[8] Tolk-Schuby ein Gedicht an die Herren E*** E***

Hic ver purpureum, varios hic flumina circum

Fundit humus flores; hic candida populus antro

Imminet, et lentae texunt vmbracula vites,

Huc ades!

Virg.


[9][11]
Beglückt, wer so, wie Ihr, in eignem Schatten lieget,
Die Schöpfung um sich sieht, und sich daran vergnüget;
Wer in den dunklen Hainen, von reiner Luft gekühlt,
Die Schauer der Entzückung tief in der Seele fühlt;
Auf Fittigen der Ruh zum Schöpfer sich erhebet,
Und, weisen Tiefsinns voll, empfindet, daß er lebet!
Wer vom Geräusch der Städte, im Denken ungestört,
Mit seines Hauses Göttern zur Einfalt wiederkehrt!
Im mäßigen Bezirk von väterlichen Gründen
Wird er dich, o Natur der Alten, wiederfinden,
Ein freyer Erdenbürger, nicht Thoren ausgestellt,
Und unter deinem Zepter Herr seiner kleinen Welt,
Der hier auf eigner Flur, und dort auf eigner Weide,
Die Heerden wimmeln sieht, und wallendes Getreide!
[11]
Mit Euch hab ich mir öfters in Gängen voller Nacht,
Oft in den Rosenthälern das Leben schön gemacht.
Oft hörten wir entzückt, in Büschen an den Quellen,
Das Lied der Nachtigall, und das Gespräch der Wellen,
Die Harmonie der Thäler, der Wälder und der Flur,
Die allgemeinen Hymnen der feyrenden Natur.
Oft hat der frische West, der in die Blätter spielet,
Und ihre Schatten wiegt, auch meine Stirn gekühlet:
Oft, wo er seine Flügel in Frühlingsdüften taucht,
Mich aus dem Blumenthale balsamisch angehaucht:
Oft von dem See herauf, den leicht sein Fittig rühret,
Hat er mir Harmonie und Stärkung zugeführet.
Laßt mich noch einst, Ihr Brüder, den Schauplatz übersehn,
Und irrend durch die Gegend mit meiner Muse gehn.
Unsichtbar folg ich Euch, gefesselt in den Schranken,
Die mir mein Schicksal setzt, zum mindsten in Gedanken.
Du Aufenthalt des Friedens, geliebtes Schattendach,
Wo ich oft in Gedanken, auf Moos gebettet, lag;
Wo oft in Einsamkeit, vom leichten Schlaf begleitet,
Die Stille über mir die Flügel ausgebreitet;
[12]
Mein Tempe, sey gegrüßet! nimm, angenehmer Hain,
In Lauben voll Gerüchen den stillen Dichter ein!
Er geizt nicht nach dem Stolz von delphschen Lorbeerblättern:
Mit Epheu, welche hier um deine Buchen klettern,
Soll er den Schlaf beschatten; und muß er schöner seyn,
So tragen jene Thäler noch Morgenrosen drein.
Hier, Muse, zog dich je die Gunst für meine Lieder
Aus deiner Höh herab, hier steig zu mir hernieder!
Nicht nur Epirens Tempe, nicht Orchomen allein,
Auch diese Gegend lächelt, die Thal, und dieser Hain.
Noch schlummert weit umher, in Gründen und auf Hügeln,
Die schweigende Natur, verhüllt in ihren Flügeln.
Noch hängt, im Morgentraume, von Thau und Schlummer schwer,
Der todte Wald die Blätter, und alles um ihn her
Sein taumelnd Haupt herab. In nebelichter Hülle
Graut über ihm der Tag, und sichtbar ist die Stille.
Der weite Tempel Gottes, Berg, Thal, und Hain und Flur,
Raucht noch nicht von dem Weihrauch der opfernden Natur.
[13]
Noch rührt ein schräger Strahl die blaue Atmosphäre,
Bricht sich zum Theil herab, und fällt zum Theil ins Leere.
Das dunklere Gewölbe erhellt sich nach und nach:
Ein heitrer Kreis im Osten verkündigt ihm den Tag.
Er dehnt sich prächtig aus, und überströmt vom Schimmer,
Eröffnet sich der Tag Aurorens güldnes Zimmer.
Der Sonnen halbe Scheibe schaut glüend in die Flur,
Vergüldet ihre Hügel, und grüßet die Natur.
Welch eine neue Welt, gekleidet in Vergnügen,
