[224] Friedrich Rudolph Ludwig Freiherr von Canitz
Vermischte Gedichte

[225] [227][1] Glückwunsch-Schreiben an seinen Hertzens-Freund, Herrn Eusebius von Brand, als solcher den 18 September 1695 zum würcklichen geheimen Staats-Raht erkläret ward

Vergönne mir, mein Freund, daß ich dir etwas stiffte,
Das länger dauren soll, als Ertz und Marmelstein,
Mich freut dein Wohlergehn, drum fahr ich durch die Klüffte,
Die zwischen dir und mir nunmehr befestigt seyn.
Du wirst des Fürsten Raht im allerhöchsten Orden,
Da dieser Nahme sich bey mir im Schatten weist, 1
Und bist, im rechten Ernst, zur Excellentz geworden,
Da mich mein Bauer kaum: Gestrenger Juncker! heißt.
Getrost! ein gleicher Blick wird auch auf diese Zeilen
Und meine Niedrigkeit von deinem Gipffel gehn,
Als du dich nicht geschämt, den Briefen zu ertheilen,
Die dir, von Wort zu Wort, noch im Gedächtniß stehn. 2
Du hast dich nimmer nicht, noch andre, so vergessen,
Daß man Veränderung an dir befürchten kan,
Noch, nach der Aemter Maaß, die Freundschafft abgemessen,
Du sahst die Redlichkeit, und nicht den Purpur, an.
So ist ein ieder froh, daß Friedrich dich erhoben,
Daß endlich dich das Glück erwischet bey der Hand,
Und, gleichsam mit Gewalt, auf einen Ort geschoben,
Den dir Verdienst und Wunsch schon lange zuerkannt.
Dann mit der Mutter-Milch hast du den Trieb gesogen,
Den deines Bruders Zucht vollkommener gemacht,
[227]
Des Bruders, dessen Lob Europa durchgeflogen, 3
Der euren Sieben-Stern zum Vorschein hat gebracht. 4
[228]
Wie rühmlich du die Zeit auf Schulen angeleget,
Das gab uns zu verstehn das tief-gelehrte Blat,
Dadurch Arminius ward in der Grufft beweget,
So bald der muntre Brand nur auf den Lehr-Stul trat; 5
Hernach nahmst du den Weg nach weitentlegnen Orten,
Und ludest da dein Schiff mit solchem Zeuge voll,
Das dir den Grund gelegt zu einer Ehren-Pforten,
An der die späte Welt dein Denckmahl lesen soll.
[229]
Die Seine mit der Theems zusamt der Norden Kronen, 6
Die sahen so entzückt dich edlen Märcker an,
Als der, so erst gesehn, daß Moskau die Melonen
So gut und besser noch, als Welschland, zeugen kan.
Bald wurdest du entdeckt von Friedrich Wilhelms Blicken,
Du hörtest sein Geheiß, daß eine Prüfung war,
Wie du zu seinem Dienst dich künfftig würdest schicken, 7
Und legtst ein Meister-Stück, an statt der Probe, dar.
Sarmatien zürnt noch, weil jenen Haupt-Rebellen
Dein Arm aus seinem Schutz und seinem Schoosse riß, 8
Nachdem du ihm gewust so künstlich nachzustellen,
Daß er, als wie ein Hecht, an deine Darge biß.
Es würde sich mein Kiel auf halbem Weg ermüden,
Wenn er mit gleichem Schritt verfolgte deinen Lauff;
Wie du ihn fortgesetzt in Waffen und im Frieden,
Das alles zeichnen schon die Tage-Bücher auf.
[230]
Uns ist ja deine Müh und Wachen unverborgen, 9
Als du ein Krieges-Heer genehrt mit Uberfluß;
Und wie du für die Pracht des Fürsten kontest sorgen,
Bezeigt dein Marschallstab bey jenem Frieden-Schluß. 10
Zuletzt hast du den Staat zwo theurer Princeßinnen
Von vielen Jahren her zu deinem Ruhm geführt,
Davon die erste schon der Sternen hohe Zinnen, 11
Die andre noch die Welt, als wie ein Wunder, ziert.
Dein Churfürst, welchem sie der Himmel auserlesen,
Stellt dich zum Ober-Haupt bey ihrem Hofe vor,
Der einem Helikon so lange gleich gewesen, 12
Als du Apollo warst in unserm Musen-Chor.
Weil auch die holde Schaar noch deiner Hut vertrauet,
Dazu so viel Gedult als viel Verstand gehört,
So hast du sie mit Lehr' und Leben so erbauet,
Daß auch kein Fehltritt nie dein hohes Ammt entehrt.
Der Argus konte dort nicht eine Kuh bewachen,
Als ihm des Kupplers Lied die hundert Augen schloß,
Hier aber konte nichts dein Aufsehn irre machen,
Dir war auch eine Zahl von zwölffen nicht zu groß. 13
Ihr Schönen, lasset euch dis Gleichniß nicht verdriessen,
Ein Anblick solcher Kuh hat Hertzen angesteckt;
[231]
Es warf sich solcher Kuh ein Jupiter zu Füssen,
Es lag in solcher Kuh ein himmlisch Bild verdeckt.
Doch wird auch dieser Kreiß dir mit der Zeit zu enge;
Der Landes-Vater sinnt auf deiner Tugend Lohn,
Und rufft dich, mit Bedacht, aus seiner Diener Menge;
Du sollst mit weisem Raht nun stützen seinen Thron.
Mit was Bescheidenheit sehn wir dein Antlitz gläntzen,
Als man dir den Beruff zur neuen Würde bringt,
Und wie schallt diese Post so bald durch fremde Gräntzen,
Weil Namurs Ubergab zu gleicher Zeit erklingt. 14
Zu Cotbuß höret man halb Unteutsch von dir sprechen: 15
Hihr Leute wißth ihr wol, was hunser Optmann ist?
Und dieses Wenden-Volck hälts für ein Amts-Verbrechen,
Wann es an deiner Schrifft nicht Hand und Siegel küßt.
Doch das Vergnügen bleibt nicht nur bey den Barbaren;
Wie als Geheimen Raht dein Gustgen dich umfaßt, 16
Mag ein Geheimniß seyn, das du allein erfahren,
Auch wie du dein Geschlecht durch dich erbauet hast.
Mehr als ein grosses Land bejauchzet dein Erhöhen,
Insonderheit die Marck hat Ursach stoltz zu seyn,
Und schnitzt zu Hermensdorff an den berühmten Seen, 17
Was du geworden bist, in allen Eichen ein;
Die wohlgetroffne Wahl hat allen deinen Freunden
Ein unverhofftes Fest der Freude zugericht;
[232]
Wobey der blasse Neid sich schämt, dich anzufeinden,
Und keinen Nessel-Strauß in deine Kräntze flicht.
Indessen glaube mir, daß, da ich dieses tichte,
Ein ungewohnter Zug mir selber mich entreißt,
Der, nach Propheten-Art, dir ewiges Gerüchte
Ein hohes Alterthum und stetes Glück verheißt.
Ich seh, als im Gesicht, was andre von dir hoffen,
Da die Gelegenheit dich zu was seltnem treibt:
Dir steht ein neues Feld zu neuen Thaten offen,
Dran mancher Puffendorf sich noch zu Tode schreibt. 18

