Lukian
Göttergespräche
(Theōn dialogoi)

1. Befreiung des Prometheus

[271] I. Befreiung des Prometheus.

Prometheus, Jupiter.


PROMETHEUS. Laß mich los, Jupiter, du hast mich lange und schrecklich genug leiden lassen.

JUPITER. Dich sollt ich loslassen, dich, der immer noch zu gelinde bestraft wäre, wenn ich dich mit dreimal schwereren Fesseln belegt und dir den ganzen Kaukasus auf den Kopf gewälzt hätte? Dich, dem sechzehn Geier für einen nicht nur die Leber, sondern die Augen ausfressen sollten, um dich nach Verdienen dafür zu bestrafen, daß du uns eine so widersinnische Art von Tieren wie die Menschen auf die Welt gesetzt, das Feuer vom Himmel gestohlen und, was noch das ärgste ist, die Weiber erschaffen hast! Denn wie du mich selbst bei der Austeilung des Opferfleisches betrogen, da du mir nichts als Knochen mit Fett bedeckt vorsetztest und das Fleisch für dich behieltest, davon mag ich gar nicht reden.

PROMETHEUS. Bin ich nicht genug dafür gestraft, daß ich schon so viele tausend Jahre, an den Kaukasus angeschmiedet, diesen verdammten Adler mit meiner Leber füttern muß?

JUPITER. Und doch ist es nur der kleinste Teil dessen, was du zu leiden verdient hast.

PROMETHEUS. Ich verlange meine Freiheit nicht umsonst, Jupiter; ich will dir etwas dafür entdecken, das von der größten Wichtigkeit für dich ist.

JUPITER. Du willst mir was weismachen, Prometheus?

PROMETHEUS. Was könnte mir's helfen? Du würdest gewiß nicht vergessen, wo der Kaukasus liegt, und es würde dir nicht an Fesseln fehlen, wenn herauskäme, daß ich dir nur eine Nase gedreht hätte.

[271]

JUPITER. Erst will ich wissen, was du mir denn entdecken kannst, das eine solche Gnade wert sei.

PROMETHEUS. Wenn ich dir sage, wohin du jetzt gehest und was du vorhast, wirst du mir dann glauben, was ich dir weissagen will?

JUPITER. Warum nicht?
PROMETHEUS. Du eilest zur Thetis, in der Absicht, sie – wie deine Gemahlin zu behandeln.

JUPITER. Das hat er getroffen! – Aber was nun weiter? Bald sollt ich glauben, daß du mir die Wahrheit sagen werdest.

PROMETHEUS. Nimm dich vor dieser Nereide in acht! Denn wird sie von dir schwanger, so hast du von dem Sohne, den sie gebären wird, das nämliche zu erwarten, was du deinem Vater Kronus getan hast.

JUPITER. Das soll soviel sagen, als er werde mich der Regierung berauben?

PROMETHEUS. Das sei ferne, o Jupiter! Aber daß die Verbindung, die du mit ihr vorhast, dich damit bedrohet, ist gewiß.

JUPITER. Um diesen Preis danke ich für die schöne Thetis! – Dich soll Vulkan für die Warnung wieder in Freiheit setzen.

2. Jupiters Beschwerden gegen Amorn

II. Jupiters Beschwerden gegen Amorn.

Jupiter, Amor.


AMOR. Und wenn ich auch was gefehlt habe, so verzeih es mir; ich bin eben noch ein Kind und unverständig.

JUPITER. Du ein Kind? und bist noch älter als der Japetus! Wie? weil du noch keinen Bart und keine grauen Haare hast, möchtest du gerne für ein Kind passieren, da du doch so alt und so voller Schelmerei bist!

AMOR. Aber was hab ich dir denn, wenn ich so ein Greis bin, zuleide tun können, daß du mich binden willst?

JUPITER. Sind das etwa Kleinigkeiten, du gottloser Bube, daß [272] du, bloß um deinen Mutwillen mit mir zu treiben, alles mögliche schon aus mir gemacht hast? Oder liegt es etwa nicht bloß an dir, daß mich auch nicht eine einzige Sterbliche lieben will, so daß ich mir nicht anders zu helfen weiß, als Zauberei gegen sie zu gebrauchen, und zum Satyr, zum Stier, zum Adler und zum goldenen Regen werden muß, wenn ich ihnen beikommen will. Und was gewinne ich damit? Sie lieben den Stier oder Schwan und sterben vor Angst, sobald sie mich in meiner eigenen Gestalt sehen.

AMOR. Das geht sehr natürlich zu; wie sollten sie, da sie nur Sterbliche sind, Jupiters Anblick ertragen können?

JUPITER. Wie kommt es denn, daß Apollo sich vom Branchus und Hyazinthus lieben machte?

AMOR. Daphne hingegen lief vor ihm davon, wiewohl er ein glattes Kinn und die schönsten Haare von der Welt hat. Wenn du geliebt sein willst, so lege deinen Blitz und diese fürchterliche Ägide beiseite, mache dich so angenehm als möglich, laß deine struppichten Locken fein auskämmen, zu beiden Seiten zierlich aufwinden und mit einer goldenen Haarbinde zusammenschlingen, zieh einen schönen Purpurrock und Halbstiefel von vergoldetem Leder an, laß Pfeifen und Pauken vor dir hergehen, und siehe dann, ob du nicht ein schöneres Gefolge von Nymphen bekommen wirst als Bacchus selbst.

JUPITER. Geh mit deinem albernen Rate! Ich verlange um diesen Preis nicht, liebenswürdig zu sein.
AMOR. So solltest du auch den Liebhaber nicht spielen wollen. Das wäre doch so schwer nicht?

JUPITER. Schwer oder nicht, dem Vergnügen der Liebe will ich nicht entsagen, ich will nur, daß es mir wenig Mühe koste. Dies zu bewerkstelligen ist deine Sache, und unter diesen Bedingungen soll dir diesmal noch verziehen sein!

[273]

3. Io

III. Io.

Jupiter und Merkur.


JUPITER. Merkur!
MERKUR. Was befiehlt der Herr Vater?
JUPITER. Du kennst doch die schöne Tochter des Inachus?
MERKUR. Die Io meinst du? O ja.
JUPITER. Kannst du dir vorstellen, daß das arme Ding zur Kuh gemacht worden ist?
MERKUR. Das wäre! wie kam es, daß sie so transfiguriert wurde?

JUPITER. Einer so eifersüchtigen Frau wie Juno ist alles möglich, aber sie hat der Unglücklichen einen noch schlimmern Streich gespielt: sie hat ihr einen gewissen vielaugichten Kuhhirten, namens Argus, einen Kerl, der gar nicht weiß, was schlafen ist, zum Wächter gegeben.

MERKUR. Was ist da zu tun?

JUPITER. Nichts als daß du nach Nemea, wo er weidet, hinabfliegen, den Argus töten, die Io aber nach Ägypten führen und zur Isis machen sollst. Dort soll sie künftig als eine Göttin verehrt werden, den Ergießungen des Nils vorstehen und den Seefahrern günstige Winde geben und ihre Schutzpatronin sein.

4. Ganymed

IV. Ganymed.

Jupiter und Ganymed.


JUPITER. Nun, mein lieber Ganymed, sind wir an Ort und Stelle angekommen. Küsse mich, mein Püppchen, damit du siehest, daß ich keinen krummen Schnabel, keine scharfen Klauen und keine Flügel mehr habe, wie es dir vorkam, da ich ein Vogel zu sein schien.

GANYMED. Wie, Mann? du warst doch nicht der Adler, der vor einer kleinen Weile herabgeflogen kam und mich mitten aus meiner Herde davonführte? wo wären denn deine [274] Flügel hingekommen? und warum siehst du denn jetzt ganz anders aus?

JUPITER. Das kommt daher, mein Kind, weil ich weder ein Mensch noch ein Adler, sondern der König der Götter bin, der die Adlersgestalt nur annahm, weil sie ihm zu seiner Absicht bequem war.

GANYMED. Was du sagst! Du bist also der Pan, von dem ich schon soviel gehört habe? Aber wo ist denn deine Pfeife? und warum hast du keine Hörner und keine Bocksfüße?

JUPITER. Meinst du denn, es gebe sonst keinen Gott als ihn?

GANYMED. In unserm Dorfe weiß man von keinem andern; darum opfern wir ihm auch einen ganzen Bock vor der Höhle, wo sein Bild steht. Du magst mir wohl einer von den garstigen Leuten sein, die die Menschen stehlen und dann für Sklaven verkaufen!

JUPITER. Sage mir einmal, hast du den Jupiter nie nennen hören und auf der Spitze des Ida nie den Altar des Gottes gesehen, der Regen, Blitz und Donner schickt?

GANYMED. Du wärst also der feine Herr, der uns neulich das entsetzliche Hagelwetter auf den Hals schickte? der, wie sie sagen, da oben wohnt und das Krachen in den Wolken macht und dem mein Vater neulich den Schafbock opferte? – Aber was hab ich denn begangen, daß du mich so davongeführt hast, o König der Götter? Nun werden meine Schafe indessen in die Wildnis geraten sein und sind vielleicht schon von den Wölfen aufgefressen worden.

JUPITER. Was kümmern dich die Schafe? Du bist nun unsterblich und bleibst bei uns.
GANYMED. Wie? du willst mich nicht heute noch nach dem Ida zurückbringen?
JUPITER. Gewiß nicht! Wofür wär ich aus einem Gott ein Adler geworden?

GANYMED. Aber da wird mein Vater böse auf mich werden, wenn er mich nirgends finden kann, und ich werde Schläge dafür kriegen, daß ich meine Herde im Stiche gelassen habe!

JUPITER. Er soll dich nicht wieder zu sehen bekommen.

GANYMED. Nein, nein! ich will wieder zu meinem Vater! – [275] Schmeichelnd. Wenn du mich wieder zurückbringst, so versprech ich dir, er soll dir noch einen Widder dafür opfern; den großen dreijährigen, der immer vor der Herde hergeht, wenn ich sie auf die Weide treibe.

JUPITER vor sich. Wie offen und unschuldig der Junge noch ist! noch ein völliges Kind! – Mein lieber Ganymed, du mußt dir alle diese Dinge aus dem Sinne schlagen und gar nicht mehr an den Ida und deine Herde denken. Du bist nun ein Himmelsbewohner und wirst von hier aus deinem Vater und Vaterlande viel Gutes tun können. Statt Milch und Käse wirst du Ambrosia essen und Nektar trinken. Du sollst mein Mundschenk werden und, was das vornehmste ist, kein Mensch mehr sein, sondern ein Unsterblicher; und es soll ein Gestirn deines Namens am Himmel funkeln; kurz, es soll dir recht wohl gehen!

GANYMED. Aber wenn ich nun spielen will, wer wird mit mir spielen? Auf dem Ida hatte ich gar viele Knaben meines Alters.

JUPITER. Daran soll es dir hier auch nicht fehlen; ich will dir eine Menge schöner Keulchen geben, und Amor soll dein Spielgesell sein. Fasse nur ein Herz, mein Kind! mach ein fröhliches Gesicht und laß dich nichts mehr anfechten, was da unten ist!

GANYMED. Aber was kann ich euch denn hier nütze sein? muß ich hier etwan auch die Schafe hüten?
JUPITER. Beileibe nicht. Du wirst uns den Nektar einschenken und bei der Tafel aufwarten.

GANYMED. Das ist eben keine Kunst; ich verstehe mich recht gut darauf, Milch einzuschenken und den Efeubecher hinzureichen.

JUPITER. Daß du doch den Hirtenjungen nicht vergessen kannst! Du bist hier im Himmel, sag ich dir, und wir Götter trinken nichts als Nektar.

GANYMED. Schmeckt das besser als Milch?
JUPITER. »Wenn du nur einen Tropfen davon gekostet hast, wirst du keine Milch mehr verlangen.
GANYMED. Aber wo werd ich denn bei Nacht schlafen? Etwa bei meinem Kameraden Amor?
[276]
JUPITER. Närrchen, deswegen hab ich dich ja entführt, daß du bei mir schlafen sollst.

GANYMED. Du kannst's also nicht allein und bildest dir ein, du werdest besser schlafen können, wenn du bei mir liegst?

JUPITER. Bei einem so hübschen Knaben wie du, allerdings!
GANYMED. Was kann die Schönheit zum Schlafen helfen?

JUPITER. O sie führt etwas gar angenehm Einschläferndes bei sich und macht einen viel sanftern Schlaf!

GANYMED. Mein Vater sprach ganz anders. Er wurde immer ungehalten auf mich, wenn ich bei ihm lag und klagte des Morgens, daß ich mich immer hin- und hergewälzt und ihn gestoßen oder im Schlaf aufgeschrien, so daß er gar keine Ruhe vor mir haben können; und deswegen schickte er mich meistens zur Mutter schlafen. Wenn du mich also nur dazu geraubt hast, so kannst du mich immer wieder auf die Erde tragen; denn ich werde dir sehr überlästig sein, weil ich mich so oft umkehre.

JUPITER. Das wird mir eben das angenehmste sein, wenn ich recht viel bei dir wachen und dich nach Herzenslust küssen und drücken kann.

GANYMED. Das magst du! ich werde schlafen und dich küssen lassen.

JUPITER. Das wird sich schon geben. Zu Merkur. Jetzt führe du ihn weg und laß ihn den Trank der Unsterblichkeit trinken. Dann zeige ihm, wie er den Becher mit Anstand reichen muß und bring ihn zurück, damit er sein Amt bei Tafel antreten kann.

