Otto Ludwig
Die Makkabäer
Trauerspiel in fünf Akten

Personen

[256] Personen.

    • Antiochus Eupator, Antiochus Epiphanes' Sohn, König von Syrien.

    • Gorgias,
    • Nikanor, syrische Feldherren.

    • Mattathias, ein jüdischer Priester zu Modin.

    • Lea, sein Weib.

    • Simon,
    • Juda,
    • Jonathan,
    • Eleazar,
    • Johannes,
    • Joarim,
    • Benjamin, beider Söhne.

    • Naemi, Judas Weib, Boas Tochter.

    • Jojakim, Sohn eines jüngeren Bruders Mattathias.

    • Simei, ein jüdischer Priester zu Modin.

    • Amri, sein Sohn.

    • Boas, Simeis Bruder, Judas Schwiegervater.

    • Aaron, Sohn eines anderen Bruders Simeis.

    • Issaschar, ein Ältester von Modin.

    • Usiel, ein jüdischer Hauptmann.

    • Nathan, ein jüdischer Krieger.

    • Josua,
    • Elia,
    • Misael,
    • Ruben, Bürger von Modin.

    • Ämilius Barbus, römischer Gesandter an Juda.

    • Ein jerusalemitisches Weib.

    • Ein Greis, ihr Vater.

    • Ein syrischer Hauptmann.

    • Syrische, jüdische Hauptleute und Krieger. Gefolge des Barbus. Volk von Modin und Jerusalem. Mägde Leas. Bekränzte Kinder, Frauen und Greise. Jungfrauen mit Flöten und Zimbeln.

1. Akt

[257] [263]Erster Akt.

Vor den Thoren der Bergstadt Modin im Gebirge Juda.
Rechts vom Schauspieler die Häuser der Familie Simei, links die des Hauses Mattathias; rechts führt ein Felsenweg aus dem Thale herauf, das den Berg, auf dem Modin liegt, umgiebt; die daher Kommenden werden erst mit den Häuptern, dann allmählich ganz sichtbar; links vorn mündet eine Felsenschlucht aus. Hinten ein Thor der Stadt Modin; über der Stadtmauer, die meist aus natürlichen Felsen besteht, die Häuser der Stadt, und über diesen fern und ferner die zackigen Hörner des Gebirges Juda; der Horizont hoch angenommen. Palmen und Terebinthen den Thalweg herauf und sonst verstreut. Links vorn ein steinerner Tisch und Rasenbänke.
Lea, den Thalweg hinuntersehend. Joarim, kränzewindend auf einer Rasenbank. Benjamin, zuhörend vor ihm. Hinten kränzewindende Mägde.

JOARIM
indem er lebhaft erzählend auf die Bank tritt und in das Thal hinunterzeigt.
Da – diesseits in dem Thal der Terebinthen
Lag Saul, dort Goliath mit seinem Heer.
Dort aus dem Bach nahm David sich den Kiesel –
Ist's nicht so, Mutter?
LEA.
Bei der Eiche dort
Traf er auf Goliath.
JOARIM.
Und schlug ihn nieder.
Und Saul und unsers Volkes Krieger jagten
Die Brüder Goliaths durchs ganze Thal
Bis an das Thor von Ekron und von Gaza.
BENJAMIN.
Von Salomo erzähl' mir, Joarim.
[263]
JOARIM.
Da Saul gestorben war, ward David König,
Und nach ihm Salomo, sein Sohn. Da war
Israel groß – nicht, Mutter?
BENJAMIN.
Da war's groß?

Er läuft zu Lea.

Was heißt das, Mutter? Sag mir: Wer ist groß?
LEA.
Der, den man fürchtet, auch wenn er nicht droht.
BENJAMIN.
Und so war Salomo?
LEA.
Er war's; es knieten
Fünf Heidenkönige um seinen Stuhl,
Froh, ihm zu dienen.
JOARIM.
Schiffe ließ er baun –
LEA
im wachsenden Eifer vergißt sie auszuschauen und nähert sich mit Benjamin dem Joarim.
Beide Kinder ganz Ohr.
Und seine Segel trugen seinen Ruhm
Das Meer entlang, so weit als Menschen wohnen.
Bis an Ägypten dehnte sich sein Reich,
Von Typhsa bis gen Gaza zahlten ihm
Die Könige Tribut. Die Tochter Pharao
Erkannt' es für ein Glück, sein Weib zu sein,
Und bracht ihm Gaza zu in Kanaan.
Er saß auf elf'nem Stuhl, mit Gold bedeckt,
Und pur von Gold war all sein Trinkgefäß.
BENJAMIN
ausbrechend.
O, daß ich groß wär'!
LEA
lächelnd.
Du?
BENJAMIN.
Damit, wenn du
Von mir erzähltest, deine Augen glänzten,
[264] Wie wenn du uns von Salomo erzählst,
Und du nicht weintest mehr, daß Israel
Zerfiel und schwach ward und des Fremden Knecht,
Und nun der Syrer sitzt auf Davids Stuhl.
JOARIM.
Ich weine nicht. Was würde Juda sagen!
Ein Mann und weinen?! Pfui!
LEA.
Bist du ein Mann?
JOARIM.
Nein; werden will ich's, daß du nicht mehr traurig
Mußt sagen: Israel hat keinen Mann!
LEA
ihn liebkosend.
Das willst du! Du!
BENJAMIN
von der andern Seite sich beischmiegend.
Ich auch; doch du mußt froh sein.
LEA.
O, hielte stets der Mann dem Kinde Wort,
Wer dürft' es mehr als ich? Doch so ist's nicht.
JOARIM.
Warum auch weinen? Kommt nicht einst der Retter,
Der Israel befrein wird und erhöhn?
Zum großen Volk uns wieder machen, hoch
Auf Zion herrschend, wie's einst David that?
Das hat der Herr verheißen, unser Gott,
Da er noch zu den Menschen redete.
Drum laß den Gram und sei uns fröhlich, Mutter,
Will er aus Judas Stamm ihn doch erwecken,
Aus Davids Haus, und bist doch du auch, Mutter,
Aus Judas Stamm und von des Davids Haus!

Eleazar kommt den Thalweg herauf.
BENJAMIN.
Sieh, hier kommt Eleazar.
[265]
LEA
Eleazar entgegen.
Ist die Schafschur
Beendet schon? Kommt euer Vater?
ELEAZAR
er ist hastig und aufgeregt.
Mutter,
Hilf mir von hier!
LEA.
Was ist dir? Bist du nicht
Vom Vater mir gesandt? Was solltest du? –
Daß er nicht zürne. Ihr da

Sie küßt die Kinder.

zu den Mägden;
Helft Kränze winden zu des Vaters Fest.

Sie gehorchen.

Nun, Eleazar?

Sie führt ihn vor.
ELEAZAR.
Vor dem Hause will
Er essen, und schon sind sie auf dem Weg.
LEA.
Wen bringt er mir zu Gaste?
ELEAZAR.
Judas Schwäher,
Den Boas, dessen Bruder Simei
Und Amri –
LEA.
Freunde, Mattathias' würdig?
So weis' er im Gesetz, im Leben ist
Er's nicht. Ein Kind durchschaute diese Heuchler,
Doch ihn macht seine eigne Treue blind.
Ist Juda bei der Schafschur?
ELEAZAR.
Wußt' ich nicht,
Nach Juda würd'st du fragen? Wär' ich Juda,
Nach Eleazar hätt'st du nicht gefragt.
LEA.
Was ist dir? Bist du krank?
ELEAZAR.
An Juda krank' ich.
[266] Nur eben erst da an dem Felsensteig:
»Wer ist der schlanke Knab' mit Feueraug'
Und stolzem Wesen?« – »Von des Juda Brüdern
Ist's einer.« – »Juda? Kennst du den?« – »Ich sollte
Nicht kennen, der die einz'ge Hoffnung ist
Des Volkes?« – »Ja, einen Mann laß uns erschaffen,
So sprach der Herr, und Juda ward. Er, der
Nun Lamm, nun Löwe ist, und wieder Lamm,
So wie der Augenblick ihn heischt; so stolz
Im Denken, stark im Thun und schlicht von Wort.
Ist er der Mann nicht, Israel zu retten,
So ist es keiner!« So wetteifert Zung'
Mit Zung', ihn lobend; Eleazar ist
Der Gegenwärtige, vergessen, jeder
Lebt im Abwesenden. Und sollt' er nicht?
Juda nur ist etwas, und Eleazar
Ein Namenloser, einer, der nichts wäre,
Wär' er des Allgenannten Bruder nicht.
Laß mich von hier!
LEA.
Wohin?
ELEAZAR.
Gleichviel; nur wo
Ich nicht mehr Judas Bruder heißen muß.
LEA.
Wollt ihr mich beide lassen, böse Knaben?
ELEAZAR.
Mich wirst du nicht vermissen, bleibt nur er.
LEA.
Juda? Verließ er nicht die Mutter schon,
Wie er sich an die Simeitin hing,
Die niedre Magd, des niedern Hauses Tochter,
Vom jüngsten Sohn des jüngsten Aarons?
Das unterm Heuchelschleier Abfall birgt?
Der Herr will Mattathias' Haus erhöhn
[267] Und durch des Mattathias Haus sein Volk;
Den König wählt er sich, den Helden wählt er,
Der jenen krönen soll aus diesem Haus
Und –
ELEAZAR.
Was sprichst du? Wer ist es, den der Herr
Zum König sich erwählt? Ist's Juda?
LEA.
Nein.
Ihn zog ich aus zu seines Volkes Helden,
Zum Retter aus des Fremden Drängerhand –
ELEAZAR.
Ein König – sagtest du – aus unserm Haus?
LEA.
Der Gram verriet, was Hoffnung heimlich hegte.
ELEAZAR.
Wer ist es? wer der König, den du meinst?
LEA.
Du bist es.
ELEAZAR.
Ich? – Doch woher sprichst du das?
LEA.
Frag' nicht; laß dir genug sein, daß ich's sprach.
ELEAZAR
sinnend.
Ja. – Du hast mir, da ich ein Kind noch war,
Schon einmal so gesprochen. Um den Stolz
Gegen die Brüder hatte Mattathias
Mich streng' bestraft; ich saß und weinte; da
Tratst du zu mir; nur einen Augenblick,
Damit der Vater es nicht merkte; streicheltest
Die nasse Wange mir – als sprächst du's jetzt,
Hör' ich dein Wort: »Vergiß dein Weinen, Kind;
Die Zeit wird kommen, wo du stolz sein darfst.«
[268]
LEA.
Das merktest du?
ELEAZAR.
Lehr' mich, mich selbst vergessen!
Eh' lernt' ich alle Weisheit dieser Welt,
Eh' daß ich dieses einz'ge Wort vergäße!
LEA.
Soll ich's ihm sagen? Quillt aus seinem Eifer
Doch Trost, er wird nicht sein, wie Juda ist!
Weil Mattathias mir's verbot? Der Weisheit
Soll man gehorchen, nicht dem Mund. So höre –
Doch deinen Mund versiegle kluges Schweigen:
Vor zwanzig Jahren, da, als ich mit dir
Gesegnet, las ich einst im Jesaias,
Wie ich gewohnt war schon von Kindheit auf,
Da, wo er von des Retters Zukunft spricht,
Der wieder Davids Stuhl erhöhen soll;
Da faßte mich der ganze Schmerz des Falls
Des Hauses David, meines Vaterhauses,
Und seiner Knechtschaft unter fremdem Arm,
Der ganze Schmerz um meiner Söhne Schmach,
Da zu gehorchen, wo sie herrschen sollten,
Um dich, die Knospe, die, noch nicht geöffnet,
Im Mutterschoße schon die Ketten trug.
Und Asche streut ich auf mein Haupt und schloß
Mich einsam ins Gemach und fastete
Und hielt den Schlummer fern drei Nächte lang.
So lang schrie ich zum Herrn um seine Hilfe:
»Herr, mich laß weinend in die Grube fahren,
Doch meine Kinder laß den Retter sehn,
Dein Volk erhöhen vor der Erde Völkern
Und ihren Stuhl erhöhen vor dem Volk,
Wie's Fürstenkindern ziemt.« Ja – weiter ging ich –
»Herr,« schrie ich endlich, »wecke deinen Retter
Aus meinem Samen!« – Da, wie ich so schrie –
ELEAZAR.
Wie du so schriest, da – was geschah da?
[269]
LEA.
Da
Fiel Müdigkeit vom Herrn auf mein Gebein,
Und – das Gesicht des Herrn kam über mich.
ELEAZAR.
Des Herrn Gesicht? – Doch wie –
LEA.
Es brannten rings
Die Wände, wie um Mose einst der Busch,
Und oben – wich die Decke weit und weiter
Und dehnte sich, und wie ein Saphir war's.
Und durch den unermeßlich weiten Raum
Ging erst ein Donner,
Dann eine Stimme, säuselnd wie die Luft,
Wenn sie bei Nacht in Palmenwipfeln säuselt,
Und rieselnd, wie ein Quell in Wüsten rieselt.
Und sprach, doch ich verstand nicht, was sie sprach
Und doch wußt ich, sie sprach: »Erheb' dein Auge.«
ELEAZAR.
Und du erhobst dein Aug' und sahst – was sahst
Du da?
LEA.
Aarons Hut sah ich sich langsam
Herniederlassen. Über meinem Schoß
Hielt er im Schweben wie ein Adler, der
Mit ausgespannten Flügeln auf der Luft
Zu ruhen scheint – so lang', als sprachlos ich
Und wie gelähmt zurückgesunken lag –
Und um
Den Hut lief wie ein Kranz die Krone Davids.
ELEAZAR.
Die Krone Davids? Um Aarons Hut
Lief wie ein Kranz die Krone David? um
Den Hohenpriesterhut –
LEA.
Die Königskrone.
[270]
ELEAZAR.
Und schwebte über deinem Schoß, und du,
Mit mir warst du gesegnet, nicht mit Juda?
LEA.
Mit dir.
ELEAZAR.
Doch dann! doch dann!
LEA.
War es verschwunden
So plötzlich, wie ein Wolkenschatten schwindet.
Und ich sank auf die Knie' –
ELEAZAR.
Das war's, was mit
Gesang zu Nacht im Thal der Terebinthen
Einst vor mir herzog wie Prophetenruf!
LEA.
Schon naht dein Vater uns –
ELEAZAR.
Ja, alles eint
Sich, um zu rufen: Ein Gesicht war's und
Kein Traum! Den nächsten Anspruch hat zur Würde
Des Hohenpriesters nach dem Haus Onias',
Der jetzt den Hut auf seinem Haupte trägt,
Des Mattathias', meines Vaters Haus –
Doch – welche Welt von Hindernissen legt
Sich in Onias' Söhnen, seinen Enkeln
Dem raschen Glauben in den Weg!
LEA.
Du glaubst
An Hindernisse? Hindernisse findet
Nur der, der an sie glaubt.
ELEAZAR.
Was heißt das?
[271]
LEA.
Nichts.
Wenn du mich nicht verstehst, so sprach ich nicht
Zu dir. Komm.
ELEAZAR
kämpfend.
Nur besonnen laß uns bleiben!
LEA.
O freilich! Fasten und durchwachte Nächte
Und Jesaias' flammend Wort – ist's denn
Ein Wunder dann, zu sehn was nirgend ist
Und dem Besonnenheit den Glauben weigert?
O, so besonnen sein, das kostet wenig
Besinnen! Doch schon kommt dein Vater. Birg,
Was dich bewegt. Wir reden mehr davon.

Juda kommt, einen toten Löwen über der Schulter.
LEA.
Du, Juda?
JUDA.
Friede sei mit meiner Herrin.
LEA.
Zu deines Vaters Fest kommst du allein?
JUDA.
Hier bring' ich einen Gast, der ungebeten
Oft einsprach;

Er wirft ihn in die Öffnung der Felsschlucht.

's ist ein sonderbarer Kauz;
Dasmal mußt' ich ihn nöt'gen.
LEA.
Wußt' er nur
In Demut seine Tücke zu verhüllen,
Dann –
JUDA.
Dann war er kein Löwe. Ganz gewiß.
Kommt dort nicht Mattathias?
[272]
LEA.
Warum kommst du
Allein?
JUDA.
Du siehst, ich komme nicht vom Haus;
Und käm' ich auch vom Haus, ich sparte dir
Verhaßten Anblick, ihr Demütigung.
LEA.
Doch deinem Haus erspart'st du diese nicht,
Wie –
JUDA.
Laß das abgethan sein, bitt' ich, Herrin.
LEA.
Wie Judas Liebe zu der Mutter ist
Ja abgethan, wie Judas großes Streben
Ja abgethan, wie all der Größe Saat,
Mit Thränen in die Seele dir geströmt,
Vor einer Demutslarve falschem Lächeln –
O Juda, harrst du so des Herren Ruf?
Der Stunde so, mein irrgelocktes Kind,
Die Mattathias' Haus erhöhen soll,
Daß du, du selbst, der es erhöhn soll, es
Erniedrigst? Komm zurück zum Herrn, zur Mutter,
Trenn' diesen Eh'bund, wirf die Heuchlerin
Zurück in ihres Loses Niedrigkeit!
JUDA.
Kein Los ist niedrig, das die Seele adelt.
Und wahrlich, Mutter, nicht hinab, hinauf
Sehn muß ein solch gewöhnlich Menschenaug'
An ihr, als deines Juda ist. So hoch
Erhebt sie ihrer Demut Niedrigkeit,
Als nicht des Stolzes kühnstes Wagen schwindelt,
So rein – doch wozu zwingst du mich? Ich lobe,
Was mein ist. Gut, daß mich kein Fremder hörte,
Sonst säh' er mich erröten.
[273]
LEA
wollte antworten; da sie die Kommenden hört.

schweigt sie. Simei, Mattathias von Johannes geführt, Boas, Amri, Simeon, Jonathan kommen den Thalweg herauf. Juda begrüßt die Kommenden.

