Friedrich Kaiser
Stadt und Land
oder
Der Viehhändler aus Oberösterreich
Posse mit Gesang in drei Aufzügen

Personen

[7] Personen.

    • Graf von Flambourg.

    • von Hochfeld, Großhändler.

    • Eulalia, seine Frau.

    • Klotilde, seine Tochter.

    • Sebastian Hochfeld, Viehhändler aus Oberösterreich.

    • Apollonia, seine Frau.

    • Regine, seine Tochter.

    • von Wellenschlag, Bankier.

    • Robert, sein Sohn.

    • von Hupfer.

    • von Glatt.

    • Haller, Hochfelds Kassierer.

    • Faustin,
    • Jakob, Bediente bei Herrn von Hochfeld.

    • Ein Kapellmeister.

    • Gäste. Musiker. Dienerschaft.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Hochfeld. Faustin.

HOCHFELD
geht sich vergnügt die Hände reibend auf und nieder.

Es geht alles ganz scharmant – das Fest, womit meine Frau mich heute – am Vorabende meines Geburtsfestes, überraschen will, wird eines der glänzendsten, welches je in dieser Stadt gefeiert wurde.

FAUSTIN
geht mit frecher Nonchalance, beide Hände auf den Rücken gelegt, neben seinem Herrn, in seinem ganzen Wesen spricht sich eine gewisse Vertraulichkeit mit demselben aus.

Was, die gnädige Frau überrascht Sie mit dem Fest? Hahaha – und Sie selbst arbeiten schon drei Wochen lang dran, haben selbst alles angegeben und angeordnet, und erst vorhin hab' ich's mit meinen zwei eignen Augen gesehen, wie Sie Ihr großes Porträt drüben im Saal mit Girlanden dekoriert haben – hahaha!

HOCHFELD
etwas verstimmt.
Du hast mich gesehen? Hm! Es war – ich tat es nur – damit –
FAUSTIN
höhnisch lachend.
Na, damit Sie am Abend, wenns Fest losgeht, mehr überrascht sind – hahaha!
HOCHFELD
ärgerlich.

Du verstehst das nicht – es ist wohl wahr, das ganze Fest wird eigentlich von mir selbst für mich veranstaltet, aber die Welt braucht das nicht zu wissen – es klingt schöner, wenn es heißt, meine Gattin habe in zärtlicher Liebe zu mir mein Geburtsfest so brillant gefeiert –

FAUSTIN.

Na ja – ich weiß schon – vor der Welt muß alles ein anders G'sicht haben – Sie freuen sich überhaupt [9] auch nur vor der Welt über Ihre Geburt – was Sie selber betrifft, so magerlt Ihnen [ärgert Sie] grad' Ihre Geburt mehr, als alles, was Ihnen in Ihrem Leben Unangenehmes passiert ist!

HOCHFELD
drohend.
Faustin!
FAUSTIN
ungehindert fortfahrend.

Für einen Mann von Ihrem Charakter muß das aber auch was Schreckliches sein, wenn man so von gar keiner Geburt ist – wenn man jede Adresse, auf der steht: »Wohlgeboren« als ein unverdientes Kompliment betrachten muß.

HOCHFELD.
Faustin! – Ich beschwöre dich, halte das Maul –
FAUSTIN.
Ach – wir sind ja unter vier Augen.
HOCHFELD.

Aber die Wände haben Ohren, und du weißt es, daß ich über diesen Punkt nichts gesprochen wissen will – du weißt es, daß ich dich nur deshalb in meine Dienste nahm, weil du unglücklicherweise aus einem und demselben Orte stammst, weil du meinen Vater kanntest –

FAUSTIN.
Und sein blutiges Gewerbe –
HOCHFELD.

Still – still – Er sieht sich furchtsam um. habe doch Erbarmen, lieber Faustin! – Du weißt, welches Ansehen ich hier in der Stadt genieße, wie sich die nobelsten Familien in mein Haus drängen –

FAUSTIN.
Auch noble Familien essen gern gut, und wo Speck hängt, da laufen d' Mäus zu –
HOCHFELD.

Es hieße meinen Neidern und Feinden das Messer in die Hand geben – es hieße einen Abgrund zwischen mir und der Hautevolee graben, wenn es bekannt würde, aus welcher Familie ich stamme.

FAUSTIN.

Na, sorgens Ihnen nicht [beruhigen Sie sich nur], ich verrat's nicht, ich bin einmal in Ihrem Dienst, und unsereins hat auch seine pointe d'honneur, ich möchte mich aber vor meinen Standeskollegen auch nicht gern drüber frozeln [verspotten] lassen, daß ich bei einer Herrschaft dien', auf deren Ahnen so viele Mörde lasten – so lange ich also Ursach' hab' mit Ihnen zufrieden zu sein –

HOCHFELD
im bittenden Ton.

Aber schweige doch einmal von diesem odiosen Gegenstand, lieber Faustin – Absichtlich ablenkend. – Sage mir – du möchtest dir wohl auch gern [10] mal einen guten Tag machen, nicht wahr? – Na sieh – ich bin gewiß ein gütiger Herr – nimm – Er gibt ihm Geld.

FAUSTIN
für sich.

Aha – hab's richtig wieder dahin gebracht, wohin ich's wollte. Er steckt das Geld ein. Ich küß d' Hand Euer Gnaden – ich werd' auf Ihre Gesundheit mein möglichstes tun.

HOCHFELD.

Aber gib nur acht, daß dir nicht etwa in der Begeisterung ein Wort zu viel aus dem Munde fährt, man sagt: im Weine ist Wahrheit –

FAUSTIN.

Ja, im Wein wär' schon Wahrheit, wenn die Wirt' nicht so viel falsches hineingebeten. Daher kommt's auch, daß ich gar nie mehr lüg' und aufschneid', als wann ich mir die Zunge ordentlich begossen hab' – hahaha! Stellens Ihnen [Sie sich nur] vor, letzthin war beim goldenen Fassel drüben, wo wir von der Livree eine g'schlossene Koterie haben, auch von unsre Herrschaften d' Red' –

HOCHFELD
gespannt.
Von euren Herrschaften?
FAUSTIN.

Na ja, wir haben grad' nichts G'scheiteres gewußt, und da ist auch auf Ihnen d' Red' kommen, und da – hahaha – da hab' ich gesagt, Sie stammeten eigentlich aus einer uralten Ritterfamilie.

HOCHFELD
vergnügt.
Hast du gesagt?
FAUSTIN.
Die sich schon in ältesten Zeiten im blutigen Kampf gegen die Podolier ausgezeichnet haben –
HOCHFELD.
Nicht übel erfunden!
FAUSTIN.
Erfunden? Nein, das ist ja eben der G'spaß, daß 's sogar wahr ist –
HOCHFELD.
Wahr? Wie meinst du das?
FAUSTIN.

Na, wie viele hundert podolische Ochsen haben nicht Ihre Vorfahren erlegt, die alle, bis zu Ihrem seligen Herrn Vater – Fleischhacker waren!Er läuft ab.

HOCHFELD
als ob er einen Stich bekommen hätte, zusammenfahrend.

Fleisch – Fleischhacker – entsetzliches Wort, das mich noch unter die Erde bringen wird – jedesmal fühle ich einen Stich, wenn ich es nur nennen höre – verdammter Kerl! – Aber –Er sieht sich sorgfältig um. dem Himmel sei Dank! Niemand hat es gehört!

EULALIA UND REGINE
beide sehr auffallend geputzt, kommen durch die Mitteltür.
2. Auftritt
[11] Zweiter Auftritt.
Hochfeld. Eulalia. Regine.

EULALIA.
Bon jour, mon mari!
REGINE.
Bon jour, cher oncle!
HOCHFELD.
Gott grüße euch, meine Lieben! Wo wart ihr?
EULALIA.

Auf unseren Boudoirs, wir haben uns, wie du siehst, bereits in Staat geworfen, um unsere Gäste würdig zu empfangen – oh mon mari, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh gestimmt ich mich heute fühle –

HOCHFELD.
Es hat doch niemand von den Geladenen absagen lassen?
EULALIA
mit Stolz.

Absagen? Wenn wir ein Fest geben – wo denkst du hin! Sogar der Graf von Flambourg, welcher sonst so selten Invisationen annimmt, hat zugesagt.

HOCHFELD
freudig.

Hat zugesagt – hat zugesagt?! – Herrlich! herrlich. Das gibt unserem Feste wieder ein ganz eignes Lüster – man wird in der ganzen Stadt sprechen davon –

REGINE.
Und der Bankier von Wellenschlag kommt auch.
HOCHFELD.

Der reiche Bankier von Wellenschlag, der Gläubiger der höchsten Häuser, der Tonangeber auf der Börse – scharmant – scharmant – Für sich. dem Himmel sei Dank, diese frohen Nachrichten verwischen in meinem Innern wieder die so unsanft aufgerüttelte Erinnerung an die Fleischbank.

REGINE.
Sein Sohn, der junge Wellenschlag, hat ihn dazu beredet –
HOCHFELD
sie fixierend.

So – der junge – der Robert von Wellenschlag – na – und diesen – hast wohl du selbst mündlich eingeladen –

REGINE
mit koketter Verschämtheit.
Mon cher oncle!
HOCHFELD
sie in die Wange kneifend.

Nu, nu, brauchst dich nicht zu schämen, liebe Nichte, der Monsieur Robert ist zwar etwas Wildfang, kann sich das vornehme Wesen nicht recht aneignen, aber die Verhältnisse seines Vaters machen mir selbst eine Verwandtschaft mit ihm wünschenswert – wir haben nichts gegen deine Neigung – Zu Eulalia. nicht wahr, mein Schatz?

[12]
EULALIA.

Au contraire – ich finde sie sehr plausibel! Aber wenn nur der alte Wellenschlag – er ist etwas stolz – und du weißt – dein Bruder, Reginens Vater –

HOCHFELD
mit finsterer Stirne.

Ja leider – der dürste einen Stein des Anstoßes bilden. – Sieht sich wieder um, dann mit leiser Stimme. Wir sind allein, also können wir wohl darüber sprechen. – Leider scheint mein Bruder das ganze ordinäre Blut meiner Familie in seinen Adern aufgenommen zu haben. Während ich schon in meiner Kindheit das kühnste Streben nach einer erhabenen Stellung in der Welt entwickelte, gefiel er sich in seiner bäurischen Gehäbigkeit – ich widmete mich dem Handelsstande – er wurde – Viehhändler, lebt da in Österreich auf seinem Meierhofe, seine Frau war eine ordinäre Pächterstochter, er selbst ist mehr Bauer als Mensch – und wenn nun die Familie Wellenschlag dahinter kommt –

REGINE.
Ich bin dein schon zuvorgekommen – und sagte, mein Vater wäre – Gutsbesitzer in Österreich.
HOCHFELD.
Gut gegeben, mein Kind, sehr gut gegeben –
EULALIA.
Na ja, im Grunde ist doch ein Meierhof auch ein Gut. –
HOCHFELD.

Jawohl, und es gefällt mir sehr von Reginen, daß sie so klug gesprochen – ja, sie hat denn doch seit den zehn Jahren, als wir sie zu ihrer weiteren geistigen Ausbildung von dem Meierhofe ihres Vaters weg, sozusagen mitten aus den Kälbern heraus, und in unsern vornehmen Zirkeln hineingezogen haben, eine gewisse Routine in der Noblesse erlangt –

EULALIA.

Ach sie hat ein besseres Los getroffen, als unsere eigene Tochter Klotilde – sie lebt nun – ich schaudere jedesmal, wenn ich nur daran denke, schon seit zehn Jahren bei deinem Bruder unter dem Bauernvolke –

HOCHFELD
seufzend.

Leider! Indes – was war zu tun, ihr Brustleiden wurde damals so gefährlich, daß die Ärzte dasselbe nur durch einen mehrjährigen Aufenthalt [für] heilbar erklärten – nun Gott sei Dank – sie soll sich jetzt ganz wohl befinden.

EULALIA.

Mein Gott, körperlich ja, aber daran liegt im Grunde weniger, etwas kränklich sein, gehört sogar zur [13] Noblesse, aber die santé spirituel! – O mein Gott, ich zittere, wenn ich daran denke welch nachteiligen Einfluß diese zehn, unter dem Bauernvolke zugebrachten Jahre auf sie hervorgebracht haben müssen!

HALLER
tritt ein, Schriften unter dem Arme tragend.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Haller, dann Herr von Hupfer. Später Jakob, Robert von Wellenschlag, Glatt. Zuletzt Faustin, Sebastian hinter der Szene.

HALLER.
Herr von Hochfeld!
HOCHFELD.
Ah, mein Kassierer – nun, was gibt's, lieber Alter?
HALLER.
Darf ich nur um wenige Worte bitten.
HOCHFELD.

Mein Himmel! Ich will von meinen Geschäften eigentlich nur so lange sprechen hören, als ich in meinem Bureau bin – was soll's denn wieder? Er tritt verdrießlich zu ihm.

HALLER.

Nach diesem Auszuge aus unsern Büchern ist ersichtlich, daß morgen mehrere von uns akzeptierte Wechsel im Betrage von sechzigtausend Gulden fällig, und uns zur Auszahlung präsentiert werden –

HOCHFELD.
Nun, so müssen sie saldiert werden, was weiter?
HALLER.
Es ist aber nicht so viel bares Geld in der Kasse.
HOCHFELD.
Was? – Aber wir haben doch auch Gelder einzutreiben – bedeutende Summen.
HALLER.

Jawohl, wir haben einen Wechsel auf das Haus Mirheim in Händen, der morgen fällig ist – im Werte von achtzigtausend Gulden.

HOCHFELD.
Nun also – der wird einkassiert, und wir sind gedeckt – was weiter?
HALLER.
Aber, Herr von Hochfeld, wenn nun das Haus Mirheim nicht zahlte –
HOCHFELD.

Nicht zahlte – nicht zahlte – ein Haus, mit dem wir schon lange in Geschäftsverbindung stehen – ich begreife gar nicht, wie Sie solche Besorgnisse hegen können.

HALLER.

Aber es ist doch nicht gut, wenn man nur mit einer Hoffnung gedeckt ist; sehen Sie, Herr von Hochfeld – Ihre Handlung könnte längst auf dem Punkte stehen, daß auch das mögliche Ausbleiben einer solchen Summe Sie nicht [14] in Verlegenheit setzen würde, aber freilich müßte dann die Führung Ihres Hauswesens nicht solche Summen verschlingen.

HOCHFELD
gereizt.

Herr, ich glaube gar, Sie unterstehen sich da, mir Ermahnungen geben zu wollen, vergessen Sie gefälligst nicht, daß ich der Herr bin, und Sie mein Diener sind.

HALLER.

Ja, ein in seinem Dienste ergrauter Diener, den die Erfahrung lehrte, daß der äußere Glanz, durch den so manches Handelshaus Aufsehen macht, dem Leuchten des Holzes gleicht – welches auch dann am meisten glänzt, wenn es vermodernd seiner baldigen Auflösung entgegen geht. Recht gute Unterhaltung, Herr von Hochfeld, auf dem heutigen Ballfeste! Er geht kopfschüttelnd ab.

HOCHFELD
ihm verdrießlich nachsehend.

Das alte Murmeltier! – Beim Himmel! wenn es nicht so gut im Geschäfte dressiert wäre, ich hätte es längst laufen lassen – stets bringt mich der Mensch durch seine Predigten um meine gute Laune.

HERR VON HUPFER
öffnet die Tür, und bleibt unter derselben erwartend stehen.
EULALIA
ihn erblickend.
Ah! unser aimabler Herr von Hupfer –
HUPFER
in höchst eleganter Toilette, hüpft herein, und auf sie zu, ihre Hand wiederholt küssend.

Euer Gnaden, Ihr Untertänigster! Ein Gleiches bei Reginen tuend. Mein Fräulein! Ich würde mir's zum größten Vergnügen rechnen, zu Ihren Füßen sterben zu können. Zu Herrn von Hochfeld, ohne sich von den Damen, welche während der vorigen Szene auf dem Diwan Platz genommen haben, zu entfernen. Herr von Hochfeld! Ihr Ergebenster! – Sie entschuldigen sämtlich, daß ich mich nicht anmelden ließ, aber ich liebe es, in allem etwas originell, etwas apart zu sein, und mich ärgert's immer, wenn ich meinen guten Namen erst durch die rauhe Kehle einer livreetierten Ansagemaschine schnarren lassen muß.

EULALIA.
Sie sind uns auch unangemeldet stets willkommen!
HUPFER.

O, Euer Gnaden sind die verkörperte Liebenswürdigkeit – und Sie, Fräulein Regine, wünschen Sie mich immer erst angemeldet zu hören, oder hat sich vielleicht doch in Ihrem Herzen endlich ein ahnendes Gefühl eingeschlichen, welche Ihnen in heiliger Sympathie mein Nahen verkündet?

[15]
REGINE.

Meine Gefühle sind sämtlich anderweitig so beschäftigt, daß keines davon unsern Bedienten in seinem Dienste ablösen kann.

HUPFER.