5. Ein ehlicher Wortwechsel zwischen Jupiter und seiner Gemahlin

V. Ein ehlicher Wortwechsel zwischen Jupiter und seiner Gemahlin.

Juno, Jupiter, Ganymed als stumme Person.


JUNO. Seitdem du den phrygischen Knaben da vom Ida geraubt und hieher gebracht hast, finde ich dich sehr kalt gegen mich, Jupiter.

JUPITER. Du bist also auch über den unschuldigen harmlosen [277] Jungen eifersüchtig? Ich dachte, nur die Weiber und Mädchen, die gut mit mir stehen, machten dich so übellaunig.

JUNO. Es ist in Wahrheit gar nicht schön an dir und schickt sich sehr übel für die Würde des Monarchen der Götter, deine rechtmäßige Ehegattin sitzenzulassen und da unten auf der Erde in Gestalt eines Schwans oder Stiers oder Satyrs überall herumzubuhlen. Indessen bleiben die Kreaturen doch noch, wo sie hingehören: aber diesen Hirtenjungen da hast du, deiner göttlichen Majestät zur Schmach, sogar in den Himmel heraufgeholt und mir vor die Nase hingesetzt unter dem Vorwande, daß er dir den Nektar einschenken solle; als ob du so verlegen um einen Mundschenken wärest und Hebe oder Vulkan einem so schweren Amt nicht länger vorzustehen vermöchten. Aber freilich nimmst du den Becher nie aus seiner Hand, ohne ihm vor unser aller Augen einen Kuß zu geben, der besser als der Nektar schmeckt, so daß du alle Augenblicke zu trinken verlangst, wenn du gleich keinen Durst hast; ja, du treibst es so weit, daß du den Becher, wenn du ihn nur ein wenig abgetrunken hast, dem Jungen hinreichst und ihn daraus trinken lässest, um das, was er übriggelassen hat, als etwas gar Köstliches aufzuschlürfen; und zwar auf der Seite, die er mit seinen Lippen berührt hat, damit du gleich das Vergnügen zu trinken und zu küssen habest. Und legtest du nicht neulich deine Ägide und deinen Donnerkeil auf die Seite und schämtest dich nicht, trotz deiner Würde und dem großen Bart, den du herunterhängen hast, auf dem Boden zu sitzen und mit ihm zu spielen? Bilde dir ja nicht ein, als ob du deine Sachen so heimlich triebest; ich sehe alles recht gut.

JUPITER. Und was ist denn das so Entsetzliches, Frau Gemahlin, wenn ich etwa, um mir ein doppeltes Vergnügen zu machen, einem so schönen Knaben unterm Trinken einmal einen Kuß gebe? Wenn ich ihm erlaubte, dich ein einziges Mal zu küssen, du würdest mir gewiß kein Verbrechen mehr daraus machen, daß ich seine Küsse dem Nektar vorziehe.

JUNO. Das sind sehr unanständige Reden, Jupiter! So weit [278] soll es hoffentlich mit meinem Verstande nie kommen, daß ich meine Lippen an einem phrygischen Hirtenjungen, und dazu an einem solchen weibischen Weichling, verunreinigen möchte!

JUPITER hitzig. Mäßigen Sie sich in Ihren Ausdrücken, Madame – dieser weibische Knabe, dieser phrygische Hirtenjunge, dieser Weichling –, doch ich will lieber nichts sagen, um mir die Galle nicht noch mehr zu erhitzen!

JUNO. O meinetwegen kannst du ihn gar heuraten! Ich sagte das nur, um dich zu erinnern, was für Unanständigkeiten du mich um deines Mundschenken willen zu leiden nötigest.

JUPITER. So? dein sauberer Sohn Vulkan also, so schmutzig und mit Kohlenstaub bedeckt, wie er von seiner Schmiedesse zu Lemnos kömmt, der sollte also um die Tafel herumhinken und uns den Wein einschenken? Aus solchen Fingern sollten wir den Becher nehmen und uns wohl gar noch, meinst du nicht? an seinen rußichten Küssen laben, vor denen dir doch selbst ekelt, wiewohl du seine Mutter bist? Das würde was Angenehmes sein! das wäre ein Mundschenk, der die Göttertafel zieren würde! Den Ganymed muß man nach dem Ida zurückschicken; denn der ist reinlich und hat Rosenfinger und reicht den Pokal mit Grazie hin und, was dich am meisten ärgert, küßt süßer als Nektar.

JUNO. Also seit uns der Berg Ida dieses schöne kraushaarige Bürschchen auferzogen hat, ist Vulkan nun auf einmal hinkend und mit Kohlenstaub überpudert und ein ekelhafter Anblick für dich geworden! Vorher sahest du von dem allen nichts und ließest dich weder Funken noch Schmiedesse abhalten, dir den Nektar recht wohl belieben zu lassen, den er dir einschenkte.

JUPITER. Liebe Juno, du machst dir nur selbst Verdruß; das ist alles, was du mit deiner Eifersucht gewinnst: denn meine Liebe wird dadurch nur höher gespannt. Im übrigen, wenn es dir zuwider ist, deinen Becher aus der Hand eines schönen Knaben zu nehmen, so laß du dir immerhin von deinem Sohn einschenken; und du, Ganymed, bedienst [279] mich künftig allein! Und mit jedem Becher küsse mich zweimal: wenn du mir ihn reichst und wenn du ihn wieder von mir zurückempfängst. Ganymed fängt an zu weinen. Wie? was weinst du, mein Kind? Fürchte nichts! dem soll es übel bekommen, der dir was zuleide tun wollte!

6. Ixion

VI. Ixion.

Juno und Jupiter.


JUNO. Dieser Ixion, dem du einen so freien Zutritt bei uns verstattest, Jupiter, was meinst du wohl, was er für ein Mann ist?

JUPITER. Ein sehr hübscher Mann, liebe Juno, und ein angenehmer Tischgesellschafter. Würde ich ihn wohl zu meiner Tafel ziehen, wenn er dessen unwürdig wäre?

JUNO. Er ist aber dessen unwürdig und kann nicht länger bei uns geduldet werden.
JUPITER. Was hat er denn Ungebührliches getan?
JUNO. Was er getan hat? Es ist so arg, daß ich es vor Scham nicht sagen kann.

JUPITER. Um so weniger darfst du mir's verschweigen, wenn er was Schändliches begangen hat. Hat er einer unsrer Göttinnen etwas zugemutet? Denn ich merke aus deinem Zögern, daß es so was dergleichen sein wird.

JUNO. Mir selbst und keiner andern, Jupiter, und dies schon eine geraume Zeit her. Anfangs konnte ich lange nicht begreifen, warum er mich immer so starr und unverwandt ansah; mitunter seufzte er auch und hatte die Augen voll Wasser. Wenn ich dem Ganymed den Becher einzuschenken gab, bat er ihn heimlich, ihm aus demselben Becher zu trinken zu geben, und wenn er ihn bekam, küßte er ihn und drückte ihn an die Augen und blinzelte dabei immer nach mir. Nun fing ich an zu merken, daß er mir seine Liebe dadurch zu verstehen geben wolle: aber die Scham hielt mich zurück, dir etwas davon zu sagen, und ich hoffte [280] auch, der Mensch würde von seinem Unsinn endlich ablassen. Aber da er sich nun gar unterstanden hat, mir mündliche Liebeserklärungen zu tun, hab ich ihn auf dem Boden, wo er weinend vor mir hinfiel, liegen lassen, mir die Ohren zugehalten, um die beleidigenden Bitten nicht zu hören, die er zu meinen Füßen vorbrachte, und bin hieher gekommen, es dir anzuzeigen. Siehe nun selbst, was für eine Rache du an dem Menschen nehmen willst.

JUPITER. Ei, der verruchte Kerl! Was? Mich selbst anzutasten und auf der empfindlichsten Seite! Ist's möglich, daß ihn der Nektar bis auf diesen Grad trunken machen konnte? – Aber freilich sind wir selbst schuld daran und treiben die Menschenliebe offenbar zu weit, da wir sie mit uns essen und trinken lassen. Wahrlich, es ist ihnen zu verzeihen, wenn sie bei einem Wein wie der unsrige und über dem Anschauen himmlischer Schönheiten, dergleichen ihnen auf der Erde nie vorgekommen sind, vor Liebe den Verstand verlieren und ihrer zu genießen begehren. Denn Amor ist ein gewalttätiger Tyrann, der nicht nur über die Menschen, sondern zuweilen über uns Götter selbst den Meister spielt.

JUNO. Von dir ist er in der Tat unumschränkter Herr, zieht dich bei der Nase, wie man zu sagen pflegt, ohne den geringsten Widerstand, wohin er will, und verwandelt dich in jede beliebige Gestalt; kurz, du bist, im eigentlichsten Verstande, Amors Eigentum und Spielzeug. Auch weiß ich sehr gut, warum du dem Ixion jetzt so leicht verzeihen kannst. Du erinnerst dich ohne Zweifel, daß du noch in seiner Schuld bist und daß sein vermeinter Sohn Pirithous eine Frucht deiner ehemaligen Vertraulichkeit mit seiner Gemahlin ist.

JUPITER lachend. Erinnerst du dich der kleinen Kurzweile noch, die ich mir ehemals auf der Erde da unten machte? – Aber soll ich dir sagen, was wir mit dem Ixion machen wollen? Ihn zu strafen und von unsrer Tafel wegzujagen, wäre in der Tat zu hart, da der arme Kerl die Liebe im Leibe hat und, wie du selbst sagst, so erbärmlich daran leidet, daß er die hellen Tränen weint.

[281]

JUNO. Und was also? – Du wirst doch nicht fähig sein, deiner eigenen Gemahlin einen beleidigenden Antrag zu tun?

JUPITER. Warum nicht gar! Ich will eine Wolke neh men und eine Art von lebendigem Bilde daraus machen, das dir so gleichsehen soll, als ob du es selbst wärest; und wenn wir von Tische aufstehen, will ich, während er sich schlaflos (wie einem unglücklichen Liebhaber geziemet) auf seinem Lager herumwälzt, das Wolkengebilde neben ihn legen. Das wird ihm, ohne Nachteil deiner Tugend, von seinen Liebesschmerzen helfen, und was kannst du mehr verlangen?

JUNO. Ein schöner Einfall! So sollte er also anstatt der Strafe, die seine übermütige Leidenschaft verdient, noch dafür belohnt werden?

JUPITER. Laß doch! Was kann es dir denn schaden, wenn sich Ixion mit einer Wolke ergötzt?

JUNO. Aber er wird doch die Wolke für mich halten, und so wird es ebensoviel sein, als ob er mich selbst entehrt hätte!

JUPITER. Das sind Spitzfündigkeiten! Die Wolke wird nie zur Juno und du nie zur Wolke werden: bloß Ixion wird getäuscht, das ist die ganze Sache.

JUNO. Gleichwohl, wie die Menschen undelikate Geschöpfe sind, ist er im Stande, wenn er wieder auf die Erde kommt, sich groß damit zu machen und allen Leuten zu erzählen, er habe bei der Juno geschlafen und Jupiters Bette geteilt: ja, er wird sogar kein Bedenken tragen zu sagen, daß ich ihn liebe, und die Leute werden's ihm glauben, weil sie nicht wissen können, daß es nur eine Wolke gewesen ist.

JUPITER. Das wäre ein anderes! Wenn er sich unterstünde, so was zu sagen, so soll es ihm nicht ungenossen hingehen! Dann will ich ihn in den Tartarus hinunter werfen und ihn auf ein Rad binden lassen, und der arme Teufel soll ewig auf dem Rade herumgetrieben werden und mit dieser unaufhörlichen Qual für seine verwegene Liebe büßen!

JUNO. Wenigstens würde es für eine solche Prahlerei nicht zu viel sein!

[282]

7. Merkurs Kindheit und frühzeitige Talente

VII. Merkurs Kindheit und frühzeitige Talente.

Apollo und Vulkan.


VULKAN. Hast du den kürzlich erst gebornen Sohn der Maja schon gesehen, wie er so schön ist und alle Leute anlacht? Es ist nur noch ein Wiegenkind, aber es hat schon alle mögliche Anscheinung, daß etwas sehr Gutes aus ihm werden müsse.

APOLLO. Wie soll ich den ein Kind nennen, Vulkan, oder mir viel Gutes von ihm versprechen, der an Schelmerei jetzt schon älter als Japetus ist?

VULKAN. Wem sollte ein Kind, das kaum auf die Welt gekommen ist, was Böses tun können?

APOLLO. Frage den Neptun, dem er seinen Dreizack gestohlen, oder den Mars, dem er das Schwert heimlich aus der Scheide gezogen; nichts davon zu sagen, daß er mir selbst Bogen und Pfeile gemaust hat.

VULKAN. Ein neugebornes Kind, das sich in seinen Windeln kaum rühren kann!

APOLLO. Du wirst gleich selbst die Erfahrung davon machen, was er kann, wenn er nur erst zu dir gekommen ist.

VULKAN. Das ist er schon.
APOLLO. Und ist dir nichts von deinem Werkzeuge weggekommen? Ist noch alles da?
VULKAN. Alles, Apollo.
APOLLO. Siehe nur recht nach!
VULKAN. Zum Jupiter! ich sehe die Zange nicht.
APOLLO. Du wirst sie unfehlbar in der Wiege des Kleinen finden.

