[4] Pegnesisches Schaefergedicht

Da/ wo der Meisnerbach sich durch die Thäler zwänget/
Die Silberklare Flut dem Landesstrom 1 vermenget/
Der in dem Böhmerwald Geburtesqwellen hat/
U geust sich in die See/ dort nechst der Cimberstat 2

Liegt die höchstgepriesene Provintz Sesemin/ und darinnen der anmutige Schäfer Aufenthalt Sanemi/ 3 welchem an Lust und Zier kein Ort etwas bevorgiebt: Man möchte ihn mit Warheit einen Wohnplatz 4 der Freuden/ ein Lusthauß der Feldnymfen/ eine Herberge der Waldgötter/ eine Ruhstelle der Hirten/ eine gelehrte Entweichung der Poeten/ und ein Spatzierplatz der liebhabenden Gemüter/ nennen: Massen er üm und üm/ gleich der Siegprachtenden Mutter Rom/ mit sieben Bergen erhaben und ümzircket ist. Dahero


Hat Vater Jupiter/ zu zeigen seine Macht/
In diesen schönen Thal den Blitz hervorgebracht/
Neptun den Dreyzankstab/ Minerva ihre Eule/
Die Harfe Cynthius/ Alcides seine Keule/
Die gelbe Ceres Korn/ Gott Bacchus Rebensafft/
Pan Pfeiffen/ Flora Gras – – –

Aus derselben hat das rasende Schwert/ die Rache der gesuchten Beleidigung/ und das wütende Getümmel der Waffen unlängst alle Kunst und Gunst verjaget: Schäfer und Schäferinnen sind üm ihre liebe Wollenheerde gebracht/ alle Dörfer/ Mayerhöf/ Forwerge und Schäfereyen sind verödet/ Auen und Wiesen verwildert/ das Gehöltze durch die Wachfeuere verösiget/Obst- und Blumgärten zu Schantzen gemachet worden. Statt der belaubten Fichten schimmern lange Spiese und Lantzen/ vor die Dorfschalmeyen und Hirtenlieder höret man das wilde Feld und Mordgeschrey der Soldaten/ vor das [5] fromme Blöken der Schafe/ das Wiehern der Pferde/ das Brausen der Paukken und Schrekken der Trompeten: darüm sich dann auch Klajus/ ein namhaffter Schäfer/ aus selbigen Orten fortgemachet/ welchem nach vielen wandelbaren Unglüksfällen sein Verhängnis an den Pegnitzfluß geführet.

Eine wolgelegene Einsamkeit selbiger Ufer lude ihn ein/ daß er sich in seiner Müdigkeit zu erholen auf den begrünten Wasen niederliesse. In dem er nun/seine widerwertige Begegnisse anklagend/ in diese Worte herausbrach: O Unglük/ hörete er die liebkosende Nymfe/ die alles/ was ihr vor Ohren kömmet/wiedersaget/ mit gleichlautendē Gegenhalle/ antworten: Glük. Er vermeinend sich bey ihr zu befragen/ ob sich sein Betrübnis aufklären und heitern würde: Fienge deßwegen anzusingen/ und Echo dergestalt zu antworten 5:


Ach/ Gegenhall/ ich will dich etwas fragen:
Ich bitte dich/ die Warheit anzusagen/
Werd ich wol so verbleiben lang allein?
Geg. Nein.
Ich habe mich im Lieben nicht geübt/
Das blinde Kind hat mich noch nie betrübt/
So liebet mich auf dieser Welt ja keine?
Geg. Eine.
Wann wird es seyn/ es macht sich forthin kälter/
Die Zeit verrint/ und ich werd täglich älter/
Die Jugend stirbt/ es bleichet die Gestalt?
Geg. Bald.
Ich hab bißher geliebt der Musenschaar/
Und ihr mein Hertz vertrauet gantz gar/
Ich achte nicht das schlaue Frauenzimmer?
Geg. Nimmer.
Wo werd ich doch des Glükes Fussteig finden/
Wird man mich dort mit Liebesbanden binden/
[6]
Ach was erwirbt mir Fremden solche Gunst?
Geg. Kunst.
Was sagst du! Kunst/ ich bin mir nichts bewust/
Was ich erdicht/ geschicht auß freyer Lust/
Ich glaube dir/ du redest ja verträulich?
Geg. Freylich.
So will ich nun scheiden mit Freuden von dir/
Du stillest und füllest mir Hertzensbegier/
Ich dancke dir Nymfe/ daß du mich bericht/
Schweig nimmer/ befragen dich meine Gedicht/
Geg. Nicht.

Hierauf erhub er sich/ setzete seinen Weg fort/weiln Echo/ deren die Natur/ mehr nicht von der Vernunfft/ Kräfften zuertheilet/ als allein die Gedächtnis und Zunge/ und dasselbe auch nur zu einerley Gebrauch/ das ihre schon verrichtet/ und so viel sie Wort auf Borg genommen/ baar bezahlet hatte: Begrüssete darnach den ihm entgegen flüssenden Pegnitzstrom mit folgenden


Klingreimen.

Ihr Nymfen dieses Stroms/ ihr Qwellinwohnerinnen/
Die lieblich sich ergeust aus der Sudöden Fus 6/
Ach nehmet willig an/ empfahet diesen Grus
Von dem/ der singen wil das würbelichte Rinnen.
So viel er sich/ allhier ein Fremder kan entsinnen/
Seyd ihr/ ihr Wasservolk bist du/ du schöner Fluß/
Der Nürnberg seinen Ruhm und Nahrung danken muß?
Flut hat der Stadt/ die Stadt der Flut geniessen können.
Du giebest ihr voll auf das Schuppenheer der Fische/
Dein Mülwerk stampffet ihr das Weitzenmeel zu Tische.
Nun streich den Kieselsand an deinen Schilffen hin:
Vermähle dich dem Mayn/ der wird dich Seewerts bringē/
In deiner Mutter Schoß. Frau Thetys wird dich singē
Auf ihren Muschelplan/ die Landestheilerin.

[7] Mitlerweile kam ihm im Fortwandern zu Gesichte die Altadelische Neronsburg. Er wuste nicht/ in was Betrachtung er erstlich seine Augen ergetzen solte/der hohen Kirchthürne und der herrlich erbaueten Rahthauses vergüldete Spitzen/ schimmerten gleich dem Abendstern. Die grosse Statt war aller Orten mit prächtigen Palästen köstlich an- und ausgebauet/ mit festen Mauren/ starkken Basteyen/ weitümfangenen und in die Runde mit hochaufgeführten Thürnen bezirket/ so viel er in der Ferne abnemen kunte. In solcher Verwunderung wurde er gleichsam entzuket und sang folgendes: 7


Du schöne Käiserin/ du Ausbund Teutscher Erden/
Prinzessin dieses Lands/ des Kriegesgottes Zelt/
Der Pallas Ehrenthron/ du Sonne dieser Welt/
Du/ derer noch kein Feind hat können Meister werden:
Ob er dich gleich ümringt mit Wagen und mit Pferden/
Wie hat doch dich geliebt der grosse Nordenheld/
Eh als er abgereist hin in das Sternenfeld/
Dich ehrt das gantze Reich und aller Völker Heerden.
Deß süssen Himmels Gunst erfreue deine Mauren:
Es sey vor deinem Thor entfernet Leyd und Trauren:
Das Fasten sey dein Fest/ das Feuer sey dein Feyr/
Es werde dein Gefild mit Weitzen angefüllet/
Und deines Hertzens Wunsch in Fried und Ruh gestillet/
Diß wünschet mein Gemüt/ diß singet meine Leyer.

Hernach wandte er seine Augen und Gedanken rückwarts seinem Heimat zu/ bey sich seufftzend: Ach mein Vater- (aber jetzt nicht mein) Land/ wann werd ich doch wiederüm auf den weissen Bergen/ nechst der Regentin der Sächsischen Flüsse der Elben/ 8 den Uhrheber der Dactylischen Lieder den Weltberühmten Buchner singen hören? Die Beschaffenheit deines mit Kriegbedrängten- und mit Angstgezwängten Vaterlandes wird solches schwerlich zulassen. In [8] dem sprang sein treuer Geferte/ der geschwinde Wakker (so hieß/ wegen der Wachsamkeit/ sein Schäferhund) an ihm auf/ schmeichelte ihm mit Liebkosen/ und gab mit vielen Anzeigungen seinen Hunger zu verstehen: Wer wird dir/ sprach er/ ja wer wird mir in der Fremde Brod geben? Wir wollen den Uberrest miteinander verzehren/ hierauf zog er aus seiner Hirtentasche den gantzen Vorraht/ speisete sich und seinen Hund kärglich ab. Das arme Thier eilete seinen Durst zu leschen dem Wasser zu/ er im Fortgehen kunte den kläglichen und beweglichen Zustand seiner Heimat noch nicht aus dem Sinn schlagen/ fienge deßwegen an/ solchen folgender Gestalt zu beklagen:


1

Wann die braunen Meisnerhirten
Könten in die Weide fahren/
Mit den weichen Wollenschaaren/
Um und üm belaubt mit Myrten/
Wolt' ich nicht der letzte seyn
Hütend meiner Schäfelein.

2

Ich hab in den langen Tagen 9
Wann mein Sinn war ausgeschliffen/
Tausend Lieder hergepfiffen/
Da die Wölfe schlaffen lagen/
Weid und Ruh gesungen ein
Mir vnd meinen Schäfelein.

3

An dem klaren Elbenstrande
Kunten Schaf und Ziegenheerden
Zwier deß Tags gemolken werden/
Dort in meinem Vatterlande
War die Nahrung überreich
Nährend Hirt und Heerd zugleich.

[9] 4

Gleichwie wann der Winter stäubet/
Und der Wiesen Zier zerschleiffet/
Hagelt schneyet/ eiset/ reiffet/
Und uns aus den Hürden treibet/
Uns und unsre Schäfelein
In die ströhern Hütten ein.

5

So geht es in jenen Landen/
Wo zuvor die Reyhen sungen
Und die Dörfer jauchtzend sprungen/
Ist jetzt Hertzeleid vorhanden/
Schafe/ Schäfer/ Schäferin/
Hirt und Heerden sind dahin.

