Georg Gloger
Gedichte

[654] 1. Auf Herren Paul Flemings Namenstag, begangen in Leipzig den 29. Juli 1630

Seyd tausentmal gegrüßt, ihr wol bestirnten Stunden,
Da seines Bildes Bild der Vater hatt' gefunden,
Die Mutter einen Sohn, der fröhlich zu ihr lachte,
Eh er sie Mutter hieß, vnd Kundschaft mit ihr machte;
Der ihr warf vmb den Hals der süßen Ärmlein Band
Vnd ihr ein Mündlein reicht', als seiner Liebe Pfand.
Wer weiß, was sonderlichs der güldne Sternenrat,
Der großen Götter Zunft allhie beschloßen hatt'.
Denn ob die Luft schon sehr sich da fing an zu kühlen,
Da du fingst an zu sein, vnd Schnee vnd Reife fielen,
So sahe man doch hier vnd da mit großem Haufen,
Fast aller Götter Schaar bemühet vmb dich laufen.
Am Grünen fehlt' es nicht. Die Flora bracht heran
Narcißen, Rosen, Klee, Violen, Tulipan,
Pohl, Müntz vnd Lilien, Cypreß vnd Nägelein,
Es must' als wie ein Lenz vmb dich gegrünet sein.
Die Najaden, die sonst bey Flüßen von Cristallen
In holen Gründen sind, die ließen sehn für allen,
Was sie ob der Geburt vor große Frewd' empfingen,
In dem sie auf vnd ab an allen Stränden gingen
[654]
Vnd wunden dir zu Lieb in ihr vergüldtes Haar,
Das nach dem Tanze nun ietzt abgehörnet war,
Viel Kränz' vnd Blumen ein. Die Mulde, Saal vndMeyn,
Vnd andre Flüße mehr, so auch da bürtig sein,
Vnd eben dazumal bey dir vorüber floßen,
Die rauschten mehr als sonst in dem sie sich vergoßen.
Der Vater Fichtelberg bewegte sich nicht minder,
Verstärkte sein Geräusch auf Frewde seiner Kinder,
Daß es an Ufern schallt'; es wolte Pan nicht hören,
Was er selbst besser kan; er nahme seine Röhren,
[654]
Vnd pfiffe Lust vollauf, vnd macht' es trefflich gut,
Dort' vmb den dicken Forst, vmb seiner Horde Hut.
Die Dryaden vmbher die sprungen schöne Reyen,
Man hörte sie auf dich manch Hirtenliedlein schreyen,
Daß auch Apollo selbst des Helicons vergaße,
Vnd mit der Musen Chor vmb deine Wiege saße.
Der dich denn sonderlich hat sehr gelehrt gemacht,
Vnd deines Geistes Ruhmb bis fast ans Blawe bracht,
Ja höher bringen will, wo seiner Leyer Pfand,
Die du daselbst empfingst, nur recht wird angewandt.
Drumb o du edler Tag, der meines Wundsches Leben
Zu gutem Glücke hat in dieses Leben geben,
Sey tausentmal gegrüßt. Dich, dich wil ich begehen,
Dir, dir soll alle Jahr' in künftig bey mir stehen
Solch Räuch- vnd Opferwerk, damit ich feyern wil,
So ofte du hinfort erreichest dieses Ziel.
Was auch auf deinen Preis die schwache Feder kan,
Das soll von mir nicht mehr als gerne sein getan.
Daß aber du, wie Brauch, wilst ietzt sein angebunden,
Von dem, der selbst bekriegt, besiegt vnd vberwunden
Durch dich schon ist vorlängst, ist nichts; ich wil nicht binden,
Dich lieber ohne Band bey mir gebunden finden.
Doch wenn ich ia mit was dich ietzt sol binden an,
So bind' ich dich mit dem, mit was ich weiß vnd kan,
Vnd dir vnd mir gefällt, als nemlich alle Zeit
Mit steter Lieb' vnnd Trew' vnd trewer Stetigkeit.
Immittels wolle Gott nach seinem guten Willen
Dir deiner Wündsche Maaß mit Vberfluß erfüllen.
Die Erndte deiner Jahr' er wol verkommen laße,
Daß sie des Schnitters Hand nicht eh zur Garbe faße,
Als sie verschoßt, verkörnt vnd wol verreifet hat,
Vnd selbst die Ähre wiegt vom Tragen müd' vnd matt.
Da hastu mein Geschenk vnd Anbindbändelein,
Von dem du ia dir nicht wolst wündschen los zu sein.

