Geistliche und moralische Gedichte

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Lob der Gottheit

Mein Geist erhebet sein Gefider
Zu seines Ursprungs Göttlichkeit.
Verstummet ihr verdammten Lieder,
Die meine Dohrheit oft erfreüt!
Ich will mich durch die Sterne schwingen,
Das grosse Wesen zu besingen,
Von welchem alles Wesen stammt.
Entzünde mich, o meine Liebe;
Und fülle mich mit jenem Triebe,
Der deinen David einst entflammt!
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Wie aber? welch ein Schimmer blendet,
Welch grosser Anblick schrecket mich?
So weit als sich mein Auge wendet,
Erblick ich nur, o Schöpfer! dich.
Du schöner Bau gewölbter Lüfte,
Durch dessen unerforschte Klüfte
Ein ganzes Heer von Welten blickt:
O welche Pracht! Welch eine Stärke
Hat alle diese Wunderwerke
Mit solchem Reichtum ausgeschmückt!
Doch durch mein frevels Unterfangen
Wird deine Grösse nur verhöhnt.
Wer leihet mir der Worte Prangen,
Das diese Schätze würdig krönt?
In deinen unumschränkten Gränzen,
Da so viel Tausend Sonnen glänzen,
Vergehet aller Sinnen Kraft.
Es eilt mein Geist bestürzt zur Erden,
Um neüer Wunder voll zu werden,
Die Gott so nahe vor uns schafft.
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O Schauplatz reicher Meisterstücke,
Aus dem die höchste Weysheit strahlt:
Worinnen ich ein Bild erblicke,
Da sich der Schöpfer selbsten mahlt!
Ja wahrlich deiner Schätze Mänge,
Ihr unvergleichliches Gepränge,
Der Zweck, nach welchem Jedes stimmt:
Die lassen uns ein Zeügniß lesen
Von einem allmachtsvollen Wesen,
Wo alles seinen Ursprung nimmt.
Wolan, ihr Zweifler, kommt und höret,
Vernemet der Geschöpffe Ruff!
Ein jedes Gräsgen spricht und lehret:
Es ist ein Gott, der mich erschuff.
Eröffnet doch einst Aug und Ohren!
Hat alles dies sich selbst gebohren?
Kan es sein eigner Ursprung seyn?
Wie? oder schuff ein blindes Spielen,
Ein Zufall ohne Geist und Fühlen
Dies schöne Werck? o Nein! o Nein!
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Wie müssen sich die schnellen Zeiten
In einem steten Zirkel drehn!
Erst läßt sich voller Lieblichkeiten
Der holde Frühling lächelnd sehn.
Bald, wenn sein bunter Schmuck vergangen,
Erscheint der Aehren göldnes Prangen;
Balb fleüßt des Weinstocks edler Saft.
Dann schöpft nach überstandnen Lasten
Die müde Welt in sanftem Rasten
Zu neüer Arbeit neüe Kraft.
Ihr Berge! die ihr eüre Spitzen
Bis an die fernen Wolken türmt,
Ihr seyd die Mauern, die uns schützen,
Wenn Macht und Frevel auf uns stürmt.
Durch eüre wundersamen Gänge
Eröffnet sich der Erzte Mänge,
Der lichten Steine teüre Pracht.
Und, wenn uns Pest und Seüchen schrecken,
So steüern eüre grünen Hecken
Mit tausend Kräutern ihrer Macht.
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Und du, du Sammlung wilder Fluten!
Die, wenn sich ihre Wut erregt,
Bald an der Sterne lichte Gluten,
Bald in den tiefen Abgrund schlägt;
Worinn mit tollem Lustgetümmel
Ein unaussprechliches Gewimmel
Belebter Berge schrecklich spielt:
Wer darf in deine Tiefen blicken,
Der nicht mit Zittern und Entzücken
Des grossen Schöpfers Allmacht fühlt?
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Ich schau ein Heer von stolzen Masten
Auf deiner Wellen lichter Bahn.
Sie eilen reich an seltnen Lasten
Von Ost- und Westen schnell heran.
Doch muß das Gut aus allen Reichen
Dem Balsam deiner Düfte weichen,
Der alle Welt erquickt und nährt.
Wo diese Segenstropfen fliessen,
Muß alles wachsen und erspriessen.
Kein Ophir gleichet ihrem Wert.
So macht sich uns durch Berg und Gründe
Ein Schöpfer überzeügend kund.
Die rege Schar der leichten Winde
Belebt der Hauch von seinem Mund.
Er spricht, so kömmt uns Lust und Leben.
Durch ihrer Flügel munters Weben
Wird schwarzer Dämpfe Gift getrennt.
Doch plötzlich kehrt ihr sanftes Blasen
Sich in ein ungezähmtes Rasen,
Wenn sein gereizter Zorn entbrennt.
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Es dunckelt sich. Ein kaltes Grausen
Erschüttert uns mit schneller Macht.
Ich hör ein ängstlich-hohles Saufen;
Der Donner brüllt; der Sturm erwacht.
Bald bricht er durch die Wolkenfeste,
Und reisset Felsen und Palläste
Der bangen Welt aus ihrem Schooß.
Ihr ohnmachtsvollen Erdengötter,
Verberget eüch vor diesem Wetter!
Mein Schöpfer ist alleine groß.