VULKAN. Der hat ja so behende Finger, als ob er die Kunst zu stehlen in Mutterleibe schon studiert hätte.

APOLLO. Und hast du nicht gehört, wie artig er schon plaudert und wie hurtig es ihm von der Zunge rollt? Er macht sogar schon den Pagen bei uns. Und stelle dir vor, daß er gestern den Amor herausfoderte und daß er ihn in einem Augenblick, ich weiß nicht wie, bei den Fersen kriegte [283] und zu Boden warf. Und da wir ihn alle lobten und Venus ihn seines Sieges wegen auf die Arme nahm und küßte, stahl er ihr ihren Gürtel und dem Jupiter seinen Szepter; und wäre ihm der Donnerkeil nicht zu schwer und zu heiß gewesen, er wäre auch mit dem davongegangen!

VULKAN. Das laß mir einen gewandten Jungen sein!
APOLLO. Noch mehr, er ist auch schon ein Musikus.
VULKAN. Woraus schließest du das?

APOLLO. Ich weiß nicht, wo er eine Schildkröte fand. Sogleich machte er sich ein Instrument aus ihrer Schale, befestigte einen Hals mit einer Hand habe daran, setzte einen Steg und einen Sattel drauf, schlug Nägel ein, bespannte es mit sieben Saiten und spielt dir nun so anmutig und meisterlich darauf, daß ich mich selbst nicht mehr hören mag, wiewohl ich mich schon so lange mit der Zither abgebe. Überdies sagte uns seine Mutter, er bleibe nicht einmal bei Nacht im Himmel, sondern schleiche sich aus Vorwitz bis in den Tartarus hinab, vermutlich um zu sehen, ob es was zu stehlen gebe. Denn er hat Flügel, und ich weiß nicht, wie er zu einer gewissen Rute gekommen ist, die eine so wunderbare Kraft in sich hat, daß er die Seelen damit an sich zieht und die Toten in den Tartarus hinunterführt.

VULKAN. Die hat er von mir bekommen; ich gab sie ihm als ein Spielzeug.
APOLLO. Und zum Danke hat er dir deine Feuerzange gemaust.

VULKAN. Gut, daß du mich erinnerst; ich will gleich gehen und sie wieder holen, falls sie sich etwa, wie du sagst, in seinen Windeln findet.

8. Minervens Geburt aus Jupiters Haupt

VIII. Minervens Geburt aus Jupiters Haupt.

Vulkan und Jupiter.


VULKAN. Wozu begehrst du meiner Dienste, Jupiter? Ich bringe dir, wie du befohlen hast, eine so scharfe Axt mit, daß ich Steine auf einem Hieb damit durchhauen wollte.

[284]

JUPITER. Sehr wohl, Vulkan: so haue mir nur gleich den Kopf entzwei.

VULKAN. Du willst mich probieren, ob es in dem meinigen noch richtig sei? Sprich im Ernst und sage mir, was ich tun soll.

JUPITER. Mir den Hirnschädel aufspalten, sag ich dir; gehorche, oder du wirst mich böse machen. Es wäre nicht zum ersten Male. Laß es also nicht darauf ankommen, haue aus allen Kräften zu und zaudere nicht länger. Denn ich kann die Wehen nicht länger ausstehen, die mir das Gehirn zerreißen.

VULKAN. Siehe zu, Jupiter, daß wir kein Unheil anrichten! Die Axt ist scharf; sie wird dir, wenn hier was zu gebären ist, keine so sanfte Hebammendienste tun wie Lucina.

JUPITER. Haue nur herzhaft zu; ich weiß, daß es mir wohl bekommen wird.

VULKAN. Ich gehorche, so schwer es mich auch an kommt; denn was will einer machen, wenn du befiehlst? Er haut Jupitern den Kopf auf. Ha! was ist das? Ein Mädchen in vollständiger Rüstung! Nun wundert es mich nicht länger, daß du so greuliches Kopfweh hattest und eine Zeit her so böser Laune warst! Es ist kein Spaß, eine so große Prinzessin, und von Fuß auf gewaffnet, unter der Hirnhaut auszubrüten! – Wie? Sie tanzt schon den Waffentanz, ohne ihn gelernt zu haben? Wie sie sich dreht und aufhüpft und den Schild schüttelt und den Speer schwingt und von ihrer eigenen Gottheit zusehends immer stärker begeistert wird! Aber das vornehmste ist, daß sie so schön und in so wenigen Augenblicken schon mannbar geworden ist. Sie hat zwar blaugrünlichte Katzenaugen, aber zum Helme steht es ihr nicht übel. Ich bitte dich, Jupiter, laß sie meinen Hebammenlohn sein, gib sie mir zur Gemahlin!

JUPITER. Du verlangst was Unmögliches, Vulkan! Sie will ewig Jungfer bleiben. Ich für meinen Teil wollte dir nicht entgegen sein.

VULKAN. Das ist alles, was ich will; fürs übrige laß mich sorgen; ich will schon mit ihr fertig werden.

[285]

JUPITER weggehend. Wenn dir's so leicht scheint, so mache, was du kannst; ich weiß aber, daß du nicht viel Freude davon haben wirst.

9. Wundervolle Geburt des Bacchus

IX. Wundervolle Geburt des Bacchus.

Neptun und Merkur.


NEPTUN. Kann man vor den Jupiter kommen, Merkur?
MERKUR. Diesmal nicht, Neptun.
NEPTUN. Melde mich nur wenigstens an.

MERKUR. Sei nicht beschwerlich, Neptun; ich sage dir ja, daß er jetzt keine Zeit hat und daß du ihn nicht zu sehen bekommen kannst.

NEPTUN. Hat er sich etwa mit der Juno eingeschlossen?
MERKUR. Nein, es ist ganz was anders.
NEPTUN. Aha, ich verstehe! Ganymed ist drin.
MERKUR. Auch das nicht – kurz, er ist nicht wohl.
NEPTUN. Wie sollte das zugehen, Merkur? Das ist ja unbegreiflich!
MERKUR. Es ist so, daß ich mich schäme, davon zu reden.
NEPTUN. Bin ich nicht dein Oheim? Mir wirst du es doch nicht verschweigen wollen?
MERKUR. Er ist eben von einem jungen Sohn entbunden worden.

NEPTUN. Bist du toll? er entbunden worden? Wer ist denn der Vater? Er wäre also ein Zwitter gewesen, ohne daß wir was davon gemerkt hätten? An seiner Dicke konnte man ihm wenigstens nicht ansehen, daß er schwanger sei.

MERKUR. Da hast du recht; das Kind lag aber auch nicht, wo sie gewöhnlich zu liegen pflegen.
NEPTUN. Es ist also wieder aus dem Kopfe gekommen wie die Minerva?

MERKUR. Diesmal nicht; er ging (weil es doch heraus muß) im Dickbein mit einem Kinde der Semele schwanger.

NEPTUN. Die Natur ist freigebig gegen ihn gewesen, das muß man gestehen! Aber wer ist denn die Semele?

[286]
MERKUR. Eine Thebanerin, der Töchter des Kadmus eine, die von ihm schwanger wurde.
NEPTUN. Und nun hat er für sie geboren?

MERKUR. Ich sehe, daß dir die Sache lächerlich vorkommt, aber es ist doch nicht anders. Ich will dir sagen, wie es damit zuging. Juno, deren Eifersucht dir nicht unbekannt ist, kam hinterlistigerweise an die gute Semele und überredete sie, vom Jupiter zu verlangen, daß er in seiner ganzen Herrlichkeit, mit Blitz und Donner, zu ihr kommen sollte. Jupiter gewährte ihr ihre Bitte: aber darüber geriet das Haus in Brand, und Semele selbst wurde vom Blitz erschlagen. Da er die Mutter nicht retten konnte, befahl er mir, ihr wenigstens das Kind aus dem Leibe zu schneiden und ihm zu überbringen. Weil es aber erst sieben Monat alt und also noch nicht zeitig war, so machte er sich eine Öffnung in den Schenkel und steckte es hinein, um es vollends auszutragen. Nun hat er das Kind endlich nach neun Monaten zur Welt gebracht und befindet sich von den Geburtsschmerzen etwas schwach.

NEPTUN. Wo ist denn das Kind?
MERKUR. Ich mußt es nach Nyssa tragen und unter dem Namen Dionysos den Nymphen aufzuziehen geben.
NEPTUN. Mein Herr Bruder ist also zugleich Vater und Mutter zu dem kleinen Dionysos?

MERKUR. So scheint es. Aber ich kann mich nicht länger aufhalten. Ich muß Wasser für ihn holen und alles übrige besorgen, was bei einer Wöchnerin gebräuchlich ist.

10. Jupiter und Alkmene

X. Jupiter und Alkmene.

Merkur und Helios.


MERKUR. Helios, du sollst heute nicht ausfahren, sagt Jupiter, auch morgen und übermorgen nicht. Dieser ganze Zeitraum soll nur eine einzige lange Nacht sein. Die Horen können also deine Pferde nur wieder ausspannen, [287] und du lösche deine Fackel wieder und ruhe diese Zeit über aus.

HELIOS. Das ist ein ganz neuer und seltsamer Befehl, den du mir da bringst. Glaubt er etwa, daß ich meinen Lauf nicht richtig vollbracht habe oder meine Pferde aus dem Wege austreten lassen, und ist er deswegen so ungehalten auf mich, daß er die Nacht künftig dreimal so lang als den Tag machen will?

MERKUR. Das ist die Ursache nicht; es soll auch nicht immer dabei bleiben; er hat nur für diesmal zu einem gewissen Geschäfte eine etwas lange Nacht vonnöten.

HELIOS. Wo ist er denn jetzt? Woher schickt er dich mit diesem Auftrag an mich ab?
MERKUR. Aus Böotien, von der Gemahlin Amphitryons, bei der er zum Besuch ist.
HELIOS. Das heißt, in die er verliebt ist. Aber hat er dazu an einer Nacht nicht genug?

MERKUR. Auf keine Weise. Es soll bei dieser Gelegenheit an einem sehr großen und kampflustigen Gotte gearbeitet werden, und den in einer einzigen Nacht zustande zu bringen, ist unmöglich.

HELIOS. Viel Glück also zur Ausführung eines so großen Werkes! Aber – weil wir doch hier unter vier Augen sind, Merkur – zu Saturns Zeiten geschahen doch solche Dinge nicht. Er schied sich nicht von Rheas Bette und stahl sich nie vom Himmel weg, um die Nacht zu Theben zu passieren: sondern Tag war Tag, und eine Nacht dauerte keine Minute länger, als es die Jahrszeiten mit sich brachten. Jetzt hingegen muß sich um eines einzigen heillosen Weibes willen die ganze Natur auf den Kopf stellen lassen; meine Pferde müssen durch die zu lange Ruhe steif und der Weg, weil er drei Tage lang unbefahren bleibt, schlechter werden; die armen Menschen müssen indessen elendiglich im Dunkeln leben und, Dank sei dem verliebten Temperament des Götterkönigs! dasitzen und warten, bis der große Athlet, den du uns ankündigst, in dieser langen Finsternis fertig wird.

[288]

MERKUR. Stille, Helios! Deine freie Zunge möchte dir leicht übel bekommen. Lebe wohl! Ich eile zu Lunen und zum Schlafe, um ihnen ebenfalls Jupiters Befehle zu überbringen: jener, daß sie langsamer als gewöhnlich gehe, und diesem, daß er die Sterblichen lange genug gebunden halte, um nichts davon zu merken, daß diese Nacht so lang geworden ist.

11. Endymion

XI. Endymion.

Venus und Luna.


VENUS. Ei, ei, schöne Luna, was die Leute nicht von dir sprechen? Sooft du in deinem Laufe die Grenze von Karien erreichest, hältst du, sagt man, mit deinem Wagen still, um auf den Endymion, der als Jäger auf dem Latmos unter freiem Himmel schläft, herabzuschauen; ja man will wissen, daß du sogar schon mitten aus dem Wege zu ihm herabgestiegen seiest.

LUNA. Frage deinen Sohn, Venus, der ganz allein schuld daran ist.

VENUS. Es ist freilich ein leichtfertiger Junge! Wie hat er nicht mir selbst schon mitgespielt? Bald verleitet er mich, dem Anchises zulieb auf den Ida, bald auf den Libanus zu dem bekannten assyrischen Jüngling. Und um diesen hat er mich noch gar zur Hälfte gebracht, weil ich ihn mit Proserpinen teilen muß, die er ebenfalls in ihn verliebt machte. An Zucht lasse ich es gewiß nicht bei ihm fehlen. Wie oft hab ich ihm nicht schon gedroht, ihm, wenn er seine Bübereien nicht lassen werde, Bogen und Pfeile zu zerbrechen und sogar die Flügel zu beschneiden. Ja, ich hab ihm wohl eher mit meinem Pantoffel den Hintern tüchtig ausgeklopft. Für den Augenblick gebärdet er sich dann freilich ganz demütig und verspricht Besserung; allein, ich weiß nicht, wie in kurzem alles bei ihm wieder vergessen ist. – Aber sage mir doch, liebe Luna, ist Endymion schön? Denn wenn man ja in dies Unglück geraten müßte, [289] so gereicht wenigstens die Schönheit des Gegenstandes zu einigem Troste.