Fußnoten

1 Der Herr von Canitz war damahls nur noch Titular-Geheimer-Rath, als der Herr von Brand zum würcklichen Geheimen Staats-Raht ernannt ward.

2 Sind die zwey Einladungs-Schreiben, worinn unser Verfasser den Herrn von Brand auf sein Land-Gut zu kommen ersucht, und in dieser Ausgabe unter den Satyrischen Gedichten zu finden.

3 Dieß war der älteste Bruder Christoph, der als offtmahliger Gesandter in den Jahren 1657, hin und her nach Franckreich, von und zum Cardinal Mazarin; 1658, als öffentlicher Minister in Pariß, 1664, nach Engelland, der Handlung und Schiffarth halber; von dar nach Holland, wieder nach Engelland, und zurück nach Breda; 1671, nach Schweden; 1673, nach Wien; nach Coppenhagen, von da 1675 zurück verlangt; 1682, wieder nach Schweden, und an allen diesen Orten in den allerschwersten und verwirrtesten Staats-Angelegenheiten verschickt; endlich aber 1683, wieder nach Berlin zurück beruffen worden. Wovon Puffendorf in dem Leben Churfürst Friedr. Wilhelms an vielen Stellen nachgelesen werden kan.

4 Christian Brand, Chur-Brandenburgischer Geheimer Raht, Neumärckischer Cantzler, und Director der Neumärckischen Ammts-Cammer, wurde ein Vater von sieben Söhnen, die sich fast alle in Chur-Brandenburgischen Diensten besonders hervorgethan.

Christoph, dessen wir gleich itzo so rühmlich gedacht, und der, wie uns die ihm gehaltene, und uns zu Handen gekommene gedruckte Begräbniß-Rede belehret, als Chur-Brandenburgischer geheimer Staats-Raht und Cantzler der Neumärckischen Regierung verstorben, auch 1691. auf dem Brandischen Erb-Gute Hermsdorff Standsmäßig beygesetzt worden.

Friedrich, ebenfals Chur-Brandenburgischer geheimer Raht, mit seinem Bruder Christoph zugleich, als Brandenburgischer Gesandter 1675, und 1676, in Dännemarck, woselbst er von 1678. als er den bekannten Rang-Streit mit dem damahligen Lüneburgischen Envoye Wittwort gehabt, der ihm, als zweiten Chur-Brandenburgischen Gesandten, nicht weichen wollen, biß 1684, beständig verblieben. Puffendorff im angezogenen Buche hin und wieder, wie auch der Verfasser der teutschen Lebens-Beschreibung Friedrich Wilhelms so in 8 zu Berlin herausgekommen, bl. 757.

Ludwig, auch geheimer Raht und Cantzler zu Cüstrin, der gleichfals Gesandter in Schweden und Dänemarck mit seinen Brüdern zugleich gewesen; und 1686, als Chur-Brandenburgischer Gesandter, die, in dem Hertzogthum Glogau, an der Märckischen Gräntze gelegene Herrschafft Schwibussen, welche damahlen, gegen eine alte Brandenburgische Ansprache auf das Schlesische Hertzogthum Jägern-dorff, abgetreten ward, von dem Käyserlichen Gesandten übernommen. Puffendorff eben daselbst. Er ward schon 1671. den 17. Apr. als geheimer Rath und Verweser des Hertzogthums Crossen, zum Ritter des teutschen Ordens geschlagen, wie Beckmann in seinen Anmerckungen über diesen Orden bezeugt, und, nach Dithmars neuer Ausgabe 1. Thl. bl. 172. war er noch im Jahre 1711. Comptur zu Werben.

Wilhelm, General-Lieutenant, der schon 1680, in den bekannten Ost-Friesischen Streitigkeiten, als Obrist-Lieutenant, mit 300. Mann von Glückstadt zu Schiffe abgegangen, und in aller Eil das Ost-Frießländische Schloß Gretsiel und den dabey liegenden Hafen eingenommen, ingleichen 1686, in Ungarn vor Ofen, im Sturme, als Oberster sich sehr hervorgethan. Wovon abermahl Puffendorff. Einige Jahre hernach führte er dem Käyser acht tausend Mann Brandenb. Völcker, als Chur-fürstl. commandirender General zu, nahm 1698. Elbingen mit Accord ein. Siehe Abels Brandenburg. Staats-Geogr. 2. Thl. c. 1. 109. 116. 117.

Eusebius, ist derjenige, an den dieser Brieff von dem Herrn von Canitz geschrieben worden. Er starb 1706, den 16ten Mertz, im drey und sechtzigsten Jahre seines Alters, als Kön. Preußischer und Chur-Branden burgischer würcklicher geheimer Staats-Raht, Präsident des Ober-Appellations-Gerichts, Neumärckischer Regierungs-Raht und Amts-Hauptmann zu Cottbus und Peitz.

Der Sechste Bruder ist, allem Vermuthen nach, frühzeitig verstorben.

Der Siebende brachte es in Chur-Brandenburgischen Diensten biß zur Lieutenants-Stelle, starb zeitlich, und hinterließ drey Söhne, davon der eine 1708 Chur-Pfältzis. Obrist-Lieutenant; der andere Hauptmann, und der dritte, Nahmens Christoph, 1709 Königl. Preußischer Hof-Juncker worden, aber dabey das Unglück hat, daß er taub und stumm zur Welt gekommen. Besiehe hievon das allgemeine Histor. Lexicon 1. Theil, am 511. Blat, unter dem Worte Brand.

