[124] Das Kammermädchen.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Also ist sie vorher bei meiner Schwester gewesen? sagte Frau von D. zu einem artigen wohlgekleideten Frauenzimmerchen, die sich wegen eines Dienstes bei ihr meldete.

Das Frauenzimmer: Zu Ihro Gnaden Befehl! Da aber die selige gnädige Frau gestorben ist, so bin ich gezwungen, mir einen andern Dienst zu suchen, wie der Brief des gnädigen Herrn auch des mehrern besagt.

Frau v. D. Ja, ja, ich hab' es schon gelesen. Kann sie gut arbeiten, liebes Kind?

Das Frauenzimmer: Was und wie es Ihro Gnaden befehlen. Ich bin in Allem geübt.

Frau v. D. (heimlich zu ihrem Mann): Eh bien, mon cher!

Herr v. D. Nun, ich dächte – Meine Erlaubniß haben Sie; sie gefällt mir.

[125] Frau v. D. (laut zu dem Frauenzimmer): Gut, mein Kind! Wenn sie hier bleiben will, ich will sie nehmen. Sie bekommt jährlich dreissig Thaler; Weihnachten, Messen, und freie Station. Ist sie damit zufrieden?

Das Frauenzimmer (ihr die Hand küssend): Vollkommen, meine beste gnädige Frau! Ich wünsche mir keine bessere Herrschaft.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Das neue Kammermädchen war kaum zwei Tage da, als Herr von D. bereits Jagd auf sie machte. Es war ein alter Libertin, der sein junges schönes Weibchen nicht zu schätzen wußte. Ich muß sie haben! sagte er bei sich selbst: und sollte mir's tausend Thaler kosten.

Von nun an schlich er Jeanetten auf allen Schritten nach; Bitten, Geschenke, Schmeicheleien, nichts wurde gespart. Dennoch schien Jeanette ein Felsenherz zu haben, und wies ihn oft mit vielem Nachdruck ab.

Ich habe keine Zeit! hieß es gewöhnlich, so schlüpfte sie in das Zimmer der gnädigen Frau. Wirklich war sie unaufhörlich bei dieser beschäftigt, und wußte sich mit jedem Tag in ihrer Gunst fester zu setzen.

[126] Herr von D. war ein Praktikus. Er hatte so manche Spröde erweicht, und verzweifelte auch dießmal nicht. Jeanette mochte ihm noch so verächtlich begegnen, sein Betragen blieb so zärtlich, als vorher. War es die Folge seiner Beständigkeit, oder die Allmacht seiner Dukaten – kurz, Jeanette schien endlich menschlicher zu werden, und fieng an, ihm Gehör zu geben.

Die erste Approche war gemacht; die andere kostete wenig. Drei Tage nachher waren sie im Reinen. Herr von D. zahlte fünfzig Dukaten, und Jeanette versprach, ihm eine Nacht zu schenken. Er sollte zu ihr kommen und ihre Kammerthüre offen finden.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Es schlug elf Uhr. Entzückt und parfümirt wie ein Liebesgott eilte Herr von D. auf den Siegesplatz. Die Thüre war offen, und Jeanette lag halbentkleidet im Bette. Er eilt auf sie zu, schließt sie in seine Arme, und bedeckt sie mit seinen Küssen. Schon wollte sich seine verwegene Hand verirren, als die Thüre aufflog, und seine Gemahlin mit zwei Lichtern hinein trat.

[127] Comment? Comment? sagte er stammelnd: Par Dieu! Wie finden wir uns hier? Ist das Ihre Schlafkammer, Madame? Ich glaube, ich bin mondsüchtig, mich so zu verirren.

Sie (aufgebracht): Sparen Sie Ihre Entschuldigungen. Sie haben mich längst daran gewöhnt. Aber Sie sollten sich schämen, ein unschuldiges Kind zu verführen. Suchen Sie Ihr Vergnügen auf: ich liebe Sie zu wenig, um Sie zu geniren. Aber dieses Kind ist mir anvertraut, und ich werde ihre Tugend zu bewahren wissen.

Komm, Jeanette! fuhr sie freundlich fort, indeß Herr von D. mit verbiss'nem Aerger dastand. Komm, Jeanette! von nun an sollst du bei mir schlafen, Monsieur möchte dich sonst noch einmal überraschen.

Herr von D. wollte antworten, aber sie nahm das Mädchen bei der Hand, und überließ ihn seinem Verdrusse.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Bravo! Bravo! rief Jeanette und schloß Frau von D. in ihre Arme. Das war ein Musterstreich, liebste Emilie!

[128] Frau v. D. Nun hab ich dich auf immer, bester Karl! Nun laß ich dich nicht wieder von meiner Seite!

Karl: Er hat mir die fünfzig Dukaten richtig gezahlt, ich will sie für die alte Spielschuld behalten.

Sie: Und für den Zwang deiner Verkleidung, kleiner Junge! Die Kleider werden dich drücken?

Er: Darum will ich sie abwerfen. Gefalle ich dir so besser?

Sie (lächelnd): Liebste Jeanette! O umschlinge mich so, ich sterbe in deinen Armen!

Er: O ich halte dich fest, mein trautes Weib und auf ewig!

Ihre Sinne schwanden, denn das holde Zöfchen war ein feuriger Liebhaber geworden. Die arme Emilie hatte sich zu entschädigen gesucht, und einen discreten Mann mit ihrer Freundschaft beehrt. Jene Verkleidung war um der Sicherheit willen abgeredet worden, und wir wissen, wie sie gelungen ist.

Par Dieu! sagte Herr von D.: wenn meine Frau nicht gekommen wäre! und gieng fort, um sich anderswo zu trösten.

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TextGrid Repository (2012). Fischer, Christian August. Erzählungen. Dosenstücke. Das Kammermädchen. Das Kammermädchen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A80D-F