[30] Viertes Buch

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Die Lieb ist reich an Sorgen, Furcht ihre erste Frucht,
Und Zärtlichkeit begleiten Verdacht und Eifersucht.
Ich fühlte ihre Pein, indem sich unter allen
Ein gleicher Eifer wies, Themiren zu gefallen;
Doch keiner schien so zärtlich aus dieser ganzen Schaar,
Als Aristhee, ein Weichling, den Sybaris gebahr.
Ihm schenkte die Natur die Augen, und die Wangen,
Die Grübchen, und den Reiz, den Weiber sonst empfangen.
Den zarten feinen Körper, den sie zur Schau gemacht,
Behing, ihn zu verschönern, der Reichthum noch mit Pracht.
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Die Locken, die so schön, wie Cypris Locken fielen,
Betrogen selbst den West, und reizten ihn, zu spielen.
Er ahmete den Schönen ihr süßes Lächeln nach,
Und selbst die schönen Fehler der Stimme, wenn er sprach.
Auf diesen Vorzug stolz, erschien er oft Themiren,
Und hielt sich schön genug, ihr Herz mir zu entführen;
Und ob sie sich beredet, ob er sie irgend fand,
Agenor, dieser Weichling ward bald mit ihr bekannt.
Zephiß entdeckte mirs. Einst, als ich mit Verlangen
Vergebens wartete, die Schöne zu empfangen,
Kam mir Zephiß entgegen, und sprach: du bist allein?
Wie glücklich mag die Stunde für Aristheen seyn!
Zwar ich mistraue nicht der Tugend der Themiren:
Allein, dein Feind ist schön; und Schönheit kann verführen!
Ihr Götter, welche Sprache! mein Blut erstarrte mir!
Wie Aristhee, der Weichling bey ihr allein? bey ihr,
Die mich hier warten läßt! – So soll der Hain mit Grauen,
Der meinen Schimpf gesehn, auch meine Rache schauen!
Verlaß mich, falsche Göttinn! ich will in meiner Wuth
Nicht Liebe, Thränen will ich, und mehr als Thränen, Blut!
Verhaßt ist mir dein Dienst; ich fluche den Altären,
Und hört mich Jupiter, so wird er sie zerstören.
Themire, Ungetreue – in meinem Grimm durchbohrt,
Reiß ich den Sybariten aus deinen Armen fort;
Mit Zittern sollst du mich den Weichling Aristheen,
Dieß weibische Gesicht, im Staube zerren sehen!
Zephise sah die Schrecken auf meinem Angesicht,
Und sprach: bey allen Göttern, Aedon, verlaß mich nicht!
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Bey dem, was heilig ist, und kann dich Unschuld rühren,
Ach! bey der Unschuld selbst der reizendenThemiren!
Bey ihrer ewgen Liebe, die für die Unschuld spricht!
Verzeih ihr diesen Fehler, Aedon, verlaß mich nicht!
Sie dachte nicht an sich, und hielt mich fest umfangen,
Und drückte mich ans Herz: indem wir also rangen,
Erblickten wir Themiren. Ich merkte Schüchternheit
In ihrem blöden Auge, und schöne Aengstlichkeit.
Sie fiel um meinen Hals, und bath mich, zu verzeihen:
(So weit, ihr Götter, geht die Kunst der Ungetreuen!)
Der Sybarit (so sprach sie) begegnete mir dort,
Und redete von Liebe, allein, ich riß mich fort –
Doch wie? du bist erzürnt, und kehrest deine Blicke,
Die ich so sehr gesucht, so wild von mir zurücke!
Was sagt mir diese Stirne? – Du frägst noch, sprach ich, was?
Was deine Untreu werth ist, Verachtung Zorn, und Haß!
Die Götter sehn dein Herz – verräthrische Themire!
Die Thränen kosten nichts, nichts kosten dich die Schwüre!
So weit der Himmel reichet, so weit von ihren Höhn,
Verräther zu bemerken, der Götter Augen sehn,
So weit die Sonne läuft, und ihre Strahlen scheinen,
Gleicht an Treulosigkeit kein falsches Herz dem deinen!
Umsonst wählst du den Schatten, die Untreu zu begehn,
So lang aus ihrem Himmel die Götter niedersehn.