SIMEI
indem er sichtbar wird.
Was beklagst du,
Was deine Schuld nicht ist?
JUDA
für sich.
Schon wieder jammernd!
MATTATHIAS
wird sichtbar.
Die Schuld der Väter ist der Kinder Schuld.
BOAS
ebenso.
Allein Ergebung hilft sie leichter tragen.
AMRI.
Hat dich dein Gott mit voller Hand gesegnet,
Daß über fremdes Leid du klagen sollst?
MATTATHIAS.
Ist mir mein Bruder fremd? mein Volk ein Fremder?
SIMEI.
Wahr ist's, es könnte besser sein wie's ist.
JUDA
für sich.
Könnt's wirklich?
SIMEI.
Doch zu unsrer Väter Zeit
War's noch weit schlimmer. Sind wir nicht im Lande
Von Jakobs Erbteil mind'stens? Haben wir
Nicht unsern Hohenpriester noch?
JUDA
wie vorhin.
Solang' er
Des Syriers Schatten ist.
SIMEI.
Und unsern Gott?
[274]
JUDA
wie vorhin.
Solang' der Syrier ihn wohnen läßt
Bei sich zur Miete.
SIMEI.
Sind wir sozusagen
Nicht noch ein Volk für uns? Antiochus
Der Ältere ist ein Tyrann, doch hält ihm
Der Herr die Hand gebunden wider uns.
Sein Sohn, Antiochus der Jüngere,
Der in Jerusalem jetzt sitzt, ist uns
Gewogen.
JUDA.
Ja, er sucht uns abzuschmeicheln,
Was uns sein Vater noch nicht abgetrotzt.
Herr, wenn aus andern Gründen auch, doch rat' ich
Wie Simei, laß deinen Kummer fahren.
Weintest du mit dem Weinenden – nun das
Begriff ich, doch du weinst um den, der lacht,
Du weinst im Haus, das eine Hochzeit feiert.
Du siehst im Geiste, Herr, ein ander Volk.
Dies Volk sitzt nicht mehr unter Thränenweiden,
Und Jeremias' Harfe, Herr, hat längst
Schon keine Saiten mehr. Dies Volk ist nicht mehr
Dem Volke Jesaias gleich; so abgegriffen
Ist von den vielen Händen das Gepräg',
Durch die es ging. Du seufzest nach dem Retter,
Der Altes wiederbringen soll? Die Zeit
Geht vorwärts; tot ist das Vergangene,
Und Volk und Kinder greifen nach dem Neuen.
Herr, ziehst hinauf du nach Jerusalem –
Daß dir's nicht geht wie mir! Ich stand verdutzt
Rings griechische Gewänder! – ist's auch noch
Die alte Davidsstadt? – und alt und jung
[275] Wie auf verdrehten Knien! – Wie gottgesandt
Kam mir da Joel, unser alter Gastfreund,
Entgegen. Joel! rief ich; vor dem Ruf
Erschrak der Mann und wich vor mir; ich nach,
Und erst in einem kleinen Gäßchen nah
Am Schafthor blieb er ganz verlegen stehn.
»Ich bitte dich: nenn mich nicht Joel mehr,
Denn Menelaus heiß ich jetzt, so wie
Onias' jüngster Bruder. Freund, man merkt,
Daß du vom Lande kommst; ich bitte dich:
Sprich griechisch, oder laß mich gehn. Nennst du
Verdrehtes Bein das angezogne Knie,
Mit dem die Griechen ihre Götter bilden,
Das so weit schöner ist als unser jüdisch
Gemeines Stehn auf straffem Bein? Ja, Freund,
Solch alter Vorurteile wie dies Stehn
Aus straffen Beinen sind wir voll; das kommt
Von unserm Eigensinn, mit dem wir uns
Dem Strom der griech'schen Bildung abgeschlossen,
Draus alles abgestorbne Völkertum
Des Morgens neues Leben trinken muß.
Doch Jason wird uns retten!« – »Jason? Was
Soll uns der Grieche?« fragt ich. »Nun beim Zeus!«
Entgegnet er, »Modin liegt aus der Welt.
Onias' Bruder ist's, des Hohenpriesters –
In der gestreckten Kniezeit hieß er Jakob –
Er ist's, der uns die Fechterschulen baut,
Der uns zu Menschen machen wird, sobald
Er an Onias' Stelle sitzt. Schon hat er
Antiochus vierhundert Zentner Silbers
Geboten, daß er ihn nicht hindern soll,
Wenn er sich mit Onias' Krone krönt.
Und schon –«
MATTATHIAS.
Halt ein! Der Mund müsse verstummen,
Der lachend so ein frommes Ohr zersticht,
Den Pfeil des Unglücks noch mit Hohn vergiftet! –
[276] Der Unglücksel'ge wirft den frommen Namen,
Mit dem sein Vater ihn genannt, von sich!
BOAS.
Die Sprache, die der Herr geheiligt, da er
Vom Sinai zu seinem Volk sie sprach!
MATTATHIAS.
Aarons Priesterhut macht er zur Ware.
JUDA.
Die man beim Syrierkönig kauft –
MATTATHIAS.
Er lockt
Das Volk mit griech'schem Greul vom Herren fort!
BOAS.
Wie gehst mit deinem Volk du zu Gericht!
SIMEI.
Ich sag' euch: Thorheit ist's, 's ist Lüge von
Dem – Menelaus oder wie er sonst heißt.
Vierhundert Centner Silber! wie käm' Jason
Dazu?
JUDA.
Der Tempelschatz ist reich, mein Ohm,
Und Schlüssel giebt's wohl zu dem Heiligsten.
MATTATHIAS.
Vom Schatz des Herrn! Der Wais' und Witwen Armut?
Entsetzlich! Mehr als eine Zunge kann
Aussprechen, mehr als hören kann ein Ohr.
Doch Fromme giebt's noch in Jerusalem,
Gewiß noch Männer in der Davidsstadt,
Die eng um das Gesetz des Herrn sich scharen;
Sie werden Schulter sich an Schulter stemmen –
JUDA.
Herr, sie verfluchen einer sich dem andern,
Der so abscheulich thut, daß im Gesetz
Er einen Buchstab' anders liest als er.
[277] Die einen nennen sich die Heiligen,
Die andern die Gerechten. Beide macht
Die Wut des Hasses blind für's allgemeine.
Der Laue höhnt, der Syrier lächelt – Herr,
Sieh hin, das ist das Volk, um das du klagst.
MATTATHIAS.
Herr, sende deinem Volk bald einen Retter!
JUDA.
Herr, sende deinem Retter bald ein Volk!
MATTATHIAS.
Zweifaches Weh häufst du auf deinen Knecht.
Sein Volk hat sich von dir gewandt, und der
Die Blüte seiner Hoffnung war, ist nun
Ein Höhner, der des eignen Volkes Schmach
Herzlos verspottet, wie der Spötter Ham
An Noah einst, dem eignen Vater, that!
JUDA.
Und soll ich ächzen? Meiner Väter Gott!
Gäb's keinen andern Weg zu deiner Gnade
Als nur durch's Ächzen – außen müßt ich bleiben;
So wenig ist von einem Junikätzchen
Im Juda.
SIMEI
zu Mattathias, der sich von Juda ab nach hinten wendet.
Er ist scharf wie Bergesluft.
's ist Jugend, von sich selber überfüllt,
Und Kraft, die mit sich selbst nicht weiß, wohin?
Laß ihn nur, Alter; oft hab' ich's erlebt:
Die wildsten Knaben wurden mit der Zeit
Die zahmsten Männer.
LEA.
Herr, irr' nicht zu früh
Im eignen Kind. Haßt er das Volk, so haßt er's
Aus Liebe. Diesen Haß und diese Liebe
Laß für ihn bürgen. – Nur des Diamants
[278] Harrt dieser Stahl, der würdig ist, den Funken
Zu wecken, der in seiner Kühle schläft.
Den großen Mann in ihm zu wecken, braucht's nur
Den großen Augenblick. – Boas und Simei
Und Amri, Mattathias lud euch ein,
So wünscht er, daß ich euch willkommen heiße.
Und nun, Herr, wirf die Sorgen weg. Schön sitzt
Sich's unter dieser Palme Schatten heut;
Ein Lüftchen, kühl vom Schnee des Libanon,
Erfrischt die Sinne. Was von Sorge noch
Und Last des Tags dich drückt, – sieh hin: dort nahn
Bekränzte Dirnen, mit dem Saitenspiel
Und leichten Tanz es dir hinweg zu scherzen.

Sie gehn nach hinten; Mägde ihnen mit Kränzen tanzend entgegen.
SIMEI
zu Amri.
Sie heißt willkommen uns, weil er es wünscht.
Gleichviel! Ihr Mahl ist besser als ihr Gruß.

Beide folgen.
Jojakim wird den Thalweg heraufkommend sichtbar.
JOJAKIM.
Weh' über Israel!
MATTATHIAS.
Was für ein Ruf?
JOJAKIM
bleibt wie entsetzt stehn, wie er das Bekränzen sieht.
Ist das des Mattathias Haus?
MATTATHIAS.
So fragt
Des Mattathias Bruderssohn?
JOJAKIM.
Der Zorn
Des Herrn auf Israel, und Mattathias
Hält Feste? Israel in Sack und Asche,
Und Mattathias kränzt sein Haupt? Dort Stöhnen,
Hier Saitenspiel?
[279]
MATTATHIAS.
Eh' du uns zürnst um etwas,
Das wir nicht wissen, meld' es uns. Ist's von
Onias?
SIMEI.
Wie? er wär' entsetzt?
JOJAKIM.
Entsetzt,
Meinst du, und stehst schon bleich? Was willst du thun,
Vernimmst du, was ihm wirklich ist geschehn?
Fort mit den Kränzen! Staub auf euer Haupt!
Tot ist Onias!
MATTATHIAS
wie alle erschrocken.
Tot?
SIMEI.
Tot?
LEA.
Tot, sagst du?
Hörtest du's, Eleazar?
ELEAZAR.
Staunend –
LEA.
Schweig;
Ruf' all dein Leben jetzt ins Ohr.
JOJAKIM.
Ich sagt' es –
Gemordet – Herr der Rache, weck' den Rächer
Für deinen Knecht und deines Knechtes Haus!
MATTATHIAS.
Sein Haus?
BOAS.
Was lauert mehr noch?
ELEAZAR.
Auch sein Haus?
[280]
LEA.
Ich atme kaum –
JOJAKIM.
Des Greisen spärlich Blut
Genügte seinen Mördern nicht; sie wollten sich
In Blut berauschen. Alle sieben Söhne
Onias' – ja, als lebte noch der Greis
In jedem seiner Enkel fort – das Blut
Des ganzes Hauses schreit zum Rächer auf.
LEA
zu Eleazar.
Zweifelst du noch?
ELEAZAR.
Woran? an meiner Seele?
Den Königsreif fühl' ich schon um die Stirn.
LEA.
Vor dir send' ich, der dir den Weg bereitet.
MATTATHIAS
der wie die übrigen überwältigt gestanden.
Onias tot? Weint, Töchter Israels!
BOAS.
Er war ein Quell im Thale Israel –
JOJAKIM.
Und Menelaus zieht herauf.
LEA.
Auch der?
Er will Onias rächen?
JOJAKIM.
Nein; er will
Von Jasons Haupt, er, den der Herr verfluche,
Die Kron' entreißen des Verfluchten Haupt,
Sich selbst damit zu krönen.
SIMEI.
So bestiehlt
Der Dieb den Dieb.
LEA
zu Eleazar.
Und treibt uns selbst zur Eil',
Ihm zu begegnen.
[281]
SIMEI
sie haben sich mit den Augen verständigt.
Amri, komm; wir gehn.
LEA.
Da mit Verwirrung so die Zeit uns droht,
Die Stadt Modin verlangt von euch ein Beispiel –
Beschließt drum, Männer, wie ihr handeln wollt.
SIMEI
für sich.
Soll ich die Stufe sein für fremden Fuß? –
Nun so beschließ' ich, daß es wenig taugt,
Sich selber das Gesind' zu überlassen.

Zu Boas.

Komm, denn du fehlst so gut als ich daheim.

Simei geht mit Amri.
MATTATHIAS.
Ihr geht? Nun Rat und Hilfe nötig, lassen
Die Freunde mich? Boas, auch du?
BOAS.
Was ist
Boas, daß er ein Beispiel geben sollte?
Der Mann der Demut? Welch ein Beispiel kann
Modin von Boas fordern als Ergebung
In Demut? Sei der Herr mit dir, mein Bruder!

Umarmt Mattathias und geht.
LEA.
Laß sie; denn der Verlust ist ein Gewinn.
Ließen uns alle, die den falschen Sinn
In Demut hüllen. Alles laß! Denk' jetzt
Nur an den Anspruch, an der Söhne Recht.
MATTATHIAS.
Bist du berauscht? So wie dem Trunknen glüht
Die Wange dir.
LEA.
Von Mutterseligkeit
Denn wär' ich trunken; doch ich bin es nicht.
Die Muttersorge heißt mich, mich besinnen,
Denn nur Besonnenheit führt zu dem Ziel.
[282]
MATTATHIAS.
Du sprichst von unserm Anspruch?
LEA.
Soll ich nicht?
Nun da kein Hindernis –
MATTATHIAS.
Vergissest du
Onias' Brüder?
LEA.
Die durch ihre Schuld
Längst selber dem Vergessen sich geweiht?
Kann auch der Abgefallne Priester sein?
Ihr Anspruch lischt in ihres Abfalls Greu'l,
Dein Name steigt voll Reinheit leuchtend auf,
Ein Stern, nach dem sich alle Blicke richten.
JOJAKIM.
Ja, Herr, nach dem Gesetz bührt dir der Hut.
LEA.
Dir hält das Alter schon den Fuß gebunden;
Send' einen deiner Söhne denn hinab.
Was man von deinem Anspruch denkt, zu hören.
Die Gleichgesinnten gilt's dann zu vereinen,
Das Volk sich zu gewinnen ohne Aufsehn
Und scheinbar ohne Zweck; klug dann abwarten,
Bis des Onias Brüder ihre Kraft
Und die Geduld des Volkes selbst vergeudet,
Und alles von Verwirrung übersättigt
Im andern Zustand schon den bessern sieht.
Dem Syrier selbst wird es gelegen kommen,
Kann Ruh' er schaffen und den Schein doch wahren.
Schnell sende, Herr, eh' uns die Hast der Zeit
Verliert und unsre Reu' vergeblich nachweint.
Du siehst dich um und wählst? Den Überlegnen, der
Verwirren kann und selber fest doch stehn
In der Verwirrung. – Sieh, ob ich vorhin
Zu viel sprach.

Zu Juda, der in sich kämpfend dasteht, feierlich.

Juda! Mattathias' Sohn!
[283]
JUDA.
Es rief? und du warst's, Herrin?
LEA.
Ich? Die Stunde rief,
Die Größe selbst: Auf, was in Juda Mann ist!
JUDA.
Den Schakal? –
LEA.
Träumst du jetzt vom Jagen?
JUDA.
Bis
Der Löwe kommen wird, und – kommen wird er.
LEA.
Verträumtest, was die Toten wecken müßte?
Du weißt nicht, was geschehn?
JUDA.
Doch, doch; ich weiß es.
LEA.
Der Mann in Juda fände seine Stunde,
Die Stunde nicht in Juda ihren Mann?
JUDA.
Ich bin ein Freund der Ruhe – und was sollt' ich –
Hier, wo es Worte künstlich setzen gilt,
Ein feines Spiel zu spielen – was soll da
Der ungelenke Juda? Den Gewinnenden,
Den Glänzenden, den Redner sende, Herrin,
Send Eleazar!
MATTATHIAS.
Siehst du deinen Juda?
LEA.
Hat dieses Weib ihn mir schon so verderbt?
MATTATHIAS.
Sein Hohn verschont des eignen Bruders nicht.
JUDA.
Ihn sendet, er hat Ehrgeiz; Juda, wißt ihr,
Hat keinen.
[284]
LEA.
Herr, folg' ihm.
MATTATHIAS.
Der Leichtverführte
Ist's, der euch Weiber leicht verführt. Klug ist er,
Allein ihm fehlt die Festigkeit des Manns.
LEA.
Herr, ist dir das Gesicht, das mir der Herr
Einst sandte, noch ein Traum? da wundervoll
Für seine Wahrheit schon Erfüllung zeugt?
Hat nicht der Herr den Ungebornen schon
Erwählt? Und meinst du, seinem Boten wird
Der Herr nicht geben, was er braucht? Und sieh:
Ist er nicht schon ein andrer, als er war?
Wie jetzt der Größe Schwing' ihn trägt – Herr, sieh
Ihn an – wo ist die Krone, Herr, die ihm
Mehr Glanz zu leihn vermag, als er der Krone?
Nun kommt herein, daß –
ELEAZAR.
Nicht die Schwelle, Herrin,
Vom Vaterhaus beschreitet Eleazar,
Eh' er des Herren Botschaft ausgeführt.
Laß meinen Stab mir holen.
LEA
winkt.
Joarim.

Joarim ins Haus.
LEA.
Sieh, wie der Eifer seine Stirn vergoldet,
Daß ohne Krone schon er König ist.
So bleib, mein Kind!
ELEAZAR.
So, Herrin; kleiner nie
Als meine Größe. Nie soll Eleazar
Sich Größe leihn von etwas außer ihm,
Und wär's die Krone.
MATTATHIAS.
Herr, verschließ' dein Ohr!
[285]
LEA.
So ehrt dein Denken deiner Mutter Ahnen.

Joarim bringt den Stab.

Hier nimm den Stab; war's schon das Zepter Davids!
Nun segn' ihn, Herr, und heiß' ihn ziehn.
MATTATHIAS.
Ist das
Dein Segen? Ist das einer Mutter Segen?
Die Mutter soll das Kind vor Leidenschaft
Behüten, die den Reifern oft dahinreißt –
Und du, du selber füllst des Knaben Hirn
Mit Schwindelbildern? Reizest seinen Stolz
Zur Überhebung, deiner gleich? Weh dir!
Daß dich der Herr nicht an dem Gegenstand
Der Überhebung strafe, daß du nicht
Dem Liebling fluchen müssest!
LEA.
Ist's denn besser
Zum Abschied zürnen? Sieh, noch ließ ich keinen
Von meinen Söhnen in die Fremde ziehn;
Soll ich ihn niederdrücken, wenn er geht?
ELEAZAR.
Herr, laß mich ziehn und gieb mir deinen Segen.
LEA.
So leicht läßt du die Mutter? – Geh und kehr'
Dich nicht an mich; das Mutterherz ist thöricht.
MATTATHIAS.
Geleit ihn, Jojakim, sei sein Gewissen!
LEA.
Vorsichtig, Kind, sei mit dem Syrier.
Sei freundlich mit dem Niedrigsten; ein Lächeln,
Das nichts dich kostet, tauscht dir Herzen ein.
MATTATHIAS.
Sei oft in seinem Hause, halte dich
Zu seinen Knechten –
[286]
LEA.
Sei aufmerksam, daß du
Gesund bleibst. Schwerer ist die Luft da unten,
Und man wird leichter krank. O daß ich dich
Mit diesem Kuß versiegeln könnte wie
Ein Kleinod, daß dich keine rauhe Hand
Berühren könnte und kein gift'ger Hauch,
Bis daß dich Größ' erbräch' und leuchtend hoch
An ihrer Stirn hieß glänzen. Leb' – leb' wohl!
MATTATHIAS.
Nimm diese Lehren noch: Thu' mehr als not
Und denk, du hättest weniger gethan.
Siehst du, daß andre falsch sind, sei du selbst
Gerecht, so mußt an der Gerechtigkeit
Der Welt du nie verzweifeln und behältst
Die Thatkraft unzerbrochen. Laß dich nicht
Irr' machen am geringsten im Gesetz.
Denn Zweifel frißt wie Feuer fort und wird
Nur hungriger vom Fressen. Werde nie
So reich am Geist, daß arm du würd'st am Herzen.
Des Menschen ist der erste Schritt, der zweite
Nur halb, der dritte so nur, wie ein Schiff
Auf hoher See des Eigners ist; drum, wenn
Den ersten Schritt du thun willst, denke, daß
Du in dem ersten schon den dritten thust.
Nun geh, mein Sohn, der sei gesegnet, der
Dich segnet, wer dir flucht, der sei verflucht.
Leb' wohl, mein Jojakim, sei, wie du bist.
JOJAKIM.
Dein Auftrag, Herr, sei deines Knechtes Seele.
LEA.
Leb' wohl und laß uns öfter von dir hören.
Was hilft's, zu zaudern, zu verschieben, was
Doch einmal sein muß. Lieber eile, Herz,
Dem Jetzt voraus, vergiß sein wirklich Gehn,
[287] Indem du ihn im Geiste kehren siehst,
Die Herrlichkeit der Könige mit ihm.
ELEAZAR.
Nun, Herr und Herrin! Brüder, lebet wohl!
Es heften Flügel sich an meine Füße.
Der Herr trägt mich auf seiner Hand dahin.
DIE BRÜDER.
Leb' wohl!
LEA.
Noch diesen Kuß nimm, Leas Sohn,
Und diesen Gruß

Wirft sich vor ihm nieder.

Israels künft'ger König!
ELEAZAR
hebt sie auf.
Nicht so. Vor dir kniet einst das weite Land,
Zu deinen Füßen dieses Landes König.

Ab. Die andern folgen, außer.
JUDA
der einen Augenblick den Gehenden nachsieht.
Geh hin und sei der Sklav' des Scheins, der Schatten
Des Syriers. Juda will sein. Ihn treibt
Ein andrer Ehrgeiz, der das Höchste nur
Sein wert hält. – Einziger Gedanke du,
Der diesen Busen bis zum Springen schwellt,
Reif in des Schweigens Schatten. Nur die That
Soll deine Zunge sein.

Indem er nach der andern Seite geht, fällt der Vorhang.

Ende des ersten Akts.

2. Akt

[288] Zweiter Akt.

Szene wie im ersten.
Juda, Naemi vom Thale herauf, aus dem Hause Lea; dann Mattathias, von Jonathan, Johannes, Joarim, Benjamin geführt.

LEA.
Gut, daß mein Bote dich so schnell getroffen.
JUDA.
Dein Bote? Sandtest du nach mir?
LEA.
Die Hand
Des Herrn fiel plötzlich auf sein Haupt –

Sie zeigt auf Mattathias, der eben aus dem Hause kommt.
JUDA.
Was seh' ich?
LEA.
Der Todesengel folgt dem müden Schritt
Schon mit gehobnem Schwert. Bald wird es fallen.
Der Sterbende verlangte nach Naemi,
Der Simeitin –
NAEMI
flehend, Judas Unwillen zuvorzukommen.
Zürne nicht der Mutter
Um dieses Wort, Herr –
JUDA.
Hörst du? Mattathias
Verlangt nach Judas Weib. – Geh zu ihm, Demut.

Sie geht nach einem bittenden Blick auf Mattathias zu; Juda und Lea folgen.
MATTATHIAS.
Noch einmal sei mein Stab, du blühend Reis.
[289]
NAEMI
indem er sich auf sie stützt.
Noch tausendmal, erhört der Herr Naemi.
MATTATHIAS.
Heiß' mich nicht leben. Tagesmüd' bin ich
Und durste nach der Ruh', so wie ein Knecht
Zur Zeit der Ernte nach dem Schatten durstet
Und nach dem Quell der Wanderer sich sehnt.
Hierhin, mein Kind

Zeigt nach der Bank.

hier endet sich mein Weg,
Hier laßt mich sitzen, wo mein brechend Aug'
Die Stätten sieht vom Ruhme Israels,
Dort, wo Sennaherib dem Herrn erlag,
Dort, wo Isais Sohn den Riesen schlug.
Süß wie der Atem einer inngen Braut
Weht hier die Luft, und lieblich wie ihr Mund
Auf ihres liebsten Mund liegt kühler Schatten
Auf dieser Stelle, da ich sterben will.

Sie helfen ihm, sich niederlassen und unterstützen den Sitzenden, um ihn knieend.

