewaffneten drangen alle heftig auf ihn ein, wozu der Greis munter spielte. Je heller die Töne erklangen, um so muthiger und behender wurden die Kämpfer, und immer eilten noch mehre herbei, so daß sich Leopold gegen den Schwarm kaum mehr zu vertheidigen vermochte. Muß ich denn hier mein Leben verlieren, rief er aus, und nicht durch die Hand eines tapfern Mannes, sondern durch die Künste eines verfluchten Zauberers sterben, der eine so große Anzahl wider mich kämpfen läßt! Der Alte ließ sich nicht stören. sondern spielte immer weiter, und fing eine ganz neue Melodie an; da sahe Leopold, wie eine große Schaar zu Pferde hurtig über die [278] Ebene zog, und den Kampfplatz zu erreichen strebte. Nun entbrannte sein Herz in Wuth, und er wünschte, ehe er den Tod fände, nur noch den verrätherischen Alten zu verderben. Er hieb mit dem Schwerdte nach dem Zauberer, der ihm ausweichen wollte. Leopold traf aber sein Instrument, das mit einem lauten Klang zertrümmerte und auf dem Boden lag; der Alte sah es einen Augenblick an, dann sank er in die Erde. Die Kämpfer schauten dem Alten nach, und waren auch sogleich verschwunden. Leopold war von dem lauten Klang betäubt; als er sich wieder erhohlt hatte, wollte er sich dem Gefängnisse nähern, und die Gefangenen befreien. Allein der Thurm, der sie zuvor verschloß, war nicht mehr zu sehen, sondern ein Garten voll herrlicher Blumen, die alle in schönen Farben glühten, und einen süßen Duft verbreiteten, stand vor seinen Augen; die Bienen und die Schmetterlinge spielten zu den Füßen der Blumen im Grase. Leopold wollte in den Garten hineingehn, da fühlte er sich mit Gewalt festgehalten, und im Kurzen stand ein prächtiger [279] Pallast vor seinen Augen, der ihm den Garten verbarg. Er zog seinen Kranz aus dem Busen, und die welken Blumen waren daraus verschwunden, und alle seine Rosen hineingeflochten, nur die zwei, welche ihm die Alte geraubt, fehlten noch.

Das Thor des Pallastes öffnete sich, und ein reichgekleideter Diener trat heraus, neigte sich ehrerbietig gegen Leopold, und lud ihn im Namen seiner Herrschaft ein, dort auszuruhn. Wie im Traume war es ihm; er folgte mit dem Kranz in den Händen dem Diener, welcher ihn in einen reich geschmückten Saal führte. Kaum hatte der Diener den jungen Grafen verlassen, so öffnete sich eine andere Thür, und ein großer Mann, welcher überaus prächtig aussahe, und einen silbernen Jagdspieß in der Hand hielt, trat herein. Er führte an seiner Hand eine Dame, deren schwarze Locken mit vielen Edelgesteinen durchflochten waren, sie trug ein dunkles Gewand, und an ihrem überaus schönen Busen zwei Rosen, welche Leopold sogleich für die seinigen erkannte. Ihre feurigen Augen übertrafen [280] mit ihren Strahlen bei weitem den Glanz der kostbarsten Steine. Als diese beiden eingetreten waren, folgte ihnen eine ganze Schaar von Jünglingen und Mädchen, angeführt von einem Jünglinge in einem blendend rothen Kleide, mit vieler goldner Stickerei, der ein sehr schönes Mädchen an der Hand hielt. Alle Mädchen und Jünglinge neigten sich ehrerbietig vor dem Manne mit dem Jagdspieß und vor der Dame in dem dunklen Gewande, welche beide einen Thron bestiegen, der Leopold gegenüber war; die Jünglinge und die Mädchen stellten sich zu beiden Seiten.

Leopold betrachtete alle und bald schien ihm der Mann der so oft gesehene Jäger zu seyn, bald glaubte er den Zauberer in ihm zu erkennen, zu welchem ihn sein Vater gebracht, bald schien er ihm der Alte, der das Mädchen am Flusse erwartete, und bald erinnerte er ihn sogar an den Hirsch, welcher neben dem Reh im Garten weidete. Die Dame dünkte ihm die Alte zu seyn, die ihm die Rosen geraubt hatte, und die Jünglinge und Mädchen erkannte er sogleich für die Schmetterlinge [281] und Bienen. Besonders ließ ihm der roth gekleidete keinen Zweifel, daß er nicht derselbe wäre, nach dem die zarte kleine Blume, die er jetzt als ein schönes Mädchen an der Hand führte, solch ein heißes Sehnen trug.

Indem sich Leopold noch solchen Betrachtungen überließ, hörte er die Töne einer Zitter, und wie ihre Klänge sein Ohr berührten, wurde Liebe und Sehnsucht ihm im Busen wach, er betrachtete seinen Kranz von Rosen, die Thränen flossen aus seinen Augen, und fielen auf die Blumen nieder, und in demselben Augenblick sah er wieder in allen die Funken des Himmels glänzen, die daraus verschüttet wurden. Die Thür öffnete sich wieder, und das Mädchen im weißen Kleide, mit ihren goldnen Locken und der silbernen Zitter in den Händen, trat von dem Reh begleitet ein. Der Alte hob sich zornig von seinem Thron, und sahe das Thier mit drohenden Mienen an. Die Dame stand auch auf und sagte: Rüstig, mein Jäger! was willst du noch länger weilen? – Der Mann schwang seinen Jagdspieß, und stieß das Reh damit [282] nieder; die Dame nahm schnell eine Rose von der Brust, und tauchte sie in das Blut, das aus der Wunde des Rehes floß. Sogleich erhob es sich, und ein wunderschönes Mädchen stand vor aller Augen.

Ich danke dir, mein Vater! sagte sie zu dem Alten, du hast endlich meine Schmach gelöst, und ich eile nun meiner Mutter zu. Darauf wandte er sich zu der Dame und sagte: Deine Rache ist endlich versöhnt, du hast deinem Gemahl vergeben, daß er der Liebe einer zarten Fee Gehör gab, und dir untreu wurde. Du hast die Dienstbarkeit aufgehoben, wozu du mich gezwungen, und der Liebe Blume in die Wunden getaucht, die deine Eifersucht mir schlug. Der balsamische Hauch der Blume hat mich und dich geheilt, und mein Herz wendet sich in Liebe zu dir und deiner Tochter.

Als sie diese Worte gesprochen hatte, umarmte sie das Mädchen, und war nun allen Augen entschwunden. Die Dame nahm den Kranz aus Leopolds Händen, und flocht die beiden Rosen hinein, dann setzte sie diesen dem [283] Mädchen auf den Kopf und sagte: Du verlohrst mit diesem Kranze deine Ruh, ich gebe ihn dir wieder, und zugleich die Hand des Mannes, der dein Herz und deine Blumen raubte. Bei diesen Worten legte sie Leopolds Hand in die des Mädchens, und umarmte beide zärtlich.

Der Alte trat herbei und sagte: Auch ich gebe euch meine Einwilligung und meinen Segen. Leopold erkannte nun ganz deutlich, daß es derselbe Zauberer war, zu welchem sein Vater ihn hinbegleitet hatte. Er war so berauscht von dem Glücke, das schöne Mädchen sein nennen zu dürfen, daß er weder fragte wer sie, noch wer ihre Eltern wären. Die Jünglinge und Mädchen näherten sich ihm und sagten: Erkennst du uns wohl? wir sind die Schmetterlinge, die Bienen und die kleinen Blumen, und sind dir alle verwandt. Ich erkannte euch sogleich, sagte Leopold. Wir wurden so verwandelt, sagten sie, als unser Herr mit seiner Gemahlin sich entzweite. Wir waren alle voll Liebe und blieben es auch, darum hatten wir nur die eine Gestalt; aber [284] wie unser Herr und unsere Gebieterin sich entzweiten, da mußten sie dem Schicksal weichen, und wie Haß und Liebe, Furcht und Eifersucht, Mißtrauen und Verrath in ihnen sich entfalteten, so mußten sie sogleich sich zeigen, und wie die eine Leidenschaft aus dem Busen des einen in des andern zog, so hatten sie auch kaum eine eigne Gestalt, und quälten so sich und die Menschen.

Leopold wollte noch mit seinen neuen Verwandten reden, da erschallte eine laute Musik, die Jünglinge und die Mädchen fingen an zu tanzen, und auch Leopold flog mit seiner schönen Braut durch die Reihen. Als man sich auf alle Weise ergötzt hatte, wurde dem ermüdeten Leopold ein Lager angewiesen, und er entschlief zu sanften Träumen.

Am Morgen erwachte er, erstaunt, daß die Diener, der Pallast, seine Braut, und alles was ihm gestern entzückt hatte, verschwunden war. Er blickte um sich, und fand sich unter einem schattigen Baume, nicht weit von dem Thore seines väterlichen Schlosses. Er betrachtete es, und die bis dahin erlebten [285] Begebenheiten erschienen ihm wie ein Traum; er stand auf und wollte zu seinem Vater gehn, da sah er über sich den blauen Himmel, an welchem ein leichter Duft in Gestalt einer Rose schwamm. Er betrachtete die dünne weiße Wolke, sie färbte sich aber nicht roth, und er konnte der Betrübniß, welche sich seines Herzens bemeisterte, nicht widerstehen. Als er noch so stand, öffnete sich öas Thor seines Vaters, und er sahe den Grafen, welcher heraustrat, und nach allen Seiten umschaute. Der Page, welcher immer Leopolds Liebling gewesen war, begleitete ihn. Mein Sohn kömmt noch nicht, seufzte der Graf. Der Page erblickte Leopold, und eilte ihm freudig entgegen. Seyd mir gegrüßt, mein theurer Herr! redete er ihn an, indem er erst seine Hände küßte. Leopold ging zu seinem Vater und begrüßte ihn.

So sehe ich dich denn gesund und froh wieder, geliebter Sohn! sagte der Graf und schloß ihn in die Arme, komm herein und begrüße deine Braut. Meine Braut? fragte Leopold bestürzt. Ja sagte der Vater, mein [286] Freund und Waffenbruder hat während deiner Abwesenheit bei mir Herberge genommen. Seine schöne Tochter, welche er begleitet, hat mich benachrichtigt, daß du, von aller bösen Zauberei geheilt, heut bei mir zurückkommen würdest; er hat auf seinem Wege zu mir den frommen Mann gesprochen, welchem ich dich anvertraute, und diesen schönen Trost für mich gehört. Zugleich bot er mir seine reizende Tochter für dich zur Gemahlin, darum folge mir und umarme deine Braut. Leopold folgte seinem Vater betäubt, er konnte kein Wort sprechen. Als er in den wohlbekannten Saal trat, löste sich sein Erstaunen in die seligste Freude auf, der Alte mit dem Jagdspieß trat ihm entgegen, und führte das schöne Mädchen mit dem Rosenkranze in den Haaren ihm zu.

Nimm meine Tochter, redete er ihn an, und sey mit ihr beglückt. Leopold umarmte mit Entzücken seine Geliebte, er entdeckte seinem Vater nicht, daß er den Alten und das Mädchen schon kannte; er wußte es sich nicht zu erklären, daß eine unsichtbare Macht seine [287] Lippen schloß, so oft er von diesen Begebenheiten sprechen wollte, und der alte Graf und sein Waffenbruder feierten die Hochzeit ihrer Kinder mit der größten Festlichkeit.

[288]

Die Waldgenossin

[289] [291]Still für sich betend ging ein Einsiedler durch den Wald, welchen der Frühling eben erst von neuem mit muntern Laube bekleidet hatte. Vögel hüpften auf den Zweigen und schauten auf den Einsiedler hinunter; dann erhoben sie ihre Stimmen, und sangen in muntern wirbelnden Tönen ihre frohen Lieder der warmen Sonne entgegen, die ihre grüne Wohnung vergoldete. Aber der Einsiedler wandte sein Haupt nicht zu den Vögeln empor, er vernahm auch ihre Lieder nicht, sondern wandelte still seiner Wohnung zu. Und doch war sein Sinn auch nicht mit seinem Gebet beschäftigt, sondern alle seine Gedanken flohen nach seiner Geliebten hin.

