[48] [53]Damons Thränen über des Thirsis Tod

So sing ich doch von deinem Tod, o Freund!
Ein Werck, das ich mir sonst von dir versprochen.
Es ahnete dir wohl, als ich dich bat;
Du schlugst es zärtlich ab, und weintest.
Wir stritten lang, und du behieltest Recht.
O traurigs Recht, o schwere Pflicht!
Wo Seufzer steigen, Thränen rollen,
Und mit der Tinte sich vermengen.
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O Wahrheit, der ich nur den Kiel geweiht,
Du meines Freundes Freundin, hilf mir fingen!
Er sang mit dir, er ward mit dir verschmäht;
Du rächst dich, und mit dir auch deinen Sänger.
Es schimpfen sich, die dich und ihn verschmähn,
Drum soll mein Lob darinn bestehn,
Daß ich, o Wahrheit, dich verehre,
Und dich, und meinen Thirsis lobe.
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Dir, Wehmuth, öfnet sich die treue Brust,
Dich flieh ich dießmal nicht, betrübter Kummer,
Und das unruhige, dir eigne, Hertz
Bemühet sich den Schmertz mehr zu empfinden.
Die Phantasey erhitzt sich und erblickt
Dich, Thirsis, wie du mich geküßt;
Ich seh dich, und dein holdes Wesen,
Und wie du mir stets lieber wurdest.
Das ist mein Freund! O Thirsis, nahe dich,
Und lauf, wie vor, in meine ofnen Arme,
Gieb mir die Hand. Wie ists? Der Schatten weicht!
Ich bin allein! wo ist mein süsser Thirsis?
Ach du bist weg, und lässest mich zurück!
O daß ich dir nicht folgen kan!
O Mus erzähl die heilge Freundschaft,
Und seinen Ruhm den spätsten Enckeln.
Kein Reim entweih dieß dir geweihte Lied,
Du, Deutschlands wahre, nicht erkannte Ehre.
Ein ewger Schandfleck bleibt dieß deiner Zeit,
Daß––, doch ich nenne keiner Stümper Namen!
Sie haben lebend sich schon überlebt.
Mein Thirsis, ich beschimpfte dich,
Und mein Gedichte würde dunckel,
Weil dich, nicht sie, die Nachwelt kennet.
So lebt Homer im Leben unbekannt,
Und ihn wird noch die späte Nachwelt ehren.
O theurer Freund! wie hast du mich geehrt?
Du Meisterstück der Tugend und der Freundschaft,
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Indem du mich zum Freunde ausersehn.
Der ächten Freundschaft Würdigkeit
War so, wie deine Macht im Dichten,
Mein Freund, wahrhaftig sonder gleiche.
Beliebter Kummer über seinen Tod,
O hemme dießmal nicht die Kraft des Geistes,
Entweiche nicht, doch ziehe dich zurück,
Bis ich dieß Lied von meinem Freund gesungen;
Dann komm und fal mit Macht in meine Brust
Und ende dich im Tode nur.
O! dann, dann werd ich dich umfangen,
Und in dein Spiel den Höchsten singen!
O Tugend, welche stets mein Hertz gerührt,
Komm mit der Dichtkunst auf der Freundschaft Rufen,
Und hilf mir den, der dich und sie geehrt,
Kommt helft mit eurem Chor, vom Thirsis singen,
Und laßt von ihm, der sich so hoch erhob,
Ein wohlverdientes wahres Lob
Der Nachwelt zur Ermuntrung lesen,
Die späten Enckel drauf zu weisen.
Sie sinds, die einst bewundrungsvoll sein Lied,
Sein göttlich hohes Spiel, oft wiederholen.
Sie sinds, die einst gerecht, verachtungsvoll,
Der Zeit, die ihn nicht kennen wolte, fluchen.
Sie forschen nach dem Held der Barbarey;
Zum ewgen Spotte wird allein
Sein Name mit Homerens Lästrern
Den künftgen Zeiten aufbehalten.
Dir aber, Thirsis, bleibt ein ewger Ruhm,
Und Deutschland nennet dich bey seinen Dichtern,
Und trotzt mit dir gelehrter Nachbarschaft,
Und opfert dir den allgemeinen Beyfall,
Den jetzt das Reich der Dummheit dir versagt.
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Ihr blöder Blick erreicht dich nicht;
Du stiessest mit erhabner Scheitel,
Wie dein Horatz, an das Gestirne.
Die kleine Zahl der Brüder der Natur
Und des Geschmacks in Deutschlands fernsten Enden,
Wo Nüchtlands wolckigt Haupt dem Himmel droht,
Und wo der Belt ein untreu Ufer netzet,
Erkannte deinen Werth, gab dir den Preis.
Es knirschte die Unwissenheit,
Als du dich gegen sie empöret,
Im Lande, wo man sie noch ehret.
