[452] [462][Aus »Sudelbuch« F]

Das Doktor-Werden ist eine Konfirmation des Geistes.

[F 19]


[462] Unsere Prose ginge so stolz und unsere Poesie so demütig einher. Ist denn das etwas so gar Abscheuliges? Die Prose ist lange genug zu Fuß gegangen (pedestris oratio) und mich dünkt es wäre nun einmal Zeit für die Poesie abzusteigen um die Prose reiten zu lassen.

[F 22]


Das Zukünftige sehen ist ebenfalls Physiognomik

[F 23]


Niederdeutsch, Hochdeutsch, und seraphisch Deutsch.

[F 24]


[463] [466]Mit elektrischen Ketten ließen sich Signale geben, Längen nicht weit entlegner Örter bestimmen usw. Es ließen sich vielleicht Ströme dazu gebrauchen, wenigstens auf eine gewisse Strecke.

[F 40]


[466] Kluge Leute glauben zu machen man sei, was man nicht ist, ist in den meisten Fällen schwerer als würklich zu werden, was man scheinen will.

[F 51]


Das Wohl mancher Länder wird nach der Mehrheit der Stimmen entschieden, da doch jedermann eingesteht, daß es mehr böse als gute Menschen gibt.

[F 52]


[467] [469]Wir, der Schwanz der Welt, wissen nicht, was der Kopf vorhat.

[F 54]


bon sens, Menschen-Verstand, common sense wird zu oft für einen vollkommenen Sinn gehalten, in der Tat ist [er] aber weiter nichts, als eine immer wachsam anschauende Erkenntnis von der Wahrheit nützlicher allgemeiner Sätze.

[F 56]


[469] [471]Ich lese die Tausend und eine Nacht und den Robinson Crusoe, den Gilblas, den Findling, tausendmal lieber als die Messiade, ich wollte 2 Messiaden für einen kleinen Teil des Robinson Crusoe hingeben. Unsere meisten Dichter haben, ich will nicht sagen [nicht] Genie genug, sondern nicht Verstand genug einen Robinson Crusoe zu schreiben.

[F 69]


Es mischen sich andere Assoziationen mit in unsere physiognomischen Urteile, eine lange Nase ist der Festigkeit z.E. im Charakter zuwider. Was hat aber Festigkeit des Fleisches mit Festigkeit des Charakters zu tun? med.

[F 75]


[471] [473]Sie haben genieset, gezischt, gehustet und noch 2 Arten von Lärm gemacht wozu wir im Deutschen keine Wörter haben.

[F 87]


Die unterhaltendste Fläche auf der Erde für uns ist die vom menschlichen Gesicht.

[F 88]


[473] Ich habe Leute gekannt, die haben heimlich getrunken und sind öffentlich besoffen gewesen.

[F 95]


Sie streichen die Postwagen rot an, als die Farbe des Schmerzens und der Marter. Sie bedecken sie mit Wachslinnen, nicht wie man glaubt um die Reisenden gegen Sonne und Regen zu schützen (denn was die Reisenden [sind] tragen ihren Feind unter sich, das sind die Wege und der Postwagen), sondern aus derselben Ursache warum man den zu Henkenden eine Mütze über das Gesicht zieht, damit nämlich die Umstehenden die gräßlichen Gesichter nicht sehen mögen, die jene schneiden.

[F 96]


[474] Es regnete so stark, daß alle Schweine rein und alle Menschen dreckig wurden.

[F 100]


[475] [477]Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinsieht, so kann kein Apostel heraus gucken.

[F 112]


Lessings Geständnis, welches er Herrn Klotz tut Tom: II. Antiqu. Briefe, daß er fast für seinen gesunden Verstand zu viel gelesen habe, beweist wie gesund sein Verstand ist.

[F 114]


Wenn man ein altes Wort gebraucht, so geht es oft in dem Kanal nach dem Verstand den das ABC-Buch gegraben hat, eine Metapher macht sich einen neuen, und schlägt oft grad durch. ›Nutzen der Metaphern.‹

[F 116]


[477] [484]Eine Metaphern-Ordnung, so wie eine Kleider-Ordnung.

[F 163]


[484] So wie man den Heiligen eine Nulle über den Kopf malt.

[F 167]


[485] Die letzte Hand an sein Werk legen, das heißt verbrennen.

[F 173]


Etwas Witziges läßt sich wider alles sagen, und für alles. Hiergegen könnte ein witziger Mann wieder etwas sagen, das mich vielleicht diese Behauptung bereuen machen könnte.

[F 174]


[486] [488]Eine einzige Seele war für seinen Leib zu wenig, er hätte zwoen zu tun genug geben können.

[F 189]


Der Mensch. – Jede Größe ist sich selbst gleich, sagt er, und wiegt endlich die Sonne mit allen Planeten ab. Er weiß die Zeit der Bedeckung [488] entfernter Planeten und weiß den Untergang einer Welt nicht, die seinen Körper ausmacht. Ich bin nach Gottes Bild geschaffen, sagt er, und dort schlurft er den Urin des unsterblichen Lama. Staunt eine Bienen-Zelle mit Verwunderung an, und kann selbst Peterskirchen bauen. Wirft Hirsenkörner durch das Ohr einer Nadel oder bestreicht sie mit einem Stein und findet auf dem Meer seinen Weg. Nennt Gott bald das tätigste Wesen, bald den Unbeweglichen, gibt dem Engel bald Sonnenlicht zum Gewand und bald Vielfraß-Pelz (Kamtschatka), betet bald Mäuse und Würmer an, glaubt hier an einen Gott vor dem tausend Jahre sind, wie der Tag der gestern vergangen ist, und bald an gar keinen. Ermordet sich selbst und vergöttert sich selbst, kastriert sich selbst, brennt und hurt sich zu Tode, tut Gelübde der Keuschheit, und verbrennt einer ...wegen Troja. Frißt seine Mitbrüder, seinen Mist. (Mehr verdaut und besser geordnet)

[F 191]


[489] [491]Die Wege werden immer breiter und schöner, je näher man dieser Hölle kommt (London).

[F 206]


[491] Die Verse geraten nur wie die Krebse in den Monaten gut in deren Namen kein r ist.

[F 212]


[492] [495]Bibelträger nennt man in Niedersachsen die Scheinheiligen.

[F 229]


Sie ist am furore Wertherino gestorben. Der Furor Wertherinus.

[F 232]


Diejenigen unter den Gelehrten, denen es an Menschen-Verstand fehlt, lernen gemeiniglich mehr als sie brauchen, und die vernünftigen unter ihnen können nie genug lernen.

[F 233]


Die Wälder werden immer kleiner, das Holz nimmt ab, was wollen wir anfangen? O zu der Zeit, wenn die Wälder aufhören, können wir sicherlich so lange Bücher brennen, bis wieder neue aufgewachsen sind.

[F 234]


[495] Beim Torheits-Fältgen. Leute haben es gemeiniglich die mit einem albernen nicht verschwindenden Lächeln alles bewundern und nichts verstehen.

[F 247]


[496] [500]Man kann die Fehler eines großen Mannes tadeln, aber man muß nur nicht den Mann deswegen tadeln. Der Mann muß zusammengefaßt werden.

[F 269]


Wenn ich nur wüßte, wer es dem ehrlichen Mann beibringen wollte, daß er nicht klug ist.

[F 270]


Die barbarische Gnauigkeit; winselnde Demut.

[F 273]


[500] Eine 2 persönige Frau.

[F 283]


Die Welt ist immer in ihren Urteilen zu gütig oder unbillig.

[F 286]


Erfahrung, nicht lesen und hören ist die Sache. Es ist nicht einerlei ob eine Idee durch das Auge oder das Ohr in die Seele kommt.

[F 288]


[501] [504]Er war ein geschäftiger Schriftsteller und ein sehr fleißiger Leser seiner eignen Artikel in den gelehrten Zeitungen und Journalen.

[F 312]


[504] Wenn man den Ländern Namen von den Worten gäbe die man zuerst hört, so müßte England damn it heißen.

[F 319]


Wenn man gar nicht einmal die Geschlechter an den Kleidungen erkennen könnte, sondern auch noch sogar das Geschlecht erraten müßte, so würde eine neue Welt von Liebe entstehen. Dieses verdiente in einem Roman mit Weisheit und Kenntnis der Welt behandelt zu werden.

[F 320]


Man lasse nur einströmen, ohne Vorurteil, in unsern sinnlichen Werkzeugen liegt der Fehler nicht, wenn wir superklug oder Gecken sind, sondern in unserm Lesen und Vorurteilen.

[F 321]


[505] Was für einen Effekt würde es nicht auf mich haben, wenn ich einmal in einer ganz schwarz behangenen großen Stube, wo auch die Decke mit schwarzem Tuch beschlagen wäre, und bei schwarzen Fußteppichen, schwarzen Stühlen und schwarzem Canapee, in einem schwarzen Kleide bei einigen wenigen Wachskerzen sitzen müßte und von schwarz gekleideten Leuten bedient würde?

[F 325]


Wahrhaftes unaffektiertes Mißtrauen gegen menschliche Kräfte in allen Stücken ist das sicherste Zeichen von Geistesstärke.

[F 326]


Es gibt Leute, die werden mit einem bösen Gewissen geboren. Mit einem roten Strich um den Hals, Strick.

[F 328]


[506] Bei Kindern läßt Putz, Rosenfarb und Silber, weil man sie ausziert, ohne dadurch die Beschaffenheit ihres Geistes zu entdecken. Eine Livree und Uniform können noch so freudig sein, so bald aber jemand an seinem eignen Leib die Sachen aus eigner Wahl trägt, so ist das Kleid nicht mehr Decke sondern Hieroglyphe.

[F 334]


Was sie Herz nennen liegt weit niedriger als der 4. Westenknopf.

[F 337]


Empfindsam schreiben heißen die Herren immer von Zärtlichkeit, Freundschaft und Menschen-Liebe reden. Ihr Schöpse, hätte ich bald gesagt, das ist nur ein Ästgen des Baumes. Ihr sollt den Menschen überhaupt zeigen, den zärtlichen [507] Mann und den zärtlichen Gecken, den Narren, und den Spitzbuben, den Bauer, den Soldaten, den Postillion, alle wie sie sind, das heiß ich empfindsam schreiben. Was ihr schreibt ist uns nicht sowohl verhaßt, als euer ewiges Fiddeln auf einer und derselben Saite. Der Mensch besteht doch noch aus etwas mehr als Testikeln.