[291] Die Welt hat den unglücklichen Alonso vergessen, seufzte er endlich, wie du undankbare Flerida; aber ich kann die Welt nicht vergessen, weil du einzig Geliebte darin lebst. Und doch will ich den Anblick der Menschen meiden, weil du, grausame Flerida, mich nicht mit deinem holdseligen Blick erfreuen willst. Er hatte jetzt seine Wohnung erreicht, es war eine dichte Laube, die sich durch nahe an einander stehende Bäume gebildet hatte. Epheu wuchs an den Baumstämmen empor, und bekleidete so die Wände des grünen Gemaches. Keine Höhle, sagte der Einsiedler, will ich zu meiner Wohnung erwählen: sie würde mir nicht mehr ein Bild deines reizenden blühenden Lebens seyn. Sehe ich den Epheu sich an den Bäumen hinab schmiegen, so ist mir, ich sähe dich geschmückt mit grünen Gewändern. Brechen die Sonnenstrahlen durch die Wipfel der Bäume, und spielen glänzend auf dem Boden, so ist mir, als wären es die funkelnden Steine in deinen dunkeln Locken, die mit ihrem Glanze mein Herz träfen. Höre ich der Vögel Stimmen über mir, so glaube [292] ich dich zu vernehmen, wie du zu süßen Harfentönen lieblich singst. Rauscht ein leichter Wind in den Zweigen, so bebe ich entzückt und denke: endlich hast du dich meiner erbarmt, und erwartest mich hier in meiner Wohnung, und wirst nun mit deinen zarten Händen den grünen Vorhang von Blättern aufheben, und mit den holdseligen Mienen hervortreten, mir die Hand reichen und mich freundlich anlächeln. Als der Einsiedler noch so redete, rauschte ein Wind, die Epheuranken bewegten sich, eine weiße Hand theilte sie, und es trat eine weibliche Gestalt mit freundlichen Mienen in die Laube. In ihren dunkeln Locken schimmerten kostbare Steine, ein grünes Gewand floß zu ihren Füßen herab, eine silberne Zitter ruhte in ihrem linken Arm; sie betrachtete den Einsiedler einige Zeit, dann fing sie an auf der Zitter zu spielen, und begleitete die Töne mit ihrem Gesange:


Wohntest unter meinen Bäumen,
Klagtest oft hier deine Schmerzen,
Und mir ging dein Leid zu Herzen,
Möchte gern hinweg es räumen.
[293]
Wann du oft mit bittern Thränen
Flerida Geliebte nanntest,
Dich zu meinen Bäumen wandtest,
Riefest: stillet doch mein Sehnen!
Oftmals dann im stillen Sinne,
Dacht' ich: wie Sie alle Leiden,
Senk' ich in sein Herz wohl Freuden,
Daß sein herbes Weh zerrinne.
Und mein faltig grün Gewand
Ließ ich durch die Blätter spielen,
Winde luftig drinne wühlen,
Nahm die Zitter in die Hand.
Wenn das Saitenspiel erklang,
Fingen Vöglein an zu singen,
Wollten meinen Ton bezwingen
Mit dem lieblichsten Gesang:
Und nicht lange, so erschallt
Es in Wipfeln auf und nieder,
Aller Vöglein süße Lieder
Wirbeln durch den ganzen Wald.
Aber wie der Wald auch lacht,
Wie die Vögel immer ringen,
Wie die Stimmen munter klingen,
Stets in dir die Liebe wacht.
[294]
Scheuchet Waldlust wohl zurücke;
Denkest gar beim Sonnenscheine
Ihren Putz, ihr schön Gesteine,
Seufzest nur nach ihrem Blicke.
Daß in meinem sanften Herzen,
Schon der wilde Zorn entbrannte,
Weil dein Herz es nicht erkannte,
Wie ich litt bei deinen Schmerzen.
Es entwich der zorn'ge Muth,
Fühlt' im Herzen wieder Reue,
Daß ich strafen wollt' um Treue;
Ward dir so von neuem gut.
Und beschloß nun dir zu dienen.
Dich zu retten aus den Träumen,
Saß ich sinnend in den Bäumen,
Hoch im Wipfel so im Grünen.
Und nach meiner Zitter Tönen,
Kam der Vögel Königin,
Ich erweichte nun den Sinn
Dieser Holden, dieser Schönen.
Sie versprach mir, hinzufliegen,
Wo ich deine Schöne sah,
Die du nennest Flerida,
Sie mit Tönen zu besiegen.
[295]
Was sie sprach, hat sie vollendet,
Du hast Leid genug gelitten,
Folge froh nun meinen Schritten,
Eh dein Glück sich wieder wendet.
Meine Bäume, die ich liebe,
Will ich dir zu Liebe meiden,
Sorgend daß von deinen Leiden
Dir kein Schein zurücke bliebe.

Als die Schöne dies Lied geendigt hatte, trat sie aus der Laube heraus, und ging durch den Wald, Alonso folgte ihr. Ihr weites grünes Gewand wurde oft vom Winde aufgehoben, und verbreitete dann einen süßen Duft und liebliche Kühlung. Wann der grüne Saum die Grasspitzen berührte, so wurde das Gras grüner, und kleine Blümchen blickten daraus hervor. Die dunkeln Locken wehten um ihre Schultern, die Edelsteine funkelten darin, und es war dem Alonso, als ob die Nacht mit ihren Sternen auf grünen Bäumen ruhte. Indem sie ging, spielte sie auf der Zitter, die Vögel folgten den Tönen, und sangen mit ihren Stimmen darein. Alonso war wie träumend, so folgte er der[296] Schönen, die mit ihm so wunderbar durch den Wald zog.

Nachdem sie den Tag über gewandert waren, und die Sonne matter zu scheinen anfing, war der Gang von Alonso's Führerin nicht mehr so schnell; sie blickte oft seufzend nach den Bäumen, dann sah sie sich nach dem Einsiedler um, und als nun endlich die Sonne untergegangen war, stand sie bei einer hohen Buche still, die ihre Zweige weit verbreitete. Die Schöne sah einige Augenblicke in die dichten Zweige hinauf, dann schlug sie einige Töne auf ihrer Zitter, worauf sie sang:


Schwester in dem dunkeln Baum,
In der Wohnung hör die Bitte,
Freundlich nach der alten Sitte,
Scheuche gleich den süßen Traum.
Meine Bitten sind geringe:
Laß nicht, daß der niedre grüne
Teppich mir zum Lager diene,
Nicht zu dieser Schmach mich zwinge.
Senke zu mir her die Zweige,
Daß sie mich zu dir erheben,
Wiegend süße Träume geben;
So mir Huld und Lieb' erzeige.
[297] Vom Baume herunter antwortete eine Stimme im schläfrigen Tönen:
Wessen Stimme hör' ich schallen,
Da schon lange sich geneiget
Heller Tag,
Und sein Strahl uns nicht mehr zeiget,
Wo wir auf der Reise wallen?
Nach der altgewohnten Weise,
Als ich sah der Sterne Funkeln,
Thät der Schlaf
Mir das müde Haupt umdunkeln:
Und du bist noch auf der Reise?
Deiner Zitter Stimme saget,
Unten tief in Waldes Grunde
Sey dein Haus:
Warum hast in dieser Stunde,
Um ein Lager du geklaget?
Die Schöne schüttelte ihre dunkeln Locken, und sang mit zorniger Stimme:
Glaubst du, daß mich böses zwang,
Von den Bäumen zu entfliehen?
Winde, Vögel nach mir ziehen,
Folgend all' dem süßen Klang.
Meine Zitter könnt' ich schlagen,
Und sie würden alle weilen.
[298]
Keiner würde nach mir eilen,
Hätten sie mich zu verklagen.
Mitleid hat mich angetrieben,
Daß ich ziehe durch die Wälder,
Ueber blumenreiche Felder,
Zu vereinen, die sich lieben.
Wohl, du senkst die Zweige nieder,
Hebst empor mich in die Lüfte,
Mich umfächeln Blüthendüfte,
Schlaf erquickt die müden Glieder.
Auch dem Freunde hold dich zeige,
Laß den großen Baum mit düstern
Zweigen durch einander flüstern,
Daß ihm Schlaf hernieder steige.

Die Schöne war in den Zweigen des Baumes verschwunden; Alonso wollte den hohen Wipfel noch durchschauen, aber die unzähligen Blätter flüsterten mit so lieblichem Geräusch durch einander, daß er seine Augen schließen mußte, und entschlief. Am Morgen erwachte er frühe und betrachtete den Baum, dann wieder die Gegend des Waldes, er war hier ganz unbekannt. Seine gestrige Begebenheit kam ihm in das Gedächtniß zurück, [299] aber er wagte es nicht daran zu glauben, sondern hielt alles für einen Traum. Er sah die alte Buche wieder an, und konnte sich der Thränen nicht erwehren. So warf er sich an ihrer Wurzel nieder, und sang mit betrübter Stimme:


Zu dir auf, du hoher Baum,
Muß ich meine Augen lenken;
Immer muß ich sehnend denken:
Wär mein Träumen doch kein Traum!
Denk' ich an die holde Schöne,
Die der Ast empor geschaukelt,
Wie die Vögel sie umgaukelt,
An den Zauber ihrer Töne:
Dann muß ich, geliebter Baum,
Meine Augen zu dir lenken,
Muß von neuem sehnend denken:
Wär' mein Träumen doch kein Traum!

Als er dies Lied geendigt hatte, stand die Schöne vor ihm und lächelte ihn freundlich an. Sie schlug in ihre Zitter, und die Töne erklangen, und ihr Gefolge, die muntern Vögel, machte sich auf um sie zu begleiten. Alonso betrachtete die Schöne, und da sie so [300] überaus milde und freundlich in den Wald hinein blickte, wagte er sie anzureden. Er trat nahe zu ihr und sagte: Vergieb, du himmlisches Wesen, daß ich mit dir zu reden wage. In einem übersüßen Traum, welchen ich hatte, erschienst du mir, und redetest von meiner geliebten Flerida, und gelobtest mich mit ihr zu vereinigen. Lächelnd sahe ihn die Schöne an, und setzte ihren Weg fort, ohne ihm zu antworten. Alonso sah sie noch einmal an, und entsetzte sich nun davor, daß er sie angeredet hatte; alle ihre Lieblichkeit schien gar nicht menschlich, und da ein solches Grauen sein Herz faßte, so stand er still und bedachte sich, ob er ihr noch weiter folgen sollte. Die Schöne bemerkte seinen Vorsatz, sie drehte sich zu ihm und sagte:


Oftmals zu der Bäume Haupt
Richtet ihr bethränte Blicke,
Sprechend: Baum so grün umlaubt,
Laß dir klagen mein Geschicke,
Was die Menschen mir geraubt.
Freundlich schaut' ich auf dich nieder
Aus des Baumes hoher Krone,
[301]
Als ich deine bangen Lieder
Hört' im Wipfel, wo ich wohne,
Sprach: Dein Glücke blühet wieder.
Rührte drauf des Baumes Haupt,
Daß er Flüstern niederschicke,
Das dir sage: grün umlaubt
Wohnt dein Heil und süßes Glücke,
Das kein Mensch dir wieder raubt.

Wie? sagte Alonso, wenn ich im trüben Gram verloren in den Wald kam, alle Erinnerung der vergangenen Zeit mein Herz matterte, und dann des Baumes Flüstern so freundlich zu mir sprach, so linde meinen Kummer verscheuchte, so war es deine Hand, die die Wipfel rührte, daß sie so milde zu mir sprachen? Die Schöne sang mit lieblichen Tönen:


Meine Diener sind die Bäume,
Können nicht von dannen fliegen,
Denn sie fesseln grüne Räume,
Mögen Kummer doch besiegen,
Und verscheuchen bange Träume.
Lustig alle Blätter rauschen,
Will ich dir mein Lieben zeigen;
Vögel auf die Töne lauschen,
Wollen auch nicht länger schweigen,
Worte mit den Bäumen tauschen.
[302]
Zu dem Menschen kommt dann Frieden,
Wann die Wipfel so sich regen,
Und sie winken nun dem Müden
An dem Baum sich hinzulegen,
Welcher ihm die Ruh' beschieden.
Folgt er willig ihrem Winken,
Dann sind hold ihm alle Bäume,
Und im Schlaf hernieder sinken,
Süß und milde, Glückes Träume,
Neue Hoffnung muß er trinken.
Dir nun bin, ich so gewogen,
Daß ich lasse gar mein Haus,
Fort bin ich mit dir gezogen,
Gehe auf die Wandrung aus,
Thue, was ich nie gepflogen.
Horch! der Vögel Melodieen,
Werden jetzt von neuem wach,
Wie die süßen Blumen blühen,
Also ziehn die Tön' uns nach,
Kannst dem Zauber nicht entfliehen.
Was dies Klingen mag bedeuten?
Was dies Tönen alles soll?
Freude will es dir bereiten:
Zauber aus den Bäumen quoll,
Der dir bietet Seligkeiten.

