Christian August Fischer
Dosenstücke

[3] Zweie für Einen.

Erstes Buch

1. Kapitel
Erstes Kapitel.
Wer?

Unerträgliches Geschöpf! sagte der Graf vonRothfels äußerst aufgebracht, als eben einer seiner Freunde, Baron Solting, hereintrat, der erst vor kurzem von seinen Reisen zurückgekommen war.

Guten Morgen! rief er dem Grafen zu: wem gilt denn der charmante Titel?

Der Graf (lächelnd): Eine bloße Reminiscenz, lieber Solting!

Der Baron (ironisch): Aus ihrem Leben vielleicht?

Der Graf (lächelnd): Nein, aus einem alten Stücke; ich besinne mich nicht gleich. –

Der Baron: Es ist vermuthlich von einer Dame die Rede?

Der Graf: Richtig! Und es sagt's ein Misogyn, wie Baron Solting.

[3] Der Baron: Und vermuthlich haben sie beide Recht?

Der Graf: Aber einmal im Ernst, Solting! Sie sollten sich wahrhaftig verlieben! Es ist eine Schande! –

Der Baron: Bravo!

Der Graf: Sie sind nun drei Monat hier, unsere Damen kommen Ihnen um die Wette entgegen, und Sie gehen ihren Weg fort, ohne Notiz davon zu nehmen.

Der Baron: Bravissimo!

Der Graf: Wahrhaftig, lieber Solting! Wenn ich's nicht besser wüßte, ich dächte, Sie wären – Aber 's ist mir unbegreiflich! – Oder haben Sie vielleicht in Rom, und Paris –

Der Baron: Das ist Ihr altes Lied. Lieber Himmel! So verschaffen Sie mir nur Eine, und Sie sollen sehen –

Der Graf: Als ob Sie nicht Ihre Augen brauchen könnten!

Der Baron: Aber ich muß sie erst kennen lernen; meine lange Abwesenheit –

Der Graf (einfallend): Nun, so will ich Ihnen Eine vorschlagen.

Der Baron (lächelnd): Gut, lassen Sie hören! Ich will sehen, was ich thun kann.

2. Kapitel
[4] Zweites Kapitel.
Wie?

Der Graf klingelte nach dem Frühstück, und das Gespräch wurde fortgesetzt.

Der Graf: Sie wird Ihnen gewiß gefallen, denn ich bin selbst in sie verliebt gewesen.

Der Baron: Fort bien! Sie loben Ihren und meinen Geschmack auf einmal! – Wie lange? wenn ich fragen darf.

Der Graf: Eine geraume Zeit.

Der Baron: Charmant! Und Sie wollen mir sie abtreten? Nicht wahr?

Der Graf: Mit dem größten Vergnügen!

Der Baron: O Sie sind der großmüthigste Mensch von der Welt! – Ist sie jung?

Der Graf: Kaum ein und zwanzig Jahr.

Der Baron: Und schön?

Der Graf: Wie ein Engel.

Der Baron: Und reich?

Der Graf: Unermeßlich.

Der Baron: Und zärtlich?

Der Graf: Wie ein Täubchen.

Der Baron: Und sanft?

Der Graf: Wie ein Lämmchen.

Der Baron: Nun wahrhaftig, Sie sollten [5] einem Lust machen! – Aber die Hauptsache – Ihre Familie?

Der Graf: So gut wie die beste.

Der Baron: Wenn Sie sie ganz genau kennen?

Der Graf: So wollten Sie zugreifen?

Der Baron: Nun, ich wollte mir's überlegen. – Aber im Ernste, kennen Sie das Mädchen wirklich?

Der Graf: So gut, wie mich selbst.

Der Baron: Wie heißt sie?

Der Graf: Ha ha, Sie werden ungeduldig, lieber Solting! – Sie ist aus der Familie meiner Frau.

Der Baron: Bon!

Der Graf: Und sieht meiner Frau auf ein Haar ähnlich!

Der Baron: Das wäre!

Der Graf: Kurz und gut, lieber Solting, erstaunen Sie nicht – es ist meine Frau selbst!

Der Baron: Nun das ist ein bischen zu arg!

Der Graf: Sie denken, ich habe Sie zum Besten? – Nein wahrhaftig nicht!

Der Baron: Ihre Frau? – er wahrlich lieber Graf, ich greife zu!

Der Graf: Ist es Ihr Ernst? – Sie [6] sollen sie haben, ich gebe Ihnen mein Wort! Mit dem größten Vergnügen! (der Baron lacht und zieht seine Uhr auf) Kommen Sie, wir wollen in den Garten gehen, Sie sollen sehen, lieber Solting, ich spasse wahrhaftig nicht!

3. Kapitel
Drittes Kapitel.
Was?

Also deßwegen? fragte der Baron noch einmal.

Der Graf: Wie ich Ihnen sage, lieber Solting! Sie genirt mich außerordentlich! Ich muß sie beschäftigen, und Sie erzeigen mir einen wahren Freundschaftsdienst, wenn Sie ihr Liebhaber werden wollen.

Der Baron: Sie machen mir einen sonderbaren Vorschlag, lieber Graf!

Der Graf: Sie sind ein Mann von Ehre; ich weiß, wem ich mich anvertraue. Machen Sie mit ihr, was Sie wollen – Küssen, tändeln, scherzen Sie; aberla grand' oeuvre – Sie verstehen mich – das behalte ich mir vor.

Der Baron (lächelnd): Sans doute! – Aber wenn ich nun auch die Farce spielen wollte, würde die Gräfin wollen?

[7] Der Graf: Es ist ein Weib, lieber Solting! Freilich elle est un peu prude et fière, aber sie wird sich humanisieren. Vous êtes jeune et bien fait; vous avez de l'esprit; elle a de l'estime pour vous. Lassen Sie mich nur machen, ich will Ihnen schon Gelegenheit verschaffen.

Der Baron: Aber noch einmal, lieber Graf! Ich kann nicht glauben –

Der Graf: Ich wiederhole es Ihnen, es ist mein völliger Ernst! Sie wissen ja das fatale Joch – Man kann sich nicht helfen. – Wäre es nicht meine Frau, ich wäre selbst in sie verliebt. Aber das menschliche Herz! Vous me comprenez.

Der Baron: Also sind Sie auswärts employirt?

Der Graf: Freilich! Freilich! Und sie wird mich mit ihrer Eifersucht noch toll machen.

Der Baron: Ha ha! War das die bewußte Reminiscenz?

Der Graf: Sie haben es errathen! Sehen Sie, ob ich Mitleid verdiene! Sie erzeigen mir einen wahren Dienst. Aber Sie wissen –

Der Baron: Wo die Dienstfertigkeit aufhören muß? – Eh bien! Sie überreden mich; der Spaß ist lustig, und um dem Feind eine Diversion zu machen –

[8] Der Graf: Charmant, lieber Baron! Prenez le au fianc! Aber! le centré! le centré! Sie verstehen mich:

Der Baron: Ich will ihn blos harceliren, unterdessen machen Sie Ihren Coup, und ich ziehe mich zurück.

Der Graf: Allerliebst! Und wenn meine Frau etwa Ernst machen will, so wollen wir sie beide zusammen auslachen.

4. Kapitel
Viertes Kapitel.
Der Ball.

Der Graf hatte einen Ball veranstaltet; die Ursache ist leicht zu errathen. – Jetzt ersehen Sie Ihre Zeit, lieber Solting! sagte er ihm leise in's Ohr, als dieser die Gräfin aufzog, und verfolgte sie mit den Augen.

Der Baron tanzte, aber die Gräfin schien kälter als Eis. Was hätte er wagen sollen? Der Tanz war zu Ende, er machte ihr eine Verbeugung und entfernte sich.

Nun sagte der Graf, und kam eilig auf ihn zu, haben Sie einen guten Anfang gemacht?

Der Baron: Noch nicht!

Der Graf: Noch nicht? Eh mon Dieu! Sie sind ja so blöde, c'est un pitié!

[9] Der Baron: Aber wenn man auch zur Liebe commandirt wird! Und überdem –

Der Graf: Was überdem, lieber Solting?

Der Baron: Ihre Frau zeigt auch nicht eine Breche.

Der Graf: Si fait! Si fait, mein charmanter Freund! Sie müssen ihr nur ein wenig auf den Leib rücken.

Der Baron: Aber sie stößt mich ja zurück wie ein Zitteraal!

Der Graf: N'importe! Das ist nur für den Anfang.

Der Baron: Aber sie will mich ja nicht einmal ansehen!

Der Graf: Desto schlimmer! Ich wette sie ist schon bezaubert von Ihnen.

Der Baron: Der Henker auch! Sie machte eine Miene, als wenn sie von Alabaster wäre.

Der Graf: Das ist blos zum Schein, mein lieber Solting! Probiren Sie's nur einmal unter vier Augen.

Der Baron: Ich will noch eine Angloise mit ihr tanzen, und dann!

Der Graf: Wissen Sie was? Temporisiren Sie heute; morgen machen Sie ihr Visite, und dann – Ich gebe Ihnen carte blanche! – Machen Sie, was Sie wollen. – Ich mache [10] Sie zu meinem Repräsentanten, nur behalte ich mir die Souveraineté vor.

Der Baron: Aber lieber Graf! Zuweilen –

Der Graf: Sein Sie unbesorgt, lieber Solting! Ueber die Possen bin ich hinaus. Sie wissen, wo Ihr Terrain aufhört! Verstehen Sie mich? – Uebrigens brauchen Sie sich nicht im Mindesten zu geniren.

Sie trennten sich. Der Graf gieng seinen Geschäften nach, und Solting tanzte fast unaufhörlich mit der Gräfin. Er bot alles auf, um zu gefallen, aber sie schien völlig unempfindlich zu bleiben.