[F 338]


Das war, wie die Zeit noch keinen Bart hatte.

[F 342]


Ich weiß nicht, es ist mir jetzt wieder ganz geräumig in der Welt, da H. hinaus ist, oder H. gehenkt ist.

[F 344]


Wenn eine andere Generation den Menschen aus unsern empfindsamen Schriften restituieren sollte, so werden sie glauben es sei ein Herz mit Testikeln gewesen. Ein Herz mit einem Hodensack.

[F 345]


[508] Ein Nachtwächter der einmal in sein Horn stößt macht allemal 6 andere.

[F 347]


Leibniz hat die christliche Religion verteidigt, daraus, wie die Theologen tun, grade weg zu schließen er sei ein guter Christ gewesen, verrät sehr wenig Weltkenntnis. Eitelkeit etwas Besseres zu sagen, als die Leute von Profession, ist bei einem solchen Manne wie Leibniz, der wenig Festes hatte, eine weit wahrscheinlichere Triebfeder so etwas zu tun, als Religion. Man greife doch mehr in seinen eignen Busen, und man wird finden, wie wenig sich etwas von andern behaupten läßt. Ja ich getraue mir zu beweisen, daß man zuweilen glaubt man glaube etwas und glaubt es doch nicht. Nichts ist unergründlicher als das System von Triebfedern unsrer Handlungen.

[F 348]


Wenn die Seele einfach ist, wozu der Bau des Gehirns so fein? Der Körper ist eine Maschine und muß also aus Maschinen-Materialien bestehen. Es ist ein Beweis daß sich das Mechanische in uns sehr weit erstreckt, da selbst noch die innern Teile des Gehirns mit einer Kunst geformt sind, wovon wir wahrscheinlicher Weise nicht den hundertsten Teil verstehen.

[F 349]


Mir ist ein Kleintuer weit unausstehlicher als ein Großtuer, denn einmal verstehen es so wenig, weil es eine Kunst ist da Großtun aus der Natur entspringt, und dann läßt der Großtuer jedem seinen Wert, da der Kleintuer den, gegen welchen er es ist, offenbar verachtet. Ich habe einige gekannt, die von ihrem wenigen Verdienst, das sie hatten, mit soviel pietistischer Dünnigkeit zu sprechen wußten, als wenn sie fürchteten man möchte schmelzen, wenn sie sich in ihrem ganzen Licht zeigten. Ich habe mir aber angewöhnt über solche Leute zu lachen, und seit der Zeit sehe und höre ich sie gerne.

[F 350]


[509] Krankheiten der Seele können den Tod nach sich ziehen und das kann Selbstmord werden.

[F 352]


Wer seine Talente nicht zur Belehrung und Besserung anderer anwendet ist entweder ein schlechter Mann oder äußerst eingeschränkter Kopf Eines von beiden muß der Verfasser des leidenden Werthers sein.

[F 353]


Versuch über die Nachtwächter. Ich selbst bin ein Nachtwächter, meine Herrn, zwar nicht von Profession, sondern ein Dilettante, ich kann nämlich des Nachts nicht schlafen, und habe es darin, so wie Dilettanten gemeiniglich, ohne alle Prahlerei, weiter gebracht, als die meisten von Profession.

[F 354]


Ich denke wenn man etwas in die Luft bauen will, so sind es immer besser Schlösser als Kartenhäuser.

[F 357]


[510] Ich glaube, daß die Quelle des meisten menschlichen Elends in Indolenz und Weichlichkeit liegt. Die Nation, die die meiste Spannkraft hatte, war auch allezeit die freiste und glücklichste. Die Indolenz rächt nichts, sondern läßt sich den größten Schimpf und die größte Unterdrückung abkaufen.

[F 365]


Zum Lärmenmachen wählt man die kleinsten Leute, die Tambours.

[F 368]


[511] Die Metapher ist weit klüger als ihr Verfasser und so sind es viele Dinge. Alles hat seine Tiefen. Wer Augen hat der sieht [alles] in allem.

[F 369]


So wie ein Taubstummer lesen und Sprachen lernt, so können wir auch Dinge tun deren Umfang wir nicht kennen, und Absichten erfüllen, die wir nicht wissen. Er spricht für einen Sinn, den er selbst nicht hat.

[F 373]


[512] Die Perser legen, wenn sie den größten Respekt anzeigen wollen, die Hand auf den Magen.

[F 376]


Die Perser nennen ein gutes Buch Divan oder die Versammlung der Weisen.

[F 378]


Die Frauenzimmer sind in Persien von der Poesie ausgeschlossen. Sie sagen, wenn die Henne krähen will, so muß man ihr die Kehle abschneiden.

[F 379]


So wie die Otaheiten von Eis und Schnee und London reden würden, wenn sie es sähen, so könnte man sich zur Übung einen gewissen [513] Kreis von Wörtern und Kenntnis setzen und ohne aus ihm herauszugehen Beschreibungen von allerlei Dingen geben. Der Mangel an gehörigen Wörtern würde einen auf manches führen. Gedichte ohne den Buchstaben r hat Brockes gemacht.

[F 383]


Da der vortreffliche Brockes Gedichte ohne r gemacht das dem Menschen so natürlich ist, so sehe ich nicht ein warum man keine Gedichte ohne Menschen-Ver stand machen sollte, da es ohne Widerrede wahr ist daß man ohne r nicht einmal Wasser und Brod fordern kann, da man Exempel hat, daß Leute ohne Menschenverstand sich auf die ersten Stufen des bürgerlichen Lebens geschwungen haben.

[F 384]


Da dringe ich eben darauf, das ist der eigentliche Mensch nicht, der mit uns lebt, wir müssen ihn jetzt aus der Geschichte heraus suchen.

[F 385]


Die Griechen besaßen eine Menschenkenntnis die wir ohne durch stärkenden Winterschlaf einer neuen Barbarei durch zu gehen kaum erreichen zu können scheinen.

[F 388]


Gezählt möchte der Verlust größer herauskommen, als gewogen.

[F 389]


Es trägt nicht wenig zu dem heutigen Verfall ernster Wissenschaften bei daß man ein gewisses Wertherisches Schwärmen in der Liebe für das Zeichen eines großen Gefühls und den unwidersprechlichen Befehl der allgütigen Natur hält.

[F 390]


[514] Verständigen Personen werden nicht allein schöne Leute ohne Verstand verhaßt, sondern auch die äußerste Dienstfertigkeit bei Leuten verliert ohne Gaben des Geistes ihren Wert.

[F 395]


Große Reinlichkeit ohne Geckerei, und ohne daß man merkt, daß sie gar zu sehr gesucht wird, Nachgiebigkeit und unaffektierte Bescheidenheit und Wohlwollen ohne Zwang kann zu Schönheit werden, wenigstens Liebe gewinnen.

[F 396]


Warum sind junge Witwen in Trauer so schön? (Untersuchung)

[F 399]


[515] Das heißt man soll mit dem Licht der Wahrheit leuchten, ohne einem den Bart zu sengen.

[F 404]


[516] Es sind zuverlässig in Deutschland mehr Schriftsteller, als alle vier Weltteile überhaupt zu ihrer Wohlfahrt nötig haben.

[F 412]


Die Orakel haben nicht sowohl aufhören zu reden als vielmehr die Menschen ihnen zuhören.

[F 413]


Ein etwas verstimmter Ausdruck.

[F 414]


Dr. South sagt in einer seiner Predigten, Gott habe die Juden, ein an sich halsstarriges, hartnäckiges, rebellisches Volk, so zu seinen Lieblingen erkiest, wie Sokrates die Xanthippe zu seiner Frau um seine Langmut zu üben.

[F 417]


In einem Artikel wäre das Opfern der Erstlinge noch zu gebieten bei Versen.

[F 418]


[517] Wie nah wohl zuweilen unsere Gedanken an einer großen Entdeckung hinstreichen mögen?

[F 423]


Wir tun alle Augenblicke etwas, das wir nicht wissen, [die] Fertigkeit wird immer größer, endlich würde der Mensch alles ohne es zu wissen tun und im eigentlichen Verstand ein denkendes Tier werden. Vernunft nähert sich der Tierheit.

[F 424]


Unsere Psychologie wird endlich bei einem subtilen Materialismus stille stehn, indem wir immer von der einen Seite (Materie) mehr lernen und von der andern über alles hinausgegriffen haben.

[F 425]


So sagt man jemand bekleide ein Amt, wenn er von dem Amt bekleidet wird.

[F 426]


[518] Der Mensch sucht Freiheit, wo sie ihn unglücklich machen würde, im politischen Leben, und verwirft sie, wo sie ihn glücklich macht, und hängt anderer Meinung blindlings an. Der religiöse und System-Despotismus ist der fürchterlichste unter allen. Der Engländer, der wider das Ministerium schimpft, ist ein Sklave der Opposition, ein Sklave der Mode, alberner Gebräuche, Etiquette.

[F 431]


Der Mensch kann sich Fertigkeiten erwerben und kann ein Tier werden, wo er will. Gott macht die Tiere, der Mensch macht sich selber. Vergleiche mit p. 47, 10, 11 [F 424].

[F 433]


Seitdem man Wissenschaft zu nennen beliebt, anderer törigte Meinungen zu kennen, die man vielleicht aus einer einzigen Formul nach den Regeln einer ganz mechanischen Erfindungskunst herleiten könnte, und sich überall durch Mode, Gewohnheit, Ansehen und Interesse leiten läßt, ist dem Menschen die Lebens-Zeit zu kurz geworden.

[F 434]


Eine Art von Heimweh zum Himmel. Er begeht schändliche Streiche einen über den andern, als wenn er das Heimweh nach der Hölle hätte.

[F 435]


Mancher Mann quält sich seine Lebenszeit, studiert sich frigid und impotent über der Entwickelung der Meinung eines Schriftstellers. Ich gebe es zu, es war eine Lebenszeit nötig das System des Mannes zu entwickeln, es vom Schmutz schmieriger Ausbesserer zu reinigen, das ist alles wahr, aber es erforderte nur viertelstündiges helles Wachen gesunder Vernunft einzusehen daß die ganze Historie keine 3 Groschen wert war.