LUNA. Mir, liebe Venus, scheint er sehr schön zu sein: zumal wenn er auf seinem über den Felsen hingespreiteten Jagdpelze schlummert und in der Linken etliche Wurfpfeile hält, die ihm schon aus der Hand entschlüpfen, den rechten Arm aber mit einer unbeschreiblichen Grazie um seinen Kopf herumgebogen hat, so daß die Hand einen Teil seines schönen Gesichtes verdeckt. So liegt er in den reizendsten Schlummer aufgelöst, und sein sanfter Atem ist so rein und lieblich, als wär er mit Ambrosia genährt. Ich gestehe dir, daß ich mich dann nicht enthalten kann, so sachte als möglich herabzusteigen, auf den äußersten Fußspitzen, aus Furcht ihn aufzuwecken, zu ihm hinzuschleichen, und dann – doch wozu brauche ich dir zu sagen, was weiter erfolgt? Genug, ich leugne nicht, daß ich vor Liebe schier von Sinnen komme.

12. Attis und Cybele

XII. Attis und Cybele.

Venus und Amor.


VENUS. Mein Sohn Amor, sieh einmal, was du für Händel anstellst! Ich spreche nicht von dem, was du die Menschen auf der Erde gegen sich selbst und gegen andere zu begehen verleitest, sondern bloß von dem, was im Himmel vorgeht, wo du Jupitern zu allem machst, was dir einfällt, Lunen auf die Erde herabziehest und schuld bist, daß der Sonnengott sich so oft bei Klymenen verspätet und seinen Lauf anzutreten vergißt. An mir, deiner leiblichen Mutter, glaubst du dich vollends gar nicht versündigen zu können. Aber daß du, kleiner Tollkopf, sogar die gute Rhea, die schon eine alte Frau und so vieler Götter Mutter ist, dahin gebracht hast, sich mit solcher Wut in diesen phrygischen Knaben zu verlieben, das ist zu arg. Denn sie ist ja ordentlich rasend, spannt Löwen vor ihren Wagen, schwärmt mit [290] ihren Korybanten, die sie ebenso rasend gemacht hat als sie selbst ist, auf dem ganzen Ida herum und heult um ihren Attis; und von ihren Korybanten schneidet sich der eine Löcher in die Arme, ein anderer läuft mit fliegenden Haaren im Gebürge herum, ein dritter bläst in ein Horn, noch ein andrer schlägt auf eine Trommel oder macht ein Getöse mit zusammengeschlagenen Blechen; kurz, der ganze Ida ist in Aufruhr und fanatischer Wut. Bei solchen Umständen befürchte ich – denn was muß die Unglückliche, die dich zum Unheil der Welt geboren hat, nicht immer befürchten? –, daß Rhea, in einem Anfall von Raserei, oder sollte ich nicht vielmehr sagen, wenn sie noch soviel Besonnenheit hat, ihren Korybanten befehlen könnte, dich zu greifen und in Stücken zu zerreißen oder ihren Löwen vorzuwerfen. Wahrlich, davor bist du keinen Augenblick sicher!

AMOR. Beruhige dich, liebe Mutter, die Löwen werden mir nichts tun; wir sind schon ganz gute Freunde; sie lassen mich willig auf ihren Rücken steigen und sich am Zügel von mir führen, wohin ich will: sie liebkosen mir sogar und lecken mir die Hand, wenn ich sie ihnen in den Rachen stecke, ohne Schaden. Was aber die alte Rhea betrifft, wo sollte sie die Zeit hernehmen, sich um mich zu bekümmern, da sie so ganz in ihrem Attis lebt? – Im übrigen, wenn ich euch auf das Schöne aufmerksam mache, was tu ich daran so Unrechtes? Laßt ihr euch davon hinreißen, so ist das eure Sache; was gebt ihr mir die Schuld? Oder möchtest du etwa, Mutter, von deiner Liebe zum Kriegsgott geheilt sein oder ihn von seiner Leidenschaft für dich geheilt sehen?

VENUS. Du bist ein abscheulicher Junge, es ist gar kein Auskommen mit dir. Es kommt aber gewiß noch eine Zeit, wo du an meine Warnungen denken wirst.

[291]

13. Rangstreit zwischen zwei neugeadelten Göttern

XIII. Rangstreit zwischen zwei neugeadelten Göttern.

Jupiter, Äskulap und Herkules.


JUPITER. So hört doch einmal auf, Äskulap und Herkules, euch zu zanken, als ob ihr noch Menschen wäret. Das schickt sich ja gar nicht für Götter und am allerwenigsten bei Tafel.

HERKULES. Du willst also, Jupiter, daß der Giftmischer da über mir sitze?
ÄSKULAP. Das sollt ich wohl denken, da ich ein besserer Mann bin als er!

HERKULES. Warum, du donnerschlächtiger Kerl? Etwa weil dich Jupiter mit einem Wetterstrahl erschlug, da du tatest, was nicht erlaubt war, und weil du nun, aus Barmherzigkeit, unter die Unsterblichen aufgenommen worden bist?

ÄSKULAP. Du hast also vergessen, Herkules, daß du auf dem Berge Öta verbranntest, weil du mir das Feuer vorrückst?

HERKULES. Es war ein großer Unterschied zwischen meinem Leben und deinem Leben. Ich bin ein geborner Sohn Jupiters, und mein ganzer Lebenslauf war ein beständiger Kampf mit den Feinden der Menschen, von denen ich den Erdboden reinigte – mit Ungeheuern, die ich bezwang, und gewalttätigen Menschen, die ich zur Strafe zog. Du hingegen bist ein Wurzelmann und ein Marktschreier! Kranken Leuten Arzneien einzugeben, dazu magst du allenfalls gut sein; aber keine mannhafte Tat kannst du in deinem ganzen Leben nicht aufweisen.

ÄSKULAP. Freilich war es keine, da ich die Brandblattern heilte, womit du bedeckt warst, als du neulich halbgebraten und von beidem, vom vergifteten Hemde der Dejanira und vom Feuer, so übel am ganzen Leibe zugerichtet, in den Himmel heraufkamst! Übrigens, wenn ich auch sonst nichts zu meinem Behuf sagen könnte, bin ich doch nie ein Knecht gewesen und habe keine Wolle in Lydien gekämmt und keinen purpurnen Weiberrock getragen und bin nie [292] von einer Omphale mit einem goldnen Pantoffel um die Ohren geschlagen worden; auch hab ich nie aus Milzsucht mein Weib und meine Kinder umgebracht.

HERKULES. Wenn du nicht gleich zu schmähen aufhörst, sollst du auf der Stelle erfahren, daß dir deine Unsterblichkeit wenig helfen wird; ich kriege dich zu packen und schmeiße dich zum Himmel hinaus, daß Päeon selbst deinen zertrümmerten Schädel nicht wieder soll zusammenflicken können!

JUPITER. Macht dem Gezänk ein Ende, sag ich, und stört das Vergnügen der Gesellschaft nicht länger, oder ich schick euch beide von der Tafel fort! – Übrigens, Herkules, ist es nicht mehr als billig, daß Äskulap über dir sitze, wär es auch aus keinem andern Grunde, als weil er zuerst gestorben ist.

14. Unglücklicher Tod des schönen Hyazinthus

XIV. Unglücklicher Tod des schönen Hyazinthus.

Merkur und Apollo.


MERKUR. Warum so finster, Apollo?
APOLLO. Weil mir's in meinen Liebesangelegenheiten so hinderlich geht.

MERKUR. Das ist freilich betrübt. Aber darf man fragen, was dich dermalen veranlaßt, dein Schicksal in der Liebe anzuklagen? Geht dir etwa die Geschichte mit der Daphne noch im Kopfe herum?

APOLLO. Das nicht; ich traure nur um meinen Liebling, den Sohn des Öbalus aus Lakonien.
MERKUR. Wie? der schöne Hyazinth wäre tot?
APOLLO. Leider!

MERKUR. Aber woran denn? Wer konnte ein so großer Feind von allem, was liebenswürdig ist, sein, um einen so schönen Knaben zu töten?

APOLLO. Ich selbst hab es getan.
MERKUR. Bist du rasend, Apollo?
[293]
APOLLO. Das nicht; mein Unglück machte mich wider Willen zu seinem Mörder.
MERKUR. Ich wünschte wohl zu hören, wie das zuging.

APOLLO. Er lernte den Diskus werfen, und ich war sein Gespiele dabei. Nun war der verdammteste aller Winde, der Zephyr, auch und schon lange in den Knaben verliebt; weil er aber kein Gehör bei ihm fand, lauerte er auf eine Gelegenheit, sich zu rächen. Indem ich nun den Diskus, wie wir schon so oft getan, in die Höhe werfe, bläst der verfluchte Zephyr vom Taygetus herab und treibt ihn im Herunterfallen dem Knaben mit solcher Gewalt auf den Kopf, daß das Blut gleich stromweise aus der Wunde floß und der Knabe auf der Stelle starb. Wütend verfolgte ich Zephyrn bis an den Berg und verschoß alle meine Pfeile vergebens nach ihm: dem Knaben aber richtete ich zu Amyklä, an dem Orte, wo ihn der unglückliche Diskus niederschlug, einen hohen Grabhügel auf; und aus seinem Blute, Merkur, mußte mir die Erde die schönste und lieblichste aller Blumen hervortreiben, und ich bezeichnete sie mit den Buchstaben der Totenklage. Findest du nun nicht, daß ich Ursache habe, traurig zu sein?

MERKUR. Nein! denn da du wußtest, daß du dir einen Sterblichen zum Liebling erkoren hattest, wie kannst du es übelnehmen, daß er gestorben ist?

15. Eifersucht der zwei schönsten Götter

XV. Eifersucht der zwei schönsten Götter über Vulkans Glück im Heuraten.

Merkur und Apollo.


MERKUR. Aber daß dieser Vulkan, der doch nur ein Krüppel und ein Grobschmied seines Handwerks ist, die schönsten unserer Göttinnen, die Venus und die Charis, zu Weibern haben soll – ist es nicht unausstehlich?

APOLLO. Er ist nun einmal im Heuraten glücklich, Merkur. Indessen wundert es auch mich, wie sie es ertragen können, [294] mit einem Manne zu leben, der immer von Schweiße trieft und von dem beständigen Herabbücken auf seine Esse mit Ruß im Gesicht überzogen ist; und so einen Mann umarmen sie, küssen sie und liegen bei ihm!

MERKUR. Das ist es eben, was mich verdrießt und warum ich den Vulkan beneide. Er läßt uns auf unsere Vorzüge so stolz sein als wir wollen, dich auf dein lockichtes Haar, auf deine Schönheit und auf deine Zither, mich auf meine fechtermäßige Figur und auf meine Leier: wenn's Schlafengehenszeit ist, müssen wir eben doch allein liegen!

APOLLO. Ich spiele überhaupt in Liebessachen immer unglücklich. Mit den beiden einzigen, die ich vor allen und recht inbrünstig liebte, hätte mir's nicht schlimmer gehen können. Der Daphne war ich so zuwider, daß sie lieber zum Baume als mein werden wollte; der arme Hyazinth verlor sein Leben durch einen Diskuswurf; und an ihrer statt habe ich nun Lorbeer- und Blumenkränze.

MERKUR. Ich hatte doch einmal – ohne mich zu rühmen – die Venus –

APOLLO. Wir wissen was davon; es hieß ja sogar, sie habe den schönen Hermaphroditus von dir. Aber, wenn du es weißt, so sage mir doch, wie es kommt, daß Venus und Charis nicht eifersüchtig übereinander sind?

MERKUR. Ich weiß keine andre Ursache, als weil die letztere zu Lemnos mit ihm lebt, Venus hingegen nur im Himmel: überdem ist diese auch zu stark mit ihrem geliebten Mars beschäftigt, um sich um den Schmied viel zu bekümmern.

APOLLO. Glaubst du, daß Vulkan etwas von dieser Intrige wisse?

MERKUR. Ja wohl; aber was will er machen? Mit einem so rüstigen Jüngling, und der noch obendrein Soldat ist, anzubinden, wäre nicht ratsam. Er stellt sich also ganz ruhig; aber er arbeitet in aller Stille an einem gar künstlichen Netze, worin er sie nächstens einmal, wenn sie beisammen sind und – am wenigsten an ihn denken, zu fangen hofft.

[295]

16. Die Götterkönigin macht ihrer Eifersucht über Latonen Luft

XVI. Die Götterkönigin macht ihrer Eifersucht über Latonen Luft.

Juno und Latona.


JUNO spöttisch. Das muß man gestehen, Latona, daß du Jupitern ein paar schöne Kinder geboren hast!

LATONA in gleichem Tone. Wir können nicht alle so schöne Kinder in die Welt setzen, wie dein Vulkan ist.