5. Kapitel
Fünftes Kapitel.
Die Erklärung.

Es war den andern Vormittag um eilf Uhr, und die Gräfin war mit ihrer Toilette beschäftigt, Solting trat herein, ihr seine Visite zu machen, und schien äußerst schwermüthig zu sein. Die Gräfin bemerkte es in ihrem Spiegel, und konnte sich nicht enthalten, ihn endlich darum zu fragen.

Aber was fehlt Ihnen, Herr Baron? Sie scheinen sehr traurig, zu sein!

[11] Vielleicht, meine Gnädige! gab er mit einem Seufzer zur Antwort, und bemerkte mit Vergnügen, daß sie ihn beobachtete.

Die Gräfin: Sie seufzen? (lächelnd) Ich möchte beinahe ein anderes Vielleicht für die Ursache annehmen.

Der Baron: So hätten Sie ein Talent, mehr Geheimnisse zu errathen.

Die Gräfin (lächelnd): Der gestrige Ball – Aber es ist auch ein charmantes Mädchen!

Der Baron: Wie? – Wer? – Meine Gnädige?

Die Gräfin: Nun so verstellen Sie sich doch nicht!

Der Baron: Ich versichere Ihnen!

Die Gräfin: Was gilt die Wette? Der arme Solting ist verliebt!

Der Baron: Und wenn ich es wäre, meine Gnädige! Verdiente ich nicht Entschuldigung? – Wer kann so viel Reize –

Die Gräfin: Halt! Halt! Erst müssen wir uns über die Person verständigen. Hab ich's nicht getroffen? – Bekennen Sie.

Der Baron: Sehen Sie in Ihren Spiegel, meine Gnädige, und Sie werden die Antwort wissen.

Die Gräfin (erröthend und mit gezwungenem [12] Ernste): Ich verstehe Sie nicht, Herr Baron! und ich glaube, Ihnen einen Gefallen zu erzeigen, wenn ich Sie nicht verstehe.

Der Baron: Ach meine Gnädige! Verdiene ich soviel Härte? – Können diese himmlischen Reize –?

Die Gräfin (noch ernsthafter): Herr Baron! Sie werden – Es thut mir leid – Ich muß Sie bitten – Sie werden mich nöthigen – Sie schien so sehr beleidigt zu sein, daß Solting erschrack und blaß wurde.

Aber ich will es für Scherz aufnehmen, fuhr sie ein wenig freundlicher fort, als sie seine Verlegenheit bemerkte. Ich verzeihe Ihnen! – indem sie ihm die Hand reichte, die er ehrerbietig küßte. – Aber wenn Sie denn durchaus Ihr Herz beschäftigen wollen, ich will Ihnen einen Gegenstand vorschlagen, der Ihrer Liebe würdiger ist.

Der Baron: Ah le moyen! (mit dem heftigsten Ausdruck von Scham und Betrübniß):

Die Gräfin: Comment? Vous desperez?

Der Baron: Ach, wo soll ich den Muth hernehmen!

Die Gräfin: Der wird schon wiederkommen,n'ayez pas peur! Wollen Sie den Rath [13] einer Freundin annehmen, so will ich Ihnen eine Dame vorschlagen.

Der Baron: Quel exces de cruaute!

Die Gräfin (lächelnd): Sie sollen gewiß zufrieden sein, ich verspreche es Ihnen.

6. Kapitel
Sechstes Kapitel.
Der Vorschlag.

Kennen Sie die schöne Oberstin von R–? sagte sie mit einem flüchtigen Lächeln.

Der Baron: Der alte 60jährige Oberste ist mir sehr wohl bekannt.

Die Gräfin: Nun gut! So habe ich Ihnen alles gesagt.

Solting machte den Erstaunten, und schien einige Thränen fallen zu lassen. Er sprach von seiner Beständigkeit, und der Unmöglichkeit, ihrem Rathe zu folgen. – Meine Wahl ist zu schön, sagte er, wie könnte ich mich jemals über mein Unglück trösten?

Die Gräfin: Aber wenn ich es wünschte, wenn ich es Ihnen befehle, Herr Baron?

Der Baron: Ach dann könnte ich nur die Hoffnung haben, Ihnen durch meinen Gehorsam zu gefallen!

[14] Die Gräfin: Nun gut! So wissen Sie alles. Ich schätze Sie – Das ist alles, was ich für Sie thun kann. Die Oberstin (der Baron macht eine ungeduldige Bewegung) Bst! Unterbrechen Sie mich – Sie wird Sie vollkommen entschädigen. Ich weiß, daß sie viel Freundschaft für Sie hat; ja sie hat es mir selbst gesagt. – Es wird nur auf Sie ankommen, ob –

Der Baron: Aber meine Gnädige! (mit verstelltem Schmerze) Wie kann, wie soll ich? –

Die Gräfin: S'il ne tient qu'a cela! (als ob sie ihn nicht verstünde) Kommen Sie diesen Abend zum Thee, und Sie sollen sie finden, ich verspreche es Ihnen. – Doch Sie erlauben mir – Au plaisir Monsieur le Baron! indem sie das Zimmer mit einer Verbeugung verließ.

7. Kapitel
Siebentes Kapitel.
Der Rapport.

Allerliebst! – sagte Solting, indem er die Treppe herunter ging und seine Maske ablegte. Sie könnte mir keinen größern Gefallen thun! – Er hatte nämlich die Oberstin schon lange im Stillen geliebt, ohne es ihr entdecken zu können. In dem Augenblicke kam ihm der Graf entgegen.

[15] Der Graf: Nun, haben Sie eine Approche gemacht?

Der Baron: Ich habe es wenigstens versucht.

Der Graf: Und was sagte sie? – Was sie alle sagen! Nicht wahr?

Der Baron: Richtig! Sie schien anfangs beleidigt zu sein.

Der Graf: Das mußte sie auch!

Der Baron: Aber nachher ließ sie sich's gefallen.

Der Graf: Wie ich Ihnen gesagt habe. – Wer recht sicher bei den Weibern gehen will, muß nur immer das Gegentheil von ihren Reden thun. – Verlassen Sie sich darauf! Probatum est!

Der Baron: Ich sehe schon, Sie müssen mich leiten, lieber Graf! Und überdem kennen Sie den Terrain.

Der Graf: Parfaitement! Sehen Sie, ich will Ihnen die carte du pays in zwei Worten geben: Eitelkeit und Eitelkeit. – Und wenn ihnen ein kleiner häßlicher Zwerg eine Liebeserklärung thäte, sie sähen ihn mit freundlichen Augen an.

Der Baron: Ich bin immer noch ein wenig zu blöde.

[16] Der Graf: Das müssen Sie nicht! Diese timitidée ist den Weibern ein Greuel. Bescheiden Worten, kühn in Thaten – Voilà le mystère! – Aber versteht sich! –

Der Baron: Ja, ja, ich verstehe!

Der Graf: Der point d'attruction! – Da verlasse ich mich ganz auf Sie.

Der Baron: Wie auf sich selbst!

Der Graf: Thun Sie, als ob Sie die Citadelle stürmen wollten, aber machen Sie blos einen blinden Angriff.

Der Baron: Aber lieber Graf, wenn der Feind nun selbst kapituliren will?

Der Graf: So rapportiren Sie, und ich will abschließen.

8. Kapitel
Achtes Kapitel.
Der Thee.

Die Stunde zur Assemblee hatte geschlagen, und der Baron ermangelte nicht, sich einzufinden. Er fand eine glänzende Gesellschaft Damen, unter denen auch wirklich die Oberstin war.

Er ist zum Küssen! sagte die Gräfin leise und mit einem bedeutenden Lächeln. – Er ist der schönste Mann, den ich gesehen habe! gab [17] die Oberstin eben so zur Antwort. – Finden Sie nicht, daß er ein wenig stärker geworden ist? fragte die Gräfin wieder. – Ich dächte, auch seine Couleur wär schöner! erwiederte die Oberstin.

Indessen näherte sich der Baron den beiden Damen mit vieler Grazie. Er setzte sich zu ihnen, und glaubte für die eine scheinen zu müssen, was er für dieandere wirklich war. So ließ er bei der Gräfin seine Galanterie, bei der Oberstin seine Empfindungen sprechen. Eine hielt die andere für seine Geliebte, beide beobachteten sich mit Lächeln, und jede schien zufrieden mit ihm zu sein.

Wie gefällt es Ihnen wieder in C –? fragte ihn die Gräfin mit einem bedeutenden Blicke.

Der Baron: Nie war ich so glücklich, meine Gnädige! Ich würde C – unmöglich wieder verlassen können.

Aber liebe Gräfin, fieng die Oberstin mit einem schalkhaften Tone an, Sie werden doch den Winterbei uns zubringen?

Und Sie, liebe Oberstin, bleiben doch auch hier? erwiederte diese mit demselben Accente, indeß der Baron beide, wiewohl mit verschiedenen Empfindungen ansahe. – Sie machen mich zittern, meine Damen! sagte er etwas verlegen, wenn Sie von Ihrer Abreise sprechen.

[18] Sein Sie unbesorgt, fiel die Gräfin ein, meine charmante Nachbarin wird uns noch lange das Vergnügen lassen.

Sie wird sich ganz nach der liebenswürdigen Gräfin Auguste richten, erwiederte die Oberstin, indeß ihr Ton ein wenig ironisch zu sein schien.

Vous me rendes la vie! sagte der Baron mit Wärme, und seine Augen begegneten der Oberstin ihren. Die Gräfin schien zu triumphiren, und war äußerst vergnügt. Meine Leserinnen werden das für unmöglich halten, aber es wird sich alles erklären.

