[472] Christlob Mylius
Die Schäferinsel
Ein Lustspiel in drey Aufzügen

Personen

Personen.

    • Montan.

    • Damöt.

    • Doris.

    • Sylvia.

    • Chloe.

    • Silvander.

    • Mops.

    • Corydon.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Montan. Chloe.

MONTAN.
Lisette! so nenn ich dich jetzt das letztemal,
Gefällt dir dieser Ort, so dank es meiner Wahl.
Ich hoff es, denn du zeigst ein sittsam muntres Wesen,
Und darum hab ich dich zur Schäferin erlesen:
Ich habe dir entdeckt, wie mich fern von der Welt
Dieß anmuthsvolle Land durch Lust gefangen hält;
Wie ich, indem ich hier der schönsten Ruh genieße,
Vergnügt der Höfe Pracht, der Städte Lerm vermisse.
[472] Die Insel, die noch nicht der Herrschsucht Wuth erreicht,
Erfüllet mich mit Lust, der keine Wollust gleicht.
Ergötze dich mit uns in diesem schönen Lande,
Geneuß der Insel Glück im stillen Schäferstande.
Als Magd nahm ich dich zwar vom festen Lande mit,
Wo ich des Schicksals Zorn bis zur Verzweiflung litt;
Doch nun mußt du mit mir, kannst du dich drein ergeben,
Als eine Schäferinn und treue Freundinn leben.
CHLOE.
Mein Herr!
MONTAN.
So heiß ich nicht, ich heiße nur Montan;
Ich bin ein Schäfer nur, der Herr steht mir nicht an,
Da ich, Trotz der Geburt, als Schäfer Schaafe weyde.
CHLOE.
Nun denn, Montan! so sagt
MONTAN.
Nein! Sage: Denn wir beyde
Sind uns als Schäfer gleich
CHLOE.
Auch das! so sage mir:
Warum flohst du die Welt, und warum lebst du hier?
MONTAN.
So lang ich in der Welt mit andern Menschen lebte,
Und so, wie jeder thut, nach Glück und Ehre strebte;
[473] Floh Glück und Ehre mich, je mehr ich sie gesucht,
Ein hart Gefängniß ward der Sorgen letzte Frucht.
Zwar Anfangs stieg ich sehr an Reichthum, Glück und Ehren,
Jedoch des Neids Bemühn kann wohl ein Land zerstören.
Gewissenloser Geiz, der Rechtsverdreher List,
Nebst falscher Freundschaft Schein, und was sonst boshaft ist,
Verkehrten bald mein Gut in ein sehr schwach Vermögen.
Wer mich vorher verehrt, der war mir jetzt entgegen.
Nur einen Freund ließ mir des Himmels Gütigkeit;
Er war sehr frey und kühn, auch wild zu mancher Zeit,
Nie müßig, stets vergnügt, sein Herr in Lust und Schmerzen,
Ein Mann voll Redlichkeit, ein Freund aus edlen Herzen.
Bey meinem bösem Glück war er mein Trost allein;
Doch dieses Trostes auch mußt ich beraubet seyn.
Bey stets beschäftigten, und niemals satten Sinnen,
Konnt er an stillen Glück niemals Geschmack gewinnen,
Was andre so ergötzt. Die Ruh floh er mit Macht,
Stets hat er seine Zeit mit Reisen zugebracht.
Als er das Vaterland wohl funfzigmal durchkreuzet,
Und ihn, die Welt zu sehn, stets neue Lust gereizet,
Setzt er sich auf ein Schiff, das, wie man Post empfieng,
Nach dreyer Jahre Frist bey Japan untergieng.
[474]
CHLOE.
Bey Japan? Ist das weit?
MONTAN.
Mehr als zwey tausend Meilen.
CHLOE.
Ist das noch in der Welt?
MONTAN.
Laß mich zum Enzweck eilen,
Das Meer hat ihn verschluckt, wie ich nicht zweifeln kann,
Das Schicksal war sein Freund, er selbst war sein Tyrann.
Ich kam um einen Freund, doch eine Freundin lebte,
Nach deren Reiz und Herz mein zärtlich Wünschen strebte;
Ihr Leib und Geist war schön, ich sah, sie liebte mich,
Doch was nur um uns war, das widersetzte sich,
Bis endlich, da das Glück uns lang genug gehasset,
Mein Arm, in meiner Frau, die Treue selbst umfasset:
Doch mein so großes Glück war für mich allzugroß,
Das Schicksal stellte mich bald neuen Aengsten blos.
Man gönnte mir das nicht, was andre hitzig suchten;
Die ihres bösen Glücks bey meiner Liebe fluchten.
Man schrieb mir meine Glut, als ein Verbrechen an,
Weil, wie man boshaft sprach, ich aus Betrug gethan,
Was mich beglückt gemacht. Und daß die, die ich liebte,
Durch den gebrochnen Schwur ein fremdes Herz betrübte.
[475] Aus Rachgier hörte man das Recht der Unschuld nicht,
Man führte mich sogleich, nicht etwan vor Gericht,
Nein, in Gefangenschaft; und was mich fast verzehrte,
War, daß man meiner Frau, mich zu begleiten, wehrte.
CHLOE.
Die arme Frau!