5 Es ist was besonderes in dem Geschlechte derer von Brand, daß sie nebst der Rechts-auch insgemein in der Gottes-Gelahrtheit sich geübet haben. Daher unser Herr von Brand, nachdem er vier Jahre zu Franckfurt an der Oder sich deßwegen aufgehalten, nach dem Beyspiel seiner Vor-Eltern, seines Herrn Vaters, und seiner ältern Herren Brüder, sich auch so fleißig auf die Gottesgelahrtheit gelegt, daß er 1664, mit höchstem Ruhm eine gelehrte Untersuchung von den Sätzen des beruffenen Holländischen Lehrers, Jacob Arminius, öffentlich daselbst gehalten.

6 Nach seinen Reisen durch Franckreich und Engelland, ward er 1665 von seinem ältesten Herrn Bruder Christoph, bey damahligen Friedens-Handlungen zu Breda, schon zu öffentlichen Staats-Geschäfften angeführt. Und als er nachmahls, wegen derjenigen Begebniß, die wir hier gleich erzehlen werden, aus Pohlen sich zurücke zog, besuchte er inzwischen seine Herren Brüder, die damahls als Abgesandten an den Schwedischen und Dänischen Höfen lebten. An welchen letzten er 1688 abermahl, in Churfürstl. hohen Angelegenheiten, verschickt worden.

7 Er ward 1666 Chur-Brandenb. Cammer-Juncker und zugleich in Verschickungen, sonderlich nach Pohlen, gebraucht, weil er sich schon zuvor, diese Sprache völlig zu erlernen, eine Zeitlang zu Posen aufgehalten hatte.

8 Wie vorsichtig und behertzt er sich im Jahr 1670 als Churbrandenb. Resident zu Warschau, auch mit Gefahr seines eignen Lebens, in Aufhebung des beruffenen Obristen von Kalckstein, eines in Pohln. Schutz zum andernmahl entflohenen aufrührischen Preußischen Edelmanns aufgeführt; wie er denselben, mitten aus dem Königlichen Sitze Warschau, in einem verdeckten Wagen, nach Preussen fortgeschafft, woselbst gedachtem Kalckstein hernach der Kopf abgeschlagen worden; auch wie hoch der Pohln. Hoff dergleichen Entführung empfunden, solches beschreibt Puffendorff im Leben Friedrich Wilhelms des Grossen, so umständlich, daß man es, ohne Verwunderung und Hochachtung für den Herrn von Brand, nicht lesen kan. Siehe daselbst im XI. Buche, §. 105, am 864 Blate.

9 Im Jahr 1675 und 1676, als Chur-Brandenburgischer Ober-Kriegs-Commissarius bey denen in der Neumarck gestandenen Churfürstl. Völckern.

10 Er ward als Cammer-Juncker, Hof- und Legations-Raht im Jahr 1676 und 1677 zum Marschall der Brandenburgischen Gesandschafft in Nimägen bey dem Friedens-Schlusse verordnet.

11 Man gab ihn 1677 der damahligen Chur-Prinzeßin, König Fridrichs erster Gemahlin, Elisabeth Henrietten, Prinzeßin von Cassel, zum Hofmeister. Als solche 1683, da sie erst fünff Jahre vermählt gewesen, sehr jung verstarb, bekam er 1685, eben dieses Ammt bey der zweyten Gemahlin Sophia Charlotta, welche als Churfürstin 1688, ihn hernach zu Dero Ober-Hofmeister erklärte.

12 Er liebte nicht nur die Dicht-Kunst und Beredsamkeit, sondern schrieb auch selbst sehr wohl in gebundener und ungebundener Rede; wovon der Leser unter den Satyrischen Gedichten dieses Buchs eine Probe finden wird.

13 Die zwölff Hoff-Damen der Churfürstin, über die er, als Ober-Hofmeister, zugleich die Aufsicht hatte.

14 Im Jahr 1695, als Namur den Frantzosen wieder abgenommen ward.

15 Er bekam 1686, die Hauptmannschafft der Aemter Himmelstädt und Carzick, in der neuen Marck, vertauschte solche aber hernach, mit des Hofes Genehmhaltung, 1695, an seinen Herrn Bruder Friedrich, dem es wegen Leibesschwachheit bequemer war, gegen die Amtshauptmanschafft zu Cotbuß oder Cotwiz, einer Herrschafft in der Nieder-Laußnitz an der Spree, dazu auch Peitz gehört, und woselbst die Wendische Sprache unter den Bauren noch sehr gemein ist.

16 Seine Gemahlin hieß Augusta Elisabeth, eine gebohrne Freyin von Caniz, mit welcher er sich 1681 vermählt; wie wir dieses und das meiste vorhergehende aus seinem geschriebenen Lebens-Lauff ersehen.

17 Hermensdorff oder Hermsdorff in der Neumarck ist das Stamm-Gut der Herren von Brand, und sonderlich berühmt wegen des dazugehörigen grossen Sees, Wuzlau.

18 Zielet auf die bereits hier oben gemeldte Puffendorffische Beschreibung von des Herrn von Brands geschickten Verfahren in seiner Pohlnischen Verrichtung.

[2] Schreiben aus Rom nach Jena, an den dermahligen Hochfürstl. Sachsen-Gothaischen Hoff- und Gräntz-Raht Herrn Nickl. Zapfen

vom 15 Febr. 1676.