Ich riß mich los von ihr; sie bat mich, anzuhören,
Und seuzte voll von Angst, und schwamm in heißen Zähren;
Sie rang die schönen Hände; Grausamer! höre mich,
Ich hasse Aristheen, und dich nur lieb ich, dich!
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Verdien ich Haß damit? – du spottest meiner Zähren,
Entfliehst, und raubest mir den Trost, mich anzuhören?
Die Götter sind mir Zeugen, mein Herz schlug nur für dich:
Grausamer, den ich liebe, geh nun, und hasse mich!
Ich floh aus ihrem Arm, von Zorn dahin gerissen,
Tief in des dichten Hains gramvolle Finsternissen,
Und suchte dort die Ruhe; hier ließ ich erst mein Herz
In seinem Kummer bluten, und reizte meinen Schmerz:
So wie mit einem Pfeil der seine Brust verletzet
Ein Hirsch durchs weite Thal in tiefe Wälder setzet,
Dem Tode zu entfliehen, der ihm am Herzen steckt,
Dann im Gebüsche sinket, und seine Wunde leckt.
Ich sank, vom Zorn erschöpft, und voll Gedanken nieder;
Und nach dem Sturm der Wuth kam schon die Liebe wieder.
Ich sahe nun Themiren, wie sie die Hände wand,
Und Thränen und die Wehmuth, in der sie vor mir stand:
Wie pochte nicht mein Herz! dem Mitleid ganz gelassen,
Seufzt ich: so liebst du sie? wie würdest du wohl hassen?
Erröthe vor dem Laster? erröthe, Grausamer!
Themire! was für Liebe! und ich? ihr Peiniger?
Barbarisch bey der Angst, die sie um mich empfunden,
Hab ich mich voller Trotz aus ihrem Arm gewunden!
Wie zärtlich bat ihr Auge! wie rang sie! welch ein Schmerz!
Und Thränen – ja die Thränen zerrissen mir das Herz! –
So rang ich mit mir selbst, gefoltert von der Reue,
Und sahe neben mir die schöne Ungetreue.
Sie floh mir in die Arme; Grausamer! konntest du
Mich so gelassen quälen? ich finde nirgend Ruh!
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Ach! werthester Aedon, ich kann dich nicht verlassen;
Zu zärtlich lieb ich dich – kannst du Themiren hassen?
Bey unsrer ersten Liebe, bey meinem tiefsten Schmerz,
Bey allen diesen Thränen, entreiß mir nicht dein Herz!
Mit jeden Wort ward mir ein Schwert durchs Herz gerissen.
Beschämt, mir selbst verhaßt, sank ich zu ihren Füssen,
Und sprach: ich ward im Zorne ein Peiniger an dir:
Bestrafe mich, Themire, und räche dich an mir!
Ach! bitten wolltest du? mich, einen Undankbaren?
Mich, deinen Peiniger? nein! strafe den Barbaren! –
Doch kannst du mir verzeihen? – Themir umarmte mich;
Geliebter, sprach die Falsche, ich lebe nur für dich.
Freund, ich empfinde noch den Aufruhr meiner Triebe;
Unendlich mehr, als je, entbrannte meine Liebe!
– – So, wenn in Frühlingstagen, oft plötzlich eine Nacht,
Vom Wind herauf gewälzet, den Schauplatz finster macht,
Verläßt auf kurze Zeit die Stille Hain, und Felder,
Der Sturm heult durch das Thal, und schüttelt laute Wälder;
Bald aber theilt die Wolken ein froher Sonnenschein,
Und Freude nimmt von neuem die stille Gegend ein.
Doch eine kurze Ruh! mich tiefer zu betrüben;
Ließ Cypris mich vielleicht erst wieder heftig lieben.
Mein Argwohn war geheilet; mein Nebenbuhler schien
Themiren zu vergessen, und sie vor ihm zu fliehn:
Doch, ob es Ahndung war, ob Furcht, sie zu verliehren,
Mich fraß ein stiller Gram; ich seufzte bey Themiren;
Oft sagt ich ihr voll Wehmuth: Themire, kein Geschick
Nimmt, zürnten auch die Götter, mein Herz von dir zurück;
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Voll Muth, und als ein Mann, will ich die Streich ertragen,
Die stolze Tugenden so oft zu Boden schlagen;
In deinen schönen Armen, Themire, trifft kein Schmerz,
Kein feindliches Verhängniß, mein sorgenloses Herz:
Doch daß das Leben mir, wofern ich dich verliehre,
Zur Strafe werden wird, das fühl ich schon, Themire!