O, welche Kälte, mein Fräulein! Bedenken Sie, daß mein Herz eine tropische Pflanze ist, welche nur unter erwärmenden Strahlen gedeiht.

REGINE
zu sich.
Fader Geck! Ich höre Schritte – was gilt's – Robert –
JAKOB
öffnet die Türe.
Herr Robert von Wellenschlag und Herr Glatt.
HOCHFELD.
Ich lasse bitten.
JAKOB
geht ab.
REGINE.
Hab' ich's nicht erraten?
HUPFER.
O, tausend Dolche drücken Sie mir mit diesem Erraten in das wunde Herz!
ROBERT UND GLATT
treten zugleich ein.
GLATT
verneigt sich vor den Damen und geht zu Hochfeld.
Achtzig, drei Viertel!
ROBERT
verneigt sich vor den Damen.
Guten Abend, Frau von Hochfeld, recht guten Abend, Fräulein Regine.
EULALIA
hält ihm die Hand zum Kusse hin.
Sein Sie mir herzlich willkommen, lieber Herr von Wellenschlag.
ROBERT
faßt ihre Hand, küßt sie aber nicht, sondern schüttelt sie etwas derb.

Danke, ja, wenn ich nicht im voraus wüßte, daß ich willkommen bin, so käme ich gar nicht – Er faßt Regine bei der Hand und spricht mit ihr leise.

EULALIA
wendet sich um, und spricht zu dem hinter dem Diwan stehenden Hupfer.

Ein recht lieber Mensch, der junge Wellenschlag, aber etwas mehrLavoir vivre könnte ihm nicht schaden.

HUPFER
leise zu ihr.

Ein wahrer Klotz, besonders auf einem Balle ganz zweckwidrig – er tanzt nicht, spielt nicht – sondern steht einem nur überall im Wege – Er spricht leise fort.

HOCHFELD
zu Glatt.
Es ist aber doch erstaunlich, wie schnell diese Aktien sinken.
GLATT.

Es geht ihnen wie den Menschen, diesen lebendigen Aktien auf der Börse des Lebens, ihr Steigen und Fallen hängt sehr oft von Zufällen ab.

[16]
HOCHFELD.
Aber Sie haben doch dabei nichts verloren?
GLATT.

Gott bewahre – man muß nur zur rechten Zeit zu verkaufen wissen – ich behandle meine Aktien, wie ein türkischer Sklavenhändler seine Frauen, ich kaufe sie in ihrer Jugend, wenn ein schönes Aufblühen zu erwarten steht, um billigen Preis, und verkaufe sie teuer, sobald sie, vollkommen aufgeblüht und herangewachsen, das Auge des Lüsternen reizen – da ich wohl weiß, daß die Schönheit und die Aktie dem Sinken um so näher ist, je vollkommener sie bereits herangewachsen ist.

HOCHFELD
lächelnd.
Sie werden witzig, wie ich merke, Herr von Glatt.
GLATT
sich lachend verneigend.

Börsenwitz! Teuerster! Börsenwitz! Es gibt jetzt auf der Börse sehr viele witzige Leute. Wie andere, wenn eine Leiche vorbeigetragen wird, ein Parfümfläschchen an die Nase setzen, so macht der echte Börsianer, wenn ein anderer Spekulant durch seinen Sturz zur kommerziellen Leiche wird, ein Bonmot, und reibt es wie ein Pfefferminzblatt seinen Kollegen unter die Nase – hahaha! Das war eigentlich schon wieder ein Bonmot.

EULALIA
zu Robert.
Ihr Herr Vater wird uns heute auch die Ehre seiner Gegenwart schenken?
ROBERT.
Ja – Fräulein Regine wünschte, daß ich ihn einmal hier im Hause einführe –
REGINE.

Ich freue mich, den Mann kennen zu lernen, den Sie so innig lieben – und welcher den bedeutendsten Einfluß auf Ihr Lebensglück hat.

HUPFER
Robert mit wütenden Blicken ansehend.
Ich vergehe!
ROBERT.

Ja, sehen Sie, liebes Fräulein! Ob der Einfluß, den mein Vater auf mein Lebensglück hat, eben ein günstiger ist, das weiß ich nicht.

EULALIA UND REGINE.
Wieso?
REGINE.
Er will Sie doch nicht am Ende zu einer Vermählung zwingen, von der Ihr Herz nichts wissen will –
ROBERT.
O, das nicht – an meine Vermählung denkt er so wenig, als ich vor der Hand selbst.
REGINE
gedehnt.
So?
ROBERT.

Aber, sehen Sie, er will mich durchaus zu einer sogenannten schönen Stellung in der Welt bringen, er bietet [17] alles auf, um mich in irgend einem Bureau an einen Aktentisch zu schmieden – und – das fühle ich, in einem solchen Beruf werde ich nicht glücklich sein! Ich schätze den Reichtum nur in der einen Hinsicht, daß man durch ihn unabhängig bleiben kann, was nützt mir aber mein Vermögen, wenn ich dabei doch ein Sklave werden soll – aber von solchen Ansichten will er nichts hören – im Gegenteile, er, der sonst die Bequemlichkeit und Ruhe so sehr liebte, macht nun alle möglichen Schritte, drängt sich an alle Personen, von denen er irgend einen Einfluß hofft, ja – auch den heutigen Ball in Ihrem Hause besucht er nur deshalb, weil er hörte, daß der Graf Flambourg ihn besucht.

EULALIA.
Sehr schmeichelhaft für uns –
ROBERT
für sich.

Das war wieder dumm! Laut. Das heißt – ich wollte sagen – der Ball dient ihm nebenbei als Mittel, die Bekanntschaft des Herrn Grafen zu machen, denn er schätzt allerdings Ihr Haus an und für sich, namentlich seit ich ihm sagte, daß Herr von Hochfeld aus einer sehr bedeutenden Familie stamme – und so ist's auch – nicht wahr, Herr von Hochfeld. Zu Hochfeld, welcher inzwischen mit Glatt näher getreten war. Sie sagten mir letzthin schon, woher Ihre Familie stammt, aber weiß Gott – ich habe ein so schlechtes heraldisches Gedächtnis –

HOCHFELD.

Meine Familie – ja, meine Familie – mein Vater – er war ein podolischer Edelmann – es ist eine sehr alte Familie –


Man hört im Vorzimmer sehr lebhaft sprechen.
ALLE.
Was ist das?
FAUSTIN.
Ich darf solche Leute nicht hineinlassen.

Von außen.
SEBASTIAN.
Goldbeschlagener Hohlkopf – wannst mir nit aus 'n Weg gehst, so kriegst einen Schupser –
FAUSTIN.
Niemand darf hinein, den ich nicht melde –
SEBASTIAN.
Du wirst gleich selber deine Seel' bei unsern Herrgott anmelden, Schafhirn!
HOCHFELD
erschreckt, für sich.
Gott! welche Stimme!
SEBASTIAN, APOLLONIA UND KLOTILDE alle drei in der reichen Bauerntracht Oberösterreichs.
FAUSTIN
der sie an der Tür zurückzuhalten sucht.
4. Auftritt
[18] Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Sebastian. Apollonia. Klotilde. Faustin.

SEBASTIAN
stößt Faustin ins Zimmer hinein.
I wer do nit bei mein leiblichen Brudern ang'meldt wern müssen?
REGINE
springt auf und bleibt wie angefesselt stehen.
Mein Vater!
HOCHFELD
erstarrt.
Er ist's – mein Bru –
EULALIA
welche vom Sitze aufgefahren.
Ich falle stehend in Ohnmacht!
FAUSTIN.
Jetzt kommt's auf, daß beim Kaffee Zichorie ist!
SEBASTIAN
mit ausgebreiteten Armen auf Hochfeld zugehend.

Grüß dich Gott, Blasi! Gelt! das hast dir nicht denkt, daß d' mi heut no siehst – i selber hätts vorgestern no nicht denkt – aber wie wir drei so beieinander g'sessen sein und überlegt habn, was wir dir zu dein Geburtstag für a besondere Freud machen sollen, ist's mir auf einmal eing'fallen, wir wollen alle drei zu dir nach Wien. Glei han i meine Bräunl einspanna lassn, g'fahren sein wir, daß 's g'raucht hat – und – da sein wir!

FAUSTIN.
Ist uns ein unendliches Vergnügen.
HOCHFELD
sich den Schweiß von der Stirne trocknend.
O – das – das freut mich – unendlich –
SEBASTIAN.

Hansnarr! Das versteht sich ja von selber – wir habn uns ja zehn Jahr nicht g'sehn. – Jekas! Eulalia erblickend. Da ist ja d' Frau Schwagerin! Grüß Ihnen Gott! Lassens Ihnen a Bußl geb'n!

EULALIA
zurückweichend.
Wo denken Sie hin – die Schicklichkeit –
SEBASTIAN.

Ja so – 's fallt mir grad ein, dös geht nicht – 's könnt von der teuern Farb was abagehn.Auf die Wangen deutend.

EULALIA.
Ich bekomme meine Sapeurs!
SEBASTIAN
lachend.
Na, na, ich bin schon stad!
HUPFER
hat sich zu Hochfeld vorgeschlichen.
Dies ist also Ihr Herr Bruder?
HOCHFELD
schwer.
Ja!
HUPFER.
Vermutlich ein Podolier?
SEBASTIAN.

Was – was ist das? Ich kenn wohl podolische [19] Ochsen und Schwein, aber ich und mein Bruder, wir sein gute Österreicher von Alterszeiten her – aber sapperlot – weil ich grad von der Freundschaft red, wo ist denn mein Dirndl, die Regerl? Ists nit daham?

REGINE
hat sich erst gesammelt und mit einer Mischung von Verlegenheit und affektierter Liebe küßt sie ihm die Hand.
Papa –
SEBASTIAN
beinahe erschrocken.
Was – ich will nicht hoffen –
HOCHFELD.
Ja, das ist deine Tochter –
SEBASTIAN.

Also wirklich – auf Ehr', i hätts eher für a Mamsell als für mei Tochter ang'schaut – so kurios z'sammg'statzt ists – Beinahe traurig. also wirklich? – – Sich ermannend. Aber was! Aufs Äußre kommt's ja nit an! Er umarmt Regine heftig. Komm her, Dirndl! Er faßt sie um die Taille und schwingt sie im Kreise herum. Juhe! bist mein Kind, und wannst auch noch a vertrackteres Glüftl anhätt'st –

EULALIA
sich setzend.
Ich verliere meinen Schwindel gar nie mehr.
FAUSTIN
zu ihr.
Ich versicher Euer Gnaden – mit mir dreht sich auch schon alles um und um.
SEBASTIAN.

Aber sackerlot, was wär denn das Kinder, was verkriechts eng denn, als wanns nit zu mir, nit zu der Familie g'hörets. Da schau her, Blasi, das kernige Weiberl schau an – das ist mein Weib, a kreuzbraves wirtschaftliches Weiberl.

HOCHFELD.
O – freut mich – werte Bekanntschaft, ja du schriebst mir, daß du zum zweitenmal geheiratet hast.
SEBASTIAN.

Freili – Gott sei Dank, wann i a schon an Fünfziger und a wengel drüber am Buckel hab, mein Herz is noch alleweil jung, und zu meiner Wirtschaft is a bravs Weib a wahrer Segen. Aber, schlafferment, da ist ja noch wer – Auf Klotilde deutend. Blasi – Schwagerin wird eng denn nit ganz entrisch, das ist die Tildi, enger Tochter – enger Kind.

HOCHFELD.
Unsere Tochter!
FAUSTIN.
Jekus. Wie haben's denn die ang'legt.
KLOTILDE
von diesem Empfang überrascht, bleibt erschrocken stehen.
SEBASTIAN.
Gelts – so frisch hätts engs nit denkt? – A wahrs Engerl, und gut – na schon wie gut!
EULALIA.
Aber dies Kleid – dies Kostüm.
[20]
SEBASTIAN.
A was – 's kost mir nit so viel –
EULALIA.
Ist denn Fasching, daß meine Tochter en masque kommt?
SEBASTIAN.
A beileib'! So geht's jahraus, jahrein!
HOCHFELD.
Aber Bruder, wie kannst du –
SEBASTIAN.

Na, wie soll's denn gehn? Epper wieAuf Regine zeigend. die da? Hahaha! Da wurden bei uns daham d' Küh' rebellisch.

FAUSTIN.

Was liegt dran, wann die Küh' rebellisch werden? Besser doch, als wann hier die Hautevolee drüber rebellisch wird.

SEBASTIAN.

Das ist unsere – d' echt östreichische Tracht! Blasi! Blasi! nur nit so hochnaset – denk' nur, unser Vater war ja auch nur a –

HOCHFELD
nur, um ihn schnell zu unterbrechen, ihn mit gemachtem Entzücken umarmend.
O Bruder! Bruder! Du hast mir eine Freude gemacht –
SEBASTIAN.
Na, das hab' ich ja ehender g'wußt – na Tilderl, gib dein Vater a Bußl.
KLOTILDE
will Sebastian küssen.
O mein! wie gern!
SEBASTIAN
sie abwehrend.

Ho ho! 's Dirndl wird damisch, weil's mi daham allweil ihren Vatern nennt – nein! Ich mein', dein rechten Vatern!

KLOTILDE
küßt schüchtern Hochfeld.
Verzeihen, i bin irr worn!
SEBASTIAN.
So – und jetzt d' Frau Mutter!
EULALIA
ihr vornehm die Hand hinhaltend.
Schon gut, schon gut.
SEBASTIAN.

Ja schauts, enger Vornehmigkeit hat meine Leut' ganz aus der Schanier bracht. Apel! Was redst denn du nit –

APOLLONIA.
Ich trau' mich nit.
SEBASTIAN.
Was gibst denn dein Schwager nit d' Hand –
APOLLONIA.
Ich trau' mich nit.
FAUSTIN.
O Gott! die traut sich nicht – mit der werd' ich anbandeln!
SEBASTIAN
sieht sich um.

Aber verzeih mir, Bruder! Zu den andern. Und Sie, meine Herrn, verzeihen's auch – in meiner ersten Freud' hab' ich gar nicht g'merkt, daß wir da d' ganze vornehme G'sell schaft g'stört hab'n – aber nit wahr, der Bruderlieb wird man das schon nachsehn!

[21]
ROBERT.

Gewiß, Sie glauben gar nicht, lieber Herr! wie wohl in dieser Welt voll Masken und Larven der Anblick eines so wahren und ungeschminkten Gefühles tut. Er drückt ihm die Hand.

SEBASTIAN.

Ich versteh' das, was g'sagt haben, nicht so ganz, aber Sie sehen dabei recht brav aus.Er erwidert lebhaft seinen Händedruck.

HUPFER
sich ihm sehr einschmeichelnd nähernd.

Es ist ein ganz eigentümliches Gefühl, den Mann persönlich kennen zu lernen, dessen Abbild Auf Reginen blickend. man schon längst bewundert hat.

SEBASTIAN.

Das versteh' ich schon gar nit, und, nehmens mir's nicht übel, aber Sie schauen auch dabei nit so aufrichtig aus!

HOCHFELD.
Wie lange denkst du denn hier zu bleiben?
SEBASTIAN.
Drei Tag – es kommen derweil meine Kalblwagen a no an!
HOCHFELD.
Ah!
FAUSTIN.
Jetzt kommt die Familie auch noch nach.
SEBASTIAN.
Was schreist denn so auf?
HOCHFELD.
's hat mir nur so einen Stich in die Seite gegeben – 's ist schon vorbei – wo wirst du denn wohnen?
SEBASTIAN.
Na – bei dir!
EULALIA.
Ah!
SEBASTIAN.
Was ist's denn, Schwagerin?
EULALIA.
Ich bekam auch einen Seitenstich –
SEBASTIAN
ganz gleichgültig.

Hat's vielleicht eins vom andern g'erbt! Zu Hochfeld. Ich hab' beim Rößl drauß' eing'stellt, aber das versteht sich, daß ich dir den Schimpf nicht antu', wo anders z'logieren als bei dir!

EULALIA.
Aber sehen Sie –
SEBASTIAN.
Na, na, ich weiß schon, was sich g'hört, wann i glei nur a Viehhändler bin –
HOCHFELD.
Ah!
SEBASTIAN.

Du! Dein Seitenstechen wird alleweil ärger, sollst dich doch a bißl ins Bett legen. – Aber jetzt, lieber Bruder! will ich mit meiner Apel a bißl in der Stadt umalaufen – das Weiberl hat Wien no gar nicht g'sehn – und i selber – seit die zehn Jahr, als i nit da war, ist die [22] ganze Kaiserstadt so verändert, als wanns ganz abbrunna und aufs neuche aufbaut war –

HOCHFELD
für sich.
Gott sei Dank! er geht fort,Laut. ja, ja, lieber Bruder, besieh dir nur alles.

Man hört von ferne, dann immer näher Militärmusik.
APOLLONIA.
O jegerl! Was ist denn das für a Pata bum –
HOCHFELD.

Die Garnison kehrt von einer Parade zurück – Hastig. Willst du sie nicht sehen? Drüben vom Eckzimmer aus – siehst du gerade auf die Hauptstraße.

