[27] [36]Damons Zufriedenheit mit dem Himmel, der Dichtkunst, dem Thirsis und der Doris

Komm, banger Sorgen Feindin, edle Dichtkunst,
Komm, du, den meisten unbekannte Tugend,
Komm, du, von wenigen erfahrne Freundschaft,
Führ auch itzt den Kiel.
Die kluge Nachwelt lobt einst meine Einsicht,
Wenn sie, mein Thirsis, meine Liebe lieset,
Mit der ich gegen meine Doris brenne,
Und dir eigen bin.
Das Schicksal ist dem heissen Wunsch gehorsam,
Uns trennen nicht so vieler Stunden Schritte,
Als Jahre wir uns treu und zärtlich liebten,
Uns trent kaum der Tod.
Ein Weiser sorgt nicht für sein künftig Glücke,
Die Treue gegen Eltern wird belohnet;
Aeneens Schultern, die den Vater trugen,
Deckte der Purpur.
Der durch sein Vaterhertze gegen Brüder
Bekannte Procul lebt durch alle Zeiten;
Ihn trägt auf Flügeln, die Verwesung meiden,
Der bleibende Ruf.
[36]
Die Ewigkeit, befreyt vom Unvollkommnen,
Erwartet uns, wenn wir der Welt gedienet,
Wenn dich die Tugenden schon hier gekrönet,
Mit demselben Arm.
Wir sehn den Bacchus nicht auf fernen Klippen
Die Nymphen lehren; Nicht die spitzen Ohren
Des ziegenfüßigen Satyrs; Wir kennen
Nicht den bessern Wein.
Doch sehn wir oft, wenn ein beliebtes Rasen
Uns teuscht, wir hören in dem heilgen Haine,
Die Gottheit, wenn sie in dem kühlen wandelt,
An sanften Bächen.
In deinem nicht wie Glas durchsichtgen Hertzen
Entschütt ich mich auch der geheimsten Sorgen.
Ich halte dir dein menschliches zu gute,
Wie du meines deckst.
Wenn mir Horatz erscheint, schreib ich erhitzet.
Mit frecher Wuth, und mehr verwegnen Sohlen
Drück ich die Spur, bin kühn dir nachzueilen,
Ja dich zu reitzen.
Mit mindrer Wuth, doch sichrer deiner Stärcke,
Verachtend gütig trägest du mich Schwachen,
Senckst dich mit Großmuth bis zu mir hernieder,
Und schreibest mir gleich.
Erstaunt, so wenig Widerstand zu finden,
Und durch die Schmach beschämt, noch mehr erhitzet,
Beweg ich dich, mit würdigern Gedichten
Mich zu belehren.
Ein junger Leu reitzt so, wenn er die Klauen
Und Zähne fühlt, den stärckern Spielgesellen,
Lacht dessen Großmuth, fordert ernstes Kämpfen,
Und erlieget gern.
[37]
O du, nach Gott und Doris, höchst Geliebter,
So lang ich bin, kan dich kein Unglück treffen;
Ich würde mit dir eh das letzte theilen,
Als dich verlassen.
Die Tugend kan den wahren Ruhm wohl dulden:
Ich lobe deine Kunst, noch mehr dein Hertze.
Rühm, was allein mich deiner würdig machet,
Daß ich dich schätze.
Die späte Welt belehr ich durch die Dichtkunst,
Die auch gekrönte Laster nie wird preisen,
Wie meiner Doris Treu, und deine Freundschaft
Mein Leben beglückt.
Itzt leg ich mich in ihre zarten Arme,
Die sie dir zum Willkommen oft gereichet.
Laß, wenn du lebest, keinen von uns beyden
Ohne Klage-Lied.
Mit häuffigen und schuldgen Thränen netze
Bey blassem Angesicht die werthen Leichen,
Und schreibe kein Gedicht ohn diese Namen:
Damon und Doris.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Lange, Samuel Gotthold. Damons Zufriedenheit mit dem Himmel. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DAA5-4