[303] Als die Schöne dies Lied geendigt hatte, stand sie auf einem Grasplatze im Walde still, schlug ihre Zitter viel stärker, so daß die Töne durch alle Bäume klangen, und die Vögel verwundert still schwiegen. Hierauf hörte man in der Ferne ein liebliches Rauschen, und nun fingen die Vögel mit lauten Stimmen ihre Lieder von neuem an, wobei sie sich in den Lüften auf und nieder wiegten. Alonso blickte auf und sahe, wie ein schönes zartes Frauenbild durch die Lüfte schwamm, ein Gewand von tausendfarbigen Federn schmiegte sich um ihren zarten Leib, ein zahlloses Heer von Vögeln folgte ihr. Alonso's Führerin schlug nun die Zitter leiser und sang:


Freundlich bist du, holde Schöne,
Meinem Ruf sogleich gekommen.
Kaum vernahmst du meine Töne,
Bist schon durch die Luft geschwommen.
Sage! das, warum ich bitte,
Hast du schon es ausgeführt?
Folget Flerida dem Schritte,
Der sie her zum Liebsten führt?
Das Frauenbild antwortete ihr mit lieblichem Gesange:
[304]
Flerida wird gleich erscheinen,
Süße Thränen wird sie weinen,
Gerne sich dem Liebsten einen,
Ihre Lieb' ihm nicht verneinen.
Als sie müde war vom Jagen,
Da ließ ich die Stimme schlagen,
Wie die Nachtigallen klagen,
Lieblich hab' ich's vorgetragen.
Als ich so nun ließ den süßen
Ton durch alle Büsche fließen,
Mußte Thränen sie vergießen
Auf die Blumen ihr zu Füßen.
Weinen hab' ich hier gemußt,
Sprach sie, und in meiner Brust
Schlägt das Herz mit banger Lust,
Bin mir keines Leids bewußt.
Nun was will es denn bedeuten?
Schmerz und Lust im Herzen streiten,
Locken mich mit Seligkeiten,
Zeigen mir ein Bild von weiten.
Bild, ich muß dich mir gewinnen,
Darnach trachten alle Sinnen.
Wohl, ich will den Streit beginnen,
Mag mein Leben auch zerrinnen.
[305]
So nun folgt sie meinen Tönen,
Die an Schmerzen sie gewöhnen.
Nicht wird sie den Freund mehr höhnen,
Gerne sich mit ihm versöhnen.

Indem trat Flerida in einem grünen Jagdkleide hervor, und lehnte sich ermattet an einen Baum. Alonso sahe sie noch nicht, so sehr war er von den Tönen, welche er vernommen hatte, geblendet. Seine Führerin wendete sich zu dem lieblichen Frauenbilde, das noch immer in der Luft schwebte, und sprach:


Laß uns nun von dannen fliegen,
Nichts ist mehr für uns zu thun,
Unsre Mühe kann nun ruhn,
Liebe wird sie ganz besiegen.
Sie, die Tönen unterliegen,
Halten alles nur für Traum,
Wenn sie sehn den grünen Baum
Laub und Zweige freundlich wiegen.
Lebe wohl, geflügelt Wesen!
Dein Gesang war süß und mild,
Ja er zeigte mir das Bild
Von dem Baum, den ich erlesen.
[306]
Lebe wohl! ich muß nun eilen,
Wieder wohnen in dem grünen
Baum, von goldner Sonn' umschienen,
Kann allhier nicht länger weilen.

Als Alonso's Führerin diesen Gesang geendigt hatte, ging sie mit ihrer Zitter in den grünen Wald hinein, das liebliche Frauenbild in der blauen Luft flatterte auch davon. Alonso hob die Augen auf, und ihm war, als ob er aus einem süßen Traum erwachte. Flerida stand sinnend an den Baum gelehnt, und blickte zu ihm empor. Alonso bemerkte die Schöne, trat zu ihr und sagte:


Schöne, einsam hier im Wald,
Bist verirrt von deinen Frauen?
Willst du dich mir anvertrauen,
Führ' ich dich zurücke bald.
Flerida schlug ihre Augen auf, aus denen Thränen niederfielen, und sagte:
Nicht verirren kann ich's heißen,
Was mich ziehet durch den Wald.
Wider Willen folg' ich bald,
Taumelnd in den Zauberkreisen.
Sprechen will ich; Eremite,
Dir will ich mein Leid vertraun,
[307]
Du sollst meine Seele schaun:
Hilf und rathe mir voll Güte!
Heiß ermüdet von dem Jagen
Stand ich in der Bäume Schatten,
In dem lieblichen Ermatten
Hört' ich Nachtigallen klagen.
Wie die Töne in den Lüften,
Wankten Blumen mir zu Füßen,
Schmeichelten mit ihren süßen
Balsamreichen lauen Lüsten.
Davon ward mein Herz entzündet,
Was ich wähnte schon gestorben,
Hatte neue Kraft erworben,
Mir sein Leben schnell verkündet.
Ach ich weiß, das ist die Liebe!
Wie sie sich so laut will regen,
Zagt mein Herz mit bangen Schlägen
Ach, schon kenn' ich diese Triebe!
Sieh nun weißt du meine Leiden.
Sprich: warum in Jugendblüthe
Ist voll Gram denn dein Gemüthe,
Daß du schon die Welt willst meiden?

Als Flerida die Rede endigte, hatte Alonso sie erkannt, er wagte es aber nicht seinen Namen zu nennen; er fürchtete, sie möchte [308] ihn dann wieder verlassen, und die Angst, die ihm dieser Gedanke machte, preßte ihm Thränen aus, wehmüthig blickte er zu den Bäumen auf, und sagte seufzend:


Jugend schmückte meine Glieder,
Zärtlich in der jungen Brust
Regte sich mir Schmerz und Lust,
Einer Schönen sandt' ich Lieder.
Bald nun lernt' ich Qualen kennen,
Als die Schöne mich verschmähte,
Nie mein Auge sie erspähte,
Fühlt' im Busen Wunden brennen.
Dieses Unglück schlug mich nieder,
Rannte fort zu wilden Auen,
Wollte niemals Menschen schauen,
Da mein Anblick ihr zuwider.
Hier im Walde zu den Bäumen
Floh ich her, die mit den Zweigen
Sich voll Mitleid zu mir neigen,
So entstand ein seltsam Träumen.
Jetzo find' ich Eremite
Dich die schönste aller Frauen:
Willst du Hoffnung auf mich bauen,
Sprießt mir auf des Glückes Blüthe.

Alonso sah die schöne Flerida mit zärtlichen [309] Blicken an, und streckte ihr bittend seine Hand entgegen. Sie erkannte den Eremiten, und eine liebliche Zärtlichkeit glänzte in ihren schönen Augen. Alonso nahte sich und fiel vor ihr auf die Kniee nieder, sie sank in seine Arme, und lehnte ihr glühendes, von der Liebe geröthetes Gesicht an seinen Busen. Als sich beide lange in stillem Entzücken umarmt gehalten hatten, hoben sie die trunkenen Augen auf zu den Bäumen, und sprachen zugleich:


Bäume, Vögel, seyd gepriesen!
Euer Rauschen, euer Singen
Wollt' uns aus der Irre bringen,
Hat den schönsten Weg gewiesen.
Sänger, fröhlich bunt von Farben,
Und du, Hoffnungs-grüner Wald!
Wie erfrischet ihr so bald
Herzen, die in Sehnsucht darben!
Darum seyd auch uns gepriesen!
Euer Rauschen, euer Singen
Wollt' uns himmlisch leitend bringen
Zu der Liebe Paradiesen.
[310]

Die Bezauberungen der Nacht
Ein dramatisirtes Mährchen

[311] [313]Dichter Wald.

Alvaro, Ludovico, Fernando.


ALVARO.
Wir folgten dir, mein Prinz, bis in den Wald.
Dein finstrer Sinn hält deinen Mund verschlossen,
Wir sehn die Thränen, die du still vergießest;
Dein Leiden schafft uns Weh, und keiner wagt
Mit kühner Frage deinen Schmerz zu stören.
LUDOVICO.
Du weißt, mein Prinz, wie treu mein Herz dir schlägt,
Drum nenne mir die Qual, die dich zerstört:
Und ist es wo auf Erden zu gewinnen,
Wonach du dich in Sehnsucht fast verzehrst,
So fodre kühn den Beistand meines Arms,
Und nimm mein Wort, daß ich nicht früher raste,
Bis sich dein Wunsch durch meine Kraft erfüllt.
[313]
ALVARO.
So schwör' auch ich. Wir beide, treu verbündet,
Wir wollen durch die weiten Länder ziehn.
Ist eine Schöne wo, die dich verschmäht,
Und so den herben Kummer dir erweckt?
Sprich ihren Namen aus: wir beide eilen,
Und unser Muth führt dir die Spröde zu.
FERNANDO.
Ach, hier in Waldes Grunde,
Wie fühl' ich meine Wunde!
Die Wort' aus eurem Munde,
Sie stillen nicht mein Leiden.
Ach, sonst im frohen Bunde
Mit euch und allen Freuden,
Mußt' aller Schmerz mich meiden.
Nun muß ich selber scheiden,
Von allem Lebensglücke
Muß ich Verbannung leiden.
Sie meidet meine Blicke,
Die Pfänder, die ich schicke,
Giebt sie mit Hohn zurücke:
Die grausame Belinde,
Nach der ich seufzend blicke.
[314]
LUDOVICO.
Die wird ihr Vater nimmer dir verloben;
Du weißt es selbst, er liebt nicht deinen Stamm,
Und, wenn er dich an seinem Hofe duldet,
So zwingt ihn Furcht vor deines Vaters Macht.
ALVARO.
Drum gieb die Hoffnung auf, den kühnen Wunsch
Des Königs Rodrich Tochter zu besitzen:
Du könntest leicht sie mit dem Leben büßen.
FERNANDO.
Das ist die Treue, die ihr mir gelobt!
Wohl mir, daß ich nie eurer Freundschaft glaubte!
Weh mir, daß eure Schmeichelei mir raubte,
Was ich still trug, was nun euch so erprobt!
ALVARO.
Und kannst du glauben, daß die treuste Liebe
Nicht jetzt, wie stets aus unserm Munde spricht?
[315]
FERNANDO.
O ja, ich kenne sie, die treue Liebe!
Sie macht euch nichtig schwatzen unverdrossen,
Bis daß euch nichts mehr ein Geheimniß bliebe,
Bis daß der Schmerz in Worte sich ergossen.
Dann sprecht ihr: Mäß'ge deine wilden Triebe,
Sonst wird noch dein und unser Blut vergossen.
O schweigt! Ich kenn' euch wohl, ihr kühnen Helden,
Nur euer Mund kann eure Thaten melden.
LUDOVICO.
Der Feigheit Schmach, ich kann sie nicht ertragen;
Drum sprich: was willst du, daß wir für dich thun?
Ich raube die Prinzessin, wenn du's willst,
Und führe dir sie zu, wo du es foderst.
ALVARO.
Und ich begleite dich und theile die Gefahr.
FERNANDO.
Ihr theuren Freunde! ach, ich athme wieder!
Vergebt die frechen Worte, die ich sprach.
[316]
LUDOVICO.
Sprich nur: was soll geschehn? Denn lang dünkt mir
Die Zeit, bevor ich dir mein Wort bewährt.
FERNANDO.
Ein goldner Hoffnungsstrahl sinkt zu mir nieder,
Und löst mich von der Furcht und Zweifel Schmach.
ALVARO.
Wohin willst du, daß wir Belinden führen?
FERNANDO.
Wohin? Ach hier, wo die uralten Bäume
Mit Zweigen sich und Blättern dicht verschlingen.
Kein Mensch naht diesem Ort; die grünen Räume
Sind sicher; keine Späherblicke dringen
Hieher, und stören so der Liebe Träume.
LUDOVICO.
Hieher im Wald? Des Himmels rauhen Lüften
Willst du zum Raub die zarte Schöne geben?
FERNANDO.
Aus Zweigen will ich ihr ein Hüttchen baun,
Sie so vor Sonn' und rauher Luft beschützen.
[317]
LUDOVICO.
Ich wende nichts ein gegen deinen Willen,
Und gehe schon, ihn eilig zu erfüllen.