[F 436]


[519] Man empfiehlt Selbst-Denken oft nur um die Irrtümer anderer beim Studieren von Wahrheit zu unterscheiden. Es ist ein Nutzen, aber ist das alles? wie viel unnötiges Lesen wird uns erspart. Ist denn Lesen Studieren? Es hat jemand mit großem Grunde der Wahrheit behauptet, daß die Buchdruckerei Gelehrsamkeit zwar mehr ausgebreitet aber im Gehalt vermindert hätte. Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die größten Denker, die mir vorgekommen sind, waren gerade unter allen den Gelehrten die ich habe kennen gelernt die, die am wenigsten gelesen hatten. Ist denn Vergnügen der Sinne gar nichts?

[F 439]


Die meisten Gelehrten sind abergläubischer als sie selbst sagen, ja als sie selbst glauben. Mann kann üble Gewohnheiten nicht so leicht ganz loswerden, sie vor der Welt verbergen und die schädlichen Folgen hindern das kann man.

[F 440]


ad 1.49 [F 439]. Wenn man die Menschen lehrt wie sie denken sollen und nicht ewig hin, was sie denken sollen: so wird auch dem Mißverständnis vorgebeugt. Es ist eine Art von Einweihung in die Mysteria der Menschheit. Wer im eignen Denken auf einen sonderbaren Satz stößt, kommt wohl wieder davon ab, wenn er falsch ist. Ein sonderbarer Satz hingegen, der von einem Mann von Ansehen gelehrt wird, kann Tausende, die nicht untersuchen, irre führen. Man kann nicht vorsichtig genug sein in Bekanntmachung eigner Meinungen, die auf Leben und Glückseligkeit hinaus laufen, hingegen nicht emsig genug, Menschen-Verstand und Zweifel einzuschärfen. Hieher gehört die auf der gegenüberstehenden Seite angeführte Sentenz every man's reason is every man's oracle.

[F 441]


[520] Die Gottes-Gelehrten können nicht behutsam genug sein bei Ausdehnung des Richteramts der Offenbarung über Dinge, wo die Vernunft auch dereinst entscheiden wird. Bei dem jetzigen Zustand unserer Kenntnisse spricht sie mit Recht die Sprache des Zweifels, allein wird sie immer so zu sprechen Ursache haben? Die Vernunft macht täglich Eroberungen aus dem Vergangnen und durch diese Eroberungen gestärkt nützt sie das Gegenwärtige. Es könnte sein, ich hoffe es nicht, daß die christliche Religion durch Begebenheiten künftiger Zeiten vieles verlöre.

[F 443]


Das sind spermatische Gründe zu handeln. (σπερματικοι λογοι rationes seminales.) Klein aber wichtig zu vielem.

[F 446]


Zweifel muß nichts weiter sein als Wachsamkeit, sonst kann er gefährlich werden.

[F 447]


Nächst einer Methode aus allen Köpfen alles zu machen, die wohl, so bald noch nicht und auf unsern Philanthropinen zuletzt erfunden werden wird, wäre es wohl am besten getan wenn man die Köpfe aussuchte, denen der Zufall eine glückliche Erziehung beschert hat. Wie glücklich wäre die Welt, wenn jeder Mensch an seine rechte Stelle käme!

[F 448]


[521] Ich bin überzeugt, man liebt sich nicht bloß in andern, sondern haßt sich auch in andern.

[F 450]


Es ist schon sehr arg, daß es so viel Ehre ist heutzutag etwas Falsches zu sagen.

[F 454]


[522] In den Bützower Kritischen Sammlungen, wo man Humische Geschichte nicht undeutlich der Häberlinischen nachsetzt, vergißt man offenbar die Frage: Wer Humische Geschichte schätzt, verwirft deswegen nicht Häberlinische. Die eine läßt sich gar nicht mit der andern vergleichen. Die eigentlichen Geschichtklauber, die um eine Jahrzahl zu berichtigen Folianten langsam durchblättern, und ganze Frühlinge versitzen, sind überhaupt ein murrendes, alles andere verachtendes Volk, und können sich sehr erbittern, wenn man ihnen irgend ein Werk vorzieht, das mit Leichtigkeit geschrieben zu sein scheint. Das steht in dem trockenen Annalisten alles weit gnauer, und sie bedenken nicht, daß so wenig als dem Menschen äußerste Gnauigkeit möglich ist, eben so wenig ist sie ihm auch überall nötig. Wer den Ausdruck der Muskeln an dem Farnesischen Herkules bewundert, dem muß der Physiolog nicht verächtlich zurufen, im Albinus und Cowper steht das alles weit gnauer. Jedes nach seiner Art ist eine Regel die den Kritiker überall leiten soll.

[F 460]


Die Naturkündiger der vorigen Zeit wußten weniger als wir, und glaubten sich sehr nahe am Ziel: wir haben sehr große Schritte darauf zu getan und finden nun, daß wir noch sehr weit ab sind. Bei den vernünftigsten Weltweisen nimmt die Überzeugung von ihrer Unwissenheit zugleich mit ihrem Wachstum an Erkenntnis zu.

[F 462]


[523] Er ist willens seine Fluch-Psalmen besonders herauszugeben.

[F 464]


Seinen Organen etwas zu spielen geben heißt nicht studieren.

[F 472]


[524] Man findet Spuren aller Wissenschaften in den Sprachen und umgekehrt vieles in den Sprachen, das in den Wissenschaften nützen kann.

[F 474]


Es ist ausgemacht, daß unsere gegenwärtige Glückseligkeit, zumal insofern sie von der Güte der politischen Verfassung abhängt, nicht in dem Verhältnis gewachsen ist, in dem unsere Erkenntnis zugenommen hat. Woher rührt das? Von der Erziehung der Individuorum? Gewiß nicht allein.

[F 477]


Alles ist sich gleich, ein jeder Teil repräsentiert das Ganze. Ich habe zuweilen mein ganzes Leben in einer Stunde gesehen.

[F 478]


Was man sucht, ist gewöhnlich in der letzten Tasche, ist ein vermeintlicher Erfahrungs-Satz, den man glaube ich in allen Ländern und in allen Familien angenommen hat, und doch glaubt ihn niemand im Ernst.

[F 480]


Man führt gegen den Wein nur die bösen Taten an, zu denen er verleitet, allein er verleitet auch zu hundert guten, die nicht so bekannt werden. Der Wein reizt zur Würksamkeit, die Guten im guten und die Bösen im bösen.

[F 481]


Narren, die ihre Schwäche nicht kennen, wollen gewöhnlich die Nation reformieren, allein die größten Genies, unter den glücklichsten [525] Zufällen in Wirksamkeit gesetzt, reformieren sie. Anstatt sich dem Strom eingewurzelter Vorurteile und Gebrechen einer Nation (Nachahmung z.E. bei den Deutschen) mit Torherzhaftigkeit entgegen zu setzen ist es schicklicher, und den Kräften mehrerer angemessen, sich jener Schwachheit zu bedienen die Menschen weiser und glücklicher zu machen.

[F 484]


Ich glaube nicht jedem der mir sagt daß ihm Homer gefalle, und am allerwenigsten den griechischen Studenten, die um so etwas von sich glauben zu machen viel zu wenig Verstand in andern Dingen zeigen.

[F 485]


Der Mensch wird ein Sophist und über-witzig, wo seine gründlichen Kenntnisse nicht mehr hinreichen; alle müssen es folglich werden, wo es auf Unsterblichkeit der Seele und Leben nach dem Tode ankommt. Da sind wir alle ungründlich. Materialismus ist die Asymptote der Psychologie.

[F 489]


[526] Es gibt Leute die an Kenntnissen nicht älter werden, sie kommen in eine Gesellschaft von Bewundrern ihrer kleinen Gaben, und leben ihre künftigen Jahre hin ihre flüchtig aufgetragenen Meinungen gar einzubrennen. (z.E. Klopstock πμ Milton schrieb sein Gedicht am Ende eines in den wichtigsten Geschäften zugebrachten Lebens. Daher wird viel dazu erfordert es in seiner ganzen Stärke zu genießen. Des vernünftigen Mannes Scherze sind vernünftigen Leuten eine lehrreiche Unterhaltung, alles was er im Charakter tut, also auch seine Fiktion, seine Poesie (im Charakter NB), so schrieb Milton. Der große Mann spiegelt sich überall ab. Seine Blindheit nach so großer Erfahrung und häufiger Beobachtung stärkte seine Dichtungs-Kraft. vid. 4. this page [F 496]

[F 493]


ad 6 p. 54 [F 493]. Bei unsern Mode-Dichtern sieht man so leicht wie das Wort den Gedanken gemacht hat, bei Milton und Shakespear zeugt immer der Gedanke das Wort.

[F 496]


[527] Ich glaube nicht, daß unter der sogenannten studierenden deutschen Jugend die Summe leerer Köpfe je größer gewesen ist als jetzt. Dieses ist die Ursache warum es so viel junge Werther gibt, nicht weil das Buch meistermäßig geschrieben ist, sondern weil man solche Schaf-Engel brauchen kann wozu man will. Sie gehn ihrem Wirt ohne zu bezahlen durch und weinen über Gellerts Grab, sie zeichnen Silhouetten, und wittern Golgatha's Tau, ein protestantischer metaphernmächtiger Gaßner könnte sie brauchen Teufel einzunehmen oder auszutreiben und Hancock zu Stäben eine Spitzbuben-Republik abzustecken. Es ist kein Charakter. Indolenz, Unverstand und Unerfahrenheit in allem was ernste Wissenschaft heißt hat sie stumpf gemacht zu allem außer der Spekulation über den Trieb, aus dem haben sie sich eine Naturhistorie geschaffen, eine Ästhetik, eine Philosophie, da suchen sie allen Adel der Seele und den Himmel auf der Welt.