Mit weiser Faust stimmst du dein Saitenspiel,
Und schwingst dich, zweyter Pindar, in die Höhe;
Und dringest zu der Dichtkunst heilgen Hain,
Verlachst den Schwarm der abgeschmackten Dichter.
Du greiffest kühn das Reich der Dummheit an;
Wie Zevs die tollen Riesen schlägt,
So schlugst du tolle Schmierer nieder;
Sie krümmen sich im Staub und lästern.
Ihr eignes Gift, ihr Schaum, begeiffert sie,
Und schnell vermehrest du die heilgen Chöre!
So wie der Blitz den Frevler niederschlägt,
Kömmst du, und siehst, und siegst, und gehst zurücke.
Dein kurtzes Thun verstört den Aberwitz,
Und baut der Dichtkunst Tempel auf.
Die Dummen sehn dich, mit Erschrecken;
Die Weisen sehn dich, mit Verwundern.
Ich segne noch den Tag, der dich mir gab;
Ich segne jeden Ort, wo du gesessen;
Das Haus, der Garten, Hügel, Busch und Bach,
Der Ort, das Bett, in welchem du geschlafen,
Wird stets von mir, doch traurig gnug besucht.
Die Gegend, wo du dichtend giengst,
Ist zwar der Innhalt deiner Lieder;
Doch macht sie mir dein Tod zuwieder.
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Die Nymphen, die sonst in dein hohes Spiel,
In Wald und Busch mit frohen Reihen tantzten,
Antworten itzt der Flöte bangen Ton,
Und meinen Seufzern stets mit Thränen.
Wie Phöbus, wenn er sich von uns entfernt,
Die schönste Gegend traurig macht;
So ist mein Hügel, Busch und Garten;
Dein Tod macht meine Gegend öde.
Und Echo, die stets auf dein Lied gelauscht,
Und es mit Freuden zehnfach wiederholte,
Spricht jetzt nur meine Trauertöne nach.
Und jeder Baum, an welchem wir gesessen,
Ist mir beliebt, und auch zugleich verhaßt.
Jetzt geh ich hin, da, wo du sangst,
Und denck an dich, und will dich sprechen,
Und gehe traurig einsam weiter.
Und wenn ich dann unachtsam traurig geh,
Kömmt oft mein kleiner Sohn mir nachgesprungen,
Das Kind, das du so oft gesegnet hast,
Es kömmt, und spricht; Ich höre nicht sein Lallen.
Dann rufts: Ach sieh, wie grünet doch der Baum,
Den ich und Thirsis hier gepflantzet.
Ich küsse meinen Sohn, und ächtze,
Und sage: Thirsis ist gestorben.
Auch dieser Unschuld geht dein Sterben nah,
Und lallend sucht mein Kind dich zu erheben,
Bis mir die Fluth aus beyden Augen bricht.
Mein Hilas siehts, erschrickt und weinet,
Und eilet keichend zu der Mutter hin.
Sie spricht: Mein Kind, was fehlet dir?
Papa, spricht er mit Schluchtzen, weinet,
Und sagte: Thirsis ist gestorben.
Und Doris drückt das Kind an ihre Brust,
Und spricht: Er singt nunmehro dort im Himmel.
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Da wirst du ihn dereinstens wieder sehn.
Doch must du seiner frommen Tugend folgen.
So arm er war, liebt er die Eltern doch,
War weise, fleißig, redlich, treu,
Ein seltnes Muster wahrer Freundschaft,
Der mich und deinen Vater ehrte.
O, wahrlich oft bin ich mir selber gram,
Daß ich dich nicht genug geliebt, geehret,
Gab ich dir gleich, was mein Vermögen war,
So haßt ich doch mein Armuth deinetwegen.
Oft stritten wir. Ich gab, was dir gebrach,
Du gabst zurück, weils mir gebrach.
O Freund, daß ich nicht reich gewesen!
O grössern Glückes würdger Thirsis!
Nun bist du hin, die Welt erkannt dich nicht!
Doch, Tugend, komm, hilf meinen Freund besingen.
Du Freundin kluger Frommen, Armuth, komm,
Gieb meiner Zeichnung Licht durch deine Schatten.
Was sonst verächtlich ist, Freund, giebt dir Ruhm.
Du prangst, doch nicht durch fremden Schein,
Die Armuth selbst muß deinem Leben
Den Werth durch deine Tugend geben.
Die Liebe zu den Eltern hängt dein Bild
Zum Wunder auf im hohen Tugend-Tempel.
Du Armer nährtest deiner Eltern Paar;
Entbehrtest selbst das Kleid, um sie zu decken,
Und hungrig weintest du um ihre Noth.
Mein Thirsis, o du frommes Kind!