Wie glücklich, o Cythere! war damals noch Aedon!
Ein süßes, zärtlichs Lächeln, ein Kuß war da mein Lohn!
Wie hätt ich es gedacht! o, könnt ich es vergessen,
Wie schön sie damals war, o könnt ich es vergessen!
An einem schönen Morgen, als ich in jenem Thal,
Themiren auszuschmücken, den Rosenbusch bestahl,
Erschien Zephiß, und rief: Freund, rette dochThemiren;
Kein Augenblick ist dein, man wird sie dir entführen!
Ich stand betäubt, und sinnlos; so stehet unbewegt
Der Wandrer, wenn ein Donner schnell vor ihm niederschlägt;
Er ging in sich gekehrt, und warf den Blick zu Erden,
Und sah nicht über sich den Himmel schwärzer werden:
So stand ich unbeweglich; nach einem Augenblick
Kam endlich mit dem Leben die Wuth in mich zurück;
Ich floh dem Strande zu, und sah das Schiff verschwinden.
Die Götter haßten mich, und mit beglückten Winden
Befördert ihre Freude, mich nur gebeugt zu sehn,
Das schändlichste Verbrechen des falschen Aristheen.
Seide schiffte nach, doch mich hält das Geschicke,
Und ein verhaßter Wind noch mit Gewalt zurücke!
So hab ich oft erzählet, eh ich das Meer durchlief,
Und Cypris mich im Traume zum Tempel wiederrief;
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Ich folgte diesem Wink, und glaubte, daß Cythere,
Nun, nach so vieler Treu mir wieder gnädig wäre.
Voll Hoffnung kam ich wieder, die Liebe führte mich.
Wen sucht ich wohl, Themire, wen sucht ich sonst, als dich?
Brauchts mehr, als dich nicht sehn, daß Gegenden der Erden,
Worauf der Himmel ruht, ein Ort des Fluches werden?
Mehr, als dein zärtlich Auge, von holder Liebe voll,
Wenn aus dem Graun der Wüste der Himmel werden soll?
Allein, ich kam umsonst; noch war nicht meine Stunde.
Von neuem blutete die ungeheilte Wunde;
Voll Kummer, ohne Hoffnung, verließ ich den Altar,
Und kannte kaum die Gegend, die sonst so reizend war,
Ich starrte um mich her, mit Augen voller Zähren:
Sind diese Gegenden Gebiethe der Cytheren,
Wie öd ist ihr Gebiethe! – wie sterbend dieß Revier!
Hier sollte Cypris herrschen? nein, Grauen herrschet hier!
Die Königinn der Nacht, mit ihren Bundsgenossen,
Hat in den todten Hain die Schrecken ausgegossen.
Ach! dieser Hain von Buchen, der so gesellig war,
Das Murmeln dieses Baches empört mir jetzt das Haar!
Und Zephiß rauscht mir Gram; die Myrthen, diese Hecken,
Den heilgen Tempel selbst bewohnen Gram und Schrecken.
So seufzt ich: meine Seele zerriß ein innrer Streit;
Verhaßt war mir Gesellschaft, verhaßt die Einsamkeit;
Mit blinder Eifersucht bestritt ich meine Triebe,
Und kämpfte, doch umsonst; selbst meine Wuth war Liebe.
Die Göttinn strafete mein eifersüchtig Herz,
Und rächete Themiren an mir, durch diesen Schmerz;
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Zur Straf hat sie gewiß, wenn ich sie bat, zu hassen,
Mich in der größten Wuth die Liebe fühlen lassen,
Ich irrte unentschlossen, und fand in meiner Flucht
Die Oerter todt, und traurig, die ich sonst gern gesucht.
O! Göttinn, rief ich dann, vertilg in mir die Triebe,
Und strafe meinen Feind, Seiden mit der Liebe!
Gieß alle meine Flammen, gieß meinen ganzen Schmerz,
Und alle meine Qualen, in sein treuloses Herz,
Laß ihn vergebens flehn – nein! laß ihn glücklich brennen,
Themire treulos seyn; mich nur verachten können!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dusch, Johann Jakob. Gedichte. Der Tempel der Liebe. Viertes Buch. Viertes Buch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-8894-1