Gott Abrahams! wie hast, Barmherz'ger, du
Den Knecht gesegnet; wie so wenig war,
Herr, seines Dienstes, und wie reich sein Lohn!
Herr, zürnst du, daß ich, den du reich gemacht,
Aus eignem Trieb ein armer Bettler war?
Daß ich die Freude, die du täglich reichtest,
Aus meinen Händen gleiten ließ und nach
Dem Jammer griff, mit dem dein Volk du schlugst?
Ach, die einst herrschend saß, die Königin
Der Völker liegt verachtet nun im Staub,
Vor deren Blick die Völker zitterten –
Zerteilung hat sie schwach gemacht; nun ist's
An ihr, zu knien und fremden Hohn zu tragen.
Glied wütet wider Glied; voll Schadenfreude
Lacht nun der Starke, straflos höhnt der Schwache;
Beut sich die Rechte selber doch dem Feind,
[290] Der Linken Kraft zu fesseln, jubelt doch
Der Fuß dem Feinde zu, drängt der das Haupt.
O Schmach, wenn Kinder Einer Mutter sich
Befeinden! Schmach dem Mann, der ohne Scham
Die Schande seiner eignen Mutter mehrt!
Kommt, Söhne, eh' der Tod mein Aug' verlöscht,
Daß ich euch segne. Wo ist Eleazar?
Ist nicht nach ihm gesandt?
LEA.
Schon muß er kommen.
MATTATHIAS.
Und Juda? – Sendet nicht nach ihm. Soll er
Den Sterbenden verhöhnen?
JUDA.
Herr –
MATTATHIAS.
Das ist
Der Arm von Erz, ist meines Juda Arm,
Doch das ist meines Juda Herz nicht mehr.
JUDA.
Herr – soll ich prahlen? – Jetzt?
LEA.
Herr, reg' dich nicht
So auf. Erheitre dich! Wirkt Eleazar
Doch für dein Volk!
MATTATHIAS.
Für sich, nicht für sein Volk!
Nur für sein Haus, nicht für des Herren Größe.
Was kann des Herren Volke Gutes kommen,
Solang's ein Knecht ist in des Fremden Hand?
Mein Leben frißt der Tod mit meiner Hoffnung,
Daß meine Augen noch den Retter sähn.
Herr, laß sie brechen, denn dein Retter ist
Noch fern. Wie wird mir?

Sinkt in Ohnmacht.
[291]
LEA.
Seht nach Eleazar!
Kommt er noch nicht?
JONATHAN
umschauend.
Herrin, er kommt.
LEA.
So heißt
Ihn eilen.
JONATHAN
winkt.
Jojakim ist mit ihm.
LEA.
Wer
Hat Jojakim gerufen?
ELEAZAR
erst noch in der Szene.
Lebt er noch?

Er tritt auf.

Daß er mich segne.
JOJAKIM
tritt auf.
Daß er dich verfluche!
LEA
tritt Jojakim in den Weg.
Willst du ihn töten?
JOJAKIM
will immer Eleazar folgen.
Besser ist's, er stirbt,
Als daß du länger ihm die Wahrheit birgst.
LEA.
Du nahst ihm nicht!

Hält ihn ab.
ELEAZAR
beim Vater kniend.
Schon kehrt sein Geist zu ihm.
MATTATHIAS.
Sind das nicht meiner Söhne Häupter?
ELEAZAR.
Vater!
MATTATHIAS.
Die Stimme meines Eleazars? Ja; ich seh' ihn.
Noch einmal an des Hauses Fenster tritt
[292] Die Seele, eh' sie es für immer läßt. –
Wie steht es unten?
ELEAZAR.
Gnade hat dein Knecht
Gefunden vor dem Aug' Antiochus',
Des Jüngern.
JOJAKIM.
Gnade? Um den Preis der Gnade
Des Herrn.
MATTATHIAS.
Ist das nicht Jojakim?
ELEAZAR.
Mich höre,
Nicht diesen, Herr! Antiochus ist edel.
Und seine Schwester ist ein hehres Weib.
So wie der Grieche seine Here bildet,
Doch süßer Reiz dämpft lieblich ihre Hoheit
Sie steigt von ihrem Thron zu mir herab,
Wie Selenä einst zu Endymion.
LEA.
Wer könnte sich erwehren, ihn zu lieben!
MATTATHIAS.
Mußt du dein Süß in Bitter hüllen? Was
Schmähst du mein Ohr und deinen Mund mit solch'
Unheil'gen Lauten? – Weh! ich seh's, es wird
Die Tochter Syriens sein schwaches Herz
Zu ihren Göttern lenken!
JOJAKIM.
Weh' dir, Mann
Des Todes, stirb, doch fluch' ihm erst. Er hat
Geopfert vor dem Aug' des Syriers. –
MATTATHIAS.
Geopfert?
LEA.
Doch nach unserm Brauch. Siehst du,
[293] Warum der Herr den Starken nicht erwählt?
Er wollte nicht das Schwert. Das Kosen sollte
Sein Bote sein. Er machte, daß das Herz
Der Tochter Syriens nach deinem Sohn
Sich sehnte, Freundschaft goß er in das Herz
Antiochus für deinen Sohn, wie er
In Jonathans für David goß.
JOJAKIM
auflachend.
Ha, Freundschaft?
ELEAZAR.
Ja, Freundschaft! Dir zum Trotze und den Deinen,
Dem Neid, der jeden Atem mir belauert. –
Und seines Vaters Tod erharrt er nur,
Der noch die Hand hält über Menelaus,
Damit er mich zum Hohenpriester setze;
Und meine Brüder sollen Fürsten sein.
JOJAKIM.
Vom Dornbusch Feigen, und vom Heiden Freundschaft!
Unseliger, der nur die Angel ist,
Mit der der Heide fäht nach deinem Volk,
Und die er fallen läßt, hat er den Fisch!
Unsel'ger, der um Flitter, Kindertand
Von Schmeichelei sein eigen Volk verrät!
MATTATHIAS.
Weh' mir! Soll ich dem eignen Kinde fluchen?
LEA
tritt dazwischen.
Wenn du mußt thun, was dich der Fremde heißt,
Der Neider, dem der Neid die Seele frißt,
Sei blind; sieh nicht, wie Jesaias Wort:
»Dann wird Ägypten und Assyrien
Zum Herren flehn auf seinem heil'gen Berg«
Durch Eleazar sich erfüllen soll;
[294] Fluch' ihm, der Jesaias Wort erfüllt,
Dem eignen Kind! Was fluchst du nicht? Mußt du
Nicht fluchen! Will's nicht Jojakim?

Stellt sich vor Eleazar.

Wohl! fluch ihm, doch
Mir fluche mit!

Aaron, Simei kommen voll Angst den Felsweg herauf.
AARON.
Der Syrier!
SIMEI.
Weh' uns! der Syrier!
Er kommt!
AARON.
Es kommen Reisige, vom Zorn
Des Syriers ausgesandt!
MATTATHIAS.
Was überschreit
Den Jammer Mattathias'? Häufst du, Herr,
Noch mehr auf einen Sterbenden?
AARON.
Er zieht
Herauf schon gen Modin!
BOAS
kommt aus seinem Hause.
Wozu dies Schrei'n?
Ein Haufen Jasoniten, Reisige
Von der Partei des Menelaus, der
Hinabzieht nach Jerusalem. Geht heim
Und fleht in Demut, daß nichts Schlimm'res komme!
AARON
ins Thal zeigend.
Herr, sieh sie selbst!
SIMEI
ebenso.
Hier sind sie schon. Sie steigen
Herauf –
JUDA
hinabsehend.
Nikanor ist's und Gorgias –
[295]
ELEAZAR
ebenso.
Antiochus des Alten beide Hände.
BOAS.
Ein Durchzug nach Ägypten ist's –
SIMEI.
Wer kommt
Da atemlos?
AARON.
Und gärend wie der Schlauch,
Der zu zerreißen droht sein Inhalt?
AMRI
kommt den Thalweg heraufgestürzt.
Er
Ist in Jerusalem –
JUDA.
Wer?
AMRI.
Er – der König –
Der Syrier – der Alte – er hat den Tempel
Erbrochen und entweiht! Er hat das Heiligste
Besudelt mit dem Blut unreiner Tiere.
JUDA
zornig.
Er hat – o gut! er hat dem Volke endlich
Aus Herz gegriffen!
AMRI.
Er hat den Schaubrottisch
Geraubt – den Rauchaltar hat er genommen –
Den siebenarm'gen Leuchter weggeführt,
Und aus der Bundeslade hat er das
Gesetz gerissen und hat es zerrissen,
Mit seiner Hand zerriß er das Gesetz.
JOJAKIM.
Der Herr reckt seinen Arm; sein Volk thu' Buße!
AMRI.
Gerissen hat er's aus der Bundeslade
Und hat's zerrissen; mit den eignen Händen
Zerriß er das Gesetz –
[296]
JUDA
für sich.
Und unsre Ketten,
Wenn dieses Volk noch zürnen kann.

Nikanor, Gorgias mit syrischen Kriegern den Felsweg herauf. Es ist Volk zusammengelaufen. Eine Pause der Erwartung.
GORGIAS.
Hier sorge,
Nikanor, daß der Altar sich erhebt.
Und ich verkünd'ge den Befehl indes.
NIKANOR.
Dort seh' ich Steine haufenweis geschichtet.
Macht euch ans Werk, ihr Krieger!
SIMEI.
Was soll das
Uns werden?
GORGIAS
tritt in die Mitte, so oft er den Namen Antiochus nennt, neigen sich die Syrier, die Simeiten und welche im Volk.
Unser Herr Antiochus,
König von Syrien und Babylon,
Armenien, Mesopotamien,
Assyrien, Bithynien, Israel,
Von Paphlagonien, der Herr von Pontos,
Von Kappadokien und Pergamos
Und von Galatia wie von Ägypten,
König von Indien, Antiochus,
Der unser aller Herr, thut euch zu wissen.
»Nachdem es mir gefallen hat, daß alle,
Die in dem Schatten lagern meines Stuhls,
Hinfür zu meinen Göttern beten sollen,
Also sollt ihr auch, Männer von Judäa
Und Israel, in euern Städten, sollt
Auf euern Bergen steinerne Altäre
Errichten, meinen Göttern da zu opfern.«
NIKANOR.
So spricht der König, unser Herr und eurer.
Gehorcht ihm denn, ihr Männer dieser Stadt.
[297] Helft Steine tragen und den Altar schichten.
Greift an!
SIMON
tritt vor.
Herr, das sei fern von uns. Denn unser
Gesetz verbeut uns, irgendwo 'nen Altar
Zu haben, außer in dem Tempel zu
Jerusalem; wie unser Gott, der Herr,
Ein einz'ger ist, und keiner neben ihm,
Und hier nicht wohnt und sonst auch nirgendwo
Als nur im Tempel zu Jerusalem.
GORGIAS.
Im Tempel zu Jerusalem wird Zeus
Olympios wohnen; in dem Tempel, der
Sich hier erheben wird, die herrschende
Athenä.
SIMEI.
Hier ein Tempel?
AARON.
Hier ein Altar?
NIKANOR.
Murrt ihr, Verstockte, wider euern Herrn?
Meint ihr, der Herr der halben Welt entsendet
Uns in dies Ländchen, um mit seinem Knecht
Zu handeln? Er befiehlt. Der Herr gebeut,
Der Sklav' gehorcht. Greift an!
MATTATHIAS.
Herr Zebaoth,
Laß uns so tief nicht sinken!
GORGIAS.
Welcher hier
Ist Mattathias?
ELEAZAR.
Hier der Sterbende.
SIMON.
Herr, laß ihn ruhig sterben; sprich mit uns!
[298]
GORGIAS.
Ihr seid die Söhne Mattathias'?
SIMON.
Herr,
Du sagst es.
GORGIAS.
Und du heißest?
SIMON.
Simon, Herr.
GORGIAS.
Nun wohl denn, Simon, Mattathias' Haus
Ist angesehn beim Volke dieser Stadt
Vor allen; weise geh's denn allen vor
Mit gutem Beispiel, sich und sie zu retten
Vorm Zorn Antiochus'.
SIMON.
Herr, schlimmer wäre
Der Stadt des Herren Zorn als der des Königs.
NIKANOR.
Du zeichnest selbst dich als des Königs Feind?
Er wird dich finden.
GORGIAS.
Euch, ihr übrigen,
Geb' ich Bedenkzeit, bis das Werk vollendet.

Auf der Rasenbank links vorn Mattathias, von Naemi und Benjamin gehalten, das Haupt zurückgesunken an des hinter ihm stehenden Joarim Brust; die Seinen um ihn gruppiert und zwischen ihm und dem Vorgang geteilt; ganz vorn Juda; dann Eleazar und Lea; rechts Simei, Amri, Boas und Verwandte beratend; in der Mitte hinter dem Altar, den die Krieger errichten, Gorgias und Nikanor; sowie der Altar fertig, stehn die Krieger im Halbkreis hinter ihnen. Das Volk, darunter rechts ganz vorn Aaron, hinter ihm Anhänger Simeis, auf der rechten Seite Issaschar, Usiel und andere Anhänger des Hauses Mattathias, umgiebt die drei Gruppen im Halbkreis.
JUDA.
Halt' an dich, Herz! nicht unreif reiß' die Frucht
Vom Baum der Rettung! Jonathan! Du, eil'
Zu meinem Haufe bei den Terebinthen;
Voll ist's von Waffen, bring' sie her; und du,
Johannes, mit Posaunen ruf' das Volk
[299] Der Stadt hierher, und auf dem Wege sprich
Mit tausend Feuerzungen zu dem Volk –
JONATHAN.
Herr –
JUDA
bittend.
Fort.
JOHANNES.
Bedenke –
JUDA.
Erst helft mir's vollbringen
Dann widerratet – dann will ich bedenken.

Jonathan, Johannes ab.
LEA
zu Eleazar.
Siehst du die Augen glühn? den Atem stocken?
Die Fäuste, die sich unwillkürlich ballen?
Die Hände, die nach Waffen in der Luft
Schon suchend greifen, eh' der Kopf noch weiß,
Wozu? Nur eines Wort's bedarf's,
Das diesem Zorn, der nach dem Ausdruck ringt
Und ihn nicht finden kann, die Zunge leiht,
Den dumpfen Drang sich selbst verstehen lehrt –
Und hingerissen sind sie wie im Sturm
Über sich selbst aus dem gewohnten Dulden
Zu einer That, die kein Besinnen un-
Gethan mehr machen kann und schwanker Reu'
Den Weg abschneidet, je zurückzukehren;
Und was nicht Mut, das wird Verzweiflung enden.
Der Herr hat selbst den Augenblick gesandt.
Groß sollst du sein durch dich, nicht durch die Gunst
Des Syriers; du sollst der Frommen Zweifel
An dir beschämen, sollst –
ELEAZAR.
Doch denkst du auch,
Israel ist der Saum nur am Gewand
Des Syriers? ein Nichts vor seiner Macht?
Dem Syrier gehorcht die Welt. Und nur
[300] Der Alte ist's, der uns bedräut. Und wird
Er ewig leben? Ein Gewitter braust er
Vorbei, und Heitre bringt sein milder Sohn.
GORGIAS.
Schon wendet thränenschwer ihr mildes Antlitz
Die Gnade. Einmal noch winkt ihre Hand.
NIKANOR.
Weh' euch, weicht sie dem Zorn, eh' ihr gehorchtet!
SIMEI
der sich lebhaft mit den Seinen beratet.
Was thu' ich?
AMRI.
Folg' dem Syrier, so bewahrst du
Des Volkes Leben vor Verderben; so
Hebst du dein Haus vor Mattathias' Haus.
BOAS.
Demütig beug' dich vor des Herren Hand,
In der der Syrier nur die Rute ist.
SIMEI.
Der Mensch will leben, wenn er sonst nichts will!
GORGIAS.
Vollendet steht der Altar; hebt das Bild,
Das segenbringende, der Göttin drauf!
JOJAKIM
sich wegwendend, das Gesicht ins Gewand verhüllt.
Viele thun desgleichen.
Das Auge müsse nie das Heilige
Mehr schaun im Tempel zu Jerusalem,
Das diesen Greul gesehn!
MATTATHIAS.
Herr, schlag' mein sterbend Aug'
Mit Blindheit!
GORGIAS.
Jammert keinen dieser Stadt
Verderben, daß er opfre, sie zu retten?
[301]
NIKANOR.
So hört, ihr Rasenden: Wer noch von nun
Israels alten Gott verehrt, muß sterben!
Wer unsers Königs Götter höhnt, muß sterben!
LEA.
Noch immer wählst du?
ELEAZAR
kämpfend.
Wozu willst du mich
Hinreißen!
JUDA.
Halt'! o halt' an dich, mein Herz!
NIKANOR.
Wenn nicht von diesem Altar Opferduft,
Von einem dieser Stadt entzündet, steigt,
Eh' dieses Stundenglases Sand verrann,
Soll von Antiochus und seiner Rache
Die Stätte pred'gen bis zum End' der Zeiten,
Das Stoppelfeld vom abgehaunen Trotz,
Und fern im Schweiß vor des Ägypters Pflug
Die Witwen euch der Knechtschaft Sonne sengen.
JUDA
für sich.
Herr Zebaoth, laß keinen ihm gehorchen!
O Waffen! Waffen! Eil' dich, Jonathan!
SIMEI
sich Gorgias nähernd.
Halt' ein!
JUDA
ihm in den Weg.
Was willst du?
SIMEI.
Opfern will ich, retten!
JUDA.
Verderben! – Und mein eigner Ohm! Herr, halt' ihn
Zurück. Soll einer gehn, so sei's ein andrer!
SIMEI.
Geh aus dem Weg mir.
JUDA.
Herr, ich fleh' dich, geh' nicht!
[302]
AMRI.
Was will der Thor? Geh, Herr, wer darf dich hindern?
JUDA.
Ich. – So wahr Gott lebt, leben soll der nicht,
Der geht, um diese Bubenthat zu thun.

Die Simeiten stehen unentschlossen.
LEA
zu Eleazar.
Siehst du sie zagen? Was ein Mann vermag!
Und kannst es tragen, daß du keiner bist?
ELEAZAR
kämpfend für sich.
Ihm nachthun? – Eher trag' ich Vaterfluch,
Eher vergäß' ich Volk und Gott! Er soll
Der Erste wieder sein, und Eleazar –
NIKANOR.
So wählt ihr eurer Stadt und eu'r Verderben –
SIMEI.
Du hört'st den Drohenden –
GORGIAS.
Antiochus
Vermag nicht, den Gehorsam zu beschützen?
Umgebt ihn schirmend, Krieger, der dem Altar
Gehorchend naht –
NIKANOR.
Und haut den Rasenden,
Der ihn zu schrecken wagt, in Stücken!
NAEMI
zwischen Juda und Simei, indem die Krieger mit Doppelreihen eine Gasse zu dem Altar bilden.
Herr,
Geh' nicht. Sieh meine Angst! Geh' nicht, mein Ohm!
O hör' Naemis Stimme! Wenn du gehst,
Wer kann dann wissen, wo es endet? Hör' mich!
Und hör' auch du mich, Herr!

Sie sinkt Juda ohnmächtig in die Arme.
JUDA.
Hör' sie!
[303]
SIMEI.
Hör' du sie!
JUDA.
Dein eigner Ohm verwirft dich, armes Weib.
Geh –

Er wirft sie Simon zu.
SIMEI.
Herr, ich gehe schon –
JUDA.
In dein Verderben!
MATTATHIAS.
Ein Jude geht! So nimm mich zu dir, Herr!
SIMEI.
Laß deinen Diener Gnade finden, Herr;
Wenn er will opfern – wie vollendet er's?
Nie sah er einen deines Glaubens opfern.
GORGIAS.
Knie' hinter dem Altar und heb' die Hände.
AMRI, AARON, BOAS.
Er kniet. Gesegnet, der das Volk errettet!
JOJAKIM
sich krümmend.
Thut Buße! Seine Hand ist ausgereckt!
JUDA.
So sei sein Blut auf ihm! Ich kann nicht anders.
GORGIAS.
Nun heb' die Augen zu der Göttin auf,
Dann bete für dein Volk –
JUDA
hineilend, durch die Doppelreihe der Krieger brechend.
Bete für dich,
Abtrünniger! So eiferte Pinehas
Für das Gesetz des Herrn –

Er hat einem Krieger das Schwert aus der Scheide gerissen und ersticht Simei, der hinter den Altar fällt; dann zerstört er mit den Füßen den Altar.
[304] SIMEI sinkend.
Ich sterbe.