[F 498]


Ich habe einen sehr guten Freund gehabt, der mir gestund, daß, wenn er mit gutem Appetit sich bei eine gute Schüssel niedersetzte, er immer eine sehr lebhafte Hoffnung bei sich verspüre, daß er einmal ein großer Mann werden würde. Dieser Traum hat ihn betrogen. Er ist kein großer Mann geworden, ob er gleich ein sehr guter und brauchbarer geworden ist. πμ)

[F 499]


Wenn Werther seinen Homer (ein albernes Mode-Pronomen) würklich verstanden hat, so kann er sicherlich der Geck nicht gewesen [528] [sein], den Goethe aus ihm macht. Ich meine hier nicht den Unglücklichen, dessen Geschichte jenes Buch veranlasset haben soll, der war würklich und also auch möglich, sondern schlechterdings das Quodlibet von Hasenfuß und Weltweisen. Bei dem Tod geht eine Spaltung vor, der Hasenfuß erschießt sich und der Philosoph sollte billig fortleben. Wogegen hauptsächlich die Widerlegung und womöglich der Spott gerichtet werden muß, ist die Ehre, die diese Buben in einem stürmenden Herzen suchen. Sie hoffen auf Mitleid, aber auf ein beneidendes, das wesenloseste Geschöpf des kriechenden Stolzes, wenn ich so reden darf; und dann daß sie glauben sie empfänden allein, was sie allein Torheit und Unerfahrenheit genug besitzen drucken zu lassen. Der Weise, so wie er mehr denkt als er sagt, genießt auch mehr als er ausdrucken kann und will. Jedes Gefühl unter dem Mikroskop betrachtet läßt sich durch ein Buch durch vergrößern. Ist es nötig oder ist es gut? es ist genug, wenn nur jene dunkeln Gefühle uns zum Guten stärken, und dann kann man die Entwickelung Müßiggängern überlassen. Meine Hand im Schlaf auf eine Falte eines seidenen Vorhangs geschlagen, diese Empfindung kann zu einem Traum aufwachsen und blühen dessen Beschreibung ein Buch erfordert.

[F 500]


Ein aufmerksamer Denker wird in den Spiel-Schriften großer Männer oft mehr Lehrreiches und Feines finden, als in ihren ernsthaften Werken. Das Formelle, Konventionelle, Etiquettenmäßige fällt da gemeiniglich weg, es ist zum Erstaunen wie viel elendes konventionelles Zeug noch in unserer Art im Druck zu erzählen ist. Die meisten Schriftsteller nehmen eine Miene an, so wie manche Leute wenn sie sich malen lassen. Touren des Ansehens und der Verabredung, Trepfe für Treppe.

[F 502]


Es ist als wenn unsere Sprachen verwirrt wären; wenn wir einen Gedanken haben wollen, so bringen sie uns ein Wort, wenn wir ein Wort fordern, einen Strich, und wo wir einen Strich erwarteten, steht eine Zote.

[F 503]


[529] Es ist sehr gefährlich, sagt Voltaire, in Dingen Recht zu haben, wo große Leute Unrecht gehabt haben.

[F 509]


Es fehlt den Deutschen sicherlich noch ein Boileau.

[F 510]


Es ist allezeit betrübt für mich wenn ich bedenke, daß man in der Untersuchung mancher Dinge zu weit gehen kann, ich meine, daß sie unserer Glückseligkeit nachteilig werden können. Eine Probe habe ich darin an mir. Ich wünsche ich wäre in meinen Bemühungen das menschliche Herz kennen zu lernen minder glücklich gewesen. Ich verzeihe den Leuten ihre Bosheiten weit lieber als vorher, das ist wahr, wenn jemand in Gesellschaft übel von mir redet, zumal wenn es nur geschieht die Gesellschaft zu belustigen, so kann ich ihm deswegen nicht im mindesten aufsätzig werden, ich mache mir im strengsten Verstande nichts daraus, nur muß es nicht mit wallendem Blut und Hitze geschehen oder grobe Verleumdung sein, die glaube ich nicht zu verdienen. Hingegen ist mir zu wenig an dem Lob der Leute gelegen, ihr Neid wäre allenfalls das einzige was mich noch freuen würde. Das sollte in der Welt nicht sein. Also ist auch hier [530] harmonischer Wachstum des ganzen Erkenntnis-Systems nötig. Wo ein Teil zu sehr kultiviert wird führt es immer auf kleines oder großes Unheil am Ende hinaus.

[F 511]


Der Mensch hat einen unwiderstehlichen Trieb zu glauben man sähe ihn nicht wenn er nichts sieht. Wie die Kinder, die die Augen zuhalten um nicht gesehen zu werden.

[F 512]


Über den eignen Reiz, den ein eingebundenes Buch weißes Papier hat. Papier das seine Jungferschaft noch nicht verloren hat und noch mit der Farbe der Unschuld prangt ist immer besser als gebrauchtes.

[F 513]


Die schönste Stelle im Werther ist die, wo er den Hasenfuß erschießt.

[F 516]


Der Verleger hat ihn in effigie vor sein Werk aufhängen lassen.

[F 517]


Aus dem Blöken des Kindes ist Sprache so geworden, wie aus dem Feigenblatt ein französisches Gala-Kleid.

[F 520]


[531] Wenn die Physiognomik das wird, was Lavater von ihr erwartet, so wird man die Kinder aufhängen ehe sie die Taten getan haben, die den Galgen verdienen, es wird also eine neue Art von Firmelung jedes Jahr vorgenommen werden. Ein physiognomisches Auto da Fe.

[F 521]


Liskow sagt, die greulige Menge elender Schriftsteller ist eben so geschickt eine Barbarei einzuführen, als ein Schwarm von Ost- und Westgoten. (vortrefflich.)

[F 528]


[532] Ich weiß nicht, es ist als wenn der Verzeihmirs los wäre heutzutage gegen die Satyre, so bald man nur ein wenig von der Leber weg redet. Ich könnte selbst Stellen aus Luthero anführen, wo er von Aristotele sagt er sei ein Betrüger und lüderlicher Bube, und ich kenne einen frommen großen Schriftsteller, der den Homer, welcher doch bekanntlich kein Kind beleidigt, einen Fabelhans nennt. Ich wollte nur sehen was sie mir täten, wenn ich das von einem noch lebenden Philosophen oder einem unserer Dichter sagte, ich würde von Magistris schwindsüchtig rezensiert, oder von unsern Barden mit Fluch-Psalmen verfolgt.

[F 530]


Ein großer Herr sollte nur eine allgemeine Religion haben. In den Schulen müßten alle Religionen Erlaubnis haben ihren Glauben und Aberglauben zu lehren. Der Fürst aber müßte lehren: daß die Gemeinden, welche die zum Gemein-Wohl abzielenden Gesetze nicht hielten, ihre Religions-Freiheit verlieren sollen.

[F 533]


Es ist schwer das Affenmäßige in den menschlichen Füßen zu fühlen, aber zuweilen kann man es, man kommt leicht auf das Menschliche und Konventionelle.

[F 535]


[533] Ein kluges Kind, das mit einem närrischen erzogen wird, kann närrisch werden. Der Mensch ist so perfektibel und korruptibel, daß er aus Vernunft ein Narr werden kann.

[F 536]


Ich kann nur die Oberfläche der Leute auf meine Seite bringen, ihr Herz erhält man nur mit ihrem sinnlichen Vergnügen, des bin ich so überzeugt als ich lebe.

[F 537]


Ich will die Falte in Ihrem Kopf nicht anders brechen, aber ich kann Ihnen sagen, es ist nicht wahr.

[F 538]


Vorstellungen sind auch ein Leben und eine Welt.

[F 542]


Ich sehe gar nicht ein, warum Gedanken-Stehlen, auch wenn sie schon in Verse oder Wohlklang verarbeitet sind, eine so gar sonderbare Sache sein soll worüber man so großes Aufheben macht. Wir leben jetzt gleichsam in der güldnen Zeit unserer Literatur in Otaheitischer [534] Unschuld, allein man lese einmal die Reise-Beschreibungen, wie jene unschuldsvolle Leute die Engländer und Franzosen plündern so bald sie sich nur auf ihrer Küste blicken lassen.

[F 544]


Es gibt Leute von unschädlicher Gemüts-Art, aber doch dabei eitel, die immer von ihrer Ehrlichkeit reden, und die Sache fast wie eine Profession treiben, und mit einer so prahlenden Bescheidenheit von ihrem Verdienst zu wimmern wissen, daß einem die Gedult über den immer mahnenden Gläubiger ausgeht.

[F 550]


Nicht die Lügen, sondern die sehr feinen falschen Bemerkungen sind es die [die] Läuterung der Wahrheit aufhalten.

[F 552]


[535] Wenn es wahr ist, was ich irgendwo einmal gelesen habe, daß niemand eher stürbe bis er wenigstens etwas Gescheites getan, so hat M ... einen Unsterblichen gezeugt.

[F 553]


Ich habe es sehr deutlich bemerkt: Ich habe oft die Meinung wenn ich liege und eine andere wenn ich stehe. Zumal wenn ich wenig gegessen habe und matt bin.

[F 557]


Eigne Schwachheiten, wenn man [es] sonst wohl meint, aus der Natur des Menschen zu entschuldigen ist die erste Pflicht jedes Schriftstellers gegen sich selbst.

[F 558]


Auch ist Mikroskop und Verkleinerungs-Glas, mit analogischen Schlüssen verbunden, ein Haupt-Mittel zur Erfindung.

[F 559]


[536] Mit dem Band das ihre Herzen binden sollte haben sie ihren Frieden stranguliert.

[F 561]


Es wäre wohl der Mühe wert die Physiognomik des Shakespear zu untersuchen, er der die größte Gabe hat von klaren Dingen mit Deutlichkeit zu reden die mir je vorgekommen ist. Auch darf man nicht fürchten, daß er vielleicht seine physiognomischen Bemerkungen als zu fein, um verstanden zu werden, zurückbehalten hätte. Shakespear arbeitet aus sich heraus vom Menschen und für Menschen, ob grade immer diesen oder den, das untersucht er nicht. Man findet in der Tat bei ihm Bemerkungen in dem Winkel einer Periode Magd-Dienste tun, die den Scepter einer Disputation zu tragen verdienten. (gut)

[F 563]


Unter den Opfern die man ihm brachte war ihm immer der ehrliche Namen eines Feindes das Angenehmste.

[F 565]


Sie geben uns Brüche von Gedanken, die der Teufel selbst nicht unter einerlei Benennung bringen kann.

[F 566]


Das ist toll genug einen Narren klug zu machen, bei meiner Ehre.