JUNO. Der ist doch am Ende, so lahm er auch ist, noch zu etwas nütze; denn er ist ein großer Künstler, und die schönsten Möbeln im Himmel sind von seiner Arbeit; auch hat er, mit aller seiner Häßlichkeit, eine schöne Frau bekommen und wird von ihr wert gehalten. Aber was kann man von deinen Kindern sagen? Die eine will es mit aller Gewalt den Männern gleichtun und schwärmt wie eine Wilde in Bergen und Wäldern herum; und seitdem sie neulich zu den Skythen nach Taurien gezogen ist und sich die Reisenden, die dort ankommen, opfern läßt, wissen alle Leute, was ihr Leibessen ist; da sie unter Menschenfressern lebt, kann man sich leicht vorstellen, daß sie auch ihre Sitten angenommen hat. Dein Apollo aber gibt sich die Miene, als ob er alles wisse und könne, macht den Bogenschützen, den Zitherspieler, den Poeten und den Arzt und hat zu Delphi und zu Klaros und zu Didymi Wahrsagerbuden aufgeschlagen, wo er die Leute, die ihn fragen, mit schiefen und zweideutigen Antworten, die man immer auf beide Seiten drehen kann, um ihr Geld bringt. Weil der Narren, die sich von Marktschreiern betrügen lassen, viele sind, so wird er zwar reich dabei: aber verständige Leute wissen, was sie von seinen Wunderkünsten zu halten haben und daß der große Prophet nicht einmal vorhersah, daß er seinen Liebling mit einem Diskus töten und daß Daphne, trotz seiner Schönheit und seiner langen goldenen Locken, vor ihm davonlaufen würde. Ich sehe also nicht, warum du dir einbilden kannst, schönere Kinder zu haben als Niobe.

[296]

LATONA. Oh, ich weiß recht gut, wie diese Menschenfresserin und dieser Lügenprophet dir in den Augen wehetun, wenn du sie unter den Göttern sehen mußt, und wie es dich ärgert, jene wegen ihrer Schönheit und diesen, wenn er bei Tafel auf der Zither spielt, von allen bewundert zu sehen.

JUNO mit affektiertem Lachen. Ich muß über deinen Geschmack lachen. Apollo bewundernswürdig? Er, dem Marsyas, wenn die Musen hätten recht richten wollen, die Haut würde abgezogen haben, da er ohne Vergleichung ein besserer Musikus ist: so aber mußte der arme übervorteilte Tropf das Opfer eines parteiischen Urteils werden. Und wie es um die Schönheit deiner schönen Jungfer Tochter steht, kann man daraus sehen, daß sie den armen Aktäon, wie sie gewahr wurde, daß er sie im Bade gesehen hatte, von seinen eigenen Hunden zerreißen ließ, aus Furcht, er möchte ihre Häßlichkeit unter die Leute bringen. Nichts davon zu sagen, daß sie den Gebärenden schwerlich Hebammendienste tun würde, wenn sie selbst noch Jungfer wäre.

LATONA. Du bildest dir gar zu viel darauf ein, daß du Jupiters Gemahlin und Mitregentin bist, und nimmst dir deswegen etwas mehr Freiheiten gegen andere heraus als sich gebührt. Ich hoffe aber, es soll nicht lange anstehen, bis ich dich wieder weinen sehe, wenn er dich sitzenlassen und auf die Erde hinabsteigen wird, um Stier oder Schwan zu werden.

17. Das Netz des Vulkanus

XVII. Das Netz des Vulkanus.

Apollo und Merkur.


APOLLO. Was lachst du so, Merkur?
MERKUR. Über etwas sehr Lächerliches, das ich gesehen habe, Apollo.
APOLLO. So laß hören, damit ich dir lachen helfen kann.

MERKUR. Venus ist mit ihrem Mars über der Tat ertappt worden, [297] und Vulkan hat sie so künstlich gefangen, daß sie gar nicht loskommen können.

APOLLO. Wie machte er das? Das muß eine lustige Geschichte sein!

MERKUR. Er merkte schon lange was, denke ich, und lauerte nur auf eine gute Gelegenheit, das künstliche Netz (wovon ich dir neulich sagte) anzubringen; und da er sie gefunden zu haben glaubte, legte er's um sein Bette und tat, als ob er sich, einer Arbeit wegen, nach seiner Werkstätte zu Lemnos begeben müsse. Kaum war er fort, so kommt mein Mars, der sich keiner Hinterlist vermuten war, in aller Stille angeschlichen: er wird aber vom Helios erblickt, der dem Vulkan sogleich davon Nachricht gibt. Inzwischen besteigen unsere Verliebten das Bette, und – verwickelen sich (du kannst dir einbilden wie) in dem unsichtbaren Jagdnetze, daß es eine Freude war. Auf einmal kommt Vulkan in eigener Person dazu. Die arme Frau, die sich im Stand der puren Natur befand, hätte vor Scham vergehen mögen, daß sie nichts hatte, womit sie sich bedecken konnte; der Galan aber hoffte anfangs, seine Fesseln zerreißen zu können und sich mit der Flucht zu retten; wie er aber merkte, daß es unmöglich war, legte er sich aufs Bitten.

APOLLO. Und was tat Vulkan? wickelte er sie los?

MERKUR. Nein, so leicht läßt er sie nicht davonkommen. Er hat alle Götter zusammengerufen, um sie zu Augenzeugen seines Glücks im Ehestande zu machen. Du kannst dir die Verlegenheit und Beschämung der beiden Hauptpersonen, in den Umständen und der Attitüde, worin sie zusammengestrickt sind, besser vorstellen, als ich sie beschreiben könnte; es ist ein sehenswertes Schauspiel, das versichere ich dich!

APOLLO. Aber schämt sich denn der Grobschmied nicht, seine eigene Schande so weltkundig zu machen?

MERKUR. O zum Jupiter, er steht dabei und lacht noch lauter als alle andern! Ich für meine Person, wenn ich die Wahrheit gestehen soll, konnte mich nicht enthalten, den Mars, wie ich ihn mit der schönsten aller Göttinnen so zusammengeschlungen sah, noch sehr beneidenswürdig zu finden.

[298]

APOLLO lächelnd. Du wolltest dich also um diesen Preis auch binden lassen?

MERKUR. Und du etwa nicht, Apollo? Komm nur und sieh selbst, und wenn du nicht auf den ersten Blick meiner Meinung bist, dann will ich deiner Weisheit eine große Lobrede halten.

18. Juno macht ihrem Gemahl wegen seines Bastards Bacchus

XVIII. Juno macht ihrem Gemahl wegen seines Bastards Bacchus eifersüchtige Vorwürfe.

Juno und Jupiter.


JUNO. Ich würde mich schämen, Jupiter, wenn ich einen solchen Sohn hätte, wie dein Bacchus ist, der so wollüstig und der Trunkenheit so ergeben ist, daß er gar nicht nüchtern wird und sich kein Bedenken macht, in einem weibermäßigen Kopfschmuck unter den rasenden Dirnen, mit denen er lebt, zu Trommeln, Pfeifen und Klapperbecken zu tanzen und herumzuschwärmen! Wenn er dein Sohn ist, so muß ich gestehen, daß er einem jeden andern ähnlicher ist als seinem Vater.

JUPITER. Gleichwohl hat dieser Weichling, den du nicht weibisch genug beschreiben kannst, Lydien erobert, die Anwohner des Tmolus bezwungen und die Thrazier in seine Gewalt gebracht; ja, er ist mit diesem nämlichen Weiberheer bis in Indien eingedrungen, hat sich ihrer Elefanten bemächtigt, ihr Land eingenommen und ihren König, der ihm zu widerstehen sich erkühnte, gefangen davongeführt; und das alles singend und tanzend, mit keinen andern Waffen als mit efeubekränzten Thyrsusstäben in der Hand, trunken, wie du sagst, und schwärmend. Und wer sich unterstand, ihn zu schmähen oder seiner Mysterien zu spotten, den ließ er entweder mit Weinranken fesseln oder machte, daß der Frevler von seiner eigenen Mutter für ein Hirschkalb angesehen und in Stücken zerrissen wurde. Das waren doch männliche Taten, dächte ich, deren sein Vater [299] sich nicht zu schämen hätte! Daß auch ein wenig Mutwillen und Leichtfertigkeit dabei mit unterläuft, muß ihm nicht so übel ausgelegt werden; zumal wenn man bedenkt, was er nüchtern sein müßte, da er betrunken schon so große Dinge tut.

JUNO. Du scheinst mir in der Laune zu sein, sogar die schöne Erfindung, auf die er sich so viel einbildet, den Weinstock und den Wein, gut zu heißen, ungeachtet du siehest, was die Folgen davon sind und zu was für wilden Ausschweifungen die Betrunknen in ihrem Taumel, der oft zu einer völligen Wut wird, hingerissen werden, wie Ikarius, der erste, den er mit der Weinrebe beschenkte, zum Beispiel dienen kann, der von seinen berauschten Zechbrüdern mit Hacken zu Tode geschlagen wurde.

JUPITER. Das will gar nichts sagen, daran hat weder der Wein noch Bacchus Schuld, sondern bloß, daß die Leute mehr trinken, als ihnen wohltut und als sie ertragen können. Wer im Trinken Maß zu halten weiß, wird nur fröhlicher und ein desto angenehmerer Gesellschafter, und seine Mittrinker können sehr sicher sein, daß sie das Schicksal des Ikarius nicht von ihm zu befürchten haben. Ich sehe wohl, liebe Juno, daß die Eifersucht hier wieder im Spiel ist und daß dir die Semele im Kopfe stecken muß, da du dem Bacchus sogar, was das Beste an ihm ist, zum Verbrechen machst.

19. Warum Amor einige Göttinnen ungeneckt lässt

XIX. Warum Amor einige Göttinnen ungeneckt lässt.

Venus und Amor.


VENUS. Wie kommt es, Amor, daß du, der du über alle übrigen Götter, über Jupitern, Neptun, Apollo, über die Rhea und mich, deine Mutter selbst, Meister geworden bist, Minerven allein unangefochten lässest und daß nur bei ihr deine Fackel ohne Feuer und dein Köcher ohne Pfeile ist?

[300]

AMOR. Ich fürchte mich vor ihr, liebe Mutter; sie hat etwas so Schreckendes und Trotziges in ihrem Blicke und sieht mir überhaupt gar zu mannhaft aus. Wenn ich mich ihr auch einmal mit gespanntem Bogen nähere und sie schüttelt nur ihren Helmbusch, so kommt mich gleich ein solches Grauen an, daß ich am ganzen Leibe zittre und Bogen und Pfeile mir aus den Händen schlüpfen.

VENUS. Ist denn Mars nicht noch fürchterlicher? Und gleichwohl hast du ihn entwaffnet und überwunden.

AMOR. Oh! der läßt mich gutwillig herankommen und ruft mir wohl selbst: Minerva hingegen beobachtet mich immer mit mißtrauischen Augen. Einsmals, da ich bei ihr vorbeiflog und ihr von ungefähr mit der Fackel zu nahe kam, stellte sie sich sogleich in Positur, und: »Wenn du mir näher kommst«, rief sie, »so jage ich dir, bei meinem Vater! die Lanze durch den Leib oder nehme dich beim Beine und schleudre dich in den Tartarus hinab oder zerreiße dich mit meinen eignen Händen in Stücken.« Dergleichen Drohungen stieß sie noch eine Menge aus; und dann macht sie immer eine so grimmige Miene und hat überdies noch einen gräßlichen Kopf mit Schlangenhaaren auf der Brust, vor dem ich mich ganz entsetzlich fürchte; denn er macht mir ein so abscheuliches Fratzengesicht, daß ich gleich davonlaufen muß, sobald ich es ansichtig werde.

VENUS. Du fürchtest dich also, wie du sagst, vor der Minerva und ihrem Medusenkopfe, du, dem Jupiter selbst mit seinem Donnerkeil nicht bange macht? Aber warum sind dir auch die Musen unverwundbar und schußfrei? Schütteln sie etwan auch ihre Helmbüsche gegen dich und halten dir Gorgonenköpfe vor die Nase?

AMOR. Vor denen habe ich Respekt, Mutter; denn sie sehen so ehrwürdig aus und haben immer was zu denken oder zu singen; ich bleibe oft bei ihnen stehen, als ob ich nicht wieder fort könnte, so sehr bezaubert mich ihr Gesang.

VENUS. Nun, so lassen wir auch diese Musen in Ruhe, weil sie doch so ehrwürdig sind; aber was ist denn die Ursache, daß du Dianen nicht verwundest?

AMOR. O der kann ich nicht einmal nachkommen, da sie beständig [301] in den Bergen herumjagt; und dann hat sie auch schon ihre eigene Liebhaberei.

VENUS. Was für eine wäre das, mein Kind?

AMOR. Die Liebe zur Jagd, zu den Hirschen und Hirschkälbern, die sie den ganzen Tag mit solcher Hitze verfolgt, daß sie keiner andern Leidenschaft fähig ist. Denn was ihren Bruder betrifft, wiewohl er auch ein tüchtiger Bogenschütze ist –

VENUS. Ich weiß, was du sagen willst, mein Kind; den hast du ziemlich oft angeschossen!

20. Das Urteil des Paris

XX. Das Urteil des Paris.

Jupiter, Merkur, Juno, Pallas, Venus, Paris, auch Alexander genannt.


JUPITER. Merkur, nimm diesen Apfel da und begib dich damit nach Phrygien zu dem Sohne des Priamus, der die Kühe auf dem Ida weidet, und sage ihm von meinetwegen, weil er selbst schön sei und sich auf Liebessachen besonders gut verstehe, so befehle ich ihm, den Ausspruch zu tun, welche unter diesen Göttinnen die schönste sei; und die Siegerin in diesem Streite soll den Apfel aus seiner Hand empfangen! – Zu den drei Göttinnen. Es ist nun Zeit, daß ihr euch zu euerm Richter verfüget; ich für meine Person mag mit der Entscheidung nichts zu tun haben, da ihr mir gleich lieb seid und ich euch, wenn es nur anginge, recht gern alle drei siegen sähe. Aber auch außerdem ist es eine Unmöglichkeit, einer den Preis der Schönheit zu geben, ohne sich bei den übrigen äußerst verhaßt zu machen. Aus allen diesen Ursachen tauge ich ganz und gar nicht dazu, euer Richter zu sein. Dieser phrygische Jüngling hingegen, zu welchem ihr gehen werdet, ist von königlichem Blute und ein Verwandter des Ganymedes hier, übrigens ein ungekünstelter Sohn der Natur und den niemand eines solchen Schauspiels unwürdig halten kann.