Einen Augenblick Stille der Überraschung.
AMRI
auf Juda zu, von dessen Blick auf halbem Wege festgebannt.
Nieder mit
Dem Mörder!
ELEAZAR
der Juda einige Schritte nachgeeilt, kann jetzt erst sprechen.
Was thust du?
NIKANOR
vor Überraschung einen Schritt zurückgetreten; die Krieger sind vor Juda auf die Seite gewichen.
Was unterfängst du dich?
Verwegener!
JUDA
hat die Statue heruntergeworfen, daß sie zerbrach; mit einem Fuß auf der Statue stehend, das Schwert in der Rechten über seinem Haupte schwingend.
Posaunen in der Szene immer näher, in die folgenden Reden.
Der Herr ist Gott allein,
Der Herr, der war, der ist, der ewig sein wird,
Israels Gott, er, der lebend'ge Gott,
Der Gott, der nicht von Menschenhand gemacht,
Der Mächt'ge, der auf Feuersäulen wandelt,
Und alle Himmel beben, wenn er schilt,
Er spricht: »Ich bin dein Gott, und sonst ist's keiner!
Anbeten sollst du keinen Gott als mich.« –
Was ich mich unterfange, fragst du, Heide?
Ich setze meinen Fuß auf deinen Gott.
Er liegt zertrümmert. Wo ist seine Macht?
Kann er sich selbst nicht helfen, und soll's euch?
O arme Beter! ärmrer Gott!
NIKANOR.
Zu lang'
Schon dulden wir des Buben Schmähn. Greift ihn!
Reißt ihn in Stücken!
JUDA.
Volk von Israel,
Ich bin ein einzelner. Was bäumt denn diese
Zurück unsichtbar? überfüllt ihr Auge
[305] Mit Schrecken, der die ehrnen Arme lähmt?
Das ist der Gott Jehovah Zebaoth,
Der mich umkreist mit seines Fittichs Schrecken.
Er will's! der Herr will's! Wenn der Herr es will,
Wer widerstrebt?
JOJAKIM.
Er will's!
SIMON, ISSASCHAR, USIEL.
Er will's! Er will's!
VOLK
anwachsend.
Er will's! Der Herr will's! Ja, er will's! er will's!
NIKANOR.
Auf, Krieger.
JUDA.
Heran, ihre Götzenknechte, kommt!
Ich bin ein Einzelner; was zagt ihr denn?
Ich höhne eure Götter, – kommt heran!
Ich diene noch dem alten Gotte Jakob,
Dem Gotte, der sein Volk erretten wird.
Er schüttelt meinen Arm, und bleicher Tod
Fällt von ihm nieder wie die Frucht vom Baum,
Und Jammer rauscht wie Hagel von ihm nieder!
VOLK
immer näher drängend.
Er will's!
USIEL.
Bringt Waffen!

Es werden von hier an Waffen auf einen Haufen zusammengetragen, die das Volk aufrafft, sich zu bewaffnen.
VOLK.
Waffen! Waffen! Waffen!
NIKANOR.
Scheucht ein Verrückter euch den Mut davon?
Greift ihn! Ha, Schande! Seid ihr Krieger? seid
Ihr Buben? Muß ich selber euch beschämen?
[306]
VOLK
während die, welche schon Waffen aufgerafft, sich um Juda scharen.
Ha, Waffen! Waffen! Steht zu ihm! Gott will's.

Jonathan, Johannes, Priester mit Posaunen, Volk.
GORGIAS
Nikanor mit Gewalt zurückhaltend.
Wirfst du umsonst dein Leben hin?
NIKANOR.
Schmach! Schmach!
GORGIAS.
Die Schmach zu tilgen, laß uns leben.
NIKANOR.
Und
Es kommt der Tag!
JUDA.
Ihr geht?
GORGIAS.
Ja, doch wir kehren
Mit Hunderttausend.
JUDA.
Gott allein ist Tausend
Mal Tausend!
NIKANOR.
Bebt dem Zorn Antiochus'!
JUDA.
Er soll nur kommen, soll nur holen seinen
Zerbrochnen Gott!
GORGIAS.
Du spottest bald nicht mehr.
NIKANOR.
Jetzt höhnst du, doch du bebst einst, wenn wir kehren.
JUDA.
Vor Lust, ja, wie ein Baum im Regen bebt.

Die Syrier in's Thal hinab, ab. Boas, Aaron, Amri tragen Simeis Leiche, Weh und Rache rufend, nach ihren Häusern zu.
Bis zu Ende des Aktes Waffenbringen und Waffnen, wobei Frauen und Kinder helfen, Abschiednehmen, immer noch Zuströmen des Volkes und näher und ferner Posaunen und der Ruf: Er will's! in der Szene.
[307]
JOJAKIM
von einigen aus dem Volke gefolgt, hinter den Syriern her.
Laßt sie nicht fliehn! Ergreift sie! Tötet sie!
ELEAZAR
will ihn halten.
Unsinnige! Ruft sie zurück –
JUDA.
Weh' dem,
Der meine Boten an den König kränkt!

Sie gehorchen ihm; er reißt seinen Mantel ab und in Stücken, die er den Nächststehenden zuwirft, die damit, nachdem sie nach seinem Gebote gethan, abgehen.

Taucht diese Stücke in des Frevlers Blut,
Tragt sie durchs Land, mit lauter Stimme rufend:
»So that der Juda dem Abtrünnigen.
Wer denkt wie er, der sammle sich zu ihm.
In Judas Felsenwüste harrt der Aar,
Bis ihm zum Flug die starken Schwingen wachsen.«
Johannes bleibt euch, Frauen von Modin,
Der Herr und dieser Felsenfeste Schutz.
Nun, Männer, reißt das Liebste von dem Herzen,
Denn wen der Herr erwählt, den will er ganz.
LEA.
Hört Mattathias, denn der Geist des Herrn
Ist über ihm.
MATTATHIAS
mit Hilfe der Nächsten stehend.
Juda, mein Sohn! mein Herz
Dröhnt wie die Harfe unter Spielers Hand.
Der Herr rührt mich mit seinem Jubel an,
Daß ich erzittre wie das Blatt im Sturm,
Und klinge, wie der Harfe Saiten klingen.
Zeuch hin, mein Juda, Streiter Gottes, zeuch!

Juda kniet vor ihm; der Alte legt seine Hände auf Judas Haupt.

Er schickt den Sieg vor deinen Scharen her.
Folgt ihm, ihr Söhne, den Sein Atem treibt,
So wie ihr Juda folgt, folgt euch mein Segen,
Doch wer von Juda läßt, der sei verflucht!

Eleazar, der sich von der ihn zurückhaltenden Lea losgemacht und reden wollend sich ihm genähert, wankt einen Schritt zurück.

Du hast mir deinen Retter noch gezeigt –
[308]
ELEAZAR.
Laß mich! Herr, stirb nicht, bis du mich gehört –
MATTATHIAS.
Nun laß, Herr, deinen – Diener ziehn in –

Er stirbt.
JUDA
knieend über ihn gebeugt.
Frieden
Mit dir, mein Vater!
LEA.
Fliehst du?
ELEAZAR.
Muß ich nicht?
Treibt mich sein Fluch nicht fort und euer Eifer?

Für sich.

Den ich verdienen muß, da er mich traf. –
Das Volk zu retten kehr' ich einst, das ihr
Verderbt –
JUDA
aufstehend.
Und ew'gen Haß dem Syrier,
Und uns nicht Ruh', eh' uns der Sieg sie gönnt!

Usiel reicht ihm eine Lanze und einen Helm.
ELEAZAR
zu Lea.
Es kommt der Tag, da ich dich fragen komme:
»Ist Juda noch der Größere?«
JUDA
setzt den Helm auf.
Nun tönt,
Posaunen, in das Kriegsgeschrei: »Er will's!«
DIE BEWAFFNETEN
sich rangierend.
Er will's! Der Herr will's!
JUDA
hebt den Speer.
Schwert des Herrn und Juda!

Posaunen; die Gewaffneten, Juda, Simon, Jonathan, Usiel an der Spitze, ab; Eleazar reißt sich von Lea los und eilt den Felsweg hinab; indem die Zurückbleibenden Anstalt machen, Mattathias' Leiche aufzuheben, fällt der Vorhang.

Ende des zweiten Akts.

3. Akt

[309] Dritter Akt.

Ein Hügel am Schlachtfeld von Ammaus.
Posaunen und Geschrei: »Sieg! Sieg mit Judas Schwert!« in der Szene. Es kommen Simon, Jonathan, Hauptleute, Krieger.

JONATHAN.
Die Syrier fliehn!
SIMON.
Beth Horon und Ammaus,
Ihr kleinen Sterne, kaum beachtet sonst,
Nach euch wird nun der Blick des Forschers sehn!
JONATHAN.
Beth Horon hat Israel neu geboren;
Ammaus hat es aufgesäugt mit Blut.

Juda kommt mit Ämilius Barbus und Gefolge.
JUDA.
Willkommen, wackrer Römer!

Er bleibt an der Kulisse und spricht hinein.

Heißt die Reiter
Den Sieg verfolgen! Jenen größern Haufen
Nehmt in die Mitt'; zerdrückt ihn zwischen Fluß
Und Fels und eurer Wucht! Die kleinen hier
Und dort zerstäubt.

Vorkommend.

Schnell, Simon, nach Modin;
Jonathan nach Jerusalem mit diesem
Oelblatt von Glück und Sieg und bald'ger Heimkehr!
SIMON.
Nicht umsehn will ich auf dem Weg. Lebt wohl!

Ab.
[310]
JONATHAN.
Und ich – hilft gute Botschaft eilen, wie
Sich schlimme hindernd an die Fersen hängt,
So maß kein schnellrer Schritt je meinen Weg.
Lebt wohl!

Ab.
JUDA.
Lebt wohl.

Zu Ämilius.

Verzeih die Unterbrechung.
ÄMILIUS.
Mich sendet der Senat von Rom zu dir,
Und glücklich fügten es die Götter so,
Daß ich, vom eignen Aug' belehrt, daheim
Versichern kann, daß deines Bildes Größe,
Wie sie es sehn, nichts der Entfernung dankt.
Doch laß mich Worte sparen –
JUDA.
Römisch ist's;
Ich weiß, so sparsam ist der Römer nicht
Mit seinem Herzblut, als mit seinem Atem.
Er achtet nur die That.
ÄMILIUS.
Du sprichst es aus,
Was Roms Senat bewog, mich dir zu senden.
Denn seinem immer wachen Aug' entging
Kein Zug vom Antlitz deines Heldenlaufes;
Die Kühnheit nicht, die dein erschlafftes Volk
In ihren Strom hineinriß, hinter ihm
Abschneidend jeden Rückweg seiner Feigheit
Zum altgewohnten Dulden, daß Verzweiflung
Den Mut ersetzen mußte; nicht die Weisheit
Und die Enthaltsamkeit, mit der, indem
Du nie dein junges Glück auf einmal wagtest,
Nie Größres wagtest als du durftest, bis du
Das Größte wagen durftest, aus Verzweiflung
Du Mut schufst; nicht das Zeugnis deiner Schlachten,
Daß du die Feldherrnkunst verstandst, zu siegen
Und – wie die Hand der ew'gen Götter auch
Die Würfel lenkte – nie besiegt zu sein.
[311] Und nun von solchem Heldenlauf gewonnen,
Beut dir die große Roma ihren Schutz.
JUDA.
Sag' Rom, das dich gesendet, Judas Dank
Für seine gute Meinung, wünscht er schon,
Sie wäre besser noch, doch auch verdienter,
Und nicht sein Lob so auf des Volkes Tadel
Gebaut. Denn, wahrlich! dieses Volk hat mehr
Gethan, als du von Juda rühmst; und nur
Des Volkes Meinung sprech' ich aus, sag' ich:
Der soll nicht stehen wollen, der es nicht
Auf eignen Füßen kann. Und grad' heraus:
Wir stehn ganz leidlich. Zwanzig Schlachten hat
Dies Volk geschlagen, und mit diesem Sieg
Den Weg geöffnet nach Jerusalem.
Dem Syrier fehlt's an Menschen und an Geld.
Vergolde, bitt' ich, was ich dir gesagt,
Zu unscheinbar sonst ist's mit deiner Kunst.
Und nun – Rom bietet seinen Schutz – Rom will
Damit, ich weiß es, nicht ruhmredig sein;
Ich nehm's als eine Form der Höflichkeit,
Wie unter seinesgleichen man sie wechselt,
Und, sie erwidernd, bietet denn durch mich
Das große Israel Rom seinen Schutz.
ÄMILIUS.
Ich sehe, daß die Näh' dich nicht verkleinert
Wie manche Ruhmesgrößen. Lebe wohl!

Ab mit Gefolge.
Jojakim kommt.
JUDA.
Leb' wohl! – Schon sinkt der Abend. – Gebt das Zeichen
Zum Einhalt den Verfolgern!

Ein Hauptmann; Posaunensignal.

Laßt die Wachen
Ablösen! Vorsicht sei des Glückes Siegel.

Ein Hauptmann ab.

Wie stattlich diese Römer. Selbstgefühl
Wie zierst du selbst im Übermaß ein Volk!
Im kleinsten Römer lebt das große Rom.
[312] Wird mir's gelingen, nur die Hälfte dir,
Die Hälfte nur von Roms Zuviel zu geben,
Mein Volk?
Roms Schützling sein? – Im Stärkern wähle Mensch
Und Volk den Herrn, doch nie den Freund, sonst wird
Der Freund zum Herrn. Hat nur der Fuchs die Pfote
Im Taubenschlag, bald ist er selber drin.
Geh, stolzer Römer, lieber Feind als Freund. –
Nun heißt die Krieger lagern, Schar für Schar!
Den Vorrat öffnet, geizt nicht mit dem Wein;
Laßt sie des Siegs sich freun!
JOJAKIM.
Herr, keinen Wein!
Laß sie nicht jubeln, laß sie beten, Herr;
Laß sie nicht trinken, laß sie fasten, Herr!
Laß sie demütig sein und sich nicht rühmen;
Denn niemand hat gesiegt als nur der Herr,
Und überheben soll sich nicht das Werkzeug!
Des Herren Sabbath kommt hereinzubrechen,
Von dem der Herr zu Mosen redete:
»Wer nicht an meinem Tage ruht, soll sterben.«
Du schicktest deine Brüder, Herr, zu reisen,
Botschaft zu bringen; sende nach, ruf' sie
Zurück, zwing' sie nicht gegen das Gesetz!
JUDA.
Wenn ich dir folgte, zwäng' ich nicht die Boten?
Wär's neue Sünde nicht? Drum, heil'ger Eifer,
Laß es genug sein an der einen Sünde,
Und nicht –

Geschrei in der Szene: »Flieht! Flieht! Nein! Steht und sterbt!«

Was soll das Schrein? Was ist geschehn?

Nathan kommt eilig.
NATHAN.
Herr, flieh, denn fürchterlicher naht der Feind,
Als den du schlugst! Gen Abend starrt das Thal
[313] Von Spießen zahllos, und der Schilde Glanz
Im Abendschein ist eines Meeres Glanz.
JUDA.
Der Feind? – Der Wein ist deines Hirnes Feind.
Geh, leg dich! Solchen Feind besiegt der Schlaf,
Und unsre Wachen stehen weit ins Land.
NATHAN.
Die Wächter kehrten heim, vom Siege sicher
Gemacht.
JOJAKIM.
Vom Siege nicht; nein, weil der Sabbat
Beginnt hereinzubrechen. Herr, sie thaten
Nach dem Gesetz, und alle Heil'gen lobten's
Und sagten, daß sie heilig dran gethan –
Denn niemand mehr soll herrschen als der Herr –
Und ihrer ist die Mehrzahl deines Heeres.
JUDA.
Tod über euch, ihr Rasenden, ist's wahr!
Heilig gethan? Heilig? – Ich sag' euch: wahrlich!
Ihr hättet heiliger gethan, ihr hättet
Alles Gesetz des Moses übertreten
Und meinem Wort gehorcht –
JOJAKIM.
Ha! welche Lästrung!
Herr, Herr, verschließ' dein Ohr!

Usiel tritt auf.
JUDA
ihm entgegen.
Schnell, Usiel,
Zurück und heiß' sie sich zum Rückzug ordnen.
USIEL.
Zu spät, Herr, denn der Feind ist schon zu nah'.
JUDA.
So heiß' im Rückzug sie sich ordnen, kämpfend
Die Hintersten den Feind abtreiben, bis
Die Nacht uns von ihm scheidet!
[314]
USIEL.
Deine Meinung
Sah ich voraus, doch fehlte der Gehorsam.
Auf deines Vaters Bruderssohn beruft
Das ganze Heer sich, denn der Sabbat nahe,
Und keiner dürfe fechten.
JUDA.
Keiner dürfe –
Der Sabbat – sie berufen sich – auf wen?
USIEL.
Auf Jojakim.
JUDA.
Auf Jojakim? Auf diesen?
Du hast verkehrt gehört. Juda befiehlt,
Und – sie berufen sich? – geh, scherz' mit andern!
War's Juda, der die zwanzig Schlachten schlug
Und siegte? Nein! wie ließ das Volk dann Juda,
Von einem Thoren von ihm fortgelockt,
Der nichts vermag als eifern; nein; es ist
Unmöglich. Geh! Juda befiehlt, hörst du?
Der Juda, der sein Volk befreit, befiehlt
Dem Volk, zu fechten. Geh! Kein Wort mehr, – eh' du
Zurückkehrst!
JOJAKIM.
Schon' der Deinen Blut. Sieh hin,
Dem Syrier bieten wehrlos sie die Brust,
Doch deinen Joel schlagen sie zu Boden,
Der sie will zwingen zu verfluchter That.
JUDA.
So weit schon wär's? Was jahrelanges Mühn,
Was der Gedanke eines ganzen Lebens
Geschaffen, soll ein Hauch aus Thorenmund
Zerwehen können? Sprich Vernunft zum Volk!
Nur diesen Sieg noch, und es ist gerettet!
JOJAKIM.
Ist dies auch Juda? dies auch Jojakim?
[315] Wenn eure Mutter Größ' euch predigte,
Stand Jojakim verachtet unter euch –
JUDA.
Ist's das? – Hier nimm den Führerstab, mein Mund
Soll durch den deinen reden, meine Hand
Durch deine siegen; mein sei nur die Müh',
Und dein der Ruhm des Sieges und der Rettung!
Ist dies Gebot dir noch zu klein? Komm, laß
Den Handel gelten, heil'ger Neid, dein Volk
Nicht zu verderben!
JOJAKIM.
Mund voll Lästerung!
Bin ich wie du? Herr, deinen Heiligen
Will er bestechen, daß um faulen Ehrgeiz
Dein Knecht dich lasse. Unglückseliger,
Weit besser ist's, das ganze Volk verdirbt,
Als daß von dem Gesetz ein Buchstab' nur
Werd' übertreten!
JUDA.
Weisheit, du wirst Unsinn
Im Mund des Schwärmers, und die Thorheit furchtbar,
Ansteckender und sonnverfinsternder,
Als Pest und als Heuschreckenscharen sind!
So untergehn? – so elend lächerlich,
So – Volk, das nach der Schande jagt wie andre
Völker nach Ehre! – So den Kelch am Mund,
Verdursten; die Dattel schon am Gaum, verhungern;
So – an der Spitze schon des Speers den Sieg –
Und – untergehn – so, so – als tötete
Der Tod allein nicht, hälf' nicht Schmach dazu?
Nein! Nein! er soll nicht! hier mit diesen Händen
Erwürg' ich dich, wenn du dein Volk nicht rettest!

Alle Anwesenden scharen sich schützend um Jojakim, außer Usiel.
JOJAKIM.
Laßt ihn; er mag's vollenden. Auf die Lästrung
Häuf' er den Mord am Heiligen. Laßt Jojakim,
Ja, laßt ihn sterben für sein Volk!
[316]
DIE HAUPTLEUTE
um Jojakim.
Tod, wer
Den Heil'gen Tod droht!
JUDA.
Recht! recht! recht! Drückt noch
Die Schlange, die euch sticht, fest an den Busen
Und küßt des Löwen Zahn, der euch zerreißt!
Elendes Volk, zum Werkzeug nur gemacht,
Leih' dich dem eigenen Verderben dar,
Straf' so dich selber! Volk, was warst du, eh'
Dich Juda aufnahm aus dem Staub? Das wirst
Du wieder werden, ärmer denn zuvor.
Du hattest nichts – nichts – gar nichts – selbst der Mut
In deiner Brust, der Witz in deinem Hirn
War Judas Mut und Witz; ich, den du zwangst,
Dich zu verachten, that der eignen Seele
Gewalt um dich, und – so vergiltst du mir?
Verflucht der Arm, der für dich schlug! verflucht
Dies Herz, verflucht das Aug', das für euch wachte!
Die Kröte wollt' ich zu 'nem Adler flügeln;
Hin in den Sumpf, der deine Heimat ist,
Werf ich dich wieder!

Es kommen immer mehr Krieger.
JOJAKIM.
Hört ihr? hört ihr? hört ihr?
Mein Hirn erschwindelt ob der Lästerung,
Mein Blut schwillt gärend auf wie Most im Schlauch,
Der Herr füllt wider Willen mich mit Eifer.
Er prahlt mit dem, was nur geliehn ihm war!
Wir alle nichts, der Herr nur hat gethan.
Der Böse wie der Gute thut unwissend
Und meinend, nur dem eignen Antrieb folg' er
Des Herren That. Der Herr braucht auch den Bösen,
So lang' er will, zu seiner Zwecke Werkzeug;
Läßt seine That geschehn, bis er ihn hinwirft
Und ihn verdirbt um seiner Absicht Bosheit.
Das neue Syrierheer kommt von dem Herrn.
[317] Er selbst hat es erweckt, uns zu versuchen,
Ob wir ihm folgen oder seinem Feind.
USIEL.
Was willst du thun? Du fliehst? Du gibst es auf?
Denn alles ist verloren.
JUDA.
Geb' ich's auf,
Dann ist's verloren – Fliehen? Sterben? Feig
Sich selbst einreden, Tod für etwas sei
Das Größte? Leben ist's! Was ist's, den Schaum
Vom Kelch des Lebens schlürfen, wenn er braust?
Hinsinken, um in Liedern aufzustehn,
Eh' man des Bechers Grund gesehn? Nein, Tropfen
Um Tropfen kosten; so die bittre Hefe
Auskosten bis zum letzten! Undank tragen,
Verdächtigung, zerstört zu sehn und wieder
Zerstört und immer wieder, was man schuf,
Zerstört, durch die zerstört, für die man schuf.
Und dennoch nicht ermüden! Heuchler, sieh,
Was du vermagst; schlag' deine Brust und roll'
Dein glühend Aug', hier leuchtet Judas Schwert,
Hier ruft die Stimme, die dem Sieg gebeut!
JOJAKIM.
Der Tod ist Sieg hier, und der Sieg ist Tod.
Stirb, Volk, dem Gotte, der den Sabbath schuf!
JUDA.
Gott schuf den Sabbath, da er ruhte, doch
Er ruhte erst, da er sein Werk vollendet;
So thu', sein Volk; erst Sieg und dann den Sabbath!
Mir nach, sein Volk, zum Sieg!