APOLLONIA.
Ach ja, Sebastian! Schaun wir's an, 's Militari!
HOCHFELD.

Ich werde indes meinen Bedienten beauftragen, daß er dann dich und deine Frau durch die Stadt begleitet.

FAUSTIN
empört.
Ha!

Die Musik kommt immer näher.
SEBASTIAN.

Hallo! 's kummt schon her – gut, Apel! gehn wir Er nimmt Apollonia unter einen arm. und du, Regerl! du komm daher – hab' dich ja schon lang nit bei mir g'habt –

REGINE
im höchsten Grade verlegen.
Lieber Vater –
SEBASTIAN.

Na, na, tu nur nit so schichti – Er faßt ihre Hand und zieht sie zu sich. so! – Allons! Hörts es? Tschindarada, tschindarada bumbumbum! Meiner Six, wann i so a Musik hör', könnt i glei selber Soldat werden – aber na! na! I halt's mit'n Frieden, stich lieber meine Kalbn ab, als daß i auf Menschen ziel, tanz lieber, als daß i marschier, und sitz lieber satt hintern Ofen, als daß ich hunger und frier! Gott g'segn mir den Frieden, die Freud' und mein Östreich! – Aber jetzt kommts, sonst sehen wir nix mehr. Indem er mit den beiden Frauenzimmern nach dem Takt der Musik abmarschiert. Tschineradabumbum – tschineradabum!

ALLE DREI
gehen ab.

Pause allgemeiner Verlegenheit.
HOCHFELD
sich zuerst fassend und nach seiner Uhr sehend.

Aber meine Herren – die Stunde – welche zum Beginne des Festes bestimmt ist – naht – dürfte ich – nicht bitten – sich in den Tanzsaal – oder wenigstens in die Nebengemächer desselben hinüber zu bemühen.

EULALIA
sich in Hupfer einhängend.
Ach – ich versichere Sie – ich fühle mich fast unwohl – Sie geht mit Hupfer ab.
ROBERT
welcher fortwährend Klotilden mit wohlgefälligen Augen betrachtet [23] hatte, tritt zu ihr.
Darf ich so frei sein? Er bietet ihr den Arm.
KLOTILDE
verlegen.
Ja – aber – Herr Vater!
HOCHFELD
noch immer etwas verwirrt.
Geh nur, mein Kind – geh nur!
ROBERT
ihren Arm nehmend.
Sie machen mich glücklich! Er geht ab mit Klotilden.
GLATT
nachdem alle andern fort sind.
Also – das – das war der Herr Bruder?
HOCHFELD
unwillig.
Ja doch – ja!
GLATT.
Wenn ich mich nicht irre – ein Vieh – H –
HOCHFELD.
Je nun – er handelt nur in großen Transporten – er ist quasi Großhändler –
FAUSTIN.
Ja, viehischer Großhändler!
HOCHFELD.
Ist unermeßlich reich.
GLATT.
Ah – wird er vielleicht auch die Börse besuchen?
HOCHFELD.
Möglich! Möglich!
GLATT.

Ah, dann tut sein Stand gar nichts – vor dem Gesetz – im Grabe – und auf der Börse kennt man keinen Standesunterschied – der innere Gehalt entscheidet. – Adressieren Sie den Herrn Bruder, wenn er die Börse besuchen wollte, nur an mich – ich werde ihm mit gutem Rat zur Seite stehen. Er geht ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Hochfeld. Faustin.

HOCHFELD.

Schon gut – schon gut – Verzweifelt auf und nieder gehend. Es ist ein verdammter Zufall – gerade heute – gerade heute – wo bei mir so ein glänzendes Fest stattfindet, muß er kommen – er – der schwarze Fleck in der Sonne meines Stolzes! – Aber er darf auf dem Balle nicht erscheinen, er darf nicht! – Ich muß alles aufbieten Er klingelt. ja so – du bist ohnehin da, tritt näher, lieber Faustin!

FAUSTIN.

Na, ohne Ihnen zu nah' zu treten, muß ich Ihnen sagen, gnädiger Herr! daß das das letzte Mal war, daß Sie mir geläutet haben –

HOCHFELD.
Wieso?
FAUSTIN.

Weil jetzt die ganze Welt weiß, wie viel es geschlagen [24] hat, und da verbiet' mir mein pointe d'honneur länger in dem Dienst zu bleiben –

HOCHFELD.
Faustin!
FAUSTIN.

Sehns, gnädiger Herr! mir ist leid um Ihnen – Sie haben bisher den blutigen Fleck, der auf Ihrer Herkunft lastet, mit aller möglichen Noblesse bedeckt – aber das persönliche Erscheinen des Herrn Bruders hat dem Faß den Boden ausgeschlagen!

HOCHFELD.
Es ist eine verzweifelte Geschichte, du hast wohl recht –
FAUSTIN
zutraulich.
Gnädiger Herr, glauben Sie mir, ich fühle Ihre Leiden! Ich sehe, was Sie ausstehn!
HOCHFELD
drückt ihm die Hand, mit einem Seufzer.
O Faustin –
FAUSTIN.

Aber das werden Sie doch einsehen – daß ich mich nicht herablassen werde, ein – nehmens mir nicht übel, aber 's ist 's rechte Wort – einen Bauern zu bedienen?

HOCHFELD
für sich.

Wenn der aus meinen Diensten geht, so plaudert er's noch mehr in der ganzen Stadt aus – ich muß ihn zu halten suchen! Laut. Aber sieh nur, Faustin! das wird ja alles anders werden – und gerade dich habe ich als Mittel zu diesem Zwecke erwählt –

FAUSTIN.
Mich –?
HOCHFELD.
Du hast Takt – Feinheit – mit einem Worte – du bist ein nobler Kerl.
FAUSTIN.
Dieses schöne Selbstbewußtsein habe ich –
HOCHFELD.
Mein Bruder muß heute aus dem Wege geschafft werden –
FAUSTIN
erstarrt.
Was –?
HOCHFELD.
Ich meine, er muß abgehalten werden, sich in unseren Zirkel zu drängen –
FAUSTIN.

Ah so! Ich habe schon geglaubt, Sie wollen mich behufs Brudermordes zu einem italienischen Banditen machen.

HOCHFELD.
Warum nicht gar – mein Bruder will spazieren gehn – die Stadt besichtigen – du mußt ihn begleiten –
FAUSTIN.

Was? ich – hinter dem Bauernvolk hergehn? Ha! diese Zumutung! Auf Ehre – wenn das Duell nicht so streng verboten wäre, so würde ich Sie jetzt – Er greift nach der Seite, auf der der Degen getragen wird, dann sich besinnend. Ihr Glück daß ich im Zivil bin.

[25]
HOCHFELD.
Aber Narr! Du sollst nicht hinter ihm gehen – neben ihm – als ob er deinesgleichen wäre –
FAUSTIN
stolz.

Ja, wenn er meinesgleichen wäre. Aber er, er ist Viehhändler, und wenn ich neben ihm gehe, wofür werden mich die Leute ansehen?

HOCHFELD.
Wenn dich jemand fragt, kannst du ja sagen, er wäre ein Verwandter von dir –
FAUSTIN.
Aber ein sehr – sehr weitschichtiger!
HOCHFELD.

Also du gehst mit ihm, führst ihn recht weit bis spät abends, zeigst ihm dann irgend ein neues Gasthauslokal – beredest ihn, hineinzugehen –

FAUSTIN.

Na, in ein Wirtshaus wird er doch hineinzubringen sein, sonst müßt' er ja gar in der Kultur um einige Jahrhundert zurück sein –

HOCHFELD.
Dort läßt du auftischen Er gibt ihm Geld. spare kein Geld – sage, es geschähe auf meinen Wunsch –
FAUSTIN.
Bon!
HOCHFELD.

Und sieh, daß du ihn bis zwölf Uhr nachts zurückhältst – diese Stunde ist die Ruhestunde auf meinem Ball – dann führst du ihn und sein Weib auf der Hintertreppe in das kleine Gastzimmer, und siehst du, daß er schnell zu Bette komme – ermüdet von der Reise, wird er bald einschlafen – und so sind wir für heute sicher vor jeder Störung!

FAUSTIN.

Hm! Der Plan ist nicht übel – meinetwegen! Aber morgen müssen Euer Gnaden schauen, daß er für immer fort kommt – entweder ich oder er – diese Alternative stell' ich –

HOCHHEIM.

Ja, ja, wir werden schon sehen – also ich verlasse mich ganz auf deine Klugheit – ich muß nun hinüber – es könnten neue Gäste gekommen sein, die ich empfangen muß.

BEIDE
gehen ab.

[26] Verwandlung.


Prächtig dekorierter Tanzsaal,
Kandelaber in den Ecken, reiche Lüster mit vielen Lichtern – seitwärts eine Tribüne für das Orchester.
Dienerschaft ist eben mit dem Arrangement beschäftigt.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Eulalia an Hupfers Arm, Klotilde an Roberts Arm kommen herein.

KLOTILDE.

Gott! Aber dö Pracht – i waß mi zwar no recht gut aus meiner Kindheit z' erinnern, 's war alleweit nobel in mein Vatern sein Haus – aber so prächti –

EULALIA
sich nach ihr umsehend.

Aber Kind, Kind, was für einen horriblen Dialog sprichst du – diese Gemeinheit! Hast du denn während deines unheilvollen Landlebens ganz den Ton vergessen, der in unserem Hause herrscht –

KLOTILDE.
Liebe Mutter –
EULALIA
entrüstet.

Mutter! Mutter! Was das wieder für ein Wort ist. – Bauern haben Mütter – wir in der noblen Welt haben eine Mama und Papas.

KLOTILDE
sich mühsam zum Hochdeutschen zwingend.
Liebe Mama – ich werde mich schon zusammennehmen und acht haben, daß i mi nit vergiß –
EULALIA.

So laß ich mir's gefallen – und dann – in dieser Tracht darfst du nicht bleiben – Reginens Kammerjungfer soll dir einige von deren Kleidern geben – sie werden dir schon passen – kleide dich schnell um – ich muß jetzt ins Empfangszimmer – bis ich zurückkomme, will ich dich ganz verwandelt sehen. Sie geht ab mit Hupfer.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Robert. Klotilde.

KLOTILDE
seufzt.
Ach Gott! Bis ich mich wieder in all das vornehme Wesen hineinfinden werde.
ROBERT.
Aber Sie freuen sich doch wohl auf den neuen Putz, womit Sie sich nun schmücken werden?
KLOTILDE.

O Gott, i wollt, 's passet ma gar kans von die vornehmen Klader! Sich bemeisternd. Verzeihen Sie, Herr von Wellenschlag.

[27]
ROBERT.
Wie? Sie ziehen also diese Kleidung vor –
KLOTILDE.

Ja, schauns – Sie mögen mich auslachen, aber das städtische Wesen ist mir seit den zehn Jahren, die ich bei meinem lieben Vetter so glücklich zubrachte, ganz fremd geworden. Es geht mir mit den Kleidern, wie mit der Sprache Wieder österreichisch. ich werd' mich nicht z'rechtfinden können, mir geht halt gar nichts übers echte oberöstreichsche, 's hat halt an ganz andern Klang –

ROBERT.
Sie haben recht – es spricht so zum Herzen.
KLOTILDE.
Aber Sie reden ja selbst so hochdeutsch, so rein –
ROBERT.

Je nun, hier in unsern Zirkeln muß ich wohl – aber ich habe bisher jeden Sommer in den Gebirgsgegenden Oberösterreichs zugebracht, auf Gütern von Bekannten – und ich fühle mich nirgends so heimisch als dort – die liebe herzige österreichische Sprache tut mir so wohl –

KLOTILDE.
Was – da könnt' ich ja nachher mit Ihnen ganz ungeniert reden?
ROBERT.

O ich bitte Sie, tun Sie das, Sie glauben nicht, wie lieb mir diese Sprache gerade aus Ihrem Munde klingt –

KLOTILDE.

So ist's recht. Lachend. Und i hab' mir grad so viel Zwang antan, weil i g'furchten hab', daß Sie mi auslacheten – Schauns! Jetzt ist mir mit einmal wieder so wohl – wann i hochdeutsch reden soll, ist's mir alleweil, als wann mich der Schuh drucket. – Bei mein Vetter im Oberlandl da hab' i reden und tun können, was i g'wollt hab' – und drum bin i a dort so g'sund wurn und so frisch. – In aller Fruh bin i nauf auf'n Berg – o 's ist a schöne Gegend durt! Wie da d' Lauber tröpfelt hab'n, und der Tau blitzt hat, und der Tanawald so frisch und kräfti g'schmeckt hat – da hab' i a Lieblingsplatzl g'habt, wo i d' Sunn gar oft hab' aufgehn g'sehn. Unter mir d' Donau, die nach Wien abagrunnen ist – o Herr! Schauns, wie i weit davon weg war, hab' i mei Vaterstadt no viel lieber g'habt als jetzt, wo ich mitten drinat bin – da hab' i in die Gegend g'schaut, wo's liegt, und hab' an meine Eltern denkt und an alle, die i dort lieb hab', und hab' für sie bet' – o Herr! Herr! Ma kann in keiner Kirchen so[28] frumm beten, als dort auf'n Berg, so nah dem blauen Himmel, und mitten unter die grean Tanabam!

ROBERT
hingerissen ihre Hand fassend.

Glückliche Einfalt! Sie würden also ein Leben in ländlicher Zurückgezogenheit dem Glanze der Stadtwelt vorziehen?

KLOTILDE.

O gewiß! Gott behüt mi vor dem Unglück, a vornehme gnädige Frau wern z' müssen, wann i anmal heirat, denn Seufzend. heiraten muß i doch – und – Wieder seufzend. o mein, ein' Herrn aus der Stadt, hat der Vetter g'sagt –

ROBERT.
Und die Stadtherrn sind Ihnen also so zuwider –
KLOTILDE
verlegen.

Na – schauns – das heißt –Für sich, Robert von der Seite anblickend. der da war vielleicht noch der einzige –

ROBERT
ihre Hand fassend.
Also – einen Stadtherrn könnten Sie durchaus nicht lieben?
KLOTILDE
will sich sanft losmachen.

Na – ich mein – ich mein Fast unwillig. wann auch i ein recht gut sein könnt – die Stadtherrn wissen ja gar nicht, was recht gut sein ist – hab's ja schon g'sehn. Nachahmend. Mein Fräulein! Meine Göttin – ich bete Sie an – Sie allein – ewig! – Und 's ist ka Wort davon wahr! Da machens es droben am Land ganz anderst, wann a Bua sagt: O mein Dearndl, ich bin dir so gut – so gut, i kann nit sein ohne dir – da liegt mehr Lieb drin, als wann so an Stadtherr sich d' Gurgel wund redt!

ROBERT
sie sanft an sich ziehend.

Laß sehen, ob ich's nicht auch treffe. In österreichischer Mundart. Mein Dearndl! Was willst denn, was häst denn no gern – I steig aufi zum Himmel! und hol dir an Stern!

KLOTILDE
freudig zurücktretend und die Hände zusammenschlagend.

O mei, o mei! Sie reden mei Sprach, und so lieb – so lieb – und schaun so aufrichtig drein – o – ich bitt Ihnen, redens noch einmal a so – redens nur no a klans bissel so.

ROBERT.

Aber was ich jetzt sage, ist wahr – wahr – ich schwöre es Ihnen! Aber – Sie müssen mir auch wahr darauf antworten.

KLOTILDE.
Ja, ja, redens nur –
[29]
ROBERT.
Mein Herz und mei Hand und a grundsichers Haus,
Das alles sollst habn – sag mei Dirn! schlagst es aus?
KLOTILDE
sich vergessend, preßt beide Hände ans Herz und sagt beinahe weinend.
Dein Herz und dei Lieb? – Nachher red nichts vom Haus
Und wannst ganz allan stundst, i schlag di nit aus!

Sie fällt ihm an die Brust.
ROBERT
plötzlich horchend.
Horch – es kommt jemand –
KLOTILDE
sich schnell losmachend.
A dös ist recht fatal –
ROBERT.
Ich werde während des Balls in Ihrer Nähe bleiben.
BEIDE
stehen etwas verlegen.
REGINE
kommt.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Die Vorigen. Regine.

REGINE
Klotilde fixierend.

Wie, Cousine! Du bist noch hier? Die Kammerjungfer hat dir zwei von meinen Kleidern zurecht gemacht – du hast die Wahl –

KLOTILDE
zu Robert.

O weh! Grad jetzt, wo ich mich so lebhaft an mein Wald erinnert hab', jetzt ist mir das G'flanz no z'widrer!

REGINE
es bemerkend.
Was soll das? – Du hast gehört – es ist höchste Zeit, dich umzuziehn.
KLOTILDE
leise zu Robert.
O noch einen Augenblick –
REGINE
eifersüchtig.

Sehr schön – Herr von Wellenschlag – mich würdigten Sie noch keines Grußes! Man hört plötzlich hinter der Kulisse laut sprechen.

ROBERT.
Was ist das?
FAUSTIN, SEBASTIAN UND APOLLONIA werden sichtbar.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Die Vorigen. Faustin. Sebastian. Apollonia.