Sieht ungesättiget mein wandernd Auge liegen!
Die warme Luft entwickelt, in Wald, und Thal, und Flur,
Die reifen Embrionen der schwangeren Natur.
Das Leben strömt herab. Aus Feldern, die gebähren,
Steigt hier ein düftend Kraut, und dort die Saat der Aehren.
Auf jener weiten Fläche, die Frucht für Arbeit gab,
Wälzt sich mit grünen Wogen ein flüchtig Meer hinab;
Ein Schatz, den jedes Feld dem frohen Landmann bringet,
Das erst sein Pflug zerriß, und dann sein Schweiß gedünget.
[14]
Nun stirbt die Winterflamme, die sonst mit Busch genährt, 1
Die schwarze Tenn erleuchtet, auf dem verlaßnen Heerd;
Es raucht sein hangend Dach, mit frischem Moos bedecket,
Nur, wenn sich tief ins Feld sein langer Schatten strecket.
Verödet liegt die Hütte, so lang er froh bemüht,
Die Pflugschaar mit dem Stiere durch seine Felder zieht;
So lange auf der Trift, wo er auf weiche Rasen
Die müden Glieder streckt, die Heerden um ihn grasen.
Doch, wenn der Abend kühlet, hält eine tiefe Ruh
Ihm willig beyde Arme von seinem Lager zu.
Auf stillen Fittigen, ihn wieder zu verjüngen,
Wird sich dann über ihm ein Balsamschlummer schwingen.
Kein schwarzer Traum des Neides, der sich zum Schatten härmt,
Kein Schrecken wird ihn ängsten, das um den Hochmuth schwärmt.
Gram, und die blasse Furcht, gefesselt an den Ketten,
Worin das Laster geht, rast um entweihte Betten,
Rauscht um die güldne Decke, worinn zur Mitternacht
Die Schuld vor Teufel zittert, die sie des Tags verlacht,
Schwärmt im gewölbten Saal, und führet die Gesichter
Der Höllen vor dem Pfühl erhabner Bösewichter.
[15]
Ihn wird nicht Kummer wecken, wenn Stolz und blasser Neid
Von rothgeweinten Augen der Bürger Schlaf zerstreut,
Noch Sorgen, die den Geiz, bey ungeschloßnen Augen,
Von Blut bis auf die Haut, wie Igel, ledig saugen. 2
Heil dir, beglückte Einfalt! du letzte, edle Spur
Des ersten güldnen Alters, des Standes der Natur.
Die Freude und die Ruh, verscheucht von güldnen Schwellen,
Schwingt sich zu dir ins Thal, und ruht bey dir an Quellen.
Die Hoffnung, minder prächtig, führt den gebückten Stier
Durch väterliche Furchen, und sprosset hinter dir.
Vom Dampf der Städte fort, gießt in die reinern Lüfte
Gesundheit Balsam aus, der Frühling holdre Düfte.
Der blasse Sybarite verachte deinen Pflug:
Die Leiche seines Palasts, sich selbst nicht stark genug,
[16]
Der, wenn dein fester Fuß sich frisch auf Blumen hebet,
Durch güldne Zimmer schwankt, und durch die Kunst nur lebet.
Die Ehre folgt der That, und ruht auf keinem Stande:
Um Schlösser schwebt kein Ruhm, um Hütten keine Schande.
Einst war die Arbeit herrlich. 3 Asträens Alter trug
Die Krone um den Scheitel, und in der Hand den Pflug.
O laßt mich meinem Trieb! folgt mir, mit einem Blicke,
Ins Alter der Natur und Sparsamkeit zurücke.
Laßt mich, Ihr wehrten Brüder, der Helden Asche weihn,
Und eine Hand voll Blumen auf ihre Gräber streun.
Dich sahn, o Curius, den Frieden zu erbitten, 4
Am väterlichen Heerd erstaunende Samniten,
Den Held, den durch die Thore der Siegeswagen trug,
Nährt schlechte Kost der Felder, tränkt jetzt ein irdner Krug.
[17]
Hört dort den Regulus, der Didons Volk geschlagen, 5
Im Lorbeer des Triumphs um seine Pflugschaar klagen:
Den Schutzgott der Quiriten beugt eines Diebes Hand,
Die seines Hauses Nahrung mit seinem Pflug entwandt.
So herrlich war der Stand, eh Stolz die Welt regierte, 6
Daß eine Heldenhand ihn durch den Acker führte.