2. Auf H.M. Balthasar Hilschers von Hirschberg, Diakons zu S. Niklas in Leipzig, seliges Ableben

1630 Sept. 13.


Trawer', trawer', Gotteshaus,
Deines Ruhmes Ruhm ist aus.
[655]
Er ist schon über hin. Da hilft kein Helfen nicht.
Der wol beredte Mund, die schön begabte Seele
Ist aus dem Kerker los, in dem sie sich entbricht
Der dicken Nebelluft vnd finstern Leibeshöle.
Er vnd sein erleuchter Sinn
Sind auf eine Stunde hin.
So geht es mit vns zu; wenn kaum ein Mundvoll Geist
Vns durch den Mund entfährt, so ist die Seel' entleibet.
Das, was so schöne war, ein Häuflein Asche heißt,
Die vns von Hand, von Bein, vnd allem vberbleibet.
Denke, denke wie wir stehn,
Weil wir eh als Schnee zergehn.
Wer hette doch gedacht vor etlich Gestern noch,
Daß der, des Leichen wir nun heute folgen müßen,
Solt eine Leiche sein, noch läuft die Rechnung hoch,
Die wir aus Vnbedacht sehr weit zu setzen wißen.
Aber irre dich ia nicht
Daß dirs nicht an Zeit gebricht.
Die Erndte deiner Zeit wird eh zur Garbe bracht,
Eh sie verschoßt, verkörnt, vnd völlig kan verreiffen.
Ja eh noch mancher selbst hett' an den Tod gedacht
Sieht man den Sensenman schon nach dem Halme greifen.
Eh der Meyschein kan vergehn,
Kan die Garb' in Mandeln stehn,
Wie das genung beglaubt die blaße Leiche hier.
Aus der vorgestern noch der Athem nicht gewichen,
Der heute kehret doch die Füße nach der Thür,
Mit bleichem Todtenblass' vmb Hand vnd Mund bestrichen.
Niemand hette das gedacht
Vnd das Ziel so kurz gemacht.
Wo kurz auch heißen kan, wenn man von schwerer Last
Vnd schwerer Hofsarbeit fein bald sich ab kan fröhnen,
Der kühlen Schatten hat zu seiner sanften Rast,
Wornach wir armen Leut vns billich sollten sehnen,
Weil man hier viel Müh vnd Noth
Hat vmbs liebe Trawerbrot.
Nun wol! er ist zu Rand' vnd sitzt in stiller Ruh,
Tritt alle Sterblichkeit getrost zu seinen Füßen,
Sieht hinter sich mit Lust dem rauhen Strome zu,
Durch den er nunmehr sich hat ritterlich gerißen.
[656]
Wol! wer hier auch gleichfalls kan
Vngesträndet länden an.
Die Seinen läßt er zwar in tiefer Trawer Noth,
Mit naßen Augen stehn, weil sie an ihm erleben
Des großen Leids Geburt vnd aller Hoffnung Tod,
Daß ihnen Niemand auch fast Trostes satt kann geben.
Ihrer Zuflucht Aufenthalt
Liegt vor ihnen vnd ist kalt.
Wie neben ihnen auch viel trübe Seelen sein,
Die ihres Trostes Qual mit Threnen wol durchnetzen,
Weil sie in eine Gruft vnd vater einen Stein,
Zugleiche Trost, vnd Mann, vnd Vater sehen setzen.
Aber stellt das Trawren ein,
Ist er nicht, wo ihr wolt sein.
Sein euch vermachter Trost wird euch in aller noth
Ein reicher Vorrat sein, vnd Hülf' vnd Fülle geben.
Zu dem, so ist er ia noch lange nicht gar todt:
Sein Ehrenlob wird ihn noch ewig laßen leben.