Weinend.
MONTAN.
Sie starb,

Chloe erschrickt und weint.

bald drauf für Kümmerniß,
Da sie mir einen Sohn und eine Tochter ließ.
Die von sechs Wochen nur, und den von kaum zwey Jahren,
Auch diese mußten früh der Aeltern Glück erfahren:
Mein Freund, der in die Welt mit Weib und Kindern zog,
Schickt damals gleich, da ihn der letztern Flehn bewog,
Sie wiederum zurück; die erstre mußte sterben,
Den Kindern drohte schon ein ähnliches Verderben.
Ein Sohn voll Artigkeit, und von sechs Jahren schon
Kam an des Fürsten Hof. Als eines Fürsten Sohn
Ward er nach Art des Hofs, bey Lust und Pracht erzogen,
Doch seiner Schwester war das Glück nicht so gewogen.
Vier Wochen war sie alt, da sie ein altes Weib,
Das sie vorher gepflegt, bey halb erstorbnen Leib
[476] Schwach in mein Haus gebracht, sie als mein Kind zu pflegen:
Man thats auf mein Geheiß, um meines Freundes wegen;
Aus Liebe, für das Kind, ersann das Weib die List,
Wodurch dieß Töchterpaar vermenget worden ist.
Sie glichen beyde sich an Alter und Geberden;
Und also mußten sie uns ganz unkenntlich werden.
Ich nahm sie beyde drauf nebst dem noch kleinen Sohn
Zu mir in aller Still, und floh zur See davon.
Die Insel hat ich sonst auf eigner Fahrt gesehen;
Sie wiederum zu sehn, war kaum mein Wunsch geschehen,
Als die Verzweiflung mich an ihre Küsten trieb:
Ich landete. sie ists, wo ich bis jetzo blieb.
Mir bracht, als ich entfloh, ein Diener, wie er sollte,
Die Kinder heimlich nach, die ich nicht lassen wollte.
Wir fünfe fanden da den schönsten Aufenthalt;
Die Furcht der Einsamkeit floh vor der Anmuth bald.
Mein Diener half war erst mir und den zarten Kindern
Der steten Nothdurft Müh, durch treuen Dienst vermindern.
Zehn Jahr erkannt er schon sein Glück an diesem Ort,
Drauf fuhr er unversehns mit einem Schiffe fort;
Seit dieser Zeit sind wir hier allein gewesen.
Weil sich mein Wunsch schon längst dem Schäferstand erlesen,
[477] So holt ich mir ein Theil der ältsten Zeit zurück,
Und mit der alten Zeit, der alten Schäfer Glück.
Arkadien nennt ich, nach jener Schäfer Lande,
Den neuen Aufenthalt. Mit einem Freundschaftsbande,
Entfernt von blöder Furcht, und ihres Zwanges Schmerz
Verband ich mir des Knechts, und meiner Kinder Herz;
Mir half des Dieners Treu zu wenig kleinen Heerden,
Die jetzt noch viel vermehrt von uns geweydet werden.
Was ich von Schäfern nur gelesen und gehört,
Was gute Dichter mich von ihrem Glück belehrt,
Thu ich hier alles nach, hier bin ich Freund und König,
Ich habe nicht zu viel, doch niemals auch zu wenig.
CHLOE.
Das letztre geht noch an, das erstre schadet nicht.
MONTAN.
Ein Kluger wünscht sich nichts, so lang ihm nichts gebricht.
Als Schäfer leb ich nun mit zwoen Schäferinnen
Und einem Schäfer hier. Doch noch werd ich nicht innen,
Welchs meine Tochter ist: Kömmt Sylvia von mir?
Ists Doris? welch ein Schmerz.
CHLOE.
Es ist schwer rathen hier.
[478]
MONTAN.