Ludovico und Alvaro ab.


FERNANDO.
Wie klopfst du noch so ängstlich bang, mein Herz?
Die kühne That, sie wird, sie muß gelingen.
In lauter Freude wandelt sich mein Schmerz,
Ich möcht' im Walde Jubellieder singen,
Mit freud'gem Spiel, mit muntrer Lust und Scherz
In alle Zweige dieser Bäume dringen.
Die Vögel möcht' ich, mir zu dienen, zwingen,
Der Herrin so Gesang entgegen bringen.
Doch still! Mich dünkt, daß eines Menschen Bild
Sich einsam dort durch grüne Zweige drängt.
Ihr Bäume, nehmt mich auf! Bedeckt mit Zweigen
Vor jedem Forscherauge freundlich mich.

[318] Rinaldo tritt auf.


RINALDO.
Wohin, wohin wird noch die Furcht mich treiben?
Ein gräslich Bild verfolgt und martert mich.
Im Traume schien es mir, als ob Alfonso
Mit schnöder Rede mich zur Wuth gereizt.
Im Herzen brannte mir das wilde Feuer,
Mein Arm erhob sich, traf den Königssohn,
Und, wie das Blut ihm aus der Wunde quoll,
Die ich mit meinem Schwerdte ihm geschlagen,
Ward wilder noch der Haß in meiner Brust.
Endlich erwacht' ich, riß mich auf vom Lager,
Mich trieb die Angst der Wuth hinaus ins Freie:
Im Garten, hofft' ich, zwischen Laub und Blumen
Da möchte mich der schmerzlich wilde Grimm
Vielleicht verlassen. –
Doch kaum betritt mein Fuß die dunkeln Gänge,
So seh' ich, wie Alfonso sinnend wandelt.
Schnell greif' ich nach dem Schwerdt an meiner Seite,
[319] Doch, ob ich ihn erschlug, weiß ich nicht mehr.
Ich weiß nicht, ob ich es im Traum gesehn,
Daß roth sein Blut aus seinem Herzen floß;
Ich weiß nicht, ob es wachend ist geschehn,
Daß ich es rasch mit meiner Hand vergoß.
Mich treibt die Furcht, mich zitternd zu verbergen;
In jedem Laut, selbst in der Bäume Neigen
Ist mir, als hört' ich schon des Königs Schergen,
Mich schrecken selbst die Vögel in den Zweigen.
Ach, könnt' ich hier, umschirmt von Laube, mitten
In dieses Baumes dichtem Wipfel wohnen!
So wär' ich sicher, keines Menschen Auge
Kann ja durch dieses Blattgewebe dringen.
Den Vögeln gleich möcht' ich empor mich schwingen,
Die süßen Lieder in die Lüfte singen,
Die Erde lassen mit den bangen Sorgen. –
Fahr hin, mein Wahn! Ich kann es nicht erreichen,
Muß mich auf niedrer Erde ängstlich bergen,
Eine Höhle suchen, die den Flüchtling schirmt.
[320] Hier hinter diesem Baum, an diesen Felsen
Seh' ich den Epheu wild empor sich ranken.
Mir sagt mein Herz, ich werde Schutz hier finden. –
Ich ruf' euch an, verhüllende Gesträuche,
Wehrt mir den Eingang nicht in diese Höhle!
Was seh' ich? Welch ein Bild will mich verwirren?
Es sollen lauter Träume mich umgeben.
Ein holdes Kind, im weißen Pilgerkleide.
Liegt sanft entschlummert hier auf weichem Moos.
Sie regt sich, – O vergieb daß ich es wagte,
Dich Engelsbild in süßer Ruh zu stören!

Eine Pilgerin tritt aus der Höhle.


PILGERIN.
Wer meinem stillen Lager nah gekommen,
Der darf nicht ohn' ein Liebeszeichen gehn.
Die Ruh ist aus dem Herzen dir genommen,
Du selber weißt nicht, wie es nur geschehn.
Wie deiner Klagen Strom zu mir geschwommen,
So neigt mein Herz sich deines Herzens Flehn.
Drum sprich: soll diese Höhle dich beschützen?
Willst du verhüllt von grünen Zweigen sitzen?
[321]
RINALDO.
Ich würde lächeln, daß dein Mund so spricht,
Wenn meine Seele nicht ein Grauen faßte.
Bist du es mit dem lieblichen Gesicht,
Die macht, daß mein Gesicht vor Furcht erblaßte?
Ich kenne dich, ja auch mich selber nicht:
Ist es mein Leib, den ich mit Angst betaste?
Ich fühle daß ich dir zum Spiel muß dienen;
Laß mich nur athmen, leben nur im Grünen.
PILGERIN.
Fleug hin, mein Vogel! und gehorch mit Freuden,
So wird dich deine neue Herrin lieben.
Vergiß nun Sorg' und Angst und alle Leiden;
Der Haß in deiner Brust, er muß verstieben,
Es werden dich des Grimmes Schmerzen meiden,
Doch ist der Liebe Weh dir übrig blieben.
Du wirst nun fühlen, was dein Zürnen sollte;
Dein Herz wird lieben, wo es morden wollte.

Rinaldo fliegt verwandelt als Vogel auf den Baum, die Pilgerin geht in die Höhle.

[322] Garten.

Belinde, Rosa, Viola.


BELINDE.
Sieh, Rosa, hier die holden Blüthen,
Die jungen Rosen geb' ich dir:
Du mußt den zarten Schmuck behüten
Als deines eignen Namens Zier.
Viola du, bescheidne Blume,
Auch dir zu Ehren wächst ein Strauß,
Doch treibt zu meines Namens Ruhme
Die Erde nicht ein Blümchen aus.
ROSA.
Zu hoch bist du für solche Spiele,
Es blüht dein Ruhm in Edler Herz;
Dein Name dienet nicht zum Ziele
Für Tändelei und leichten Scherz.
VIOLA.
Es schmiegen alle sanften Worte
Sich willig deinem Namen an.
Noch gestern an des Gartens Pforte
Sang ein verliebter junger Mann;
Belinden pries sein Lied zur Zitter,
Ich konnte sein Gesicht nicht sehn,
[323] Doch sah ich reich gestickt dem Ritter
Den Mantel von den Schultern wehn.
BELINDE.
Wer ist so frech, es kühn zu sagen,
Daß mir sein Herz im Busen schlägt,
Und sich so nah dem Schloß zu wagen?
Es wird mein Herz von Furcht bewegt.
Ihr seyd mir lieb, mit euch umspielte
Zugleich die frohe Kindheit mich.
Euch sag' ich jetzt, was längst ich fühlte,
Denn eure Treu' bewährte sich.
O sage mir, Viola! Holde!
Der Mantel, war er himmelblau
Mit reicher Stickerei von Golde?
So bin ich die beglückte Frau,
Die Ludovico sich erwählet,
Mit dem mein Sinn mich lang vermählet.
VIOLA.
Nein, er war roth bekleidet, wie ich sah.
ROSA.
So war es ganz gewiß der Prinz Fernando.
BELINDE.
O warum müßt ihr seinen Namen nennen?
[324] Ich weiß, er richtet seinen Wunsch auf mich,
Doch nimmer werd' ich mich dem Mann vermählen.
ROSA.
Das weiß ich jetzt, nachdem du uns vertraut,
Es wohn' im Busen dir ein süßers Bild.
BELINDE.
Verschweiget mein Vertraun; zu frühe Hoffnung
Entlockte mir, was ich so lang verhehlt.
VIOLA.
Zwey Männer seh' ich in den Gängen dort,
Die sich mit Eil zu diesem Orte wenden.
BELINDE.
Gewaltig drängt sich mir das Blut zum Herzen;
Mich täuscht mein Blick nicht: kommt hinweg! er ists.
VIOLA.
O bleib! Versagst du dir den holden Wunsch
Ein freundlich Wort von deinem Freund zu hören?
BELINDE.
Ich kann nun nicht mehr gehn: schon naht er sich,
Und nahm uns in des Baumes Schatten wahr.

[325] Alvaro und Ludovico kommen.


LUDOVICO.
Leise flüstern hier die Winde
In den Zweigen dieser Linde,
Alle beugen sich geschwinde
Mit den Blättern sanft und linde
Zu der Königin Belinde.
ALVARO.
Sieh die Zweige all sich neigen,
Vögel auf und nieder steigen;
Einer will dem andern zeigen
Wem der Schönheit Kron' ist eigen,
Keiner will es mehr verschweigen.
BELINDE.
Euch lockten wohl wie uns die lauen Lüfte,
Die mit den kleinen Blumen freundlich spielen
Und scherzend ihre Balsamdüfte rauben.
LUDOVICO.
Es lockten uns die lauen linden Lüfte,
Die flüsternd in den Blumenkelchen spielen;
Sie zogen vor uns her, und wollten rauben, –
Doch nicht den Duft von kleinen zarten Blumen,
So kleines sollte heute nicht geschehn:
[326] Nein, von den Lippen dir den süßen Hauch.
Sie trugen deinen Athem durch die Luft,
Und alle Blumen hoben ihre Häupter,
Um sich der Wohlgerüche zu erfreun.
BELINDE.
Komm, Rosa! und Viola, komm! Wir wollen
Zurück in unsre stillen Zimmer gehn.
Die Sonn' ist schon gewichen, und die Sterne
Bemühn sich, durch des Himmels Blau zu dringen.
LUDOVICO.
O möge sich ein günst'ger Stern doch zeigen,
Durch dessen Einfluß du mich gütig hörst!
BELINDE.
Was bät' und wünscht' ein Ritter wohl wie ihr,
Das ich nicht eilen würde zu erfüllen?
LUDOVICO.
O kämen diese Wort' aus deiner Brust,
Sie wandelten der Liebe Qual in Lust!
BELINDE.
Ihr sprecht, daß ich die Rede kaum begreife,
LUDOVICO.
Der Sonne Pracht will noch aus Westen steigen
Empor zu jenem dunkelgrünen Wald.
[327] Ihr goldner Abglanz ruht auf allen Zweigen
In denen süßer Vögel Lied erschallt.
O folge mir dahin! Dort wird sich zeigen
Der Liebe hohe mächtige Gewalt:
Zu deinen Füßen wird ein Held dir klagen
Das Weh, das er in deinem Dienst getragen.
BELINDE.
Ich wollte zürnen und muß dennoch schweigen,
So sehr beherrscht dein Blick mich und Gestalt;
Auch muß die Scham sich deinen Worten neigen:
Ich folge dir, ein Mädchen, in den Wald.
Es wird mein kühnes Unterfangen zeigen
Der Lieb' unwiderstehliche Gewalt.
Nun komm! an meiner Seite mir zu klagen,
Welch süßes Weh du hast um mich ertragen.

Belinde geht mit Ludovico und Alvaro.


ROSA.
Ist sie es noch, die Keusche, Reine,
An deren Tugend wir uns freun?
Ach sieh, Viola! ich beweine
Ihr Irren und zu spät Bereun.
VIOLA.
Der König kommt und sucht die Blume,
Die ihm so lieb vor allen war.
[328] Noch weiß er nicht, wie seinem Ruhme
Nun droht die härteste Gefahr.
ROSA.
Drum, eh uns seine Blicke finden,
Laß eilig uns von hinnen gehn.
Wenn er uns fragte nach Belinden,
Wie könnten wir vor ihm bestehn?