9. Kapitel
Neuntes Kapitel.
Die Ueberraschung.

Die Gesellschaft nahm Abschied, und es blieb niemand zum Abendessen da, als der Baron und die Oberstin. Die Gräfin schlug einen Spaziergang in den Garten vor, und der Baron war erfreut darüber. Kaum hatten sie einige Touren gemacht, als sie abgerufen wurde. Sie sah ihn lächelnd von der Seite an, und er verstand sie.

Aber auch der Oberstin hätte dieser absichtliche Zufall nicht willkommener sein können. Liebte sie Baron Solting? Gab er ihr wirklich [19] den Vorzug? – Sie hoffte es, sie schmeichelte sich damit; aber sie wollte es wissen, sie wollte es von seinen Lippen hören.

Ich wünsche Ihnen Glück, Herr Baron! sagte sie lächelnd. Sie machen sehr schnelle Fortschritte.

Der Baron: Fortschritte, meine Gnädige? – O möchten sie sich bis zu Ihrem Herzen erstrecken.

Die Oberstin: Zu meinem Herzen? (lebhaft aber freundlich) Sie verwechseln mich wahrscheinlich mit der Frau Gräfin?

Der Baron: Nein, meine Gnädige! Ich weiß, mit wem ich spreche; ich weiß, daß es meine angebetete Julie ist; ich weiß, daß ich seit meiner Zurückkunft nur für sie gelebt habe, und ewig nur für sie leben werde. – Er hatte ihre Hand gefaßt; sie zog sie nicht zurück, und er drückte sie begeistert an seine Lippen.

Die Oberstin antwortete nichts. Die Ueberraschung, die Freude, tausend entzückende Empfindungen verschloßen ihre Lippen. Sie setzte sich unwillkürlich auf eine Rasenbank, und er nahm ungehindert Platz neben ihr.

Sie schweigen? fuhr er fort. Kann meine Liebe Sie beleidigen? – O einziges unübertreffliches Weib! – indem er sich zu ihren [20] Füßen warf, und sein Gesicht auf ihren Arm beugte. Verdiene ich kein Mitleiden? Haben Sie keine Belohnung für meine Treue? Können Sie auf mich zürnen?

Ach, ich wünsche es für meine Ruhe! gab sie gerührt zur Antwort, als sie in dem nämlichen Augenblicke den Grafen am andern Ende der Allee erblickte. Mon Dieu! Levez vous, Monsieur! Ich bitte Sie!

Der Baron stand auf. – Ce n'est que le Comte! – Sie wollte antworten, aber er kam mit starken Schritten auf sie zu.

Ah! bon soir! sagte er mit verbissenen Augen und veränderte die Farbe. C'est vous Madame! Mais perdonnez! Ich habe da eine charmante Szene gestört. Sie scheinen große Rechte aus Soltings Dankbarkeit zu haben, oder hat er vielleicht ein außerordentliches Anliegen?

L'un, ou l'autre pourrait être vrai! fiel die Oberstin empfindlich ein. Mais Monsieur le Comte, er wird es Ihnen besser sagen können, als Ich: Au plaisir Messieurs! – Der Graf wollte sie zurückhalten, aber sie riß sich aufgebracht von ihm los.

10. Kapitel
[21] Zehntes Kapitel.
Entdeckungen.

Die beiden Herren standen einander gegenüber, und sahen sich einige Minuten an, ohne ein Wort zu sprechen. Der Graf war endlich der erste, der das Stillschweigen brach.

Bon! sagte er mit gezwungener Heiterkeit, doch ohne den Baron ansehen zu können. Auf Sie kann man sich verlassen, das ist wahr! Ist das meine Frau?

Der Baron schien beschäftigt zu sein, ein Geheimniß zu errathen, und antwortete nichts.

Auf die Art werden Sie schlecht avanciren, fuhr der Graf halb unwillig fort. Wenn sie es nun gesehen hätten?

Eh mon cher! Qu'importe? gab Solting zur Antwort. Ich dankte ja der Oberstin blos für ihre Empfehlung.

Der Graf: Ihre Dankbarkeit war verdammt feurig. Sie küßten ihr ja die Hand, als wenn Sie sie aufessen wollten. Und am Ende hab' ich das ganze Verdienst dabei.

Der Baron: Wie so, lieber Graf?

Der Graf: Weil ich die Oberstin gebeten habe, die Sache bei meiner Frau einzuleiten.

[22] Der Baron: Sind Sie so genau mit ihr bekannt?

Der Graf: Solting! Um Ihnen alles zu sagen – Sehen Sie – Aber ich rechne auf Ihre Discretion – Ich liebe Sie unendlich!

Ah! sagte der Baron, und schien aus den Wolken zu fallen.

Der Graf: Sie ist die Ursache – Sehen Sie – Ich gestehe – Es frappirte mich – Fühlen Sie selbst!

Der Baron wollte antworten, aber er sah die Gräfin hinter einen Baum schleichen, und beschloß, auf seiner Hut zu sein.

Der Graf (fortfahrend): Sehen Sie, ob ich Ursache habe, meiner Frau eine Diversion zu machen. Wäre Ich an Ihrer Stelle, ich wüßte wohl, wer mir am besten gefiele; mais c'est ma femme; c'est tout dire. Sie verstehen mich:

Der Baron: Gewiß, lieber Graf! Die Gräfin ist das schönste liebenswürdigste Weib, das ich auf allen meinen Reisen gesehen habe. Sein Sie der Oberstin wegen völlig unbesorgt. Ich habe nur eine Leidenschaft, und so lange Sie mir's erlauben –

Der Graf: So lange Sie wollen – Nous voila d'accord! – Rechnen Sie auf meine innigste Dankbarkeit!

[23] Sie trennten sich. Ha, ha, sagte Solting bei sich selbst, ich habe den Schlüssel gefunden, die Gräfin hat ihm einen Rival geben wollen. J'en suis fâché, aber es ist geschehen.

11. Kapitel
Eilftes Kapitel.
Herzensblicke.

Die Gräfin war außer sich. Sich verachtet zu sehen! Einem andern cedirt zu werden! Welche Frau könnte das vertragen? Ihr Stolz, ihre Liebe und ihre Empfindungen waren aufs höchste beleidigt; nichts konnte sie trösten, als Soltings Aeußerung. Er liebt mich! sagte sie; er soll mein Rächer sein, dieser unwürdige Mann verdient es.

Laßt ein Weib einmal zu dieser Rache entschlossen sein, und sie wird durch nichts mehr zurückgehalten werden. Eitelkeit, Bedürfniß und Erbitterung werden sie wechselweise bestürmen, und jede Gelegenheit, sie zu befriedigen, wird ihr willkommen sein.

So brachte die Gräfin die Nacht zu, aber ihr Gemahl war nicht ruhiger. Die Oberstin hatte ihm den ganzen Abend mit Verachtung begegnet, und er zitterte, in Solting seinen Rival [24] zu sehen. Wie gern hätte er ihm seine Frau mit allen Reservaten überlassen, um nur für seine Geliebte beruhigt zu sein. Er fühlte, daß ihm jene völlig gleichgültig war, und daß er den Muth haben würde, alles zu ignoriren.

Aber mit ganz andern Betrachtungen war der Baron beschäftigt. Er durfte die Hoffnung fassen, sich von der Oberstin geliebt zu sehen; er hatte ihr seine Leidenschaft entdeckt, und wußte, wie viel damit gewonnen sei. Ihre Antworten, ihre Blicke, ihr ganzes Betragen, alles schien ihm den glücklichsten Erfolg zu versprechen.

Gleichwohl kam er mit seinem Freunde in eine sehr unangenehme Collision. Sollte er die Oberstin aufgeben? Sollte er sich durch die Gräfin entschädigen? Beides war unmöglich. Die Liebe siegte, die Freundschaft schwieg. Mag die Oberstin entscheiden, sagte er: ich und der Graf – Wir sind in diesem Punkte einander völlig fremde.

Indessen beschloß er, ihn wenigstens zu schonen, und wo möglich zu täuschen. Aber um dieses zu können, muß die Oberstin sich mit ihm vereinigen. Himmlisches Geschöpf! rief er, deine Liebe und deine Klugheit werden alles möglich machen!

12. Kapitel
[25] Zwölftes Kapitel.
Der Auftrag.

Er war kaum aufgestanden, als der Graf hereintrat. Guten Morgen, lieber Solting! sagte er lächelnd; ich komme zu früh, nicht wahr? Aber wären Sie so verliebt, als ich, Sie würden mit der Sonne aufstehen! – Apropos, fuhr er fort, ich habe eigentlich eine Bitte an Sie!

Der Baron (mit einiger Verlegenheit): Reden Sie, lieber Graf! Sie wissen ja –

Der Graf: Eh bien! Sie haben gesehen, wie aufgebracht die Oberstin war –

Der Baron: Freilich! Sie schien nicht wenig beleidigt zu sein.

Der Graf: Nun, sagen Sie, ob ich Ihnen das mindeste über den Rencontre gesagt habe?

Der Baron: Kein Wort!

Der Graf: Ob ich mir die geringste Eifersucht habe merken lassen?

Der Baron: Aucunement!

Der Graf: Ob ich mir eine Frage erlaubt habe? – Wiewohl – Gestehen Sie selbst, ob ich nicht Ursache hatte? –

Der Baron: Parfaitement!

Der Graf: Eh bien, mein lieber Solting! [26] Sie müssen ihr das sage. Gehen Sie diesen Morgen zu ihr, Vous la mettrez à la raison!

Der Baron: Mit Vergnügen, lieber Graf! Ihnen zu Gefallen.

Der Graf: Aber Sie müssen sich nicht merken lassen, daß wir es abgeredet haben.

Der Baron: Sorgen Sie nicht!

Der Graf: Und noch weniger, daß Sie mein Vertrauter sind.

Der Baron: Verlassen Sie sich darauf!

Der Graf: Wenn Sie von der Gräfin spricht, so thun Sie nur – Verstehen Sie mich? Sie muß glauben, daß Sie über und über in meine Frau verliebt sind!