[F 567]


In diesem schön gemalten und glasierten Porzellan-Alter der Welt.

[F 568]


[537] [539]So traurig stund er da wie das Trinkschälgen eines krepierten Vogels.

[F 572]


Die Nase eher rümpfen lernen als putzen.

[F 574]


Man sagt noch Seele wie man sagt Taler, nachdem die geprägten Taler lange aufgehört haben.

[F 575]


Damals als die Seele noch unsterblich war.

[F 576]


Er ist nun aus den Oden-Jahren in die Psalm-Jahre ge kommen.

[F 577]


Alle Unparteilichkeit ist artifiziell. Der Mensch ist immer parteiisch und tut sehr recht daran. Selbst Unparteilichkeit ist parteiisch. Er war von der Partei der Unparteiischen.

[F 578]


[539] Ich glaube nicht, daß der Zustand in dem man auf allen Vieren geht der natürliche ist, allein, daß wir jetzt, so wohl was unseren Glauben, als Lebens-Art betrifft, in einem höchstunnatürlichen sind das glaube ich. Aus diesen Trieben läßt sich, wie aus Schachsteinen ein besseres Leben zusammensetzen.

[F 583]


Der jetzige Propheten-Stil.

[F 590]


[540] [542]Es gibt Schwärmer ohne Fähigkeit und dann sind sie würklich gefährliche Leute.

[F 598]


[542] Schlankheit gefällt wegen des bessern Anschlusses im Beischlaf und der Mannigfaltigkeit der Bewegung.

[F 603]


Daß einem (wenigstens mir) so oft träumt, man rede mit einem Verstorbenen von eben demselben als dem Verstorbenen, könnte von den ähnlichen Hemisphärien des Gehirns herrühren, so wie man doppelt sieht, wenn man Ein Auge drückt. Im Traum sind wir Narren, der Scepter fehlt, es hat mir oft geträumt, ich äße gekochtes Menschenfleisch. Von der Natur der Seele aus Träumen ist eine Materie, die des größten Psychologen würdig wäre. Der selige Faber zu Jena hat einmal hier etwas in der deutschen Gesellschaft vorgelesen.

[F 607]


Wenn die reine Lehre des Evangeliums so verdreht worden ist, daß Schaden daraus bei übrigens guter Absicht entstanden ist, was muß nicht erst eine ziemlich unreine Physiognomik unter den Umständen tun können.

[F 608]


Man könnte das Gewissen unserer Empfindsamen ein poetisches Gewissen nennen, conscientiam poeticam.

[F 609]


[543] Gesicht und Seele sind wie Silbenmaß und Gedanken.

[F 612]


Besonders ist, daß unsere Dichter von unsern vernünftigen, Leuten von Stand nicht mit Vergnügen gelesen werden. Der Fehler kann unmöglich in unserm Publikum liegen, er liegt sicherlich in unsern Dichtern, es sind meist junge oder alte Knaben, die im Zirkel unerfahrner Bewunderer aufgewachsen sind, und daher nicht zunehmen können. Wer nicht zu gewissen Jahren oft in Gesellschaft war, wo er nicht die erste Rolle spielte, und seine Kräfte in einer Spannung sein mußten, um nicht eine üble Meinung von sich zu erwecken, wird gewiß ein Tropf werden und das sind gewiß allemal 9 unter 10 unserer gerühmten Dichter. Der Mann der Welt kann nichts von ihnen lernen, er übersieht sie, so wie das handlungsvollste Schauspiel auch noch Bemerkungen enthalten muß, die selbst den Denker bei der Lampe beschäftigen können müssen, so kann selbst die Ode indem sie die Einbildung mit Bildern hinreißt wie das Licht einen, dem der Star jetzt ausgezogen worden, tiefe Bemerkungen enthalten, die den Mann von Überlegung wenn der Rausch verfliegt beschäftigen können. Aber mein Gott wie kann der etwas sagen der nichts weiß?

[F 613]


Es gibt keine wichtigere Lebens-Regel in der Welt, als die: halte dich, so viel du kannst, zu Leuten, die geschickter sind als du, aber doch nicht so sehr unterschieden sind, daß du sie nicht begreifst. Das Erheben wird deinem Ehrgeiz durch Instinkt leichter werden, als dem allzugroßen das Herablassen aus kalter Entschließung.

[F 614]


[544] Das Mädchen ist ganz gut, man muß nur einen andern Rahmen drum machen lassen.

[F 621]

Lavater

Wenn er ein ehrlicher Mann ist, welches ich hier nicht bezweifeln will, so ist er wenigstens ein sehr gefährlicher ehrlicher Mann. Mangel an Selbst-Kenntnis, und Glauben daß das, was andere nicht sagen wollen, nicht sagen könnten, sind seine Haupt-Schwachheiten. Er hält Leute die nicht superfiziell genug sind zu sehen was er sieht für schwächer als sich, und diese haben gegen ihn wieder die Schwachheit, das für Mangel an Fähigkeiten in sich zu halten, was eigentlich größerer Verstand ist.

[F 622]


[545] Wir sind alle Blätter an einem Baum, keins dem andern ähnlich das eine symmetrisch, das andere nicht, und doch gleich wichtig dem Ganzen. Diese Allegorie könnte durchgeführt werden.

[F 630]


Es bewegt den Magen, die Einwendungen der Gottes-Gelehrten gegen das Theater zu lesen, selbst das, was sie dabei zugeben, ist elend zugegeben. Die Religion verbiete unschuldige Vergnügungen gar nicht, sagen sie. Ein Kompliment, womit in der Tat der Theologe beim Weltmann wenig gewinnt, der ihm gewiß antworten kann: es würde auch sehr elend um die Religion stehen, die sie verböte. Man muß zwischen Schauspiel-Gesellschaften unterscheiden. Es gibt schlechte Schauspiel-Gesellschaften, und gefährliche Schauspielgesellschaften, so wie es schlechte Ordens-Gesellschaften und überhaupt schlechte Gesellschaften gibt. Ich glaube, daß in vielen Abend-Versammlungen von Manns-Personen, wo keine Frauenzimmer gegenwärtig sind, so wie z.E. Purschen-Gesellschaften weit andere Dinge keimen als in Schauspielhäusern. Die fruchtbaren Bäder, und Brunnen-Gesellschaften sind vortrefflich einen zwergartigen Stammbaum wieder in den Schuß zu bringen, mögen aber zu den Sitten wenig beitragen. Und hat eine Truppe Unterstützung, so kommen [546] die schönen Schauspielerinnen nicht so leicht an jedermann, hier und da ein Reicher, der sich sonst wo sein Verderben erkauft hätte, findet es hier freilich auch so gut wie überall. Aber auf den großen Theatern sehen Tausende zu, die die Actrice einmal ein wackres Mensch nennen, und dann vergessen. Großmütige Vergebung von Fehltritten aus Übereilung ist ziemlich gemein auf unsern Theatern geworden, tausend Menschen tun es aus Empfindsamkeit nach. Und ist Geschichte die man lernt nichts? Der Engländer, der nicht lesen kann und nicht Zeit hat zu lesen, lernt die Geschichte seines Vaterlandes aus dem Shakespear auf der Bühne. Er lernt billig denken, Fehlern verzeihn die bei großen Tugenden stehn, und indem er die Tyrannen kennen lernt unter denen seine Vor-Eltern seufzten, lernt er die erhabnen Tugenden Georg des 3. verehren, den er noch überdas selbst gegenwärtig sieht. Wenn ich den Theologen raten dürfte, so sollten sie sich schlechterdings der Bühne nicht mehr widersetzen. Es ist nun zu weit damit gekommen, der Grund davon liegt in der menschlichen Natur und Scheiterhaufen selbst könnten nicht mehr helfen. Laßt uns also den besten Gebrauch davon machen. Prinzen, Minister, Bischöfe, und Superintendenten, besucht die Schauplätze, und dann bestraft den Schauspieler und den Dichter, der sich erkühnt in eurer Gegenwart etwas vorzubringen das euer Ansehen mindern oder eure Sitten beleidigen könnte.

[F 631]


[547] [550]Aus einem Augenblick läßt sich kein Gesicht beurteilen, es muß eine Folge da sein.

[F 651]


[550] ›Es gibt eine Art von transzendenter Ventriloquenz wodurch Menschen können glauben gemacht werden, etwas was auf Erden gesagt ist käme vom Himmel.‹

[F 665]


[551] Non vitae sed scholae discimus ein herrlicher Spruch des Seneca, der auf unsere Zeiten paßt.

[F 671]


Es ist schade, daß es keine Sünde ist Wasser zu trinken, rief ein Italiäner, wie gut würde es schmecken.

[F 674]


Wenn wir die Aufmerksamkeit auf schwache Empfindungen vermehren lernen, so können sie uns den Dienst von starken tun.

[F 675]


[552] Eine jede Sache hat ihre Werktags- und Sonntagsseite.

[F 677]


Selbst Aberglaube kann zuweilen Nutzen stiften. Der gemeine Mann drückt nicht leicht eine ungeladene Flinte auf jemanden los, weil er glaubt der Teufel könne auch mit einer ungeladenen sein Spiel machen.

[F 681]


[553] Es ließe sich ein philosophisches Traumbuch schreiben, man hat, wie es gemeiniglich geht, seine Altklugheit und Eifer die Traumdeutungen empfinden lassen, die eigentlich bloß gegen die Traumbücher hätte gewendet werden sollen. Ich weiß aus unleugbarer Erfahrung daß Träume zu Selbst-Erkenntnis führen. Alle Empfindung, die von der Vernunft nicht gedeutet wird, ist stärker. Beweis das Brausen in den Ohren während des Schlafs, das bei Erwachen nur sehr schwach befunden wurde. Daß es mir alle Nacht von meiner Mutter träumt und daß ich meine Mutter in allem finde ist ein Zeichen wie stark jene Brüche des Gehirns sein müssen, da sie sich gleich wieder herstellen, so bald das regierende Principium den Scepter niederlegt. Merkwürdig ist, daß einem zuweilen von Straßen der Vaterstadt träumt, man sieht besondere Häuser, die einen frappieren, bald darauf aber besinnt man sich und findet (wiewohl es falsch ist), es sei ehmals so gewesen.