6

Dieses hat uns angekündet 10
(Aber wer war zu erweichen!)
Manche Schildkräh von der Eichen/
Was das gantze Land empfindet/
Wer läst Himmel Himmel seyn/
Treibet keine Lämmer ein.

7

Ich kan es mit Warheit sagen/
Holtz hat rohtes Blut gegossen/
Bäche/ die mit Blut geflossen/
Haben wir in Wind geschlagen

Klajus were im Singen fortgefahren/ wenn er nicht von fern vernommen einen in dem kühlen Schatten ruhenden Schäfer/ welcher eben damals folgendes Liedlein spielete:


1

Das Sorgenbefreyte Leben in Hürden
Ist schätzbarer als hochtrabender Pracht/
Als mühsame Zeit in höhesten Würden/
Und grosses Vermögens dienstbare Wacht.

[10] 2

Ich lebe mit Ruh in kleebaren Auen/
Vergnüget in meinem niedrigem Stand/
Die/ welche zu Hof auf Hoffnungen bauen/
Befesten den Grund auf weichenden Sand.

3

Man höret den Vogel im Käfig beklagen
Der eisernen Bande knechtischen Zwang/
Ein anderer findt in Lüfften Behagen/
Der kräußlicher führet freyen Gesang.

4

Ich liebe die Flutgeschmoltzne Crystallen 11
Betaueter Erden triefendes Haar/
Wenn reichlich bereiffte Früchte gefallen/
Und lieget in Wochen das heurige Jahr.

5

Wann andere voller Kümmernis Bürden
Ermüdet von Sorgenbrechendem Schlaf/
So ziehen wir fort mit unseren Hürden/
Und weiden in Freuden unsere Schaf?

In dem sprang er auf/ schnitte etwas in den Baum/vielleicht/ wegen des genossenen Ruhschattens/ sich dankbarlich zu bezeugen. Samlete nachmaln seine Heerde/ und trieb sie pfeiffend fort. Soches beschahe auf einer frisch begrünten Ebene/ durch welche sich strömeten unterschiedene/ vermittelst etlicher Wasserräder hineingeführte Bächlein/ zu feisterer Begrasung der herbstlichen Nachweide.

Klajus eilete auf vorerwehnten Baum zu/ und befunde diese Wort:


Schöne Linde
Deine Rinde
Nehm den Wunsch von meiner Hand:
Kröne mit dem sanfften Schatten
Diese stets begrasten Matten/
Stehe sicher vor dem Brand;
[11]
Reist die graue Zeit hier nieder
Deine Brüder/
Sol der Lentzen diese Aest'
Jedes Jahr belauben wieder
Und dich hegen Wurtzelfest.

Dieser und etlich andere alldar befindliche Bäume wässerte der nechstanstehende See/ welchen die Pegnitz mit einem Arm anzuschwemmen pflegte dessen Crystalline Silberhelle zeigete als in einem klaren Spiegel die überschattende Stämme/ ja die flammende Mittagssonne und der heitere Himmel selbsten hatten sich Bildungsweise dergestalt herabgelassen/ daß solcher Gegenschein wegen Stralwerffenden Glantzes die Augen lieblichen weidete.

Er kunte leichtlichen muhtmassen/ wessen Meisterhand solches eingeschnitten/ weiln die Unterschrifft war: 12


Der unwürdig Spielende


Er gedachte bey sich selbsten/ diß ist der ruhmwürdige so genante Strefon/ welcher seine Flöte in die hin-unnd herrauschende Wässerlein stimmete/ darffst du dich auch erkühnen ihn anzusprechen/ und in dem wandte sich Strefon den zu empfahen/ der ihn folgender Massen begrüssete:

Lobwürdigster Strefon/ der gütige Himmel/ der ihn sonst mit hohen Glükseligkeiten beschenket/ der bereichere ihn ferner mit behäglicher Zufriedenheit/ kan ich bittselig seyn/ seiner Unterredung auf ein kleines zu geniessen. Wol/ sagte Strefon/ wol/ Klajus (denn er hatte den Namen an seinem Schäferstabe erbliket) müsse hiesiger Orten ein wilkommener Gast seyn/ so hohe Begrüssungen und Hofworte/ wie er führet/wohnen nicht in unseren niederigen Hütten/ sondern die liebe Einfalt/ und offenhertzige Teutsche Redlichkeit: Beliebe demnach meinem Schäfer mit mir der Heerde zu folgen/ hab ich mich seiner Gegenwart zu erfreuen/ weilen seine Geistreiche Hirtengedichte von der Elbe bis an die Pegnitz bereit erschollen; Myrtillus auch bey seinem Abreisen mir einen Gruß/ an ihn/hinterlassen/ welchen ich hiemit bester Massen abgeleget haben will. Strefon/ sagte [12] Klajus/ wolle deßwegen gebührender Massen bedanket seyn/ und ist nicht meiner/ sondern seiner Gedichte Anregung zu thun/als welche das lieblöbliche Frauenzimmer (wie mir zu Ohren kommen) nicht weniger belustiget/ als Strefons herümschweiffende Schäflein der Feldkümmel/ der gelbe Klee/ die Schafgarbe und gedeyliche Herbstweide erfreuet.

Meine (antwortete Strefon) geringschätzige Lustarbeit ist nicht Angedenkens werth/ letztbesagtes aber ist jenem Wasserrade zu danken/ welches ich jüngsthin also besungen:


Da die schlanke Pegnitz fliesset/ in dem schönen Wiesenthal/
Da sie dieses Land durchgiesset/ und die Blumen ohne Zahl
In den grünen Auen frischt/ da der Vogel lieblich singet/
Da die Wollenheerde tischt/ und mein Schäferspiel eklinget/
Da die hohen Bäume schatten/ da das Bienlein Blumen bricht/
Da die Fische sich begatten/ und der Fischer Reusen richt/
Da die kleine Mükke sumt/ und die falschen Angeln schwimmen/
Da so manche Müle brumt/ und die Hirten Pfeiffen stimmen/
Da spatziert ich auf und nieder/ als ich etwas rauschen hört/
Und bedachte/ wie nicht wieder Zeit und Fluß zu rükke kehrt.
Ich ersahe nechst dem Pfad/ daß der schnelle Strom ümlenkte/
Ein erhabnes Wasserrad/ so die Blumenwiesen tränkte:
An den Felgen war zu sehen manches tiefes Schöpfgefäß/
Deren jedes/ in dem Drehen/ brachte seinem Halt gemäß
Wasser/ welches abgewandt/ schlürfte durch die trägen Auen/
Die der Sonnenstral verbrant/ und verzehrt das Morgentauē.
Ach/ wünscht ich in meinen Sinnen/ liesse/ gleich dem Silberbach/
Jeder aus der Feder rinnen in die Felder Teutscher Sprach'
Alles/ was uns unbewust/ was von fremder Zung entspringet/
Und nicht ohne Hertzenslust Welt verlangte Früchte bringet.

In dem hörten wir ein erbärmliches Wehklagen/gleich einem Menschen/ der seiner Vernunfft beraubet/ dieses/ berichtete Strefon/ ist eine Schäferin/ welcher neulich von einer streiffenden Rotte jhre [13] Heerde geraubet worden. Wir wollen gehen/ sagte Klajus/und sie besuchen/ unsere Hunde werden indeß die Wacht halten.

Als sie nun solchem Geschrey nachgiengen/ funden sie in der Nähe die Melancholische Schäferin Pamela/die ihr sicherlich einbildete/ sie were das arme und in letzten Zügen liegende Teutschland. In dieser Raserey ließ sie sich vernemen nach folgender Schwarmreden:


Es schlürfen die Pfeiffen/ es würblen die Trumlen/
Die Reuter und Beuter zu Pferde sich tumlen/
Die Donnerkartaunen durchblitzen die Lufft/
Es schüttern die Thäler/ es splittert die Grufft/
Es knirschen die Räder/ es rollen die Wägen/
Es rasselt und prasselt der eiserne Regen/
Ein jeder den Nechsten zu würgen begehrt/
So flinkert/ so blinkert das rasende Schwert.
Ach wer wird mir Ruhe schaffen/
Wann die niemals müde Waffen/
Wüten mit Nahm/ Raub und Brand/
In des Kriegers Mörderhand.
Welche meine Schmertzenflamme
Treiben/ sind vom Teutschen Stamme:
Kein Volk hat mich nie bekriegt
Und den Meinen obgesiegt.
Sehet an die freyen Anken/
Welche man heut nennet Franken/
Haben sie der Galljer Kron
Nicht erhaben in den Thron?
Sehet an der Gothen Ahnen/
Kennet ihr die Löwenfahnen?
Sind sie nicht von alter Zeit
Von der Teutschen Adelheit?
Wie kan dann die Drachengallen
Unter Nahgesipten wallen?
Wie hat doch der Haß forthin
Gantz durchbittert ihren Sinn?
[14]
Meine Söhne/ jhr seyd Brüder/
Leget eure Degen nieder!
Schauet doch mein Mutterherz
Threnen/ ob dem Heldenscherz!
Last ihr euch nicht erbitten erbitterte Brüder?
Sind das dann Freundesitten vereinigter Glieder?
Mein Bitten ist ümsunst/
Umsonst ist alles Bitten/
Die hohe Kriegesbrunst
Läst sich nicht so entschütten.
Sie flammet liechterloh/
Geschwinder als das Stroh/
Die Zehren fliesset ab
Und gräbt der Städte Grab.
Sol dann mich/ mich Mutterland/ meiner Söhne Schand beflekkē?
Und als eine Mördergrub mit verruchten Greul bedekken?
Muß ich da zum Raube werdē/ als des Krieges Jammerbeute/
Und zwar nicht durch fremde Waffen/ sondern meiner Landesleute.
Ihr nicht so meine Söhn'/ erweichet euren Sinn/
Bedenket wer ihr seyd und wer ich Arme bin.