Der Baron: Sant doute, mon cher!

Der Graf: Und da ich sie beide zusammen gesehen habe, so könnte sie vielleicht denken, que vous partagiez votre coeur!

Der Baron: Non, non!

Der Graf: Aber da sagen Sie ihr sans detour, daß ihre Wahl entschieden ist, daß Sie nur ein Herz haben, und daß Sie meine Frau allein lieben.

Der Baron: Ja, ja, das soll geschehen.

Der Graf: Sie verpflichten mich außerordentlich, lieber Solting! Suchen Sie mich wieder [27] mit ihr auszusöhnen, ich stehe Ihnen bei meiner Frau gleichfalls zu Dienste.

Sie nahmen Abschied, und jeder wünschte sich Glück, den andern betrogen zu haben.

13. Kapitel
Dreizehntes Kapitel.
Der Glückliche.

Der Baron eilte zur Oberstin, Sie erröthete, als er hereintrat. Beide schwiegen, beide waren verlegen, denn sie liebten.

Meine Gnädige! sagte der Baron, und seine Stimme zitterte.

Sie wollen mich fragen, wie ich geschlafen habe? fiel sie lebhaft ein. Ich habe viel geträumt! Sehr viel!

Möchten Sie auch von meiner Verzeihung geträumt haben! fuhr er fort, und küßte ihre Hand.

Gewiß! sagte sie mit Anmuth. Ich hoffe auch von Ihrer Beständigkeit. – Ihre Wangen glühten, und Ihre schönen Augen senkten sich zärtlich auf ihn nieder.

Himmlische angebetete Freundin! rief der Baron mit Begeisterung, warf sich zu ihren Füßen, und bedeckte ihre Knie mit seinen Küssen.

[28] Stehen Sie auf, lieber Solting! sagte sie zärtlich und schalkhaft zugleich: wenn Sie der Graf sähe!

Hätte er ein Recht, darüber zu zürnen? fragte der Baron wehmüthig, und drückte ihre Hand mit Inbrunst an sein Herz.

Sie lächelte. – Tranquillisez vous! sagte sie: seine Prätensionen werden sich nie mit meinen Empfindungen vereinigen. – Ach, ich bin wieder glücklich; rief der Baron, und wagte, sie zu umarmen. Sanft und bescheiden schien sie sich abzuwenden, aber ihre Lippen verstanden ihr Herz, und begegneten den seinigen.

Mit holder Vertraulichkeit sprachen sie nunmehr über ihre Verhältnisse. Jedes Geheimniß wurde entdeckt, jedes Räthsel gelost. Der Baron erfuhr die Bewerbung des Grafen, und erzählte alles, was wir bereits wissen. Beide Theile erklärten sich ihre bisherigen Schritte; beide entdeckten sich ihre Rollen, und beide beschlossen, die andern zu täuschen.

Fahren Sie fort, die Gräfin zu lieben! sagte die Oberstin lächelnd: dafür will ich dem Grafen meine ganze Zärtlichkeit schenken. Mais, fuhr sie fort, foyez sur de moi, et je compterai sur vous même.

Der Baron umarmte sie, und seine feurigsten [29] Küsse waren die heiligsten Schwüre, die ein zärtliches Weib wünschen konnte.

14. Kapitel
Vierzehntes Kapitel.
Lügen.

Indessen erwartete ihn die Gräfin mit äußerster Ungeduld. Sie hatte sich die ganze Nacht mit ihm beschäftigt, und er war glücklicher, als er meinen konnte. Aber er kam nicht, und ihre Unruhe stieg auf's höchste. Durch Zufall erfuhr sie endlich, daß er bei der Oberstin gewesen wäre, und alle Qualen der Eifersucht wachten in ihrem Heizen auf.

Sie hatte den Tag einsam und traurig in ihrem Cabinete zugebracht, als endlich der Baron gegen Abend hereintrat. So groß ihre Freude war, wußte sie sich dennoch zu verstellen, und empfing ihn mit äußerster Kälte. Er bemerkte es; nicht sein Herz, aber seine Eitelkeit war beleidigt, und er drang in sie, sich näher zu erklären.

Sie fieng mit einer Menge Vorwürfe an, die er nicht verdiente, und sprach dann gleichsam im Vorbeigehen von seinem Besuche bei der Oberstin. – Aber meine Gnädige! sagte der Baron, [30] der sie recht gut verstand,je ne fais, que vous obéir. – Ah le traitre, gab sie zur Antwort: ich sehe es wohl, ich habe Ihnen nach Ihrem Herzen gerathen. Ich habe sie nur verhindert, eine Untreue zu begehen. – Sie wendete sich ab, und schien ihre Thränen verbergen zu wollen.

Meine Gnädige! sagte der Baron mit Feinheit, der kleinste Schimmer von Hoffnung wird mir den Muth geben, meinen Fehler gut zu machen.

Er log, aber er fürchtete, sich zu verrathen. Vielleicht war er straffällig, aber verdiente er keine Entschuldigung? Die Gräfin war ihm gleichgültig; er hatte die Rolle des Liebhabers aus Gefälligkeit übernommen; er war abgewiesen worden. Wußte er, warum sie setzt zärtlicher schien? Wäre es nicht unvorsichtig gewesen, ihr sein Geheimniß zu entdecken?

Wie dem auch sei, er erreichte seinen Zweck. Die Eitelkeit, die Liebe der Gräfin überredete sie leicht von seiner Aufrichtigkeit; sie war entzückt, ihn zurückkommen zu sehen, und sie eilte ihm auf halbem Wege entgegen.

15. Kapitel
[31] Fünfzehntes Kapitel.
Betrachtungen.

Es lebe die Täuschung! Alles Glück besteht in der Meinung. Ich glaube geliebt zu sein, und ich bin so glücklich, als ob ich es wäre.

Das war der Fall des Grafen und seiner Gemahlin. Er schmeichelte sich, das Herz der Oberstin zu besitzen; Sie triumphirte, den Baron gefesselt zu haben. Beide wurden betrogen; aber beide waren nichts desto weniger glücklich.

Der Baron und die Oberstin waren die einzigen, die sich liebten. Sie sahen sich im Geheim; sie gaben sich tausend Beweise davon; aber ihr öffentliches Betragen verrieth die äußerste Gleichgültigkeit. Die Oberstin fuhr fort, den Grafen mit Schonung, selbst mit anscheinender Zärtlichkeit zu behandeln, und der Baron wußte die Gräfin auf das anziehendste zu entschädigen. Der Graf war entzückt; die Gräfin sah der süßesten Rache entgegen. Alle Theile waren zufrieden; alle hofften ihrem Ziele näher zu kommen. Es lebe die Täuschung!

Aber alles ist Wechsel; alles ist Veränderung in der Welt. Der Graf erfuhr durch Zufall, daß der Baron eine Nacht bei der Oberstin [32] zugebracht habe, und gerieth in Verzweiflung. – Ich bin verrathen! rief er: ich muß mich überzeugen! – und seine Maßregeln waren genommen.

16. Kapitel
Sechszehntes Kapitel.
Diebe! Diebe!

Es war ein Uhr nach Mitternacht. Eine vertraute Kammerfrau hatte den Baron wie gewöhnlich hineingelassen, und er erwartete seine Geliebte in ihrem Cabinete. Man klopft an; er fliegt hinzu, ihr zu öffnen: eine Mannsgestalt sucht mit Gewalt hinein zu dringen. Aber sie kämpfen; der Baron stößt sie zurück, wirft sie zu Boden, und verschließt die Thüre. Wer war es? Niemand anders, als der eifersüchtige Graf. Er hatte sich verkleidet, und war durch einen bestochenen Bedienten in das Haus gekommen.

In dem Augenblick kam der Oberste aus seiner Trinkgesellschaft zurück. Der Graf hörte seine Stimme, und suchte sich zu retten. Er fängt an zu laufen, stößt an die verlöschte Laterne, und zerbricht sie. Das Geräusch ruft Leute herbei. Diebe! Diebe! tönt es von allen Seiten. Der Oberste erreicht den Grafen, und gibt ihm [33] Stockschläge. Athemlos springt dieser die Treppe herunter, und flüchtet sich durch du offene Thüre.

Indessen verbreitete sich der Lärm im ganzen Hause; alles eilte, die Diebe aufzusuchen. Die Oberstin ist in Todesangst. Man hat ihn im Corridor gesehen; er war aus ihrem Cabinet gekommen. Gütiger Himmel, er ist verloren! Der Oberste kam zu ihr. Triumphirend erzählte er ihr, wie er den Dieb gezüchtigt habe, und sie glaubte in Ohnmacht zu fallen. Eine schreckliche Nacht! der Unfall ihres Geliebten, der Verlust des gehofften Vergnügens, alles ängstigte, alles schmerzte sie.

17. Kapitel
Siebenzehntes Kapitel.
Sie haben Recht.

Indessen kam der Graf nach Hause, und war vor Wuth und Eifersucht außer sich. Er hätte beide durchbohren, er hätte sich selbst ermorden mögen. Nein, es ist unmöglich, schmerzlicher zu leiden.

Der Morgen brach an, er hatte kein Auge zugethan; man meldete den Obersten. Er erschrack und fürchtete eine Erklärung: dennoch mußte er ihn annehmen. Der Oberste trat triumphirend [34] herein, und erzählte ihm alles, was wir wissen. – Der Spitzbube wollte eben das Cabinet aufbrechen, sagte er, aber ich habe ihn zugedeckt! Alle Teufel! – Er soll daran denken! Kein Stockschlag wurde vergessen. Der Graf fühlte jeden noch einmal, und sein blauer Rücken bestätigte es mehr als zu sehr.

Aber lieber Oberster! sagte er boshaft: Wissen Sie auch gewiß, daß es ein Spitzbube war.