Ich seh, daß fast, (doch darf ich wohl hier Hofnung fassen?)
Damöt und Sylvia einander nie verlassen.
(Damöt nennt ich den Sohn, der sonst Dorante hieß;)
Vielleicht betrög ich mich, wenn ich mich drauf verließ.
Kann es nicht seyn, daß die, die nichts von Aeltern wissen,
Auch von Geschwistern nichts, sich dennoch lieben müssen,
Wenns gleich Geschwister sind?
CHLOE.
Das kann unmöglich seyn.
MONTAN.
Warum?
CHLOE.
Wer Henker gäb der Unschuld dieses ein?
MONTAN.
O! das thut die Natur. Wer sagt es denn den Thieren?
Doch ihre Liebe läßt sich allzu deutlich spüren;
Mir scheint es selbst nicht so, daß sie Geschwister sind.
Ach Doris! wärest du um den Damöt mein Kind!
Gieb Acht auf Sylviens und auf Damötens Liebe:
Erforsch auch mit Bedacht der muntern Doris Triebe,
Das lose Kind scheint mir zum Lieben sehr geschickt;
Ist dieß, so wird sie nie, wie Sylvia beglückt.
Denn eh im festen Land ihr Glück sie soll verderben,
Das mich dort so verfolgt, eh will ich heute sterben.
[479]
CHLOE.
Sie dauert mich fürwahr
MONTAN.
Mich auch. Doch hüte dich,
Und sey in meinem Zweck mir ja nicht hinderlich:
Laß ihr die Einfalt stets, die sie es läßt verwinden,
Wenn einst ihr feurig Herz die Liebe sollt empfinden.
Sag ihr und Sylvien von Städten nicht ein Wort:
Laß sie dabey, die Welt sey dieser kleine Ort.
Damöt und Sylvia sind mit dem Glück zufrieden,
Wenn eins das andre liebt. Ist Doris was beschieden,
Es wird ihr nicht entgehn, sie liebe wo sie will;
Doch bitt ich, schweig du ja bey ihr von allen still,
Was Lust in ihr erweckt, die Insel zu verlassen.
CHLOE.
Wofern ich untreu bin, sollst du mich ewig hassen.
MONTAN.
Damöt und Sylvia sind von sehr stillem Geist,
Der ihre Wünsche nicht aus diesem Stande reißt.
Drum mußt du, da sie sich des größten Glücks erfreuen,
Ja ihre Geister nicht durch fremdes Glück zerstreuen.
CHLOE.
Montan, du sollst an mir der Klugheit Muster sehn,
Ja, was du selbst nicht kannst, das soll durch mich geschehn,
Ich will bey Obst und Milch, bey Fluren, Wald und Heerden,
Die beste Schäferinn des besten Schäfers werden.
[480] Ich will nach Schäferart vergnügt und lustig seyn,
Und mich der Einsamkeit, so wie der Anmuth freun.
Wie aber heiß ich denn? ich bin nicht mehr Lisette,
Was wär ich denn, wenn ich gar keinen Namen hätte?
MONTAN.
Nein, nein, dein Name soll hinführo Chloe seyn.
CHLOE.
Wie? Kohle?
MONTAN.
Chloe.
CHLOE.
Wie? wie?
MONTAN.
Chloe.
CHLOE.
Lohe?
MONTAN.
Nein!
Versteh mich, Chloe.
CHLOE.
So! Gut. Chloe. Gut gegeben
Ja – Koh – – lo – – – Chloe.
MONTAN.
Recht, recht so.
CHLOE.
Bey meinem Leben,
Das Nämchen steht mir an. Lisette, gute Nacht!
MONTAN.
Den Namen hab ich schon den Kindern hinterbracht.
[481]
CHLOE.
Ja, ja sie haben mich schon so genennt.
MONTAN.
Was rauschet
In jenen Sträuchern? St, daß man uns nicht belauschet,
Die lose Doris kömmt mit Springen auf uns zu.
2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Doris, Montan, Chloe.