Dich grüßt ein schlechter Kiel am Tyber-Strand geschnitten,
Und klagt, daß er nicht eh bezahlet seine Schuld;
Er zittert in der Hand, die gantz von Schaam bestritten,
Und wartet auf den Spruch des Richters mit Gedult.
Ich bins, mein Pylades, der diese Zeilen sendet
Aus unbekanntem Ort, doch unverfälschtem Sinn,
Der ich, seit Cynthia sich zweymahl umgewendet,
In dieser Romuls-Stadt ein Bürger worden bin.
Du sprichst: was Kiel? was Brieff? heißt das sich so verbunden?
Heißt das gewisse Zeit zum Schreiben angesetzt,
Wie ich am Saal-Athen auf meinem Tisch gefunden?
Wird Siegel, Hand und Schrifft und Wort so schlecht geschätzt?
Was man in jenem Jahr so feyerlich versprochen,
Das wird in diesem kaum ans Tagelicht gebracht.
[233]
So bald die Jugend nur in fremde Lufft gerochen,
Wird im geringsten nicht der Freundschafft mehr gedacht.
Ich sage nichts dazu. Ich straffe mein Verbrechen,
Und mag kein Vormund hier der blöden Faulheit seyn,
Ich finde mich verpflicht, mir selbst zu widersprechen,
Und stelle, wieder mich, mich selbst als Kläger ein.
Zur Ausflucht könnt' ich zwar hier leichtlich etwas finden,
Auf Reisen sind wir ja nicht Meister unsrer Ruh,
Das Wollen muß sich da bloß an das Können binden;
Doch Worte decken nicht dergleichen Fehler zu.
Nur wisse, daß ich nie des Lasters schuldig worden,
Das einen treuen Freund aus dem Gedächtniß schließt,
Ich habe stets gehaßt, und hasse solchen Orden,
So lange noch das Blut durch Leib und Adern fließt.
Ist mir gleich dann und wann Gelegenheit verstrichen,
Auch manchmahl eine Brut in der Geburt erstickt,
Hab ich gleich manche Post mit Müßiggehn verschlichen,
Sind die Gedancken doch als Bothen abgeschickt.
Ach! könten sie den Flug nach meinem Willen kehren,
Wohin mein heisser Wunsch sie eigentlich begehrt,
Du würdest Tag vor Tag die schnelle Zeitung hören:
Sey tausend mahl gegrüßt!

Ich hoffe, meine Clio, die noch allemahl ein Wort bey dir zu sprechen gehabt, werde meine Nachläßigkeit in etwas entschuldiget, und mich in vorige Gunst wieder eingeflickt haben. Ich will daher, um alle Weitläufftigkeit zu vermeiden, nur eine kurtze Nachricht von meinem bißherigen Wandel abstatten, usw. usw.

[234] [3] Antwort an eben Denselben aus Lion nach Jena

vom 7 Jul. 1676.


Nach schwerer Müdigkeit, davon ich kaum genesen,
Nach Schweiß, nach Ungemach, nach Sorgen und Gefahr,
Bekam ich deinen Brieff, getreuer Freund, zu lesen,
Gleich, da mir frischer Trost und Labsal nöthig war.
Was hör ich? ists ein Traum? sinds schertzende Gedancken?
Wie? oder setzt dein Kiel der rechten Warheit Grund?
Du suchst ein weiters Feld, und eilest aus den Schrancken,
Thust mir auch allbereit fast Zeit und Stunde kund.
Ich bin so eitel nicht, mich den Magnet zu nennen,
Nur bloß die Tugend ists, die dich dazu gebracht;
Doch werd ich dermahleins mich dessen rühmen können,
Daß du nun meinen Wunsch und Rath nicht gantz veracht.
Komm, komm! und laß dich nichts von dem Beginnen lencken,
Das du so löblich itzt nach Franckreich hingericht.
Du darffst nicht an Gefahr noch Hinderniß gedencken,
Hier bey den Lilien merckt man die Dornen nicht.
Soll dich ein schönes Land und muntres Volck vergnügen,
So komm ans Tagelicht, du tappst noch in der Nacht;
Du kanst hier nähern Kauffs die edle Freyheit kriegen,
Als dort, wo Erbar-thun sie rar, zur Unzeit, macht.
Die Aermsten! welche noch in blinder Einfalt leben,
Die sich offt schlechtes Glaß für Diamant erwehlt,
Die immer noch, wie vor, an schnöder Erde kleben,
Darunter ich mich selbst vor diesem mit gezehlt.
Was finden sie doch wohl für Ruhm in ihren Künsten?
Wann er am höchsten steigt, wird Rauch und Funcken draus;
Nur Geister, die selbst kalt, vergnügen sich an Dünsten,
Und bauen in der Lufft ein Grillen-volles Hauß.
Wohl dem! der beßre Glut in seinem Hertzen fühlet,
Und dem kein Ungemach die heisse Lohe dämpft,
Der mit entflammtem Muht nach Kunst und Tugend zielet,
Und, in der Freyheit selbst, verbothne Lust bekämpft.
Ich geb euch gute Nacht, ihr braunen Tyberinnen,
Nun ich am Rhonen-Strand was edlers finden kan.
[235]
Bey euch mag, wer nur will, auf List und Schliche sinnen,
Hier trifft man Sicherheit und freyen Umgang an.
Hier würdest du nicht mehr an Garten-Bau gedencken, 1
Wo Reich und Stadt und Hauß nichts als ein Garten ist;
Mit Kron und Purpur gar die Gärtner zu beschencken,
Sind Wunder, die man nur von Alexandern liest. 2
Was helffen Bartolens und Baldens krumme Räncke, 3
Wann Stichus mit der Magd in Güte sich vergleicht? 4
[236]
Mir eckelt, wann ich nur an diese Nahmen dencke;
Komm, Freund, weil Frankreich dir in allem alles reicht.
Suchst du ein Feuerwerck? hier brennen edle Flammen. 5
Liebst du die Garten-Lust? hier ist ein Paradieß.
Bezaubert dich ein Buch? hier hast du mehr beysammen,
Als kaum, dem Nahmen nach, man dich noch kennen ließ.
Laß Vers und Lieder uns hier in die Wette schreiben,
Hier, wo Vernunfft und Reim gern bey einander steht.
Glaub, muß ich, ohne dich, noch länger hier verbleiben,
Daß endlich auch die Lust zum Dichten mir vergeht.
Drum komm, und säume nicht, denck an die süssen Stunden
Die in der Linden-Stadt so manchmahl uns ergötzt.
Mich dünckt, ich seh dich schon!

Du hättest bald was sauberers, als diese zweystündige Geburt zu sehen gekriegt, wann sich meine Muse auf den unsanfften Post-Pferden nicht fast zu Schanden geritten. Inzwischen kanst du doch sehen, daß sie noch Stärcke genug hat, weil sie so dreiste wird, dich herauszufordern. Ich solte dir wohl umständlicher Nachricht von meinem ietzigen Auffenthalt geben; aber der Ort verdient eine Poetische Entzückung, um recht beschrieben zu werden. Laß mich doch [237] bald wissen, wie du deine Reise anstellen wilst, und wann es nicht eher möglich, so mache nur, daß wir uns in Pariß diesen Winter gewiß antreffen, allwo bereits so viel Anstalten zu Sing-Spielen und andern öffentlichen Lustbarkeiten gemacht werden. Schreibe mir ja mit ehestem wieder, aber fein hübsche lange Brieffe, weil ich sie dem Parisischen Mercure galant weit vorziehe, und sey versichert, daß ich bin


Dein getreuer Diener.