Der Oberste: Was! Was! Ich sollte es nicht wissen? – Es war ja noch Mitternacht und in der Finsterniß, und allein –

Der Graf: Aber zuweilen –

Der Oberste: Was zuweilen? Ich glaube an keine Geister –

Der Graf: Ich auch nicht! Aber man hat Beispiele – Suchen Sie mir im Cabinete – Es giebt gar honette Diebe!

Der Oberste: Was, im Cabinete? Wir haben das ganze Haus durchsucht!

Der Graf: Und nichts gefunden? Nun so steckt er sicher im Cabinete.

Der Oberste: Ich dachte gar im Bette! – meine Frau hat ja den Schlüssel dazu; die Fenster sind vergittert, wo soll er sonst hinkommen?

Der Graf: Aber er kann auch einen Dietrich[35] haben, lieber Oberster! – Wie ich Ihnen sage: man muß gar vorsichtig sein. Es gibt der Beispiele – Vielleicht ist's dem Diebe nicht sowohl um Ihr Geld zu thun, als –

Der Oberste: Nun warum denn? – Um mein Leben? – Alle Teufel, das wollt' ich sehen!

Der Graf: Wenn auch nicht gerade um Ihr Leben – Vielleicht –

Der Oberste: Um meiner Frau ihres?

Der Graf: Wer weiß? Wie ich Ihnen sage: sein Sie vorsichtig, suchen Sie in dem Cabinete.

Der Oberste: Sie haben Recht! Ja wahrhaftig, Sie haben Recht! Sie bringen mich auf eine Idee – Ja, ja, meiner Treu! – Mit diesen Worten stürzte er fort, und eilte gerade nach Hause.

18. Kapitel
Achtzehntes Kapitel.
Wo ist der Dieb?

Wo ist der Schlüssel zum Cabinete? sagte er hastig, und weckte seine schlafende Gemahlin mit Heftigkeit auf. Sie erschrack, und wußte nicht, was Sie antworten sollte. – Warum, mon cher? sagte sie endlich gefaßter.

[36] Wir wollen den Dieb aufsuchen! Geschwinde, geschwinde! Der Graf meint, sie stellen dir nach dem Leben. Es ist nur um der Gewißheit willen! – und so erzählte er ihr das übrige.

Die Oberstin merkte die Bosheit ihres Feindes. – Aber mon cher! Wenn der Dieb einmal einen Nachschlüssel hat, so wird er nicht auf uns gewartet haben.

Er: Gut, gut! Aber um den Grafen zu überzeugen; er versicherte mich's so gewiß.

Sie: Das ist doch viel! Wer weiß, mon cher, ob er nicht selbst dahinter steckt. Erinnern Sie sich – Ihre Geschichte vor zwei Jahren – Die Rancune! – Verstehen Sie mich, mon cher!

Er: Wahrhaftig! Wahrhaftig! – Ganz traue ich ihm selbst nicht. Aber eben deßwegen – Wo ist der Schlüssel?

Die Oberstin zitterte. Freilich glaubte sie den Baron in Sicherheit, aber die Idee des Grafen erschreckte sie. Sie stand auf, um ihren Mann zu begleiten. Er zieht den Degen; die Thüre wird geöffnet; alles ist leer. – Hahaha! rief der Oberste – Hahaha, mein Herr Graf! – und wollte vor Lachen bersten. – Wo ist der Dieb? Hahaha! Wo ist er denn? – Er suchte zum Ueberfluß noch einmal unter dem [37] Sopha, küßte seine Frau, und verließ sie, um seinen Triumph mit einer Bouteille Rüdesheimer zu feiern.

Die Oberstin war indessen nicht ruhiger. Sie sah wohl, daß der Graf ihr Geheimniß wußte, aber wie konnte er es entdeckt haben? Nach einiger Ueberlegung beschloß sie, dem Baron zu schreiben. Die Vertraute geht zu ihm; seine Leute haben ihn nicht gesehen, er ist noch nicht nach Hause gekommen. – Himmel! Ein neues Unglück! – Was kann ihm begegnet sein? – Die arme Oberstin war außer sich.

Zweites Buch

1. Kapitel
Erstes Kapitel.
Ich bin oben.

Es war Abend. Die Oberstin saß eben in ihrem Cabinete, und ihre süßen Erinnerungen machten sie nur noch schwermüthiger. Auf einmal hörte sie einen Schall an dem Fenster. – Noch einer! – Man warf von unten hinauf. Sie erschrack; sie zittert. Aber eine geheime Ahnung ergriff sie. – Wer ist da? rief sie halb leis und öffnete das Fenster, man räuspert, [38] und sie erkannte den Baron. Ich bin oben! rufte sie freudig, und er näherte sich.

In dem Augenblick trat ihre Vertraute herein. Sie winkte ihr, und ward verstanden. Man entdeckte zwei zerbrochene Stäbe; man knüpfte eine alte Strickleiter an, der Baron schwingt sich hinauf, und ist in ihren Armen.

Zärtlicher, himmlischer Augenblick! Der Baron vergaß alles darüber. Das Fenster gieng in den Garten; er hatte bei dem nächtlichen Lärmen zwei Stäbe zerbrochen, und war glücklich hinunter gekommen. Aber um unentdeckt zu bleiben, mußte er sich den ganzen Tag in der Einsiedelei verbergen, die am äußersten Ende des Gartens war. Endlich sahe er Licht im Cabinete, und warf mit kleinen Steinen an das Fenster.

Die Oberstin eilte, ihn zu erquicken, und erzählte ihm alles. Wie viel zärtliche Liebkosungen! Beide wetteiferten, sich für ihren Schmerz zu entschädigen. In süßer Vertraulichkeit ruhten sie schweigend neben einander, als sie den Obersten in dem Corridor hörten. – Um Gotteswillen! rief die Oberstin, und der Baron wollte wieder herunter springen. – Nein, Bester! Nein! Hier ist ein Anzug! Geschwind werfen Sie die Saloppe über, indem sie ihm eine Nachthaube aufsetzte.

[39] Kaum waren sie fertig, als der Oberste anklopfte. Sie öffnete ihm, und er machte der Fremden ein tiefes Compliment. – Hahaha! sagte er lächelnd, das ist vermuthlich der schöne Dieb? Hahaha! Nicht wahr, ma petite femme? – Die Oberstin erröthete und die Fremde empfahl sich, ohne ein Wort zu sagen.

2. Kapitel
Zweites Kapitel.
Quelle situation affreuse!

Indessen waren drei Tage vergangen, und die Gräfin hatte den Baron nicht bei sich gesehen. Ihre Ungeduld war auf's höchste gestiegen; sie schrieb ihm diesen Morgen ein Billet, und bat ihn zum Essen. Trotz seines Widerwillens wollte er es nicht ausschlagen, denn er glaubte, den Grafen noch immer täuschen zu können.

Er erschien, und sie überhäufte ihn mit zärtlichen Vorwürfen; aber Ton und Blick verriethen ihre Neigung zum Frieden. – Gewiß, lieber Baron! fuhr sie fort: Sie haben viel gut zu machen! – indem sie ihm die Hand mit einem zärtlichen Blicke reichte.

Der Baron war nicht verliebt, er konnte desto galanter sein. Nichts ist leichter, als ein liebendes [40] Weib zu täuschen; ihr Herz deutet alles zu ihrem Vortheil. Die Gräfin war entzückt, ihre Leidenschaft stieg mit jeder Minute, und sie hoffte am Ziele ihrer Rache zu sein.

So viel indessen der Baron von seiner Liebe sprach, so wenig suchte er sie zu beweisen. Er war der beredteste Liebhaber, den man hören konnte, aber er schien nichts weiter zu wünschen. O wie gern hätte ihn die Gräfin ein wenig kühner gesehen! Wie freudig wäre sie ihm auf halbem Wege entgegen gekommen! Aber es blieb bei schönen Worten, und sie seufzte vergebens nach schönen Thaten.

Er ist zu blöde, dachte sie, das Uebermaß seiner Liebe macht ihn bescheiden. Ihr Herz entschuldigte alles; man muß ein übriges thun. Sie warf tausend zärtliche Blicke auf ihn; sie enthüllte den reizendsten Busen, sie erröthete und lächelte wechselsweise; er schien nichts zu verstehen. Schelmische Neckereien, geheimnißvolle Fragen, süße Nachlässigkeiten, wollüstige Attitüden, nichts wurde vergessen, und alles war fruchtlos. Der Baron schien von Marmor zu sein, und nichts lebendiges zu haben, als die Zunge.

Nie sind die Weiber feuriger, und nie erbitterter, als in solchen Fällen. Ihre Eitelkeit, ihre Sinnlichkeit, ihr Stolz, ihr Vergnügen, alles [41] ist dabei interessirt. Es koste was er wolle, sie müssen ihre Absicht erreichen.

In diesem Falle befand sich denn auch die Gräfin. Sie war im Begriff, den letzten Sturm zu wagen, und schien jede Rücksicht vergessen zu haben, als plötzlich ihr Mann hereintrat. Er sah den Baron sehr finster an, grüßte ihn ohne zu sprechen, und setzte sich an das Fenster.

Der Baron war entzückt, diese Scene geendigt zu sehen. Er hatte längst auf Kohlen gesessen, und benutzte den Augenblick, Abschied zu nehmen. Die Gräfin drückte seine Hand mit Inbrunst, und er war boshaft genug, es zu erwiedern. – Mon Dieu, je respire! rief er freudig, als er auf die Straße kam. – Quelle situation affreuse!

3. Kapitel
Drittes Kapitel.
Ich will hin!

So gern der Baron zur Oberstin gegangen wäre, so sehr mußte er fürchten, sie in Verlegenheit zu setzen. Er wußte, daß der Graf seine Spione verdoppelt hatte, und daß ein Augenblick alles entdecken könnte.