DORIS
keichend.
Ey! was hab ich gesehn! – – Montan.
MONTAN.
Was keichest du?
DORIS.
Montan ach – – Chloe – – ach!
CHLOE.
Nun Doris!
MONTAN.
So zerstöret?
DORIS.
Wüßts du, Montan, was ich gesehen und gehöret!
MONTAN.
Was sahst und hörtst du denn?
DORIS.
Es gieng ein Schäfer da,
Der doch kein Schäfer war, weil er ganz anders sah.
[482]
MONTAN.
Es war vielleicht Damöt?
DORIS.
Nein, der war bey der Heerde.
MONTAN.
Nein, nein!
DORIS.
Glaubst du, daß ich ihn so verkennen werde?
Noch einer war dabey, doch einer war recht schön,
Er lief sehr schnell, ich wünscht er möchte langsam gehn:
Doch nein, er eilte fort, und rufte ganz entzücket,
O welch ein schönes Kind! so bald er mich erblicket.
MONTAN.
Er hat dich nicht gemeynt:
DORIS.
Ja, wen denn sonst? Ach! geh
Und lauf ihn eilends nach, daß ich ihn recht beseh.
MONTAN.
Bey Leibe nicht, mein Kind! ich will dirs nur entdecken,
Was unter solcher Tracht für böse Thiere stecken.
DORIS.
Ha, ha, es hat sich wohl!
MONTAN.
Siehst du den dichten Wald?
Das ist ein böser Ort, der Faunen Aufenthalt.
DORIS.
Ha, ha! die Faunen sind wohl allerliebste Dinger.

Lacht.
[483]
MONTAN.
Sie sind den Löwen gleich; doch die sind noch geringer
An Stärk und Grausamkeit, als diese Faunen sind;
O! das ist grimmigs Vieh. Ach! hüte dich, mein Kind!
Sie schweifen oft herum, und wollen bey den Heerden,
Wo Schäferinnen sind, derselben Räuber werden.
DORIS.
Was machen sie denn wohl mit einer Schäferinn?
MONTAN.
Sie werfen sie ergrimmt in dichten Sträuchern hin,
Und
CHLOE.
Fressen sie; nicht wahr?
MONTAN.
Ja wohl, die bösen Thiere!
DORIS.
Wie kommt es, daß ich sie doch niemals um mich spüre?
MONTAN.
Du hast sie wohl gesehn, gleich itzt sahst du ein Paar,
Wie du mir selbst gesagt.
DORIS.
Ha ha, warum nicht gar!
Wie sehn die Faunen aus?
MONTAN.
Die Faunen? rauch wie Bäre.
[484]
DORIS.
Rauch waren diese nicht.
MONTAN.
Wenn es das alles wäre.
Auf jeder Seite trägt ihr Kopf ein spitzigs Horn.
DORIS.
Sie hatten keine nicht.
MONTAN.
Ihr Angesicht voll Zorn,
Erschreckt den, der sie sieht.
DORIS.
Mich hat es nicht erschrecket!
Des einen Freundlichkeit hat mir viel Lust erwecket.
MONTAN.
Ihr plumper Körper, der auf Widderfüssen ruht
DORIS.
O nein! Damöten ziert sein Fuß nicht halb so gut.
MONTAN.
Und denn ihr langer Zahl.
DORIS.
Den hätt ich müssen sehen.
MONTAN
zu Chloe.
O weh! sie glaubt mir nichts, nun ists um sie geschehen!

Zu Doris.

Ach Doris! traue ja dem äußern Ansehn nicht:
Die Faunen ändern oft, Tracht, Mienen und Gesicht;
Durch lockende Gestalt vorwitzge Schäferinnen,
Dergleichen Doris ist, liebkosend zu gewinnen.

[485] Zu Chloe.

Ich geh und jag ihn fort, er sey auch wer er sey;
Bleib du indeß bey ihr und sey itzt klug und treu.
3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Doris. Chloe.