O Freund! O Gott, wer kan dich fassen!
Muß Thirsis denn so zeitig sterben?
Die Freundschaft dringt herzu, und weint und schweigt,
Und zeigt auf dich, und ringt um dich die Hände;
Nur du allein, du übtest, ehrtest sie;
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Nun bist du hin, und ihr Altar steht ledig.
O sprich, mein Hertz, mein Hertz, sprich, was du fühlst.
Du fühlst zu viel. Mein Freund ist todt!
Sein Tod macht mir den Tod ergötzlich,
Und jeden Ort zur bangen Wüste.
Ich theilte dir so Schmertz als Freude mit;
Dein Kuß verschluckte öfters meine Thränen.
Nichts war mir so geheim, ich sagt es dir.
In deinem nicht wie Glas durchsichtgen Hertzen
Kont mein Geheimniß unausforschlich ruhn.
Bey dir war nicht einmal der Schein
Von Falschheit, Leichtsinn oder Wancken,
Ja nicht einmal nur in Gedancken.
Du lebtest nur für mich, mein ander Ich,
Du suchtst in mir nur eintzig deine Ehre,
So, wie zwey Bäume mit gewundnem Stamm
Sich schlingend stützen und vereinigt küssen.
Derselbe Wind beugt sie zur Erde hin,
Sie richten sich zugleich auch auf,
Und mischen ihre Blüth und Früchte.
O Freund, nun läst du mich alleine!
Was hab ich noch? Mein Vater ist dahin!
Du folgst ihm nach, und wäre nicht noch Doris,
Nebst meinem Sohn, so brächte mich der Gram
Zu euch, ihr nie genug gepriesnen Beyde.
Nun leb ich grämend; doch, mein Freund, ich weih
Mein gantzes Leben deinem Ruhm.
Die Tugend will, ich soll die strafen,
Die dich aus Neid und Blindheit schmähen.
Die Dichtkunst, die dir ihren Tempel wies,
Bekrönt dein Bild mit ihrem Sternenkrantze;
Auf ihr Geheiß bläst dich der Nachruhm aus.
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Der Neid schreit auch, doch schweiget er verspeiet.
Die Dummheit rast durch närrisches Bemühen,
Doch meine Faust erschrecket sie,
Und die Satyre übt die Geissel,
Und straft, durch mich, die dich verachten.
Du aber, deutscher Pindar, singst in Ruh;
Nun hört dich Gott, du göttlich hoher Sänger;
Aus deinem Antlitz strahlt ein heitrer Glantz;
Aus deinem Mund erschallt die reinste Stimme;
Die Rechte schwebt auf hochgestimmter Harf,
Die Linke greiffet drein, und Gott
Hört dich; dich hört die Schaar der Engel,
Und steht entzückt, und sieht und schweiget.
Und David, wie ein Gott gestalt, steht auf,
Und spielt mit dir nach himmlischen Accorden.
Da singet ihr die Macht, die Sonnen schuf,
Und in die Welt unzählge Welten setzte.
Da singet ihr der Wunden lichte Pracht
Des ewgen Sohns. O heiligs Spiel,
Das mit Miltonschen Wundertönen
Den Himmel trübet und erheitert!
Du hast dein Spiel auf Erden nie entweiht,
Der Innhalt und die Art war stets erhaben,
So überstiegst du, Adlern gleich, den Blick
Des Pöbels, und der Innhalt deiner Lieder
War Gott, die Muse, Tugend, und dein Freund;
Und Deutschland hörte dich und schwieg.
Nun wacht es auf. Das Volck des Himmels
Bewundert dich dort, hier die Menschen.
Und Deutschland macht voll Eifer diesen Schluß,
Daß, wer dich schmäht, sich selber schänden müsse.
O Freund, die Nachwelt wiederholt dein Spiel,
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Und Bodmer wird dein ewig Denckmahl setzen.
Und wenn mein Geist sich einstens glücklich hebt,
Solst du der Lieder Innhalt seyn;
Sie soll zu meinem Lobe lesen,
Ich sey dein wahrer Freund gewesen.
Die spätste Zeit erkennet dich durch mich,
Und Bodmers Fleiß, du Deutschlands wahre Zierde,
Dein Tscherning, Flemming, neben Rubeens Geist,
Dein Opitz, und dein Besser, Canitz, König,
Stehn in der Dichtkunst Tempel um dich her.
Du, mein und auch der Musen, Freund,
Mein Stamm soll unsre Freundschaft erben;
Denn wahre Freundschaft kan nicht sterben.

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TextGrid Repository (2012). Lange, Samuel Gotthold. Gedichte. Thirsis und Damons freundschaftliche Lieder. Damons Thränen über des Thirsis Tod. Damons Thränen über des Thirsis Tod. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DAA3-8