Aus diese Art waren beinahe acht Tage vergangen,[42] und er hatte seine Freundin nicht wieder gesehen. So sehr er litt, so unerträglich ihm die Trennung wurde, er liebte sie zu sehr, um sie aufzuopfern. Aber die Oberstin verkannte ihn, und glaubte vergessen zu sein; sie erfuhr durch Zufall, daß er die Gräfin besucht hatte, und ihre Eifersucht stieg auf's höchste. Außer sich vor Schmerz und Verzweiflung schrieb sie ihm einen Brief voll Vorwürfe, und verschwieg ihm ihren Argwohn nicht.

Er erhielt das Billet, und sprang hitzig auf. – Ich will hin! rief er; ich will hin, und sollte es mein Leben kosten! Weit entfernt, durch ihre Eifersucht beleidigt zu sein, fand er nichts, als ihre Zärtlichkeit bestätigt, und wenn er zürnte, so war es auf sein eigenes Herz.

Aber, wie sollte er es anfangen? Er erinnerte sich an die letzte Verkleidung, und sein Plan war gemacht. Sein Kammerdiener schaffte das Nöthige herbei, und der feinste Kenner hätte ihn für ein Frauenzimmer gehalten. Er steckte zwei Sackpistolen zu sich, setzte sich in seinen Wagen, und fuhr zur Oberstin. Der Kutscher hält, der Kammerdiener nennt eine fremde Dame; sie wird angenommen, und zitternd vor Freude eilt der Baron die Treppe hinan.

4. Kapitel
[43] Viertes Kapitel.
Die Fräulein.

Er tritt herein, und findet den Grafen. Die Oberstin eilte der Dame entgegen; sie bezeigte ihr tausend Höflichkeiten, und erkannte ihn nicht. Aber er drückte ihre Hand, er lächelte sie verstohlen an, und sie errieth alles. Ihr Plan war sogleich gemacht: sie nöthigte die Dame in ein anderes Zimmer, und eilte, den Grafen sobald als möglich zu entfernen. Man denke sich ihr Erstaunen, ihre Freude, und ihre Aengstlichkeit. Man vereinige alle diese Empfindungen zu einer einzigen, und man wird wissen, was in ihrem Herzen vorgieng.

Unterdessen kam der Oberste nach Hause, und gieng gerade in das Seitenzimmer. Er fand die fremde Dame, die seine Frau erwartete, und hielt sich verbunden, sie zu unterhalten. Ihre Figur, ihr Betragen bezauberte ihn. Er hörte, daß sie erst vom Lande gekommen war, und lud sie ein, das große Manöver aus seinem Zelte zu sehen. Der gute alte Mann! Er hielt das für den stärksten Beweis seiner Zärtlichkeit.

Der Baron stand auf Kohlen, spielte aber seine Rolle vortrefflich. Er ließ den alten Obersten [44] von seinen Campagnen erzählen, und machte ihn immer vergnügter. Endlich trat seine Freundin herein; sie hatte den zudringlichen Grafen nur mit Mühe los werden können, und eilte nunmehr, die Fremde zu umarmen. Der alte Oberste bat um Erlaubniß, sich einige Minuten entfernen zu können, und beide Theile waren entzückt darüber.

Die Oberstin wollte zürnen, aber die Küsse ihres Freundes versöhnten sie. Er entschuldigte sich vollkommen, und ihre Liebe glaubte ihm alles. – Vergibst du mir, meine theuerste Julie? – Je n'ai qu'à vous voir – gab sie zur Antwort – et je vous justifie moi-même. Er drückte sie an sein Herz. – Allons! fuhr sie erröthend fort: vous ne favez que trop le moyen de vous faire pardonner. Er wollte ihr den süßesten Beweis davon geben, als der Oberste wieder hereintrat.

5. Kapitel
Fünftes Kapitel.
Ja! Ja! Ja!

Nun, meine Damen! sagte er, und putzte an seinen Ausschlägen – Sie geben mir doch die Ehre, mit mir zu speisen? – Die Fremde [45] machte einige Entschuldigungen, aber er nahm zwei Lichter und führte sie in den Speisesaal. Die Oberstin drückte dem Baron die Hand, und er verstand sie.

Man setzte sich, und der Oberste bot seine ganze Galanterie auf. Tausend kleine Aufmerksamkeiten, tausend zärtliche Namen, wie er sie vor fünfzig Jahren gelernt haben mochte. Die leiden Damen mußten fast unaufhörlich lachen, und er freute sich wie ein Kind darüber.

Jede Bouteille schien seine Zärtlichkeit von neuem zu begeistern. – Ja wenn ich nicht verheirathet wäre! sagte er zu dem angeblichen Fräulein, und drückte ihre beide Hände – Hol mich! – Nun bei der Bataille von Schweidnitz! – Ja, ja! – Marsch – Vorwärts! – Wie wir die Batterie wegnahmen! – dann – Er ist Hauptmann! sagte der König. – Sie sind doch ein allerliebstes charmantes Mädchen! – Man sahe, daß der gute Wein seine Wirkung that.

Die Oberstin war listig genug, den Spaß noch fort zusetzen. Lassen Sie nur, mon cher! sagte sie: ich gebe Ihnen meine Erlaubniß! Ich will ihre Vertraute werden! Aber ich fürchte, Sie dürften in kurzem einen Rival bekommen.

Einen Rival? fiel der Oberste wüthend ein, und schlug das Weinglas in Stücken. – Einen [46] Rival? – Dem soll das Donnerwetter in den Magen fahren! – Wen meinen Sie? Wen?

Der Graf mon cher! – Sie wissen ja – Er ist den Augenblick – Mais tranquillisez vous! – Fräulein Lottchen thut mir's zu Gefallen! Nicht war? – und als seine treue Confidente!

Ja! Ja! Ja! stammelte er, und die Angen fingen ihm an zuzufallen. Man stand auf; das Fräulein wollte Abschied nehmen, um in die Auberge zurück zu kehren; aber der Oberste nöthigte sie, in seinem Hause zu bleiben. Er begleitete sie selbst in das Cabinet seiner Frau und die Liebenden waren allein. Gebe das Glück uns heute und morgen eine ähnliche Nacht! Das ist alles, was ich davon sagen kann.

6. Kapitel
Sechstes Kapitel.
Hahaha!

Es war um neun Uhr Morgens. Der Graf wollte seine Bewerbungen von neuem anfangen! er geht ungenirt durch mehrere Zimmer, und findet das Cabinet verschlossen. Ein leises Geflüster macht ihn aufmerksam; er horcht, und [47] erkennt die Stimme des Barons. Seine Phantasie zeigt ihm alles, und er geräth außer sich.

In seiner ersten Wuth wollte er die Thüre einbrechen, aber sie war zu stark, und diese Gewaltthätigkeit hätte ihn verrathen können. Er beschloß also zu warten, als er zu seiner großen Freude den Obersten kommen sahe.

Was der Henker, Herr Graf! rief ihm dieser zu: ich glaube, Sie stehen gar Schildwache bei meiner Frau! – Ist sie drein? – Was macht sie denn?

Lassen Sie nur die Thüre aufschließen, dann werden Sie's schon sehen! – gab der Graf ironisch zur Antwort.

Mach auf, Frauchen! Mach auf! rief Der Oberste: Es ist der Herr Graf! – Die Oberstin entschuldigt sich, sie sei beschäftigt. – Nun so hören Sie's! fuhr der Oberste fort: die Weiber haben manchmal etwas zu thun, hahaha! – Nicht wahr?

Ja freilich haben sie etwas zu thun, antwortete der Graf in seinem vorigen Tone! und wo sie einen Mann dazu brauchen! Lassen Sie nur die Thüre aufmachen, Sie werden schon sehen – Sie hat sich einen guten Gehülfen gewählt.

Hahaha! rief der Oberste und wollte vor Lachen bersten. Ist's weiter nichts? – Nun [48] lassen Sie sie nur beisammen, sie werden uns beiden keinen Schaden thun.

Der Graf (ernsthaft): Aber lieber Oberster, lassen Sie sich keine Nase drehen! Wissen Sie auch gewiß, wer's ist?

Der Oberste: Warum den nicht? – Warum denn nicht? – Ich habe ihn ja selbst hineingelassen!

Der Graf sah ihn an, und schüttelte den Kopf. – Nun das muß ich sagen – Für einen Mann von Ehre –

Der Oberste: Immer zu! Immer zu! Aber Sie kriegen ihn darum doch nicht zu sehen.

Der Graf: Nun wenn Sie es nicht besser haben wollen – Glück zu! – Ich gratulire!

Der Oberste: Gehorsamer Diener! Danke für's gütige Andenken!

Der Graf empfahl sich, und traute seinen Ohren nicht. – Der Mann ist der Helfershelfer! sagte er zu sich selbst: kann man die Niederträchtigkeit weiter treiben?

7. Kapitel
Siebentes Kapitel.
Wie verstehen Sie das?

Der Feind hat retirirt! rief der Oberste lachend! macht auf, ihr Taubchen! – Man kann [49] denken, ob die beiden Damen in Angst gewesen waren; sie zitterten noch, als er hineintrat.

Es ist ein abscheulicher Patron! fuhr er fort: kaum hat er Lunte gerochen, so will er auch gleich in den Laufgraben. – Sie mußten sich nun den ganzen Vorfall noch einmal erzählen lassen, und er schien äußerst vergnügt zu sein.

Die Comödie hätte noch länger gedauert, aber der Baron sah die Verlegenheit der Oberstin, und beschloß, Abschied zu nehmen. – Warten Sie, Warten Sie! rief Der Oberste: ich werde die Ehre haben, Sie zu begleiten. – Die Damen hatten alle ihre Klugheit nöthig, ihn davon abzubringen. Lange bestand er darauf; doch da ihm das Fräulein versprach, den Nachmittag wieder zu kommen, ließ er sich's endlich gefallen.