Der König tritt auf.


KÖNIG.
Bleib, Rosa! Deinem König sollst du sagen,
Warum sich meine Tochter nicht mir zeigt.
Ich schweife einsam durch die weiten Gänge,
Mein Auge späht in allen ihren Lauben,
Doch nirgends finden meine Blicke sie.
ROSA.
Ach Herr, vergieb! Es treff' uns nicht dein Zürnen.
KÖNIG.
Was ist geschehen? Zögre nicht! sag schnell!
Welch Leid soll ich von meinem Kind' erfahren?
ROSA.
Die Tochter, die du liebtest, die wir ehrten,
Die noch so jüngst in aller Tugend prangte,
[329] Sie stand hier unter uns die schönste Blume:
Da naht' ein Ritter sich, und hauchte Worte,
Die süß in stiller Abendluft erklangen,
Wie gift'gen Thau auf ihrer Farben Glanz.
Sie reicht ihm ihre Hand, sie folgt dem Manne,
Der führt sie fort zum dunkelgrünen Wald;
Du nahst, und siehst bestürzt uns ob der That.
VIOLA.
Sieh, wie des Königs Blicke niedersinken,
Und seine Thränen fallen in den Staub;
Die dunkle Wange bleicht ihm Zorn und Scham.
O fort! eh ihm die Sinne wiederkehren,
Und er an uns im wilden Grimme dann
Sich rächet für der Tochter bittre Schmach.

Beide gehen.


KÖNIG allein.
Mir ist, als will ein Träumen mich verwirren,
Durch Täuschung mich zu schwarzer That verleiten.
Ich blicke aufwärts zu den hellen Sternen,
Und fodre von den Himmelsmächten Rath.
Ist es geschehn? hab' ich es recht vernommen?
Es spricht die Liebe für mein Kind im Herzen,
Ich kanns nicht glauben, was mir die gesagt.
[330] Dann wieder foltern mich die grimmen Schmerzen,
Ich selber werde von mir selbst verklagt.
Ich konnte mit der Mutter Qualen scherzen,
Drum werd' ich nun vom eignen Blut geplagt.
Der freche Fluch, den ich einst ausgesprochen.
Wird an mir selbst, am eignen Haupt gerochen.
Doch soll die Frevlerin mein Blut nie schänden,
Eh treib' ich mit den eignen Qualen Scherz.
Ich will sie suchen, und mit diesen Händen
Durchbohren ihr verrätherisches Herz,
Will neben ihr dann selbst mein Leben enden,
Will sterben in der herben Reue Schmerz,
Und lassen meinem nie geliebten Sohne
Die lange schon von mir gehaßte Krone.

Er geht.


Dichter Wald.


Rinaldo als Vogel auf dem Baum.


RINALDO.
In dem goldnen Sonnenscheine
Saß ich oft, ein Mensch, alleine:
Eng beklommen war mein Sinn.
[331] Jetzo darf ich lustig steigen,
Hüpfend in den grünen Zweigen,
Leicht mich wiegend her und hin.
Dachte sonst auf Streit und Morden,
Nun ein leicht Gefieder worden,
Kann mich nur die Liebe freun;
Käme sie nur hergegangen
Die mir Herz und Sinn gefangen,
Wollte gern ihr Vogel seyn.

Belinde, Ludovico, Alvaro kommen.


BELINDE.
Die Liebe hüllt mich ein in dichte Schleier
Und schützt mein Herz vor nächtlich bangem Grauen.
Die Sonne wich, der Sterne heimlich Schauen
Giebt Muth, zu öffnen meine Lippen freier.
Von allen Männern warst nur du mir theuer,
Und spähend ging ich oft mit meinen Frauen
Durch Gärten, über hellbeblümte Auen;
Dich sucht' ich, ganz entbrannt von Liebesfeuer.
Du nahst mir, endlich hab' ich dich gefunden:
So rede dann und lindre mir dies Sehnen,
Gieb milden Trost der schon so lange Kranken!
[332] In deinen Armen laß mich nun gesunden,
An deinem Herzen trocknen meine Thränen,
Und laß uns, treu vereinigt, nimmer wanken.
RINALDO.
Deine sanften Worte riefen
Geister auf, so in dem tiefen
Waldesgrunde lange schliefen.
Um so leiser hört die Liebe,
Die wohl immer munter bliebe,
Deine Bitt' um zarte Triebe.
LUDOVICO.
Die Sterne schauen selbst nach deiner Schöne;
Wie muß vor deinem Glanz mein Aug' erblinden!
Wie sich mein Sinn an deiner Red' entzünden,
Der Erd' entnommen durch die Zaubertöne!
Sag nicht, o Freund! daß ich die Freundschaft höhne;
Es muß mein Mund die süße Qual verkünden,
Es muß ein heißer Kuß mich dir verbinden:
Ob auch mein Tod die freche That versöhne.
O nimm mich hin! behalt mich ganz den deinen!
An deiner Brust fühl' ich ein neues Leben,
Und bin geheilt von jeder Qual und Wunde.
[333] Mag nun das höchste Unglück mir erscheinen,
Kühn seh' ich ihm entgegen ohne Beben,
Mit dir vereint in ew'gem starkem Bunde.
RINALDO.
Alle die Bäume, vom Monde beschienen,
Schwanken mit ihren Häuptern, den grünen,
Beugen sich alle der Liebe zu dienen.
FERNANDO.
Still sehnend lauscht' ich hinter diesen Buchen,
Und ich vernahm die sanften Abendwinde;
Sie riefen lispelnd: Sieh! es naht Belinde,
So eile nun, und gehe sie zu suchen.
Und wieder ists, als ob die treuen Buchen
Mit ihrem Säuseln mahnten mich gelinde:
Vertraue nicht dem falschen Wort der Winde,
Du wirst dein Wähnen, ihren Trug verfluchen,
Dort steht ein weißes Bild, von starken Armen
Umstrickt, an eines Mannes Brust gezogen,
Ein Andrer steht von fern in düsterm Schweigen.
Was seh' ich? O ihr Götter habt Erbarmen!
Wie hat mir Lieb' und Freundschaft so gelogen?
Welch gräßlich Schauspiel muß dem Blick sich zeigen?
[334]
RINALDO.
Stille, stille müßt ihr schweigen:
Meine Herrin will sich zeigen
Und so Zorn als Liebe beugen,
Müßt euch ihr voll Demuth neigen.

Die Pilgerin tritt aus der Höhle.


PILGERIN.
In meine Wohnung tönt ein banger Schrei,
Wodurch ich mich zum Mitleid lasse rühren,
Und eilend komm' ich aus dem Haus' herbei,
Die Braut hinweg und zu mir einzuführen,
Daß sie bewahrt vor jedem Unfall sey,
Und rauhe Worte nicht sie hart berühren.
Ihr alle sollt vor meiner Schwelle klagen,
Der Freiheit nun auf lange Zeit entsagen.
Ihr seht sie gehn und seufzet nach Belinden,
Die ich hinweg vor euren Augen führe,
Doch werdet ihr den Weg nie zu ihr finden,
Ihr schmachtet nun an der verschloßnen Thüre,
Und wollt ihr fort, wird euer Aug' erblinden;
Ihr seyd nur frei, wenn ich euch selbst berühre.
Du, Schöne, folge mir mit frohem Muth!
Mein Haus bewahrt für dich ein großes Gut.
[335] Schau auf! es funkeln alle hellen Steane,
Dich sehen sie mit klugen Augen an.
Ihr Winken spricht zu dir: Auf! folge gerne!
Du wandelst jetzt die rechte sichre Bahn.
Was dir noch dunkel lag in weiter Ferne,
Wird bald vor deinen Blicken aufgethan.
Auf! folge frei, sonst wirst du folgen müssen,
Und wirst mit Weh dein langes Zögern büßen.

Die Pilgerin und Belinde gehn in die Höhle.


ALVARO.
Jetzt endlich öffnet sich mein stummer Mund,
Und ich will laut um meinen Kummer klagen.
Nie brach ich noch der Freundschaft heil'gen Bund,
Und muß für meine Treu' die Buße tragen.
Wer machte solch ein herbes Loos mir kund?
Wen kann ich hier als diese Bäume fragen?
Nur Echo giebt den Ruf mir hallend wieder,
Und einsam bin ich, sink' ermattet nieder.

Er setzt sich auf den Boden.


FERNANDO.
Sie geht, jetzt schwindet ihres Kleides Saum, –
Ich habe dich, o holdes Bild! verlohren.
Die wilden Schmerzen, ach! ich trag' es kaum,
Wie sie mein Herz zerreißen und durchbohren.
[336] Ich werfe nieder mich an diesen Baum,
Den Qualen hin, die mich zum Spiel erkohren.
Und hier will ich an Glück und Heil verzagen,
Mein Leid den Bäumen, Winden, Sternen klagen.

Er legt sich unter einem Baum nieder.