Strefon und Klajus stunden bestürtzt ob dem/ daß die Klugheit in einē so verrükten Gehirn Stat gefunden/ winketen deßwegen einander üm sie ihre Rede vollenden zu lassen. Pamela fuhr mit etwas sanfftmütigeren Geberden fort:


Entzwischen tröstet mich/ daß so viel neue Feben
Erhalten meine Sprach' und Wolkenan erheben;
Was neulich Opitzgeist beginnet auß dem Grund/
Ist ruchtbar und am Tag auß vieler Teutschen Mund.
Sie wendete ihr Angesicht gegen die Schäfer/ sagend;
[15]
Was steht ihr beyde hier? stimmt an ein Todenlied!
Ich segne diese Welt; zwar nicht in gutem Fried'/
Ach wundert ihr hier ob? das rohe Sündenleben
Kan in der bösen Stund kein gutes Ende geben.

Hör Pamela/ sagte Strefon/ wir haben deinen seltzamen Einfällen lang gnug zugehöret/ lieber merke/was sich unlängst begeben:


1

Ein betrübter Schäfersmann
Weidend seine Wollenheerde/
Da der Felsen von der Erde
Stiege/ gleichsam Himmelan.
Als nun seine Schafe tischten/
Siht er aus dem truknen Stein
Wasser triefen Felsenein/
Davon sich die Auen frischten/
Ach/ sprach er/ in sich entrüst:
Hoff'/ da nichts zu hoffen ist!

2

Nach dem stürmt durch das Gras
Wolkenwinde/ Donnerblitzen/
Als in selbes Felses Ritzen
Eine Turteltaube saß.
Wann die schweren Wetter drohen/
Suchet jeder Schutz und Hut;
Sie war schnell dahin geflohen/
Da sie sicher sitz und ruht.
Ach sprach er in sich entrüst:
Hoff/ da nichts zu hoffen ist?!

3

Unter nechstem Weidenbaum
Trieb er/ vor des Wettersflammen/
Seine Heerde bald zusammen/
Daß sie alle hatten Raum/
[16]
Sich zu schützen vor dem Regen;
Bald die Winde wurden still/
Und die Sonn' ihm kam entgegen/
Sung er auf dem Schäferspiel:
Hoffnung deine Seele frist/
Hoff'/ da nichts zu hoffen ist!

4

Ach was/ sagt er/ nach und nach
Denk ich doch mit Fehlverlangen/
Hab ich denn nicht Trost empfangen
Von des Felsens Threnenbach?
Von der Taube sonder Gatten/
Welche hier in Gruften lebt?
Von der Weiden Schutz und Schatten/
Der ob meinem Haubte schwebt?
Ich hoff'/ als ein frommer Christ/
Da auch nichts zu hoffen ist.

Euer Trost/ sagte die Schäferin/ fruchtet nichts bey mir/ dann ich bin das bejochte Teutschland/ und ist ja ein Friede in mir zu hoffen/ so dürffte er doch/ wie ehmals/ bald wider zu Wasser werden.

Ihre Hunde fiengen an zu bellen. Strefon und Klajus nahmē Urlaub von der Pamela/ und als sie vermerkten/ daß es der Heerde nicht zuträglichen/ sie länger in der Sonnen auf dem Anger stehen zu lassen/trieben sie fort/ unter wärenden Hirtengesprechen hörete Klajus ein ungewöhnliches Hämmern/ Pochen und Poltern/ dardurch er verursachet/ Strefon/ als welcher selbiger Gegend bekant/ zu befragen/ was das were? Strefon antwortete: Es ist ein Dratmüle. Wollen wir hinein und sehen/ wie es darinnen hergehet? In Beschauung derselben wurden jhnen/ durch das beharliche Gedöß der ümlauffenden Wellen/ die Ohrē dermassen getäubet/ daß sie/ an ihrer Unterredung gehindert/ ein jeder eine Kreide ergriffen/ und folgendes zu jhrer Gedächtnis angeschrieben: 13


[17] Klajus.

Was raucht und dampfet so? Heu/ daß Vulkan hier sitzet/
Die schnelle Welle walt/ sie täubt/ der Hammer schlagt/
Der Amboß speyt und sprützt/ das alles knakkt und kracht/
Das schwartze Schmiedevolk des lahmen Gottes schwitzet/
Der Balg bläst in die Glut/ der Feuerstrudel hitzet/
Bis daß des Jupiters Geschoß bey stiller Nacht
Mit Brontes/ Steropes/ Pyrakmon ist gemacht.
Sag an Vulkan/ wie kömts/ daß deine Schmiede blitzet?
Ich weiß wol/ was du machst/ du ziehest Drat zu Netzen/
Du wilst gewiß den Mars und seine Venus hetzen 14.
Du schmiedest heut ümsonst/ und steltzest bey den Flammen/
Mars lieget nun zu Feld/ und würget mit dem Degen/
Vielleicht gibt Venus jetzt ein doppelt Paar zusammen/
Dein Schweiß und Fleiß gilt nichts/ laß es nur unterwegen.

Strefon schrieb in Form eines Ambosses also:
Es bewohnen diese Hütten
Troglodyten/
Das Gerücht
Hat der Künste
Lob unnd Prob
Hier gedicht und aufgericht.
Wer wil Stösse heraussertragen/ frage wie viel es geschlagen?

Dieses kohlschwartze Gesinde waren sie kaum vorbeygangen/ als sie noch ein ander Mülwerk stampfen und stossen höreten/ begaben sich demnach jenseit des Wassers/ und befunden über selbiger Thür diese Reimen: 15


Was jederman verwirfft/ halt ich mit Recht für mein.
Höret den Hammer die Lumpen zerklopffen/
Und durch den Pegnitztrieb zerstampffen auf dem Stein/
Sehet/ was brudelt vnd wudelt im Stopffen!
[18]
Der Flächsinlumpenbrey wil Zeug genennet seyn/
Pantschet die Formen und lasset sie tropffen:
Filtzt jeden Bogen wol und streicht ihn Schlittenein/
Diesem Nichts sol man das Wissen einpfroffen. 16
Der du auf diesem Meer mit gutem Glükke fährest/
Machest den Grossen und Kleinen zu lachen;
Wenn du dich übernimst und grossen Ruhm begehrest/
Erweise steten Fleiß und emsig klugen Muht;
Dichte viel nützlich und löbliche Sachen/
Daß unser beyder Werk nicht werd' ein Pfefferhut. 17

Nachdem sie nun die Papyrmüle durchschauet/lasen sie im Herausgehen unter einem Bogen Papyr diesen Lobspruch:


Die Lufftflüchtigen Reden aller Weisen 18
Weren unmerfort in Vergeß geblieben/
Wann die Musen nicht das auf mich geschrieben/
Was man ewiglich pfleget hoch zu preisen.
Seht/ das nichtige/ das die Stämpfel pumpen!
Ist es Silberschnee? eine Nebelwolkken?
Eine Wolle? nein; Milch? nein; weisser Moken?
Nein/ der keines nicht: Es sind alte Lumpen.

Im Rukwege fragete Klajus/ warüm dieser Platz mit Schranken eingefangen were. Strefon antwortete/daß solches vor kurtzen Jahren von den Herren deß Grundes beschehen/ und sagte ferner:


Hier ist der Tummelplatz/ da mancher Rittersmann/
Den schwerbehängten Hengst so vielmal hat beschritten/
Gezähmet und bezaumt/ ja Schulrecht zugeritten/
Und seiner kühnen Faust gemachet unterthan.
Ein Pferd mit langer Mähn/ hoch/ breit von Rük und Brust/
Das unter seinem Mann springt/ beisset/ schlägt/ sich bäumet:
Vergisset seiner Krafft/ wenn es ermüdet schäumet/
Und folget tummelhafft nach deß Besitzers Lust.
[19]
Es schwingt den Eisenschuch/ es weicht deß Schenkels Wink/
Es trapt/ es geht zu rük/ es lernet sacht trottiren/
Pariret im Galop/ beginnt zu corbettiren/
Es kehrt und wendet sich/ wie man wil/ recht und link.
Wie zierlich hebt es doch den Leib in Sprung und Streich?
Erkent der Ruhten Zucht/ springt über Bloch und Schranken.
Soldat du hast dem Pferd das Leben offt zu dancken/
Von solcher Meisterkunst ist diese Heide reich.
Mitten in den Schranken sahen sie einen ablanggeviertē Stein/ welchem diese Reimzeile eingehauen:
Mich tritt des Ritters Fus/ ich helff' ihm bald zu Pferde/
So dienet hohem Stand das niedrig' auf der Erde.

Sie befunden sich nun auf einer aus der Massen lustigen und von der Vogel hellzwitscherenden und zitscherenden Stimlein erhallenden/ Wiesen 19 Reyhenweise besetzet mit gleichausgeschossenen/ krausblätrichten/ dikbelaubten hohen Linden/ welche/ ob sie wol gleiches Alters/ schienen sie doch zu streiten/ als wenn eine die andere übergipflen wolte. Unter denselben waren drey hellqwellende Springbrunnen zu sehen/ die durch das spielende überspülen ihres glatschlüpfrigen Lägers lieblich platscheten und klatscherten. Bey solchem Spatzierlust sange Klajus:


Hellgläntzendes Silber/ mit welchem sich gatten
Der astigen Linden weitstreiffende Schatten/
Deine sanfftkühlend-beruhige Lust
Ist jedem bewust.
Wie solten Kunstahmende Pinsel bemahlen
Die Blätter? die schirmen vor brennenden Strahlen/
Keiner der Stämme/ so grünlich beziert/
Die Ordnung verführt.
Es lisplen und wisplen die schlupfrigen Brunnen/
Von jhnen ist diese Begrünung gerunnen/
Sie schauren, betrauren und fürchten bereit
Die schneyichte Zeit.