FAUSTIN
der den durch die Seitentüre Kommenden den Eintritt verweigern will.
Aber der gnädige Herr hat g'sagt –
SEBASTIAN
ihn kräftig seitwärts schiebend.

Und i sag dir, geh mir aus'n Weg, wannst nit morgen mit an brochenen Vorderläufel im Tierspital liegen willst –

[30]
ROBERT.
Aber was ist's denn?
SEBASTIAN.

Na – i und mei Weib, wir habn no spaziern gehn wollen, und da hat mein Bruder mir den Kerl da mitgeben – na, i hab' mir das g'falln lassen, wie wir aber auf d' Straßen kummen, da wars an schon a wenig dumper und die vielen Leut' und die Wag'n und das G'raßl habn mei Alte ganz damisch g'macht, also sein wir wieder umkehrt, und jetzt will der Kerl da durchaus, daß wir gleich schlafen gehn sollen – als ob den Lümmel das was anging, ich will mein Brudern aufsuchen, und der Laff will mi nit zu ihm lassen – na wart Ihm mit der Faust drohend. du sollst heut' 's letzte Mal in dem Dienst sein – ich geb' dir mein Wort drauf!

REGINE
für sich.
Mein Himmel! wie fatal! Ich muß nur gleich den Onkel avisieren! Sie eilt ab.
FAUSTIN.
Also der Herr geht nicht fort von da?
SEBASTIAN.
Nein – ich wart da, bis mein Bruder kommt –
FAUSTIN.

Gut, g'warnt hab' ich den Herrn, jetzt such' ich mein Herrn auf, und nachher wird der Herrn gleich sehen, was für a G'stanz mein Herr mit'n Herrn macht! Im Abeilen für sich. Wann der auf'n Ball bleibet, das wär a furchtbare Plantage!Er geht ab.

SEBASTIAN
sich rings umsehend.

Aha – da gefallt's mir no besser als in die andern Zimmer – Apel! Da schau dich – die Lichter – grad als wie bei uns, wann wir den Weihnachtsbaum anzünden!

EIN KAPELLMEISTER
mit seinem Orchesterpersonal kommt.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Ein Kapellmeister.

SEBASTIAN.

Was ist das? Musik wird do a g'macht! Er steht auf und geht auf den Kapellmeister los. Sie, Freund! Sie sein do wohl der Vorgeiger?

KAPELLMEISTER.
Ja, ich bin der Kapellmeister, welchen Herr von Hochfeld zu dem heutigen Balle bestellt hat –
SEBASTIAN.
Was – Ball – Tanz? – Und da hat mi der Schlingel nit rein lassen wollen.
ROBERT.
Herr von Hochfeld wird gedacht haben, daß Sie zu ermüdet seien von der Reise.
[31]
SEBASTIAN.

Ah was! Müd? Wann ein Östreicher no so müd ist, und er hört a Fiedel, so geht's ihm in d' Füß, und er muß tanzen – Sie – sagens mir, was werdens denn aufspielen?

KAPELLMEISTER.
Was befohlen wird: Quadrillen, Kotillons, Polka.
SEBASTIAN.

Das G'frast kenn' ich all's nit, aber sagens mir, wanns ein ordentlicher Musiker sein, so müssens ja ein echten östreicher Landler ah kennen?

KAPELLMEISTER.
Jawohl –
SEBASTIAN.
Ja, ja? Sie? Da spielens mir ein auf – aber an recht saubern –
KAPELLMEISTER.
Ja – ich weiß nicht, ob ich –
SEBASTIAN.

Obs därfen? – Ja, wann ich's sag, schon; ich bin der Bruder vom Hausherrn, und auf an paar Taler kommt's mir a nit an. Er wirft den Musikern, welche bereits auf der Tribüne Platz genommen haben, Geld zu. Allons! Aufg'mischt.

DER KAPELLMEISTER
steigt hinauf.
KAPELLMEISTER.
Auf Ihre Verantwortung! Er gibt das Zeichen; es beginnt ein Ländler.
SEBASTIAN
tritt bei dem ersten Teile nur mit den Füßen den Takt, wird aber ganz hingerissen, und beginnt zu singen.

Lied mit Tanz.


Vier Darm und zwei Bredl'n,
Das z'samm macht an Geig'n
Und do kann am ihr Ton
So ins Herz eini steig'n.

Bei mein Vatern is lusti,
Da geht's uma dum,
Da hupfen die Mäus
In der Tischlad herum.
EINE MENGE GÄSTE
eilen herbei und bleiben verwundert stehen.
SEBASTIAN
läßt sich im Tanze nicht stören, plötzlich teilt sich die Menge und Hochfeld, Eulalia, Regine, Hupfer, Graf von Flambourg und Herr von Wellenschlag kommen in den Saal.
11. Auftritt
[32] Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Hochfeld. Eulalia. Regine. Hupfer. Graf von Flambourg. Herr von Wellenschlag. Gäste.

SEBASTIAN
schwingt eben sein Weib im Tanze.
Juhe! Juhe!
GRAF VON FLAMBOURG.
Quell' horreur! Er entfernt sich.
HOCHFELD
sinkt im Hintergrunde auf einen Diwan.
Das ist mein Ende!
EULALIA
ebenso.
Ich werde ohnmächtig!

Während der Tanz noch fortwährt, fällt der Vorhang.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Hochfeld. Eulalia. Klotilde, bereits in städtischer Tracht, jedoch einfach gekleidet, sitzen beim Frühstück. Faustin serviert.

HOCHFELD.
Ich versichere euch, ich fühle mich beinahe unwohl, der Auftritt gestern auf dem Balle –
EULALIA.
Gott sei Dank, daß es noch so ablief –
FAUSTIN.

Das haben Euer Gnaden rein nur mir zu danken, ich hab' die sämtliche Dienerschaft bewogen, dero Herrn Bruder mitten unter sein Tanz zu fassen und ihn zurück auf sein Zimmer z' bringen, dort hab' ich ihm mit aller mir zu Gebot stehenden Eloquenz begreiflich gemacht, daß er ein Rausch hätt' –

HOCHFELD
lacht.
Der Einfall war wirklich so übel nicht – ha ha ha!
FAUSTIN.
Und er – er hat's z'letzt wirklich glaubt, und ist schlafen gangen –
HOCHFELD.

Der Ball fand dann wohl seinen Fortgang, aber der Herr Graf war doch augenblicklich ob dieser gemeinen Szene entflohn –

[33]
EULALIA.
Quell donneur! rief er aus – und fort war er –
HOCHFELD.

O es ist doch für einen Mann von meinen sentiments ein wahres Unglück, einen solchen Plebejer zum Bruder zu haben!

KLOTILDE.
Aber der arme Vetter, er hat's ja nicht so bös gemeint –
HOCHFELD.

Gemeint – gemeint! So ein – Tölpel meint's immer gut, und verdirbt dabei mehr, als ein Gebildeter mit der übelsten Meinung vermöchte.

EULALIA.
Aber wo ist denn Regine?
FAUSTIN.
Sie hat g'sagt, sie kommt nicht zum Frühstück, 's is ihr recht übel –
HOCHFELD.
Aha! Zu Eulalia. Merkst du – die Geschichte mit Robert –
EULALIA.

Ja, sie glaubte, Eindruck auf ihn gemacht zu haben, aber er hat sich nie gegen sie erklärt, und nun da er gestern abend Klotilden so merkwürdig auszeichnete –

HOCHFELD.

Es ist ja ganz begreiflich, Robert von Wellenschlag ist ein Mann von Bildung – schon der Anblick ihres Vaters hätte jede Neigung, wenn er je eine solche gefühlt hätte, ersticken müssen, und da er sich nun förmlich für unsere Tochter erklärte, so ist's mir um so lieber –

EULALIA
zu Klotilde.

Vergiß aber nie, ma fille, daß du, wenn die Partie zustande kommt, dieselbe nicht sowohl dir, als dem hohen Stande deiner Eltern verdankst –

KLOTILDE
für sich.

O je, ich weiß schon besser, wem ich's verdank! Sie blickt in die Szene, freudig. Aber – o du mein Gott! Da kommt er – da kommt er – Sie will aufspringen und ihm entgegen.

EULALIA
hält sie zurück.

Aber Kind! Kind! Benimm dich nicht so gemein – wer wird denn einem Manne – und wär's auch ein Geliebter, entgegenlaufen? Seufzend. Der Bauernschwager hat die ganze Dedukation des Mädchens vernachlässigt –

KLOTILDE.

Aber mein Himmel! Ist denn das auch gemein, wann man ein Menschen, den man noch dazu heiraten soll, zeigt, wie lieb man ihn hat –

[34]
EULALIA.
Sehr gemein, sogar eine Frau, wenn sie Bildung besitzt, zeigt ihrem Manne nie, daß sie ihn liebt!
FAUSTIN.
Eher einem andern! Er geht ab.
ROBERT
kommt eilig.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Robert.

ROBERT.
Herzlichen guten Morgen, meine teuern Schwiegereltern – guten Morgen, mein liebes, liebes Tildchen!
KLOTILDE.
Guten Morgen, lieber Robert!
EULALIA.
Wollen Sie nicht Platz nehmen? – Eine Tasse Tee vielleicht –
ROBERT.

Ich danke – ich kann in meiner jetzigen Stimmung nichts genießen – ich bin zwar noch nüchtern, und doch trunken – trunken vor Freude!

HOCHFELD
aufstehend.
Freude? Haben Sie mit Ihrem Vater bereits gesprochen?
ROBERT.
Bereits gesprochen, und –
KLOTILDE
gespannt.
Und?
ROBERT.
Bereits alles in Ordnung gebracht –
KLOTILDE
freudig aufspringend.
O mein Gott, das ist g'scheit.
EULALIA
verweisend.
Aber Kind!
ROBERT.
Und wem, wem glauben Sie, daß ich eigentlich mein Glück zu danken habe?
HOCHFELD.
Nun –
ROBERT.
Ihrem Bruder –
HOCHFELD.
Meinem Bruder – wie ist das möglich?
ROBERT.

Nun sehen Sie, mein Vater besuchte eigentlich gestern Ihren Ball in der Absicht, daselbst die Bekanntschaft des Grafen zu machen und dann bei guter Gelegenheit ihn dazu zu stimmen, mich für eine eben vakante Stelle in seinem Bureau aufzunehmen – hätte der Graf dies zugesagt, so hätte ich sie wohl annehmen müssen, und daß ich gleich beim Beginne einer bureaukratischen Karriere an keine Heirat hätte denken können, versteht sich von selbst – durch den tragikomischen Auftritt mit Ihrem Bruder wurde der Graf veranlaßt, den Ball zu verlassen, und somit mein Vater verhindert, mit ihm zu sprechen, als er heute morgen ihn auf seinem Bureau besuchte, hatte er wenige Augenblicke vorher [35] die Stelle zu meinem Glücke einem andern Kompetenten zugesagt – und ich – dem Himmel sei Dank! bin nun wieder frei!

HOCHFELD.
Aber welchen Plan haben Sie denn für Ihre Zukunft entworfen –
ROBERT.

O den schönsten, herrlichsten! Ich bot alle meine Beredsamkeit auf, meinen Vater dahin zu stimmen, daß er mich meinem Lieblingsberufe, der Ökonomie, folgen lasse, und es gelang mir, er will mir eines seiner Güter zur Verwaltung überlassen – dorthin will ich nun mit meinem lieben Bräutchen ziehen –

KLOTILDE.
Was – was – wieder aufs Land?
ROBERT.

Ja – an die Grenze Steiermarks – es ist ein Gut reich an fruchtbaren Feldern, duftenden Wiesen, wildreichen Bergen – dort bin ich einem Könige gleich, und du – mein herziges Mädchen, sollst meine Königin sein!

KLOTILDE
von ihrer Freude hingerissen.

Jetzt mag sich's schicken oder nit, mag's vornehm sein oder g'mein, jetzt muß ich ihm um den Hals fliegen! Sie umarmt ihn.

ROBERT.

Doch noch eins – bei Gott, es tut mir leid, daß ich diesen Punkt berühren muß, allein Sie kennen meinen Vater, von jeher war es sein fester, unumstößlicher Wille, daß ich nur ein Mädchen von – wie er sich ausdrückt – von Familie heirate – es ist nun so eine Schwäche von ihm –

HOCHFELD
sehr ernst.

Schwäche? O nein, mein junger Freund – nennen Sie das nicht Schwäche – es ist edler Stolz auf sein Blut. O ich bin auch dessen fähig.

ROBERT.
Nun ist aber Ihr Herr Bruder –
HOCHFELD.

Er gilt in den Augen Ihres Herrn Vaters nicht als mein Bruder, nach der skandalösen Szene gestern auf dem Balle beschwichtigte ich Ihren mit Recht empörten Vater damit, daß ich sagte, er und seine Frau wären nur Pächtersleute, welche meine Tochter zu mir herbegleitet.

ROBERT.

Ich mußte dieser Notlüge beipflichten, aber eben deshalb wird es notwendig, alle Sorge zu tragen, daß, wenn mein Vater Ihr Haus besucht, Ihr Bruder ihm nicht begegne –

HOCHFELD.

O verlassen Sie sich auf mich – ich habe heute [36] mit meinem Bruder noch nicht gesprochen, wenn ich aber mit ihm spreche, so soll es auf eine Art geschehen, daß ihm überhaupt die Lust vergehen soll, länger in meinem Hause zu wohnen –

KLOTILDE.
O der arme Vetter – und Sie, Robert! Sie bestehn auch drauf?
ROBERT.

Liebes Kind! Es wird mir leider zur Notwendigkeit, wenn ich anders dich als meine Braut heimführen soll, sind wir aber nur erst Mann und Frau, dann sollst du sehen, daß ich gewiß fern von jedem Stolze bin, dann soll er recht oft zu uns, und wir ebensooft zu ihm kommen –

HOCHFELD.

Doch nun, lieber Herr Schwiegersohn! haben wir noch manches reiflich zu besprechen, ich ersuche Sie, mir auf mein Bureau zu folgen –

ROBERT.
Mit Vergnügen!
KLOTILDE
heimlich zu Robert.
Schauns, daß S' bald runterkommen, ich wart', dort in der Kastanienallee –
ROBERT
drückt ihr die Hand und winkt ihr bejahend zu, bietet dann Eulalien den Arm und geht mit ihr und Hochfeld ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Klotilde allein.

KLOTILDE
bleibt sinnend stehen.

's ist doch sonderbar, daß bei jedem Glück, was man auf der Welt genießt, überall a Wermutstropfen sein muß, der's am trübt – ich wär' jetzt so froh – so unendli glückli – aber, was meine Eltern mit dem guten Vetter haben, das schmerzt mi bis in d' Seel hinein. Sie will ab.

SEBASTIAN
tritt ihr, ein hölzernes Pfeifchen im Munde, entgegen.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Klotilde. Sebastian.

SEBASTIAN.
Hallo! Mein Dearndl is da?
KLOTILDE.
Ach Vetter! Lieber Vetter! Sie sinkt ihm um den Hals.
SEBASTIAN.

Na, na, was hast denn – du zitterst ja völli und Er wendet ihr den Kopf in die Höhe. was Donnerwetter! D' Augerln sein a naß – und du tust lachen dabei – Regen [37] und Sonnenschein, lachen und weinen in ein Sack – was hast denn?

KLOTILDE.

Glück, viel Glück, lieber Vetter! – O – so viel Glück, daß i kaum reden kann – Vetter – i – ich – o – 's Herz kunnt mir z'springen!

SEBASTIAN.

's Herz – was, ist dein Herz a schon aufg'riegelt – hahaha – Dildl! 's ist doch nit auf d'letzt gar schon ein Amour?

KLOTILDE
nickt mit dem Kopf.
SEBASTIAN.
Da schon – Sackerlot! Dos is g'schwind gangen! – Und wer denn –
KLOTILDE.
O – so a guter Mensch!
SEBASTIAN.
So?
KLOTILDE.
A wahrer Engel –
SEBASTIAN.
Versteht sich.
KLOTILDE.
G'scheit, und das Herz am rechten Fleck – o, a wahrs Muster!
SEBASTIAN
lachend.
Natürli! Natürli!
KLOTILDE.
Er hat Ihnen selber g'falln –
SEBASTIAN
aufmerksam.
Mir? – Wer war denn das?
KLOTILDE.

Der Herr, der Ihnen glei wies kommen sein, z'erst d' Hand druckt hat, wo Sie selber g'sagt hab'n, daß er so brav ausschaut –

SEBASTIAN
heftig.
Was? Do nit der Musje Robert?
KLOTILDE.
Ja, ja, der ist's –
SEBASTIAN.

Der? Zornig sich abwendend. Na, so schlags Donnerwetter drein – hat mir doch gestern schon mei Regerl a g'stunden, daß in den Mann geschossen ist – o mei arme Regerl! Laut. Und du weißt also g'wiß, daß er dich lieb hat?

KLOTILDE.
Versteht sich – er hat ja schon um mich ang'halten, und die Eltern hab'n a ja g'sagt –
SEBASTIAN
für sich.
O mein arme Regerl! Laut, gezwungen. Na, mi freut's, mi freut's. Für sich. Mei arm's Dearndl –
KLOTILDE.