Die Hand, die hier bekleidet mit königlicher Macht,
Roms kleine Welt beherrschte, und dort das Glück der Schlacht,
[18]
Verachtete die Ruh in weibischem Vergnügen,
Und führte hier den Pflug, und dort das Schwerdt zu Siegen.
Hebt nun von euren Feldern die fromme Hand empor;
Die Saat ist ausgestreuet, die Hoffnung keimt hervor.
Schau gnadenreich herab, Du, der das Jahr regieret, 7
Der Zeiten Wechsel schuf, und um den Erdkreis führet!
Erwärmt mit thaunden Flügeln, ihr Wind, ein schwangres Feld.
Ergießt euch, mildre Wolken, und seugt den Wunsch der Welt!
[19]
O daß kein scharfer Nord dich, ruhigs Thal, zerrütte,
Und Mehlthau, oder Frost von kalten Flügeln schütte!
Daß doch kein Sturm aus Rußland die blühende Natur
In eine Wüste stürme! Daß über dieser Flur
Sein giftger Athen nie in spätem Hagel rase,
Noch seine Legion von Ungeziefer blase!
Zum mindsten muß er schadlos vor euch vorüber ziehn,
Unschuldige Gefilde, und still eur Lenz verblühn.
Dann mag die Rache da Verderben um sich hauchen,
Wo mit unschuldgem Blut gedüngte Länder rauchen;
Auf Erndten, die der Eigner, den mächtig Unrecht schlug,
In Aehren hinterlassen, beladen mit dem Fluch:
Auf Thäler, die Gewalt der Armuth abgestritten,
Mag sie zusammen ziehn, und allen Donner schütten!
Ihr Saaten dieser Fluren, auf deren schwangrem Schooß
Nicht Blut noch Thränen flossen, wachst ihr in Frieden groß!
Dann, wenn, von schwerer Frucht, eur hangend Haupt sich krümmet,
Und gränzenloses Gold in diesen Flächen schwimmet,
Dann laßt mich, voll Gedanken, in euren Schatten gehn,
Und durch die weiten Fluren die Wellen laufen sehn,
[20]
Und, wenn ich dichtend geh, der fortgewälzten Aehren
Sanft rauschenden Gesang Entzückung lispeln hören!
An diesem Rosenbusche, den tiefe Still umfängt,
Um den ein Kranz von Buchen die breiten Zweige hängt,
Der hier Gerüche haucht, und von bemooßten Hügeln
Gebeugt den Teich beschaut, sein blühend Haupt zu spiegeln,
Will ich mich niederwerfen, den streitenden Tumult
Von Stimmen anzuhören: mit froher Ungeduld
Rauscht unstät um mich her des Busches frohe Menge,
Und jägt im Schatten sich, und schlägt, und lärmt Gesänge.
Hier braust ein Schwarm von Spreen, nicht furchtsam für Verrath,
Stürmt aus dem Erlenbusche, und stürzt sich auf die Saat.
Dort schlägt ein wilder Heer mit schwirrendem Gefieder
Die Luft, die um ihn rauscht, und fällt in Wolken nieder.
Hoch zieht dort über Wälder (kein Donner trifft da mehr)
Die Colonie der Enten in einer Reih einher,
Schifft langsam um den Teich, und spähet sich im Fliegen
Im Schilf ein Lager aus, und senkt sich da zu liegen.
Dort am bemoosten Dache, worum ein Rauch sich zieht,
Schaut Progne aus der Hütte, und schwirrt ihr stammlend Lied.
[21]
Die Schwestern jagen sich, bald hoch, bald wieder tiefer,
Und taumeln in der Luft, und haschen Ungeziefer.
Hier schilt der bunte Täuber, und schwellt den weiten Kropf, 8
Und dreht sich um sich selber, und senkt und hebt den Kopf,
Bis sich die Taube naht; dann, stolz bey ihrer Bitte,
Bläht er sich prächtig auf, und trabt vor seiner Hütte.
Welch ein Tumult von Schwalben! Ihr ängstliches Geschrey
Verkündiget dem Thale, daß wo ein Räuber sey.
Lang schwärmen sie um ihn; gewarnt durch ihr Getümmel,
Wagt sich kein Vogel aus, und scheut den freyen Himmel.
Dort, nur ein Punkt dem Auge, dreht sich der Wüterich!
Tritt hier in diese Schatten, o Freund, und rüste dich,
Indem er hoch herab ein zitternd Opfer findet,
