[202] 8. Luftschlösser.

In dem Lustwäldchen eines Königs wohnte ein armer gottesfürchtiger Mann, wie ein Einsiedler. Und der König schickte ihm alle Tage ein Brot und ein Fläschlein mit Honig: Das Brot aß er, aber den Honig sammelte er sich in einem irdenen Topfe, den er über seiner Bettstätte hängen hatte.

Nun kam grosse Theurung in den Honig. Und als er eines Morgens sein Bette aufschüttelte, und den Honigtopf hängen sah, da fiel ihm ein, daß der Honig so theuer sey, und er beschloß bey sich, seinen kleinen Vorrath zu verkaufen. »Ich löse dafür,« sprach er zu sich, wenigstens fünfzehn Gulden. Dafür kauf' ich mir etliche junge Schafe. »Die werfen mir des Jahrs etliche junge Lämmer, und in zehn Jahren [203] bekomme ich mehr, denn tausend Stücke Schafe. Davon verkaufe ich einen Theil, und kaufe mir etliche Kühe, kaufe mir dann Ochsen, und Äcker. Von den Kühen nehme ich Milch, von den Schafen Wolle. Die Ochsen nehme ich zum Feldbau, und ehe fünfzehn Jahre vorbey sind, hab' ich grosses Gut und Reichthum. Dann nehm' ich mir ein tugendsam Weib; Gott beschert mir dann einen schönen, gottesfürchtigen Sohn, der wird wachsen in Lehre und Weisheit. – Wird er aber nicht folgen und auf meine Vermahnung nicht hören, – – o! ich wollt' ihm über die Lenden schlagen mit meinem Stecken!« Indem nahm er seinen Stock, der neben seinem Bette stand, und wollte sich selber zeigen, wie er ihn schlagen würde, und schlug – und schlug – und traf seinen Honigtopf, daß er in Scherben herunterfuhr, und der Honig auf sein Bette träufelte.

So hatte er nichts mehr von seinen Anschlägen, als die Mühe, sein Bette wieder zu reinigen.

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TextGrid Repository (2012). Grimm, Albert Ludewig. Märchen. Kindermärchen. 7. Kleinere Märchen, Fabeln und Parabeln. 8. Luftschlösser. 8. Luftschlösser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-FE5D-6