[31] Galante Gedichte

An Flavien

C.H.v.H.


Ach edle Flavia! ich weiß nicht wo ich bin/
Ich schreib/ und weiß nicht was/ dein schertzen macht mir schmertzen/
Dein stern der freundlichkeit reist meine freyheit hin/
Du schickst mir einen brieff/ und greiffst mir nach dem hertzen.
Ach ein vergebner griff! du hast es ja bey dir/
Und mir ist nur davon ein kleiner rest erlaubet;
Denn seine schalen sind zwar/ wie es scheint/ bey mir/
Du aber hast mir längst den kern davon geraubet.
Ich schreibe sehr verwirrt: Denn wer so lebt/ wie ich/
Und ohne hertze schreibt/ dem taumeln geist und sinnen.
Verdirbt mir dieser brieff/ so schrey ich über dich/
Was solt ich ohne hertz itzt wohl vollbringen können?
Doch schreib ich/ wie ich kan/ als sclave deiner hand;
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Die fehler meiner schrifft sind deine sieges-zeichen.
Reicht Critons dienstbarkeit dir hier kein besser pfand/
So denck/ ein schwacher kan nicht/ was er will/ erreichen;
Und rechte liebe will nicht reich verbrämet seyn/
Sie will nicht allemahl mit purpur sich bedecken/
Sie stellt nicht selten sich in schlechter kleidung ein/
Und meynt/ daß schminck und schmuck nicht zieren sonder flecken.
Du aber/ Flavia/ gebrauchst verschwenderey/
Du thust mir deine gunst durch einen brieff zu wissen/
Und daß ich auch davon noch mehr versichert sey/
So wilst du bald darauff mein schlechtes haus begrüssen.
Ach freundin! das gelück und dessen freuden-fest
Speist die verliebten offt mit leeren fleisch-pasteten/
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Und ob es seinen wein gleich etwas schmecken läst/
So fließt er mehrentheils nur unsre lust zu tödten.
Es drücket das gelück uns freundlich an die brust/
Und kratzet unvermerckt bey falschen liebes-küssen/
Es zeigt uns sein betrug den zucker reiner lust/
Und raubt uns/ als ein feind/ die nahrungs-reichen bissen.
Der krantz/ den seine hand auff unsre scheitel setzt/
Ist mehrentheils mit dorn und disteln unterwunden.
Sein becher hat uns offt biß auff den tod verletzt;
Nicht selten hat man hier ein spinnen-gifft gefunden.
Ich rühr in meiner noth nicht fremden unfall an/
Ich kenne das gelück und dessen falsche waren/
Und wie sich dessen lust in list verstellen kan.
Denn was ich hier berührt/ das hab ich auch erfahren:
Es stund mein treuer sinn in steiffer zuversicht/
In meinem hause dich/ als freundin/ zu umfangen;
Ach blumen ohne frucht! Ich armer fand dich nicht/
Du warst zu meiner noth mir allzubald entgangen/
Dein helles auge war vor mich ein donnerstrahl/
Als ich/ du weist ja wo/ dich unverhofft erblickte/
Kein pinsel kan allhier bezeichnen meine qual/
Die tausend seufftzer dir nach deinem hertzen schickte.
Mein größter kummer war zu bergen meine pein/
Mein blut stund schon gerüst/ verrätherey zu üben/
Doch must ich in der noth als eiß gefrohren seyn.
Wie übel paart sich doch behutsamkeit und lieben!
Wie der verdruß hernach mir meinen tisch gedeckt/
Wie nichts als traurigkeit mir oben an gesessen/
Wie bitter mir hierauf das mittags-mahl geschmeckt/
Das kanst du/ liebst du mich/ auch vor dich selbst ermessen.
Es schloß der unmuth mir die heisse kähle zu;
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Mich hätte der verdruß auch endlich selbst erstecket/
Und läge wohl vielleicht itzt in der bleichen ruh/
Wann nicht mein hofnungs-stern mich wieder auffgewecket.
Ist eine wehmuth noch vor mich in dieser welt/
So trockne/ Flavia/ mir meine nasse wangen;
Du weist es/ da mir doch kein ander tuch gefällt/
Als das ich armer kan aus deiner hand erlangen.
Schau meine liebe nicht als wollust-sprossen an/
Die aus dem hertzen nichts als geile blüthe treiben/
Du weist es/ daß man auch vernünfftig lieben kan/
Und lieb und tugend wohl geschwister können bleiben.
Ich schliesse meinen brieff/ doch meine hoffnung nicht/
Dich/ liebste Flavia/ in kurtzer zeit zu schauen;
Und so der himmel uns nicht allen fürsatz bricht/
So wollen wir ein haus von zucker-rosen bauen.
Doch weil du rose bist, so will ich biene seyn/
Die bienen mögen sich in blätter ja verstecken;
Vielleicht fällt dir/ wie mir/ noch der gedancken ein/
Daß bienen zwar ein blat berühren, nicht beflecken.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. An Flavien. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6C57-7