Und aus den Wolken sich gemächlich niederwindet!
Und wenn er, zum Triumphe, mit träger Majestät
Im weiten Kreis sich langsam um seine Beute dreht;
[22]
So laß ihn aus der Luft, gerührt vom Donner, fallen,
Und im Triumph umher die Gegend wiederschallen. –
Er fällt – die Thäler jauchzen – er fällt, und spornt voll Wut
Den Boden mit den Flügeln, und flattert noch im Blut.
O Freund, an jenem Thor verbreitet aufgehangen, 9
Soll der Tirann der Luft, dein Siegeszeichen, prangen.
Dort, wo im Duft der Linde, die, von der Kunst gebeugt,
Die blätterreichen Arme um ihre Schatten beugt,
Der leichte Zephir hüpft, und von dem Teich her kühlet,
Der an den grünen Strand die Silberwellen spielet,
Dort hebt der Lenz vom Grünen sein blühend Haupt heraus,
Und haucht in Balsamdüften umher Erquickung aus.
Schau, wie die Blumen hier, zum Theil voll ausgegangen,
Wie tief gefallner Schnee, dick um die Zweige hangen;
Indem die Apfelblüte in Schaalen unmuthsvoll
Erröthet, daß ihr Schmuck sich so spät entfalten soll.
[23]
Der angenehme Hauch der Weste schmeichelt ihnen,
Und rund um saust zum Schlaf Hybläens Schwarm von Bienen. 10
Hier laß uns in Gerüchen die Wollust der Natur
Mit allen Sinnen schöpfen. An dieser Blumenflur
Laß uns tief Athem ziehn, die Düfte zu verschlingen,
Die sich zum Schöpfer auf, wie stiller Weihrauch, schwingen.
Hier laß uns, ganz Empfindung beredt im Schweigen gehn,
Und Hand in Hand verbunden, satt hören, satt uns sehn.
Doch welch ein kühler Wind regt plötzlich seine Flügel?
Was trübt den nahen Teich, und schwärzt des Himmels Spiegel?
Schnell stößt der Sturm von Bäumen ein Regenschaur von Schnee;
Jägt Staub und Blatt im Wirbel, und bläst es in die Höh.
[24]
Der Buchwald schüttelt sich, und rauscht, und regnet Blätter;
Die Schwalbe streichet tief, und prophezeyt ein Wetter.
Dort in der Mittagsgegend birgt sich Gewölke auf,
Versammlet seine Donner, und wälzt sich schwarz herauf.
Nun ruht der Wirbelwind: die Biene eilt zu Hause;
Die Espe bebt nicht mehr: in allgemeiner Pause
Hält die Natur den Athem; der Puls er Schöpfung steht,
Die alle Hände faltet, da Gott in Wolken geht.
Auf schwarzen Fittigen des Windes fortgetragen,
Rollt langsam am Olymp der Donner ehrner Wagen, 11
Und unter ihm erbebet ein breiter Erdenstrich;
Der Weltgeist deckt verbreitet die Flügel über sich.
Im Thal, und auf der Flur, und unter todten Zweigen,
Herrscht weit und breit umher ein feyerliches Schweigen.
[25]
Nun traurt der ganze Himmel; 12 schnell reißt sich aus dem Schooß
Der schwangern tiefen Wolke ein schimmernd Feuer los,
Ein Donner schlägt ihm nach, und wälzt sich mit Getümmel
Von Pol zu Pol hinab, und wandelt durch den Himmel.
Die schwere Wolke träufelt; gerader Regen fällt
In langen schweren Tropfen, und düngt mit Salz das Feld.
Von neuem regt der Wind sein kühlendes Gefieder,
Zerreißt die Wasserlast, und jägt den Regen nieder.
O Freund, wer ist die Gottheit, die jetzt im Wetter fährt?
Ist es ein andrer Schöpfer, als der den Lenz verklärt?
Es mag, im Sonnenschein voll Trotz, und feig im Schrecken,
Der Narr sich lächerlich vor seinem Gott verstecken;
Er kommt nicht stets im Westwind: Zuweilen steiget er
Auf Flügeln der Gewitter, und geht im Sturm daher. 13
[26]
Nach Norden wälzt der Sturm das fliegende Gewitter,
Und reißt den schwarzen Vorhang vom Süderhimmel fort;
Dreyfache Finsternissen verhüllen jetzt den Nord.
Dort spielt der helle Blitz im Wiederschein der Hügel;