Aber jetzt, Vetter! Seins nit harb – aber – i kann nit dableiben, ich hab' ihm versprochen, in der Allee dort z' warten – na, und i kann ihn doch nicht umsonst passen lassen, nit wahr?

SEBASTIAN
zerstreut.
Na, na, geh nur – geh nur –
KLOTILDE.
B'hüt Gott, lieber Vetter! Sie läuft fort.
5. Auftritt
[38] Fünfter Auftritt.
Sebastian allein.

SEBASTIAN.

Mei arms Dirndl, wann die das erfahrt, da muß ihr's Herz weh tun, und wann am 's Herz weh tut, is ma alles imstand.


Lied.


's Herz is an g'spaßigs Ding,
Oft gar so schwar, oft g'ring,
Oft is so mäuserlstill,
Oft hammert's wie a Mühl –
Oft tut's am wohl, oft wieder schmerzen,
Drum glaub' i in mein Sinn,
's sitzt was Lebendigs drin,
Ganz tief im Herzen.
In Freud' und Schmerzen.

's kann sogar dischkariern,
Mit an a dischbadiern,
I han's oft gar nit g'fragt
Und 's hat mir do was g'sagt.
Das tut am kruseln so und schlagen,
's sein kani Wörter zwar,
's redt aber deutli klar,
's tut am alles sagen
Und nur durchs Schlagen.

Jetzt mancher sagt: o mein!
Wie kann das mögli sein?
Der plauscht sich selber an,
A bissel g'spürt er's schon,
Er mag sich d' Wahrheit selbst nit sagen,
Do hilft's nit g'schamig sein,
Der droben schaut hinein,
Dös tut dös Schlagen
An jeden sagen.

's gibt viel, dös gar nit hörn,
Wann d' Schläg rebellisch wern,
Bei dö is Herz ganz weg,
Is nit am rechten Fleck.
[39] Und erst ganz spat in alten Tagen,
Da g'spürn sie's zentnerschwar,
Was früher war ganz laar –
In alten Tagen
Tut's weh, dös Schlagen.

Woher dös Schlagen kümmt,
Das waß ma halt nit b'stimmt,
I man und bild' mir ein,
's wird unser Schutzgeist sein,
Der tut mit seinen Flügerln schlagen,
Und wann ma genga drauf,
Tragt er die Seel hinauf,
Tut für an jeden
Da drobnet reden.
REGINE
kommt.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Sebastian. Regine.

REGINE.
Guten Morgen, lieber Vater!
SEBASTIAN.

Ich bitt dich – red jetzt französisch mit mir, so wird's mir leichter, dir z' sagn, was i dir sagen muß –

REGINE.
Comment, Papa?
SEBASTIAN.

So ist's recht, der Papa kann red'n, wann dem Vater 's Herz zerspringen möcht – du – Regerl – nimm di z'samm – faß di – derschrick nicht –

REGINE.
Nun?
SEBASTIAN.

Schau, Ehen werden im Himmel g'schlossen, und der liebe Himmel will halt einmal nit, daß du den Mosje Robert kriegst – er – na – daß i dir's nur grad raus sag – er heirat ein andre –

REGINE
kaum merkbar ergriffen.
So?
SEBASTIAN.

Die Tildi heirat er – dei Mahm – so – jetzt waßt es – jetzt heul di aus – wan an bißl, das macht 's Herz leichter, und wann dir an G'falln g'schieht, wan i mit dir!

REGINE
ganz kalt.
Warum nicht gar! Weinen um einen Mann!
SEBASTIAN
sieht sie erstaunt an.
Was?
[40]
REGINE
höhnisch.
Über den Verlust wird man sich auch noch trösten können, hahaha!
SEBASTIAN
ganz verblüfft.

Du lachst? – Na – ist mir a recht – 's Madl hat a starke Natur – stärker als die Dirndl bei uns in die Berg draust – wann da einer so was passiert, das ist a Wanerei und a Zahnerei.

REGINE.

Weil es Bäuerinnen sind, Dirnen, welche einen solchen Verlust nicht zu ersetzen wissen. Wann man aber, wie ich, nur eines Blickes bedarf, um zehn Anbeter zu seinen Füßen liegen zu sehen –

SEBASTIAN.

Was – du ich bitt' dich, geh' vorsichtig um mit deine Blick, sonst bist auf d' letzt in G'fahr, mit jeden Schritt, den d' tust, a paar Anbeter zu zertreten!

REGINE
blickt in die Szene, für sich.

Da kommt Hupfer! – Es ist beschlossen, ich muß noch eher Frau werden, als meine Base, ich muß – jetzt fordert es meine Ehre! Sie wendet sich rasch zu ihrem Vater. Lieber Vater! Darf ich Sie bitten, mich nur auf eine Viertelstunde hier allein zu lassen –

SEBASTIAN.
Ja, was willst denn?
REGINE.

Ich bitte Sie darum – nach dieser Viertelstunde werde ich an der Hand meines Bräutigams Sie um Ihren väterlichen Segen bitten –

SEBASTIAN.

Was – in einer Viertelstund? – Ja, du tust ja grad, als ob sich die Bräutigams nur so g'schwind ausbacken ließen, wie d' Spritzkrapfen.

REGINE
dringend.

Ich bitte Sie, Vater! Wenn Ihnen an meiner Ehre, an meinem Lebensglücke gelegen ist, lassen Sie mich jetzt allein!

SEBASTIAN.

Na, meinetwegen, ich geh' – Für sich. aber zuschauen muß ich doch, ich hab' mei Lebtag nicht g'sehen, wie in der Stadt a Bräutigam g'macht wird – Er geht ab, wird aber während der folgenden Szene oft im Gebüsche lauschend gesehen.

REGINE
allein.

Ja – es ist beschlossen – sie soll den Triumph nicht haben – und mein Herz? – Hm! Es sind altväterische Rechte, die sich das Herz anmaßt – fortan soll mich nur die Klugheit bestimmen! Sie setzt sich in die Laube, nimmt ein Buch vom Tische und stellt sich in dasselbe vertieft.

HUPFER
kommt trillernd, erblickt Reginen und bleibt stehen.
7. Auftritt
[41] Siebenter Auftritt.
Die Vorige. Hupfer. Später Apollonia und Sebastian.

HUPFER.
Ha – sie hier – eine stolze Diana! Er tritt näher und räuspert sich.
REGINE
wie überrascht aufblickend.
Ha – Sie –
HUPFER
zärtlich.
Zürnt Diana dem sie überraschenden Aktäon?
REGINE
lächelnd.
Wenn ich auch zürnte – so würde ich Ihnen doch nicht Aktäons Schicksal bereiten, lieber Hupfer!
HUPFER.
Wie – was? Er sieht sich um. Reden Sie mit mir?
REGINE.
Mit wem sonst? Sie sieht ihn freundlich an.
HUPFER.

O mein Himmel – und diese Augen – diese Blicke – o – o – es sind Sonnenstrahlen, die den Gletscher meines Herzens zur Dachtraufe machen – und dieser so lieblich – so minnig verzogene Mund – diese Lippen, ach –

REGINE
mit Koketterie.

Warum nicht gar! Wenn man den jungen Herren nur einen freundlichen Blick weist, so wollen sie gleich, Gott weiß was, vermuten –

APOLLONIA
tritt auf und geht zu Sebastian, der ihr winkt, ins Gebüsch.
HUPFER.

Aber mein Himmel – ich bin solche Blicke von Ihnen gar nicht gewöhnt – Sie haben mich sonst immer so spöttisch – so gewiß – wegwerferisch angesehen –

REGINE
seufzt.
HUPFER.
Ach Gott – und ein Seufzer auch, Regine! Fräulein Regine – sollte dieser Seufzer mir gewidmet sein?
REGINE.
O ich bitte, lassen Sie mich – lassen Sie mich – seien Sie nicht so ungestüm –
HUPFER.
War ich denn ungestüm? Er tritt näher und faßt ihre Hand.
REGINE
erschreckt, als ob sie ihre Hand losmachen wollte.
O mein Himmel! Was tun Sie – lassen Sie meine Hand –
HUPFER
läßt die Hand los.
Wenn Sie befehlen –Für sich. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht!
REGINE
für sich.
Der ist doch gar zu blöde. Sie erhebt sich vom Sitze.
HUPFER.
Was, Sie wollen fort – Regine!
REGINE
seufzend.
Ich muß! Ach –
[42]
HUPFER.

Schon wieder ein Seufzer – Regine! O ich beschwöre Sie, bleiben Sie – nur noch einen einzigen Seufzer – es kommt mir vor, als seufzen Sie mir zu Ehren, und wenn das wäre – o Gott!

REGINE.

O so seid ihr Männer, mit kaltem Stolze triumphiert ihr, wenn ein weibliches Herz zu schwach zur Verstellung ist –

HUPFER
für sich.

Ich kenne mich gar nicht aus – und doch scheint mir – aber jetzt gilt's – ich probier's Er sieht sich um. allein sind wir – Coraggio Bajazzo. Er wirft sich plötzlich vor ihr auf die Knie. Regine!

REGINE
zärtlich sich zu ihm herabbeugend.
Was tun Sie – stehen Sie auf – Hupfer! Lieber Hupfer!
HUPFER
springt wie elektrisiert in die Höhe.
Lie – lieber – lieber Hupfer –
REGINE
sich abwendend.
Was hab' ich getan!
HUPFER.

Was Sie getan haben? Einen Menschen auf den Himalaja des Glücks hinaufgezogen – o Regine! Regine! Er umarmt sie, trotz ihres sanften Widerstrebens. Ich finde in diesem Augenblicke in allen Lexikonen der Welt nur ein Wort: Ewig! Ewig!

REGINE.
Ja, wer solchen Worten trauen wollte –
HUPFER
hitzig.

Wenn Sie mir nicht trauen wollen – so lassen Sie sich mit mir trauen – einen bessern Beweis meiner Ewigkeit kann ich Ihnen nicht geben –

REGINE.
Wie, Sie wollten –
HUPFER.
Wenn nur Sie wollen – o Regine –
REGINE
sieht ihn lange bewegt und schmachtend an, drückt ihm dann beide Hände und spricht, anscheinend verschämt.
Sprechen Sie – mit meinem Vater!
HUPFER.
O Seligkeit! O Wonne – du bist mein –
REGINE
ihn umarmend.
Dein!
HUPFER.

Mit Ihrem Vater soll ich sprechen, ich eile auf den Flügeln der Liebe zu ihm – sei ohne Sorgen, meine Holde! Mit deinem Vater werde ich bald fertig werden –

SEBASTIAN
tritt, eben als sich Hupfer zum Abgehen wendet, mit Apollonia aus dem Gebüsche hervor, mit Eiseskälte.
Ja, Sie haben recht, mein lieber Herr! Wir werden bald fertig sein!
[43] REGINE.
Ha – da ist er ja –
HUPFER.
Ha – da ist er ja –
SEBASTIAN.
Ja, da ist er, der unglückselige Vater –
HUPFER.
Unglückselig?
REGINE
will sich an ihn schmiegen.
Wie, mein Vater?
SEBASTIAN
sie fast heftig von sich stoßend.

O, ich bitt' dich – jetzt – nur jetzt red' in einer fremden Sprache zu mir – denn die ehrliche deutsche Sprach' ist zu gut, als daß mans zu solchen erbärmlichen Verstellungen braucht. Er blickt sie mit gefalteten Händen verzweifelnd an. Regerl! Regerl! Was ist aus dir worden –

HUPFER.
Was aus ihr geworden – meine Braut!
SEBASTIAN.

Dem Teufel sei Großmutter kann Ihna Braut sein – die nicht – die in Ewigkeit nicht, das schwör' ich Ihnen! Das muß ich an dir erleben – aber i bin selber schuld, i hab' di so lang aus'n Aug'n lassen, hab' di herreisen lassen in d' Stadt, damit d', wie i denkt hab', was Rechtes lernen sollst; – ja du hast was Rechts g'lernt, das siech i; weil dich der Mussie Robert, in den du verliebt bist, nit mag, willst ihm zum Trutz dennoch a Frau wern und bist so ehrvergessen, daß du mit lugnerischen Kunststückeln nach ein Mann angelst, über den du gestern noch g'schimpft hast, von den du sagst: er is ein eingebildeter Geck, a bornierter Mensch – a fader Ding.

APOLLONIA.
Ja das hast g'sagt, i hab's a g'hört.
HUPFER
wie aus den Wolken gefallen mit einem Schafsgesicht.
Wa–as?
REGINE
will fort.
SEBASTIAN.

Du bleibst! Ich frag, hast du von den Herrn das nit g'sagt, Wort für Wort – na – so straf dein alten Vater Lugen, wannst Courage hast.

REGINE
will wieder fort.
SEBASTIAN
faßt sie bei der Hand, zu Hupfer.

Sehens, sie kann nit na sagen, Sie haben jetzt so ein Bescheid, daß Sie sich wohl kein andern mehr wünschen werden; und du gehst z'ruck mit mir, aufs Land, dei Mahm, die Tildi, ist bei mir kuriert worn, wie's brustkrank war, und du bist viel kränker, im Herzen sitzt's Übel, und so Gott will, wird's nit unheilbar sein. Er geht ab mit Reginen.

8. Auftritt
[44] Achter Auftritt.
Apollonia. Hupfer.

HUPFER
steht ganz verblüfft, nach einer Pause.

Ein eingebildeter Geck! Ich? – Ein bornierter Mensch – ich? – Ein fader Ding – ich?! Die Achsel zuckend. Verkannt zu werden, war stets des Schönen Los auf Erden!

APOLLONIA
anfangs etwas schüchtern.
Sie! Seins bös auf mein Mann?
HUPFER
wegwerfend.
Hm! Er ist ein Viehhändler – und ich bin Philosoph –
APOLLONIA.
Was – also seins doch auch so was von Vieh –
HUPFER
für sich.

Mein Gott, sind die Leute dumm!Laut. Philosoph bin ich – das heißt ein Gelehrter – ein Weltweiser – den seine Wissenschaft hoch hinauf über die Erde zieht.

APOLLONIA.

Was – Sie sein a G'lehrter? Siehst es – siehst es! Hab' mir schon alleweil g'wunschen, einmal ein G'lehrten kennen z'lernen – aber i hätt' mirs ganz anders vorgestellt –

HUPFER.
Mein Himmel, ihr Bauern in eurer Geistesfinsternis könnt euch nichts so vorstellen, wie es ist –
APOLLONIA
etwas beleidigt.

Bauern? Geistesfinsternis? – Na mir scheint, in Herrn sein Kopf ist a d' Gasbeleuchtung no nit eing'führt –

HUPFER.
Was? Ich glaube gar, Sie will grob werden –
APOLLONIA
immer couragierter.

Na, Sie tun stolz gegen unsereins, dazu haben Sie ein Recht, weil S' vornehm sein – und wann mi was harbt, wir i grob, dazu hab' i a Recht, weil ich a Bäuerin bin! – Für sich mit heimlicher Freude, sich von ihm abwendend. Schluck's abi und derstick nit dran.

HUPFER
sie verächtlich messend.
Für meinen Haß zu klein –
APOLLONIA.
Na wegen Ihnen werd' ich epper noch wachsen! Wär schon der Müh wert.
HUPFER.

Aber Ihre Schnippigkeit amüsiert! Hahaha! – Es ist pikant! Er lorgnettiert sie, für sich. Und – das Weibchen wär' nicht so übel – so ein recht kompaktes Alpengewächs! – Mir kömmt da eine originelle Idee – wenn ich ihr den Kopf etwas verrückte – ihr Herz rebellisch machte – [45] wenn ich will, nichts leichter als das – das wäre eigentlich die beste Rache, die ich an ihrem Manne nehmen könnte.

APOLLONIA
für sich.
Er redt mit sich selber, wann ihm nur der Diskurs nit z' fad wird!
HUPFER
sich freundlich gegen sie wendend.
Mein liebes Frauchen – wir wollen Frieden schließen.
APOLLONIA.
Wir haben ja no kan Krieg g'führt –
HUPFER.
Und doch fühle ich mich besiegt –
APOLLONIA.
Das versteh ich nicht –
HUPFER.
Sie haben solche Waffen, denen ich nicht widerstehen kann –
APOLLONIA
für sich.
Und mir widersteht er doch schon lang –
HUPFER.
Diese frischen schwarzen Augen sind zwei Brandraketen welche schnell zünden –
APOLLONIA.
Besonders wenn Stroh am Dach ist –
HUPFER.
Und Ihr ganzes Wesen, gewiß, in diesem schönen Körper muß ein schönes Herz schlagen.
APOLLONIA
sich rasch losmachend.
Sie! Gebens Obacht, es könnt was anders schlagen, als 's Herz!
HUPFER.