Genug, mein Geist, von fremden Werken!
Auf, schaue, was du selbsten bist!
Du wirst in dir ein Etwas merken,
Das mehr, als Stern und Sonnen, ist.
Du zählst belebt die todten Sterne;
Du missest ihre Größ und Ferne:
Sie sind an Witz und Athem leer.
Du übersteigst der Sonnen Helle,
Und, wenn ihr Lauff unendlich schnelle,
So ists dein Denken noch vielmehr.
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Wolauf, erkenne deine Schätze!
Dein Schöpfer heißt dich ewig seyn.
Des strengen Todes Schreckgesätze
Trifft deinen Körper nur allein.
Du selbsten wirst unendlich stehen,
Und mit erstauntem Wundern sehen,
Wie einst der Bau des Himmels bricht.
Dein Wesen, das kein Raum umschränket,
Das in die Ewigkeiten denket,
Das stirbet nicht, das stirbet nicht.
Erhebe denn die muntern Flügel
Zu jenem Geist, der alles trägt;
Der seiner Gottheit lichtes Sigel
Erschaffnen Geistern eyngeprägt!
Ist ein Geschöpfe so geschmücket,
Welch unermeßner Reichtum blicket
Aus unsers Schöpfers Majestät!
Der Funke, den er uns verliehen,
Soll uns zu seiner Flamme ziehen,
Die über Erd und Himmel geht.
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Ihr, die ihr messet und ergründet,
Was Erd und Himmel in sich hält:
Auf! daß ihr eine Grösse findet,
Die grösser sey, als alle Welt.
Vermehret sie mit neüen Zahlen
Zu hundert-tausend-tausendmalen!
Erschöpfet eürer Geister Macht;
Und denket dann, daß eüre Lehre
Von eüers Schöpfers Allmachtsmeere
Noch keinen Tropfen ausgedacht!
Eröffne deiner Weysheit Fülle!
Mein Schöpfer, lehre mich verstehn,
Welch Opfer sich dein heilger Wille
Von meiner Schwachheit ausersehn!
Wirst du den Weihrauch wol verlangen,
Den meine Hand, mit Furcht befangen,
Zu Ehren deiner Gottheit streüt?
Wie? oder fallen meine Sinnen
Auf ein verwerfliches Beginnen,
Das deine Heiligkeit entweiht?
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Getrost! Ein Strahl von deinem Lichte
Zertreibet meine Finsterniß.
Dein Wort erleüchtet mein Gesichte,
Und machet meinen Gang gewiß.
Ich fühle seiner Gottheit Kräfte;
Hier spielt kein menschliches Geschäffte;
Hier schallt kein eitler Rednersmund.
Was aller Klugen Witz verwirrte,
Das machet uns ein armer Hirte,
Und ein verworfner Fischer kund.
Du eitler Schwarm gelehrter Dohren,
Der vil mit leerem Wissen prahlt,
Du hast das rechte Licht verloren,
Das nur aus diesem Buche strahlt.
Hier findest du der Weysheit Schätze;
Hier sind die heiligsten Gesätze;
Hier öffnet sich die Ewigkeit:
Daß auch ein Sterblicher erfahre,
Was noch der Abgrund später Jahre
Mit Nacht und Nebel überstreüt.
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Hochheiligs Buch! erhabne Lehren!
Mein Herze stimmt eüch kräftig bey.
Da lässet sich ein Zeügniß hören,
Daß eüer Ursprung göttlich sey.
Da fühl ich unter Lust und Zittern
Ein unaufhörlich-reges Wittern
Und des Gewissens leise Stimm.
Die lispelt mir im Sündenschlafe,
Von einem Lohn, von einer Strafe,
Von eines Richters Huld und Grimm.
Ja, Herr! du kanst mich nimmer triegen.
Ich fühl ein ewig Wol und Weh.
O welch unendliches Vergnügen,
Wenn ich in deiner Gnade steh!
Ein holder West, ein sanftes Wehen,
Ein Hauch von jenen selgen Höhen
Erfüllet mich mit Muht und Lust.
Doch weich ich von dem rechten Wege,
O was für bange Marterschläge
Erregen sich in meiner Brust!
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Mein Schöpfer! deine Macht und Güte
Erhebt mich immer mehr zu dir.
Dein Trieb entzündet mein Gemühte
Mit einer heiligen Begihr.
Mir eckelt vor der Erde Schätzen.
Wenn willt du mich dahin versetzen,
Da ich dich näher schauen kan?
Wenn seh ich deiner Werke Prangen,
Die hier noch stets ein Flor umfangen,
Bey dir in voller Klarheit an?
Beschleünigt eüch, ihr werten Stunden,
Da mich kein Kerker mehr umschleüßt;
Da sich mein Geist, der Last entbunden,
Zu seines Ursprungs Gottheit reißt;
Da meiner Stimme frohes Schallen,
Das jetzo noch mit schwachem Lallen
Des grossen Schöpfers Macht besingt,
Vermischt mit jenen selgen Chören,
Dir, Heiligster! zu Ruhm und Ehren
Ein ewig Hallelujah bringt!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Drollinger, Carl Friedrich. Gedichte. Gedichte. Geistliche und moralische Gedichte. Lob der Gottheit. Lob der Gottheit. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-839C-8