Indeß verbreitet hier die Stille ihre Flügel.
Der Süderhimmel lächelt im frohen Sonnenschein,
Und Ruhe nimmt von neuem die frischen Thäler ein.
Sieh, wie der Sprößling steigt, wie, neu erweckt ins Leben,
Die Blumen auf der Flur ihr Haupt zur Sonne heben:
Wie hier die Veilche düftet, wie dort die Rose schwitzt,
Die sich voll Perlen öffnet, und an der Sonne blitzt!
Der Büsche frohes Volk sucht schon den Himmel wieder;
Dort schlägt die Nachtigall, und seufzt verliebte Lieder.
Hör, wie die Zauberkehle die Silbertöne wälzt,
Bald schmachtend, bald in Fugen, das Herz bestürmt und schmelzt!
[27]
Dies Thal, im frischen Grün von neuem aufgegangen,
Blitzt von den Tropfen Thau, die an den Kräutern hangen.
Dort wimmelt eine Wolke von Lämmern in der Flur,
Und mäht geschäfftig Kräuter vom Tische der Natur.
Hier geht ein Rinderheer gebückt im tiefen Grase,
Frißt rauschend um sich her, und scheert die Blumenrase.
Ein Paar von Stieren ruft sich voll Brunst zum Treffen aus,
Und schielt sich an, und hänget mit Drohn die Stirn voraus:
Und dreht sich um sich selbst, und spornt den Grund im Dampfe,
Und wetzet Horn an Horn; der Schwächre weicht vom Kampfe,
Irrt brüllend durch die Furchen, voll Wuth, daß er verlor,
Und bort die Stirn im Sande, und tobt den Staub empor.
Dort streicht ein flüchtig Roß mit aufgelösten Mähnen,
Und wiehrt, und schlägt den Grund, daß Thal und Wald ertönen.
Du aber rund in Schatten verschlossenes Revier,
Einsames Thal in Büschen, geheiligt sey du mir!
Gieß, du ehrwürdger Hain, zum Schutz der Sonnenhitze,
[28]
Entzückung um mich aus, wenn ich hier dichtend sitze.
Hier, wo ein Baum den Schatten des grünen Nachbars flieht,
Durch deren Raum mein Auge die Wellen blinken sieht,
Sonst rund umher beschränkt, soll mein Gesang oft schallen,
Und was ich singen will, soll Enkeln noch gefallen.
Hier führt der Gang der Hecke, durch deren helles Grün
Die zähen Brombeerstauden die dunklern Schatten ziehn,
In ein thessalisch Thal, wo in des Sees Spiegel
Sich hier die Wälder sehn, und dort besäte Hügel.
Hier, wo in Flur und Walde, und Fluth und Thal vereint,
In ihrer Pracht die Schöpfung sich zu erheben scheint,
War einst der Nymphen Sitz, die von es Ufers Rasen
Zu Kränzen um ihr Haar sich Schilf und Veilchen lasen.
Hier ruhte sich Auone: (vergessen vom Ovid,
Sey sie des Liedes Inhalt, und lebe durch mein Lied!)
Nur durch den halben Mond, 14 nur durch die güldne Zone
Bemerkte sich vor ihr die Tochter der Latone.
[29]
Nicht Ehrsucht, zu gefallen, beschäfftigt ihre Hand;
Ihr Kleid hielt nur ein Gürtel, ihr Haar ein fliegend Band.
Ein flatterndes Gewand floß um die zarten Glieder,
Und auf den Schultern klang ein bunter Köcher wieder.
Eins, als sie aus den Gränzen, jenseits der grünen Nacht,
Ein fliehend Thier verfolgte, erpicht auf ihre Jagd,
Sah Pan, und liebte sie: begierig zum Besitze,
Verfolgt er ihre Flucht; 15 die Flucht mehrt seine Hitze.
So flieht kein zitternd Täubchen, vom Adler übereilt,
Der über seinem Haupte die heitre Luft zertheilt;
So schnell bewegt kein Flug, und die Begier zum Raube,
Den Adler durch die Luft, und jägt die scheue Taube,
Als sich die Nymphe flüchtig dem rauhen Gott entzog,
Als hinter dieser Nymphe der Gott durch Thäler flog.
[30]
Nun wird sie matt, 16 erblaßt, und sinkt bey jedem Schritte;
Nun hört sie hinter sich das Rauschen seiner Tritte;
Und nun erreicht sein Schatten die Nymph, indem sie flog,