Fußnoten

1 Herr Hof-Raht Zapfe antwortete dem Herrn Verfasser auf das vorhergehende, und gab ihm, unter andern, Nachricht, daß der in Jena damahls Hof-haltende Hertzog Bernhard von Sachsen ein ziemlich ungleiches Stücke Land zu seinem Schloß-Garten eben machen lassen; wobey nicht nur Ihro Durchl. der Hertzog selbst Hand angeleget, sondern auch, unter Aufsicht des Land-Baumeister Richters, viele ansehnliche Hof-Bediente und einige Studierende mit dazu veranlasset; unter welcher vornehmen Gesellschafft Herr Zapfe, als ein grosser Liebhaber der Garten-Lust, sich gleichfals befunden. Weil nun der Herr von Canitz in einigen Brieffen vieles von der Schönheit der Italiänischen Gärten gerühmet hatte, ward diese Erzehlung ihm von Herr Zapfen aus Schertz entgegen gesetzet.

2 Es ist aus dem vierdten Buche des Curtius bekannt, daß Alexander der Grosse, nachdem er die Stadt Sidon überwältiget, und den Straton daraus verjagt, einen andern aus dem Geblüte der Könige zu Sidon, Nahmens Abdolonimus, auf den Thron erhoben. Ungeacht nun derselbe sich zuvor lange Zeit, Dürfftigkeit halber, mit den Garten-Bau ernehren müssen, so hatte er sich doch, durch seine ansehnliche Gestalt und seine großmüthige Antworten, in solche Hochachtung bey diesem grossen Weltbezwinger gebracht; daß er ihn nicht nur mit vielen Königlichen Geschencken überhäufft, sondern auch zum Beherrscher über gantz Sidon und die darangräntzende Länder gesetzet.

3 Herr Zapfe war im Jahre 1675 von Leipzig nach Jena gegangen, woselbst er sich mit grossem Fleisse auf die bürgerlichen Rechte legte; weil aber der Herr von Canitz lieber gesehen hätte, daß er ihm auf der Reise folgen, und sich hernach an einen Hof begeben möchte; so stichelt er hier im Schertze auf den Bartolus, und dessen Schüler Baldus, die zween berühmtesten Rechts-Gelehrten in Italien, woselbst sich der Herr von Canitz kurtz vorher aufgehalten hatte.

4 Der in den Rechten bekannte Lex Stichus. worinn insgemein, unter diesem Nahmen, der Person eines Bedienten gedacht wird, gab dem Verfasser Anlaß, auch hier den Nahmen Stichus, jedoch Schertz- und zweydeutiger weise, einem Knechte beyzulegen.

5 Herr Hof-Raht Zapfe wohnete damahlen in Jena bey seinem Schwager, Herr Johann Moritz Richtern, Hochf. Sachsen-Magdeburg. und Sachsen-Jenaischem Land-Baumeister, und ließ sich von ihm, bey müßigen Stunden, so wohl in der Bau- als Feuerwercker-Kunst unterrichten. Als nun dieser gleich dazumahl bey des Fürsten von Anhalt-Zerbst Carl Wilhelms, und des Hertzogs von Hollstein, als Bischoffs zu Lübeck, August Friedrichs Hochfürstl. gedoppelten Beylager, mit den beyden Sächsis. Printzeßinnen und Schwestern Sophien und Christinen, zu Halle, den 21. des Brach-Monats 1676. in einem Feuer-Wercke auf der Saale die Geburt der Venus vorgestellet; Herr Zapfe aber ihm darinn beygestanden, und die Ehre gehabt, die gedruckte Beschreibung, nebst dem gewöhnlichen Cartell, zu verfertigen; so gab er dem Herrn von Canitz in einer lustigen Schreib-Art davon Nachricht, und meldete zugleich, daß er, nebst andern, dabey den Zufall gehabt, sich die Kleider am Leibe zu verbrennen. Und weil er zugleich dem Herrn von Canitz Hofnung gemacht, ihm bald nach Franckreich zu folgen, so nahm dieser hier Gelegenheit, ihn durch dergleichen artige Beredungen in seinem Vorsatze zu bestärcken.

[4] Auszug eines Briefs an den vorgemeldten, aus Lyon nach Jena

den 5. Sept. 1676.


Mein wehrtester Herr Bruder,


Ich weiß nicht, wie es kommt, daß ich in zween Monaten und länger keine Nachricht von dir erhalten, ungeacht ich hoffe, du werdest meinen Brief, so die Antwort auf dein letztes, und der erste gewesen, den ich bey meiner Ankunfft allhier geschrieben, wohl empfangen haben. Falß du die Deinigen, meiner gegebenen Nachricht zu Folge, über Augspurg hättest gehen lassen, würden sie mir wohl seyn zu Handen gekommen. Es scheinet aber, daß du bloß aus Nachläßigkeit, oder wohl gar aus Unvermögen, mein schönes poetisches Schreiben zu beantworten, so viel Posten vorbeystreichen lassen. Dem ungeacht hättest du, seit der Zeit, ein Haupt-Stück von meiner Muse wieder zu lesen bekommen, wenn das verdrießliche Abschiednehmen, Einpacken und Auszahlen es nicht verhindert hätte; denn ich gehe übermorgen von hier weg, und habe dir nur, zu guter letzt, noch einmahl schreiben, und dich ersuchen wollen, deine Briefe künfftig nach Pariß zu senden, oder vielmehr selbst bald dahin zu folgen. In den Leibes-Ubungen und in der Sprache bin ich hier ziemlich weit gekommen, und habe bißher getantzt, daß alles geraucht: denn weil in unsrer Tisch-Gesellschafft acht Jungfern waren, und ich also alle Wochen umwechseln können, so ist leicht zu erachten, [238] daß ich die Sprache mit Gewalt begreiffen müssen. Nichts destoweniger habe ich den Titel, gleichgültig und unempfindlich, bey dem meisten Frauen-Zimmer allhier erworben: aber ich schätze mich deßhalben glücklich, und bekümmere mich nicht darüber. Neulich sang ich unter dem Schatten hiesiger Linden:

Vorzug der Freyheit vor der Dienstbarkeit der Verliebten

Ihr Aermsten, die ihr selbst nach euren Ketten rennt,
Und um die Dienstbarkeit mit Thränen bitten könnt,
Wie? bietet ihr, zur stoltzen Phillis Füssen,
Euch selbst zu Sclaven an?
Sagt, was ist wohl der Freyheit zu vergleichen?
Sie übertrifft, was man sonst Wollust nennt;
Kein Sterblicher wird diesen Schatz erreichen,
Dem ihn nicht sonderlich des Himmels Güte gönnt.
Die Freyheit wohnet nicht in allen Seelen;
Zieht sie bey einem ein,
So kan er sich mit Recht zu diesen zehlen,
Die etwas mehr als Menschen seyn.
Wohl dem! der frey und ungebunden
Des kleinen Götzen Pfeil veracht.
Wer es so weit auf dieser Welt gebracht,
Der rühme sich, daß er gefunden,
Was mehr als Ormus Schätze gilt.
Er kan der andern Thorheit lachen,
Die offtmahls um ein falsches Bild
Ihr eignes Hertz zur wahren Folter machen.

[239] [5] Sehnsucht nach einer Antwort, an den vorigen, aus einem Schreiben von Paris nach Jena

den 11. Jan. 1677.


Ich will dich nicht zurück in deinem Lauffen halten.
Erlerne, was dir nützt,
Biß das gesetzte Ziel dein kluger Fleiß erjage;
Doch ist dein Sinn auf Bücher so erhitzt,
So laß ihn gegen mir hingegen nicht erkalten.
Giebst du der Themis Jahr und Tage,
So gönne deinem Freund ein Stündgen deiner Zeit,
Mir, den nichts mehr erfreut,
Als wann ich überzeugt, daß man mich nicht vergessen.
An dir hab ich gelernt, wie süß die Freundschafft ist:
Ich weiß nicht, was mich treibt,
Daß ich dich suchen muß; du aber unterdessen
Denckst wohl nicht länger dran, als wann dein Auge liest
Die Schreiben und die Reim-Gebände,
Die ich dir offt vom Seinen-Ufer sende,
Und wann mir deine Hand in Eil die Antwort schreibt,
Die sie doch allzulang mir manchmahl schuldig bleibt.

[6] Beschreibung der Römischen Käyser, von Julius Cäsar an, biß auf den Augustulus

Erst macht sich Julius Roms Freyheit unterthan,
In dem verwirrten Reich folgt ihm Octavian.
Tiberius, nach ihm, ist voll von bösen Tücken,
Und an Caligula sonst wenig zu erblicken,
Als Grimm und Aberwitz. Der dumme Claudius,
So gleichfals ein Tyrann, erlebet den Verdruß,
[240]
Daß sein verbuhltes Weib mit andern sich vermählet.
Wie wird der Christen-Schaar zu Nerons Zeit gequälet!
Der ietzt durch Mutter-Mord, durch angelegten Brand
Und tausend Grausamkeit der Nachwelt noch bekannt.
Als Galba fällt durch Geitz, wird Otto zwar erkohren,
Der aus Verzweifflung doch, nachdem die Schlacht verlohren,
Sein eigner Mörder ist. Vitellius, verhaßt,
Weil er in Schlemmerey viel Gut und Blut verpraßt,
Wird, wie ein Aaß, geschleppt. Vespasianus Güte
Beglückt das Käyserthum. In Titus groß Gemüthe
Ist alle Welt verliebt; wiewol die heilge Stadt 1
Des Himmels schwehren Zorn durch ihn empfunden hat.
Ihm folgt Domitian, sein Bruder, der am Blute
Der Bürger sich ergötzt, der Christen zweyte Ruthe;
Biß endlich Nerva kommt, gleich, da die Zeit verfließt
Der ersten hundert Jahr, die er mit Ruhm beschlüßt.

Das zweyte Jahrhundert.

Trajan ist zwar ein Held, den selbst das Glücke liebet,
Doch, der die Christen auch zum drittenmahl betrübet.
Der Käyser Adrian schreckt sie zum viertenmahl,
Und schlägt das Juden-Volck in einer großen Zahl.
Dem frommen Antonin gefällt der edle Friede.
Sein Folger, Antonin der Weise, wird bald müde
Der Kirchen Feind zu seyn, als, durch des Bethens Krafft,
Der Christen Legion ihm Sieg und Regen schafft.
Sein Sohn, der Commodus, stirbt wie ein Wütrich pfleget.
Kaum hat noch Pertinax den Purpur angeleget,
Als ihn sein eignes Heer erwürget. Didius
Erkaufft das Käyserthum, stirbt durch des Rathes Schluß.
Septimius zwingt die, so wider ihn sich rüsten,
Es seuffzen unter ihm zum sechstenmahl die Christen;
Inzwischen endigt sich das zweyte hundert Jahr.
[241]
Das dritte Jahrhundert.

Des Caracalla Wuth bringt manchen in Gefahr,
Den Bruder selbst, und drauf Papinian, ums Leben.
Macrin kan kaum ein Jahr dem Reich Gesetze geben.
Heliogabalus verübt viel Ubelthat.
Der Alexander folgt zu sehr der Mutter Rath,
Und wird von Maximin, dem Thracier, erschlagen;
Um diesen Christen-Feind vom Throne zu verjagen,
Wird Gordian, Balbin, und Pupien ernennt.
Der jüngste Gordian bekommt das Regiment,
Ein Fürst, der gutes Lob bey aller Welt erwirbet,
Und, durch des Arabers Philippus Untreu, stirbet;
Den auch die Rache trifft. Noch keiner war so schlimm,
Als Decius nach ihm, vor dessen Haß und Grimm
Die Kirche wieder bebt. Der Gallus theilt die Bürde
Des Reichs mit seinem Sohn. Kaum fällt hernach die Würde
Auf den Valerian, muß Gallien, sein Sohn,
Auch sein Gehülffe seyn; die Christen leiden Hohn
Und Quaal durch seinen Trieb, zuletzt muß er den Rücken,
Zu Dienst dem stoltzen Fuß des Perser-Königs, bücken.
Der tapfre Claudius herscht mit sehr gutem Ruhm.
Aurelian beschützt nach ihm das Käyserthum,
Und kan Zenobien das Helden-Weib besiegen.
Es läßt sich Tacitus an wenigem genügen.
Der Probus macht durch Krieg viel Land sich unterthan,
Der Carus nimmt Carin und auch Numerian
Zu Mitbeherrschern an. Die keinen Weyrauch schütten
Auf Heidnischen Altar, sind gleichfals nicht gelidten
Vom Diocletian, der in der Christenheit
Den zehnten Jammer macht. Es herrscht nach seiner Zeit
Der Chlorus Constantin; mit ihm wird gleich geehret
Maximian ein Hirt. Biß hieher hat gewehret
Das dritte hundert Jahr.
Das vierdte Jahrhundert.