3. An seinen Herrn Paul Fleming

1631 Februar.


Wie ohne Mutter Blut Minerva sey empfangen
In Jupiters Gehirn' – vnd wie es zugegangen
Als Jungfraw Danae die güldnen Tropfen fing'
In ihre zarte Schoß, davon sie schwanger ging,
Und ihren Perseus bracht, – auch wie zum Lorberbaume
Die Dafne worden sey, vnd wie aus einem Schaume
Das geile Venus-Weib in kalter Meeresschoß
Empfangen vnd geborn, ja wie sie Segel bloß
Vnd ohne Schiff darzu vf eine Muschel kommen
Vnd ihre Reyse hab' vf Cypern zugenommen, –
Auch wie das Bacchusvaß, der Gott der Schlemmerey
Von Mans- vnd Weibsperson zweymal geboren sey, –
Vnd wie der Jupiter sey aus der Götter Orden
Zu Nießung seiner Lust zu einem Stiere worden, –
Das findet man hier nicht: von solcher Eitelkeit
Vnd blindem Fabelwerk' ist deine Muse weit.
Denn was gleich Pindus selbst vnd Phœbus Leyer klinget,
Vnd aller Musen Schaar vfs lieblichste drein singet,
Wie süß es immer tönt, jedoch es wenig haft,
Wenns nicht belebet wird von einer höhern Kraft.
[657]
Der Naso, die Syren' vnd Wunder der Poeten,
Singt schön' vnd meisterlich von Lieb' vnd Liebesnöten,
Doch ist es nur ein Schall, der nur den lüstern Sinn
Vnd schnöden Vorwitz speist, vnd sonst fährt vberhin,
Ja eine Zauberey, die vnsern Sinn bekämpfet
Vnd wie ein schwarzer Rauch vnd dicker Nebel dämpfet,
Daß er nicht über sich zu Gott vnd Himmel an
Vor ihrer schweren Dunst im Geiste kommen kan.
Drumb lestu billich stehn solch' vnbeseelte Lieder
Vnd setzest dich dort hin in Stall zur Krippen nieder,
Die zwar von Ansehn schlecht, doch mehr am Werthe hält,
Als nicht erkaufen kan die ganze weite Welt.
Darumb du Lorbeerlaub vnd frischen Eppich führest
Vnd sie mit allerley Geblüm' vnd Grünem zierest,
Daraus das liebe Kind bey rawer kalter Nacht
So lieblich blicken thut, daß alls für Frewde lacht.
Nun wol, du machst es gut. Was deine Musa singet,
Nicht nur allein im Stall' vnd vmb die Krippe klinget:
Der Schall bricht höher sich, fährt vber allen Neid,
Vnd machet dich bekant der grawen Ewigkeit.

4. In Herren Kolbens von Mutschen Stammbuch

Weil nichts beständig ist, als Unbeständigkeit,
So kan man freilich wol nicht Haft und Anker finden,
Wormit man sicherlich sich könnt' auf Frewde gründen.
Das macht das stolze Glück und die verkehrte Zeit.
Es geht nach Hofes Art, das zwar von Erden an
Viel Händ' und Küsse gibt und wenig trewe Herzen,
Das meist ist nur ein Schein und ein verblümtes Scherzen,
In welchem Meister heißt der es am besten kan.
Drumb traw und schawe wem, und richt' dich nach der Zeit,
Probier den hundertmal, dem du wilst einmal trawen,
Und deiner Trewe Grund auf seine Trewe bawen,
Weil nichts beständig ist als Unbeständigkeit.