[302]

VENUS. Ich, für meinen Teil, würde mich dem Augenschein getrost unterwerfen, wenn du uns auch den tadelsüchtigen Momus selbst zum Richter setztest. Denn was wollte er an mir zu tadeln finden? Aber diese beiden müssen sich den Menschen auch gefallen lassen.

JUNO. Auch wir fürchten uns nicht, Aphrodite, wenn gleich dein Mars selbst den Ausspruch tun müßte; wer also dieser Paris auch sein mag, wir haben nichts gegen ihn einzuwenden.

JUPITER zu Minerven. Ist dies deine Meinung auch, meine Tochter? was sagst du? du wendest dich und wirst rot? Das ist so was Eigenes bei euch Jungfrauen, über dergleichen Dinge rot zu werden; aber du gibst doch dein Ja durch einen Wink zu verstehen. Geht also; aber daß ihr mir ja nicht über euern Richter ungehalten werdet oder dem armen Jungen was zuleide tut! Denn am Ende ist es doch nicht wohl möglich, daß alle gleich schön sein könnten.

MERKUR. Wir gehen also nun geraden Weges nach Phrygien; ich zeige euch den Weg, und ihr folget mir ganz gemächlich. Habt nur guten Mut! Ich kenne den Paris, es ist ein schöner junger Bursche und eine verliebte Seele obendrein; er schickt sich unvergleichlich zum Richter in solchen Sachen. Er wird ganz gewiß keinen falschen Ausspruch tun.

VENUS. Desto besser für mich, wenn unser Richter so gerecht ist als du sagst. – Ist er noch unverheuratet, oder hat er schon eine Frau?

MERKUR. So ganz unverheuratet ist er wohl nicht, Aphrodite.
VENUS. Was willst du damit sagen?

MERKUR. Soviel ich weiß, hat er eine idäische Dirne bei sich, ein tüchtiges Mädel, wiewohl etwas plump, und – wie sie auf solchen Bergen zu wachsen pflegen. Er scheint eben nicht sehr stark an ihr zu hangen. Aber weswegen tust du diese Frage an mich?

VENUS. Ich fragte nur so, um was zu reden.

PALLAS zu Merkur. Das ist wohl nicht in deiner Instruktion, du da, daß du dich mit ihr in ein besonderes Gespräch einlassen sollst?

[303]

MERKUR. Es hat gar nichts zu bedeuten, Minerva, und ist nichts gegen euch; sie fragte mich bloß, ob Paris noch ledig sei.

PALLAS. Was geht denn das sie an?

MERKUR. Das weiß ich nicht. Sie sagt, sie habe ohne alle Absicht gefragt, bloß weil es ihr so in den Sinn gekommen sei.

PALLAS. Und ist er denn ledig?
MERKUR. Ich glaube nicht.

PALLAS. Aber hat er kriegerische Neigungen? Ist er ruhmbegierig oder nichts als ein gewöhnlicher Kühhirt?

MERKUR. So genau kann ich das nicht sagen: aber da er noch jung ist, so läßt sich vermuten, daß er nicht ohne solche Leidenschaften sein wird und daß es ihn wohl nicht verdrießen sollte, ein großer Kriegsheld zu sein.

VENUS zu Merkur. Du siehst, ich beschreie dich nicht darüber, daß du mit ihr besonders sprichst: so was überläßt Aphrodite gewissen Personen, die immer einen Vorwand finden, ihre üble Laune auszulassen.

MERKUR. Sie fragte mich beinahe das nämliche. Du hast also keine Ursache, es übelzunehmen oder zu denken, daß etwas zu deinem Nachteil vorgefallen sei; ich habe ihr ebenso unschuldig geantwortet als dir. Aber während wir so schwatzen, haben wir schon ein tüchtiges Stück Weges vorwärts gemacht und die Sterne weit hinter uns zurückgelassen. Was hier vor uns liegt, ist Phrygien; denn ich erkenne bereits den Ida und den ganzen Gargarus, und wo mir recht ist, sehe ich auch unsern Richter Paris in eigener Person.

JUNO. Wo dann? Ich seh ihn noch nicht.

MERKUR. Schaue dorthin, Juno, linker Hand; nicht auf die Spitze des Berges, auf die Seite, wo du die Höhle und die Herde siehest.

JUNO. Ich sehe aber keine Herde.

MERKUR. Wie? Du siehst die kleinen Kühe nicht, nur so groß, Er mißt ihre scheinbare Kleinheit an seinem Finger. die dort mitten aus den Felsen hervorkommen; und einen, mit einem krummen Stecken in der Hand; der von der Anhöhe [304] herabläuft und sie zurücktreibt, damit sich die Herde nicht zu sehr zerstreue?

JUNO. Nun seh ich ihn, wenn es der ist.

MERKUR. Er ist's. Weil wir also der Erde so nahe sind, wollen wir uns, wenn es euch gefällig ist, vollends herunterlassen und zu Fuße gehen, damit wir ihn nicht erschrecken, wenn wir so auf einmal aus der Höhe vor ihm herabfielen.

JUNO. Du hast recht, machen wir's so! – Nun da wir auf festem Boden sind, wirst du, Aphrodite, uns wohl am besten den Weg zeigen können; denn du mußt in dieser Gegend überall Bescheid wissen, da du, wie es heißt, öfters hier beim Anchises zum Besuche gewesen bist.

VENUS. Du betrügst dich, Juno, wenn du dir einbildest, daß mich dergleichen Spottreden mächtig verdrießen werden.

MERKUR. Folget nur mir: ich bin in den Zeiten, da Jupiter seine Neigung auf Ganymeden warf, mit dem Ida sehr bekannt worden; ich mußte oft genug herabsteigen, um nach dem Knaben zu sehen; und als er sich in den Adler verwandelte, flog ich neben ihm her und half ihm seinen Liebling tragen. Wenn ich mich recht erinnere, entführte er ihn von diesem nämlichen Felsen, wo er eben unter seinen Schafen saß und auf der Rohrpfeife blies. Auf einmal flog Jupiter auf ihn zu, schlug so sanft als möglich die Klauen um ihn herum, biß mit dem Schnabel in seinen Turban und hob den Knaben in die Höhe, der mit schreckenvollem Erstaunen, den Nacken zurückgebogen, zu seinem Räuber emporsah; indessen ich die Rohrpfeife aufhob, die er vor Schrecken hatte fallen lassen. – Aber nun sind wir unserm Schiedsmanne so nahe, daß wir ihn anreden wollen – Guten Tag, Kühhirt!

PARIS. Dir auch soviel, junger Mann! Was bringt dich zu uns hieher? Und was für Frauensleute hast du da bei dir? Sie sehen mir nicht so aus, als ob sie in diesem Gebürge zu Hause wären; dazu sind sie zu hübsch!

MERKUR. Es sind freilich keine gemeine Frauensleute, mein guter Paris. Du siehest hier die Juno, die Pallas und die Venus vor dir und in mir den Merkur, vom Jupiter abgeschickt. Was zitterst du so und erblassest? Fürchte dich [305] nicht, es soll dir kein Leid widerfahren! Er befiehlt dir nur, über ihre Schönheit den Ausspruch zu tun. Denn da du selbst so schön seist, sagt er, und für einen Kenner in Liebessachen passierest, so überlasse er dir den Ausspruch. Was der Preis dieses Kampfes ist, wirst du auf diesem Apfel lesen.

PARIS. Nur her, laß doch sehen, was er sagt. Er lieset. Die Schönste soll ihn haben! – Aber, gnädiger Herr Merkurius, wie sollte ein bloßer Sterblicher und ein Bauer obendrein, wie ich, Richter in einer solchen Sache sein können? Das geht über den Verstand eines Kühhirten: solche Dinge gehören für die hübschen Herren aus der Stadt. Ja, wenn die Frage von drei Ziegen oder jungen Kühen wäre, da wollte ich nach der Kunst entscheiden, welche die schönste sei! Aber mit diesen Frauen hier ist es ganz ein anders; die sind alle gleich schön, und ich weiß nicht, wie's einer machen soll, um die Augen von der einen auf die andere zu kehren. Man muß sie recht mit Gewalt abreißen, sie wollen nicht fort, was sie zuerst ansehen, daran bleiben sie kleben, und das deucht ihnen das schönste: wenden sie sich auf eine andere, so geht es ebenso; das nächste ist da so gut, daß man daran genug hat und nichts Besseres verlangt. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber mir ist, ich sei von ihrer Schönheit über und über umflossen und umfangen, und es schmerzt mich ordentlich, daß ich nicht wie Argus lauter Auge bin und sie nicht aus meinem ganzen Leibe anschauen kann. Ich glaube also, ich werde mein Richteramt am besten verwalten, wenn ich den Apfel allen dreien gebe. Zudem muß es sich just treffen, daß die eine Jupiters Schwester und Gemahlin und die beiden andern seine Töchter sind; wie sollte das die Wahl nicht noch schwerer machen?

MERKUR. Ich weiß nicht; aber das weiß ich, daß du dich dem Befehl Jupiters nicht entziehen kannst.

PARIS. So bitt ich nur um das einzige, Merkur, bringe sie dazu, daß die beiden, die dabei zu kurz kommen, nicht böse auf mich werden, sondern glauben, die Schuld liege bloß an meinen Augen.

[306]

MERKUR. Das versprechen sie dir; mache also nur, daß du zum Urteil schreitest.

PARIS. Ich will mein Bestes tun, weil es doch nun einmal sein muß. Aber vorher möcht ich doch wissen, ob es wohl genug ist, sie zu sehen, wie sie da sind, oder ob sie sich nicht ausziehen sollten, damit die Untersuchung desto gründlicher ausfallen könnte?

MERKUR. Das kommt bloß auf den Richter an; du hast zu befehlen, wie du es haben willst.
PARIS. Wie ich's haben will? Wenn das ist, so will ich sie nackend sehen.

MERKUR. Die Damen werden sich also gefallen lassen, die Kleider abzulegen: ich will indes anderswohin sehen.

VENUS. Recht schön, Paris! – Ich bin gleich die erste, die sich ohne Bedenken entkleidet, damit du sehest, daß ich nicht bloß »weiße Ellenbogen« habe oder mir auf ein »paar große Augen« viel einbilde, sondern daß ich überall gleich schön bin.

PALLAS. Vor allem andern, o Paris, laß sie ihren Gürtel ablegen, denn sie ist eine Zauberin und könnte dir leicht mit Hülfe desselben ein Blendwerk vor die Augen machen; auch hätte sie sich nicht so mächtig verschönern und so viel Weiß und Rot auflegen sollen, daß sie einer wirklichen Kurtisane gleichsieht, sondern ihre Schönheit ungekünstelt und natürlich lassen sollen wie sie ist.

PARIS. Sie haben recht, was den Gürtel betrifft; also weg damit!

VENUS. Und warum legst denn du, Minerva, nicht auch deine Sturmhaube ab und zeigst dich mit bloßem Kopfe, sondern schüttelst den Federbusch so, als ob du den Richter schrecken wolltest? Fürchtest du etwa, deine wasserblauen Augen möchten ohne das Furchtbare, das sie von deinem Helm entlehnen, keine sonderliche Wirkung tun?

PALLAS den Helm ablegend. Da siehst du mich ohne diesen Helm!
VENUS den Gürtel ablegend. Da siehst du mich ohne den Gürtel.
JUNO. Nun, so zaudern wir nicht länger! Sie entkleiden sich.
[307]

PARIS. O wundertätiger Jupiter, welch ein Anblick! welche Schönheit! welche Wollust! Was das eine Jungfrau ist! – Was die für einen Glanz von sich wirft! Welche Majestät! Wie königlich, wie ganz Jupiters würdig! – Und diese da, wie holdselig sie einen ansieht! Wie reizend und anlockend sie lächelt! Nein! das ist mehr, als ich auf einmal ertragen kann! – Ich will nun, wenn es euch gefällig ist, jede besonders in Augenschein nehmen: denn so schwanke ich immer hin und her, und sehe so viel Schönes auf einmal, daß ich keinen Augenblick bei einem Gegenstand verweilen kann und selbst kaum weiß, was ich sehe oder wohin ich sehen soll.

VENUS. Wie dir's beliebt.
PARIS. So entfernt euch, ihr beide, und du, Juno, bleibe hier.

JUNO. Ich bleibe; und wenn du mich nun genau besehen hast, so überlege dann auch, ob dir das Geschenk ansteht, das ich dir für deine Stimme zugedacht habe. Wenn du den Ausspruch tust, daß ich die Schönste sei, sollst du gebietender Herr über ganz Asien werden.

PARIS. Mit Geschenken ist bei mir nichts auszurichten. Du kannst dich wieder entfernen; ich werde tun, was mir gut dünken wird – Komm nun du herbei, Pallas!