[20] Sie spatzierten die Wiesen auf/ und weil Strefons Hütte nicht ferne/ ließ er die Heerde eintreiben/ hernach giengen sie auf die Höhe/ durch welcher Mittel das Gesichte weit und breit ümher seinē Lust zu büssen/ oder vielmehr mit so lieblicher verwirreter Abwechslung der Wälder/ der Felder und Gärten sich unbesättiget zu ersättigē gereitzet wurde Diese Felder/sprach Strefon/ füllen nicht nur die Augen/ sondern tragen zu unsern Tischen Spargen/ Endivien/ Melonen/ Artischoken/ Käsköhl/ Peterlein und viel andere Gartengewächse. Diese Wälder dienen uns zur Höltzung: sie sind bereichert mit unterschiedenen Steinbrüchen/ das bisanhero bemühete Federwild/ ob es zwartē theils in die Winterung verreiset/ muß uns doch die jenige Schaar/ die uns in verwichenen Lentzen die Ohren/ anjetzo die Schüssel und Magen füllen. Ich will geschweigen des schwartz und rohten Wildpräts/ welches häuffig in unsern Höltzern heget/und der mancherley Fische/ die in unsern Flüssen und Weihern ohne Zahl wimmelen. Wie/ sagte Klajus/hab ich doch gelesen 20/ daß in eurem Nordgaw ein solcher unfruchtbarer Boden sey/ da nicht so viel wachse/ daß die Heuschrekkē darvon leben könten. Gemach/ gemach/ sagte Strefon/ unsere Gegend gibt an köstlichen Früchten/ Pomerantzen/ Zitronen/ Granaten/ Feigen/ Welschlande wenig bevor. Die Zeit/welche alles zu verändern pfleget/ hat unseren vor diesem unfruchtbaren Sandboden nach und nach glüklich ausgebauet.

Hier dieser Felsen/ auch die vor mehr als tausend Jahren hierauf erbauete Burg/ sol ein Anfang der Stadt und vom Käiser Nero angeleget worden seyn/wiewol es noch zweiffelhafftig.

Hätten/ fienge Klajus an/ unsere edle/ unverzagte/und von allen Völkern hochgefürchte Teutsche Biederleute mit solchem Fleiß ihre löbliche Heldenthaten aufgeschrieben/ als sie selbe verrichtet/ oder die blutigen Kriege vor etlich hundert Jahren/ mit den Leuten/nicht auch zugleich derselben Gedächtnis ausgerottet/so könten wir von dero tapfern Mannheit/ mänlichen Waffen/ buntbemahlten Schilden/ fiürmst-schrekkenden und wekkenden Lermenschlagen/ rühmlichen Siegen mehr/ als so/ Nachricht haben. Freylich wol/sagte Strefon/ [21] ist es zu betrauren/ aber doch stehe ich im Zweiffel/ ob jenes mehr zu beklagen/ oder über dem sich mehr zu verwundern/ daß seyther die Teutschen einander selbst in die Haar gerahten/ viel hocherwekte Geister sich dahin bemühet und annoch bemühen/ daß/ was das Feuer aufgefressen/ die Regen und Ungewitter von den Steinen ausgewaschen/ die Zeit aus den Metallen gekratzet/ in das Register der Ewigkeit einzutragen/ und dahin zuschreiben/ da es keine Glut noch Flut belangen kan/ daß es die Nachwelt (so anderst eine zu hoffen) bis zur letzten Posaunen lesen wird.

Der Glantz des Himmels/ die Sonne/ hatte/ wie sie aus dem Schatten abnemen kunten/ den Tag weit über die Helffte gebracht/ als das geflügelte Gerüchte/ wie es die Poeten beschreibē/ jnen in einer Wolken entgegē kam/ Es war mit einē klaren Schleier ümhüllet/voller wachenden Augen/ redenden Zungen/ und zum Aufmerken bereiteten Ohren/ der West schertzete mit ihren langen krausen Haarlokken/ welche sich der hohen Goldfarbe vereinbahreten/ sie regete und bewegete ohn Unterlaß die schnellen Flügel/ ihre Beine waren halb gestiefelt und klungē überlaut von den hin- und wieder versetztē Schellen/ wie auch die Arme. In der Rechten führete sie ein Trompeten/ bliesse/ in dieselbe stossend/ folgendes aus:


Löbliche Hirten
Grünend von Myrten/
Singet nun wieder/
Stimmet die Pfeiffen/
Künstlich zu schleiffen
Liebliche Lieder.
Lasset verweilen/
Venus wil heilen/
Doppeltes Lieben/
Doppelte Flammen/
Schlagen zusammen
Sonder Betrüben.
[22]
Eh sich verschiessen/
Herbstlich verfliessen
Blumichte Felder/
Lasset erschallen
Dantzen und Hallen/
Laubichte Wälder.
Freudige Hirten/
Grünend mit Myrten/
Euere Lieder/
Echo die Nymfe/
Um das Gesümpfe/
Singet nun wieder.

Indem sie nun über solche unverwartete Begebenheit nicht allein erschraken/ sondern auch in Zweiffel geriehten/ ob sie stehen oder weichen solten/ schwang das Gerücht die Trompeten/ die sie an einer dikken seidenen Schnur führete/ über das Haubt/ also/ daß sie gewahr wurden/ wie derselben Fahnen ein Lorbeerkrantz eingewirket mit dieser zertheileten Buntschrifft:


Dem Uberwinder


Sie langte Strefon die rechte/ Klajus die lincke Hand/führete sie durch etliche unwegsame Gepüsche/ und stellete sie auf eine schöne Heide gegen dem Tempel der Ehrengedächtnis. Vor dem Eingang dieses Tempels waren auf der rechten Seiten zu sehen der Sieger Palmenbäume/ auf der Linken stetsgrünende Cypressen: Zwischen beyden die Göttin Pallas/ haltend auf einem eröffneten Buch eine Lantze/ unter welches Spitze ein schwartz-weiß- und rohtes dreyzänkichtes Fähnlein schwebete: In der linken Hand hatte sie einē Schild mit dem Tetzel/ Haller und Schlüsselfelder Wapen ausgemahlet/ daraus dann leichtlich abzusehen/ daß dieser Tempel der Tapferkeit und Geschiklichkeit gewidmet worden.

[23] In dem Fusgestelle besagter Seule sahe man der Pallas Nachteule/ in den Klauen haltend diese Schrifft:


Such Ehre bey deines Gleichen 21


Dieser Tempel war von roht-weiß- und schwartzdurchstreifften Marmol rund gebauet/ mit zween grossen aufeinander treffenden Thüren/ oben mit einem weiten Liechtloch/ ümsetzet mit hohen Jönischen Seulwerken/ zwischen welchen vorermeldte Bäume wechselsweise vor langen Jahren gepflantzet/mit jhren Aesten das Gebäw gleichsam bedachend.

Nachdem sie nun dieses alles von aussen zur Gnüge betrachtet/ kunten sie leichtlich abnemen/ daß solcher/ nicht ohne der Musen/ als der Gedächtnis-Töchter 22/ Zuthun/ aufgerichtet were/ freueten sich deßwegen dem Gerüchte hineinzufolgen.

Inwendig sahen sie zur Rechten und Linken unterschiedene Bilderseulen/ theils in gantzen Kürissen/theils in langen Ehrenrökken Lebensgrösse aufgerichtet/ stehende auf erhabenen Fusgestellen/ welchen jedesmal eine kurtze Schrifft eingearbeitet war/ in der Oberleisten den Namē des Daraufstehenden/ und in der ablangen Rundung desselben Tugendlob/ zu bedeuten.

Als nun das Gerücht vermerkte/ wie die zween Schäfer ob so unverhoffter Begegnis stillschweigend erstarret/ Ach/ sprach es/ lasset euch die Bildnis dieser Helden nicht erschrekken/ sondern betrachtet vielmehr/ wie die Warheit/ welche mit mir dieses Orts verschwestert/ diesen Tempel der Gedächtnis/ zu stetsbleibender Nachfolge so ansehnlicher/ redlicher/wolverdienter alten Teutschen aufgeführet/ und allen Titteltand/ den die Heucheley vielmal anzuschmitzen pflegt/ an seinē Ort verbleiben lassen. Einmal ist die Tugend in ihren Erben unsterblich/ und könte ich auch dieser Altadelichen Ahnen von vielen hundert Jahren hero vorweisen/ wann die geschwinde Zeit uns aufzuhalten vergönnete. Dises mal werdet ihr aus gegenwärtigem gnug zu lesen und zu lernen haben.

Mit solchem Verlauff beginte Strefon auf der Rechten/ Klajus auf der Linken zu lesen:


[24] Strefon.
Wilhelm Schlüsselfelder 23.
Ich hab das Schlüsselfeld im Segen aufgeschlossen/
Zweymal eilf Aeste sind aus meinem Stamm entsprossen.
Mir war in dieser Statt das Bauwerk anvertraut/
Und lebe nun bey Gott/ auf den ich hier gebaut.
Klajus.
Wilibald Schlüsselfelder 24.
So lang die Pfeiler fest/ kan kein Gebäue wanken:
So lang ich hab regiert mit reiffen Rahtsgedanken/
Stund Statt und Regiment in Ruh und vollem Flor/
Jetzt lob' ich meinen Gott dort in der Engel Chor.
Strefon.
Carl Schlüsselfelder 25.
Es hat den Leichenstein die Gottesfurcht gesetzet/
Der Burger Zehrenflut hat diß darauf geetzet:
Hier liegt Aufrichtigkeit/ und alte Teutsche Treu/
Die sich verjünget weist in seinen Söhnen neu.
Klajus.
Carl Schlüsselfelder 26.
Ob mich der schnelle Tod urplötzlich hingerafft/
Bin ich dem Regiment doch rühmlich vorgestanden/
Mein Nam ist in der Kirch und Schule noch vorhanden/
Nunmehro ist mir kund die Himmelswissenschafft.
Strefon.
Wilhelm Haller 27.
Burgund hat mich/ als seinen Raht/ geehrt/
Das Ungerland in Botschafft angehört:
Der Käiser 28 selbst hat sich auf mich gesteuret/
Und meines Stamms Befreyungen erneuret.
Klajus.
Jobst Tetzel 29.
Ein Mann solt lieber stehn zuförderst an der Spitzen
Im Krieg'/ als in dem Raht auf Sorgenstülen sitzen.
Wem diese Last bewust/ der reist sich nicht darnach/
In meinem Ehrenrokk stak' alles Ungemach.
[25] Strefon.
Wilhelm Haller 30.
Mir hat die Kunst gebracht die Gunst der Potentaten/ 31
Sie brauchten meine Dienst und treugeflissnes Rahten.
Ich hab der Sternen Lauf auf Erden musicirt/
Bis mich der Engelschaar in ihren Chor geführt.
Klajus.
Friedrich Tetzel 32.
Ich traf' auf meinen Feind mit nie verzagtem Mut/
Und hab in mancher Schlacht gewaget Leib und Blut.
Mein recht behertztes Hertz hat mir viel Lob erworben/
Der Leib ist abgeseelt/ mein Ruhm ist ungestorben.
Strefon.
Hans Haller 33.
Das mir vertraute Pfund hab ich wol angewendet/
Nach aller Müglichkeit des Landespfleg verdient/
Hat mir der grimme Tod des Lebensziel geendet/
Verweset mein Gebein/ mein Name stetig grünt.
Klajus.
Jobst Tetzel 34.
Solte die Gerechtigkeit
Schreiben auf den Marmorstein/
Was verleschet keine Zeit/
Würde diß zu lesen seyn:
Welchen hier der Tod gefährt/
War deß Lebens ewig wehrt.
Strefon.
Hans Jacob Haller 35.
Mich hat so mancher Fürst in Gnaden angeschauet/
Der Wildgehegte Wald war meiner Treu vertrauet/
In dem ich nun die Bahn mit meinem Zeug ümstellt/
Hat mich der Menschenfeind durch seinen Pfeil gefällt.
Klajus.
Carl Tetzel 36.
Wie wol verbrüdert sich die Feder und der Degen?
Wie jener Klugheit schwebt in Friedenszeit empor:
So blikkt in Kriegesnoht des Helden Schwert hervor/
Es war zu meiner Zeit mir beydes angelegen.