5. Als Herr Johann Michels zu Leipzig Doctor ward

Nun ist es vberhin. Der Berg der ist erstiegen,
Den ihr mit Lust könnt sehn zu ewren Füßen liegen,
Was euch so lange Jahr' hat Müh' vnd Schweiß gemacht
Vnd vmb so manche Nacht vnd süßen Schlaf gebracht.
[658]
Es kunte Lucifer euch niemals schamroth machen,
Wie früh' er auch stund auf; mit euch die Wette machen
Vermochte Luna nicht; ihr habt sie ausgemacht;
Eh' Phebus sein Gespan zu Zaum vnd Sattel bracht,
Hat ewer früher Sinn sein Tagwerk schon gelesen,
Ist in der Bücher Schaar ietzt hier ietzt da gewesen.
Bald vnten in dem Schacht, wo der Mercur sich findt,
Bald wo die Perle wächst, vnd thewrer Hyacinth.
Bald wo der Balsam schwitzt im Lande der Idumen,
Bald in der newen Welt, wo man die frembden Blumen
Vnd Früchte holen muß; bald, wo man Meermoß findt,
Die Mutter der Corall, vnd wo Rubinen sind.
Ja, eh' dir Delia fünf Lichter aus wird brennen,
Vnd Cynthius bis hin zur Wageschale rennen,
Wird vns durch ewren Fleiß der ganze Quercetan,
Das vor noch nie geschehn, Lateinisch reden an.
Was vns die Glieder lähmt, die Kraft der zarten Sinnen,
Die Geister bleyern macht, daß sie nicht steigen können;
Was vns die Zunge hämmt, die weiße Haut vergällt,
Vnd voller Waßer macht, vnd Wind vnd Geist verhällt,
Das wißt ihr auch, vnd laßt euch doch noch nicht vergnügen.
Der loberhitzte Sinn wil immer höher fliegen,
Vnd denkt nur wolckenan. Was täglich vnd gemein,
Das ist ihm nur Verdruß. Er kan nicht niedrig sein,
Das ihr doch nie gewest. Die geistesvolle Gaben
Die haben euch schon längst vom Pövel weg erhaben.
So daß man auch von fern' erblicket ewren Schein,
Vnd spürt, daß Febus euch recht müße günstig sein.
Drumb auch das Musenvolk viel frische Rosen binden,
Mit Myrten vntersetzt, darmit sie euch bewinden
Das wolverdiente Haupt. Apollo steht im Kreys,
Vnd reicht den Purpurdank vnd hohen Lobeerpreys.
Die Meditrin läß auch zu solchem Ehrenprangen
An ihrer Tempelwand ein solch Gedächtnüß hangen,
Daß Marmel, Erz vnd Stahl, vnd die vergeßne Zeit,
Ja Grab vnd Tod betrutzt. Zur greisen Ewigkeit
Bricht es die Bahne recht. Wer diß, wie ihr, erwirbet,
Wird nimmermehr nicht welk, stirbt nicht, wenn gleich verdirbet
Des Geistes Vberzug, der Leib. Sein Lob wird gehn,
So hoch die Pleiasstern' in ihrem Golde stehn.
[659]
Nun wohl! Ihr seyd des wert. Wir, die wir nach euch gehen,
Vnd sehen ewer Glück in vollen Rosen stehen,
Erheben das Glückzu! vnd wünschen noch darbey,
Daß auch der Jungfer Dank nicht mehr lang außen sey.