PALLAS. Hier bin ich; und wenn du mich für die Schönste erklärst, so sollst du in keinem Streit jemals überwunden werden, sondern immer das Feld behalten; denn ich will einen großen Kriegsmann und siegreichen Helden aus dir machen.

PARIS. Mir ist mit Krieg und Streit ganz und gar nicht gedient, Pallas; in Phrygien und Lydien ist's überall Friede, und meines Vaters Reich hat keinen Krieg zu befürchten. Aber sei dem ungeachtet ohne Sorge; es soll dir nicht zu kurz geschehen, wiewohl ich mich nicht durch Geschenke bestechen lasse. Du kannst dich nun wieder anziehen und deinen Helm aufsetzen; ich habe dich hinlänglich betrachtet. Es ist Zeit, daß Venus sich stelle.

VENUS. Hier siehest du mich so nahe, als du verlangen kannst; beschaue mich Stück vor Stück und übergehe nichts, sondern [308] verweile auf jeder einzelnen Schönheit besonders – Wenn du aber willst, schöner Hirt, so höre, was ich dir sagen will. Du bist jung und schön, wie man schwerlich in ganz Phrygien noch einen finden wird; ich preise dich glücklich deswegen, aber ich kann es nicht gutheißen, daß du diesen Felsen nicht schon lange mit der Stadt vertauschet hast, sondern deine Schönheit lieber in einer Einöde verderben lässest, wo sie dir ganz unnütz ist: Denn was kann es deinen Rindern helfen, daß du schön bist? Billig solltest du schon lange vermählt sein; ich meine nicht mit einer Bauerndirne, wie die Weiber auf dem Ida sind, sondern mit irgendeiner schönen Griechin von Argos oder Korinth oder Sparta, wie Helena zum Exempel, die jung und schön ist und mir in keinem Stücke nachsteht, und was das Beste ist, sehr leicht Feuer fängt. Denn du kannst versichert sein, wenn sie dich nur sieht, so wird sie sich in deine Arme werfen und alles im Stiche lassen, um dir zu folgen und mit dir zu leben. – Doch, es ist nicht möglich, daß du nicht schon etwas von ihr gehört haben solltest.

PARIS. Kein Wort, Aphrodite; aber ich will dir mit Vergnügen zuhören, wenn du mir mehr von ihr sagen willst.

VENUS. Sie ist eine Tochter der schönen Leda, auf welche Jupiter in Gestalt eines Schwans herabflog.

PARIS. Wie sieht sie denn aus?

VENUS. So weiß, wie man erwarten kann, da sie einen Schwan zum Vater hat; zart wie eine Person, die aus einem Ei hervorgekrochen, so wohlgewachsen, stark und gewandt wie eine Person, die in allen gymnastischen Spielen geübt ist; kurz, der Ruf ihrer Schönheit ist so groß und die Mannspersonen sind so erpicht auf sie, daß schon ein Krieg um ihrentwillen entstanden ist, als sie vom Theseus entführt wurde, da sie beinahe noch ein Kind war. Seitdem sie aber in ihrer vollen Blüte steht, haben sich alle Fürsten der Griechen um sie beworben. Nun ist sie zwar dem Pelopiden Menelaus zuerkannt worden: wenn du aber Lust hättest, so wollte ich dir zu dieser Heurat verhelfen.

PARIS. Wie? zur Heurat mit einer Person, die schon vermählt ist?

[309]

VENUS. Was für ein Neuling du noch bist, und wie dorfmäßig du noch denkst! Ich muß am besten wissen, wie solche Dinge anzugreifen sind.

PARIS. Wie denn? das möcht ich wohl auch wissen.

VENUS. Du machst eine Reise unter dem Vorwande, Griechenland zu sehen; und wenn du nach Sparta kommst, wird Helena dich zu sehen bekommen; daß sie sich in dich verliebe und dir folge, wird dann mein Werk sein.

PARIS. Aber ebendas kommt mir unglaublich vor, daß sie ihren Gemahl sollte verlassen wollen, um mit einem Fremden und Barbaren zu Schiffe zu gehen.

VENUS. Darüber mache du dir gar keinen Kummer. Ich habe zwei Söhne von sonderbarer Schönheit, den Cupido und den Amor, die ich dir zu Führern auf dieser Reise zugeben will. Amor soll sich ihrer ganz bemeistern und sie zum Lieben zwingen; Himerus hingegen soll sich um dich ergießen und dich so reizend und liebenswürdig machen, als er selbst ist. Auch ich selbst will mit den Grazien bei der Hand sein, und so werden unsrer so viele ja wohl mit ihr fertig werden.

PARIS. Was die Sache für einen Ausgang nehmen wird, Göttin, weiß ich nicht; aber das fühle ich, daß ich Helenen schon liebe; ich weiß nicht, wie es zugeht, aber mir ist, ich sehe sie vor mir und schiffe geraden Weges nach Griechenland und sei zu Sparta angelangt und komme schon mit meiner schönen Beute wieder; und nun ärgert mich's, daß ich das alles nicht schon wirklich tue.

VENUS. Hüte dich, Paris, dich eher in diese Liebe einzulassen, bis du mir, der Stifterin und Brautführerin bei dieser Verbindung, deinen Dank durch einen Ausspruch zu meinem Vorteil gezeigt hast. Um eure Vermählung zustande zu bringen, muß ich erst den Preis in diesem Streit erhalten haben, um zugleich deine Hochzeit und meinen Sieg zu feiern; kurz, es steht bloß bei dir, dein Glück in der Liebe und die schönste Frau in Griechenland mit diesem Apfel zu erkaufen.

PARIS. Ich fürchte nur, wenn ich den Spruch erst getan habe, wirst du dich nicht mehr um mich bekümmern.

[310]
VENUS. Willst du, daß ich dir's zuschwören soll?
PARIS. Das nicht, ich will zufrieden sein, wenn du mir's nur noch einmal versprichst.

VENUS. Ich verspreche dir also, daß ich dir Helenen zur Frau geben will und daß sie dir nach Troja folgen soll; ich will selbst dabei sein und alles für dich zustande bringen.

PARIS. Und du versprichst mir auch, den Amor, den Himeros und die Grazien mitzunehmen?
VENUS. Sei ruhig, und den Pothos und Hymenäus noch dazu.

PARIS. Dafür ist nicht mehr als billig, daß ich dir den Apfel gebe: nimm ihn also auf diese Bedingungen!

21. Mars spottet über eine Gaskonade Jupiters

XXI. Mars spottet über eine Gaskonade Jupiters.

Mars und Merkur.


MARS. Hast du gehört, Merkur, wie uns Jupiter gedroht hat? wie übermütig und ungereimt zugleich? »Wenn es mir beliebt«, sagte er, »so lasse ich eine Kette vom Himmel herunter, und ihr sollt euch alle daranhängen und mich mit aller Gewalt herunterzuziehen versuchen; es wird vergeblich sein, ihr werdet mich nicht von der Stelle bringen: ich hingegen, wenn ich die Kette wieder zurückziehen will, ziehe nicht nur euch, sondern die Erde und das Meer dazu, bis über die Wolken herauf« – und was er sonst noch sagte, wie du gehört haben mußt. Ich, für meinen Teil, will ihm noch gelten lassen, daß er stärker ist als jeder von uns, allein genommen: aber daß er uns allen zusammen so überlegen sein sollte, daß wir ihn nicht einmal zu Boden wägen könnten, wenn wir noch Erde und Meer dazunähmen, das soll er mir nicht weismachen!

MERKUR. Nimm dich in acht, Mars! Es ist gefährlich, so frei zu reden, der Spaß könnte uns übel bekommen.

MARS. Meinst du denn, ich werde so was zu allen sagen und nicht zu dir allein, von dem ich weiß, daß er schweigen [311] kann? Ich kann mir also nicht helfen, ich muß dir noch sagen, was mir am lächerlichsten vorkam, wie ich ihn so prahlen hörte. Es fiel mir ein, denn es ist eben noch nicht so lange her, als Neptun, Juno und Minerva gegen ihn aufstanden und einen Anschlag machten, ihn zu überfallen und zu binden, in wievielerlei Gestalten ihn da die Furcht verwandelte, ungeachtet ihrer nur drei gegen ihn waren: und wirklich, hätte Thetis ihm damals nicht aus Mitleiden den hundertarmigen Briareus zu Hülfe gerufen, er würde zusamt seinem Blitz und Donner gebunden worden sein. Indem ich das bei mir selbst bedachte, konnt ich mich des Lachens kaum erwehren, wie ich ihn so großsprechen hörte.

MERKUR. Stille! Respekt! Es ist nicht sicher für dich, solche Dinge zu sagen, noch für mich, sie anzuhören!

22. Merkur wird wider seinen Willen vom Pan überwiesen

XXII. Merkur wird wider seinen Willen vom Pan überwiesen, daß er sein Vater sei.

Pan und Merkur.


PAN. Guten Tag, Vater Merkur.
MERKUR. O guten Tag auch! Aber seit wann sind wir so nahe Verwandte?
PAN. Bist du denn nicht etwa Merkur von Cyllene?
MERKUR. Das bin ich allerdings; aber wie folgt daraus, daß du mein Sohn bist?
PAN. So ganz mit rechten Dingen ging's wohl nicht zu – ein Kind der Liebe von deiner Fasson.

MERKUR. Zum Jupiter, du siehest eher dem Sohn einer Ziege von der Fasson eines Bockes ähnlich. Wie sollte ich zu einem Sohne mit Hörnern und mit einer solchen Nase und einem solchen Zottelbart und gespaltnen Bocksfüßen und einem Schwanz über dem Hintern gekommen sein?

PAN. Daß du so verächtlich von deinem eigenen Sohne sprichst, [312] Vater, davon hab ich zwar wenig Ehre; aber gewiß, du selbst hast noch weniger davon, daß du solche Kinder in die Welt setzest; ich kann nichts für meine Gestalt.

MERKUR. Wer wäre denn also deine Mutter? Ich bin doch hoffentlich nicht unwissenderweise irgendeiner Ziege zu nahe gekommen?

PAN. Das eben nicht; aber besinne dich nur, ob du nicht einmal in Arkadien einem edeln Mädchen Gewalt angetan hast? Was nagst du so am Finger und tust, als ob du dich nicht besinnen könntest? Ich spreche von der Tochter des Ikarius, Penelope.

MERKUR. Aber was für eine Grille war das von ihr, mich mit einem Sohne, der einem Bock ähnlich sieht, zu beschenken?

PAN. Ich will dir sagen, wie sie selbst die Sache erzählt hat. Wie sie mich nach Arkadien schickte, sprach sie zu mir: »Mein Sohn, ich, deine Mutter, bin die Spartanerin Penelope: wisse aber, daß du einen Gott, den Merkur, Jupiters und Majens Sohn, zum Vater hast. Übrigens laß dich deine Hörner und deine Bocksfüße nicht verdrießen: es kommt bloß daher, weil Merkur, um nicht entdeckt zu werden, die Gestalt eines Ziegenbocks annahm, da er dein Vater wurde.«

MERKUR. Ich erinnere mich nachgerade, daß mir einmal so etwas begegnet sein mag. Aber daß ich, der ich mir immer so viel auf meine Gestalt zugute tat und noch dato ein glattes Kinn führe, für deinen Vater passieren und mich von allen Leuten meiner schönen Zucht wegen auslachen lassen soll, das will mir nicht recht in den Kopf!

PAN. Ich werde dir keine Schande machen, Vater; ich bin ein Musikus und blase dir auf der Rohrpfeife, daß es eine Lust ist; und Bacchus, der gar nicht mehr ohne mich leben kann, hat mich zu seinem beständigen Kameraden und zum Anführer seines Chors gemacht; und wenn du die Herden, die ich bei Tegea und um den Berg Parthenius habe, besehen wolltest, du würdest deine Freude daran sehen! Ganz Arkadien ist mir untertan; und es ist noch nicht lange, daß ich den Atheniensern zu Hülfe zog und mich bei Marathon [313] so gut hielt, daß sie mir die Höhle unter der Burg zur Belohnung meiner Tapferkeit zuerkannt haben. Wenn du einmal nach Athen kommst, wirst du hören, was sich Pan für einen Namen dort gemacht hat.

MERKUR. Weil du denn so eine vielbedeutende Person bist, Pan – denn so deucht mich, nennen sie dich –, hast du dir auch schon eine Gemahlin beigelegt?

PAN. Ich danke dafür, Herr Vater! – Ich bin etwas verliebter Natur, und mich mit einer einzigen zu behelfen wäre meine Sache nicht.

MERKUR lachend. Du behilfst dich vermutlich mit deinen Ziegen?

PAN. Das sagst du doch wohl nur im Spaß? – Oh, ich habe ganz andere Liebschaften! Die Echo, die Pitho und alle Mänaden des Bacchus, so viele ihrer sind, und ich gelte sehr viel bei ihnen, das kann ich dir versichern.

MERKUR. Wohl, mein Sohn, willst du mir was zu Gefallen tun, wenn ich dich darum bitte?
PAN. Du hast zu befehlen, Vater; wir wollen dann sehen, was möglich ist.

MERKUR. Komm her und umarme mich! Aber den Namen Vater laß künftig weg, zumal wenn es jemand hören könnte.

23. Seltsame Ungleichheit dreier Söhne der Liebesgöttin

XXIII. Seltsame Ungleichheit dreier Söhne der Liebesgöttin.

Apollo und Bacchus.