Ab. Usiel folgt ihm.
JOJAKIM.
Mir nach zum Tod!

Ab.
Die übrigen folgen Jojakim.
Von der andern Seite kommen Antiochus, Eleazar, Nikanor, Gefolge.
ANTIOCHUS
zu Nikanor.
Du bringst uns schwere Nachricht, doch du bringst auch,
Was uns sie leichter tragen machen kann.
[318] Ein Trost ist bei des Vaters Tod dies Heer,
Das er in Persien warb vor seinem Tode,
Und das in seinem Sinn gebraucht zu sehn,
Ihm, der, ein Gott, nun auf uns niederschaut,
Das schönste Sohnesopfer dünken muß.
Mit in sein Grabmal schließ ich meine Milde,
Und seinen Zorn nehm' ich in meine Brust.
Nur solchen soll der Zweig der Milde blühn,
Die so wie du, mein Ajax, freigewillt
Aus ihres Volkes düsterm Wahnesmoder
Herauf sich retteten ans heitre Licht
Der Götter ihres Königs.
ELEAZAR.
Deiner Götter.
Sie waren deine, und so mußten sie
Auch deines Ajax Götter werden, Herr.
GORGIAS
kommt eilig.
Herr, Nikomedes hat den Kampf begonnen,
Wie du gebotst.
ANTIOCHUS
wendet sich nach der Kulisse.
Der Kampf – ist das ein Kampf?
NIKANOR.
Was ist das? Ist's ein Wüstenbild, das hier
Uns äfft? Doch hier ist keine Wüste. Wehrlos,
Den Schild nicht brauchend, lassen sie sich schlachten.
GORGIAS.
Noch mehr – unglaublich ist's – die einen knien
Und singen Psalmen, andre werfen sich
Selbst in der Unsern Schwert.
ANTIOCHUS.
Als wär's ein Glück,
Sich schlachten lassen, und ein Liebesdienst,
Sie schlachten, von den Unsern.
[319]
NIKANOR.
Sie berauschen sich
Im Trank des Tods.
ANTIOCHUS.
Nur einer, mächtig ragend
Wie Ares, kämpft und ruft zum Kämpfen auf.
Ist das nicht Juda, ist's der Kriegsgott selbst!
Er spricht und wirft sich in den Kampf, der Meinung,
Daß sie ihm folgen. Seht, die Unsern weichen
Vor ihm allein. Nur tausend Judas, und
Mit meinen Hunderttausend wär' ich nicht
Des Siegs gewiß. Er sieht sich kämpfend um,
Ob sie ihm folgen, eilt zurück und trifft sie
Mit Reden, schärfer denn ein syrisch Schwert;
Nun mit geschwungnem Speer stürzt er von neuem
Ins blut'ge Bad – vergebens – wendet nun,
Den Speer – so wie der Treiber auf das Vieh
Läßt er die Schläge auf die Trägen regnen.
Umsonst. Nun droht er mit dem Schwert. Er haut
Den Nächsten nieder; doch der Nebenmann
Erhebt sich nicht; er will den Tod, komm er
Vom Juda oder von dem Feind. Dies Volk
Bezwing' ich wohl, doch diesen Juda nicht.
ELEAZAR
für sich.
Verfolgt mich seine Größe überall?
Besiegt selbst, siegt er!
ANTIOCHUS.
Wer erklärt dies Rätsel?
ELEAZAR.
Der Sabbattag, an dem kein Heiliger
Was anders thut als ruhn, bricht eben an.
ANTIOCHUS.
Ist's so, benutzt die Thorheit! Gorgias, du
Wirfst mit dem halben Heer dich auf den Feind
Und schlägst die Thoren mit der eignen Thorheit.
Wir mit der andern Hälfte ziehen weiter,
Den Schreck der Überraschung vor uns her.

[320] Zu Nikanor.

Du sendest Boten nach Jerusalem
Im Namen ihres echten Hohenpriesters –
Und daß er's wirklich sei, nimm ihr Gesetz
Zu Hilfe und der Priester Stammregister.

Nikanor ab.

Uns nennt Tyrannen dieses Thorenvolk?
Sein einziger Tyrann ist sein Gesetz;
Brecht auf. Des nächsten Abends Rot sieht Ajax
Als Hohenpriester. Gen Jerusalem!

Alle ab.

Verwandlung


Szene wie im ersten und zweiten Akt.
Frühester Morgen. Waffengeklirr und Geschrei Kämpfender in der Szene. Ein Volkshaufen wirr durcheinander rufend aus der Stadt nach vorn.
JOSUA.
Getöse wie von Waffen!
ELIA.
Schrein vom Felsenpaß!
MISAEL.
Und mondenlang von Juda keine Nachricht!
RUBEN.
Gott Israels! es sind die Syrier!
ALLE.
Wir sind verloren!
ISSASCHAR
tritt aus der Mündung des Felsenpasses.
Nicht, weil Lea lebt.
VOLKSHAUFE
durcheinander.
Wer ist's? 's ist Issaschar, der Sohn Medimnah!
Der Ältste von Modin! Herr, sprich, was ist's?
ISSASCHAR.
Ein Haufen Syrier, derselbe, der
Vor Judas Annahn ins Gebirg' zurückwich,
[321] Ist eingedrungen in den Felsenpaß,
Der hier heraufführt aus dem Terebinthenthal.
Verrat hat diesen einz'gen Weg zur Feste
Den Feind gelehrt, den nur die Bürger kennen,
Doch Leas Wachsamkeit vereitelte
Den Bubenstreich und die Natur des Passes,
So eng und steil voll Steingeröll und Dornen,
In dem ein tapfrer Mann ein ganzes Heer
Abhalten kann – und seht! schon ist sie Siegerin.

Lea mit Anhängern, den gefangenen Aaron in der Mitte, aus der Mündung des Felsenpasses.

Jubelt ihr zu: ein langes Leben Lea!
Der Mutter von Modin Tag' ohne Ende!

Johannes mit Gefolge und dem gefangenen Boas aus der Stadt, von einem zweiten Volkshaufen begleitet, der sich hinter Lea gruppiert.

JOSUA, ELIA, MISAEL, RUBEN.
Der Mutter von Modin Tag ohne Ende!
MISAEL.
Fallt vor ihr nieder!
LEA.
Nicht so. Nur dem Herrn,
Dem Schutzgott Israels gebührt der Preis
Und Juda, dem Erwählten; dann den Treuen,
Von deren Thun mein Aug' ich Zeuge sein hieß,
Damit mein Mund vor Judas Ohr sie rühme,
Vor Juda, der der That nichts schuldig bleibt.
Ich seh' ihn, wie sich seine Heldenstirn
In Wolken hüllt, vernimmt er, wie Verrat
Modin bedroht, ein Bürger von Modin
Dem blut'gen Feinde selbst den Weg gezeigt,
Bis Sonnenschein die Nachricht ihm entlockt,
Wie Treue den Verrat besiegt und den
Verräter selbst gefangen nahm. Zeigt ihn
Dem Volke!

Es geschieht.

JOSUA, ELIA, MISAEL.
Aaron!
[322]
RUBEN.
Der Bruderssohn
Von Simei!
ALLE.
Weh' über Aaron!
JOHANNES.
Herrin, noch mehr hat der Verrat gewagt.
Rückkehrend von den Thoren, die, wie du
Befohlen, ich mit treuer Hut besetzt,
Ergriff ich diesen hier. Er sprach zum Volke,
Es schreckend mit erlognem Dräu'n der Zukunft,
Um sie von dir hinweg, dem Syrier zu-
Zuängstigen.
LEA.
Wer ist er?
ISSASCHAR.
Tod den beiden!
JOHANNES.
Hier ist er.
LEA.
Boas?
VOLKSHAUFE.
Weh'! Weh' über Boas!
JOSUA.
Weh' über Simeis ganzes Haus!
MISAEL.
Ergreift sie!
ISSASCHAR.
Werft sie vom Felsen ihren Freunden zu!
Eh' ist nicht Sicherheit fürs Volk Modins.

Amri, von einem dritten größeren Volkshaufen begleitet, aus der Stadt.
AMRI.
Streut Asche auf das Haupt!
DRITTER VOLKSHAUFE
in großer Aufregung.
Streut Asche! Asche!
Der Syrier kommt!
[323]
LEA
tritt vor.
Volk von Modin –
AMRI.
Bist du
Die Retterin, so rette jetzt!
DRITTER VOLKSHAUFE
drohend.
Ja, rette!
LEA.
Volk von Modin, der Syrier dräut nicht mehr.
Und du, Sohn Simei, dein Verrat mißlang.
In unsrer Hand sind deines Plans Gesellen,
Und abgeschlagen ist der Syrier.
AMRI.
Der Syrier? Der Haufe – ha, was hilft's,
Den Haufen? Schlag die Heere von Beth Horon,
Die Heere von Ammaus tilg' uns aus!
DRITTER VOLKSHAUFE.
Die Heere von Beth Horon! von Ammaus!
LEA.
Der zwanzig Syrierheere hat vertilgt,
Lebt er nicht mehr, auch diese zu vertilgen?
AMRI.
Und halt' des Königs Wagen auf, wenn er
Rückkehrt aus Persien von Elymais,
Da, wo der Tempel steht aus purem Gold,
Die Fenster von Demanten; jeder Zoll
Prägt hundert Krieger. Alles Volk umher
Schickt Sklavenhändler seinem Heere nach;
Das Kind im Mutterleib' schon ist verkauft.
Bist du die Retterin, so rett' uns nun;
Bist du erwählt, so zeig's jetzt, thu' ein Wunder!
VIELE STIMMEN AUS DEM DRITTEN VOLKSHAUFEN.
Ja, rett' uns! Zeig's.
[324]
DER ÜBRIGE DRITTE VOLKSHAUFE.
Ein Wunder! Thu' ein Wunder!
ERSTER VOLKSHAUFE
indem er, der bis dahin auf der andern Seite stand, nach rechts auf Leas Seite hinübergeht, um sich mit dem zweiten zum Schutze Leas zu vereinigen.
Amri und der dritte Volkshaufe zieht sich aus der Mitte nach links.
Der Herr mit Lea aus dem Stamme David!
LEA.
Schmach auf das Volk Modins, wenn's Bessres nicht
Will heißen als der Stimme Tochter des
Verräters! Lallst du seine Lästrung nach,
Der dich will reißen in den eignen Abfall?
Was hat denn Simei für dich gethan,
Daß du die Seele seiner Hand vertraust?
Wie des Tyrannen Knechte hier den Altar
Erbauten, wie der Syrier dir griff
Nach deinem Gott, war's Boas, der dir half?
War's Amri, der den Altar schlug, daß klingend
Das Bild des Greu'ls zerbrach? Nein, er beriet sich
Und sprach: »Süß ist das Leben.«
ERSTER, ZWEITER VOLKSHAUFE UND ISSASCHAR.
Er beriet sich –
Weh' über Simei!
BOAS.
Herr, wer bin ich,
Daß ich vor deinem Volke sprechen dürfte?
Und doch nimmst du mir selber das Gewand
Der Demut ab und setzest mir's aufs Haupt
Wie einen Helm, den Zorn zu zürnen des
Gerechten. Simei, mein Bruder, kam
Zu gehn zu opfern – ging er sonst um was,
Als – um des Volkes Leben? War Antiochus
Der Ältre ewig? Hatten wir nicht Ruh',
Bis daß sein Sohn den Scepter nahm und uns
Zurückgab unsern Gott und sein Gesetz?
Ist das nun besser, was dein Juda that,
[325] Daß er begann, was er nicht enden kann,
Daß er die Söhn' uns nimmt und wirft sie hin,
Dem nimmersatten Syrierschwert zum Opfer?
DRITTER VOLKSHAUFE.
Daß er die Söhn' uns nimmt? Weh' über Juda!
ERSTER VOLKSHAUFE.
Hosianna Mattathias' Sohn! Hosianna!
LEA.
O freilich hatten wir nicht Ruh', wenn Juda
Des Manns der Demut Bruder opfern ließ?
Ja, eben so, wie du demütig bist,
So, wie dein Zorn gerecht, so wahr ging jeder
Zu opfern, um sein Volk zu retten. Heuchler,
Den keine Scham mehr bändigt, rettet' er
Das Volk, wenn er es lockte von dem Herrn?
Nein; er verdarb's mit ewigem Verderben,
Wenn Juda nicht, den sich der Herr berief,
Das eigne Leben hinwarf in die Wage!
ERSTER, ZWEITER VOLKSHAUFE UND ISSASCHAR.
Weh' Simei und seinem ganzen Haus!

Dritter Volkshaufe steht ungewiß.
BOAS.
Den sich der Herr berief! Hat das der Herr,
Wer dann will Juda schmähn? Und hat er's nicht?
Sagt's Judas Mutter nicht: »Er hat's gethan?«
Sitzt nicht ihr Hochmut mit im Götterrat?
Wer weiß es anders? Hat nicht alles Volk
Gehört, wie Gott den Juda rief? Ist's nicht so?
Ihr sagt: »Wir haben nichts gehört; es redet
Der Herr von Angesicht nicht mehr mit Menschen,
Nur durch die Schrift und Bücher des Gesetzes?«
Nun gut: so steht's geschrieben irgendwo?
Es steht geschrieben: »Retten will der Herr
Sein Volk zu seiner Zeit: er will's, der Herr
Will's retten«; sonst steht in den Schriften nichts.
Es steht nicht drin: Der Juda soll es retten,
[326] Noch irgend wer, denn nur der Herr. Und wenn
Er's will, braucht er den Juda? braucht er sonst wen?
Ist er nicht stark genug, es selbst zu retten?
Ist's Lästrung nicht, zu sagen, daß der Herr
Den Juda dazu braucht, noch irgend wen?
DRITTER VOLKSHAUFE UND AMRI
immer drohender.
's ist Lästerung! 's ist Lästerung!
BOAS.
Nun wenn
Der Herr den Juda nicht bewegt, was sonst?
Hat er aus Lieb' zum Volk ihm vorgegriffen?
Denn vorgegriffen hat er ihm, wenn nicht
Der Herr ihn hat gerufen –
DRITTER VOLKSHAUFE UND AMRI
immer drohender Lea auf den Leib rückend, indem von dem ersten und zweiten Volkshaufen immer mehr von ihr zurücktreten.
Issaschar, Josua, Elia, Misael, Ruben verweilen am längsten bei Lea.
Ja; er hat
Ihm vorgegriffen! hat ihm vorgegriffen!
LEA.
Er hat ihm –
AMRI
lachend.
Lieb' zu seinem Volk? Er hat's
Gehaßt, er hat's verspottet, hat's verachtet.
LEA.
Wagt man –
DRITTER VOLKSHAUFE.
Er hat's verspottet! hat's verachtet!
LEA.
Sein Leben für den Feind?
DRITTER VOLKSHAUFE
immer aufgeregter.
Er hat's! er hat's!
BOAS.
Gott selbst gab Israel in Feindes Hand,
Wo's bleiben soll, bis er es selbst errettet.
Mit Skorpionen wird er's züchtigen,
[327] Ausschütten all sein Mark! Weh', weh' dem Samen
Von Jakob, weh' dem Volk von Israel,
Kehrt's nicht freiwillig unter seine Hand!
DIE MEISTEN AUS DEM VOLKE.
Weh' Jakob! weh' dem Volk von Israel,
Kehrt's nicht freiwillig unter seine Hand!
LEA
steht verlassen.
Weh' Jakob! weh' dem Volk von Israel,
Folgt es dem Rate der Abtrünnigen!
Verblendet Volk, hör' meine Stimme –
AMRI.
Fort!
Der Syrier steht am Passe; laßt ihn ein!
VOLK.
Ja! fort zum Syrier und laßt ihn ein!
LEA
hat ihnen den Paß abgewonnen.
Joarim und Benjamin an den Händen.
Zurück! Nie! Nimmermehr! Und sollt ich selbst
Der Pforte Riegel sein, dahingestreckt
Zur Erde diesen Leib, der Israels
Erretter trug! Zwei Kinder und ein Weib
Zertretet erst!
AMRI.
Noch haltet. Woran wird
Der Syrier in uns den Freund erkennen,
Daß er uns nicht mit seinen Feinden töte?
VOLK.
Ja, sprich, woran?

In der Szene immer näher kommend Musik von Zimbeln, Flöten, Pauken.
LEA
reißt die Kinder an sich.
Ha! ich versteh' sein Aug'.
Wachst fest an meiner Brust! Eh' reiß der Tiger
In Stücke uns, eh' er uns lebend trennt!
AMRI.
Bring' ihm des Juda Brüder, daß er sich
An ihnen räche! Über ihrem Haupt
Mach' unsern Bund, Herr, mit dem Syrier.
[328]
LEA
indem Amri die Kinder ihr nehmen will.
O nun ein Wunder! Herr, ein Zeichen, bist du
Mit Leas Sohn! Ein Zeichen, Herr! sonst war
Ein Traum nur dein Gesicht!
AMRI.
Gib sie gutwillig!

Aus der Stadt kommen rosenbekränzte Jungfrauen, auf Flöten, Zimbeln, Pauken musizierend, hinter ihnen rosenbekränzte Kinder, Frauen, Greise im feierlichen Zug; zuletzt Simon. Große Bewegung unter dem Volke.
BOAS.
Was kommt dort?
AARON.
Festlicher Gesang.
AMRI.
Was soll
Die Thorheit?
AARON.
Will das Volk den Retter preisen?
LEA.
Sie sind nicht aus Modin.
JOHANNES.
O wär' es Juda!
LEA
aufschreiend.
Es war kein Traum! Ha, Sieg!
DIE JUNGFRAUEN.
Sieg! Sieg!
BOAS.
Verflucht!
JOHANNES.
Simon!
SIMON.
Wir bringen Sieg. Mit deinem Juda
Der Gott der Zebaoth!
AMRI.
Brust, Brust, bleib' ganz!
Der Juda Sieger? Thoren! Bei Beth Horon
[329] Dort steht der Herr, die Wag' in seiner Hand,
Und wägt sein Volk, und in der Syrier Schale
Wirft er noch seines Zorns Gewicht. Der Herr
Wird richten!
SIMON.
Wird? Schon hat der Herr gerichtet.
Der Syrier Hunderttausend wogen leicht;
Der Herr warf sein Gewicht in Judas Schale.
Der Juda rief den Herrn, da wandelte
Ein Rauschen in den Palmen über ihm
Und wirbelte den Sand empor und warf ihn
Den Syriern in die Augen, daß sie blind
Des Juda Schwert nur fühlten und nicht sahn.
LEA.
Der Herr geht vor dem Juda her, hört ihr?
Der Herr gehorcht, wenn ihn der Juda ruft!
ERSTER VOLKSHAUFE
wieder um Lea.
Er ist! er ist! der Herr ist mit dem Juda!
AMRI.
Unselige, was rast ihr da? Ein Kind
War bei Beth Horon Syriens Herr; so wie
Ein reis'ger Mann gegen ein Kind, so ist
Das Heer, das bei Ammaus steht, gegen
Das von Beth Horon. Nicht die Waffen braucht's.
Wenn sie vom Jordan trinken, wird er leer;
Sie atmen, und die Luft ist weggeatmet
Über Israel; all sein Vieh verschlingt
Ein Mahl; vor ihrem Auftritt bebt die Erde;
Der Wind von ihrem Schrei wirft Juda schon.
Der Herr läßt sich mit Glück den Frevler mästen,
Eh' er ihn schlachtet zu der Rache Mahl.
Und er wird richten! Bei Ammaus wird
Er richten.
SIMON.
Dort gerichtet hat er schon,
[330] Dort bei Ammaus hat der Herr gerichtet!
Wer zeigt die Stoppeln noch von ihrer Saat?
ISSASCHAR.
Weh', Weh' und Tod dem Hause Simei!
LEA.
Der Herr setzt Juda auf des Herren Stuhl
Und läßt ihn richten über Syrien.
Juda ist mehr, als Menschen sind; er ist
Aus Erde nicht geschaffen!
AMRI.
Einen Fluch,
Der mich erleichtert! Noch nicht. Kehren laß
Antiochus von Elymais erst.
SIMON.
Er ist gekehrt –
AMRI.
Und wird euch schrecklich richten!
SIMON.
Niemand mehr richtet, den der Herr gerichtet;
Denn unterwegs schlug ihn des Herren Hand,
Warf tot ihn von dem Wagen auf das Feld;
Ein Denkmal: Seht; so straft der Herr Tyrannen!
LEA.
G'nügt dir dies Wunder, wunderhungrig Volk?
ISSASCHAR.
Tod über Boas; über Amri; Tod
Über Simeis ganzes Haus!
VOLK.
Er sterbe!
ISSASCHAR.
Reißt sie aus ihren Häusern! Steinigt sie!
VOLK
indem sie die Simeiten ergreifen.
Ja, steinigt sie!
ISSASCHAR.
Hier mit des Altars Steinen,
Auf denen Simei gesündigt hat.
[331]
VOLK.
Laßt keinen fliehn!
NAEMI
flehend den Saum von Leas Mantel fassend.
Herrin!
LEA.
Was geht die Tochter
Boas' mich an? Fort!
VOLK.
Boas' Tochter? Hin
Mit ihr zum Tod, mit Boas' ganzem Haus!
SIMON.
Herrin, rett' Judas Weib!
LEA.
Aus Königstöchtern
Wählt Juda sich sein Weib. Willst du den Zorn
Des Herrn verew'gen? Wer, wenn zu Gericht
Er geht mit seinen Feinden, hindert ihn?
Nun auf, ihr Fraun von Israel, zum Reihn,
Zum Siegesreihn mit Zimbeln und mit Pauken!