O liebes Weibchen, tut nicht so – ich kenne Euer Geschlecht, ihr seid wie die Metalle, wenn ihr noch so spröde seid, könnt ihr doch zum Glühen gebracht werden –

APOLLONIA.
Ja, auf Ehr! Ich fang schon a bißl z' glühn an –
HUPFER.
Und wenn ein zärtlicher Seladon kommt – Euch liebend naht, und zart minnend um einen Kuß bittet –

Er neigt seinen Kopf etwas gegen ihren Mund.
APOLLONIA.
Sie sein mir noch zu hoch – biegens Ihnen a bißl besser abi –
HUPFER.
O ich Glücklicher! Er neigt sich noch mehr gegen sie, zärtlich. Nun?
APOLLONIA.
So – jetzt kann ich Ihnen derglengen – Sie gibt ihm eine Ohrfeige.
HUPFER
in die Höhe springend.
Au weh! – Was war das?
APOLLONIA.

Kennens das nit? Das ist die Münz, die bei uns daham g'schlagen wird, um solche windige G'schwufen, wie Er ist, ausz'zahlen, wanns ein braven Weib nachstellen wollen –

HUPFER
wütend.
Mir das mir – Weib – ich vernichte dich –
[46]
APOLLONIA
sieht in die Szene, rasch.
Da kommt mein Mann –
HUPFER
ängstlich.
Ich bitte meine Empfehlung auszurichten. Er läuft schnell fort.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Apollonia allein.

APOLLONIA.

Hahaha! Hasenfuß übernand! – Glaubt so a Windg'spiel, er durft nur Haferl sagen, und 's müßt schon jede in ihm verliebt sein – in der Stadt kann das vielleicht schon sein, aber bei uns daham ist d' Lieb a bißl was anders.


Lied.


Mir steig'n die Grausbirn auf,
Wenn i so an Stadtherrn siech,
Red der so dumm daher,
Gibt's mir an Stich;
Bei uns am Land, ui je!
Da sag'ns glei Dirndl: he!
Kimmst oder kimmst nit?
Oder wie geht's, oder wie steht's,
Oder was tust, oder was treibst,
Oder bin i dir nit recht?

Sagt dann das Dirndl: Bua,
I hab' di herzlich gern,
Da brauchts ihm nit an Schwur,
Extra no z' schwörn;
Er hebt ihr 'n Kopf in d' Höh,
Und dann fragts Dirndel he!
Kimmst oder etc. etc.

Hat man an klan Verdruß,
Redt man dem Liebsten zu,
Büberl, du hast an Schuß,
Jetzt is schon g'nu;
Steckt er nit um glei, na
Nachher sangt 's Dirndl an:
Kimmst oder etc. etc.

D' Stadtleut wans oft zu uns
H'rausfahrn in Kobelwag'n,
[47] Tun Dirndl in die Berg
Die Weg ihnen zag'n.
D' Stadtherrn sein schlecht bei Fuß,
's Dirndl von ob'n schreien muß:
Kimmst oder kimmst nit,
Alter! Wie geht's,
Alter! Wie steht's!
Alter! Was tust, Alter, wo bleibst,
Alter! Gelt meine Füß' möchst.

Sie geht ab.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Hochfeld. Robert treten aus der Seitentür. Dann Faustin.

HOCHFELD.
Also Ihr Herr Vater wird uns heute die Ehre bei der Tafel geben?
ROBERT.
Er versprach es –
HOCHFELD.

Gereicht mir zum größten Vergnügen – doch einen so werten Gast kann man nicht auf gewöhnliche Weise empfangen. Er klingelt.

FAUSTIN
tritt ein.
Euer Gnaden befehlen?
HOCHFELD.

Man sage sogleich dem Koch – heute große Tafel, das Ausgezeichnete, Seltenste, was sich nur auftreiben läßt, muß auf den Tisch kommen –

FAUSTIN.

Aber Euer Gnaden, 's ist jetzt schon a bißl spät, die Kräutlerinnen werden schon eingeräumt haben, und der Fleischhacker macht auch um zehn die Bank zu – Sie wissen das eh –

HOCHFELD.

Schafskopf – ich drehe dir den Hals um, wenn du mir mit so albernen Reden kommst – der Koch wird Rat wissen – sag' ihm, es darf nichts auf die Tafel kommen, was eben die Jahreszeit mit sich bringt – durchaus [48] nur solche Produkte, die durch Kunst der Zeit voraus geeilt sind –

FAUSTIN.
Also lauter unzeitigs G'fraßt –
HOCHFELD.
Treibhausgewächse – kein deutscher Wein – die seltensten Seefische –
FAUSTIN.
Hering mit Zwiebel –
HOCHFELD.
Stockfisch!
FAUSTIN.
Auch nicht übel mit Semmelbreseln! Er geht ab.
ROBERT.

Ich würde Sie bitten, sich nicht so sehr in Ungelegenheit zu setzen, wenn ich nicht wüßte, daß durch einen solchen Empfang der Eitelkeit meines Vaters geschmeichelt wird –

HOCHFELD.
O ich bitte – sprechen Sie nicht davon – Kleinigkeit!
HALLER
tritt rasch ein.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Haller. Später Jakob.

HALLER.
Herr von Hochfeld – Er bemerkt Robert. O – Sie sind nicht allein!
HOCHFELD.
Was gibt's! Sie scheinen echauffiert?
HALLER
verlegen auf Robert blickend.
Ich weiß nicht –
HOCHFELD.

Dieser Herr ist mein Schwiegersohn – sprechen Sie ohne Scheu vor ihm – Sie kommen doch vom Hause Mirheim –

HALLER.
Zu dienen.
HOCHFELD.
Und bringen die einkassierten Gelder?
HALLER.
Das heißt –
HOCHFELD.
Sollte man Ihnen die Zahlung verweigert haben?
HALLER.
Das Haus Mirheim hat die Zahlungen eingestellt!
HOCHFELD
zurückprallend.
Heiliger Gott!
HALLER.
Falliert!
HOCHFELD
vernichtet.
Falliert – dann – bin auch ich verloren! Er sinkt in einen Stuhl.
ROBERT.
Mein Gott! – Was sagen Sie?
HOCHFELD.

Verloren – zugrunde gerichtet – das Geld mußte ich haben, um die heutigen Zahlungen leisten zu können – man kann augenblicklich die verfallenen Wechsel präsentieren –

[49]
HALLER.

Ja, Herr von Hochfeld! Ich sagte es immer, für Ihren eignen Haushalt mußte ich zu viel auszahlen, die Pracht, womit Sie Ihr Haus umgaben, verzehrte den ganzen Gewinn –

HOCHFELD.

Predigen Sie jetzt nicht wieder – rufen Sie dem ins Wasser Gefallenen nicht erst Vorwürfe über seine Unvorsichtigkeit zu – sondern retten Sie, retten Sie – Händeringend auf und nieder gehend. wenn noch ein Ausweg zur Rettung ist –

ROBERT.
Mein Himmel! Wenn mein Vater dies erfährt, so ist auch mein Lebensglück zertrümmert!
JAKOB
tritt ein.
Herr von Glatt!
HOCHFELD
plötzlich von einem Gedanken erfaßt.

Glatt! Glatt – der kommt von Gott gesandt – Zu Jakob. Nur einen Augenblick wolle sich der Herr von Glatt gedulden – Geschäfte – ich werde sogleich die Ehre haben –

JAKOB
geht ab.
ROBERT.

Es ist wahr – dieser Glatt ist reich, er hat immer Gelder disponibel – wo nicht, so weiß er sie aufzutreiben – er hat glänzende Geschäfte auf der Börse gemacht –

HOCHFELD.

Haller! Machen Sie indes den Kassaauszug, berechnen Sie alle Vorteile – bringen Sie alles in Bewegung – und setzen Sie mich schnell in Kenntnis –

HALLER.
Was ich tun kann, soll gewiß geschehen.Er will ab.
HOCHFELD.
Bitten Sie sogleich Herrn von Glatt, einzutreten!
HALLER.
Sehr wohl – Er geht ab.
HOCHFELD.
Nur jetzt Fassung – damit er meine schreckliche innere Bewegung nicht merke.
GLATT
tritt ein.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Hochfeld. Robert. Glatt.

GLATT.
Bon jour, Herr von Hochfeld, bon jour, Herr von Wellenschlag –
HOCHFELD.
Was gibt mir die Ehre?
GLATT.

Ich wollte nur so – en passant mich erkundigen, wie Sie nach dem gestrigen Balle geruht – aber ich habe nur wenige Minuten Zeit –

HOCHFELD.
Sie sind immer sehr beschäftigt –
[50]
GLATT.

Außerordentlich – ein Mensch, der, wie ich, sich mit Geldgeschäften befaßt, muß, wie das Geld selbst, an allen Enden und Ecken roulieren. – Man hat seine liebe Sorge, sein Geld honett unterzubringen; da wurde mir eben ein Kapital von achtzigtausend Gulden zurückgezahlt.

HOCHFELD
aufatmend.
Ach –
GLATT.
Aber das Geld ist jetzt so allgemein, man findet selten jemanden, der etwas brauchen könnte –
HOCHFELD.
Hm – Ganz gleichgültig scheinend. Wenn Sie gerade niemanden wissen –
GLATT.
Wie – wollten Sie selbst vielleicht –
HOCHFELD.

Ja, ich habe ein neues Fabrikgebäude im Projekt – es erfordert zum Beginne große Summen – freilich wäre auch bedeutender Gewinn –

GLATT
für sich.
Ei, ei – er braucht Geld – sachte! sachte!
ROBERT
lächelnd.
Nun, und ein Handlungshaus wie das des Herrn Hochfeld verdient wohl alles Vertrauen –
GLATT
Hochfeld die Hand reichend.

Ei freilich, freilich, lieber Freund, mein ganzes Vermögen steht Ihnen zu Diensten – nur ist jetzt – wie Sie selbst wissen, das Geld so selten –

ROBERT.
Aber Sie haben ja soeben über die Allgemeinheit des Geldes geklagt –
GLATT.
Allgemeinheit? – Ich bitte Sie – die vielen Ausverkäufe beweisen hinlänglich das Gegenteil –
HOCHFELD.

Aber Sie haben doch die achtzigtausend Gulden – und könnten sie mir also gleich zur Disposition stellen.

GLATT.

Auf jeden Fall – doch es sind mir bereits von einem andern Hause sehr vorteilhafte Offerten gemacht worden –

HOCHFELD.
Zu wie viel Prozent –
ROBERT.
Versteht sich nicht höher, als sechs –
GLATT.
Und dann die geringe Maklergebühr zu zwei Prozent.
HOCHFELD.
Das wären also acht.
GLATT.
Nein, zehn.
HOCHFELD.
Zehn?
GLATT.
Ein kleines Kommissionsdouceur zu zwei – zwei und sechs macht acht und zwei ist zehn –
HOCHFELD.

Das ist aber denn doch etwas viel. – Nun denn – nur der große Nutzen, den ich mir von der neuen Fabrik verspreche, bestimmt mich dazu – ich nehme es an!

[51]
GLATT.
Ich gehe sogleich, Ihren Wunsch zu erfüllen –
ROBERT
für sich.
Ich lebe wieder auf.
HOCHFELD
zu Glatt.
Wir speisen doch zusammen –
GLATT
sich verneigend.

Sie sind zu gütig, ich nehme Ihre Einladung an – also au revoir, Herr von Hochfeld, in wenigen Minuten kehre ich mit der Summe zurück. Er geht ab.

HOCHFELD
schwer aufatmend.
Dem Himmel sei Dank, das Gewitter scheint sich zu verziehen – –
ROBERT.

Glauben Sie mir, ich fühlte nicht weniger Angst als Sie selbst, doch jetzt eile ich zu meinem Vater, ich werde ihn selbst hierher begleiten, und hoffe, bis dahin Ihre Stirne geglättet zu sehen. Er geht ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Hochfeld allein.

HOCHFELD.

Es wird sich alles rangieren – aus der Mirheimischen Krida wird sich ein Bedeutendes retten lassen – und dann – die Vermählung meiner Tochter mit dem Sohne eines der reichsten Bankiers gibt auch meinem Hause mehr Kredit.

SEBASTIAN
tritt auf.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Sebastian. Hochfeld.

SEBASTIAN.
Guten Morgen, Bruder!
HOCHFELD.
Guten Morgen!
SEBASTIAN.
Blasi!
HOCHFELD.
Was?
SEBASTIAN.
Bist bös auf mi?
HOCHFELD.
Aber sag' mir nur, Sebastian, welch ein Teufel mußte dich plagen.
SEBASTIAN.
Gar kaner!
HOCHFELD.
Mich so zu kompromittieren –
SEBASTIAN.
Das hab' i nit woll'n –
HOCHFELD.
In meinem Saal bäurisch zu tanzen –
SEBASTIAN.
Anders kann i nit!
HOCHFELD.
Zu strampfen, zu klatschen, zu jauchzen –
SEBASTIAN.
Das g'hört dazu –
[52]
HOCHFELD.
In Hemdsärmeln –
SEBASTIAN.
So ist's halt komoder.
HOCHFELD.
Und eben in dem Augenblick, wo der Graf eintrat.
SEBASTIAN.
Das hab' i nit g'wußt –
HOCHFELD.
Quell' horreur hat er gerufen –
SEBASTIAN.
Das versteh' i nit –
HOCHFELD.
Und ging fort – er ist entrüstet –
SEBASTIAN.
Schiebs nur alles auf mi –
HOCHFELD.
Auf dich – auf dich – das wäre eine schöne Ausflucht – ich darf von dir gar nichts erwähnen –
SEBASTIAN.
Was – was?
HOCHFELD.

Du wirst doch einsehen, daß du hier eine sehr unpassende Rolle spielst – und daß es besser wäre, wenn –

SEBASTIAN
gespannt.
Wenn – was wenn?
HOCHFELD
herausfahrend.
Wenn du gar nicht gekommen wärest –
SEBASTIAN
tief gekränkt.
Blasi – Blasi – das – das kannst du dein Brudern sagen?
HOCHFELD
will wieder einlenken.
Na sieh, es ist –
SEBASTIAN
kräftig.

Schlecht! – Was i tan hab', 's mag nit recht sein nach engerer Stadtmanier, aber fröhlich sein in Ehren tut unser Herrgott selber nit wehren; 's war a lustigs Stückli, weiter nichts. – Aber sich aus Hochmut schamen, daß man ein Bauern zum Brudern hat, sich schamen, daß der ehrliche Vater im Grab a nix anders war, das ist a schlechts Stuck – und – 's tut mir leid, daß ich das selber an dir hab' erleben müssen.

HOCHFELD.
Nun, nun, Bruder – so – so war's ja nicht gemeint.
SEBASTIAN
besänftigt.

Na schau – das hab' i mir eh denkt – na – 's freut mich, daß d' es selber widerrufst, also – wir sein wieder die Alten. Er hält ihm die Hand hin.

HOCHFELD.
Ja doch – ja – Er gibt ihm kalt die Hand.
SEBASTIAN
schüttelt sie derb.

Na, waßt ja eh – ich kann nicht bös sein auf dich – und daß d' siehst, daß i ganz gut bin, so bitt' ich dich jetzt glei um a klane Gefälligkeit –

HOCHFELD.
Eine Gefälligkeit, und die wäre –?
SEBASTIAN.

Siehst, ich bin da nach Wien g'reist, und hab' mei bißl bares Geld mitg'nommen, um's in d' Sparkassa [53] z' legen. Aber grad' vorhin hat mich einer von meine Bekannten, a Spekulant, aufg'sucht, der hat mir a recht a profitables G'schäft mit Rindvieh antragen –

HOCHFELD.
Schon wieder das Rindvieh –
SEBASTIAN.

Ah du, 's schaut mit'n Rindvieh oft viel mehr raus, als wann man sich mit g'scheite Leut' in G'schäften einlaßt.

HOCHFELD.
Aber was kann da ich tun?
SEBASTIAN.

Ja siehst, er verlangt halt fünftausend Gulden bar auf d' Hand – und das was ich in d' Sparkassa legen will, ist grad' a runde Summe, die ich nit gern angenz' – also sei so gut und leih' mir derweil die fünftausend Gulden.

HOCHFELD.
Ich?
SEBASTIAN.
Na ja, für dich ist das ein Kleinigkeit –
HOCHFELD.
Da kommst du eben in einem ungünstigen Momente – ich kann jetzt so viel Geld nicht entbehren –
SEBASTIAN
erstaunt.
Was? – A Großhändler – und nit fünftausend Gulden – und noch dazu für ein' Bruder –
HOCHFELD.
Ich bin selbst in Verlegenheit –
SEBASTIAN.
Du –
HOCHFELD.
Zwar nur vorübergehend –
SEBASTIAN
unruhig.
Du in Verlegenheit?
HOCHFELD.
Ein unvorhergesehenes Falliment – und ich muß Zahlungen leisten ohne Protest.
SEBASTIAN.
Protest?
HOCHFELD.

Doch jetzt entschuldige – ich muß selbst auf mein Kontor – muß nachsehen – 's ist mir leid, dir nicht dienen zu können. Er will fort.

SEBASTIAN
ihn zurückhaltend.
Aber sag' mir nur –
HOCHFELD.

Mein Gott! Was helfen da weitläufige Erörterungen – von einem Großhandlungsgeschäfte hast du ja doch keinen Begriff, du, bei deinem – Viehhandel! Er geht ab.