APOLLO. Wer sollte wohl glauben, Dionysus, daß Amor, Hermaphrodit und Priap liebliche Brüder von ebenderselben Mutter sein könnten? Sie, die an Gestalt, Sinnesart und Lebensweise einander so sehr ungleich sind! Denn der erste ist alles, was man schön nennen kann, und weiß den Bogen zu führen und ist mit einer Macht bekleidet, wodurch er Herr der ganzen Welt ist; der andere ist weibisch, nur ein halber Mann und sieht so zweideutig aus, daß man [314] auf den ersten Blick nicht entscheiden kann, ob er ein Jüngling oder ein Mädchen sei; Priap hingegen, der ist sogar mehr Mannes, als sich geziemet.

BACCHUS. Das ist so wunderbar nicht, wie du denkst, Apollo; daran ist Venus nicht schuld, sondern die Verschiedenheit der Väter. Begegnet es doch zuweilen, daß ebendieselbe Mutter von einem Vater mit Zwillingen von verschiedenem Geschlechte niederkommt, wie bei dir und Dianen der Fall war.

APOLLO. Das ist wohl wahr; aber wir sind einander doch ähnlich und treiben einerlei Handwerk; denn wir sind beide Bogenschützen.

BACCHUS. So weit geht auch bloß die Ähnlichkeit: denn Diana schlachtet bei den Skythen die Fremdlinge, du hingegen bist Wahrsager und Arzt.

APOLLO. Bilde dir nicht ein, daß meine Schwester eine so große Freude an den Skythen habe! Sie ist dem Metzeln so gram, daß sie schon darauf gefaßt ist, mit dem ersten Griechen, den der Zufall nach Taurien führen wird, davonzugehen.

BACCHUS. Da wird sie wohl dran tun! Aber wieder auf Priapen zu kommen, von dem muß ich dir was Lustiges erzählen. Neulich, da ich zu Lampsakus war, nahm ich mein Quartier bei ihm; er bewirtete mich nach seinem besten Vermögen, und wir begaben uns endlich zur Ruhe, nachdem wir der Flasche tapfer zugesprochen hatten. Mitten in der Nacht steht mein Herr Urian auf, und – ich schäme mich, weiter zu erzählen.

APOLLO. Ich verstehe – Und was tatest du?
BACCHUS. Was hätt ich tun sollen? Ich lachte ihn aus.

APOLLO. Das war schön an dir, daß du die Sache nicht ernsthaft nahmst und kein Spektakel deswegen anfingst. Es ist ihm zu verzeihen, daß er bei einem so schönen Jüngling wie du sein Glück versuchen wollte.

BACCHUS. Da hätte er noch mehr Ursache, Apollo, dir eine solche Ehre anzutun; deine Schönheit und deine goldnen Locken wären vermögend, einen Priap dahin zu bringen, daß er sogar nüchtern Hand an dich legt.

[315]

APOLLO. Das wird er sich wohl nicht gelüsten lassen, Dionysus: ich führe, außer meinem schönen Haar, auch Pfeil und Bogen zu seinen Diensten.

24. Merkur bricht in ungeduldige Klagen über sein Schicksal aus

XXIV. Merkur bricht in ungeduldige Klagen über sein Schicksal aus.

Merkur und Maja.


MERKUR. Gibt es wohl im ganzen Himmel einen elendern Gott als mich?
MAJA. Rede nicht so ungebührlich, mein Sohn!

MERKUR. Wie, Mutter? ich soll nicht reden dürfen, ich, der ich mit so unendlich viel Geschäften geplagt bin, immer allein arbeiten und mich zu so vielerlei knechtischen Diensten herumzerren lassen muß? Morgens früh, sobald ich aufgestanden bin, ist gleich mein erstes, den Speisesaal auszukehren und die Matratzen in der Ratsstube zurechte zu legen; wenn nun alles in die gehörige Ordnung gebracht ist, dann muß ich bei Jupitern aufwarten und den ganzen Tag hin und her und auf und nieder laufen, um seine Befehle und Botschaften in der Welt herumzutragen. Kaum bin ich wieder im Himmel angelangt, so muß, ohne daß ich nur so viel Zeit habe, den Staub abzukehren, die Ambrosia aufgetragen werden; ehe Ganymed als Mundschenk heraufkam, hatte ich auch den Nektar einzuschenken. Aber das unerträglichste ist, daß ich der einzige unter allen Göttern bin, der sogar bei Nacht keine Ruhe hat; denn da muß ich dem Pluto die Seelen der Verstorbenen zuführen und bei dem Gericht über sie zugegen sein. Nicht genug, daß ich den ganzen Tag über den Fechtmeister, den Herold und den Professor der Rhetorik mache, muß ich zu so vielen Geschäften, in die ich zerstückelt bin, wenn andere schlafen, noch die Angelegenheiten der Toten besorgen! Die Söhne der Leda lösen einander doch ab, und während der eine seinen Tag bei den Toten zubringt, lebt der andere im [316] Himmel, ich hingegen muß tagtäglich an beiden Orten sein. Die Söhne der Alkmena und Semele, die doch nur armselige sterbliche Weiber waren, sitzen sorgenlos an der Göttertafel und lassen's sich belieben; und ich, Sohn der Maja und Enkel des Atlas, muß ihnen aufwarten! Nur eben komme ich von der Schwester des Kadmus zu Sidon zurück, nach deren Befinden ich mich in Jupiters Namen erkundigen mußte; und ohne mich nur verschnaufen zu lassen, schickt er mich schon wieder nach Argos, die Danae zu besuchen; »und wenn du auf dem Rückwege durch Böotien gehst«, sagt er, »so sieh im Vorbeigehen einen Augenblick nach der Antiope«. In der Tat, ich halt es nicht länger aus! Wenn ich's möglich zu machen wüßte, ich wollte mich mit Vergnügen an irgendeinen Menschen auf der Erde zu den geringsten Sklavendiensten verkaufen lassen.

MAJA. Laß diese Reden, mein Kind! Es ist deine Schuldigkeit, deinem Vater in allem zu Befehl zu stehen, zumal da du noch so jung bist; und da er dich nun einmal abgeschickt hat, so eile, was du kannst, nach Argos und von da nach Böotien, oder du könntest noch obendrein für deine Saumseligkeit Schläge bekommen; denn die Verliebten haben eine gar hitzige Leber.

25. Phaethon

XXV. Phaethon.

Jupiter und Helios.


JUPITER. Was hast du da gemacht, du Heillosester aller Titanen? Die ganze Erde ist beinahe darüber zugrunde gegangen, daß du deinen Wagen einem unbesonnenen Knaben anvertraut hast, die eine Hälfte hat er verbrannt, weil er ihr zu nahe kam, und die andere mußte vor Frost verderben, weil er sich zu weit von ihr entfernte: kurz, er hat alles in die äußerste Zerrüttung und Verwirrung gesetzt, und hätte ich nicht noch in Zeiten wahrgenommen, was vorging und ihn mit meinem Donnerkeil vom Wagen heruntergeschmissen, [317] es würde vom ganzen Menschengeschlecht nicht ein Gebein mehr übrig sein; so einem saubern Kutscher hast du deinen Wagen zu führen gegeben!

HELIOS. Ich habe gefehlt, Jupiter; aber zürne nicht so sehr, daß ich den inständigen Bitten eines Sohnes nachgegeben habe! Wie konnte ich mir vorstellen, daß ein solches Unglück daraus entstehen würde?

JUPITER. Wußtest du etwa nicht, wie viel Geschicklichkeit dieses Geschäfte erfodere und daß er nur ein wenig aus dem Wege zu fahren brauche, um alles zu ruinieren! Kanntest du den raschen Mut deiner Pferde nicht, und wie nötig es ist, sie scharf im Zügel zu halten, und daß sie gleich durchgehen, sobald man nur ein wenig nachläßt? Die Probe haben wir an diesem jungen Wagehalse gesehen, mit dem sie bald auf, bald ab, bald rechts, bald links, bald gar nach der entgegengesetzten Richtung davonrannten, ohne daß er sich ihrer erwehren konnte.

HELIOS. Das alles wußte ich nur gar zu wohl; und eben deswegen, weil ich ihm nicht zutraute, daß er meinen Wagen würde führen können, widersetzte ich mich ihm sehr lange, da er mich aber so flehentlich und mit Tränen bat und seine Mutter Klymene ebenfalls so heftig in mich stürmte, so ließ ich mich endlich zwar erbitten und setzte ihn auf den Wagen, sagte ihm aber zugleich alles, was er zu beobachten hätte, wie er sich stellen müßte, um recht fest zu stehen, wie weit er mit verhängten Zügeln in die Höhe fahren und wie er dann wieder niederwärts lenken müsse und wie er es zu machen habe, um immer Herr vom Zügel zu bleiben und so feurigen Rossen nichts zu übersehen; ich sagte ihm auch, wie groß die Gefahr wäre, wenn er nicht immer gerade vorwärts führe. Aber freilich ist es nur gar zu natürlich, daß ein noch so junger Mensch, wie er sich ringsum mit so viel Feuer um geben sah und in die unermeßliche Tiefe hinabblickte, den Kopf verlor und daß die Rosse, sobald sie merkten, daß sie nicht ihren gewohnten Führer hätten, den Knaben verachteten, mit ihm durchgingen und alles dies Unheil anrichteten; denn vermutlich ließ der arme Junge, aus Furcht herabzufallen, die Zügel fahren [318] und hielt sich an dem Wagen fest. Aber wir sind beide gestraft genug, Jupiter; er durch seinen Tod und ich durch das Leid, worein er mich gesetzt hat.

JUPITER. Gestraft genug, sagst du, für einen so großen Frevel? Doch für diesmal verzeih ich dir: wenn du dich aber künftig wieder auf eine ähnliche Art vergehen und einen solchen Stellvertreter an deinen Platz schicken wirst, sollst du auf der Stelle erfahren, um wieviel feuriger das Feuer meines Blitzes als das deine ist! – Inzwischen sollen ihn seine Schwestern am Ufer des Eridanus, wo er vom Wagen herabfiel, begraben, Bernstein auf ihn weinen und vor Jammer zu Pappeln werden. Du aber stelle unverzüglich deinen Wagen wieder her – denn die Deichsel ist zerbrochen und das eine Rad zerschmettert –, dann spanne deine Pferde wieder vor und fahre zu! Aber vergiß nicht, was ich gesagt habe!

26. Kastor und Pollux

XXVI. Kastor und Pollux.

Apollo und Merkur.


APOLLO. Kannst du mir sagen, Merkur, wer von diesen beiden der Kastor und wer der Pollux ist? Denn ich sehe nichts an ihnen, wodurch ich sie unterscheiden könnte.

MERKUR. Der, der den gestrigen Tag bei uns zubrachte, war Kastor, und dieser hier ist Pollux.
APOLLO. Aber woran erkennest du das, da sie einander so gleich sehen?

MERKUR. An den Narben, die dieser hier im Gesichte hat, von den Wunden, die er im Faustkampf von seinen Gegnern bekommen hat, besonders von Amykus, dem Fürsten der Bebryzier, als er mit Jason nach Kolchis schiffte. Der andere hingegen ist im ganzen Gesichte glatt und unbeschädigt.

APOLLO. Ich bin dir verbunden, daß du mich über diesen Punkt ins klare gesetzt hast: denn alles übrige, das halbe Ei auf ihrem Kopfe, der Stern darüber und der Wurfspieß [319] in der Hand und die weißen Pferde, worauf sie reiten, gibt ihnen eine so große Gleichheit, daß es mir oft begegnet ist, den Kastor Pollux und den Pollux Kastor zu nennen, wenn ich sie anredete. Nun erkläre mir nur noch eins: Woher kommt es, daß sie nie beide zugleich bei uns sind, sondern immer miteinander abwechseln, so daß einer um den andern ein Gott und morgen wieder ein Toter ist?

MERKUR. Ihre außerordentliche brüderliche Liebe hat sie dazu gebracht. Denn da es nun einmal nicht anders sein konnte, als daß einer von Ledas Söhnen sterblich und der andere unsterblich sein mußte, so haben sie sich auf diese Weise in die Unsterblichkeit geteilt.

APOLLO. Das haben sie nicht gut gemacht, deucht mich: denn da vermöge dieser Teilung der eine allezeit bei den Göttern lebt, wenn der andre unter den Toten ist, so bekommen sie einander nicht einmal zu sehen, und doch war das vermutlich gerade, was sie am meisten wünschten. Übrigens da ich selbst wahrsage, Äskulapius kuriert, du im Ringen Unterricht gibst und der beste Fechtmeister bist, Diana die Hebamme macht und alle übrige unter uns irgendeine den Göttern oder den Menschen nützliche Kunst treiben: was werden denn diese beide für ein Amt bekommen? Oder sollen sie uns etwa müßig Nektar und Ambrosia verschmausen helfen, da sie doch schon so große Bengel sind?

MERKUR. Keineswegs; es ist ihnen aufgetragen worden, bei Neptun Dienste zu tun, auf dem Meere herumzureiten, und wo sie irgendwo einen Seefahrer in Gefahr sehen, sich auf das Schiff zu setzen und es wohlgeborgen in einen Hafen zu geleiten.

APOLLO. Das laß ich gelten, Merkur: da werden sie ein edles und heilsames Handwerk treiben!

[320]

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TextGrid Repository (2012). Lukian. Dialoge. Göttergespräche. Göttergespräche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2439-D