[26] Bey dem Ausgang dieses Tempels waren noch zwey Gestelle/ jedoch ohne Seulen zu sehen: Dieweiln/ sprach das Gerücht/ die Söhne dieser letzten Herren/ dieser Zeit/ noch lebendige Seulen ihres Vaterlandes sind/ und (nach meinem wolgemeinten hertzlichen Wunsch) viel und lange Jahre mit gesegnetem Wolergehen bleiben werden/ sind ihre Bildnisse der Orte noch nicht beykommen. Dieses/ auf die Rechte deutend/ sprach sie: 37


Teutscher Treue Tugendhaab 38
Sind der Jahre heller Schein/
Solche reiche Himmelsgab'
Hallet nach dem Leichenstein.

Von dem Seulgestelle zur linken Hand sagte sie dieses:

Sein Verstand und Ehrenstand 39
Ist der wahren Tugend Pfand.
Statt und Land bekennet/
Daß er beyder MUND und HAND
Werde recht genennet.

Hiermit führet sie die Schäfer ausser den Tempel in einē nechstangelegenen Garten/ in welchem die Natur unn die Kunst (wie sie bedünkte) sich in Gärtnersleute verkleidet/ die Pflege und Bauung desselbigen unternommen: Dann obwol wenig zu hinfallender Zierde dienliche Herbstblumen aldar befindlich/ so waren doch hingegen die Bäume mit vielen schätzbaren Früchten überlastet/ unter denen die ringsten etliche grosse Kürbisse/ so wegen jhrer Schrifften die Schäfer sehwürdig erachteten.

[27] Der erste war bezeichnet mit diesem Reimzeilen:



Lieb' in Gegenlieb' erhitzt
Hat mir dieses eingeritzt.

Der ander weisete dieses Rähtsel


Nim das Haubt und Schwantz vom Raben/
Was verbleibet/ sol uns laben.

Dieses/ sagte Strefon/ ist ein Rähtsel nach deß Scaligers 40 Erfindungen: das Haubt von dem Wort Rab ist R/ der Schwantz B/ verbleibet also/ wenn man diese beyde Buchstaben aus dem Wort Kürbß nimmet/ das Stammwort 41 Küß/ welches die jenigen/ die solches eingeschnitten/ vielleicht in ihrer Liebeskrankheit für das kräftigste Labsal gehalten.


Dem dritten waren diese Wort eingeschnitten:


Aus vier werden zwey/ aus zweyen werd' ein par/
So bald die Sonne läufft in zwilling nechstes Jahr.

[28] Auf dem vierten/ der viel grösser als die andern war/ sahen sie


Und sagte die Schrifft des Kürbß:

Wann ich auch bin halb geschrunden/
Werden diese Liebeszeichen/
Welche Tugendhuld verbunden/
Nie von meiner Härte weichen.

Nach diesem schwang sich das Gerüchte wieder in die Höhe/ ergriff die Trompeten und versprache/ solche/ als einen Preis aufzuwerffen und dem zu überreichen/ welcher unter ihnen beyden das schiklichste Gedicht von gedachten Herren herstammenden Hochzeitern und Hochzeiterinnen zu Ehren werde hören lassen.

Sie errinnerten sich/ daß solches Theil ihre Pflichtschuldigkeit erforderte/ theils die hohe Gunstgewogenheit/ welche obberührte Herren und anjetzo getrauete liebe Angehörige zu ihren Liedern tragen.

Nachdem sie dem Gerüchte gebührliche Ehrerbietung erwiesen/ satzten sie sich unter den nechsten Baum/ und fieng Strefon an also zu fragen: 42


Was ist die Lieb'?


Klajus.

ein ungeheure Glut/
Die glimmt und flammt in jedem jungen Blut.
Was ist die Lieb'?
Strefon.

Ein brünstiges Verlangen/
In Gegenhuld die Liebste zu ümfangen.
[29]
Was ist die Lieb'?
Klajus.

Ein Traum der Eitelkeit/
Der Pfeil geschwind verrauschet mit der Zeit.
Was ist die Lieb'?
Strefon.

Ein Band vereinter Hertzen/
In Freud und Leid/ in Schertzen und im Schmertzen.
Was ist die Lieb'?
Klajus.

Ein eitle Hoffnungssucht/
Wie Tantalus geneust der schnöden Frucht.
Was ist die Lieb'?
Strefon.

Ein Anker der Gewissen/
Den in der Eh kein Unglük ausgerissen
Was ist die Lieb'?
Klajus.

Ein windgetriebnes Rad/
Das in der Flucht sein schnelles Wesen hat.
Was ist die Lieb'?
Strefon.

Ein Schatz/ den man besitzet
Mit Tugendgeitz und niemals sat benützet.
Was ist die Lieb'?
Klajus.

Ein unbewandert Kind/
Das auch in nichts verlachte Freude findt.
Was ist die Lieb'?
Strefon.

Ein stets versüstes Leben/
Das Gott der HERR den Frommen pflegt zu geben.
Was ist die Lieb'?
Klajus.

Die kurtze Tyranney
Von der Verstand uns machet Fesselfrey.
Was ist die Lieb'?
Strefon.

Ich weiß nicht mehr zu sagen/
Wir wollen früh die beyden Bräute fragen.

Klajus gabe darauf zur Antwort: Es ist ein grosser Unterschied zwischen Bulen- und Ehelichen Lieben/und solcher gestalt haben [30] wir beyde recht. Wol/ sagte Strefon/ so wollen wir nun von dem Ehstand allein sagen:


Strefon.

Alles was lebet und webet/ das liebet/
Klajus.

Alles was liebet/ ist stetig betrübet.
Strefon.

Alles was wächset/ besämet sich auch.
Klajus.

Dichtet jhr solches nach Fabelgebrauch?
Strefon.

Einsame Menschen das ärgste beginnen.
Klajus.

Freylich nach irdischn und fleischlichen Sinnen.
Strefon.

Sonder die Ehe zergienge die Welt.
Klajus.

Mittelst der Ehe zerschmiltzet das Geld.
Strefon.

Fallen wir/ lieber wer hilfet uns wieder.
Klajus.

Solche Gehülffen die stossen uns nieder.
Strefon.

Weiberlein bleiben den Männeren treu.
Klajus.

Weiber Betrügen wird täglichen neu.
Strefon.

Sehet/ wir leben in unseren Söhnen.
Klajus.

Selbe sich öffters zum Bösen gewöhnen.
Strefon.

Kinderlein mehren uns hertzliche Freud.
Klajus.

Kinder die machen auch schmertzliches Leid.
Strefon.

Frauen erfreuen die Männer im Hertzen.
Klajus.

Eva gebahre den Männeren Schmertzen.
Strefon.

Selbe ward Adam vom Herren gemacht/
Klajus.

Selbe hat alles Verderben gebracht.
Strefon.

Es werden auch solches die Bräutgam bekennen/
Klajus.

Strefon pflegt richtige Zeugen zu nennen.

Fuhre darauf ferners fort/ sagend: Mein Strefon/wie ich ihm jetzo nur schertzweise Obstat gehalten/also will ich in einer andern Reimart seine Meinung behaubten/ er wird verständlich miteinstimmen.


Klajus.

Wie lebt doch der bey Menschen auf der Erden/
Der niemand liebt/ und nicht geliebt wil werden?
Diß Gantze hier/ Gott/ Thiere/ Kräuter/ Stein/
Das sol und muß der Liebe dienstlich seyn.
[31] Strefon.

Den lieben Gott hat Lieben hoch bewogen/
Daß er gewölbt die blauen Himmels Bogen/
Und aufgeführt der runden Erden Zelt/
Auf welcher lebt der Mensch/ die kleine Welt.
Klajus.

Von obenher liebäugelt in die Ferne/
Und lacht uns an das blanke Heer der Sterne/
Der Sonnen Rad wirfft sein Goldgülden Liecht
Auf Cynthien/ der lieben Angesicht.
Strefon.

Ist Febus weg/ stekt auf die Silberflamme
Frau Delia/ der Himmelsliechter Amme/
Sie küst ihr Lieb/ ihr zweygespitztes Liecht
Ist einig auf Endymion 43 gericht.
Klajus.

Der Venusstern/ der mit der Sonn' aufstehet/
Und auch mit ihr zu Ruhe wiedergehet/
Vermeldt der Welt/ wenn es sey liebens Zeit/
Und bläset ab den sanfften Federstreit.
Strefon.