Sie nimmt einer von den Frauen die Zimbeln, setzt sich an die Spitze des Zuges und führt ihn zimbelschlagend linksum über die Bühne.
NAEMI
indem sie fortgerissen wird.
Ich bin des Juda Weib! Um Judas willen!
Die Menschen hören nichts; hör' du mich, Herr!
VOLK
hat die Simeiten auf die Knie' gerissen, hält die Hände über sie.
Nieder! Ihr Blut über ihr Haupt! Sie haben
Den Herrn gelästert!

Sie laufen zurück, um Steine zu holen.
BOAS
knieend.
Halt!
AMRI
ebenso.
Ein Bote!
BOAS.
Hört
Den Boten erst!
[332]
NATHAN
kommt aus dem Thore.
Weh' Israel! –
AMRI.
Ha, Rettung!
LEA
den Zug aufhaltend.
Ein Bote?

Ihm entgegen.

Welchen neuen Sieg kommst du
Zu melden?
AMRI.
Keine Taube mit dem Ölblatt!
Ein Hiobsbote!
NATHAN.
Weh' dir, Israel!
Antiochus zieht auf Jerusalem!
LEA
nimmt eine Spange von ihrem Gewand.
Da, nimm das Kleinod hier für deinen Scherz
Und gieb uns seinen Kern! Welch neuer Sieg
Lieh deinen Atem?
NATHAN.
Ist's ein Scherz, so ist's
Ein blut'ger, den nur Wahnsinn kann belachen.
Antiochus –
LEA.
Wenn du nicht scherzest, lügst du,
Doch viel zu ungeschickt, um uns zu täuschen,
Sagst du, die Toten ziehen in das Feld!
NATHAN.
Der Junge ist's, der Alte nicht; er zieht –
LEA.
Noch besser! Thor, du weißt nicht, daß der Junge
Israels Freund ist? Nun, so kommt er denn,
Bekehrt von Eleazar zu den Unsern,
Um Juda zu begrüßen.
NATHAN.
Feindlich kommt er,
Sein Liebling Ajax, ein Abtrünniger
[333] Aus Israel, ist seines Zuges Seele.
Er hat den König uns zum Feind gemacht.
Schon zieht er auf Jerusalem.
LEA.
Er komme!
Dort bei Ammaus steht der starke Juda;
Er mag nur kommen; er wird wieder gehn!
NATHAN.
Dort bei Ammaus steht kein Juda mehr –
Unaufgehalten zieht Antiochus
Mit seinem Volke nach Jerusalem;
Dort herrscht der Hunger und die Pest! es kann
Sich keinen Tag lang halten gegen ihn.
JOJAKIM
aus der Stadt.
Heil Israel!
LEA
zu Nathan.
Hörst du?
JOJAKIM.
Du bist gerettet!
LEA.
Nun scherze weiter.
JOJAKIM.
Juda –
LEA.
Hat gesiegt –
JOJAKIM.
Den Frevler schlug der Herr –
LEA.
Den Syrier.
JOJAKIM.
Den Juda. Gott verwarf ihn!
NATHAN.
Hörst du's nun?
LEA.
Sie rasen –
JOJAKIM.
Den Verruchten, der das Volk
[334] Am Tag des heil'gen Sabbaths kämpfen hieß.
Doch Jojakim schuf, daß sie wehrlos starben.
LEA.
Wahnsinniger! Er hat das Volk verderbt
Und rühmt sich noch der That. Zum Tod mit ihm!

Niemand gehorcht; das Volk verläßt einer um den andern Lea.
JOJAKIM.
Du hast's verderbt. Verfluchter noch als Kain,
Hat dieses Weib sein ganzes Volk erschlagen!
LEA.
Was steht ihr bleich? Verloren ist noch nichts,
Hinausgerückt nur ist das Ziel, damit sich
Des Herren Wort erfülle. Noch ist nichts
Verloren, noch lebt Eleazar!
JOJAKIM.
Ajax –
LEA.
Verflucht er und sein ganzes Haus! In Martern
Müss' ihn die Mutter sterben sehn! –
SIMON.
Halt ein –
JOJAKIM.
Fluche nur zu!
LEA.
Nenn' mir ihn nicht. Noch lebt
Ein Richter ihm, und nun ist seine Zeit,
Der Tag, an dem er fragt: Ist Juda größer?
Ihn und nicht Juda krönte das Gesicht.
Nun wird er auferstehen, wie die Sonne wird
Er auferstehen, wie die Sonne wird er wandeln
In seiner Thaten Glanz. Juda war nur,
Der vor ihm herging, nur ein Stern der Nacht,
Doch Eleazar wird die Sonne sein!
Er wird ihn fassen, den Abtrünnigen!
JOJAKIM
auflachend.
Den Ajax Eleazar?
[335]
LEA.
Ihn und dich.
SIMON.
Weh' mir und dir, daß so des Vaters Wort
Zur Wahrheit wird!
LEA.
Was willst du, Thor? Welch Wort?
SIMON.
Du selber müßtest einst dem Liebling fluchen.
LEA.
Du rasest –
SIMON.
Ajax ist dein Eleazar.

Alles weicht entsetzt einen Schritt zurück.

Bei meiner Brüder Leben! selber sah
Ich ihn in Jericho, da ich verkleidet
Als Späher dort verweilt.
LEA
steht ganz verlassen.
Weh'! – Wer ruft Weh'
Hier, wo die Sieger jubeln? Steht ihr bleich?
Ist's Sitte, bleich sein, wenn ein Rabe krächzt?
Auf, Töchter Israels, zum Siegesreih'n!

Sie thut einige Schritte; der Zug bleibt vor Entsetzen stehen; sie selbst, wie sie sich auf den Gesichtern orientiert, wie erstarrend.

Weh' mir, und weh' dem Tag, an dem ich ward!

Sie zerreißt ihr Gewand.
JOJAKIM.
Er sollte König sein; nun ist er's. Schreckt
Dich deines Hochmutstraums Erfüllung nun?
LEA.
So wär' des Herren Wort? – zweideutig Heil
Vorspiegelnd, doch Verderben –
SIMON.
Nein, er hält
Sein Wort; ob uns zum Lohn, ob uns zur Strafe,
Gibt er in unsre eigne Hand.
[336]
LEA
lachend gen Himmel.
Ich hab'
Noch Kinder!
AMRI
reißt ihr Joarim von den Händen und führt ihn nach links, wo er gleich festgehalten und abgeführt wird.
Nun nicht mehr.
SIMON
stürzt auf ihn zu, als Amri auch Benjamin nehmen will.
Verruchter, fort
Die Hand –
AMRI.
Auch du kommst mit. Ergreift ihn, Männer

Sie thun's.

Und jenen!

Johannes, auf den er zeigt, wird gepackt. Nun reißt er selbst auch Benjamin von ihrer Seite und eilt mit ihm ab.
LEA
will nach, die noch zurückgebliebenen Männer halten sie zurück.
Meine Kinder!
AMRI
im Abeilen.
Hol' sie dir
Beim König!

Mit seiner Partei und den Gefangenen ab.
LEA.
Meine Kinder!

Will nach; indem sie erschöpft zu Boden sinkt und die Jungfrauen sich um sie bemühen.

Meine Kinder!

Vorhang fällt.

Ende des dritten Akts.

4. Akt

[337] Vierter Akt.

Auf dem Wege von Modin nach Jerusalem.
Mehrere Felswege kreuzen sich unter Sykomoren und Granaten. Schroffe Felswände zu beiden Seiten. Vorn rechts eine große Sykomore; links ein Granatenbusch. Hinten Jerusalem. Es dämmert. Aaron und Gefolge mit dem gefangenen Johannes.

AARON.
Hier haltet einen Augenblick, bis Amri
Uns mit den Kleinen eingeholt.

Amri und Gefolge, in dessen Mitte Joarim und Benjamin.
AMRI.
Wo ist
Mein Oheim?
AARON.
Herr, voraus.
AMRI.
Hier laßt uns rasten!
BENJAMIN
zu Joarim.
Dort kommt die Mutter. Wer ist's, der sie führt?
JOARIM.
Sie wankt' und fiel und rafft' sich wieder auf
Und fiel von neuem –
JOHANNES.
Welch ein Anblick!
JOARIM.
Da
Erbarmte sich ein ährenlesend Mädchen
Und lief herzu und hob sie auf.
[338]
JOHANNES.
O seht!
Zerrissen das Gewand; wie ein Gewölk'
Vom Wind gepeitscht das Haar um ihre Schläfe,
Vom öftern Stürzen auf den Felsenkanten
Das Antlitz blutig und voll Staub!
BENJAMIN.
Ach, Mutter!
JOARIM.
Du arme Mutter!
LEA
erst noch in der Szene.
Weile, blut'ger Amri!
AMRI.
Still, Brut, wenn sie am Leben bleiben soll.
Bei Simei! der Schwur ist heilig. Fort!

Er winkt; Amris und ein Teil von Aarons Gefolge mit den Kindern ab.

So ächzt der Kiebitz hinter seiner Brut.
Erst macht es Spaß mir, doch nun Langeweile.
Schnell fort, daß sie zurückbleibt!

Bleibt stehen und packt Aaron.

Daß der Herr
Dich treffe, Knecht! wo hast den Simon du,
Den Ältesten?
AARON.
Du bist nicht wütender
Als ich, und ich nicht schuldiger als du.
AMRI.
Nicht schuldiger, tilg' ich mit diesem Messer
Die Schulden dir!
AARON.
Erst höre, wie's geschah
Dort, wo der steilste Fels aus schmalstem Weg
Uns Mann nach Mann zu gehen zwang, dort sprang er
Wo die Gazelle nicht zu springen wagt –
AMRI.
Und keiner hielt ihn?
[339]
AARON.
Doch. Assarja,
Der Nächste hinter ihm; ihn riß er mit
Und – lebt er? ist er tot? Ich weiß es nicht.
LEA
tritt auf, von einem Mädchen geführt.
Häuf' nicht des Rächers Grimm! gib mir die Kinder,
Daß er dich schone!
AMRI.
Machst auch du den Kopf
Mir warm?
LEA.
Wo seid ihr?
AMRI.
Hörst du? Bleib' zurück!
LEA.
Johannes! Benjamin! Hört ihr?
AMRI.
Ich will
Mir Ruhe schaffen. Bindet mir das Weib
Dort an die Sykomore!
LEA.
Binden? Mich,
Die schon die Schwäche bindet?
AMRI.
Schnell! Hierher!

Sie wird ergriffen; das Mädchen flieht.
LEA.
Thu's nicht! Thu's nicht! Der Herr wird es nicht dulden,
Daß du es thust. – Läßt du die Luft doch mitgehn;
Sieh, die Gedanken könntst du mir nicht binden,
Daß sie nicht folgten deinem Schritt, und sieh,
So still wie ein Gedanke will ich sein.
Nicht einmal bitten will ich mehr!
AMRI
zeigt an die vordere Seite des Stammes der Sykomore.
Hierher.
Vorwärts!

Zu einem.

Nicht weinen sollst du, binden, Schurke!
[340]
LEA
während sie hingeschleppt und gebunden wird.
Unmenschen, ein ohnmächtig Weib zu binden!
Nein, nicht Unmenschen! denn ihr könnt's ja nicht.
Seht, hier sind meine Hände; wie ein Kind
Laß ich mich binden; denn ihr könnt's ja nicht.
Und hättet ihr's gethan, ihr fluchtet euch
Vor Mitleid selbst und schnittet wieder auf –
AMRI.
Lernt Hochmut selber betteln?
LEA.
Sieh, wie ruhig
Dein Schmähn ich trage.
AMRI.
Schwäche ist geduldig.
LEA.
Mann, weine nicht, wenn du um mich weinst, was
Soll ich dann um die Kinder thun? Wenn du
Nur seufzest, müßt ich untergehn in Thränen.
AMRI.
Uns siedst du nicht in Thränen weich; versuch's
Nun mit dem Strang! Vielleicht reißt er aus Mitleid.

Amri, Aaron und Gefolge gehen.
Naemi tritt mit dem Mädchen auf, das auf Lea zeigt.
LEA.
Ich weiß, ihr könnt nicht gehn, nicht so mich lassen –
NAEMI.
So ist's! ich danke dir.

Mädchen geht.

O, welch ein Anblick!
LEA.
Weh' mir! was ist's so still? Sie sind gegangen,
Und ich – was folg' ich nicht? Elendes Seil,
Willst du die Mutter von den Kindern trennen?
Sieh, was die Mutterliebe kann; so reiß'
Ich dich in Stücken!

[341] Vergebliche Anstrengung; es wird Nacht.

Weh' mir! So allein
Im wilden Felsenthal muß ich verschmachten,
Und meine Kinder sterben fern von mir!
NAEMI.
Ich knüpf' sie los. O Hände, zittert nicht!
LEA.
Wer spricht hier? Wem gehört die Helferhand?
Wer knüpft mich los? Auf meinen Händen fühl'
Ich Thränen; weiche Locken fallen drauf.
O, das sind Haare, so wie Joarims,
Ein Veilchenatem, so wie Benjamins.
O, wer du bist, wenn du kein Engel bist,
Laß deine Mutter nicht! laß dich nicht stehlen!
Sieh, auf den Knien, wär' ich frei, läg' ich
Vor dir: o Kind, gehorch ihr, ist sie doch
Die Brust nur, und du bist das Herz darin,
Doch redet sie von Größe, hör' sie nicht!
Ist ihr der Thron zu niedrig, Größe selbst
Nicht groß genug für dich, hör's nicht; jed' Wort
Zuckt tausend Schwerter einst auf dich und sie.
Und rief der Herr dich selbst, o hör' es nicht!
Wir müssen thun nach unserm Wort; er thut,
Was ihm gefällt; wer rechtet mit dem Herrn?
Er zieht den Vorhang seiner Wolken zu,
So wie die Mächtigen der Welt es thun;
Stürm' deine Klage hin, du Leidender;
Schrei' auf um Unrecht, das sie dir gethan;
Sie lächeln ihrer Macht und hören's nicht!
NAEMI.
Ein Arm ist frei.
LEA.
O Kinder! meine Kinder!
Ihr solltet Helden, solltet Kön'ge sein; –
O wärt ihr Bettler, doch ich hätt' euch hier,
Wär't ihr verachtet, doch in meinen Armen,
Wär't ihr verabscheut, doch an meiner Brust!

Sie ist losgebunden.

[342] Herr, was strafst du die Kinder? Strafe mich!
Such' meine Schuld, Herr, an mir selber heim!
Was schläft dein Donner? Herr, ruf' deinem Blitz!
Laß deine Winde rasen, dein Geschoß,
Den Hagel wirf nach mir; sieh, selber bahn'
Ich deinen Fluten einen Weg zu mir!

Sie reißt ihr Obergewand ab.

Fort, Spangen! Fluch, was glänzt und was verlockt!
Verflucht sei Größe, außen strahlenblendend,
Innen voll Dornen! Ruhm, verflucht seist du,
Ein Treiber ohn' Erbarmen! Winde, peitscht

Sie reißt die Haare los.

Mit meinen eignen Haaren mich! – O still:
Ein Hamster schleicht zu seinem Nest; er hat
Die Backen vollgefüllt für seine Kinder.
Der Vogel auf dem Zweig schrickt aus dem Schlaf,
Ein Habicht hat die Kinder ihm geraubt,
So träumt er, und er rafft sich auf, der Schwache,
Vom Starken sie zu retten. Seht mich, Mütter
In Feld und Wald, am Himmel und auf Erden,
Hier, eine Mutter, unnatürlich, wie
Sonst keine! Sieben Söhne, wie sie nie
Ein Mutterauge schöner sah, hat sie
Sie selbst verderbt! Helft mir der Tig'rin fluchen!
O, keine Tig'rin hätte das gethan! –
Der am einsamen Bett der Hindin steht, –
Ihr aushilft in der Stunde der Geburt,
Wenn ihre Seele zagt, Herr, sich verblutend
Ein Mutterherz aus sieben Todeswunden,
Das ganze Weib ein brechend Mutterherz,
Und sprich: Es ist genug!

Sie sinkt zusammen.
NAEMI
sie haltend.
Herrin, du sinkst,
Erquicke dich an diesem Quell.
LEA
matt.
Wer spricht?
Die Ährenleserin, die heut mich aufhob
[343] Und führte? Geh' und sei gesegnet; ist's
Auch nur der Segen eines armen Weibes.
Geh' heim; ich bleibe hier; ich will hier sterben.
NAEMI.
Von ihrem Schmerz erfüllt, kennt sie mich nicht.
Trink', Herrin!
LEA.
Deine Stimme thut mir weh.
Geh, Mädchen! Mädchen? Nein, du bist kein Mensch!
Die Mutter trinken, wenn die Kinder schmachten?
NAEMI.
Um deiner Kinder willen stärke dich,
Daß du sie rettest!
LEA
wie erschreckt.
Rettest? Was sagst du?
Sie rettest?
NAEMI.
Ist der König doch ein Mensch;
Er wird die Kinder deinem Fleh'n nicht weigern.
LEA.
Er wird – bist du ein Engel? wird er? ja!
Er wird! Kenntest du meinen Benjamin;
Sähst du ihn lächeln, o, du müßtest sagen:
Er kann den Kindern nichts zuleide thun!
Fort! Weh' mir! Nun ich retten könnte, bin ich
Gelähmt.
NAEMI.
Hier trinke, daß dein Geist zurückkehrt
Zu dir. Ich führe dich und, wirst du matter,
So trag' ich dich –
LEA.
Gib! Gib den Trank. Vergebt
Mir, Kinder, daß ich trinke!

Sie trinkt.

Trink' ich doch
Nur, euch zu retten. – Sieh, nun bin ich stark.
Doch wohin führt der Weg zum Syrier nun?
NAEMI.
Schon such' ich ihn. Hörst du die fernen Klänge?
[344] Ein Bußpsalm – dorther kommt er, wo das Licht
Der Nacht den milden Silberduft sich selbst
Voranschickt und den breiten, dunkeln Hügel
Abzeichnet, hinter dem's heraufkommt. Dort
Der Hügel muß der Ölberg sein, dort liegt
Jerusalem –
LEA.
Die Stimme! Das ist nicht
Die Ährenleserin –
NAEMI.
Und dort im Thal
Seh' ich des Königs Zelte schimmern. Komm
Den Weg hier; schon wird's hell.

Der Mond geht über Jerusalem auf.
LEA.
Du bist Naemi!
Was willst du dort?
NAEMI.
Die Kinder retten.
LEA.
Du?
Fort! sei barmherzig! – Du, die ich gehaßt?
Die ich verfolgt?
NAEMI.
Du mußtest mich verfolgen,
Damit du endlich meine Treue säh'st.
LEA.
Dem Glücke folg'; ich hab' nichts mehr zu geben.
Zu deinem Vater geh', zu seinen Göttern!
NAEMI.
Ich geh' mit dir, wohin dein Fuß dich führt.
Dein Gott ist mein Gott; wo du stirbst, da sterb'
Ich auch; da will ich auch begraben sein.
Kehr' dich nicht weg. So wahr der Herr lebt, nur
Der Tod soll mich von Judas Mutter scheiden.

Lea sinkt vor ihr auf die Knie.
[345]
NAEMI.
Was thust du, Herrin?
LEA.
Laß mich! Du bist besser
Als ich. Vergib mir, und dann segne mich,
Damit ich gehe!
NAEMI.
Ohne mich?
LEA.
Wohin
Ging ich von nun, daß du nicht mit mir gingest
Als meiner Seele bessrer Teil? O sieh,
Schon hab' ich meiner armen Kinder Erbe
An dich gegeben, meine letzten Thränen. –
Soll dich, das schöne, junge Weib, das Aug'
Der rohen Krieger sehn? Nein, bleibe hier
Und warte mein; bald kehr' ich mit den Kindern.
NAEMI.
Gehorsam deinem Worte bleibt Naemi,
Und es geleiten dich des Herren Engel!