[F 684]


Den Satz auszuführen: So wie zu den niederträchtigsten und lasterhaftesten Taten Geist und Talent erfordert wird, so ist selbst bei den größten eine gewisse Unempfindlichkeit nötig, die man bei andern Gelegenheiten Dummheit nennt.

[F 687]


[554] [557]Und was ist Kränklichkeit (nicht Krankheit) anderes als innere Verzerrung?

[F 705]


Eine Rede muß nicht gedruckt werden, man hat gute Redner gehabt in den Zeiten da man vermutlich schlecht schrieb, und etwas, das sich gut lesen läßt, muß [man] nicht hersagen hören, es sind ganz verschiedene Dinge. Ein Gemälde gehört nicht unter das Mikroskop. Das sollten sich unsere dramatische Dichter merken.

[F 706]


[557] [559]Ich verlange keine Schonung, werde auch jedem, der mich mit Unrecht angreift, ohne Schonung begegnen, er sei wer er wolle. Freiheit zu denken und für die Wahrheit zu schreiben und ungestraft, das ist ein Vorzug des Orts den Georg beherrscht und auf dem Münchhausens Segen ruht. Ein Tor ist ein Tor, darf man hier laut sagen, er liege an Ketten oder werde angebetet.

[F 716]


Von dem, was der Mensch sein sollte, wissen auch die besten nicht viel Zuverlässiges, von dem, was er ist, kann man aus jedem etwas lernen.

[F 720]


[559] Wenn Lavater die verehrungswürdigen Köpfe wollte in Kupfer stechen lassen, die bei seinem Werke geschüttelt worden sind, so hätte Reich bis ans Ende seines Lebens Stoff zu Quartanten.

[F 725]


Unsere Gedanken würden einen ganz andern Gang gehen wenn bloße Reflexion und nicht auch andere Dinge in uns würkten, jeder Mensch würde auch andere Sitten haben so wie ein anderes Gesicht. Vielleicht kann auch etwas von dem Einfluß hinein kommen, den ein Wort das ich rede auf alles hat, was je in der Welt gesprochen werden wird.

[F 727]


[560] [562]Es regnet allemal wenns Jahrmarkt ist, oder wenn wir Wäsche trocknen wollen, was wir suchen ist immer in der letzten Tasche in die wir die Hand stecken.

[F 732]


Das Studium des Homers und des Ossians, oder wie man jetzt wenn man ein Buch daraus übersetzen kann sich präskribierend ausdruckt, seinen Homer und seinen Ossian studieren, machts wahrlich nicht aus. Studiert euch selbst erst, mögt ich sagen, das ist, lernt euer Gefühl entwickeln und den augenblicklichen Wink desselben figieren und Buch darüber halten, laßt euch euer Ich nicht stehlen, das euch Gott gegeben hat, nichts vordenken und nichts vormeinen, aber untersucht euch auch erst selbst recht, und widersprecht nicht aus Neurungssucht. Hierzu ist Gelegenheit überall ohne Griechisch und ohne Latein und ohne Englisch. Die Natur steht euch allen offen mehr als irgend ein Buch wozu ihr die Sprache 25 Jahr getrieben habt. Ihr seids selbst. Dieses hat man so oft gesagt, daß es jetzt fast so gut ist, als wäre es niemals gesagt worden. Es ist ein wahrhaftes Unglück wenn Regeln von solcher Wichtigkeit unter einem Volk zu der traurigen Würde eines locus communis oder einer Gebets-Formel gedeihen. Man glaubt sie zu üben, wo man sie nicht übt, und sich selbst überlassen übt man sie oft zu der Zeit wo [562] man sie zu übertretten glaubt, oder sich doch ihrer nicht bewußt ist. Das wird euch weiter bringen als Homer und Ossian, es wird euch Homer und Ossian verstehn lernen. Ihr könnt sie ohne diese Vorbereitung freilich lesen, aber ihr werdet nie einsehen lernen, warum sie so sehr über das seichte Flächengeschlecht unsrer Zeit erhaben sind.

[F 734]


Einige der Hauptsätze in meiner Abhandlung haben den Beifall von Köpfen erhalten, die, gezählt, kaum den viertausendsten Teil von Lavaters Bewunderern ausmachen mögten, und gewogen, vermutlich sie alle zusammen 4000mal überwiegen würden.

[F 736]


[563] [565]Ich empfehle Träume nochmals; wir leben und empfinden so gut im Traum als im Wachen und sind jenes so gut als dieses, es gehört mit unter die Vorzüge des Menschen, daß er träumt und es weiß. Man hat schwerlich noch den rechten Gebrauch davon gemacht. Der Traum ist ein Leben, das, mit unserm übrigen zusammengesetzt, das wird, was wir menschliches Leben nennen. Die Träume verlieren sich in unser Wachen allmählig herein, man kann nicht sagen, wo das Wachen eines Menschen anfängt.

[F 743]


[565] Polybius distinguiert zwischen Ursache (cause), Vorwand (pretence) und Anfang (beginning) eines Kriegs, die beiden letzten werden gemeiniglich nur allein bekannt. So gehts auch in andern Dingen.

[F 747]


Man kann eben so gut träumen ohne zu schlafen, als man schlafen kann ohne zu träumen.

[F 749]


Er versteht die Kunst eine Phrase herbeizuziehen, und einem das Resultat einer 4 wöchigen Vorbereitung durch den Blitz eines Impromptu zu geben. Dieses ist eine von Sterne's Künsten.

[F 750]


Unsere Dichter werden gewiß eben so sehr gelobt als die Engländer, aber die Leute, die sie loben, sind von geringerem Gewicht.

[F 751]


Es ist merkwürdig in dem Sehen ohne Licht, daß das, wasman sieht wenn man die Augen im Dunkeln zuschließt, Anfänge zu Träumen werden können, bei wachender Vernunft ist die Folge ganz anders, als im Schlaf. Ich mögte wissen ob die Tiere dummer träumen, als sie im Wachen sind, ist dieses, so haben sie einen Grad von Vernunft.

[F 752]


Die Leute sagen immer, was der Mann originell schreibt, mir kommt der Stil nichts weniger als selten vor; es ist die Schreib – Art aller Leute, die mehr sagen wollen, als sie wissen, und welche eben deswegen der Menge gefällt, weil sie ihr glauben macht sie verstünde Dinge, von denen sie kein Wort weiß.

[F 754]


[566] Wir sehen, ein jeder, nicht bloß einen andern Regenbogen, sondern ein jeder einen andern Gegenstand und jeder einen andern Satz als der andere.

[F 760]


Ich glaube, daß es weit besser ist aus sich selbst heraus zu holen, als aus dem Plato, den können wir falsch verstehen; wir sind uns allzeit nah genug alles Schwere zu erleichtern und alles Dunkle aufzuklären.

[F 761]


Krankheit ist das größte Gebrechen des Menschen.

[F 762]


[567] Daß ich etwas, ehe ich es glaube, erst durch meine Vernunft laufen lasse ist mir nicht ein Haar wunderbarer, als daß ich erst etwas im Vorhof meiner Kehle kaue, ehe ich es hinunter schlucke. Es ist sonderbar so etwas zu sagen und für unsere Zeiten zu hell, aber ich fürchte es ist für 200 Jahr, von hier ab gerechnet, zu dunkel.

[F 768]


Man muß sich nicht wundern, wenn man sieht, daß Leute den Gehalt der Seele aus dem Gesicht schätzen wollen, die gemeiniglich den Gedanken aus dem Prosen – Klang beurteilen, in den er eingehüllt ist.

[F 773]


Wo Affektation zur ernsthaften Natur zu werden anfängt.

[F 774]


[568] Der Maler, der ein Gesicht mit wenigen Strichen in der Geschwindigkeit trifft, muß unstreitig in dem Gesicht mehr sehen als ich, ob er gleich wenn er es mir erklären will, weil er nur Worte gebrauchen kann, die alle schon gestempelt sind, weiter nichts sagt als ich auch.

[F 776]


Nach unserm Gesetz muß freilich oft der honnete criminel hangen aber nicht vor Gott.

[F 778]


Eine von den Haupt – Konvenienzen der Ehe ist die, einen Besuch, den man nicht ausstehen kann, zu seiner Frau zu weisen.

[F 781]


Daß man solch närrisches Zeug träumt, wundert mich nicht, allein, daß man glaubt, man wäre es selbst, der so was täte und dächte, das wundert mich.

[F 784]


[569] Ich glaube grade das Gegenteil, daß nämlich das meiste Gute in der Welt durch Menschen getan wird, die ihrer schönen Bildung wegen nicht in Betrachtung kommen. Oder das meiste Unheil in der Welt hat die Schönheit gestiftet. Ob sie gleich das Glück oder vielmehr die Wollust einzelner mag befördert haben.

[F 788]


So lange jemand in die Ewigkeit hinaus schaut und mir Dinge im Himmel liest die ich nicht sehe, so schweige ich deswegen still, weil er mir auch glauben müßte, wenn ich ihm wiederum meine Weissagungen abläse. Allein wenn wir Blicke in diese Welt tun, da hat bei verschiedener Meinung nur einer recht oder beide unrecht. Wir haben alle auf die 4 Syllogismen geschworen, den Supremats – Eid der Logik abgelegt.

[F 790]


Man kann nicht allein Dinge aus der Körper – Welt transzendent machen, sondern auch Dinge aus der Geister – Welt retroszendent auf die Körper – Welt zurück.

[F 791]


[570] [572]Man lernt kein Latein und kein Griechisch mehr, daher wird alles seicht. Dieses ist die Klage der meisten gelehrten Journale ob sie gleich vielleicht unvorsätzlich die geheimsten und wichtigsten Feinde wahrer Gelehrsamkeit und die Urheber des Übels selbst sind, das sie heilen wollen. Man hält einen Teil der Wirkung für die Ursache.

[F 797]


[572] [578]Kleine Fehler zu entdecken ist seit jeher die Eigenschaft solcher Köpfe gewesen die wenig oder gar nicht über die mittelmäßigen erhaben waren, die merklich erhabenen schweigen still oder sagen nur etwas gegen das Ganze und die großen Geister schaffen nur ohne zu tadeln.