Das wilde Wild die ungezähmten Schaaren/
In heisser Brunst verliebt/ sich freundlich paaren:
Je mehr der Fisch 44 durch tieffe Teuffen schwimt/
Jemehr in ihm das Liebesfeuer glimt.
Klajus.

Die Taube sucht im Schnäbeln ihr Vernügen/
Weiß streichlende die Flügel anzubiegen/
Liebt ohne Scheu in keuscher Ehezucht/
Und kostet offt die Zukkersüsse Frucht.
Strefon.

Im Fall der West geschwängert Thal und Hügel/
Wie buhlet doch üm Heuraht das Geflügel/
Es mühet sich/ baut auf sein kleines Hauß/
Die Wöchnerin hegt ihre Jungen aus.
Klajus.

Aus Liebespein beschwängern sich die Steine/
Es freuen sich die Hochbegrünten Haine/
Der Weinstok drükt den Rüstbaum an die Brust/
Die Sonnenblum 45 erfreuet Febus Lust/
[32] Strefon.

Ihr Lieb/ wenn es von Ost in Westen fähret/
Begleitet 46 sie/ kein Auge nicht verkehret/
Wenn es im Meer des Saltzes Schlaftrunk trinkt/
Entschläfft sie auch/ ihr gelbes Haubt das sinkt.
Klajus.

Es lieben sich die Bergsäfft und Metallen/
Sie färben sich einander zu gefallen.
Magnet der liebt den Stahl/ des Eisens Kern/
Zeucht ihn an sich durch stumme Krafft von fern.
Strefon.

Der schöne Mensch/ wie sol doch der nicht lieben?
Wie wird er nicht zum Lieben angetrieben?
Wie Göttlich ist geschmükkt der Seelen Haus/
Die Liebe blitzt aus beyden Fenstern aus.
Klajus.

Wie zieret doch des Himmels theure Wahre
Des Häubtes Kleid/ die Goldgemengten Haare/
Der Sinnen Schloß/ das wachende Gehirn?
Wie flinkt und blinkt das doppelte Gestirn?
Strefon.

Die Wangen sind von Marmor aufgeführet/
Und durch und durch mit Purpurroht schattiret.
Des Hertzens Thür verpfälet Helfenbein/
Von aussen leucht der Rosen hoher Schein.
Klajus.

Auch dieses hat das doppelpaar zum Lieben/
Voraus das Hertz zum Lieben angetrieben/
Hertz gegen Hertz in keuscher Lieb entzündt/
Liebt täglich mehr und neue Glut gewinnt.
Strefon.

Gleichwie ein Liecht dem andern Liecht kan geben/
So hat die Lieb von Gegenliebe Leben/
Daß Menschen/ Lufft/ Glut/ Bäume/ Steine/ Meer/
Noch sind/ das kömt von Gegenliebe her.
Klajus.

So liebet nun ihr wolgepaarten Viere
Wie Gott/ Sonn/ Mond/ Wild/ Wald/ Metallen/ Thiere/
Strefon.

So lange Gott liebt seines Himmelsfuß/
Den Mittelpunkt/ der Früchte tragen muß.
[33] Klajus.

So lang die Sonn/ der Wagenherr der Erden/
Die Welt ümreist mit neugespanten Pferden/
Strefon.

So lang die Nacht die Träumerin uns schrekkt/
Und ihren Saal mit Sternensaat bedekkt.
Klajus.

So lange wird in den verborgnen Gängen
Das Schuppenvolk mit Streichen sich vermengen/
Strefon.

So lang das Wild in Hölen Junge hegt/
So lang im Wald der Vogel Eyer legt/
Klajus.

So lang der Stein des Eisens Last wird heben/
Die 47 Ulme liebt die sorgenlosen Reben/
Strefon.

So lang der Mensch hier liebet auf der Welt/
Ja/ biß einmal die Welt in Hauffen fält.

Weiter fragte
Strefon.

Was wünschen wir diesen gedoppelten Beyden.
Klajus.

Sie leben und schweben beharlich in Freuden.
Strefon.

Sie zehlen so manche glükkselige Stunden.
So mancherley Blümelein werden gefunden.
Klajus.

So mancherley Früchte/ so mancherley Trauben.
So mancherley Blätter die Bäume belauben.
Strefon.

So mancherley Sterne den Himmel bezieren.
So mancherley Stimmen die Vogel ümführen.
Klajus.

So mancherley Wellen sich schwellen und wallen.
So mancherley Farben in bunten Metallen.
Strefon.

So mancherley Ströme die Erde durchgiessen.
So mancherley Qwellen in Felsen entspriessen.
Klajus.

So mancherley Gattung der schwimmenden Heere.
So mancherley Wunder im saltzigten Meere.
Strefon.

So mancherley Tropfen beperlen die Auen.
So mancherley Garben die Dörfer erbauen.
Klajus.

So mancherley Halmen die Scheuren erfüllen.
So mancherley Körner die Hungerigen stillen.
Strefon.

So mancherley Stralen die Reben erhitzen.
So mancherley Beere die Kelter bespritzen.
[34] Klajus.

So mancherley Kräuter das Bienlein beküsset.
Strefon.

Ihr Leben sey mehrer und mehrers versüsset.

Dieses ist fast gemein/ sagte Klajus/ folgendes soll mehr Kunst erheischen:

Vier fromme Hertzen hertzen/
In keuscher Lieb entzündt/
Nicht von der Venus Kertzen/
Noch von dem blinden Kind/
Vier Seelen und zwey Hertzen/
Die kein Leid soll betrüben/
In lieber Liebe schertzen/
Ach freudenreicher Gott gib/ daß sie frölich lieben!
Strefon.

Der Rüstbaum liebt die Reben/
Der Mann sein liebes Weib/
Durch liebes Taubenleben
Verbindt sich Leib mit Leib/
Durch überreichen Segen
Befrüchtet ohn verschieben
Den Akkerbau der Regen/
Ach Segenreicher Gott gib/ daß sie reichlich lieben!
Klajus.

Das Himmelkind die Tugend/
Die Gott und Menschen liebt/
Erleuchtet ihre Jugend/
Gleichwie die Sonne giebt/
Dem Mond ihr gülden Stükke;
Also der Mann der Rieben
Viel tausend Liebesblikke/
Ach Güttereicher Gott gib/ daß sie freundlich lieben!
[35] Strefon.

Die Männin wird stets kleben
Am Mann in Lieb und Leid.
Kein Hader wird sich heben/
Kein Eifersucht noch Streit:
Sein Winken ist ihr Wollen/
In allen/ was sie üben/
Sie leben/ wie sie sollen/
Ach Friedenreicher Gott gib/ daß sie friedlich lieben!
Klajus.

Sie werden stets geniessen
Des Liebens Ehrenpreiß/
Ihr Ehestand und Gewissen
Verbleibet Liljenweiß/
Kömt gleich der Tod gezogen/
Ihr Nam ist angeschrieben
Dort in den Sternenbogen/
Ach Gnadenreicher Gott gib/ daß sie selig lieben!
Strefon.

Der Sonnen Flammenpferde
Vergülden diesen Tag!
Es jauchtzet Lufft und Erde/
Und was sich freuen mag!
Die neuen Kunstpoeten/
Vom Himmel angetrieben/
Die singen in die Flöten/
Ach Lebensreicher Gott gib/ daß sie ewig lieben!

Ich will ein neues anfangen/ sagte Strefon/ was gilts/ ich will hiermit den Sieg erhalten/ und die beständige Liebe der neuen Ehleute/ so viel müglich/ausdrükken.


[36]
Es verbleibe bey jhnen ehliche Wonne/
Bis die schweiffende Pegnitz kehret zur Qwell.

Klajus.

und die tunkeln Nächte werden so hell/
Wie taget die Sonne.
Strefon.

Bis der stralende Sommer eiset und schneiet.
Klajus.

Bis der gläntzende Lentz bereiffet den Wein.
Strefon.

Bis der schaurige Herbst befeuchtet den Stein/
Und Röselein streuet.
Klajus.

Bis gelbgrünliche Frösche spinnen die Seide.
Strefon.

Bis der Schwanenhals werde düster und schwartz.
Klajus.

Bis das Eisen verbrennt zu fliessendem Hartz/
Und dienet zur Weide.
Strefon.

Bis der schüchtere Storch dem Winter nicht weichet.
Klajus.

Bis die grimmige Wölfin liebet das Schaf.
Strefon.

Bis der Trunkene hasst den ruhigen Schlaf/
Die Raben erbleichen.
Klajus.

Bis des sichtigen Luchses Flekken vergehen.
Strefon.

Bis dem Adeler nach den Mukken verlangt.
Klajus.

Bis die Spinnenweb in der Fliegen behangt/
Die Flüsse bestehen.

Strefon/ Unmuths voll/ sagte/ lieber/ was ist das Gedicht ohne sonders tiefsinnige/ nachdenkliche und unverwartete Erfindung? Wir wollen vielmehr bedacht seyn etwas besonders aufzuführen/ zum Anfange bringe ich ein Reyhenlied unter dem Namen der Musen oder freien Künste an die Pegnitz-Najaden dergestalt hören zu lassen:


Ihr Pegnitz-Najaden verziehet zu giessen/
Und eilet die doppelgepaarten zu grüssen/
Bezirket den Reyhen
Mit Jauchtzen und Schreyen;
Wir sehen euch gläntzen
Bekrönet mit Kräntzen.
[37]
Zu Ehren den Zweyen/
Beginnet zu springen/
Wir wollen ein fröliches Liedelein klingen.

Klajus.

Verweilet ihr Nymfen und lasset nicht schiessen/
Das helle/ das schnelle/ das schlüpfrende Fliessen!
Wir wollen uns freuen/
Kein Ungelük scheuen/
In unseren Grentzen/
Auch ohne den Lentzen/
Violen herstreuen/
Uns wird es gelingen/
Wir wollen das Reyhenlied Wolkenan schwingen
Strefon.

Sie sollen und wollen der Liebe geniessen/
Das lange, das bange Verlangen versussen.
Eh kömmet der Meyen/
Die Erden zu neuen/
Eh gläntzet der Lentzen/
In unseren Grentzen/
Die Felder zu weyhen/
Sie werden so ringen/
Daß jederman höret die Wiegen besingen.
Klajus.