6. Auf Herrn Johann Marxens von Wolgast Heimreisen

Woran wir Sterblichen vns pflegen zu ergetzen,
Vnd unsre Lust vnd Sinn mit Willen drauf zu setzen,
Ist nicht nur einerley. Der lockt vmb Mitternacht,
Eh es noch himmelgrawt vnd Phebus auferwacht,
Die großen Rüden auf, vnd wil bey ienen Buchen,
Die Stellung fangen an, der Hindin Spüre suchen,
Die gestern dorte gieng. Ein andrer achtets nicht,
Der lieber auf der Schul' ein gutes pferd abricht.
Der, als ein Kriegesman, wird anders nicht ergetzet,
Als wenn er seine Faust ins Feindes Blute netzet.
Dem deuchtet Keines recht, sein' höchste Lust ist Geld,
Darnach er Seel vnd Geist bis in die newe Welt
Auf einem Brete hetzt. Ein andrer bleibet sitzen,
Wil lieber an dem Tisch, als auf der Straßen schwitzen,
Vnd kömmt ihn nichts so schwer, als nur das Reisen an,
Weil er des Nachbars Luft schon nicht vertragen kan.
Dein himmelvoller Sinn zu diesem dich verhetzet,
Darnach er ietzo noch in vollem Bügen setztet;
Vnd zwar das schöne Ziel, darnach dein Sinn so ringt,
Ins künftige dein Lob bis an das Blawe bringt.
Gripßwalde, Wittenberg vnd Leipzig werden wißen
Was Ehreneyfer kan. Vnd wie sich durchgerißen
Dein loberhitzter Sinn vnd tugendreifer Geist.
Was Joël dir hierin hat trewlich vorgeweist
Wird nicht vergebens sein. Was Sennert dir gegeben,
Der wolkengleiche Mann, wird ihn in dir beleben,
Wenn er nicht mehr wird sein. Sultzbergers kluge Hand,
Hat dir zu Leipzig auch nicht wenig zugewandt.
Nun, mangelt dir noch was, das kanstu dich selbst lehren.
Itzund zeuch immer hin; zeuch hin, vnd komm mit Ehren
Bald wieder an den Ort, der dich geboren hat,
Vnd weise, was man hofft noch ietzt, einst in der That.

[660] 7. In H. Görg Küchlers von Gorlitz sein Stammbuch

Kein tiefer Reverenz, kein hoher Worte Pracht,
Kein stiefelweites Glas, kein Blut- vnd Himmelschweren
Vnd ander Auswerk ists, das Herzen vberwindet,
Wenn nicht das Herze selbst ein trewes Bündniß macht.
Wie kan die Freundschaft fest vnd vnverbrüchig wehren?
Vom Herzen muß es gehn, was Herzen soll verbinden.

Lips. d. 15. Jun. 1631 hor. 10 matut.

8. Auf Herren Paul Flemings Namenstag 1631. Juni 29.

Kan ich denn außer mir was Festes auch wol finden,
Wormit ich, du mein Ich, dich heute möge binden?
Bind ich das Herze nur, so darf ich gar kein Band.
Laß ich dich denn so los, wo bleibet mir mein Pfand?
Doch wo man Pfand begehrt, so giebt man zu verstehen,
Daß man nicht trawen wil. Magst ungebunden gehen.
Denn was mein Pfand soll sein, das hab' ich schon bey mir,
Vnd was dein Band soll sein, das hastu auch bey dir.
So hab' ich Pfand bei mir, du Band bey dir gefunden.
Ich bleibe dir verpfändt, du bleibest mir verbunden.
Vnd weil noch in der Welt ist Sonn- vnd Mondenschein,
Soll vnser Pfand vnd Band nicht aufgehoben seyn.

9. In Herren Mylii von Berenburg sein Stammbuch. September

Wenn nicht die Hülfe selbst in Angst- vnd Bangeseyn
Vns an die Mannheit denkt, vnd Herz vnd Muth redt ein,
So sind wir, wie ein Blatt, das auch der schwächste Wind
Von seinem Äthmen nur in stetem Zittern findt.
Vnd strauchelt nur der Trost, so liegt der Mann schon gar,
Der so beherzet stund vnd Held vnd Riese war.
So geht es mit vns zu. Des Glückes Stiefblick kan
Ohn' Hand vnd ohne Streit eröbern einen Mann.

1631 in der Leipsigschen Belägerung.