LUDOVICO.
Es ist, als riefe mir im Wald Fernando,
Und foderte von meiner Hand Belinden.
Ist das des Freundes Treue, die Fernando
Erwartet, der mich sandte nach Belinden?
Vergieb dem Schwachen! o vergieb, Fernando?
Wer sähe sie und liebte nicht Belinden?
Als ihre Augen mich wie Sonnen trafen,
Erwachten alle Flammen, die geschlafen.
RINALDO.
Es umgeben Zaubereien
Jetzt mit Aengsten euren Sinn:
Doch die Liebe krönt den Treuen,
Giebt sich ihm zu eigen hin.
Diese Hoffnung hält mich munter,
Klagen könnt' ich sonst wohl auch;
Stiege gern vom Baum herunter,
Stimmt' in eurer Seufzer Hauch.
[337]
BELINDE.
Sieh auf die Knie mich vor dir niedersinken!
Soll ewig diese Höhle mich verschließen?
Ach sieh den Staub die heißen Thränen trinken,
Die brennend über meine Wange fließen!
Ich fühle deine Macht, der Augen Winken,
Es streckt mich todt dahin zu deinen Füßen.
Welch leises Jammern dringet in die Gruft?
Wie es mich fort, zum Trost den Armen, ruft!
LUDOVICO'S STIMME draußen.
Ja, ich will den Frevel büßen,
Und mein bestes Herzensblut
Soll dir zur Versöhnung fließen.
ALVARO'S STIMME draußen.
Winde schütteln hier den Baum,
Ich, ermattet, liege drunter,
Sterbe bald, ich athme kaum.
FERNANDO'S STIMME draußen.
Bist, Geliebte, mir verschwunden,
Und ich wollte gern dich lassen,
Hätt' ich Rache nur gefunden.
RINALDO'S STIMME draußen.
Nieder komm' ich von dem Baum,
Aller Trost ist mir zerronnen;
[338] Denn ich weiß es nun: ein Traum
Hat dies Leiden mir ersonnen.
Leis' im Schlummer kam die Liebe,
Ich erwacht' in wilder Glut,
Wollte die miskannten Triebe
Löschen, ach! in seinem Blut.
PILGERIN.
Du solltest nicht auf diese Stimmen hören,
Denn Vögel sind es, die im Walde singen;
Dich wollen ihre Lieder nur bethören,
Die ängstlich in den blauen Lüften klingen.
Im Hause werden dich die Diener ehren,
Dir Spiel und alle Lust entgegen bringen.
Doch kannst du dich mit Menschen nicht vereinen,
Eh' dir und uns nicht günst'ge Sterne scheinen.
LUDOVICO'S STIMME draußen.
Ach wie möcht' ich schmachtend klagen!
Darf doch keine Klage wagen.
Möchte seufzen nach der Lieben,
Muß im Lieben Frevel üben.
Kleine Vögel, wollt ihr singen,
Mit Gesang mir Ruhe bringen?
Ach es wird euch nicht gelingen!
[339]
BELINDE.
War's ein Vogel? Ach wie süße
Klingt die Stimme durch die Luft!
Laß mich fliegen aus der Kluft,
Daß ich so den Freund begrüße.
PILGERIN.
Entsage Wünschen, die dich irre leiten,
Betrachte hier den Schmuck an diesen Wänden:
Das wird zu großen Dingen dich bereiten,
Und dein Gemüth auf tiefe Wunder wenden.
Begreifst du erst, was alles will bedeuten,
Dann nimm dein schönstes Heil aus meinen Händen.
Vergiß die Stimmen draußen in dem Wald,
Erforsche nur den eignen Aufenthalt.
BELINDE.
Du willst es: wohl, so will ich um mich schaun,
Und deiner Wohnung die Betrachtung widmen.
Viel Muscheln seh ich an den Wänden hangen,
Die du zu wunderbarer Schrift geordnet.
Dort in der Ecke lehnt dein Pilgerstab,
Bei dessen Anblick mich ein Grauen faßt;
Ein grauer Vorhang deckt die eine Wand,
Und birgt wohl noch ein Zeichen deiner Kunst.
[340]
Du winkst nur, und schon ist er weggehoben;
Ein Menschenbild, in Schleiern fast verhüllt,
Steht plötzlich da. Es scheinet ganz von Stein,
Und dennoch siehts mit festen Augen her.
Ich bebe, wie ich die Gestalt betrachte,
Vor ihrem Blick im innersten Gemüthe.
Es scheint, als ob sie meiner freundlich achte,
Ihr strenger Ernst, er wandelt sich in Güte,
Durch die in mir so kühner Muth erwachte,
Daß ich mich nahe, länger nicht mich hüte. –
Ach! nun an ihrer Brust sterb' ich mit Zagen:
Es hat das Bild den Arm um mich geschlagen.
DAS BILD.
Ich fühl an deiner Brust mein Herz erwarmen,
Das sich versteinet lange nicht geregt,
Und muß mit neuer Inbrunst dich umarmen.
Als meine Frau'n dich mir in Arm gelegt,
Und ich vernahm dein allererstes Weinen,
Hat diese Liebe schon mein Herz bewegt.
Das mußte sich in bitterm Schmerz versteinen,
Als man dich grausam meinem Schooß entzogen,
Und kein Erbarmen wollte uns vereinen.
Man stieß mich fort, bei Nacht, auf wilde Wogen,
[341] Den Tod zu finden in dem nassen Grund;
Doch den Verfolger hat sein Ziel betrogen.
Nicht öffnete der Abgrund seinen Schlund,
Die Wellen mieden, hart mich zu berühren,
Und gaben ihre Ehrfurcht so mir kund;
Sie mühten sich, mich an das Land zu führen.
Als ich's betrat, rief ich in herben Schmerzen:
Ihr Sterne, soll man euer Walten spüren,
So höret auf das Flehn beklommner Herzen!
Rächt meine Schmach! Es müssen sich fortan
Des harten Königs Lebenstage schwärzen.
Lust, Scherz und Freude sey bei ihm in Bann;
Er büße sein tyrannisch wüst Verfahren,
Daß mir sein Argwohn solche Qual ersann.
Und soll ich, Sterne, eure Huld erfahren,
So gebt sein Leben einst in meine Hände,
Beweist, daß ihr die Unschuld könnt bewahren.
Wie ich zum Firmament noch flehend wende
Die Augen, von des Jammers Thau getränkt,
Spricht eine Stimme freundlich zu mir: Ende!
Es wird mein Blick zur Erde nun gelenkt;
Ein Mädchen sagt mit holden Engelsmienen:
Sieh, Fürstin! eine Freundin dir geschenkt.
Was kann, so fragt' ich, mir dein Lieben dienen,
[342] Die von des Thrones Höh' hinabgestoßen,
Wo ihre Pracht der Sonne gleich geschienen?
Oft hab' ich Thränen, sprach sie, dir vergossen:
Dein Gram wird sich ein steinern Denkmal baun;
Du selbst dein Grab, von Marmor starr umschlossen.
Und nieder wird gar oft die Sonne schaun,
Dies kann ich in der Schrift der Sterne lesen,
Eh Mutterfreuden dieses Eis zerthaun.
Du wirst zu neuem Leben nicht genesen,
Bevor in Reu' des Königs Haß zerronnen,
Und ihm sein Fluch ein scharfer Dorn gewesen,
Dann hast die zweite Tochter du gewonnen,
Und auch die ältste leget ab den Schein
Des holden Knaben, den du schlau ersonnen.
Wie sie noch redte, fühlt' ich schon den Stein
Mein Herze lasten im erstorbnen Sinn,
Und blieb in öder kalter Hüll' allein.
Seitdem nun schlichen lange Jahre hin,
Jetzt bist du mir, geliebtes Kind, geschenket,
Der größern Freuden Pfand und Anbeginn.
Dein Vater, der nun seiner Thaten denket,
Wird schon von innrer Macht herbei getrieben,
[343] Von Sehnsucht deine Schwester hergelenket:
Wir alle werden bald uns alle lieben.

Der Vorhang fällt wieder vor dem Bilde.


PILGERIN.
Du weißt, welch Band dich und das Bild vereinet,
Ich deck' es wieder mit dem Vorhang zu.
Sobald ein günst'ger Stern euch beiden scheinet,
Erweck' ich diesen Stein aus alter Ruh.
Da wird nicht mehr gewehklagt noch geweinet,
Mit Liebe süß beglückst den Liebling du;
Und wenn euch Thränen aus den Augen thauen,
Mit Lächeln werdet ihr die Tropfen schauen.
BELINDE.
O gieb die theure Mutter mir zurück,
Die du so schleunig meinem Arm entrissen!
Kaum daß sie sprach ihr grausames Geschick,
So muß ich schon die süße Nähe missen.
Nur einmal gönne noch mir ihren Blick,
Laß sie nach ihrem Leid mein Lieben wissen.
Im Staube sink' ich jammernd vor dir nieder:
Gieb mir, o gieb die theure Mutter wieder!
[344]
PILGERIN.
Ermattet sinkt dein Haupt in meinen Schooß,
Ich seh' dich an und lächle auf dich nieder.
Auf dieses Lager, weich von grünem Moos,
Leg' ich dich hin, da ruh die schönen Glieder.
Die Träume mach' ich von den Wänden los,
Daß sie dir schweben um die Augenlieder.
Einwiegend sollen flüstern dir die Winde:
Schlaf süß und linde, liebliche Belinde!

Belinde entschläft, die Höhle schließt sich.


Garten des Königs.


ALFONSO ALLEIN.
Sieh, es wich der Sonne Schein,
Mondlicht wankt auf zarten Blüthen,
Alle, die am Tag sich mühten,
Athmen Schlummers Labung ein.
Jetzo darf ich mich ergehn
In dem düftereichen Garten;
Lauscher, die als Diener warten,
Können hier mich nicht erspähn.
Drum will ich den Lüften klagen,
Armes Kind, die Qual und Noth,
[345] Daß der Ehre streng Gebot
Mich nach Thaten heißet jagen.
Kampf und Schlacht und feindlich Ringen,
Das ist ritterlicher Preis.
Aber zu so rauher Weis'
Kann ich mein Gemüth nicht zwingen.
Keinen Ruhm ja möcht' ich kennen
Als, Rinaldo, dir zu dienen;
Und kein seliger Erkühnen
Weiß ich, als für dich entbrennen.
Ach, der meiner Seele lieb,
Saget ihm, ihr leichten Winde,
Daß er mich im Garten finde
Daß ich ihn zu sehen blieb.

Rosa und Viola kommen.


ROSA.
Wie, Prinz? Ihr weilet einsam hier im Garten,
Da sich in Hast der ganze Hof versammelt,
Und alle Ritter muthig sich verbinden,
Den Vater und die Schwester aufzufinden?
VIOLA.
Ihr wandelt hier im blumenreichen Garten
Indeß die Blume eures Ruhms zerfällt?
[346] Jetzt gilts, bewähren euer fürstlich Blut,
Und beugen Ludovico's stolzen Muth.
ROSA.
Er ist es, ja, der euren Zorn verdient,
Des frechsten Raubes hat er sich erkühnt:
Er führt' hinweg die liebliche Belinde,
Der zorn'ge Vater folgte seinem Kinde.
ALFONSO.
All diese Thaten hab' ich kaum vernommen,
Denn es vertraut der Vater nicht dem Sohn.
Der Einsamkeit war ich den ganzen Tag
Ergeben, und mir brachte niemand Kunde.
Doch sagt mir, habt ihr meinen Freund Rinaldo
Auch unter jenen Rittern wohl bemerkt,
Die ausziehn, um die beiden aufzufinden?
VIOLA.
Den ganzen Tag sah ich Rinaldo nicht,
Und wie ich auch mein Herz bestreiten mag,
Doch läßt es nimmer ab, ihn anzuklagen.
ROSA.
Des Frevels muß auch ich ihn schuldig glauben.
Mit Ludovico ist er wohl verbündet,
Und hilft ihm die Prinzessin zu verbergen.
[347]
ALFONSO.
Verklag' ihn nicht um treue Freundes-Dienste.
ROSA.
Beschützt ihr Frevel gegen euer Haus?
ALFONSO.
Ward mit Gewalt die Schwester denn entführt?
VIOLA.
Ach nein, sie folgte willig seinen Bitten.
ALFONSO.
Und ich soll stören ihrer Liebe Glück?
Und ihr verwundert euch, daß ich hier weile,
Nicht wie die Andern sie zu suchen eile?
ROSA.
So gar geringe achtet ihr die Ehre,
Die euer Königshaus umgeben soll?
ALFONSO.
Rosa sieh! wenn Morgensonne
Grüßt die Blumen auf den Auen,
Richten sie empor die Häupter,
Nach den Freunden umzuschauen.
Kleine Bienen, Schmetterlinge,
Alle wollen Küsse saugen,
[348]
Alle sieht man eilig fliegen
Zu den Blümlein roth und blauen.
Zu den grünen Füßen sinken
Dann voll Demuth hin die Schlauen,
Summend ihre süßen Schwüre:
Blümchen! uns dürft ihr vertrauen.
Blumen neigen dann die Häupter,
Lassen schaun die klaren Augen,
Und sich willig von den Bienen
Ihre Süßigkeiten rauben.
Und wenn nun der Schwester Blicke
Sprächen zu des Freundes Augen:
Wohl magst du auf meine Seufzer
Hoffnung für dein Sehnen bauen.
Rosa, darfst du sie verklagen,
Wenn des Kusses Morgenthaue
Ihre Lippen sich erschließen,
Da die Lieb' im Busen hauchet?
ROSA.
Ach! ihr wißt, wie treu ergeben
Ich ihr war für alle Güte;
Und ich wußte, daß im Herzen
Ihr der Liebe Knospe blühte.
[349]
Aber auch die stolze Ehre
Glaubt' ich, daß im Herzen glühte,
Diese hielt ich für so mächtig,
Daß sie jeden Fehl verhüte.
Und ich mußte nun erfahren,
Als ein Mann sich kaum bemühte,
Was ihm schon die Fürstin eigen,
Ganz ergeben ihr Gemüthe.
Wie im Busen ihr die Liebe,
So des Vaters Zorn erglühte.
Darum eilt und folgt dem Vater,
Daß eur Wort ein Weh verhüte.

Ein Ritter kommt.


RITTER.
Ihr wißt, daß eure Schwester sich verlor,
Der König folgte liebend seinem Kinde,
Und beide sind verschwunden allem Spähn.
Drum faßten edle Ritter den Beschluß,
Das arme Land nicht so verwaist zu lassen;
Gerüstet ziehn sie aus mir tapferm Sinn,
Und schwören all: nicht eh' zurück zu kehren,
Bis sie den König und sein Kind gefunden,
[350] Und, fodert es die Noth, was man nicht weiß,
Sie Zauberern und Riesen abgekämpft.
Sie thun durch mich dir diesen Vorsatz kund,
Und hoffen, du wirst Müh und Ehre theilen,
Dein Glück und Heil mit uns zu suchen eilen.
ALFONSO.
Wohlan! ich folg' euch: führt mich wie ihr wollt;
Mit euch zu gehn, gebeut mir Pflicht und Herz.
Wie leicht kann ich Gefahren dort erliegen!
Wie wird's dem Feinde leicht, mich zu besiegen!
Dann endet mit dem Leben auch mein Schmerz.

Alle gehen.


Dichter Wald.