Wir lassen uns keine Bemühung verdrüssen/
Von unseren Helicon Lieder entsprüssen/
Die reiffes Gedeyen
Und Segen verleyen;
Die Mängel ergäntzen/
Den Frieden bekräntzen/
Daß niemals sich zweyen/
Die Liebe bezwingen/
Und nächtlich- und tägliche Liebeskost bringen.

[38] Es dürften uns fast in dieser Art die Reimwörter gebrechen/ darauf Strefon antwortete: Der Poet muß solche meistern können/ und sie ihm zu seinem Behuf dienen machen/ denselben aber nicht unterworffen seyn. Klajus wolte auch nicht der letzte seyn/ brachte seinen Aufzug von den vier Jahrszeiten/ richtete selben auf die vier Ehevertraute/ forderte Strefon aus ihm nachzuamen:


Früling.

Klajus.

Die Sonne steiget auf/ die Fürstin der Planeten/
Strefon.

Erzeugt auf eine Zeit den Lentzen und Poeten/ 48
Klajus.

Hör Flora Frülingskind/ was schenken wir der Braut/
Der Blumen dieses Orts/ die heute wird getraut?
Strefon.

Es bläst der sanffte West/ der Schlüssel dieser Felder.
Klajus.

Der helle Gegenhall/ erschallet durch die Wälder/
Vermählet sich der Lufft/
Strefon.

Nemt an von lieber Hand
Die Tulpe, die gemahlt Natur und Kunstverstand/
Der Gärten Sinnebild 49/
Klajus.

Sie ist mit Blut besprützet/
Strefon.

Gedüppelt/
Klajus.

Himmelblau. 50
Strefon.

Gesprenkelt/
Klajus.

wundgeritzet/
Strefon.

Ihr Kleid ist gelblichroht/
Klajus.

geflammet/
Strefon.

schammarirt/
Klajus.

Voraus hat sie sich heut auf dieses Fest geziert. 51

Sommer.
Strefon.

Die Sonne steiget auf/ das Hertze der Planeten.
Klajus.

Wird der Poeten Volk verstummen und erröhten?
Strefon.

Hör Ceres/ Sommerkind/ was schenken wir der Braut/
Der Krone dieser Zeit/ die heute wird getraut?
Klajus.

Die Lufft/ die kühle Lufft/ wie kan sie doch erqwikken/
Was sonst die Liebesglut pflegt plötzlich zu erstikken/
Strefon.

Nemt an von lieber Hand/ der weissen Liljen Pracht/
Dem weisen Salomon vom Höchsten gleich geacht/
[39] Klajus.

Sie blüt dem Scepter gleich/ gestengelt/ 52
Strefon.

hochgerühmet/
Klajus.

Versilbert/
Strefon.

Wolkenblau/
Klajus.

Goldgelb/
Strefon.

Milchweiß/
Klajus.

bestriemet/
Strefon.

Ihr Hertz ist von Safran/
Klajus.

bestralet/
Strefon.

feuerroht/
Klajus.

Sie kühlt der Augen Brand/
Strefon.

vertreibt die schwere Noht.

Herbst.
Klajus.

Die Sonne senket sich/ das Auge der Planeten/
Strefon.

Sie senket ihre Krafft/ begeistert die Poeten/
Klajus.

Hör Bacchus/ Traubenmann/ komm doch du lieber Gast/
Strefon.

Entnim dem Bräutigam der blassen Sorgen Last.
Klajus.

Der Reiff/ der frische Reiff bereiffet Laub und Trauben.
Strefon.

Wir müssen auf das Fest den Rebenstok berauben/
Klajus.

Nemt an von lieber Hand der Erden Kelterblut/
Das störet Schmertzenspein und labet unsern Muht.
Strefon.

Das liebe Zehrlein Wein/
Klajus.

der süsse Freudenwekker/
Strefon.

Lustbringer/
Klajus.

Versefreund/
Strefon.

Hertzgeber/ 53
Klajus.

Sinnentdekker/
Klajus.

Der Wetzstein unser Kunst ist in Sapphier gebildt/
Strefon.

Der alten Männer-Milch/
Klajus.

der Jugend Wehr und Schild.

Winter.
Klajus.

Die Sonne neiget sich/ der König der Planeten.
Strefon.

Es sitzen üm das Feur die Künstlenden Poeten.
Klajus.

Sylvan/ hör Wäldnersmann/ bring dürres Reiß geschwind/
Strefon.

Ach nein/ die Bräutigam sind vor in Lieb entzündt/
Klajus.

Wenn ietzt der Norden heult/ und nirgend nichts erwarmet/
So flammt die Liebesglut/ in dem ihr euch ümarmet.
Strefon.

Nemt an von armer Hand/ die grüne Rosmarin.
Klajus.

Und auf das Hochzeitfest den feisten Fakkelkün. 54
Strefon.

Das nimmerwelke Kraut/ die Tafeln zu bezieren.
Klajus.

Das hartzgepichte Holtz/ die Gäste heimzuführen.
Strefon.

Es gläntzt die Rosmarin und kräntzt die Trachten dort.
Klajus.

Auf/ stekt die Fakkeln an/ die Gäste gehen fort.

[40] Dieses/ sagte Strefon/ ist von der Sonnen Jahrlauff abgesehen/ ich setze entgegen einen Aufzug von der Abtheilung des Tages und der Nacht; dergestalt/ daß der Morgen etwas von der Erden/ der Mittaget was aus dem Wasser/ der Abend etwas aus der Lufft/ Mitternacht etwas aus dem Feuer auf vorwesende Hochzeit verehre: und bedinge absonderlich/ daß meine Reimendungen/ wie zuvor/ jedoch so viel ohne Zwang thunlich/ behalten werden sollen.


1.
Als die frühe Morgenwacht
Ihre Fakkel aufgestekket/
Ja/ die jüngstverwichne Nacht
Aus der stillen Ruh gebracht/
Und erwekket;
Hört ich ein Getümmel wallen/
Wo das helle Jägerhifft
Durch die Sümpf und Thäler trifft/
Und der Erden Stimm erschallen:
Hört ihr Jäger! bindet an
Auf dem Plan/
Suchet durch das Nordgefild/
Wo der Hirsch in Brünsten brült/
Ihr seyd auf der rechten Bahn/
Alles wild
Das ihr werdet heut bestrikken/
Will ich auf die Hochzeit schikken.
2. Klajus.

Als der güldne Sonnenpracht
Seine Flammen aufgestekket/
Aller strengen Stralen Macht
An des Himmels Höh gebracht/
Und entdekket;
[41]
Sah' ich ein Gewimmel wallen/
Wo der nasse Fischer schifft/
Und auf seine Reusen trifft/
Unser Pegnitz Wasser lallen:
Hört ihr Fischer! euren Kahn
Lendt hier an/
Wo das Schuppenheer verhüllt/
Und die trüben Wirbel füllt/
Ihr seyd auf der rechten Bahn/
wol gewillt.
Was ihr werdet heut bestrikken/
Will ich auf die Hochzeit schikken.
3. Strefon.

Als des braunen Abends Wacht
Die Lateren ausgestekket/
Und zu Anfang jener Nacht
Seines blassen Monden Pracht
ausgestrekket;
Hört ich ein Geflatter prallen/
Wo der reine Gegenhall
Reimet mit der Nachtigall/
In der Lufft diß Wort gefallen:
Hört/ ihr Vogler! haltet an
Auf den Plan/
Schnürt die Schnepfen/ wann er rufft/
Dekkt die Lerchen in der Grufft/
Ihr seid auf der guten Bahn/
was die Lufft
Euch wird geben zu bestrikken/
Will ich auf die Hochzeit schikken.
[42] 4. Klajus.

Als die finstre Schattenwacht
Uns verdüstert und verdekket/
Und die Furcht üm Mitternacht
Ihre schwartzverblendte Macht
ausgehekket;
Sah ich Feuerflammen wallen/
Nechst dem schwartzen Schorsteinhut/
Blinken eine Kohlenglut/
Und auch dieses Wort erschallen:
Hört ihr Köche! zündet an
diesen Span!
Wisset ihr nicht eure Pflicht?
Würget/ brüet/ machet schicht/
Jeder schaffe/ was er kan/
Die Gericht
Habt ihr jetzt vor Tag zu spikken:
Ich will sie zur Tafel schikken.

Klajus sagte darauf/ wir wollen noch eins von der Vierten Zahl Buchnerisiren/ und wann es Strefon beliebet/ so wollen wir diesen Gevierten Verliebten mit Vieren nachahmen!


Strefon.ViererleyLetteren melden der

Höhesten heiligen Namen.

Klajus.ViererleyStröme durchgiessen

die rundlichbezirkte Welt.

Strefon.ViererleyWinde besausen der

schwülstigen Segel Gezelt.

Klajus.ViererleyGüldene Ringe verfassen

die Arche des Bundes.

Strefon.ViererleySchreiber bemerken die Rede

des Göttlichen Mundes. 55

Klajus.ViererleyTheile des Himmels die

lauffende Sonne bestralt.

Strefon.ViererleyKönige haben die

mächtigsten Reiche bepfalt.

Klajus.ViererleyTugenden leuchten in

heiligen Hertzen hervor.

Strefon.ViererleyStimmen verbinden der

Singekunst lieblichen Chor.

Klajus.ViererleyTheile der Erden hat jüngsten

Kolumbus ümfahren.

Strefon.ViererleyKünste hochsteigend-feurbrünstige

Geister bewahren.


[43] Ferners weil hier noch kein Wunsch angefüget/wollen wir von den V.I.E.R. Buchstaben in dem Worte Vier/ auf der Gesprächspiel Art/ denselben dergestalt verabfassen/ daß das Gewünschte darnach anfange:


Was ihr Verlangen heischt/ erwünsch ich allen Vieren.


Klajus.

Daß sie viel lange Jahr' in gutem Frieden seyn.
Strefon.

Daß sie der Ehrenstand mög' ehest hoch bezieren.
Klajus.