10. Auf H. Cristof Lindners\ vom Salzbrunnen seinen Namenstag

Ich kann nicht wie ich wil. Apollo zürnt mit mir
Vnd sieht mich sawer an, so daß ich heute dir,
[661]
Wie schuldig ich auch bin, nichts Artiges kan singen.
Die Saiten sind zu schlaff. Die Leyer wil nicht klingen.
Es ist mir ganz verstimmt. Kein Wirbel wil nicht stehn;
Der Sinnen Uhrwerk stockt, vnd wil nicht richtig gehn.
Des Geistes Flug wird Bley, kann nicht bergan mehr steigen.
So muß ich deinen Tag mit lauter Stilleschweigen
Vnd nichts nicht thun begehen. So pflegt es mir zu gehn;
Denn, wenn zuweilen ich am besten soll bestehn,
Da wil es ganz nicht fort. Nichts meld ich von dem Kränken,
Daß ich dich nicht, wie Brauch, mit etwas soll beschenken,
Das deiner würdig ist. Es mangelt nichts als That;
An Wündschen bin ich reich, vnd habe Vorrat satt.
Doch denk' ich, wenn ich dir dasjenige nur gebe,
So viel mein Reichthumb trägt, von dem ich selbst auch lebe,
So sey es alles gut, nimst du den Willen an,
So hat diß mein Präsent das Seine wol gethan,
Bey mir vnd auch bey dir, was nützt es, daß ichs sage,
Daß ich das Höchste noch in meinem Herzen trage?

11. Für einen andern

Freund, keinen guten Vers hastu von mir zu hoffen,
Denn meine Poesie ist gestern mir ersoffen,
So daß ich dir gar nichts zu Ehren schreiben kan;
Vnd was hier steht, das hat ihr Fladdergeist getan.

12. Zuschrift

Ihr, o geehrtesten Patronen,
Meiner Musen Kron' vnd Zier,
Ob ich zwar euch abzulohnen
Mir mit dem nicht nehme für, –
Denn wie hoch ich euch versessen,
Werd ich nicht mit dem ermessen, –
Doch so nehmet dieses an,
Was ich euch hier geben kan.
Bring ich gleich nicht hohe Sachen,
Die den Wolken gleiche gehn,
Die berühmbt und groß mich machen,
Und dem Monden nahe stehn,
Die man müß' in Ledern binden
Und mit Purpurtuch umbwinden,
[662]
Doch so sols die Handschrift sein,
Daß ich mich wil stellen ein.
Diese wolt ihr ietzo nehmen
Bis was Beßers kömmet ein,
Euch nicht eures Schuldners schämen,
Sondern mir noch günstig sein,
Mich zu den Restanten schreiben,
Die nichts wollen schuldig bleiben,
Ohn was das Credit getan,
Das ich nicht erlegen kan.
Laßet dießmal mich genießen,
Gerne wollen dankbar sein.
Kan ich förder euch befließen,
Solches alles bringen ein:
So sol meine Clio singen,
Und euch bis zum Blawen bringen,
Da denn euer Dank sol stehn,
Wo die Pleiasstern' entstehn.

13. Ode

Wilstu dich gleich vor mir kehren,
Und was Liebes suchen dir,
Doch so kanst du kaum entbehren,
Was du funden hast bei mir.
Was du hast bei mir gefunden,
Findest du nicht alle Stunden.
Gute Wort' ein iedes gibet,
Trewe Herzen seltsam sind.
Wol dem, wer was ihn liebt, liebet,
Und ein gleich Gemüte findt.
Ich auch wil für alle Gaben
Ein getrewes Herze haben.
Zwar ich habe mich befließen
Und beworben alle Zeit,
Wie ich möchte doch genießen
Trewer Lieb' und Seligkeit.
Aber die mir war mein Leben,
Hat sich anderwerts begeben.
Sol ich denn nun Solches lieben,
Was doch nicht wil meine sein?
[663]
Mich in fremden Fewern üben
Und mir machen newe Pein?
Sol ich meine Trewe binden,
Wo Nichts trewes ist zu finden?
Wärst du doch, weil du so liebest
Frembde Gunst, wie ich ietzt bin,
Und der, dem du dich ergiebest,
Hätte deinen falschen Sinn,
So würdstu nach solchem Wählen
Dich, wie ich mich muß, auch quälen.
Doch du wilst und must nun scheiden,
Deine Segel gehn schon auf,
Wollen keinen Anker leiden,
Sind bedacht auf vollen Lauf.
Nun du solst bei diesen Winden
Wenig trewe Porte finden.
Wirst du denn in Tod und Leben
Dort auf wilder Wellenbahn
Auf dem Untrewbette schweben
Hellenunter, himmelan:
Denn wirstu auch nicht vergessen,
Was du hast bei mir besessen.
Ich wil nunmehr einsam leben,
Und mich immer halten mir,
Wil mich keinem so ergeben,
Wie ich zwar getan bei dir,
Daß ich meine Lieb und Trewe
Nicht aufs ander mal berewe.