Sie führt sie ab. Von der andern Seite kommen Juda, Usiel und einige Krieger.
JUDA
zu den Kriegern im Auftreten.
Schnell fort und ruft's durchs ganze Israel;
Ich schleiche nach Jerusalem mich durch.
Dort herrscht der Hunger und die Pest; doch hat
Die Herzen nur die Not noch nicht gelähmt,
Und kann ich's halten, bis ihr Hilfe bringt,
Dann, Syrier, sitz' fest auf deinem Thron,
Sonst schüttelt Juda dich wie reifes Obst!

Die Krieger gehen; Naemi kommt zurück.
NAEMI.
Hier im Granatenbusch will ich mich setzen,
Doch schlafen nicht; sonst säh' ich sie nicht kehren.
JUDA
einige Schritt nach hinten.
Wie Sicherheit hier mit bequemem Flügel
[346] Dies Lager brütet. Kein Verhau! Kein Graben!
Ist Juda tot? Ist er ein Thor geworden,
Daß man ihn höhnen darf? Geduld, bis dir
Die ausgefallnen Schwingen wieder wachsen;
Dann zahl' die neue Schuld ihm mit der alten.
Nun nach Jerusalem!
NAEMI
aufschreckend.
Es nahen Männer!
Die Stimme – ja, er ist's!

Sprachlos zu seinen Füßen.
JUDA.
Was will dies Weib?
NAEMI.
Mein Herr!
JUDA
überrascht, er hebt sie auf.
Röslein von Saron! Lilie
Im Garten Salomo!
NAEMI
weinend.
Voll Staub und Blut –
JUDA.
Nichts; nur mein Bett hat abgefärbt.
NAEMI.
Du schliefst
Auf Stein, mein armer Herr? und ohne Polster?
JUDA.
Wie mancher schlief die Nacht gar ohne Kopf.
NAEMI
lachend.
Daß ich dich wieder habe, lieber Herr!
JUDA
sie an sich drückend.
Blüh' auf, mein Röschen, blüh'; hier ist dein Boden.
NAEMI.
So schlug die Nachtigall, wie du zuerst
Hierher mich pflanztest, und so wob der Mond
Um sie und den Granatbusch all sein Gold.
JUDA.
Und doch, mein Röschen, deine Nachtigall
[347] Um einen Mund voll Brot, all deinen Mondschein
Um einen Becher Wein, und wär' er sauer!
NAEMI.
Du Armer hungerst, und ich habe nichts!
JUDA.
Hör', Usiel, ein Rätsel. Sprich, was ist's?
Der Männer hunderttausend sprengen's nicht.
Doch füllt ein einzig flüsternd Weib es aus. –
Doch wie kommst du hierher? Was macht meine Mutter?
Was meine Brüder?
NAEMI.
Deine Brüder sind –
Beim Syrier.
JUDA.
Mehr als ich fürchtete.
Und meine Mutter? wo, als bei den Kindern?
Wie? ja, ich traf's?
NAEMI.
Sie hofft –
JUDA.
Sie hofft –? Kein Weib
War weiser, keine Mutter thörichter!

Zu Usiel.

Ich eile nach Jerusalem; hörst du
Uns aus den Thoren brechen, wirf dein Häuflein
Vom Fels in ihre Sicherheit. Vom Syrier
Hoffst du die Kinder, Mutter? Selbst ein Kind
In deinem Wahn. Der Syrier wird sie geben
Nicht deinem Fleh'n, doch deines Juda Schwert!

Will gehn, bleibt.

Und wenn – nein – bleib' – hinunter, Herz; ich kann
Nicht helfen, Mutter! Mit Jerusalem
Ist Israel verloren. Nein; ich darf
Das Spiel nicht wagen. Hier verblute, Mensch
In Juda; wohn' von hier in dir allein,
Errettung Israels, des Juda Seele!
Ich lasse dich im Schutze Usiels,
Mein Weib. Leb' wohl! Vielleicht sehn wir uns wieder.
[348]
NAEMI.
Nie, wenn du mit Vielleicht Naemi tötest!
Herr, wer giebt dir das Recht, allein zu sterben?
Ich geh' mit dir; mein Leben ist in deinem.
JUDA.
Nicht sterben, leben will ich! Geh'! Leb' wohl!

Er geht einige Schritt nach hinten, Usiel und Naemi nach der Seite; er bleibt stehen und wendet sich unwillkürlich noch einmal nach Naemi; er schämt sich, den wahren Grund seines Umwendens merken zu lassen, und ruft.

Usiel!
USIEL
indem er und Naemi sich wenden.
Ja, Herr; was willst du?
JUDA.
Nichts; es kam
Mir ein Gedanke nur, doch nahm ich ihn
Zurück.

Naemi sprachlos in seinen Armen.

Röslein von Saron –

Er bezwingt sich.

Geh'! Leb' wohl!

Er macht sich los und geht rasch nach hinten, Usiel und Naemi nach der Seite ab.

Verwandlung.


Eine Straße in Jerusalem mit Aussicht nach dem Tempel; Mondschein, Gewitterwolken am Himmel.
Hungernde und Kranke vor den Thüren, vorn ein Weib mit einem Kinde und ein Greis. Simon von der einen, Jonathan von der andern Seite, sehn sich, wenden sich traurig ab, dann fallen sie sich schluchzend in die Arme.
SIMON.
O daß ich nie entrann den Händen Amris!
JONATHAN.
O Simon!
SIMON.
Jonathan!
JONATHAN.
Alles verloren!
Durch Zions Gassen rief ich auf zur Wehr –
Keine Antwort, kaum ein Blick, der matt sich hob,
[349] Als wollt' er fragen: Wer stört mich im Sterben?
Und schwach zurückfiel, eh' er mich erreicht.
SIMON.
Kein lebend Menschenaug' sah, was das meine
Den kurzen Weg durch Akras Straßen sah.
Hier tot ein junges Weib, das Kind verschmachtend
An ihrer Brust, und über sie hinweg
Lacht wild der Wahnsinn ans dem Aug' des Gatten.
JONATHAN.
Ich sah, wie Sterbende sich niederlegten
Gleichgiltig so, als wär's zum Schlaf, und Leichen
Zum Polster nahmen für ihr Haupt, um andern
Denselben Dienst zu leisten.
SIMON.
Hunger dient
Der Pest, und die dem Tod, schrecklich wetteifernd
In ihres Dienstes Hast; und wo nicht Tod,
Da schaut Verzweigung aus den stieren Augen.
Sie haben keinen Fluch mehr, keine Thränen.
Der Feind pocht an das Thor; sie hören's nicht.
Kein Ruf weckt die lebend'gen Leichen mehr.
DAS WEIB
zu Jonathan, sein Gewand fassend.
O, einen Bissen nur! Sieh, Herr, mein Kind
Verschmachtet. Einen Bissen nur, und wär' er
So, daß dein Hund ihn ekelnd liegen ließ!
JONATHAN
reißt sich los, schmerzlich.
Unglückliche, wer giebt mir, euch zu geben?
Wollt' ich von meinem eignen Fleisch dir geben,
Nicht so viel ließ mir Hunger, dich zu sätt'gen.
DAS WEIB.
Um deines Bruders Juda willen, Herr!
Meine Mutter, Herr, und meine sieben Brüder,
Sie hofften bis zum letzten Augenblick:
[350] Käm' Juda nur, dann wären wir gerettet.
Sie starben alle, und kein Juda kam.
JONATHAN.
Unglückliche, hier hilft kein Juda mehr!
GREIS
ohne sich zu bewegen.
Kommt Juda?
WEIB.
Hörst du, Herr? er hörte uns
Den Juda nennen. Mein, mein armer Vater!
SIMON.
Was ist das? Hörst du? Fernes Schrei'n –
JONATHAN.
Das ist
Der Syrier, der unsre Schwäche nutzt.
Auf, Volk Jerusalems! der Syrier stürmt!
Auf! zu den Mauern, Krieger!
SIMON.
Ruf' die Steine:
Sie hören dich; doch diese Leichen nicht.
JONATHAN.
Schon naht der Lärm; er ist schon in den Mauern.
Herr, was beginnen?
SIMON.
Frag' die Weisen hier;
Beredt ist ihre stumme Antwort: Sterben!
JONATHAN.
Doch das ist weder Kriegsgeschrei noch Wehruf!
SIMON.
's ist Jubel –
JONATHAN.
Näher kommt's. Sie rufen –
VOLK
erst noch in der Szene ganz fern.
Juda!
JONATHAN.
Deutlich hör' ich den Ruf: er ist's!
[351]
VOLK.
Er ist's!
DIE HERUMLIEGENDEN
halb aufgerichtet.
Der Juda?
WEIB
zum Greise.
Hörst du, Vater? Juda kommt!
GREIS.
Der Juda –

Er stirbt.
WEIB.
Herr, er stirbt! Weh' mir, er stirbt
Und hat den Juda nicht gesehn!
VOLK
näher jubelnd.
Er ist's!

Die Herumliegenden sitzen voll Spannung, manche raffen sich auf.
SIMON.
Aufrafft sich, was halbtot schon lag; nur einer
Ist aus der Welt, der das vermag.
VOLK
näher.
Der Juda!
Der Vater!
WEIB.
Ja, er ist's!
DIE ÜBRIGEN
sich aufraffend.
Er ist's!
WEIB
zu ihrem Kinde, das sie hoch hebt.
Schau, Joel,
Mein Knäblein, Juda, unser aller Vater!
JONATHAN.
Sieh, wie sie seine Knie umfassen. Kaum
Kann er den Fuß erheben. Lachend, schluchzend
Wie Kinder zu dem lang vermißten Vater,
Dursten sie auf zu seinem Heldenantlitz
Und trinken Mut aus ihm.
SIMON.
Sieh, wie dies Weib
Mit ausgezehrtem Arm ihr Kind erhebt,
Daß es ihn seh'!
[352]
JONATHAN.
Todkranke Greise schleppen
Sich mit der letzten Kraft in seinen Weg,
Nur um des Helden Kleider zu berühren.
O Schauspiel sondergleichen! Wunderanblick!
So wie ein Adler seine Kinder trägt,
So trägt er Israel auf seinen Schwingen.
Wie hinter Scherzen er sein Mitleid birgt,
Der Mann, der seine Tugenden verhüllt,
Daß unsre Armut nicht an sich verzweifle!
SIMON.
Willkommen, großes Herz von Israel!
Laß uns entgegen, wenn es möglich ist,
Dies Volksmeer zu durchschwimmen!

Beide ab.
VOLK
hereindringend, durcheinander.
Die Frauen ihre Schleier schwingend.
Hosianna!
Hosianna in der Höh'! Juda, der Vater!

Juda tritt auf mit Simon und Jonathan. Das Volk kämpft darum, an seinem Weg knieend, seine Kleider zu berühren.
JUDA.
Mein Volk –
VOLK
wie vorhin.
Still, Juda spricht! Tod, wer ihn stört!
JUDA
ist aufgeregt und bezwingt gewaltsam seine Rührung.
Ihr hungert, Kinder? Desto besser wird's
Euch schmecken, wenn der Syrier heimgejagt
An trocknen Rinden kauen muß. Und bald
Jag' ich ihn heim. Nur noch zehn Tage haltet
Jerusalem, dann zieht ein Heer von Brüdern
Heran, euch zu befrein.
JONATHAN.
Zehn Tage, Herr
Und Bruder? –
SIMON.
Kaum drei Tage reicht der Vorrat,
[353] Das Leben ärmlich uns zu fristen, nur
Daß wir nicht sterben.
JUDA.
Steht es so? – Dann hat
Der Herr uns auf uns selbst gestellt, zu zeigen,
Was er vermag. – So bringt, was ihr noch habt,
Zu einer Mahlzeit in des Tempels Vorhof;
Daß Kraft den schwachen Gliedern wiederkehre;
Dann in des Wetters Schutz, und wenn der Mond
Vom Himmel wich, mit leisem Tritte schleichen
Wir in des Syriers Lager uns, die Priester
Mit den Posaunen auf die Berge rings
Umher; und wenn die letzten unsrer Krieger
Im Lager, dann weckt ihr Posaunenruf
Den unsern und ringsum den Ruf der Höhn
Und die Verwirrung in dem Syrierlager,
Die, sich bedrängt von allen Seiten meinend,
Dem Tod im Innern selbst entgegenfliehn,

Es wetterleuchtet.

Was zagen? Lebt der alte Gott nicht mehr?
Zieht er nicht selber seinem Volk zu Hülfe?
Dort in der Wetterwolk' steht er gelagert
Mit allem Himmelsheer. Seht ihr das Glühn
Der Helm'? der Schwerter Glanz? der Speere Blitzen?
In seinen Händen hält er seine Donner;
Die Sterne streiten mit auf ihrer Bahn,
Wie da Deborah einst und Barak siegten.
Nun laßt umarmt uns sitzen bei dem Mahl,
Von dem Gesetz des Herren uns erzählend,
Wie oft dem Volke half sein Helfergott!
Wer einen Feind hat unter seinen Brüdern,
Der such' ihn auf, mit ihm sich zu versöhnen,
Umschling' ihn mit dem Arm, der ihn umschlingt,
Und küss' den Friedenskuß auf seine Stirne,
Daß wir ein heilig Heer sind vor dem Herrn.

Zu dem Weibe, indem er das Kind ihr von den Armen nimmt.

[354] Läßt du dein Kind? – und soll der Herr uns lassen?
Sein Kind? Sein Knäblein Jeschirun?

Er nimmt's auf den Arm und schwingt's in die Höhe.

So wird
Er's heben mit den Armen seiner Macht;
So wird er lächeln, wie dies Kindlein lächelt.

Er gibt das Kind wieder.

Auf, Brüder, nun zum Mahl, und dann zum Sieg!

Er geht ab, Simon und Jonathan umschlingend.
VOLK
indem es ihm, begeistert umarmt, folgt, durcheinander.
Ein heilig Heer des Herrn zum Mahl! zum Sieg!

Alle nach hinten. Vorhang fällt.

Ende des vierten Akts.

5. Akt

[355] Fünfter Akt.

Im Zelte Antiochus'.
Ein Thronsessel mit Baldachin; das Zelt aus prächtigen Stoffen durch von der Decke herabhängende Ampeln erleuchtet. Wenn die Hinterwand sich öffnet, Aussicht über das übrige Lager auf das hoch liegende Jerusalem, erst vom Monde beschienen, der dann von Gewitterwolken verdeckt wird und später untergeht.
Antiochus, Eleazar, Nikanor eben eintretend. Ein Hauptmann als Ordonnanz am Eingang.

NIKANOR
beugt die Knie vor dem sitzenden Antiochus.
Herr, alles ist gethan, was du gebotst.
Des Marterofens Flamme leuchtet weit,
Ein glüh'nder Warnungsfinger, um den Unsinn
Zu schrecken aus des Wahnes altem Trotz.
ANTIOCHUS.
Und noch kein Bote von Jerusalem?
Ein Schritt naht eilend. Ist's der Bote endlich?
Jerusalem ergibt sich?
NIKANOR
der durch den Eingang gesehn.
Hoher Herr,
's ist Gorgias.
ANTIOCHUS.
Den erst ich heimgesandt?
Was wendet den Vermessenen zurück?
GORGIAS
eilend herein, beugt die Knie.
Herr, zürn' der Botschaft, doch dem Boten nicht.
ANTIOCHUS.
Was ist?
GORGIAS.
Du glaubtest auf dem Wege mich.
[356] Schon war ich's, als auf schaumbedecktem Rosse
Mir Lysias entgegenkam.
ANTIOCHUS.
Den ich
Auf meinen Stuhl hieß sitzen, bis ich kehrte?
Was treibt ihn treulos weg von seiner Pflicht?
GORGIAS.
Er war ihr treu; drum mußt' er sie verlassen.
ANTIOCHUS.
Ha, Aufruhr?
GORGIAS.
Eil' und Sorge warf ihn nieder.
Sein Wort an dich heißt: Unzufriedenheit
Mit diesem Judenkrieg, durchs Siegerbeispiel
Der Juden kühn gemacht, trägt frech den Aufruhr
Durch deine Lande. Kehr', Herr, um zu steuern!
ANTIOCHUS.
Was mehr?
GORGIAS.
In deinen Heeren Meuterei.
Drum rechne nur auf das, so mit dir ist,
Auf dies auch rechne, Herr, nicht zu gewiß!
Führ' sie zurück, dann bürg' ich ihre Treue,
Doch gegen Juden –
ELEAZAR.
Die sie erst besiegt?
GORGIAS.
Ich habe manches Sieges stählenden
Einfluß gesehn auf Siegerheere wirken
Und weiß, daß Sieg den Sieg gebiert. Allein
Der bei Ammaus über Waffenlose,
Die selbst dem Schwert die unbewehrte Brust
Entgegenboten, Herr, das war kein Sieg,
Wie er Besiegte schwächt und Sieger stärkt.
Die Krieger überfiel ein Grau'n im Schlachten,
Sie fühlten sich nicht Krieger mehr, nur Mörder.
[357] Die Wut des Feindes weckt die eigne Wut
Und scheucht den Sinn der Menschlichkeit von dannen;
Doch kalt zu morden, das ist grauenhaft.
So kam's, daß die Empfindungslosigkeit,
Mit der die Sterbenden den Tod begrüßten,
Indem sie lächelten und lächelnd starben,
Das Lächeln von der Sieger Wange pflückte
Und bleiche Reu' drauf säte und Besorgnis,
Wie sonst man im Gesicht Besiegter liest.
»Mit solchem Feind zu kämpfen, den solch furchtbar
Gewalt'ger Gott erfüllt, daß er, was menschlich
Im Menschen ist, den Sinn für Schmerz verzehrt?
Sie lachen unsrer Streiche, und wir werden
Die ihren doppelt fühlen, wenn ihr Gott,
Der sie beseelt, es will!« Das und noch Schlimmres
Sagt' ihre Blässe und ihr trüber Blick.
ELEAZAR.
Wenn das erfahrne Auge dasmal nicht
Im fremden las, was in ihm selbst nur stand.
ANTIOCHUS.
Vollende, denn die Wolk' auf deiner Stirn'
Birgt mehr noch.
GORGIAS.
Philipp, dem dein Vater sterbend
Auftrug, daß er zum König dich ernenne,
Braucht diesen Vorwand treulos, die Regierung
Des Reichs sich anzumaßen. Kehrst du nicht,
So geht er weiter. Thu' es, Herr!
ELEAZAR.
Eh' daß
Der Juden Unterwerfung du vollendet?
GORGIAS.
Noch mehr; der Sohn von deines Vaters Bruder,
Demetrius, erhebt den alten Anspruch
Auf deinen Thron. Gelandet ist er schon
An deinem Strand und naht der Hauptstadt eilend,
[358] Und alles fällt ihm zu, wohin er kommt,
Denn er verspricht den Frieden mit dem Juda,
Der großen Scheuche von ganz Syrien.
Kehr' eilend –
ELEAZAR.
Den Triumph des Feinds im Rücken,
Der den Rebellen laut zurufen wird:
»Harrt aus wie wir, wie wir, dann müßt ihr siegen?«
NIKANOR.
Herr, zieht dein Zögern diesen Aufruhr groß,
Rankt sich an seinem Siegerstab die Hoffnung
Der Juden neu empor, und zwischen Feinden
Wirst du erdrückt.
ELEAZAR.
Schickst du den Ruf vom Siege
Voran, besiegst den Arm du durch das Ohr.
Ein Tag beendet alles!
ANTIOCHUS
der Gorgias mit dem abgegangenen und wieder eingetretenen Hauptmann reden sieht.
Ist's der Bote?
GORGIAS.
Die Wache bringt ein Weib. Für Judas Mutter
Gibt sie sich aus, die dich zu sprechen fleht.
ELEAZAR
für sich, erschreckend.
Meine Mutter? Jetzt? Weh' mir! Was bringt sie her?
ANTIOCHUS.
Des Juda Mutter? Geh' und heiß' sie kommen!

Der Hauptmann ab.

Und muß ich's töten, um's zu unterwerfen,
Will ich auf dieses Volkes Leichnam stehn.

Lea wird vom Hauptmann hereingeführt, sie kniet am Eingang des Zeltes nieder. Nikanor führt sie auf den König zu; sie wirft sich schweigend vor dem König nieder; währenddes:
ELEAZAR.
Sie ist's! O welch ein Anblick, Tiger zähmend!
O Mutter! Mutter! Kaum noch halt' ich mich,
[359] Dein heilig Knie in Staub gebeugt zu sehn!
Sturm Gottes, wie du dieses Prachtgefäß
Zerschlugst, von Menschenhoheit überfüllt,
Du konntest seinen Inhalt nicht verschütten;
Noch predigt jede Scherbe Majestät. –
Klag' ich das Schicksal an um meine That?
Still, Eleazar! Dort liegt Grau'n und Schwindel.
Was ich gethan, hätt' ich umsonst gethan.
Verbirg dein Mitleid, schling's zurück in dich;
Ihr hälf' es nicht und dich würd' es verderben!
ANTIOCHUS
nachdem Lea eine Weile vor ihm gelegen.
Wer bist du?
LEA.
Herr, ein Weib, verarmt an allem
Und selbst an Thränen; eine Mutter, Herr,
Die deine Majestät zu flehen kommt:
Herr, bist du Gottes Bild an Macht und Größe,
Sei's auch an Gnade, gieb mir meine Kinder!
ANTIOCHUS.
Sind sie in meiner Hand?
GORGIAS
der mit dem Hauptmann gesprochen.
Drei Brüder, Herr,
Des Juda, von dem Hause Simei
Als Zeichen seiner Treue dir gebracht.
Sie harren deines Spruchs.
ELEAZAR
für sich.
Auch meine Brüder?
Aus allen Adern strömt mein Leben fort.
LEA.
Um deinen Eleazar! gib sie mir.