(Sein Schatten, den vom Abend die Sonne länger zog)
Und nun, so oft er keicht, empfindet sie erschrocken
Im Nacken heisse Luft, geathmet in die Locken.
Umsonst ruft sie um Hülfe den Gott der Wellen an,
Umsonst wünscht sie zu fliehen, da sie nicht weiter kann.
Ermattet, Athemlos, fleht sie mit stiller Thräne
Also die Göttinn an, die Göttinn hört die Schöne:
»O Tochter der Latone – obgleich verbannt von dir,
Verbannt vom Chor der Nymphen – o gönne, gönne mir
Mein grünes Vaterland – laß mich in kühlen Hainen
Die Schatten wieder sehn – dort murmeln, und dort weinen!«
[31]
Sie sagts: und als in Thränen die blasse Nymphe lag,
Zerfloß sie aufgelöset in einen Silberbach.
Zum See durch Schatten rollt der Silberbach der Thränen,
Und weint, und murmelt fort, kalt, wie das Herz der Schönen;
Behält noch halb den Namen, durch Mundart nur verletzt,
Und badet jetzt die Buchen, die sie vordem gesetzt.
Die Göttinn steigt noch oft ins Bad der reinen Quellen,
Weint Götterthränen drein, und mehret ihre Wellen.
Der Hirt schaut hier im Spiegel die eigene Gestalt
Im Himmel niederhängen, und umgekehrt den Wald,
Die grüne Wasserlandschaft, vom leichten West erschüttert,
Und hängendes Gebüsch, das auf der Fläche zittert.
Die Heerde vom Gefilde wirft ihr Gemäld auf ihn,
Und schwimmendes Gewälde malt seine Wellen grün.
O daß ich, tief verhüllt, in diese Schatten sünke,
Daß hier mein Wissensdurst der Weisheit Ströme trünke!
Daß der Natur im Arme, in süßer Harmonie
Mein Leben hier verflösse, so angenehm, wie sie!
Hier in dem Rosenbusch, in dieser Nacht der Schatten,
Wo ihre Nymphen mir oft nachgesungen hatten,
[32]
Hier sollte meine Asche die Gegend um sich her
Zu stiller Ehrfurcht weihen; hier sollten Wanderer,
Voll Freundschaft, auf mein Haupt beblümte Rasen bringen,
Und mein beschattet Grab mit mancher Thräne düngen!
Dort, wo im dichten Schilfe ein sanfter Westwind kühlt,
Wo auf der Wasserfläche der Wälder Schatten spielt,
Hält, ohne seinen Blick vom Wasser abzuwenden,
Der Hirt den Angelstab erbebend in den Händen;
Hofft Beute an dem Angel, und siehet über ihn
Den Kork im Wasser tanzen, dann in die Tiefe ziehn.
Dort stößt der Kahn vom Strand, die Wasserflur zu theilen,
Zieht Wunden in den See, die plötzlich wieder heilen.
Und gleitend malt sein Schatten sich in den Wellen ab,
Der eine stehet aufrecht, der andre hängt hinab.
Schaut, wie sich wechselsweis das Ruder hebt, und sinket,
Und nun die Fläche schlägt, nun an der Sonne blinket!
Hört, wie von unserm Donner die Wasserwelt erschrickt,
Und ihn von Hain zu Haine rund um die Gegend schickt!
[33]
Hier laßt im Schatten fort, den Wälder niederbreiten,
An diesem Schilf, den Kahn still auf der Ebne gleiten!
Hier lagert sich die Ente – dort, Freunde, rauscht die See,
Die dichten Binsen schüttern – dort braust sie in die Höh.
Umsonst; der Donner trifft. Sie fällt, und läßt ihr Leben
Im Dampf der Luft zurück, und Wald, und Thal erbeben.
Kommt nun mit eurer Beute: der Rauch steigt schon ums Dach,
Der Stier schleicht matt zu Hause, und schleppt die Pflugschaar nach.
Ein langer Schatten fällt ins Thal von seinen Hügeln;
Bald wird auf diesem See, ihr Silberlicht zu spiegeln,
Die stille Phöbe hangen. Bald singt, vom Sumpf empor,
Ein ander Volk der Gegend sein lermend Schlaflied vor.
Der Tag sinkt roth hinab; 17 schon hauchen mich die Pferde
Mit schärfern Athem an vom Strand der Abenderde!