14. Über seine unglückhafte Liebe

Zwar deiner Liebe Gift verfängt bei mir ganz kräftig,
Nimmt Blut und Sinnen ein, entädert Leib und Geist.
Die Worte sind gewürzt; die Briefe treflich heftig;
Die Feder streicht den Fuchs; die Dinte funkt und gleißt.
Ja selbst der süße Mund berücket mir das Küssen;
Der Äuglein Fälknerei, die in die meinen sticht,
Die Hand, darein ich mich pfleg' öfters ein zu schließen,
Ist wol, wenn du nicht zürnst, zum Kloben abgericht.
Sie drückt mich an die Brust, sie lässet mich sich lieben,
Wie ich nur selber wil. Doch rewt dich bald der Kauf.
[664]
Wenn meine Trewe sich am besten denkt zu üben,
So sagestu alsbald mir alle Freundschaft auf.
O Herze, wo bleibst du, daß ich dein nicht werd innen?
Ich gleube, weil du teuschst, und nur die falschen Sinnen
Auf Außenwerk sind klug, so fället dir nicht ein,
Daß auch das Innere darneben müsse sein.

15. Von ihr

Ach bin ich denn noch ich! Ach kann ich denn genesen!
Weil die, so mich belebt, nunmehr wil sein gewesen,
Vnd künftig nicht mehr sein. Den Korb hab ich schon weg,
Vnd ist zum Hoffen mir verrennet Weg vnd Steg.
Was ich bey ihr gesucht ist längsten ausgestorben,
Vnd ohne Blüth' vnd Frucht im Halme schon verdorben.
Der Himmel hat des Schuld vnd ich nicht Liebens Wert,
Drumb kan ihr meine Lieb' auch nichts seyn als Beschwert.
Zwar leugnen soll ichs nicht, oft hat sie meine Schmerzen
Zu stillen sich gestellt, ob aber auch im Herzen
Ein trewes Herze sey, gläub' ich gar wenig dran,
Daß ich mich noch zur Zeit fast nicht bereden kan.