Der wahren Lehre Licht,
Das nunmehr durch den Dunst der Götzen-Dienste bricht,
Begläntzt den Käyser-Thron, als die Tyrannen weichen
[242]
Dem grossen Constantin, dem Gott ein Kreutz zum Zeichen
Und Pfand des Sieges setzt. Von ihm wird erst getrennt
Die Römische Gewalt, es kriegt den Orient
Sein Sohn Constantius, den Rest die andern Brüder
Constans und Constantin; biß endlich alles wieder
Der schnöde Julian, ein Heyde, zu sich rafft,
Der Christen arger Feind, der noch zuletzt die Krafft
Des Galiläers fühlt. Der Persianer Waffen
Die machen Jovian, dem Käyser, viel zu schaffen.
Der Valentinian herrscht wieder nicht allein,
Sein Bruder Valens muß ein Herr im Aufgang seyn,
Und Gratian, sein Sohn, wird von ihm selbst gezieret
Mit Käyserlicher Macht; Als er den Geist verliehret,
Maaßt auch sein andrer Sohn, der Valentinian,
Des Zepters sich zugleich, mit jenen beyden, an.
Der Theodosius von Gratian geruffen,
Betritt, nach dessen Tod, allein die höchste Stuffen
Des unzerrißnen Reichs, das nach ihm keiner thut;
Den Söhnen theilet er ihr Erb- und Vater-Gut:
Constantinopel muß Arcadius behalten,
Honorius das Reich im Niedergang verwalten.
Hier endet abermahl der Zeiten schneller Lauf
Das vierte hundert Jahr.
Das fünffte Jahrhundert.

Auf einmahl wachet auf
Die gantze Barbarey, ein Heer von Gothen, Wenden,
Und Hunnen überschwemmt die Welt an allen Enden,
Das nie bezwungne Rom bezwingt der Alarich.
Den Valentinian beschirmet ritterlich
Aetius, und hemmt des Attila Beginnen.
Kein Käyser nach der Zeit kan weiter was gewinnen.
Es wächset hier und dar manch neues Reich hervor.
Durch Gensrichs Grausamkeit kommt Rom um seinen Flor.
Der letzte Käyser wird Augustulus geheissen,
Ein Kind, daß die Gewalt sich läßt aus Händen reissen.

Fußnoten

1 Jerusalem durch ihn belagert, eingenommen und verwüstet.

[243] [7] Sinn-Schrifften auf einige Teutsche Käyser

Carl der Grosse.

Diß ist der grosse Carl, Pepins, des Kleinen, Sohn,
Der, weil sein eignes Reich der Francken ihm zu enge,
Die Teutschen überwand und ihrer Götzen Menge.
In Welschland fand er auch noch einen neuen Thron,
Da ihm Pabst Leo gab die Käyserliche Kron.
Ludwig der Fromme.

Weil Ludwigs Mildigkeit die Kirchen wohl verpflegt,
Wird billig ihm das Lob des Frommen beygelegt.
Dem Vater folgt er nach in allen seinen Reichen,
Muß aber, eh er stirbt, noch seinen Kindern weichen.
Lothar.

Ein Strich im Teutschen Reich, Austrasien genannt,
Rom und Italien, zusamt der Käyser-Würde,
Ward mir, nach hartem Streit, zum Erbtheil zuerkannt.
Der Purpur schien zuletzt mir eine solche Bürde,
Daß ich ein Ordens-Kleid im Closter besser fand.
Ludwig der Zweyte.

Es war Italien mein erblich Eigenthum,
Dabey ich aber auch den Käyser-Titel führte,
Durch Muth und Tapfferkeit, die mancher Feind verspührte,
Und durch Verstand zugleich erwarb ich grossen Ruhm.
Carl der Kahle.

Der Himmel läßt sich nicht durch langes Unrecht höhnen:
Ich trat im Känserthum dem ältern Bruder vor,
Und nahm das Welsche Reich, biß ich, von dessen Söhnen
Geschlagen und gejagt, durch Gifft den Geist verlohr.
[244] Otto der Grosse.

Der Ungarn wildes Volck, die Böhmen, Dänen, Wenden
Und Welschen zittern schon, wenn sie in meinen Händen
Das Schwerdt der Rache sehn; die Satzung führ ich ein:
Daß, wer in Teutschland herrscht, hinfort soll Käyser seyn.
Otto der Zweyte.

Ich fand im Teutschen Reich, und sonst, viel Widerwillen,
Doch konnten Tapfferkeit und Glück diß alles stillen;
Ich war der Frantzen Furcht, der Saracenen Tod,
Allein der Griechen Krieg bracht mich zuletzt in Noth.
Otto der Dritte.

Die Hoheit meines Reichs beschützt ich durch die Waffen,
Man machte mir zu Rom, mit Aufruhr, viel zu schaffen;
Ein Weib, voll Zorn und List, bracht endlich mich ins Grab,
Als sie mir Gifft und Tod, durch Handschuh, übergab.
Heinrich der Heilige.

Die Feinde müssen sich vor meiner Macht verkriechen;
Aus Welschland trieb ich weg den gantzen Schwarm der Griechen;
Dieweil mein Ehgemahl stets Jungfrau bey mir bleibt,
Werd ich der Heiligen Verzeichniß einverleibt.
Conrad der Zweyte.