Ludovico, Alvaro, Fernando, vor der Höhle; Rinaldo als Vogel auf dem Baum.


FERNANDO.
Sieh, die Sterne blinken helle
Durch den mitternächt'gen Wald:
Immer noch an dieser Schwelle
Ist mein banger Aufenthalt.
[351] Und nicht kann mein Auge sehen
Das, warum mein Busen schwillt.
Soll die Rache mir entgehen?
Bleibt dies Sehnen ungestillt?
LUDOVICO
Sterne, holde Himmelsaugen,
Milde blickt ihr zu mir her:
Laßt mich Trost hernieder saugen
In mein Herz so bang' und schwer.
Jammernd seufz' ich nach Belinden,
Und nur Echo seufzt mir nach.
Soll ich sie denn nimmer finden?
Bleibt der Schmerz denn ewig wach?
ALVARO.
Ach, ihr Sterne! freundlich funkelt
Euer Schein durch grünes Laub,
Doch mir ist das Glück verdunkelt,
Ich bin aller Sorgen Raub.
Einsam bin ich hier geblieben,
Keiner weiß von meiner Pein.
Sendet mir den Freund, den lieben,
Dann erquickt mich euer Schein.
[352]
RINALDO.
Wie mit Augen suchen Sterne
Auch nach mir in diesem Baum,
Und mit ihnen kos' ich gerne,
Und erzähle meinen Traum.
War mir doch, ich hatte Glieder
Wie vordem in Menschgestalt,
Sank vor einem Mädchen nieder,
Und mich heilt' ihr Lächeln bald.
FERNANDO.
Angstvoll will mein Herz erbeben
Bei der Sterne matterm Schein,
Neue Qualen zu erleben
Muß ich hier gefesselt seyn.
Jammernd fliegen in den Zweigen
Vögel hin und her mit Schrein:
Welches Unglück wird sich zeigen?
Neuer Zauber dringt herein.
LUDOVICO.
Ach, sie ist dahin auf immer!
Ahndungsvoll rauscht mir der Baum,
Weinend blinkt der Sterne Schimmer
Hinter düstrer Wolken Saum.
[353] Ja ihr Wink will mich belehren:
Deines Glückes kurzer Traum,
Nimmer wird er wiedrkehren;
Er zerfloß wie leichter Schaum.
ALVARO.
Vögel, welche böse Kunde
Bringt ihr in der nächt'gen Zeit?
Starb mein Freund in dieser Stunde,
Daß ihr also jammernd schreit?
Könnt' ich deuten euer Singen:
»Halt zum Sterben dich bereit!«
Sollt' es mich mit Lust durchdringen,
Denn geendet wär mein Leid.
RINALDO.
Nicht verzagt, ihr Leidenspäher,
Vor der Vögel seltnem Laut!
Ich bin ja den Lüften näher,
Und den Sternen mehr vertraut.
Und ich weiß, wie uns in Aengsten
Auch vor günst'gem Wechsel graut,
Wie das Herze pocht am bängsten,
Eh' es neuer Hoffnung traut.

[354] Der König kommt.


KÖNIG.
Hier einsam in des dunkeln Waldes Schatten
Ruf' ich der Tochter Namen aus: Belinde!
Und spottend giebt den Schall mir Echo wieder.
Von Zorn entbrannt verließ ich meinen Hof:
Verlassen hat mich hier der stolze Zorn.
O zeige dich dem Vater, theures Kind!
Kein Vorwurf soll für deinen Fehl dich kränken.
Welch mildes Weh bethauet hier mein Herz?
Erinnrung kommt und rührt mit leisen Händen
Mich an, und wecket wie aus Träumen mich.
Mir zeigt im Wald ihr dämmerlicher Spiegel
Die Königin, wie ich ihr einst genaht.
Ich seh', wie ich um ihre Liebe werbe,
Und sie sich endlich meinen Bitten giebt.
Bald trägt ihr Schooß ein Pfand von unsrer Liebe,
Da tritt mir nah ein wilder Zauberer,
Und ängstigt mich mit diesem Schreckenswort.
»Gebiert sie je ein Mädchen dir ans Licht,
Dies Zeichen gilt, daß sie die Treu dir bricht.
Hegst du sie dann mit Liebe ferner noch,
Sie, du, dein Land, tragt meines Zornes Joch.«
[355]
Ich Armer war von Schauern übermannt,
Und that den Fluch die Gattin zu verstoßen,
Wenn je ein Mädchen Mutter sie darf nennen.
Ich that ihr den beschwornen Vorsatz kund;
Im Glauben an des Falschen tückisch Wort,
Erweicht mich auch ihr flehend Auge nicht.
Bald nun gebahr sie mir den Sohn Alfonso,
Und neu geknüpft ward unsrer Liebe Bund.
Ihr zweites Kind – o weh des Schreckenstages! –
Es war Belinde, meine holde Tochter.
Ich stieß die Mutter aus aufs wüste Meer,
Ein Meer von Thränen floß seitdem der That.
Ich fühle, daß der Zaubrer mich betrogen,
Denn meine Liebe wandte sich vom Sohn,
Und folgt, entflammt wie Zorn, der Tochter nach.

Ein Greis erscheint.


GREIS.
Ja recht! Haß wars zu dir, was mich bewog,
Daß ich ein falsch Verhängniß drohend log.
So hab' ich an dem Weibe mich gerächt,
Die mir die Gunst zu weigern sich erfrecht.
[356] Drob hat nun meine Tochter viel geweint,
Und sinnt, wie sie euch alle neu vereint.
Sie streitet wider mich mit meiner Kunst,
Zerstreut mit Zauberworten Zauberdunst.
Doch glaubet nicht, sie dien' euch ohne Grund:
Bund stiftend schließt sie selbst der Liebe Bund,
Ich aber stör' es, wenn ich's noch vermag,
Und alles dies entscheide bald der Tag.

Der Greis verschwindet.


KÖNIG.
Der Zaubrer, dünkt mich, eben wies er sich,
Der einst die Schreckensworte zu mir sagte;
Mir ist, als ob er in die Nacht entwich:
O wenn doch einmal nur der Morgen tagte,
Und du, Belinde, Tochter, hörtest mich,
Dein alter Vater dann sein Leid dir klagte,
Daß du mir trocknetest der Reue Thränen,
Mit Bitten mir die Mutter hülfst versöhnen.
Der Sterne Leuchten ist in Nacht verglommen,
Und mich erfreut auch nicht der fernste Schein.
Im finstern Graus Gedanken zu mir kommen,
Die furchtbar mit mir selber mich entzwein.
Gebete send' ich aufwärts mit den Frommen;
O wer wird Trost mir und Beschützer seyn?
[357] Mich leitet in des Waldes ödem Dunkel
Auch nicht des kleinsten Sternes matt Gefunkel,
O wohl! ich habe jetzo Trost gefunden:
Dort in der Ferne schimmert mir ein Licht.
Aus meinem Herzen ist die Angst verschwunden,
Da dieser Schein durch dichte Ranken bricht.
Ich fühl's, ein Zauber ist damit verbunden:
Welch süßes Bild erscheinet dem Gesicht,
Das mich berauscht mit frischem Wonnethaue?
Ach ich muß hin, daß ich es näher schaue.
Es liegt ein Pilgerkind auf grünem Moos,
Umgeben ganz von hellem Kerzenschein.
Und, mit dem Haupte ruhend ihr im Schooß,
Hüllt noch ein holdes Kind der Schlummer ein.
Die Pilg'rin macht die goldnen Locken los,
Und winket leise mich zu sich herein.
Würd' ich nur freundlich von euch aufgenommen,
Wie gerne, Kinder, wollt' ich zu euch kommen!
Doch Grausen faßt nun plötzlich meine Brust,
Ich möchte laut den wilden Jammer klagen.
Ich übte keinen Frevel, als die Lust
Die ich an euch empfand, euch anzusagen;
Doch bin ich früher Frevel mir bewußt,
Und diese werden mich vor dir verklagen.
[358] Ich eile, mich in deine Macht zu geben;
So ende, Schöne, nur mein qualvoll Leben.

Er geht in die Höhle.


FERNANDO.
Sieh die Sterne all' erblichen,
Himmelsblau will roth erblühn,
Muntrer Vögel Melodien
Durch die grünen Wipfel ziehn,
Und mein Haß ist auch entwichen,
Könnt' ich Ludovico finden,
Wollt' ich selber ihn befragen:
Strömen dir noch Thränen, Klagen,
Darfst du mir es traulich sagen,
Will die Liebste dir verbinden.
LUDOVICO.
Prangend steigt empor der Morgen,
Einsam bin ich noch im Wald,
Frische Winde hauchen kalt
Durch der Trauer Aufenthalt,
Und mein Herz beklemmen Sorgen.
Könnt' ich nur Fernando finden!
Voller Demuth wollt' ich knie'n,
Sprechend: Hast du mir verziehn?
Jedes Heil sey dir verliehn,
Aber gönne mir Belinden.
[359]
ALVARO.
Keine Klage mehr entfliehe
Aengstlich jammernd meinem Mund.
Sonne färbt zu dieser Stund
Roth des Waldes dunkeln Grund,
Mit der Nacht mein Leiden ziehe.
Vögel rufen zwitschernd: Siehe,
Wie vergeblich du geklagt!
Denn, kaum daß der Morgen tagt,
Jeder frische Baum dir sagt,
Daß hier Liebesglück erblühe.
RINALDO.
In dem hellen Sonnenschein
Will ich lustig nun mich freun,
Auch ein froh Gefieder seyn,
Auf den grünen Zweigelein
Singen meine Lieder fein.
Und die holden Melodie'n
Sollen durch die Lüfte ziehn
Zu der süßen Herrin hin,
Aufzuheitern ihren Sinn,
Der ich ganz ergeben hin.

[360] Alfonso kommt.