Es regne Reiches Gut zu ihren Fenstern ein.

Strefon.

Ob sie wol die Natur mit obenerwehnten Ahnen und Fahnen geehret/ die Gunst grosser Potentaten mit Schild und Helm bezieret/ das Glükk mit Renten und Zinsen beschenket/ so haben doch beyde Herren Hochzeitere nicht unterlassen/ solche Gaben mit selbsterworbenem würklichen Tugendruhm zu vermehren/ und die Erlernung allerhand freyen Künste/frembder Sprachen und Rittermässigen Ubungen/nicht allein in ihrem Vaterland angefangen/ sondern auch selbe in Besuchungen der Freyheitliebenden Niederlanden/ des höflichen Frankreichs/ und des klugen Welschlandes/ fortgesetzet und ausgeübet.

Nicht weniger sind beyde Edele Hochzeiterinnen mit doppelter Schönheit/ des Gemühtes und des Leibes/ Tugendlöblich begabet/ daß sie also/ allerseits/unsers Wunsches nicht von Nöhten haben.

Das Gerücht gab jhnen zu verstehen/ sie solten hiervon stille schweigen/ weil solches Stattkündig/ sie auch aus hohen Personen wolanständiger Demut von ihnen nicht wolten rühmen lassen/ was auch die Warheit selbsten redete/ und vielmehr den aufgeworfenen Dank zu versingen fortfahren.

Strefon stund in Gedanken/ was er mehr anfangen solte/ in dem fiel ihm bey/ wie Virgilius einsmals etzliche halbe Reimzeilen angeschrieben/ zu erfahren/ ob sich jemand/ dieselbe zu ergäntzen/ unterfangen würde 56/ sagte darauf von Braut und Bräutigam:


[44]

Strefon.Sie fragenDaß jüngst der Pabst gestorben.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Daß Bicchi Fried gemacht.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenWas Malta heur erworben.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Was Parma nimt in Acht.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenWas Frankreich hat erkrieget.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Was Meyland eingebüst.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenWas Portugal besieget.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Was Spanien gelüst.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenWas Barcellone spalte.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen nicht Daß Lerida dahin.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenOb Terragona halte.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Was Arragon im Sinn.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenDaß nun der Saß gewonnen.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Daß Braband sich zertrennt.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenDaß Hülst für heur entronnen.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Daß Saint Omar berennt.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenWas Engeland ertragen.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Was Dennemark beginnt.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenOb Gallas werde schlagen.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Was der Frantzoß gewinnt.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenOb Fried mit Siebenbürgen.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Ob noch zu Wien die Pest.

nicht darnach/

Strefon.Sie fragenDaß sich die Türken würgen.

nicht darnach/

Klajus.Sie fragen Ob Polen werben läst.

nicht darnach/


Strefon.

Wol nun/ was fragen sie?
Klajus.

Worauf der Zeiger steh'?
Strefon.

Er stehet auf der Uhr/ was darf man darnach fragen.
Klajus.

Nein/ ob es noch nicht Zeit/ daß man zu Bette geht'.
Strefon.

Frühmorgens werden sie die neue Zeitung sagen.

[45] Weil unter der Herbstzier allein übrig ist die Ringelblume/ (also benamet von den Ringlichten Samen) will ich dichten/ meldete Strefon ferners/ daß sie selben den angehenden Eheleuten zum Hochzeitgeschenke bringe. Klajus fragte: Was ist es für eine Blume? Strefon antwortete: Diese/ welche nechst obbelobten Kürbsen stehet; ihr Stengel ist hitzig/ sie bringet erstlich herfür rundgespitzte Knöpflein/ mit grünē Flachsbollen/ ihre Blätlein sind Safrangelb/ gestirnet unn eines angenehmē Geruchs. Weil wir aber bißhero allerley Versarten hören lassen/ will ich ein Ringelgedicht/ 57 oder Ringelreimung (dann das Wort Gedicht den Inhalt und nicht die Reimart bemerket) und zwar als wann die Blume selbsten redete/ hören lassen.


Ich schliesse das Feld!
Es fallen und falben die Blätter und Wasen/
Die Winde des Winters nun rasen und blasen/
Sie weisen den Wiesen des Reiffes Gezelt:
Noch rühmet man meinen benameten Namen/
Von bundlich- und rundlich gewundenen Samen.
Ich schliesse das Feld!
Geringe Begabung der Ringe bezirke
Die Hertzen/ und liebes Beständigkeit wirke/
Die Rundung das niemals geendte vermeldt/
So ringen/ so springen nun beyde mit beyden/
Ihr Hoffen ist offen/ in stetigen Freuden/
Ich schliesse das Feld!

Klajus.


Diß ist wol außgesonnen/ daher zu vernehmen/ daß Strefon bei nicht geringen Meistern gelernet/ Massen die Ringelblume gleichsam der Schlüssel/ der den Herbst zu- und den Winter aufschleust.

Dieser Erfindung aber will ich entgegen stellen die Frölichkeit welche sich bey diesem Feste findet/ begleitet von den dreyē Huldgöttinnen.

[46] Ich setze/ sie trette herein angethan mit einem Schneeweissen Rokke/ mit krausgezierten Haaren beschönet/ und winke mit freundlich lachenden Angesichtē ihren Gespielen die Lauten zustimmen/ nehme dar auf ein Crystallines Glaß/ neigte sich höflich vor dem Brauttische/ und in dem besagte Göttinnen in die Seiten griffen/ beginne sie folgends zu singen:


Auf güldenes Leben! glükliche Nacht/
Die Sonne hat sich zu Bette gemacht/
Ihr Gäste/ halt fest die Früchte der Reben!
Ein jeder sey wieder zu trinken bedacht.
Nun heisset geschnittene Gläser hergeben:
Wie? trauret ihr wenn die Frölichkeit lacht?
Auf güldenes Leben!
Der silberne Monde schimmert mit Macht/
Er führet auf die beflammete Wacht/
Die Zinken die winken/ die Seiten die beben/
Man höret der Musik lieblichen Pracht;
Auf! lasset die Becher fein Reyhenweiß heben!
Dem Bräutigam haben wir dieses gebracht:
Auf güldenes Leben!

In dem war der übermütete Tag dahin/ und die braune Nachtschatten bedeutetē durch die heutere Lufft die Sorgenfreye Ruhe. Beyde Schäfer erwarten nun des Leutseligen Gerüchtes/ gerichtlichen und redlichen Entscheidspruches/ welchem nemlich unter ihnen der Preiß zugeurtheilet werden möchte/als so wolgemeinter Dichtungen erfreuliches Ende.

Fußnoten

1 Elbe.

2 Hamburg.

3 Meißnerland.

4 Meissē die haube statt darvon das gantze Land benamet. S. Fabrici, in Meißnischen Jahrbüchern.

5 Gegenhall.

6 Ist ein Theil deß Böhmerwalds/ so viel als Sudödē.

7 An die Stadt Nürnberg.

8 Elbe also benamet von den Böhmischen Alpen/ das Absehen ist hier auf die Stadt Wittenberg.

9 Virg. sapè ego longos Cantando puerum memini me condere soles.

10 Virg. Sapè sinistra cava pradixit ab ilice cornix.

11 Ist abgesehen von dem Frantzos. die das Wasser nennen se crystàl fundu. Besihe Colletet aux divertissem. f. 36.

12 Deß Gekrönten Hircinia am 59. Blat/ dem hier gefolget wordē.

13 Klingreimen über die Dratmüle.

14 Ovid. In den Verwandlungsbüchern.

15 Klingreimen über die Papyrmül.

16 Sind Kunstwörter in den Papyrmülen bräuchlich.

17 Balde. Nefiant piperit breve; cuculli scil. scripta.

18 Phaleuci oder Eussylbere.

19 Die Hatlerwiesē.

20 Cunrado Celtes in Beschreibung der Stadt Nürnberg.

21 4 Es.ra8/ 5.

22 Musa filia Mnemosines apud Poetas.

23 Gestorb. im Jahr. 1549.

24 Gestorb. im Jahr. 1589.

25 Gestorb. im Jahr. 1610.

26 Gestorb. im Jahr. 1624.

27 Gestorb. im Jahr. 1504.

28 Maximil. I.

29 Gestorb. im Jahr. 1474.

30 Gestorb. im Jahr 1536.

31 Maximil. I. und Carl. V.

32 Gestorb. im Jahr 1523.

33 Gestorb. im Jahr 1575.

34 Gestorb. im Jahr 1575.

35 Gestorb. im Jahr 1604.

36 Gestorb. im Jahr 1611.

37 Dieses ist abgesehen aus Saint Amat fol. 152.Neptun & se soleil sous des habits de Maçons employerent en cent façons tous les beaux traits, que la nature admire dans L'Architecture.

38 H. Hans Albrecht Haller von Hatlerstein/ etc.

39 H. Johan Jacob Tetzel von Kirchensittenbach/ etc.

40 In Logograph.

41 Radix.

42 Dieses ist abgesehē auß dem Tasso und Lope de Vega Arcadia f. 351. Oyd la definicion de Amor del, & 6.

43 Cic l.t. Tuscul.

44 Dousa: Nec Veneris flammam possunt extinguere in undis.

45 Silius: Tractum dilecti solis amore.

46 Barlæus Flexus ab ortu tendit in occasum. Phæbææ comes ille facis.

47 Sarbie vius: tenacibus in serpit ulmis Evius.

48 Barlag: eademq Poetas Tempestas annumq facit.

49 Lips. Hortor. Emblemata vocat.

50 Barlag: carula fundo est.

51 hac varia folium vibice flagellat. Idem.

52 Tarq. Gallut. Sabinus teneris argentea lilia truncis. vide plura apud Barlaum.

53 Horat. quid non ebrietat designat? operta recludit, in pralia trudit inermem.

54 Tada picea, seu iugales. Virg. l. 4. Æneid.

55 Evangelist. Plaga Cœli. Monarchiæ. Virtutes Cardin. Facultates.

56 Sic vos non vibis, etc.

57 Rondena.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Harsdörffer, Georg Philipp. Pegnesisches Schaefergedicht. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-348F-6