Der Baron eilte nach Hause, denn er hatte Erholung nöthig; aber die Oberstin konnte sich nicht enthalten, ihm zu schreiben. Sie ließ das Billet durch ihren Jokey bestellen, und es ward richtig in seinem Hause abgegeben. Wer mag die Schreibekunst erfunden haben? Gewiß ein zärtliches Weib!

Der Oberste hatte vergebens auf das Fräulein gewartet. Endlich beschloß er, sie auf der Promenade zu suchen. – Nun Herr Oberster! rief [50] der Graf, und kam mit lautem Gelächter auf ihn zu. Was macht denn unser Pastor fido?

Der Oberste: Was für ein Pastor fido?

Der Graf: Der mit dem Lämmchen im Cabinete.

Der Oberste: Er wird's wohl auf die Weide führen.

Der Graf: Das glaub' ich! das glaub' ich! Und tränken obendrein!

In diesem Tone gieng es eine ziemliche Weile fort. Beide glaubten, sich über einander lustig zu machen, und keiner schien den andern zu verstehen. – Aber Herr Oberster! fieng endlich der Graf auf einmal ernsthaft an: ich bedaure Sie aufrichtig! – Doch wer kann für die Thorheit seiner Frau! – Wo wäre ein Mann, der nicht darüber zu klagen hätte?

Wie verstehen Sie das, Herr Graf? sagte der Oberste eben so ernsthaft.

8. Kapitel
Achtes Kapitel.
Gut! Gut! Gut!

Ich meine, daß – Sie wissen doch die Fabel vom Wolf im Schafskleide? Wenn er sich in die Cabineter zu den Lämmchen schleicht. – Sehn Sie sich ja vor!

[51] Der Oberste: Sie scheinen das schon erfahren zu haben: aber Sie können sich Ihren Trost ersparen. Es war kein Wolf im Cabinete. Sie werden wohl wieder geträumt haben, wie neulich von dem Diebe.

Der Graf: Und ich versichere Ihnen: es hat mit dem Diebe und mit dem Wolfe seine vollkommene Richtigkeit.

Der Oberste: Aber Herr Graf: Das Cabinet ist doch nicht groß, und meine Augen sind, Gott sei Dank –

Der Graf: Das glaub' ich! Aber ich habe Ihnen ja gesagt: es ist ein Spitzbube, der alle Gestalten annehmen kann, und wenn Sie ihn selbst mit Ihrer Frau einschließen!

Der Oberste: Hahaha! Hahaha! Ist das der Dieb? Ist das der Dieb? – Nun der mag immer zu mir kommen! – Ja! Ja! Ja! – Der kann auch bei meiner Frau schlafen, ich erlaub' es ihm. – Aber im Ernst, Herr Graf! Wie können Sie sich solches Zeug einbilden? – Der Spitzbube ist ja ein charmantes Mädchen!

Der Graf: Ein Mädchen? (aus vollem Halse lachend) Seit wenn ist denn Baron Solting verwandelt worden?

Der Oberste: Baron Solting? – Ich glaube. Sie haben den Verstand verloren? – [52] Baron Solting bei meiner Frau? – Als ob ich den nicht kennte! – Baron Solting? – Gehen Sie weg, ich bin ein alter Praktikus, ich weiß ja wohl, wie ein Mädchen aussieht.

Der Graf: Und dennoch sage ich Ihnen: Baron Solting, war im Cabinete; Baron Solting war der Spitzbube, und Baron Solting ist der Loup-garou, der – Wie stets denn um Ihre Stirne, lieber Oberster?

Der Oberste: Was? Was? – Sie wollen meine Frau verläumden? – Ich sehe es schon, Sie sind jaloux; Sie wollen mein Rival bei dem Fräulein werden: aber es wird nichts. Auf meine Frau lasse ich nichts kommen! C'est ma confidente!

Der Graf: Et vous n'êtes pas son confident! Aber Sie wollen Beweise – Hier ist ein Billet von Ihrer Frau. – Mein Kammerdiener war bei Solting, und der Jokey hat ihn wahrscheinlich mit Jemand vom Hause verwechselt.

Wirklich war es dem Grafen auf diese Art in die Hände gefallen, da es einer seiner Spione dem Jokey selbst abgenommen hatte.

Der Oberste las es. – Gut! Gut! Gut! sagte er lachend: dergleichen Briefe mag sie immer kriegen! Jetzt sehe ich erst, daß sie mich lieb [53] hat. – Gutes Weib! Was sie für mein Vergnügen sorgt!

Der Graf sah ihn mit unbeschreiblicher Verachtung an, und beide trennten sich.

9. Kapitel
Neuntes Kapitel.
Basta! Basta!

Sag einmal, Kind! rief der Oberste seiner Frau auf der Treppe entgegen: hast du heute an jemand geschrieben? – Die Oberstin erschrack, und hätte sich beinahe verrathen – Wie so gnädiger Herr?

Der Oberste: Der windigte Graf! – Nicht wahr, du hast an das Fräulein geschrieben?

Ach ja, gnädiger Herr! rief die Oberstin freudig: ich bat sie in Ihrem Namen, so bald als möglich herzukommen.

Der Oberste: Allerliebst, ma petite reine! Ich danke dir tausendmal! – Ich sehe, daß du's gut mit mir meinst! – Aber der Windbeutel, der Graf! – Denke, was er mir weiß machen wollte – als ob du mit dem Baron Solting. –

Wie? rief die Oberstin in äußerster Wuth: und Sie lassen sich das gefallen, gnädiger Herr? – Mich so beschimpfen! – Meine Ehre! – [54] Meinen guten Namen! – Ach! – indem sie heftig zu weinen anfieng.

Der Oberste: Nicht doch! Nicht doch! – Ich habe ihm nicht ein Wort geglaubt! – Ich habe ihm in's Gesicht gelacht! Wenn du nur gehört hättest, wie ich ihm geantwortet habe.

Die Oberstin spielte ihre Rolle vortrefflich. – Ach der niederträchtige Mensch! fuhr sie weinend fort: Sie wissen noch gar nicht, gnädiger Herr, wie weit er seine Bosheit treibt! – Es ist ihm nicht genug, mich zu verläumden; nein, Solting soll sogar der erklärte Amant seiner Frau sein!

Was? Was? rief der Oberste lachend: der Amant von der Gräfin? – Baron Solting? – Das ist ja allerliebst! – Warte, Warte, Herr Graf! Du hast den Wolf im Schafstalle!

Die Oberstin: Um es Ihnen zu beweisen, gnädiger Herr! Da lesen Sie, was die Gräfin an Solting geschrieben hat.

Sie gab ihm ein Billet doux, das ihr Solting aufgeopfert hatte, und das allerdings verdächtig genug war. Der Oberste las es mit lautem Lachen. – Basta! Basta! – Nun laß es gut sein! – Der soll Augen machen! – Warte, Herr Graf, wir wollen dich ehrliche Weiber verläumden lehren!

[55] Züchtigen Sie ihn, wie er es verdient, gnädiger Herr! sagte die Oberstin ein wenig erheitert: wenn ich Sie nicht so zärtlich liebte, ich stürbe vor Gram, mich so beschimpft zu sehen.

Er eilte fort, und die Oberstin klopfte in die Hände. – O Eva, Eva, was hast du für listige Töchter!

10. Kapitel
Zehntes Kapitel.
Hier steht's'

Der Oberste trat zu dem Grafen hinein. – Es geht doch possirlich in der Welt zu! sagte er: der Baron muß den Teufel im Leibe haben! – Da haben Sie ein Billet von meiner Frau, und da habe ich auch eins von Ihrer gefunden.

So? sagte der Graf gleichgültig: lassen Sie doch sehen!

Der Oberste (mit Schadenfreude): Hier, hier,Monsieur le Comte! Lisez, lisez! Hier steht's! Hier steht's!

Der Graf überlief es flüchtig, und steckte es kaltblütig in die Tasche.

Der Oberste: Nun, wer hat den Wolf? He! Wer hat ihn nun im Schafstalle? Ich oder Sie?

[56] Der Graf: Vermuthlich wir alle beide.

Der Oberste: Was? Das müßte denn wohl auch in meinem Briefe stehn (einen zärtlichen Weiberton nachahmend): je meurs d'envie de te revoir! Venez cette nuit plus amoureux que jamais! He! das klingt! – Ich gratulire, ich gratulire zum Orden vom Steinbock!

Der Graf: Briefe machen keinen Unterschied. Der Styl ist anders, aber das Uebrige kömmt auf eins hinaus.

Der Oberste: Das Uebrige? – Wie verstehen Sie das?

Der Graf: Ich meine die Courtoisie. – Aber wissen Sie was, Herr Oberster! – Um Sie noch mehr zu überzeugen – Wenn Sie mir versprechen, es Ihrer Frau zu verschweigen, Sie sollen Zeichen und Wunder sehen!

Der Oberste: Was? Was? – Wunder?

Der Graf: Ja, ja! Sie sollen mir endlich glauben, wenn Ihnen der Himmel Ihr Gesicht erhält.

Der Oberste: Nun bloß um Ihre Malice anzudecken, Herr Graf! – Gut, ich gehe es ein! – Meine Frau soll kein Wort davon erfahren. Bis dahin bleiben wir gute Freunde.

Sie schweigen. – Wohlan! sagte der Graf: ich will mich schrecklich rächen!

11. Kapitel
[57] Eilftes Kapitel.
Voyez vous!

Sein Plan war gemacht er verdoppelte seine Spione, und ließ den Baron auf allen Schritten bewachen. Die Oberstin wußte es, aber was wagt die Liebe nicht? Man wählte einen dritten Ort, um sich zu sehen, und der Graf erfuhr alles.