Sieht um und bleibt auf Eleazar haften, der sich abwendet.
ELEAZAR
für sich.
Nacht, sei mitleidig! birg mich ihren Augen!
[360]
LEA.
O meiner Seele Kind, noch ungeboren
Begnadigt schon mit göttlicher Verheißung,
Mußt du nun so der Mutter Auge fliehn?
Und weh mir! durch der Mutter eigne Schuld?
Herr, sieh ihn an; wie angenagt vom Wurm
Die süße Blüte welkt; gieb mir auch ihn;
Wenn du ihn liebst – und, Herr, ich weiß, du liebst ihn –,
Willst du nicht seinen Tod und giebst ihn mir.
Neig' deinen Scepter, Herr, und sieh, wie schön
Sich Majestät in Dankesthränen spiegelt.
ELEAZAR
für sich.
Halt', Eleazar, dich! Du darfst nicht reden.
ANTIOCHUS.
Du flehst um deiner Kinder Leben?
LEA.
Um
Ihr nacktes Leben.
ANTIOCHUS.
Tod und Leben liegt
In ihrer eignen Wahl.
LEA
erschreckend.
Wie meinst du das?
ANTIOCHUS.
Bekehrung heißt ihr Leben, Weig'rung Tod.
LEA.
Das wolltest du? Herr! Herr! was sprichst du da?
ANTIOCHUS.
So will es das Gesetz Antiochus'.
LEA.
Nein, Herr! Sprich: Das Gesetz, das ich gemacht,
Kann ich vernichten.
ANTIOCHUS.
Bald, das schwör' ich dir,
Soll es euch heil'ger sein als das von Moses.

Zu Nikanor.

[361] Führ' sie zum Marterofen; thu' mit ihnen,
Wie das Gesetz gebeut!
NIKANOR.
So thu' ich, Herr.

Will gehn.
LEA
hält ihn.
Nein, bleibe noch!

Wirft sich wieder nieder vor Antiochus.

Herr, höre mich; laß mich
Nur erst der Schreckensworte Sinn verstehn!
Ihr ungeahnter Klang hat mich erschreckt.
Sieh, meine Sinne schwindeln von dem Schlag.
Abfallen oder sterben? –

Zu Nikanor.

Bleib' noch! – Sterben?
Du kalter Laut, du lügst Gleichgültigkeit.
Wer hört die Angst der Kreatur dir an,
Alles zu lassen, was das Auge sieht,
Das Auge selbst? Und selber was wir hassen,
Wird lieb uns, wenn's es lassen gilt. Wie klein
Der Sprung, und doch liegt eine Welt von Sträuben,
Anklammern angstvoll zwischen seinen Ufern.

Sie hält Nikanor wieder auf, der gehn will.

O alles! alles! Nur nicht Tod! nicht Tod!
Und doch – Herr, bleib noch! Kann ich sie erst sehn?
Wie sind sie? Lassen sie von ihrem Gott?
NIKANOR.
Sie sind voll Trotz.
ANTIOCHUS.
Voll Trotz? Ich will ihn brechen.

Er winkt, Nikanor will gehen.
LEA
hält ihn wieder.
Sie sind voll Trotz? O freilich! Strenge wirkt
Nur Trotz. Mit Drohn verlangten's fremde Männer,
Da bäumt sich in dem Kinde schon der Mann;
Doch wenn die Mutter fleht, da wird der Mann
Zum Kind und läßt sich lenken. Herr, vergönne
Die Frage mir: Darf ich die Kinder sprechen?
ANTIOCHUS.
Wenn du zu ihrem Heile reden willst –
[362]
LEA.
Wie sonst? Wie anders soll die Mutter reden?
Darf ich allein sie sprechen?
ANTIOCHUS.
Laß dir g'nügen –
LEA.
Wie du willst, Herr; ich meinte nur, sprech' ich
Vor deinem Angesicht, sie würden glauben,
Ich rede deine Rede. Sei's darum!

Antiochus winkt; der Hauptmann bringt Johannes, Joarim und Benjamin.
ELEAZAR
für sich.
Antiocha, schütz' du mich, süßes Bild!
BENJAMIN
Lea erblickend und auf sie zulaufend.
Die Mutter! Joarim, da ist die Mutter!
JOARIM.
O Mutter! Mutter!
JOHANNES
umfaßt ihre Knie.
Herrin!
LEA
alle umarmend.
Kinder! Kinder!
ANTIOCHUS.
Zur Sache!
LEA.
Ja, mein Herr; so thu' ich schon,
Dorthin seht. Jener Mann dort ist der König;
Er will euch leben lassen, wenn ihr euch
Von euerm Gott zu seinen Göttern wendet –
BENJAMIN.
Wir haben ihm ja nichts zuleid gethan;
Weshalb sollt' er uns töten?
LEA.
Doch er wird's.
JOARIM.
So laß ihn, Mutter. Er ist nur ein Mensch,
[363] Wie du und ich und meine Brüder sind.
Wir wollen Gott gehorchen, nicht den Menschen.
LEA.
Mein Heldenkind! – Vergib mir, Herr; es ist
Ja so natürlich, daß die Mutter freut,
Wenn ihr die Kinder nachgeartet sind.
Von ihrer Mutter haben sie den Trotz.
Kommt her, du böser Joarim, und du,
Mein Benjamin und mein Johannes; legt
Die Hände mir aufs Haupt, schwört mir, zu thun,
Was ich euch sagen werde!
JOARIM.
Doch nichts wider
Den Herrn!
LEA.
Ich schwör' euch zu für euern Schwur,
Zu euerm Heil nur fordr' ich diesen Schwur.
BENJAMIN, JOARIM, JOHANNES die Hände auf Leas Haupt.
Wir schwören, Mutter!
JOHANNES.
Und nun sprich!
ELEAZAR
bewältigt sich, daß er ihnen nicht laut zuruft.
Schwört nicht!
ANTIOCHUS.
Zeigt ihr den Marterofen, eh' sie spricht!

Die hintere Zeltwand fällt; Aussicht auf das Lager, über dem hinten Jerusalem mit dem Tempel, vom Monde erleuchtet; der Himmel übrigens bewölkt; von der Seite fällt ein Feuerschein auf die Bühne; Wetterleuchten.
LEA
vor dem Feuerschein entsetzt zurückwankend.
Gott Israels!

Kniend.

Herr, sei ein Mensch! Du hattest
Eine Mutter, und du weintest, wie sie starb, –
Gewiß! Du weintest! Herr, du selbst hast Kinder
Und liebst sie, Herr! Gewiß! Du liebst sie, Herr!
Gehorch' ich dir, gehorch' ich nicht – ich muß,
[364] Ich selbst, die Mutter ihre Kinder töten.
O, denke deiner Mutter, deiner Kinder
Und sprich: Es ist genug; lebt euerm Gott!
ANTIOCHUS.
Nun komm zum Ende!
LEA.
Ja, zum Ende komm' ich,
Zu meinem Ende! – Nur so lange, Herr,
Laß mir den Atem, bis ich sie gerettet
Nicht vor des Königs, nur vor deinem Zorn!
Mein Fluch auf den, der brechen wird den Schwur!
Nun hört, was ihr geschworen: Bleibt getreu
Dem Gott der Väter; er allein ist Gott!
Und du nun, Herr, nicht mehr um Gnade fleh' ich:
Sei nur gerecht! Sie können nun nicht anders;
Nur mich laß sterben; ich allein bin schuldig!
ANTIOCHUS.
Nur du sollst leben! Meinen Schwur an deinen!
So fremd sei mir Barmherzigkeit, als dir
Die Mutterliebe ist. – Führt sie zur Marter,
Den Ältesten zuerst, zuletzt den Jüngsten!

Von hier an ferner, allmählich näher kommender Donner.
LEA.
Du bist ein Henker, kennst das Mutterherz;
Ein feiger Henker, der sich schmähen läßt!
Wärst du ein Mann, ich lebte schon nicht mehr,
Um dich zu schmähn!

Antiochus winkt Nikanor; dieser will die Kinder abführen.
LEA
hält Nikanor auf, ununterbrochen sprechend.
Was ras' ich, Herr? Hör' nicht,
Was Wahnsinn aus mir redet. Bei dem Gott
Des Himmels und der Erde! sei ein Mensch!
Nur diesmal sei ein Mensch!
ANTIOCHUS.
Was flehst du mich?
[365] Ihr Tod und Leben steht in deiner Hand.
Du hörtst, ich schwur.

Wendet sich zu gehen.
LEA
kleine Pause des Kampfes.
So schwurst du dein Gericht –
Denn diese wird der Herr, ihr Gott, erwecken,
Wenn du ein Schatten bist im Totenreich.
Thor, der du meinst, die Kinder zu verderben,
Und bist das Werkzeug nur, sie zu erhöhn!
Denn über ihrer Marter wird der Herr
Von seinem Volke wenden seinen Zorn.
Solang' ein Odem weht, wird er sie preisen,
Doch du wirst ewiglich verworfen sein!
ELEAZAR
für sich.
Sie reißt mich fort so wie auf Adlerschwingen.

Da Antiochus wieder winkt, stürzt er vor ihm auf die Kniee; Nikanor bleibt noch erwartend.

Herr, laß sie leben! Herr. laß sie! um mich,
Herr, laß sie leben, ihrem Gotte leben.
Herr, sieh: ich bin ihr Bruder; sieh, ihr Volk
Ist mein Volk; sieh, ihr Gott mein Gott; ich muß
Ihr Schicksal teilen, welches auch es sei.
ANTIOCHUS.
Wirfst du zu früh die Larve hin, Verräter?
ELEAZAR
aufschreiend.
Verräter? Ich, der alles dir geopfert,
Volk, Vater, Mutter, Brüder, Gott und mich?
ANTIOCHUS.
Dem sollt' ich trauen, der sein Volk verriet?
ELEAZAR
auflachend.
Das Herz gerissen aus der Brust und dir
Geopfert und nun weggeworfen wie
Ein totes Werkzeug, das man nicht mehr braucht!
Du bist gerecht, furchtbarer Gott, du strafst
Verräter durch Verräter. Zittre drum,
Tyrann, auch dein Verrat wird sich bestrafen.
[366] Vor deinem Diener zittre, der dir treu ist,
Und zwing' durch Mißtrau'n selbst ihn zum Verrat.
ANTIOCHUS.
Aus meinen Augen!
ELEAZAR.
Strafst du so, Tyrann?
Aus deinem Aug'? Das heißt: aus Nacht und Tod
Ins Leben, in das Licht und in die Freiheit!

Wirft sich den Seinen in die Arme.

Ich hab' euch wieder!
LEA.
Zweimal mir Geborner,
Doppelt mein Kind!
ELEAZAR.
Ich hab' euch wieder, Mutter,
Euch, Brüder! Aus des dunkeln Thales Irrweg
Gerettet, steh' ich an des Vaters Thür.
Sieh, wie sich dir des Herrn Gesicht erfüllt;
Wir alle tragen Kronen jetzt, sind Fürsten
Des Duldens, du der Schmerzen Königin. –
Daß der Tyrann nicht meine, seine Ohnmacht
Füll' uns mit Bangen! – Juda grüß mir noch.
Sag' ihm: ein Königreich warf Eleazar
Von sich – und sag' ihm, daß ich ihn geliebt
Wie – Nun leb' wohl! Sieh her, Tyrann, der du
Dich Sieger meinst, sieh her: wir sind die Sieger!
Wir höhnen deiner Qual und deiner Götter,
Denn mit uns ist der ewig einz'ge Gott.

Er umschlingt Johannes und Joarim und eilt mit ihnen ab, indem er anstimmt und die beiden einstimmen:

Wen er behütet, der kann lachen,
Denn wer ist herrlich so wie er?
Der Herr ist mächtig in den Schwachen,
Schickt seinen Sieg vor ihnen her.
Halleluja!

Nikanor und Gorgias folgen. Die folgenden Reden begleitet der Psalm, bald schwächer, bald stärker, melodramatisch; Donner immer stärker und in kürzeren Zwischenräumen. Der Sturm reißt am Zelte und verlöscht eine Ampel nach der andern; das Mondlicht immer düsterer unter den Gewitterwolken.
[367]
LEA
unwillkürlich nach.
So laßt die Mutter ihr? ohn' eine Thräne,
Ohn' einen Kuß, eh' noch das Mutterherz –
Weh mir! Was thu' ich? Falsche Thräne, fort!
Wollt ihr dem Henker feile Helfer sein?
Wenn jetzt du weinst, hast du sie nie geliebt.
Zu stählen gilt es jetzt, nicht zu erweichen! –
Geht hin, zu kämpfen, wie ein Löwe kämpft,
Geht hin, zu sterben so, wie Lämmer sterben.
Hörst du, mein Kind?

Nach dem Himmel zeigend.
BENJAMIN.
Jehovahs Stimme donnert,
In Wolken donnert hoch der große Gott.
LEA.
Er ist euch nah'; der Herr sieht, wie ihr leidet,
In seines Atems Sturm ist er euch nah',
In seinem Donner redet er zu euch,
Daß über euerm Haupt er wenden will
Den Zorn von seinem Volk. Er will euch rächen
Und euch erwecken wieder von dem Tod.
Vergebens birgst du unter deinem Lächeln
Der Seele Angst, die deine Blässe plaudert!
Wo willst du hinfliehn? wo, Tyrann, wenn er
Herniederfährt im Sturm, um dich zu richten?

Der Sturm verlöscht zwei Ampeln.

So wie er deine Lampen jetzt verlöscht,
So wird er dich verlöschen! – Benjamin,
Hörst du Schaddais Ruf?
BENJAMIN.
Hast keinen Henker,
Tyrann, du mehr für Benjamin?
ANTIOCHUS.
Welch Weib!
Und welch ein Kind! – Im Schein der letzten Ampel
Steht er so wie mein Perseus vor mir da.
[368] Soll's heißen: seine Heere schlug ein Mann,
Ihn selbst ein sterbend Weib mit ihrem Knaben?
Schenk' seinen Schwur ihm, Weib; gehorch' und rett' ihn!

Eine einzige Lampe flackert noch, der Mond ist unter.
LEA.
Rette dich selbst!
ANTIOCHUS.
Und er soll groß –
LEA.
Er ist
Größer als du.
ANTIOCHUS.
Gib ihn dem Leben.
LEA.
Leben
Wird er, wenn dich des Todes Nacht umfängt.
ANTIOCHUS.
Auf deiner Seele last' er denn. Sprich selber
Sein Urteil ihm.
LEA.
Er sterbe. Nehmt ihn hin!

Sie hält ihn, bei ihm knieend, unwillkürlich fest.

Geh'! – Seid barmherzig! Nehmt ihn mir!

Matt, indem sie ihn mit Gewalt fortstößt.

Geh'! Geh'!

Benjamin geht, die Hände erhoben, in den Gesang einstimmend ab. Lea kniet; sie stemmt mit Anstrengung sich auf eine Hand, um nicht zu sinken; ohne zu hören, was gesprochen wird, sieht sie Benjamin starr und atemlos nach. Gorgias kommt eilend zurück.
ANTIOCHUS.
Gehorchen sie?
GORGIAS.
Für solche Menschen, Herr,
Gibt's keine Marter. Sieh und hör' sie selbst.
Ein solch Verachten aller Qual sah ich
An keinem Wesen noch.

Nikanor eilend herein.
NIKANOR.
Herr, laß es enden!
Die Krieger stehn entsetzt. Von Brust zu Brust,
[369] Von Zelt zu Zelt schleicht die Entmutigung.
Die Meuterei hebt schon ihr Schlangenhaupt,
Die Schar, die die Gefangnen soll bewachen,
Befreit sie selber. Aus der Brüder Qual
Weissagen sie das Ende Syriens.
Die Simeiten, die sie dir gebracht,
Zerrissen sie im Zorn; ich konnt's nicht hindern,
»Fort,« hört ich einen rufen, »eh' das Weib,
Das riesige, den Himmel niederbetet,
Uns zu erdrücken!« Andre schwuren drauf,
Judas Posaunen klängen durch die Donner.
Herr, laß dein Schauspiel enden.
ANTIOCHUS
nach kleiner Pause.
Macht ein Ende.

Der Hauptmann ab.

Zum Aufbruch blast! Zurück nach Syrien!

Noch ein aufjubelndes Halleluja, dann schweigt der Psalm plötzlich.
LEA
zusammenbrechend.
Gelobt sei Gott, der Herr! es ist vollbracht.
Nun – end' – dein Werk an mir – sonst trügt, dir untreu,
Dein – Scherge Tod – dich um – die Marterlust.

Die letzte Ampel verlöscht.
Von allen Seiten Posaunen in den Donner.
ANTIOCHUS.
Posaunen? Sind's die unsern?

Erstes Frührot; das Gewitter verzieht sich.
Judas Gefolge erst noch in der Szene.
JUDAS GEFOLGE.
Schwert des Herrn
Und Juda!
GESCHREI IM LAGER.
Ein Überfall! Ein Überfall!

Von der einen Seite kommt Juda mit Gefolge; von der andern Syrier, alle mit bloßen Schwertern.
JUDA.
Birg, Syrierkönig, dich im Kern der Erde,
Der Juda gräbt sich nach! – Du bist's; sonst lügt
Dein stolzes Angesicht. Steh meinem Schwert!
[370]
NIKANOR.
Den König schützt!

Die Syrier scharen sich um Antiochus, sie stehn bis in die Coulissen hinein, sodaß man an ihre Menge gegen Judas Häuflein glauben kann.
ANTIOCHUS.
Halt' ein! Bist Juda du,
Scheuch an die Seit' zurück der Deinen Schwerter
Und hör' mich reden. Nicht aus Furcht – sieh her,
Unübersehbar folgen meine Treuen.
Ihr seid vom Hunger abgezehrt, die Meinen
Sind stark; was irgend Sieg verspricht, das steht
Auf meiner Seite.
JUDA.
Wer den Sieg verspricht,
Ist unser Gott, der Herr, der uns beseelt.
Bist deines Schwerts du so gewiß, was ziehst du
Die Zunge? Zieh' dein Schwert!
ANTIOCHUS.
Wollt' ich's bekränzt
Vom Siege sehn, so zög' ich's; doch den Frieden
Zu reichen genügt die unbewehrte Hand.
Ich will euch nicht vertilgen. Lebt fortan
Und sterbet euerm Gott; bei meinen Göttern
Und euerm Gott schwör' ich's.
JUDA.
Gib mir die Mutter,
Die Brüder, die Gefangnen meines Volkes,
Und zieh' in Frieden.
ANTIOCHUS.
Deine Brüder kann
Kein Gott dir wiedergeben.
JUDA
wütend, will auf ihn ein.
Kindermörder!

Die Seinen folgen, die Syrier setzen sich zur Wehr; da erhebt sich Lea zwischen beiden mit dem Aufwand der letzten Kraft.
LEA.
Zurück, Sohn Mattathias'! laß ihn ziehn!
Im Namen des, der war und ist und sein wird!
[371] Er spricht durch mich: Zieh', Syrier, hin in Frieden!

Die Syrier ziehen ab; Lea hält Juda zurück.

Und du – setz' nicht der Brüder Sieg aufs Spiel,
Den sterbend sie ersiegten. – Hier hat Gott
Geweilt; – bet an!

Sie sinkt; Juda hält sie.
JUDA.
Wie wird dir?
LEA
immer schwächer.
Meine Leiche
Und deiner Brüder bring zu Mattathias
In unser Erbbegräbnis nach Modin.
Dann nach Jerusalem und reinige
Sein Haus vom Heidengreul und weih's ihm neu.
Noch nach Jahrtausenden wird unser Volk
Das Fest von Judas Tempelweihe feiern.
Wie Moses das gelobte Land, so zeigst
Du meinem letzten Blick die Herrlichkeit,
Die neue deines Volks, und so – wie Mose –
Sterb ich – dich – preisend –

Sie stirbt; Juda läßt sie nieder und kniet bei ihr.
Jonathan, Simon, jüdische Krieger, Priester und Volk. Sonnenaufgang, der Himmel ist rein; ein ferner Donner verhallt leise bis zum Ende des Stücks.

KRIEGER, PRIESTER, VOLK.
Fort ist der Tyrann!
Juda sei König! Juda sei's, der Retter!
JUDA
halb für sich.
Er braucht den Starken nicht; er haucht die Schwäche
Mit seinem Odem an, und sie wird Sieger;
Es überhebe keiner sich vor Gott. –
Nehmt auf den toten Leib!

Es geschieht; er steht auf.

Sein Priester will
Ich sein, doch König ist allein der Herr!

Er erhebt den Speer; indem man sich zum Abzug ordnet, einige Posaunenaccorde; der Vorhang fällt schnell.

Ende des Stückes.

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TextGrid Repository (2012). Ludwig, Otto. Dramen. Die Makkabäer. Die Makkabäer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2422-0