16. Hirten-Brautlied auf H. Neumans von Görlitz seine Hochzeit, zum Guben

Weil es denn in ewren Haynen
Noch so grün vnd lustig steht,
Hirt- vnd Heerden wol ergeht,
Muß euch ia die Sonne scheinen,
Pan muß selbst nit weit von hinnen,
Wohnen mit den Schäferinnen.
Reine Quelle, schöne Brunnen,
Labung nach der Hitze Last,
Frisches Gras für gute Rast,
Grüne Schirme für die Sonnen,
Wird man hier vmb diese Linden
Häufig vmb vnd vmb befinden.
Seht doch, wie die geilen Geißen
An den Rinden nagen stehn,
Theils am Berge klettern gehn,
Vnd von Haselstauden reißen,
[665]
Theils auch dort im kühlen Schatten
An den iungen Eichen blatten.
Wo der Klee am dicksten blühet,
Auch die andern Heerden gehn,
Die so tief im Grase stehn,
Daß man kaum die Ohren siehet,
Sein so schwer auf ihren Füßen,
Daß sie sich auch legen müßen.
Wolt ihr denn was Liebes suchen,
Wie die ganze Schäferey
Ihnen liebbeflißen sey,
So beseht nur iene Buchen.
An der nächsten Bürken Rinden
Ist Dorindens Ruhmb zu finden.
Hört wie fein es hier erklinget,
Wenn aus trewem Liebessinn
Auf die schönste Schäferin
Tityrus ein Liedlein singet,
Wie es an die Bäwme hallet
Vnd in Gründen widerschallet.
Seht auch wie sich dorte strecken
Corydon vnd Galathee
In den dicksten tiefsten Klee
Vnd mit kühlen Schatten decken.
Seht wie sie so freundlich scherzen
Vnd einander immer herzen.
Denen der verliebte Westen
Nichts nicht nach in Wollust giebt,
Herzt sich auch, vnd buhlt, vnd liebt
Mit den iungen zarten Ästen,
Heißt sie fein zusammenrücken
Vnd einander Mündlein drücken.
Wie in ihren grünen Häusern
Sich das Federvölklein part,
Vnd sich freyet Art zu Art,
Macht die Brautbett' auf den Reisern;
Sonderlich die Ringeltaube
Dringt sich selbst zur Weiberhaube.
Hört ihrs, wie sie herzlich lachet,
Wenn sie Morgens ihren Mann
[666]
Wil vmb Hochzeit schnäbeln an,
Der es denn aufs Beste machet,
Daß eh es kan dreymal tagen,
Sie zu Neste müssen tragen.
Pan weiß selbst auch nicht vor Frewden,
Was er nur beginnen soll,
Es gefällt ihm gar zu wohl,
Daß so fein die Lämmer weyden,
Bläst in seine siben Röhren,
Daß es Hirt vnd Hirtin hören.
Die denn sich nicht lange säumen,
Wenn sie da beysammen sein,
Stimmen wohl das ihre drein,
Mit den süßen Liebesreimen.
Auch die Nymfen bey den Tänzen
Rüsten sich mit ihren Kränzen,
Die sie nächten bey den Hirten,
Mit gedrückter fester Hand
Als der trewen Liebe Pfand,
Zugesaget ihren Hirten,
Die sich wol hiermit ergetzen,
Vnd der Gaben selig schätzen.
Jene sich was abzukühlen
Setzen sich dorthin zur Ruh,
Sehn den iungen Lämmern zu,
Wie sie mit einander spielen,
Spielen gleichsfalls ohne Sparen,
Was vns kömmt von iungen Jahren.
Summa; was man hier nur sihet,
Berg vnd Thal sind auch wol auf,
Lust ist hier in gutem Kauf.
Alles grünet, alles blühet,
Hirt vnd Hirtin, Schaf vnd Weyde
Weiß von keinem Winterleyde.
Ihr geparten lieben Herzen,
Ihr ein Willen, Seel vnd Sinn,
Machet euch doch auch dorthin,
Helfet in die Wette scherzen,
Nehmet an, dieweil ihr könnet,
Was euch ewer Glücke gönnet.
[667]
Tretet mit an ienen Reyen,
Weil die Heerde stille steht,
Vnd in guter Weide geht,
Hört, sie blasen die Schalmeyen.
Geht doch, geht doch euch zu laben,
Geht, ihr solt den Vortanz haben.
Immer dran! Zu euren Frommen
Ist die edle Schäferey
In gesammter Companey
Heute hier zusammen kommen:
Wollen sich mit euch ergetzen,
Vnd mit einem Tanze letzen.
Nun die Nacht hebt an zu feuchten,
Luna zeucht die Hörner ein,
Kan euch nicht mehr dienstlich sein,
Vnd zum Abendtanze leuchten.
Treibet immer, treibt von hinnen
Ewre Heerde zu den Rinnen.
Auf ihr Hirten, singet alle;
Ein, ihr Lämmer, immer ein,
Die vorangehn pfeifen drein,
Daß es in den Klüften schalle,
Phyllis aus dem Hirten Orden
Ist zu einer Braut geworden.
Singt: Glück zu, Glück zu, zur Sache!
Zündet Hochzeitsfackeln an,
Wündschet das der newe Man
Mit der Braut es also mache,
Daß, eh Morgen ihre Heerde
Ausgeht, sie zur Männin werde.
Wenn sie sich hierzu bekennet,
Vnd den Namen gehet ein,
Kann sie eh des Merzen Schein
Wider hier vorüber rennet,
Sich mit allen guten Ehren
Eine Mutter heißen hören.

Notes
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