SEBASTIAN.

Mein Gott! Das macht mi ordentlich damisch – mei Bruder in solcher Verlegenheit – und Protest – Zahlungen – Falliment – mir geht alles im Kopf rum – und i – hab' noch so bös wern können über ein ung'schlachts Wort, o du mein Gott! In so einer Stimmung darf man [54] nit jede Silben auf d' Wagschal'n legen – o mei armer Bruder!

APOLLONIA
tritt schüchtern ein.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Sebastian. Apollonia.

APOLLONIA.
Wastl!
SEBASTIAN.
Was –
APOLLONIA.
Du i waß nit – ich hab' was gemerkt, was mir nit g'fallt –
SEBASTIAN.
Was denn?
APOLLONIA.
Waßt, der Bediente hat uns vorher g'sagt daß wir auf unserm Zimmer essen sollen –
SEBASTIAN.

I waß's – Für sich. Mein Gott! Mei Bruder wird heut' nit in der rechten Laun' sein, und will uns halt den Appetit nit verderben.

APOLLONIA.
Ist dir das nit aufg'fall'n?
SEBASTIAN.
Na – Für sich. dem Weib därf i nichts sagen, die verliert gar glei den Kopf –
APOLLONIA.
Waßt aber a, warum wir allein essen sollen?
SEBASTIAN.
Na – waßt du's epper schon?
APOLLONIA.
Ja, weils a große Tafel geben, wo vornehme Leut' dazu kommen –
SEBASTIAN.
Was – große Tafel.
APOLLONIA.

Ja – – ich hab's g'sehn, in der Kuchel haben's vollauf z' tun – a Menge vergold'tes Porzlang'schirr, silberne Schüsseln, silberne Besteck wer'n g'richt –

SEBASTIAN
für sich.
A Tafel – und mir sagt er, er war in Verlegenheit –
APOLLONIA.

Und da hab' i g'hört, wie der Koch grad' zu ein Kuchlmadl g'sagt hat – sie soll unser Essen recht zeitlich bringen, damit die vornehmen Gäst', wanns kämen, uns ja nit dersehen –

SEBASTIAN.
Was – was – ist das wahr?
APOLLONIA.

Meiner Seel' – Wastel – ich sag' dir's – mi druckt's im Herzen – aber 's ist g'wiß –Fast weinend. dei Bruder schamt sich unser – und wir hah'n glaubt, ihm so a Freud' z' machen –

SEBASTIAN.

Weib! Weib! Wann du recht hast – aber [55] nein – nein! 's ist ja nicht denkbar – aber wann – dann – Gott verzeih' mir die Sünd', nachher haß ich die ganze Bagage – soviel ich nur imstand' bin –

FAUSTIN
kommt.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Faustin.

FAUSTIN
im Eintreten für sich.

Ich soll das Volk auf ein g'scheite Art aus'n Haus bringen – dieser ehrenvolle Auftrag ist für mich ein wahrer Hautgout!

SEBASTIAN
für sich.
Der Bediente – jetzt will i gleich auf die Spur kommen.
FAUSTIN
nachlässig beide Hände in die Taschen steckend.
Wenn Sie nachher essen wollen – 's ist fertig –
SEBASTIAN.
Apropos, lieber Freund! Bevor ich zum Essen geh', möcht' ich noch gern ein guten Rat von Ihm –
FAUSTIN.
Guten Rat – der gute Rat ist gewöhnlich teuer.
SEBASTIAN.
I verlang' nichts umsonst. Er klimpert selbstgefällig in der Tasche.
FAUSTIN
horchend.

Nicht unangenehm die Melodie – Talerklang ist die einzige deutsche Komposition, die überall mit Beifall aufgenommen wird –

SEBASTIAN
zieht eine Handvoll Taler aus der Tasche.
Schau Er einmal her –
FAUSTIN
langt danach.
Darf ich so frei sein.
SEBASTIAN.
Oho – Er steckt das Geld wieder ein. bei uns z' Haus heißt a Sprüchl:

A bißl sikrisch, a bißl sakrisch, a bißl vornehm muß ma tan,
Große Taler muß man sehn lassen, aber – hergeb'n muß ma kan!
FAUSTIN
sich verdrießlich abwendend.
Dummer Kerl!
SEBASTIAN.
Aber Er soll a paar hab'n – wann Er aufrichtig red't.
FAUSTIN.
Bin nicht abgeneigt –
SEBASTIAN.
Schau Er – 's ist heut' der Geburtstag von mein Bruder –
FAUSTIN.
Oui!
[56]
SEBASTIAN.
I möcht' ihm gern a Bindband geben, so was ihm a rechte Freud' macht – was meint Er denn so?
FAUSTIN.
Ja, das ist eine schwere Sach', so ein reichen Mann, der eh alles hat.
SEBASTIAN.
So – also ist er wirklich so reich worn?
FAUSTIN.

Na ich mein's! Es können ihm höchstens noch a fünf Gulden zum Krösus abgehn – 's is ja eins der ersten Häuser in Wien.

SEBASTIAN.

So, so! – Na, aber weiß Er, ich ließt mich auch nicht spotten – so a paar hundert Taler wendet ich schon dran –

FAUSTIN.

Hahaha! – Was sein hundert Taler für ihn –? Ein Tropfen in die Donau! Der gestrige Ball hat netto zweitausend Gulden gekostet –

SEBASTIAN.
So – so – na, nachher muß er schon mit dem vorlieb nehmen, daß ich selber da bin –
FAUSTIN.
Ja, sagen Sie mir, haben Sie denn ein' Einladung kriegt.
SEBASTIAN.
Narr! Einladung, wann i eing'laden g'west wär', war's ja kein Überraschung –
FAUSTIN.
Ja, das war eine schöne Überraschung –
SEBASTIAN.
Wir sein ung'legen kommen –?
FAUSTIN.

Ja sehn Sie, wann Sie's schon wissen wollen – 's gibt bei uns noble Augenblicke – Momente – Situationen –

APOLLONIA.
Hab' ich's nicht g'sagt, und da wünschens uns –
SEBASTIAN
herausplatzend.
Zu allen Teufeln –
FAUSTIN.
Oui!
SEBASTIAN
gibt Faustin Geld.
Da – da hat Er für sei aufrichtige Mitteilung –
FAUSTIN.
Merci, monsieur!
SEBASTIAN
heftig auf und nieder gehend.

's ist richtig – er hat ka Herz mehr zu mir – um mir sei Lieblosigkeit z' verbergen, heuchelt er ein Unglück – pfui! pfui! Spielt mir da a Komödie vor – pfui Teufel! Zu Apollonia. Alte! Mach' fort.

[57]
APOLLONIA.
Gehn wir?
SEBASTIAN.
Ja, um mein Leben nimmer wiederz'kommen –
FAUSTIN.
Was?
SEBASTIAN.

Sag' Er dem Blasi – nein, dem Herrn Hochfeld – Herrn von Hochfeld, ich brauch' sei Geld nit, und steh' auch nicht auf sei Mittagessen an, 's gibt noch Wirtshäuser in Wien – Sag' Er ihm – ich trag' keine Glacéhandschuh und keine lackierten Stiefeln, ich hab' aber auch keine lackierten Wort' im Vorrat, aber, das sag' Er ihm, ich hab' da, da Sich stark auf die Brust klopfend. a Herz im Leib – a Herz, und sag' Er ihm, er hat keins, und sag' Er ihm, trotz meiner Gemeinheit tausch' ich mit seiner Nobleß nicht, und sag' Er ihm – daß er mir weh – recht weh tan hat – und i find's nit der Müh' wert, ihm no was sagen zu lassen. Jetzt komm Alte! Er nimmt Apollonia unterm Arm und geht ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt.
Faustin allein.

FAUSTIN.
Sie sein fort – ich hab' mich meines Auftrages auf eine glorreiche Weise entledigt. Er geht ab.

Verwandlung.


Empfangszimmer in Hochfelds Haus.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Robert. Herr von Wellenschlag. Eulalia. Klotilde treten ein.

EULALIA.

Ich bitte, sich nur indes hier zu verweilen, ich habe bereits meinem Gemahl Ihr Erscheinen melden lassen, er wird sogleich hier sein –

WELLENSCHLAG
sehr gespreizt in seinem Benehmen.

Wahrscheinlich noch auf dem Comptoir?Bon – Herr von Hochfeld ist ein tätiger Mann – wir lieben dies – es gefällt uns – bis man nicht eine gewisse Höhe erlangt hat, muß man arbeiten!

[58]
ROBERT
schiebt ihm einen Stuhl zurecht.
Wollen Sie nicht Platz nehmen, lieber Vater?
WELLENSCHLAG
setzt sich bequem.
Wir sind etwas echauffiert!
EULALIA.
Ihr Herr Sohn hat uns die frohe Nachricht gebracht, daß Sie seine Wahl billigen.
WELLENSCHLAG.

Wir fühlen uns bewogen – Herr von Hochfeld ist ein Mann, der sich mit vielem Geschicke behauptet, er muß sich ein schönes Vermögen erworben haben, und da einst auch unser Vermögen auf unsern Sohn übergeht – so wäre in dieser Hinsicht – und doch, wäre nicht Ihre Familie als von gutem Herkommen bekannt, so hätten wir wohl Anstand genommen, doch so –

GLATT
tritt ein.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Glatt. Dann Hochfeld.

ROBERT.

Ach, Herr von Glatt – Zu Wellenschlag. lieber Vater, ich stelle Ihnen hier einen Geschäftsfreund des Herrn von Hochfeld vor – Herrn von Glatt!

GLATT
sich verneigend.
Ich rechne es mir zur besondern Ehre –
WELLENSCHLAG.
Freut uns – freut uns –
HOCHFELD
tritt von seitwärts ein.

Sie entschuldigen, Herr von Wellenschlag, daß ich nicht sogleich – doch eben nimmt eine neue Unternehmung meine Tätigkeit in Anspruch –

WELLENSCHLAG.
Sans gêne – sans gêne – auch wir lieben die Tätigkeit –
HOCHFELD.
Ah, Herr von Glatt, ich habe Sie bereits erwartet.
GLATT.
Ich eilte so viel als möglich –
HOCHFELD
leise.
Das Geld?
GLATT.
Mein Buchhalter bringt es in zehn Minuten –
HOCHFELD
für sich.
Gott sei Dank!
HALLER
kommt.
11. Auftritt
[59] Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Haller. Dann Jakob von außen.

HALLER
tritt rasch zu Hochfeld.
Es sind die Leute mit den Wechseln bereits auf dem Comptoir –
HOCHFELD.
Mein Gott!
HALLER.
Sie sind ungeduldig.
HOCHFELD.
Suchen Sie sie nur einige Minuten hinzuhalten –
GLATT
für sich, Hochfeld fixierend.
Was für eine sonderbare Unruhe zeigt sich auf seinem Gesichte –
HOCHFELD.
Ich komme sogleich wieder hinab –
HALLER
geht ab.
HOCHFELD
laut.
Herr von Wellenschlag, ich muß mich abermals entschuldigen –
JAKOBS STIMME
von außen.
Sie dürfen nicht hinein!
HOCHFELD.
Was ist das wieder?
SEBASTIAN
etwas vom Trunke aufgeregt, reißt die Tür auf und kommt gravitätisch vor.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen. Sebastian.

WELLENSCHLAG.
Was ist das?
Zugleich.
ROBERT.
Himmel!
GLATT.
Teufel!
EULALIA UND HOCHFELD.
Der Bruder.
SEBASTIAN.
Genierens Ihnen nicht – Er mißt alle mit verächtlichen Blicken. Ich hab' nur was vergessen –
HOCHFELD
für sich.
Mein Gott, in welchem Zustande! Laut. Was denn?
SEBASTIAN.

Mei Tochter – sie muß mit mir! Er nimmt Klotilden an der Hand. Du gehst mit – Er besieht sie. Ja so – mir scheint, du bist nicht mei Tochter – wo ist die Regerl?

[60]
WELLENSCHLAG.
Wer ist der Mensch?
ROBERT
zögernd.
Es ist – ich glaube –
HOCHFELD.
Es ist ein –
SEBASTIAN.

Ein gemeiner Kerl – sag's nur raus – brauchst mi nit dein Bruder z' nennen – bin's auch nit – ich will dich nicht blamieren – bin gar nicht verwandt mit dir – ich bin ein Viehhändler – ein gemeiner.

WELLENSCHLAG.
Ein Viehhändler – Für sich. Der Mann kömmt uns bekannt vor –
SEBASTIAN
Wellenschlag fixierend.
Aha – das ist einer von die Vornehmen – Geltens – ich genier' Ihnen?
WELLENSCHLAG
seinen Stuhl zurückrollend.
O nicht doch, guter Mann –
SEBASTIAN.

Guter Mann, sackerlot, wer sagt das – daß i a guter Mann bin? – Das heißt bei eng in der Stadt so viel als ein dummer Kerl – und so eine Sardelln! Ich gib eng kan guten Mann ab – Auf Hochfeld weisend. Der halt mich auch für ein guten Mann –

HOCHFELD
leise.
Sebastian! Um Gottes willen, geh'!
SEBASTIAN.

Nur stad, Herr von Hochfeld, i geh' schon – ich brauch' dei Mittagessen nit – aufn Zimmer drob'n – beim Katzentischl – ich hab' bei der goldenen Anten drüb'n gessen – ich hab' zwar kan Hunger g'habt – hab' mir den Apatit verdorben – hab' nichts gessen – hab' nur mein Zorn mit a paar Seidel Wein begossen –

WELLENSCHLAG.
Das merkt man –
SEBASTIAN
schmerzlich weinend.

Ist möglich! Aber das verschwabt mir den Gift und Schmerz, und Auf sein Herz deutend. da sitzt er – der Schmerz – viel Schmerz – mehr als g'nua.

HOCHFELD
will ihn fortführen.
Ich bitte dich, Sebastian –
SEBASTIAN.

Hast silberne Schüsseln – goldenes Porzlan, gibst Bäll' um zweitausend Gulden und für dein Bruder kannst nicht fünftausend Gulden auftreiben – pfui Teufel – Lugenschippel!

ALLE.
Was?
HOCHFELD.
Sebastian!
[61]
SEBASTIAN.
Gelt, schamst dich, daß ich die G'schicht' erzähl' – aber sie sollen's wissen – alle –
HOCHFELD.
Ich beschwöre dich –
SEBASTIAN.
Brauchst notwendig Geld – bist in Verlegenheit – Protest –
WELLENSCHLAG.
Was?
ROBERT UND HOCHFELD.
Mein Gott!
GLATT
gedehnt.
Protest –
SEBASTIAN.
Ein Falliment –
ALLE.
Falliment!
GLATT
bedeutend zu Hochfeld.
Herr von Hochfeld – Sie entschuldigen – nun muß ich meinem Buchhalter entgegengehen! Er geht ab.
HOCHFELD
sinkt in einen Stuhl.
Jetzt bin ich ruiniert!
ROBERT
springen ihm bei.
Ermannen Sie sich.
KLOTILDE
springen ihm bei.
Lieber Vater.
HOCHFELD
mit erstickter Stimme.
Laßt mich – jetzt ist alles – alles verloren! Er eilt fort.
ROBERT.
Ich verlasse Sie nicht. Er eilt ihm nach, zu Sebastian. Ihr seid ein Bösewicht – Er geht ab.
WELLENSCHLAG.
Er hat falliert – und der da sein Bruder? Zu Eulalia. Ich empfehle mich, Madame!Er geht stolz ab.
EULALIA.
Herr von Wellenschlag – ich beschwöre Sie – Sie eilt ihm nach.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt.
Klotilde. Sebastian. Dann Apollonia. Regine.

KLOTILDE
ist in einen Stuhl gesunken.
Mein armer Vater – und – o mei Robert!
SEBASTIAN
hat alles genau beobachtet, wird ernsthaft, man sieht ihm den Kampf an, Fassung zu gewinnen.

Ja – was ist denn das? – Sie haben ja nit g'lacht, wie ich g'sagt hab', er hat falliert? Sie haben mich nicht Lugen g'straft – warum hat er g'logen? – warum?

REGINE
eilt herein.
Mein Gott, ist's möglich?
[62]
SEBASTIAN.
Was?
APOLLONIA
kommt ebenfalls.
Mann! Mann! Was hast du tan?
SEBASTIAN.
Ja, was denn?
APOLLONIA.
Hab' ich's nit g'sagt, du sollst in dem Zustand nit rüber gehn –
SEBASTIAN.
Ja, was ist's denn?
REGINE.
Herr von Wellenschlag ist fortgefahren, aus der Heirat Klotildens wird nichts –
APOLLONIA.
Und dran bist du schuld –
SEBASTIAN.
Ich – schuld –?
REGINE.

Am Comptoir stehen eine Menge Menschen, sie wollen Geld – Herr von Glatt trat unter sie und erklärte, daß Ihr Bruder falliert habe –

KLOTILDE
steht auf.
SEBASTIAN
plötzlich nüchtern werdend und aufschreiend.
Falliert!
REGINE.
Er ist zugrunde gerichtet – entehrt –
SEBASTIAN
verzweifelnd losbrechend.
Und ich – ich an allem schuld – Entehrt durch mich – Er fällt in einen Stuhl.
APOLLONIA
besorgt.
Sebastian! Sebastian!
SEBASTIAN
weinend.
O mein Bruder! mein Bruder!
KLOTILDE.
Aber lieber Vetter –
SEBASTIAN.