Ich sah vor meinem Glück Gewalt und List zerrinnen,
Mir konte weder Slav noch Ungar abgewinnen.
Nachdem das Teutsche Volck zum Käyser mich gemacht,
Hab ich Burgundien ihm wieder zugebracht.
Heinrich der Dritte.

Der Ungarn Ubermuth, der gar zu hoch gestiegen,
Muß doch der Majestät des Reiches unterliegen,
Die ich zu meiner Zeit noch unverletzt behielt;
Ob gleich die Päbste selbst auf ihren Fall gezielt.
[245] Heinrich der Vierdte.

Nunmehr verfällt das Reich in Aufruhr, Mord und Brand,
Und, ob ich gleich mit Ruhm viel Gegen-Käyser dämpfe,
Und, mehr als sechtzigmahl, in Schlachten glücklich kämpfe,
Behält der Päbste Bann doch endlich Oberhand.
Darauf mir wiederfährt, was kaum die Nachwelt glaubt;
Daß mir mein eigner Sohn so Kron als Ehre raubt.

[8] Sinn-Gedicht, auf das Bildniß des Luxenburgs

Es bleibe Glück und Sieg dir immer zugesellt,
Sprach Satan, als ich ihm den kru ien Rumpf verschrieben:
Da Franckreich nun erschöpfft, holt er mich aus der Welt,
So, daß der schlaue Schelm mir nichts mehr schuldig blieben.
Ach hätte nicht die Noth mein Vaterland gedrückt,
Und ich nur diesen Punct in unsern Bund gerückt!

[9] Sinn-Gedicht, auf das Bildniß des damahls so genannten Printzen von Wallis

1688.


Ein Vater heißt mich Sohn, die Schwestern sagen: Nein!
Und wollen nicht einmahl der Mutter Zeugniß glauben.
Nun! zwischen mir und euch, die mir die Kronen rauben,
Kan Gott nur und die Zeit, sonst niemand, Richter seyn.

[246] [10] Lob des Tobacks

Sonn' und Licht hat sich verkrochen,
Und die Nacht ist angebrochen,
Soll ich nun des Tages Last,
Meine Sorgen und mein Grämen,
Auf das Lager mit mir nehmen?
Nein, ich will, um meine Rast
Zu befördern, erst die Pfeiffen
Mit Toback gestopfft ergreiffen.
Unter allen seltnen Waaren,
Die man uns, in vielen Jahren,
Hat aus Indien gebracht,
Wird bey Jungen und bey Alten
Dieses Kraut den Preiß behalten,
Weil es frohe Geister macht;
Ja, biß sich die Welt wird trennen,
Wird sein stetes Opffer brennen.
Andrer Tand der Specereyen
Kan dem Leibe nicht gedeyen,
Und was ist für Angst und Noth,
Was für Kriegen und für Morden
Nach der Zeit verspühret worden,
Da des Goldes theurer Koth
Selbst in ihren eignen Haafen,
Macht die Könige zu Sclaven?
Des Toback-Krauts güldne Blätter
Sind bey manchem Unglücks-Wetter
Ein beliebter Gegen-Gifft.
Wider Pest und Leibes-Wunden,
Sind sie schon bewährt gefunden;
Und wenn uns ein Kummer trifft,
Können wir durch sanfftes Hauchen,
Sie zu unserm Labsal brauchen.
[247]
Daß die Lust und Pracht der Erden,
Und ich selbst zu nichts muß werden,
Hat mich der Toback gelehrt,
Wenn sein zarter Dampff sich zeiget,
Der hoch in die Lüffte steiget,
Und sich bald in nichts verkehrt;
Daß nun solch ein Kraut entsprossen,
Hat den Satan sehr verdrossen.
Er kan ohnedem nicht leiden,
Wenn ein Mensch in stillen Freuden
In sich selbst vergnüget ist.
Drum, des Vaters eitler Grillen
Bosen Wunsch nicht zu erfüllen,
Schmauch ich, als ein frommer Christ.
Er, und alle Welt, mag toben:
Ich will den Toback doch loben.

[11] Zufriedenheit im niedrigen Stande

Ich trachte nicht nach solchen Dingen,
Die hoch und zu gefährlich sind;
Mein Geist sucht nirgend durchzudringen,
Als wo er leichte Bahne findt.
Ich ruhe sanfft biß an den Morgen,
Wenn mancher, welcher voller Sorgen,
Nach eitler Hoffnung ängstlich ringt,
Der blinden Göttin Weyrauch bringt.
Ich mercke, daß in unserm Leben
Was Göttliches mit unter spielt;
Wer sich will zu den Sternen heben,
Und diesen Trieb nicht bey sich fühlt,
Muß endlich gar ein Spott auf Erden,
Ja, sich selbst Höll und Hencker werden:
Weil der, der sich am meisten quält,
Zu erst offt seinen Zweck verfehlt.
[248]
Wer will, mag in den Lüfften fliegen,
Mein Ziel erstreckt sich nicht so weit;
Ich lasse mich mit dem begnügen,
Was nicht bemüht, und doch erfreut.
Ein andrer mag sich knechtisch beugen,
Um desto höher aufzusteigen,
Ich neid ihn nicht in meinem Sinn,
Und bleibe gerne wer ich bin.

[12] Eitelkeit des Zeitlichen

Es eilet unsre Zeit, als wie ein Spiel, dahin,
Die Stunden und der Tag, der Monat und die Jahre
Begleiten insgesammt uns zu der Todten-Bahre;
Und ich weiß heute nicht, ob ich noch Morgen bin.
Was nützt dir die Gestalt? Was nützt dein hoher Sinn,
Der nicht an schlechtem Gut sich suchet zu ergötzen?
Bestricket ihn der Tod nicht auch mit seinen Netzen?
Ein Lacken und ein Bret ist endlich der Gewinn.
Spiel noch so lang und gut die Rolle hier auf Erden,
Der Schau-Platz muß einmahl doch zugezogen werden.

Notes
Erstdrucke: [2]-[5] und [7], [8] in: Des Freyherrn von Canitz Gedichte, mehrentheils aus seinen eigenhändigen Schriften verbessert und vermehret, Leipzig und Berlin (Ambrosius Hauden) 1727. Die übrigen zuerst gedruckt in: Fr. R.L. von Canitz, Neben-Stunden unterschiedener Gedichte, Berlin (Joh. Michael Rudiger) 1727.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Vermischte Gedichte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4A76-9