Fußnoten

1 Dieses ist nach den Gedanken des Horaz, der ihn nur kürzer bildet.

Sacrum vetustis exstruat lignis focum

Lassi sub adventum viri.

Epod 11.

2 Horaz brauchet dieses Bild bey einer ganz andern Gelegenheit. Er will die Ruhmbegier eines mittelmäßigen Dichters abbilden, vor dem, wie Pope sagt, kein Altar sichert, wenn er uns verfolgt, seine Verse zu lesen, und der uns nicht eher verläßt, als bis er sich an unserm Lobe gesättiget, und uns gleichsam ganz leer gesogen hat.

Non missura cutem nisi plena cruoris hirudo.

Mich dünkt aber, das Bild schickt sich auch vollkommen auf den Geiz. Er lässet dem Geizigen nichts von dem, was er sammlet; er entziehet ihm alles, nicht nur seine Schätze, sondern auch seine Lebenskräfte.

3 Dieser Gedanke hat nicht nur seine poetische Wahrheit; er ist auch in der Historie gegründet. Tomson sagt mit andern Worten:

In antient Times, the sacred Plow employ'd

The Kings, and awful Fathers of Mankind.

S. seine Seasons, den Frühling.

4 M. Curius Dentatus, der die Samniten geschlagen hatte, kehrte, nach seinem Siege, nach seinem Landgute zurück. Die bedrängten Feinde schickten an ihn eine Gesandschaft, und liessen ihm ansehnliche Geschenke bieten, daß er durch sein Ansehen im Senate ihnen gelinde Friedensbedingungen verschaffen mögte. Diese fanden ihn in seinem kleinen Hause, bey seinem Heerd auf einer Bank von einer hölzernen Schüssel speisen. M. Curius ex actissima norma romanæ frugalitatis, idemque fortitudinis perfectissimum specimen, Samnitum legatis agresti se in scamno assidentem foco, atque ligneo catillo cœnantem (quales epulas, apparatus indicio est) spectandum præbuit.

Val. Max. IV. 1.

5 Als Regulus gegen die Carthaginenser zu Felde gehen wollte, lief sein Pächter mit seinem Pfluge davon. Dieser Diebstahl setzte seine Familie in große Verlegenheit; daß sich auch der Rath erbieten mußte, seine Felder auf öffentliche Kosten bestellen zu lassen.

Laßt uns auf jene große Männer zurücksehen, sagt Bollingbroke, die in dem Alter der Tugend und Sparsamkeit lebten, und laßt uns erröthen, wenn wir bedenken, daß wir in der Verbannung mehr haben, als sie mitten in ihrer Herrlichkeit, in dem größten Zuflusse ihres Glücks besaßen. S. seine Reflexious upon Exile.

6 And some, – – –

Have held the Scale of empire, rul'd the storm

Of mighty war; then, with victorious hand,

Disdaining little Delicacies, seiz'd

The Plow.

Tomson ibid.

Zum Exempel gehöret der L Quintius Cincinnatus hieher, den der römische Senat zum Diktator erwählete. Die Abgeordneten, die den Antrag thun sollten, fanden ihn auf seinem Landgute: entweder war er beschäfftiget, einen Graben aufzuwerfen, oder pflügte, sagt Livius; gewiß ist es, daß er in einer Feldarbeit begriffen war. B. 3. K. 26.

Die römische Geschichte ist von den Exempeln der Sparsamkeit so voll, als von den Exempeln der Tugend und Tapferkeit. Einige hatten bey ihrem Tode nicht so viel zusammen gebracht, daß sie konnten begraben werden. Publius Valerius omnium consensu princeps, belli, pacisque artibus, moritur, gloria ingenti, copiis familiaribus adeo exiguis, vt funeri sumtus deesset: de publico est elatus. Derselbe im 2 B. 16 K.

7 Be gracious, Heaven! for now laborious man

Has done his part: Ye fostering breezes blow!

Ye softening dews, ye tender showr's, descend!

And temper all, thou world-reviving Sun.