Die Nacht brach an; er hatte seine Spione postirt; es war der Garten des Prinzen. Man sieht einen Herrn, und gleich nachher auch eine Dame eingehen. Der Graf schleicht mit dem Obersten nach, und alle Thüren werden verschlossen.

Nun, lieber Oberste! sagte er triumphirend: jetzt werden Sie mir endlich glauben.

Wir wollen sehen! gab der Oberste unwillkürlich zur Antwort.

Der Graf: Nur eins muß ich Sie bitten: werden Sie nicht hitzig; vergreifen Sie sich nicht an Ihrer Frau! Lassen sie alles dem schändlichen Verführer entgelten!

Der Oberste: Wer der Henker mag sich in solchen Augenblicken besinnen! Aber sagen Sie mir, was würden Sie thun?

[58] Der Graf: Ich würde ihn niederstoßen!

Der Oberste: Und die Frau?

Der Graf: Ich würde sie ein Jahr lang einschließen lassen, und nachher ihren Eltern zurück schicken. – Machen Sie's eben so!

Der Oberste: Gut! gut! Aber ich denke, ich werde es nicht nöthig haben; es wird am Ende doch nur eine Comödie sein.

Der Graf: Glauben Sie's nicht, lieber Oberster! Sie werden mit Händen greifen können.

So sprachen sie heimlich zusammen, und giengen aus einer Allee in die andere. Noch hatten sie nichts gesehen, und der Oberste fieng an, den Grafen auszulachen, als sie hinter einem Bosquet ein kleines Zischeln hörten.

Voyez vous! sagte der Graf, und zog den Obersten bei der Hand. Sie giengen auf den Zehen, und näherten sich, ohne bemerkt zu werden.

12. Kapitel
Zwölftes Kapitel.
Halt! Halt!

Aber theuerster Solting! sagte eine zärtliche Stimme: Sie sprechen nicht?

Hören Sie, Herr Oberster! sagte der Graf, [59] und stieß ihn an den Arm. Der Oberste antwortete nichts.

Nach allem, was ich für Sie gethan habe, fuhr die Stimme fort: nach diesen zärtlichen Beweisen meiner innigsten Liebe, soll ich keine Versicherung von Ihrer Treue erhalten?

Glauben Sie's nun, Herr Oberster? fieng der Graf abermals an: sie spricht von Beweisen!

Reden Sie, Theuerster! fuhr die weibliche Stimme fort: mein Gott! Quel accident! – Solting! liebster Solting! Hat Sie das Vergnügen stumm gemacht?

Alle Wetter! murmelte der Oberste: Laß mich kommen, ich will die Zunge schon lösen!

Man schien aufzustehen. – Um Gotteswillen! sagte die weibliche Stimme: was ist das? – Ich glaube, er hat die Sprache verloren! – Man schien fortzugehen.

Aber in dem Augenblick stürzte der Graf und der Oberste herzu. – Halt! Halt! schrieen beide, und wollten zugreifen. Doch die Mannsperson entsprang, und sie hatten nichts als die Dame.

Ah mon Dieu! Je me meurs! rief eine Stimme, die den Grafen entsetzte. Er zog seine Blendlaterne vor; es war seine Gemahlin.

Hahaha! Hahaha! rief der Oberste, und [60] wollte närrisch werden. – Um Gotteswillen, erhitzen Sie sich nicht! Halten Sie sich an den Liebhaber! Ich bitte, Herr Graf! – Sie armer Mann! – Nun, ich condolire von Herzen!

Der Graf schien vom Donner gerührt zu sein. –Comment Madame? – aber sie war in Ohnmacht gefallen.

Es wird kalt, sagte der Oberste spöttisch: ich recommandire mich, Herr Graf!

13. Kapitel
Dreizehntes Kapitel.
Göttliche Rache!

Aber wahrhaftig, lieber Solting! fuhr die Oberstin fort: das haben Sie allerliebst gemacht – alle beide in den April zu schicken!

Und mein Kammerdiener mit der Gräfin! indem er die Oberstin umarmte.

Die Oberstin: Göttliche Rache! ich glaube, er speit Feuer!

Um dieses zu verstehen, muß ich meinen Lesern sagen, daß jene Abrede zwischen Solting und der Oberstin nichts als eine List gewesen war. Sie wollten den Feind irre führen um sich desto sicherer zu Hause zu sehen. Aus Rache aber gab der Baron der Gräfin das nämliche Rendezvous, [61] und schickte seinen Kammerdiener hin. Dieser spielte seine Rolle vortrefflich, und genoß ihre ganze Zärtlichkeit.

Indessen nun die Herren im Garten waren, kam Solting ungestört zur Oberstin, und nutzte seine Zeit vollkommen. Die List, die Rache schienen unerschöpflich zu sein. Eben wollten sie ihre Beweise von neuem anfangen, als die Vertraute die Ankunft des Obersten meldete.

Was war zu thun? Solting wollte sich im Kamin verbergen, aber die Oberstin bat ihn, unbesorgt zu sein. Zwei Worte, und sie hatte ihm seine Rolle gesagt. Er setzte sich ehrerbietig neben sie; die Thüre gieng auf, und der Oberste trat herein.

14. Kapitel
Vierzehntes Kapitel.
Bon!

Guten Abend! Guten Abend! sagte er lachend: das ist ja herrlich, daß ich Sie finde. Teufel! Was können Sie laufen! – Nun, der Spaß ist nicht mit Geld zu bezahlen! Sie haben das allerliebste gemacht, lieber Solting!

Der Baron lachte, und schien alles zu bestätigen.

[62] Denken Sie, fuhr der Oberste fort: wollte der windigte Graf – Nun es freut mich unendlich!

Die Oberstin: Ja lieber Mann! Der Herr Baron kam eben her, um sich zu entschuldigen.

Der Oberste: Comment, mon cher! Das haben Sie gar nicht nöthig! Ich habe keinen Gedanken daran – Ich habe gleich vom Anfang nicht ein Wort geglaubt. Nein, nein, da kenne ich meine Frau besser! – Ja, wenn es die Gräfin wäre! Nicht wahr?

Sie wissen ja mon cher! sagte die Oberstin erröthend, und klopfte ihn auf die Backen.

Bon! sagte er: der Spaß ist eine Flasche Tockaier werth! Bleiben Sie da, Herr Baron, Sie müssen sich stärken! – indem er unmäßig lachte.

Der Baron biß sich in die Lippen, und nahm den Vorschlag an. Man setzte sich zu Tische, und der Oberste feierte seinen Sieg wie gewöhnlich. Er war in kurzem so stark betrunken, daß man ihn bewußtlos zu Bette brachte.

Der Baron nahm Abschied, um durch den Garten wieder zu kommen. Was war billiger? Er konnte das Zutrauen des Obersten nicht besser belohnen.

15. Kapitel
[63] Fünfzehntes Kapitel.
Er oder Ich?

In dem Hause des Grafen gieng es indessen ein wenig stürmischer zu. Er tobte wie ein Rasender, und mißhandelte die Gräfin auf das heftigste.

O Natter! O Verrätherin! rief er einmal über das andere, und schlug sich wüthend an die Stirne.

Die Gräfin war anfangs geduldig, aber zuletzt gab sie ihm seine Vorwürfe doppelt zurück.

Was wüthen Sie? war ihre Antwort: es ist auf Ihren Befehl geschehen! Haben Sie mir nicht tausendmal gesagt –? War ich Ihnen nicht seit Monaten gleichgültig? Zogen Sie mir nicht die Oberstin sichtbar vor? – Ihre Beredsamkeit war nun im Gange, sie übertraf die seinige, und er war froh, ihr entgehen zu können.

Eine schrecklichere Nacht hatte er noch nie gehabt, sein Stolz, seine Liebe, alles war beleidigt! Er beschloß, sich auf's empfindlichste an Solting zu rächen, und schickte ihm den andern Morgen eine Ausforderung zu.

Der Bube! sagte er: der Treulose! Der Verräther! – Mich um beide zu hintergehen, Frau [64] und Geliebte: nein, das ist zu arg! Ich muß mich rächen! Ich muß ihn züchtigen! – Er oder ich! Sein Blut allein kann mich versöhnen.

16. Kapitel
Sechszehntes Kapitel.
Ende gut, alles gut.

Der Baron war den andern Morgen in der Dämmerung nach Hause gekommen, und hatte Ursache genug, sich wieder niederzulegen. Man weckte ihn auf; er las das Cartel, und nahm es ohne Umstände an.

Das Duell sollte den andern Tag vor sich gehen; aber in dem Augenblick erschien die Polizei und arretirte sie. Man sagte ihnen, daß es aus Vorsicht geschehe, und daß sie Caution machen müßten. Wirklich hatte die Oberstin davon Nachricht bekommen, und durch einen ihrer Leute die Anstalten machen lassen.

Das konnte indessen den Grafen nicht hindern, darauf zu bestehen, und der Baron ließ sich nicht lange nöthigen. Sie schlugen sich auf dem Zimmer, und jeder kam mit einer Schramme davon. Gleichwohl war der Graf das Märchen der Stadt geworden, und beschloß, auf seine Güter zu gehen. Die Gräfin wendete sich an [65] ihre Freunde, und es wurde ein Vergleich geschlossen. Sie bezahlte nämlich seine Spielschulden, und er schien die ihrigen zu vergessen.

Der Baron war von nun an ein erklärter Hausfreund des Obersten, und wußte sich dieses Vortheils mit Discretion zu bedienen. Nicht lange darauf schlug dem guten alten Herrn das Podagra in den Magen, und die Oberstin wurde sechs Monate nachher als Frau von Solting getraut.

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TextGrid Repository (2012). Fischer, Christian August. Erzählungen. Dosenstücke. Zweie für Einen. Zweie für Einen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A7F3-6