ALFONSO.
Voll Trauer bin ich durch den Wald gezogen,
Bemüht, mir die Begleiter zu entfernen.
Nun klag' ich frey den Vögeln, Bäumen, Sternen,
Sie sind wohl mehr als Menschen mir gewogen.
Ihr Sterne seyd erblaßt am Himmelsbogen,
Doch bricht der Tag kaum aus des Ostens Fernen;
Sein traulich Flüstern will der Wald verlernen;
Kein Vogel singt, sie scheinen früh entflogen.
Schweigt alles mir? Wohl, Einsamkeit und Stille,
Euch trau' ich denn, will euch mein Herz entsiegeln,
Eu'r Mitleid wird den Gram vom Busen heben.
Wenn ich dir, Einsamkeit, mein Leid enthülle,
So rufst du Echo von den nahen Hügeln,
Mein Wort zur Antwort tröstend mir zu geben.
[361]
RINALDO.
Deine Stimme zwingt mich nieder
Von dem Baum:
Ob wohl wieder
Mich berückt ein süßer Traum?
Schmeichelnd flattert dir mein Flügel
Um den Fuß,
Und das Siegel
Meiner Treu' sey dieser Kuß.
ALFONSO.
O seht! was soll es mir, daß von dem Baum
Ein Sänger zahm zu mir herunter hüpft?
Ich bin nicht so verlassen, als ich wähnte.
RINALDO.
Klagend tönten meine Lieder
In den Wald,
Doch nun wieder
Fröhlich laut mein Stimmchen schallt.
Wirbelnd sendet es zur Sonne,
Dank hinan:
Neue Wonne
Hat der Morgen aufgethan.
[362]
Ihr betrübten schwarzen Träume,
Fahret hin!
Grüne Bäume
Locken auch nicht mehr den Sinn.
Schöne, dir mich anzuschmiegen,
Ist mein Glück;
Nie entfliegen
Will ich ferner deinem Blick.
ALFONSO.
Wie ist ein solches Unheil mir entstanben.
Daß dieser Vogel mein Geheimniß weiß,
Was alle meine Diener niemals fanden,
Was ich so lang verhehlt mit wachem Fleiß?
O sage mir, durch welche Zauberbanden
Gehör' ich dir? Wie wird mir kalt und heiß!
Wie kann ich dir entfliehn? Im dichten Wald
Erreicht mich ja dein schneller Fittig bald.
RINALDO.
Willst du fliehend mich verlassen,
Wird die Trauer wieder neu:
Lieber als mich ewig hassen,
Gieb mich deiner Fesseln frei.
Nein, es reißt mich wider Willen
Dir die heiße Liebe nach,
[363] Und dein Zorn, er muß sich stillen,
Hörst du nur mein klagend Ach.
ALFONSO.
Wie entzieh' ich mich dem Wüthen
Dieses Thiers, vor dem mir graut?
Will denn nichts hier Schutz mir bieten?
Nirgends ein Asyl erbaut?
Keine Schlüfte, Höhlen, Engen,
Wo er mir nicht folgen darf?
Durch das Dickicht muß ich drängen,
Ritzen auch die Dornen scharf.
RINALDO.
Wirst, o Schöne, nicht entfliehen,
Sey dein Fuß auch noch so schnell.
Kann mit Flügeln nach dir ziehen
Durch die blaue Luft so hell.
Zitternd sink' ich zu dir nieder
Auf den zarten Busen warm,
Küsse deine schlanken Glieder.
Wiege mich auf deinem Arm.
ALFONSO.
Bist du auch mit Flügeln schnelle,
Hohlest bald damit mich ein,
Rauschend durch die Luft so helle,
Stärker wird mein Arm doch seyn.
[364] Dich damit zurück zu scheuchen
Zieh' ich dieses scharfe Schwerdt,
Und du wirst nun von mir weichen,
Ist dir noch dein Leben werth.
RINALDO.
Werth ist mir mein Leben nimmer,
Muß ich seyn von dir verbannt:
Darum schreckt mich nicht der Schimmer
Blanken Stahls in deiner Hand.
Magst mein Blut damit vergießen;
Wohl, ich biete dar die Brust.
Sterb' ich, wirst du weinen müssen
Solche harte Siegerlust.
ALFONSO.
Nein, ich kann dich nicht ermorden,
Schwach und thöricht wie ein Kind
Bin ich durch dein Klagen worden,
Bin dir feind- und freund gesinnt. –
Aber seh' ich nicht im Innern
Dieser Kluft ein weißes Bild?
Ahndung regt sich und Erinnern,
Da es lächelt also mild.
Neue Hoffnung muß ich saugen,
Nicht mehr schlägt mein Herze wild:
[365] Ja, der Strahl der lichten Augen
Ist mir wohl ein sichrer Schild.
Dir will ich mich gern ergeben
Schöne, holde Pilgerin;
Wenn du schirmen willst mein Leben,
Fährt schon alles Zagen hin.
Winkest freundlich mit den Händen?
Wie dies Zeichen mich erfreut!
Ja, die Leiden fühl' ich enden,
Aller Jammer schwindet heut.
Zeigst mir deines Hauses Schwelle?
Wohl, ich trete gern herein;
Wo dein Antlitz leuchtet helle,
Da muß Lieb' und Friede seyn.

Alfonso geht in die Höhle.


Die Pilgerin tritt vor.


PILGERIN.
All' in meiner engen Klause
Hab' ich endlich sie versammelt,
Mutter, Vater, beide Töchter,
Und die Liebsten draußen harrend.
Nun am Ziele will ich lösen
Haß, Erstarrung, Mistraun, Zagen.
[366] Nicht umsonst hab' ich gesiedelt
Hier im dunkelgrünen Walde.
Als mein Vater triumphirte,
Daß verschmähten Buhlens Rache
An der Königin gelungen,
Und dem vorgezognen Gatten;
Daß entzweit ihr festes Bündniß,
Sie verbannt, und er verlassen,
Feind der Sohn-geglaubten Tochter,
An der zweiten reuig hangend:
Ach da konnt' ich nicht ihm bergen,
Wie sich regte mein Erbarmen,
Darob er mit hartem Sinne
Solcher kind'schen Thränen lachte.
Sprach: Du willst wohl gar verbessern
Was ich that? O laß dich warnen!
Miß nicht die unmünd'gen Künste
Mit der Zaubermacht des Vaters!
Doch mich schreckte nicht sein Drohen,
Denn von schwarzer Geister Bannen
Wußt' ich nicht, und lichtern Sternen
Folgend, zog ich die zu Rathe,
Gifte nicht, harmlose Blümchen
Mußten dienen meinen Planen,
[367] Nur mit Blick, Gestalt und Tönen
Wußt' ich zauberisch zu walten.
Und nun naht des Sieges Stunde,
Die ich oft herbeigewachet;
Alles eint sich, und mich selber
Ueberströmt ein süßes Ahnden.
Ihr, die ich noch an meiner Schwelle finde,
Und deren Stimme trauernd oft erklungen!
Jetzt nehm' ich euch vom Haupt der Täuschung Binde,
Und wie ihr Jammertöne sonst gesungen,
Und euer Leid geklagt dem tauben Winde,
So werde nun von Lust die Brust durchdrungen:
Laßt eure Wonne jubeln durch den Wald,
Denn, was ihr liebt, erblicket ihr nun bald.

Rinaldo wird wieder in menschliche Gestalt verwandelt; der König und die Königin, Belinde, und Alfonso als Mädchen treten aus der Höhle.


Seht nur! es öffnet sich mein kleines Haus,
Der König und die Gattin neu vereinet,
Sie treten mit den Kindern schon heraus;
Der Mutter Herz ist länger nicht versteinet,
Von neuem warme Liebe strahlt es aus,
Und alle lächeln, die noch erst geweinet.
[368]
Nun wird der Liebe Band um euch geschlungen,
In jeder Brust ist jeder Haß bezwungen.
KÖNIG.
Du bist mir, theure Gattin, vom Verderben,
Das ich dir selbst bereitet, neu verliehen,
Hast mein Vergehn voll Großmuth mir verziehen;
In neuem Brautstand will ich um dich werben.
Vergessenheit berauscht mich alles Herben;
Zwo Töchter seh' ich mir statt einer blühen,
Die schmeichelnd meine Blicke zu sich ziehen:
Doch nun vermißt mein Thron den vor'gen Erben.
Drum müssen wir noch andre Bande knüpfen.
Die Ritter seh' ich dort im Antlitz tragen
Ihr Herz, getheilt von Sehnsucht und Entzücken.
Laßt zu den Schönen nur die Seufzer schlüpfen!
Mein Wort erlaubt, ja heißt euch, werben, fragen,
Ob sie in Lieb' euch Liebende beglücken.
KÖNIGIN.
Umstarret von des Marmors Felsenrinden,
Konnt' ich die Klagen im Gemüth nur sprechen,
[369] Nicht mit dem Weh mein steinern Herze brechen:
So mußt' es lastender mich stets umwinden.
Und wollten je die Fesseln sich entbinden,
Beschwur ich oft, mich fürchterlich zu rächen;
Nichts, wähnt' ich, sollte meine Wildheit schwächen,
Könnt' ich den König nur noch einmal finden.
Der Stein entwich, lebendig ward mein Herze;
Nun ich, erwacht, besonnen, all' euch schaue,
Hass' ich nicht mehr, kann noch nicht liebend glühen.
Die Kälte blieb mir noch vom alten Schmerze,
Erquickt mich nun mit mildem Liebesthaue,
So wird mein Frühling nach dem Winter blühen.
FERNANDO.
Dahingerissen von dem ersten Sehnen
Klagt' ich es ungeduldig Wald und Winden,
Ich dachte, kannte, nannte nur Belinden,
Doch half mir nichts mein Girren und mein Stöhnen.
Du Schöne mußtest meine Bitten höhnen,
Da rissen endlich mir der Täuschung Binden.
[370] Auf dieser Bahn sollt' ich mein. Glück nicht finden,
Es wird vielleicht ein kühner Streben krönen.
Ja nimm, mein Freund, sie, der ich sonst zu eigen:
Wohl andre Flammen sind mir heiß entglommen,
Ich nahe mich dem schönen Pilgerkinde.
Du Hohe blickst auf mich mit ernstem Schweigen;
Sey hold dem Diener, der zu dir gekommen,
Der um die Stirn trägt deine Zauberbinde.
PILGERIN.
Zaubernetze zu entstricken
Ward die Kunst ja aufgeboten:
Und mit unzerreißbarn Knoten
Soll ich selber dich umstricken?
Eifer, Treue, Muth, Geduld,
Machen bald zur Näh' die Ferne;
Und beschlossen es die Sterne,
So belohnt dich meine Huld.
Diese Bande zu entstricken
Sey kein Zauber ausgeboten,
Und mit unzerreißbarn Knoten
Soll dich meine Lieb' umstricken.
[371]
LUDOVICO.
Du Himmelsbild, vermag ich dir zu sagen,
Wie mir im Busen sprühn der Liebe Funken?
Nacht und Gewölk ist meinem Blick versunken,
Das Morgenroth der Freude seh' ich tagen.
Mein Leben war bestimmt zu bangen Klagen,
So wollt' es mir in trübem Wahn bedunken,
Und plötzlich nun von Seligkeiten trunken,
Darf ich die zarte Hand zu fassen wagen.
Es lächelt unserm Bund des Königs Güte,
Der Freund sogar, dem ich dich abgewonnen,
Die Mutter samt dem weisen Pilgerkinde.
Laß walten dein holdseliges Gemüthe,
In Einem Wort umfassend alle Wonnen
Sprich: Ludovico, dein ist nun Belinde.
BELINDE.
Die Lippen schloß mir noch das blöde Schweigen,
Als Liebe mächtig anfing sich zu regen,
Den Busen hob mit unruhvollern Schlägen
Und ihre Glut ließ in die Wangen steigen.
Mich drängt' es, ihre Herrschaft dir zu zeigen,
Der Stolz ward Demuth, Schüchternheit verwegen,
So ging ich, eilt' ich, flog ich dir entgegen,
Antwortend eh du fragtest: Ganz dein eigen.
[372] Nun da du fragst, könnt' ich es anders sagen?
Ich darf und will's vor aller Welt bekennen,
Daß ich in dir der Liebe Himmel finde.
Im reinsten Blau wird er uns immer tagen,
Gesäumt mit goldnen Strahlen stets entbrennen,
Beglückend Ludovico und Belinde.
RINALDO.
Lieben und zum Hasse schweifen,
Drohn und fliehn den Todesstoß,
Das war unser beider Loos,
Eh wir unser Herz begreifen.
Dich verhüllt nun Mädchentracht,
Ich, entkleidet vom Gefieder,
Sinke flehend vor dir nieder,
Ob wohl schön're Huld mir lacht.
Wirst du noch zum Schwerdte greifen?
Oder sollen, waffenlos,
Nie aus sel'gen Friedens Schooß
Die vereinten Herzen schweifen?
ALFONSO.
Als ich mußt' ein Knabe scheinen,
War mein Sinn doch sanft und mild,
Zwang ich mich zu scheinen wild,
Mußt' ich diesen Schein beweinen.
Blicke sandt' ich, dich zu suchen;
Blieb mein Herz doch unverstanden
[373] Unter Jünglinges-Gewanden
Klagt' ich's oft den stillen Buchen.
Dort ein Mädchen durft' ich weinen,
Dorthin folgte mir dein Bild.
Wohl mir jetzt! denn liebend mild,
Wie ich bin, so darf ich scheinen.
PILGERIN.
Im dichten Walde hielt ich mich verborgen,
Ein Mährchen, das zuerst von Nacht umhüllet,
Dann wie ein Traum aus grünen Zweigen quillet,
Wenn schon erwacht der junge rothe Morgen.
So strebt' ich zu verscheuchen bange Sorgen,
Und bin erfreut, wenn sich mein Wunsch erfüllet;
Wenn ich ein Weh in eurer Brust gestillet,
Will ich vom Tage keinen Glanz mehr borgen.
Doch lasset aus dem Walde nun uns eilen,
Und alle Blumen, die am Wege blühen,
Die brech' ich noch, mein Haar damit zu kränzen.
Nicht will ich mehr in enger Höhle weilen,
Zum Hof des Königs mit euch allen ziehen,
In Gold und Diamanten dort zu glänzen.
[374]

Notes
Erstdruck unter dem Titel »Wunderbilder und Träume in eilf Mährchen«: Königsberg (Friedrich Nicolovius) 1802.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bernhardi, Sophie. Wunderbilder und Träume. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2E92-B