Ich bin ein Elender – ein niederträchtiger Mensch – recht hat mein Bruder g'habt, daß er mich nit im Haus duldet hat – o mein armer – armer Bruder!

APOLLONIA.
Geh' – geh' nüber zu dein Bruder, bitt'n um Verzeihen –
SEBASTIAN.

Ja um Verzeihn bitten – das nutzt was! – Der braucht jetzt was anders – aber – Plötzlich von einem Lichtgedanken durchzuckt, in die höchste Freude übergehend. Mein Gott! – Hab' ich nicht – Er greift hastig nach der Brusttasche. Da – da, Er zieht eine große Brieftasche hervor. o mein Gott! – Er fällt auf die Knie. Den Gedanken hast du mir gegeben, noch daham – da – da – Er springt auf. da – da drin sein vierzigtausend Gulden.

KLOTILDE.
Was –
SEBASTIAN.

Ja, vierzigtausend – ich hab' all mein bares [63] Geld mitg'nommen – hab's anlegen wollen – jetzt leg' ich's an – und d' Bruderlieb soll Interessen zahlen – ich hab' Geld – ich hab' Geld! In höchster Freude. Wer sagt, daß ka Geld da ist – Juhe! Juhe! Er springt herum, Klotilden fortdrängend. Geh' – geh' – geh' zu dein Vatern – sag' ihm, er ist g'rett –Er schiebt sie in die Seitentür. und du – Regerl – lauf' hinunter – gib das dem Kassier – er soll zahlen – zahlen – aber g'schwind – g'schwind! Er schiebt sie zur Mitteltür hinaus. Apel – mein Apel! Er faßt sein Weib beim Kopf und küßt sie derb. Gelt, du hast nichts dagegen – o mein Gott, die Freud'! –

APOLLONIA.
Aber wann's nur g'nug ist!
SEBASTIAN
zieht seine Taler heraus.

Da – da hab' ich noch das Geld, was i mitg'nommen hab', um Wien z' sehen – ich gib's dazu. Er wirft das Geld auf den Tisch.

APOLLONIA.
Sebastian, wie ich dich jetzt sieh – jetzt hab' ich dich noch einmal so gern –
SEBASTIAN.
I verkauf' meine Bräundln – den Wagen – sein a a paar hundert Gulden wert –
APOLLONIA.
Aber Alter, da können wir ja nit z' Haus fahren.
SEBASTIAN.

Macht nichts, so gehn wir z' Fuß, das ist noch g'sünder – aber jetzt geh' – such' die Frau Schwagerin auf – sag' ihr, daß nichts z' fürchten ist – die hat am End' schon vornehme Krämpf' kriegt.

APOLLONIA
geht ab.
SEBASTIAN
allein.
Und jetzt zu mein Bruder – ich muß ihn um Verzeihn bitten – muß sehn, ob er ganz g'rett werden kann.
GLATT
tritt ein.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt.
Sebastian. Glatt.

GLATT.
Ah, seid Ihr es, guter Mann –
SEBASTIAN.
Was wollen Sie?
GLATT.

Ich wollte nur noch mit Robert von Wellenschlag reden – übrigens bin ich Euch viel Dank schuldig, ohne [64] Euch wäre ich verloren gewesen – aber Gott sei Dank, ich traf noch meinen Buchhalter – denn es ist natürlich, daß ich Euerm Bruder nichts leihen kann, da er seine alten Schulden nicht bezahlen kann.

SEBASTIAN
packt ihn wütend am Halse.
Wer sagt das?
GLATT
sich losmachend.
Mei! Warum schlagen Sie mich tot?
SEBASTIAN.
Mein Bruder zahlt alles – alles – hörens; alles bei Heller und Pfennig!
GLATT.
Ja – aber –
SEBASTIAN.

Und ohne Ihrer Hilf'! – Geltens, Sie essen und trinken bei mein Bruder, drucken ihm d' Hand, nennen ihn Ihren Freund, und wann er Ihnen braucht – ich sag', wann er Ihnen brauchet, so ziegens Ihnen z'ruck – herzlose Bagage –

GLATT.
Aber, lieber Mann, Sie sind ja selbst Ursache –
SEBASTIAN.

Das war nur so a Probstückl – und Sie sein durchg'fallen bei der Prob' – b'haltens Ihr Geld, mei Bruder braucht kein Kreuzer!

HALLER
kommt.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Haller.

HALLER.
Herr von Hochfeld nicht hier?
SEBASTIAN.
Was wollens ihm?
HALLER.
Ich will ihm diese getilgten Wechsel einhändigen –
GLATT.
Was, getilgt – wirklich getilgt?
HALLER.

Sehen Sie selbst – Er zeigt die Wechsel. An das Haus Rombach zwanzigtausend, das Haus Schalmann fünfzehntausend – und andere mehr –

GLATT.
Ja, dann ist ja das Haus Hochfeld nicht gesunken?
HALLER.
Wie? – Wer erlaubt sich einen solchen Gedanken –
SEBASTIAN.
Jawohl, wer erlaubt sich –
GLATT
für sich.
Ei, ei – das war also eine Finte – dahinter steckt was –
SEBASTIAN
leise zu Haller.
Alles bezahlt?
[65]
HALLER.
Zwanzigtausend fehlen noch.
SEBASTIAN.

Werns glei hab'n! Laut. Na, Herr Bankier! Was hab' ich g'sagt – brauchen wir Ihr Geld! Sie können sich's einmarinieren, lieber Bankier!

GLATT.
Ah – ich wette – da haben Sie mir einen Streich gespielt, Herr Sebastian.
SEBASTIAN.
Möglich – 's ist mir halt so der G'spaß beim Weinglas eing'fallen –
GLATT
für sich.

's ist kein Zweifel – der pfiffige Bauer tat es nur, um sein eignes Geld vorteilhaft anzulegen – Laut. Aber – ich – dachte auch gar nicht daran, Ihren Bruder zu verlassen –

SEBASTIAN.
So?
GLATT.
Im Gegenteil, er muß mein Geld annehmen –
SEBASTIAN.
Brauchen's nimmer!
HALLER
leise.
Erlauben Sie –
SEBASTIAN
leise.

Pst! Sehns nit, wie er schon anbeißt, lassen wir ihn nur noch a Weil' zappeln.Laut. Wir brauchen kein Kreuzer!

GLATT
für sich.

Zum Teufel! Zehn Prozent bekommt man nicht alle Tage! Laut. Ja, das G'schäft war einmal abgemacht, ich habe das Kapital bereits erhoben, und Ihr Herr Bruder ist als solider Geschäftsmann sogar verpflichtet –

SEBASTIAN
scheinbar nachgebend.
Ja, wenn er verpflichtet ist –
GLATT.
Ich habe sein Wort –
SEBASTIAN.
Ja, wann Sie sein Wort haben –
GLATT
zu Haller.
Sie haben gewiß schon Befehle, das Geld einzukassieren?
HALLER.
Ich hatte wohl –
GLATT.
Nun, dann lassen Sie uns keinen Augenblick säumen! Er hängt sich in Hallers Arm und geht mit ihm ab.
SEBASTIAN
in die Höhe springend.

Die ganze Welt soll leben! Mein Bruder ist g'rett! O Gott! Wie ist mir jetzt so leicht ums Herz – wann i nur jetzt glei mein Brudern da hätt', daß ich ihm um den Hals fallen kunnt!

HOCHFELD
hinter der Szene.
Bezahlt – gerettet durch ihn –
SEBASTIAN.

Er kommt – aber mein Gott – ich trau' mich [66] jetzt ordentlich nicht – ich scham' mi – waß Gott – ich scham' mich ganz ungeheuer.

HOCHFELD
kommt.
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt.
Hochfeld. Sebastian. Dann Klotilde.

HOCHFELD.

Wo ist er – Er bemerkt ihn. Ah da – Bruder! Bastian! Endlich doch vom Gefühle hingerissen. An mein Herz!

SEBASTIAN.
O – so warm hat er mi noch nie umarmt! Also verzeihst mir? Ja? – Gib mir a Bussel!
HOCHFELD
küßt ihn.
Mit Vergnügen, lieber Bruder!
SEBASTIAN.

So ist's recht – gelt, Blasi! Wann ich auch nur a Viehhändler bin, ich kann doch noch a G'schäft mit dir machen? Er fällt ihm wieder um den Hals.

HOCHFELD.
Wirklich – so viel Großmut –
SEBASTIAN.
Ich bitt' dich, halt's Maul –
HOCHFELD
sieht sich eher vorsichtig um, dann mit nicht ganz lauter Stimme.
Die ganze Welt soll wissen –
SEBASTIAN.
Ich bitt' dich, halt's Maul – du bist z'frieden, nachher bin auch ich z'frieden –
KLOTILDE
kommt.
Lieber Vater – Sie geht zu ihm. Herr Vetter –
SEBASTIAN.

Ja, ist a netter Kerl, dei Vetter gelt? Macht a schöne Wirtschaft – aber unter andern – wir sein ja noch nicht fertig – Hastig. was ist's denn mit dein Bräutigam – und sein g'selchten Herrn Vater –

KLOTILDE.

Ah – er hat schon in Wagen einsteigen wollen – der Robert hat's vom Fenster aus g'sehen, und ist nunterg'loffen – sie kommen.

HOCHFELD.
Wellenschlag? – Ich muß mit ihm sprechen.
SEBASTIAN.

Nein, laß mich machen – gib nur acht!Er stellt sich in den Hintergrund, so daß ihn Wellenschlag nicht sieht.

WELLENSCHLAG UND ROBERT
treten ein.
17. Auftritt
[67] Siebzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Wellenschlag. Robert.

ROBERT.
Teuerster Vater!
WELLENSCHLAG.

Wir sagen nein, und hundertmal nein! Es freut uns, daß das Haus Hochfeld nicht falliert hat, doch die Heirat ist unmöglich, wir geben nie unsre Einwilligung!

KLOTILDE.
Ah!
WELLENSCHLAG.

Sage selbst, Robert! Würdest du diesen rohen Bauer, der uns insultiert, uns eine Sardelle genannt hat, würdest du den als Onkel anerkennen wollen?

HOCHFELD
will vortreten.
Herr von Wellenschlag.
SEBASTIAN
leise zu Hochfeld.
Ich bitt' dich, halt's Maul!
WELLENSCHLAG
zu Robert.
Antwort will ich!
SEBASTIAN
stellt sich plötzlich vor Wellenschlag.
Die will ich Ihnen geben.
ROBERT.
Mein Gott!
WELLENSCHLAG.

Schon wieder der Mensch, Für sich. wenn er mich erkannt hätte. Er dreht den Kopf weg, um von Sebastian nicht gesehen zu werden.

SEBASTIAN
stellt sich ihm auf der andern Seite vors Gesicht.
Ja, ja, ich will für alle reden –
WELLENSCHLAG
wendet sich wieder ab.
Wir können uns nicht verständigen.
SEBASTIAN
wie früher.
Warum denn nicht – ich red' ja ganz deutlich. Er betrachtet ihn scharf. Aber das ist doch sonderbar.
WELLENSCHLAG.
Was?
SEBASTIAN
für sich.
Die Sardelln hab' ich schon wo g'sehn –
HOCHFELD.
Was hast du?
SEBASTIAN
immer Wellenschlag betrachtend.

Nichts – ja, ja, wie g'sagt, Für sich. die Augen –Laut. wenn man a guts Herz, Für sich. die Nasen – Laut. man muß nit grausam gegen die Lieb' junger Leut' sein – Für sich. und das nämliche Kinn –

WELLENSCHLAG.
Was für ein Kinn?
SEBASTIAN.
Da triff' ich ja eine alte Bekanntschaft noch aus'n Kriegszeiten.
[68]
WELLENSCHLAG.
Sie irren sich in der Person –
SEBASTIAN.

Gar ka Ned' – Waren wir nicht einmal Proviantmeister bei ein ausländischen Korps, was mit unserer Armee verbündt war –

WELLENSCHLAG
für sich.
Ich bin entdeckt –
ROBERT.
Ja, mein Vater bekleidete vor dreißig Jahren diese Stelle bei der rheinischen Armee –
SEBASTIAN.

Na, da werden Sie sich doch auf den letzten Feldzug noch z' erinnern wissen, wo Sie sich so rühmlich ausgezeichnet hab'n –

WELLENSCHLAG
für sich.
Verfluchter Kerl!
SEBASTIAN
leise zu ihm.

Ich war dazumal Ortsrichter und Sie bei mir einquartiert, Sie hätten nach Ihrem Kontrakte so viel tausend Metzen Haber für die Kavallerie liefern sollen, und auf einmal war'ns verschwunden, ich hab' noch die schriftliche Order z' Haus, ein Steckbrief, vermög' den man Ihnen, sobald man Ihnen derwischt, als ein Verräter niederbrennen kann.

WELLENSCHLAG
leise.
Still!
SEBASTIAN
behaglich.
Na, wie geht's Ihnen denn alleweil?
WELLENSCHLAG
in Verlegenheit.
Ich danke, recht wohl, mein wackerer Herr Richter!
SEBASTIAN.
Sehn Sie, jetzt kennt er mi a wieder.
WELLENSCHLAG
leise.
Unter welcher Bedingung versprecht Ihr mir ewiges Stillschweigen, und liefert mir die Order aus –
SEBASTIAN.
Die, Ihnen niederz'brennen?
WELLENSCHLAG.
Schweigt, um Gottes willen – was begehrt Ihr –
SEBASTIAN.

Gar nichts für mich, sobald Ihr Herr Sohn mei Jungfer Mahm heirat, wird die Order als a Familienstuck in Ihre Hände g'liefert!

WELLENSCHLAG.
Ich willige ein.
SEBASTIAN.
Seins so gut, sagens das laut!
WELLENSCHLAG.

Lieber Robert, und Sie, liebe Kleine! – Ich erinnere mich noch sehr lebhaft, welch ausgezeichnete Dienste dieser wackere Landsmann geleistet, und unsere Vaterlandsliebe und die von uns dem wahren Verdienste nie versagte [69] Anerkennung bestimmen uns, nur aus Rücksicht für diesen Patrioten –

SEBASTIAN.
Gehorsamster Diener!
WELLENSCHLAG.

Unsere Einwilligung zu eurer Vermählung zu geben! – Aber jetzt – wir fühlen uns nicht gar wohl – Sie entschuldigen – wir müssen nach Hause! Er geht ab.

SEBASTIAN.

Juhe! Kommts her! Er legt die Hände der Liebenden ineinander und segnet sie. Jetzt ist der Sieg vollständig! Jetzt rufts 's ganze Haus z'samm, und die heutige Tafel soll z'gleich Verlobung und Freudenfest sein, das heißt – Zu Hochfeld mit einem leisen Vorwurf. wanns mich an euern Tisch sitzen laßt's –

REGINE, APOLLONIA, GLATT, HALLER UND EULALIA kommen von verschiedenen Seiten herbei.

18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Regine. Apollonia. Glatt. Haller. Eulalia.

HOCHFELD.

Ich verdiene diesen Vorwurf – doch ich erkenne mein Unrecht – und glaube mir – die Wirkung, welche dein Edelmut auf mich hervorbrachte, soll gewiß nachhaltig sein. Zu den übrigen. Kinder! Freunde! Dankt ihm alle, er allein ist der Gründer unsers Glücks. Er fällt ihm nochmals um den Hals.

ALLE
umdrängen ihn.
SEBASTIAN.

Gott! Gott! Ös erdruckt's mi – und da, da Aufs Herz weisend. erdruckt mi's G'fühl – jetzt muß i mir Luft machen, aber auf echt österreichisch wie bei uns daham; wenn an was recht freut, wer'n Liedln g'sungen und g'juchetzt dabei.


Lied.

SIE.
Du herzigs Schatzerl, um was i di bitt,
Geh' gib mir a Schmatzerl und nimm mi um d' Mitt'.
ER.
Du därfst ja nicht bitten, a so nur glei sag'n,
I nimm di um d' Mitt'n, du nimmst mi beim Krag'n.
[70]
SIE.
Und mirk' dir den Bam, wo wir z'sam kema san,
Im Winter beim Schnee wachst a Blümerl in d' Höh'!
ER.
Soll fahr'n jetzt auf Pest, und von Pest auf Triest
Und jetzt kann i nit fahr'n, weil mi d' Lieb' a so stößt.
BEIDE.
Und Nuß auf d' Nacht – Nuß aus d' Nacht
Hat mir mein Vater bracht.
Hat mir's geb'n mit der Faust,
Daß der Kopf mir hat g'saust,
A bisserl a Busserl geb'n,
Dös is kan Sünd,
I hab's von meiner Mutter g'lernt
Als a klan's Kind.

Ende.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kaiser, Friedrich. Dramen. Stadt und Land. Stadt und Land. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8E5D-B