[F 828]


Die Menschen nehmen nicht gern das Los No-I. in einer Lotterie. Nimms, ruft die Vernunft laut, es kann so gut die 12 000 Taler gewinnen als irgend ein anderes; nimms um aller Welt willen nicht, wispert ein Je ne sçai quoi, man hat kein Exempel daß solche kleine Zahlen vor großen Gewinnsten stehen, und es wird auch nicht genommen.

[F 829]


[578] [580]In einer so zusammengesetzten Maschine, als diese Welt, spielen wir, dünkt mich, aller unsrer kleinen Mitwirkung ungeachtet, was die Hauptsache betrifft immer in einer Lotterie.

[F 846]


[580] Dieses zu denken verursacht mir eine Verwirrung im Kopf, fast als wenn ich mir denken wollte, daß uns Polen nach Westen läge.

[F 856]


[581] Das Hutabnehmen ist eine Abkürzung unsres Körpers, ein Kleinermachen.

[F 859]


[582] Daß die Menschen so oft falsche Urteile fällen rührt gewiß nicht allein aus einem Mangel an Einsicht und Ideen her, sondern hauptsächlich davon, daß sie nicht jeden Punkt im Satz unter das Mikroskop bringen, und bedenken.

[F 864]


[583] Tausend sehn den Nonsense eines Satzes ein ohne im Stand zu sein noch Fähigkeit zu besitzen ihn förmlich zu widerlegen.

[F 868]


Die lächerlichsten Moden können ein Übergang zu etwas sein, was wir auf keinem andern [Wege] gefunden hätten. Es können die Vorurteile, sagt Feder, zuweilen vernünftige Vermutungs – Regeln sein.

[F 871]


Zu untersuchen und zu lehren, in wie weit Gott aus der Welt erkannt werden kann. Sehr wenig, es könnte ein Stümper sein.

[F 872]


[584] Solcher Zeilen wie einige in Psalm 4 werden wenige geschrieben. Wie unendlich viel steckt nicht in den Worten: Redet mit eueren Herzen auf eurem Lager; opfert Gerechtigkeit und hoffet auf den Herrn. Eine ganze Religion!

[F 873]


Gedanken im Klingel – Beutel sammeln zu einer Rede auf den Geburtstag des Königs.

[F 874]


Ein gesunder Appetit, und die damit gemeiniglich verbundene Hochachtung gegen das Frauenzimmer.

[F 875]


Ich habe oft auf dem Punkt gestanden, mit so viel Überzeugung zu glauben, daß man, um der Nachwelt zu gefallen, von der jetzigen gehaßt werden müßte, daß ich alles anzufallen Neigung fühlte.

[F 876]


Ich bin sehr viel mitleidiger in meinen Träumen, als im Wachen.

[F 878]


Neue Blicke durch die alten Löcher.

[F 879]


Häßlich nicht von hassen. Dieser Gedanke ist in mein Buch über die Physiognomik gekommen, weil ich mir eine eigne Vorstellung von hassen mache. Nämlich daß man nur frei handelnde Wesen hassen könne.

[F 883]


[585] Es soll mir zur Warnung dienen, ich will künftig nichts mehr drucken lassen, ohne es wie jener große französische Dichter meiner Köchin vorzulesen.

[F 889]


[586] [589]Die Gebrechlichen haben oft Fertigkeiten, deren ein ordentlich gebauter Mensch wo nicht unfähig, doch zu erlernen nicht entschlossen genug ist.

[F 901]


Es ist die Frage, ob nicht selbst Tiere, wenn man sie in ihrem Bau stört, einen Weg erwählen, der vom vorigen verschieden zu demselben Endzweck führt.

[F 902]


[589] Die Schlappherzigkeit.

[F 911]


Einer deutet alle unbestimmte Spöttereien auf sich selbst, und denkt sie hätten ihn heimlich im Sinn gehabt.

[F 913]


[590] Starke Empfindung, deren sich so viele rühmen, ist nur allzu oft die Folge eines Verfalls der Verstandes – Kräfte. Ich bin nicht sehr hartherzig, allein das Mitleid, das ich in meinen Träumen oft empfinde, ist mit dem bei wachendem Kopf nicht zu vergleichen, das erstere ist in mir ein nah an Schmerz grenzendes Vergnügen.

[F 923]


[591] [594]Ein Amen – Gesicht.

[F 939]


Wenn die feinen Welt – Leute fragen: Gott weiß warum? so ist es immer ein sicheres Zeichen, daß sie außer dem lieben Gott noch einen großen Mann kennen, der es auch weiß.

[F 940]


[594] [596]Es ist eine traurige Liebe, wo man zum erstenmal im Grab mit einander zu Bette geht.

[F 945]


Was hilft alles Schließen aus Erfahrung? ich leugne nicht, daß es zuweilen eintrifft. Aber fehlt es nicht auch eben so oft? und ist das nicht was ich sagen wollte? Glücksspiel.

[F 947]


[596] [598]Unsere Empfindung ist sicherlich nicht der Maßstab für die Schönheit des unübersehbaren Plans der Natur.

[F 961]


Nichts läßt lustiger, als seinen Feind bepissen wollen, wenn man eine Strangurie hat.

[F 962]


[598] Einem Esel wurde das Bild der Isis zu tragen aufgelegt, und als das Volk das Bild mit Niederfallen verehrte, so glaubte er die Ehre wäre ihm erwiesen. (aus den Fabeln des Gabrias Mendelssohn T. II. p. 133.)

[F 967]


Dieses ist eine sehr fruchtbare Wahrheit, wenn man sie in einem gesunden Kopf bewahrt, so hat sie, wie die Glücks – Pfennige, alle Morgen eine neue bei sich liegen.

[F 970]


Ich kann nicht leugnen, mein Mißtrauen gegen den Geschmack unserer Zeit ist bei mir vielleicht zu einer tadelnswürdigen Höhe gestiegen. Täglich zu sehen wie Leute zum Namen Genie kommen, wie die Keller – Esel zum Namen Tausendfuß, nicht weil sie so viele Füße haben, sondern weil die meisten nicht bis auf 14 zählen wollen, hat gemacht, daß ich keinem mehr ohne Prüfung glaube.

[F 971]


[599] Die Klugheit eines Menschen läßt sich aus der Sorgfalt ermessen, womit er das Künftige oder das Ende bedenkt. Respice finem.

[F 973]


Ich bin überzeugt, jeder Bürger in H. kennt den Z. besser als er sich kennt.

[F 978]


[600] Sogar aus den Hunden läßt sich etwas machen, wenn man sie recht erzieht, man muß sie nur nicht mit vernünftigen Leuten, sondern mit Kindern umgehen lassen, so werden sie menschlich. Dieses ist eine Bestätigung von meinem Satz, daß man Kinder immer zu Leuten halten müsse die nur um ein weniges weiser sind, als sie selbst.

[F 981]


[601] Was ist wohl die Ursache, daß ich mich zuweilen um 9 Uhr über eine Sache gräme, um 10 Uhr nicht mehr und vielleicht um 11 wieder, ich bin mir keiner Wallungen von Trostgründen deutlich dabei bewußt, aber es müssen doch welche sein.

[F 989]


Es waren eigentlich nur 2 Personen in der Welt, die er mit Wärme liebte, die eine war jedesmal sein größter Schmeichler, und die andere war er selbst.

[F 991]


[602] Er liebte Pfeffer und gezackte Linien.

[F 995]


Was den Polygraphen oft macht ist nicht das Viel – Wissen, sondern jene glückliche Verhältnis seiner Kräfte zu seinem Geschmack, vermöge welcher der letztere immer gut heißt, was durch die erstern hervorgebracht wird.

[F 996]


Wie wir noch ein halbes Jahr jünger waren, da wars ganz anders.

[F 997]


Bei manchem Werk eines berühmten Mannes mögte ich lieber lesen was er weggestrichen hat, als was er hat stehen lassen.

[F 998]


Belehrung findet man öfter in der Welt als Trost.

[F 999]


Sein Dintenfaß war ein wahrhafter Janus – Tempel, wenns zugepfropft war, so wars in der ganzen Welt Friede.

[F 1000]


[603] [605]Die Vorrede könnte Blitzableiter betitult werden.

[F 1013]


[605] [607]Alles Tun in -eln ist nicht viel wert, weder witzeln noch schwärmeln.

[F 1026]


Einige mutwillige Leute haben behauptet, so wie es keine Mäuse gäbe, wo man keine Katzen halte, so gäbe es auch keine Besessene wo es keine Teufelaustreiber gäbe.

[F 1031]


[607] Wie perfektibel der Mensch ist, und wie nötig Unterricht, sieht man schon daraus, daß er jetzt in 60 Jahren eine Kultur annimmt, worüber das ganze Geschlecht 5 000 Jahre zugebracht hat. Ein Jüngling von 18 Jahren kann die Weisheit ganzer Zeitalter in sich fassen. Wenn ich den Satz lerne: die Kraft, die im geriebenen Bernstein zieht, ist dieselbe die in den Wolken donnert, welches sehr bald geschehen kann, so habe ich etwas gelernt dessen Erfindung den Menschen einige tausend Jahre gekostet hat.

[F 1039]


[608] Erst ist eine Zeit da man alles glaubt ohne Gründe, dann glaubt man eine kurze Zeit mit Unterschied, dann glaubt man gar nichts, und dann glaubt man wieder alles und zwar gibt man Gründe an, warum man alles glaube. Bernoulli wollte die Phänomena der Wahrsager – Bouteille nicht einmal mehr leugnen, sagt Deluc.

[F 1042]


Wenn man einmal weiß, daß einer blind ist, so meint man [man] könnte es ihm auch von hinten ansehen.

[F 1043]


Wir können nicht beweisen, daß die Planeten mit vernünftigen Geschöpfen bewohnt sind, dem ohngeachtet glaube ich es, so kann jemand glauben, die Seele sterbe mit dem Leib, ob er es gleich strikte nicht beweisen kann.

[F 1045]


[609] Sie fühlen mit dem Kopf und denken mit dem Herzen. (πμ)

[F 1047]


[610] [615]Da trifft recht ein, was Butler von einem schlechten Kritiker sagt, wenn er keine Fehler findet, so macht er einen.

[F 1078]


Der Trieb unser Geschlecht fortzupflanzen hat noch eine Menge anderes Zeug fortgepflanzt.