Into the perfect Year!

Tomson.

8 Dieses Bild gehöret dem Hrn. von Kleist; wenn ich die Stelle aus seinem Frühlinge hieher setze, so kann der Leser urtheilen, welche Züge daran die meinigen sind:

– – – Aus seines Wohnhauses Fenster

Sieht sich das Lachtäubchen um, kratzt den roth silbernen Nacken,

Und fliegt zum Liebling aufs Dach. Er zürnt ob dessen Verweilen,

Und dreht sich um sich, und schilt.

9 Dieser Umstand ist deswegen vielmehr mit eingeflochten, weil er eine wahre Geschichte zum Grunde hatte.

10 Hinc tibi, quae semper vicino ab limite sepes

Hyblaeis apibus florem depasta salicti

Saepe leui somnum suadebit susurro.

Virg.

11 Dieses Gleichniß ist der Natur freylich gar nicht gemäß; allein der Dichter ist auch kein Naturlehrer: er sagt die Dinge so, wie sie in die Sinne fallen. Ich habe oft dieses Bild tadeln hören, ob man es gleich im Homer und bey andern Alten schön findet. Man glaubt, daß unsere tiefere Einsicht in die Naturlehre wahre Bilder finden könne, die den falschen der Alten an Schönheit gleich wären. Man will zugleich sagen, daß dieses Bild aus einem Mangel der bessern Erkenntniß der Natur entstanden sey. Wenn ich so freygebig bin, das erste einzuräumen; so kann ich doch dem Homer ohnmöglich eine so schlechte Naturkunde zutrauen, daß er hätte glauben sollen, Jupiter fahre auf einem eisernen Wagen um den Himmel, wenn es donnere. Kein vernünftiger Leser kann ihm eine bessere Einsicht in die Natur der Dinge absprechen. Gesetzt aber, es sey also; so wird das Bild doch poetisch wahr und schön bleiben, weil hier nach der Empfindung geurtheilet werden muß. Die Aehnlichkeit eines rollenden Wagens mit dem Getöse des Donners ist so groß, daß wir uns oftmals betrügen, und glauben, es donnere, wenn wir nur einen Wagen hören. Ich mögte lieber sagen, daß dieser Betrug des Gehörs den Homer auf dieses Bild geleitet habe. Und dieses voraus gesetzt, warum sollte es in unsern heutigen Gedichten nicht eben so schön bleiben, wenn wir auch eine weit tiefere Einsicht in die Naturlehre erlangt haben, da wir nur die Natur so beschrieben wollen, wie sie in die Sinne fällt.

12 Abrupti nubibus ignes, nach dem Virgil; und Diespiter igni corrusco nubila diuidens, nach dem Horaz.

13 Nor God alone in the still Calm we find,

He mounts the storm, and walks upon the wind.

Pope Ess. on Man.

14 Aufrichtig zu seyn, gestehe ich, daß ich theils dem Pope, theils dem Ovid nachgeahmet, oder, wenn man lieber will, übersetzt habe.

Lodona's Fate, in long Oblivion cast

Te Muse shall sing, and what she sings, shall last.

Scarce could the Goddess from her Nymph be known,

But by the Crescent and the golden Zone.

She scorn'd the Praise of Beauty, and the care,

A Belt her waste, a Filled binds her Hair.

A peinted Quiver on her shoulders sounds, etc.

Pope, Windsor forest.

15 – – – tanto magis instat et ardet.

Sic ego currebam, sic me ferus ille premebat,

Vt fugere accipitrem penna trepidante columbae,

Vt solet accipiter trepidas vrgere columbas.

Ouid. Met. L.

16 Sol erat a tergo vidi praecedere longam

Ante pedes vmbram; nisi si timor illa videbat

Sed certe sonituque pedum terrebat, et ingens

Crinales vittas afflabat anhelitus oris.

Fessa labore fugae, fer opem, deprendimur, inquam,

Armigerae Diana tuae.

Idem, ibid.

17 Virgil braucht diesen Ausdruck vom Anbruche des Tages.

Me saeuus equis oriens afflauit anhetis:

Ich trage kein Bedenken mit dieser Veränderung denselben Ausdruck vom Abend zu brauchen.

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TextGrid Repository (2012). Dusch, Johann Jakob. Gedichte. Drey Gedichte. Tolk-Schuby. Tolk-Schuby. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-886C-0