[F 1079]


Die Kunsttriebe der Tiere sind eine Offenbarung, einzelne Stückgen aus einem Zirkel von Kenntnissen, den sie nicht ganz wissen konnten, ohne sehr hohe Wesen zu sein. So können andere Geschöpfe unsere Offenbarung als Kunsttrieb ansehen, uns zum ewigen Leben zu leiten, nicht bloß die Offenbarung, sondern schon den Trieb sich Götter zu schaffen.

[F 1081]


Das viele Lesen hat uns eine gelehrte Barbarei zugezogen.

[F 1085]


Unstreitig ist die männliche Schönheit noch nicht genug von den Händen gezeichnet worden, die sie allein zeichnen könnten, von weiblichen. Mir ist es allemal angenehm wenn ich von einer neuen Dichterin höre. Wenn [sie] sich nur nicht nach den Gedichten der Männer bildeten, was könnte nicht da entdeckt werden.

[F 1086]


[615] Ich habe mich zuweilen recht in mir selbst gefreut, wenn Leute, die Menschenkenner und Weltweise sein wollen, über mich geurteilt haben. Wie entsetzlich sie sich irren, der eine hielt mich für weit besser, und der andere fürweit schlimmer als ich war, und das immer aus sehr feinen Gründen, wie er glaubte.

[F 1089]


Die Sprache der erzürnten Impotenz. Z.

[F 1092]


[616] Es gibt Leute die das Wort Teufel immer mit einem T und einigen Punkten schreiben. Eben diesen Respekt erzeigen sie einigen Gliedern ihres eignen Leibes. Die Ursache davon ist schwer auszufinden. Auch Fielding schreibt kiss my A – – – anstatt kiss my Arse. Vermutlich geschieht es auch hier noch um ein Paar Beinkleider drüber zu ziehen.

[F 1104]


[617] Es gibt Leute die tragen ihre Haare die ganze Woche in Papilloten.

[F 1108]


Große Dinge gesehen zu haben als einen großen Sturm muß ohnstreitig dem ganzen Gehirn eine andre Stimmung geben, und man kann sich daher nicht genug in solche Lagen bringen, man sammelt auf diese Art ohne zu wissen.

[F 1109]


Noch hier und da bei den Hottentotten unsers Vaterlands.

[F 1110]


[618] Ziererei, ein sehr gutes Wort, wenn einer etwas nicht gestehn will, was er doch gern von sich geglaubt.

[F 1112]


Auf dem Ball, als es zum Essen ging, hatte sich die Gesellschaft wie der Feilstaub beim Magneten um ein paar Mädchen herumgelagert.

[F 1120]


[619] [621]Es sind wenig Menschen, die nicht manche Dinge glauben sollten, die sie bei gnauer Überlegung nicht verstehen würden. Sie tun es bloß auf das Wort mancher Leute, oder denken, daß ihnen die Hülfs – Kenntnisse fehlen, mit deren Erwerbung alle Zweifel würden gehoben werden. So ist es möglich, daß ein Satz allgemein geglaubt werden kann, dessen Wahrheit noch kein Mensch geprüft hat.

[F 1127]


[621] Wenn eine Betschwester einen Bet – Bruder heiratet, so gibt das nicht allemal ein betendes Ehepaar.

[F 1133]


[622] [624]Wir verbrennen zwar keine Hexen mehr, aber dafür jeden Brief, worin eine derbe Wahrheit gesagt ist.

[F 1143]


Ein physikalischer Versuch der knallt ist allemal mehr wert als ein stiller, man kann also den Himmel nicht genug bitten, [daß] wenn er einen etwas will erfinden lassen es etwas sein möge das knallt; es schallt in die Ewigkeit.

[F 1147]


[624] Es gibt zweierlei Arten von Bramarbas, den positiven dick- und den negativen dünnetuenden, beide zu gleich windigem Endzweck, daß der letztere noch zuweilen rechtschaffene Leute hintergeht, kommt unter andern auch daher, daß man in moralischen Dingen noch nicht rechnen gelernt hat.

[F 1158]


[625] In die Welt zu gehen ist deswegen für einen Schriftsteller nötig, nicht sowohl damit er viele Situationen sehe, sondern selbst in viele komme.

[F 1161]


Wenn einem zum Tod Verurteilten eine Stunde geschenkt wird, so ist sie ein Leben wert.

[F 1163]


[626] [629]Ich gehe oft, wenn ein Bekannter vorbeigeht, vom Fenster weg, nicht sowohl um ihm die Mühe einer Verbeugung, als vielmehr mir die Verlegenheit zu ersparen zu sehen, daß er mir keine macht.

[F 1179]


Es sind gewiß wenig Pflichten in der Welt so wichtig als die die Fortdauer des Menschen – Geschlechts zu befördern, und sich selbst zu erhalten, denn zu keiner werden wir durch so reizende Mittel gezogen, als zu diesen beiden.

[F 1181]


[629] [633]Wir wollen Sir Isaac Newton wählen. Alle Erfindungen gehören dem Zufall zu, die eine näher die andre weiter vom Ende, sonst könnten sich vernünftige Leute hinsetzen und Erfindungen machen so wie man Briefe schreibt. Der Witz hascht näher oder ferner vom Ende eine Ähnlichkeit, und der Verstand prüft sie und findet sie richtig, das ist Erfindung. So war Sir Isaac Newton. Ich habe nicht die mindeste Ursache zu zweifeln, daß es vor ihm und nach ihm in und außer England Köpfe gegeben habe und noch gibt, die ihm an Fähigkeiten überlegen waren, so wenig ich zu zweifeln Ursache habe, daß der Bauer, der den Prediger anstaunt, wenn er studiert und die Griffe gelernt hätte, besser predigen würde. Gelegenheit und Anlaß ist die Erfinderin, und Ehrgeiz der Verbesserer, Zutrauen auf seine Kräfte ist Kraft, im Ehestand und in der gelehrten Welt.

[F 1195]


Bei Pflanzen hält nicht der Mensch ein Individuum für schöner als das andere, sondern auch eine Species ja ein Genus als das andere, dieses ist gewiß Schwachheit.

[F 1196]


Er war zwar etwas unpoliert, aber würklich ein rechter Zebra unter den Eseln, oder unter seiner Gesellschaft.

[F 1197]


Es unterscheidet sich wie Taktschlagen und Trommeln.

[F 1200]


[633] [635]Wenn du die Geschichte eines großen Verbrechers liesest, so danke immer, ehe du ihn verdammst, dem gütigen Himmel, der dich mit deinem ehrlichen Gesicht nicht an den Anfang einer solchen Reihe von Umständen gestellt hat.

[F 1205]


Ich habe mich da, wo es auf Hauptsachen ankommt, alles dessen sorgfältig enthalten, was die Gegner Eingebungen des Witzes nennen könnten. Denn dem, der solche Eingebungen hat, wird es bei etwas gestärktem Vorsatz leicht, der Folge vorzubeugen, da gemeiniglich die, die es ihm vorwerfen, sich derselben nicht würden enthalten haben, wenn sie nicht unheilbare Impotenz dazu gezwungen hätte.

[F 1206]


[635] [637]Mir ist es eine sehr unangenehme Empfindung wenn jemand Mitleiden mit mir hat, so wie man das Wort gemeiniglich nimmt. Deswegen brauchen auch die Menschen, wenn sie recht böse auf jemanden sind, die Redens – Art, mit einem solchen muß man Mitleiden haben. Diese Art Mitleidens ist ein Almosen, und Almosen setzt Dürftigkeit von der einen und Überfluß von der andern Seite voraus, er sei auch noch so gering. Dem englischen Pity ist es eben so gegangen und noch ärger, das Adjectivum pitiful ist unser erbärmlich. Es gibt aber ein weit uneigennützigeres Mitleiden, das wahrhaften Anteil nimmt, das schnell zur Tat und Rettung schreitet, und selten von empfindsamer Schwermütelei (man verzeihe mir dieses Wort) begleitet wird. Man könnte jenes das Almosenartige und dieses das Mitleid bei Of- und Defensiv – Allianz nennen. Mitscham ist sehr lauter, man fühlt sie, wenn sich ein Mann, den man hochschätzt, aus nicht genugsamer Kenntnis derjenigen, vor denen er sich zeigen will, sich vor ihnen lächerlich macht. Es gibt eine ganz uninteressierte Mitfreude, ich habe sie bei Gatterers Wiedergenesung im Jahr 1778 ganz lauter empfunden. Nämlich ich konnte in diesem Fall nach der gnauesten Untersuchung kein anderes Interesse finden, als dieses, daß ein Mann von der größten Rechtschaffenheit, und einer Gelehrsamkeit,


[637] die täglich seltner wird, der Welt, der Universität und seiner Familie wiedergegeben worden war, nachdem man ihn schon, nicht etwa tod gesagt, sondern die Unmöglichkeit seiner Wiedergenesung medizinisch demonstriert hatte.

[F 1214]


[638] Schmierbuch – Methode bestens zu empfehlen. Keine Wendung, keinen Ausdruck unaufgeschrieben zu lassen. Reichtum erwirbt man sich auch durch Ersparung der Pfennigs – Wahrheiten.

[F 1219]


Eine Regel beim Lesen ist die Absicht des Verfassers, und den Hauptgedanken sich auf wenig Worte zu bringen und sich unter dieser Gestalt eigen zu machen. Wer so liest ist beschäftigt, und gewinnt, es gibt eine Art von Lektüre wobei der Geist gar nichts gewinnt, und viel mehr verliert, es ist das Lesen ohne Vergleichung mit seinem eigenen Vorrat und ohne Vereinigung mit seinem Meinungs – System.

[F 1222]


[639] Wir bewundern zuweilen die Kräftigkeit der Sprachen unausgebildeter Nationen, die unsrige ist es nicht weniger, unsere gemeinsten Ausdrücke sind oft sehr poetisch, allein das Poetische eines Ausdrucks verliert sich, wenn er uns gemein wird, der Laut bringt den Begriff hervor, und das Bild, das vorher das Mittel war, verschwindet und mit ihm zugleich alle die Neben – Ideen.

[F 1223]

[640]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lichtenberg, Georg Christoph. Aufzeichnungen und Aphorismen. [Aus den »Sudelbüchern«]. [Aus »Sudelbuch« F]. [Aus »Sudelbuch« F]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-EAED-5