DORIS.
Montan! wo läufst du hin? Er geht, was soll das heißen?
CHLOE.
Er wird dem bösen Vieh dich aus den Klauen reißen.
DORIS.
Es ist kein böses Thier, das glaub ich nimmermehr,
Es hätte mich verfolgt, wenn es so grimmig wär;
Er sah und lobte mich, heißt das mir nachgestellt?
Ich lief, sonst hätt er sich wohl gar zu mir gesellet.
Wie albern bin ich doch, daß ich gelaufen bin!
Ich lauf ihm wieder nach, allein, wo lauf ich hin?
Ich! Chloe! hilf mir doch, den Schäfer muß ich finden,
CHLOE.
Wie? Doris denke nach! wollst du ihn überwinden?
DORIS.
Was wird er mir denn thun? ich bleibe fest dabey,
Daß er kein böses Thier, gar ein Schäfer sey.
CHLOE.
Da thust du recht daran, Montan hat sich betrogen.
DORIS.
Er sich betrogen? Nein! er hat mich nur belogen;
[486] Montan ist nicht so dumm, ich bins desgleichen nicht:
Das zehnte mal glaub ich nicht, was er immer spricht,
Daß Schaafe, Flur und Wald das Allerbeste wären;
Daß sich die Schäfer nicht so wie die Schaafe mehren,
Daß man in Einsamkeit das beste Leben führt.
Ja, warum hätte mich denn gleich ein Blick gerührt,
Den jener auf mich warf? wie könnt ich denn so trachten,
Daß die, die ich gesehn, mit uns Gesellschaft machten,
Nein, Chloe, wie gesagt, nein ich bin nicht so dumm,
Ich fürcht und wünsche viel, und weiß nicht recht warum.
CHLOE.
Du gutes Kind, ich kann mein Maul nicht länger halten,
Jetzt will ich der Natur Dollmetscheramt verwalten,
Dir sagen, was du denkst, und was du noch nicht weißt,
Ich muß es thun, so sehr es den Montan verdreußt.
DORIS.
Ja, liebe Chloe, ja, du must mir alles sagen,
Ich werde, wenn ichs weiß, nach dem Montan nichts fragen,
Ihn hör ich selten gern, doch bin ich Freuden voll,
Indem ich itzt von dir was neues hören soll.
CHLOE.
Du glaubst, uns fünfen ist allein die Welt gegeben,
Und daß wir Schäfervolk nur hier beysammen leben.
[487]
DORIS.
Montan hat es gesagt.
CHLOE.
Und daß die nahe See
Unendlich weit von hier in einer Strecke geh.
DORIS.
Montan hat es gesagt.
CHLOE.
Daß außer Hütt und Horden,
Für Mensch und Vieh kein Haus jemals gebauet worden.
DORIS.
Montan hat es gesagt, es ist doch wohl nicht wahr?
Gelt! Chloe?
CHLOE.
Nicht ein Wort.
DORIS.
Das dacht ich.
CHLOE.
Hier ist zwar
Ein schöner Aufenthalt voll Anmuth und Vergnügen,
Und wer nichts bessers kennt, kann sich wohl dran begnügen.
Allein
DORIS.
Was gibts denn sonst für einen schönen Ort?
Sag es heraus, ich zieh mit dir noch heute fort.
CHLOE.
Geduld, die Welt ist groß, die Läng und in die Breite,
Und es bewohnen sie viel hundert tausend Leute.
[488]
DORIS.
Viel hundert tausend?
CHLOE.
Ja, ich selbst kam übers Meer,
Aus dieser großen Welt nur gestern erst hieher.
DORIS.
So kommst du aus der Welt? sind schöne Schäfer drinnen?
Und kennst du auch daselbst viel lustge Schäferinnen?
CHLOE.
Was Schäferinnen? und was Schäfer? schäm dich doch!
Glaubst du denn dem Montan und seinen Grillen noch?
Sehr wenig sind, die so, wie wir hier Schaafe weiden.
DORIS.
Sehr wenig, Chloe! ach! ich bin entzückt für Freuden.
CHLOE.
Was ihr hier Schäfer nennt, sind Mannspersonen dort,
Und die find oft recht schön.
DORIS
freudig.
Schön? schön?
CHLOE.
Ja, auf mein Wort!
Die Schäferinnen
DORIS.
Nun?
[489]
CHLOE.
Nennt man dort Frauenzimmer!
Den Mannspersonen sind sie gut.
DORIS.
Das denk ich immer.
Zehn Schaafe geb ich dir für den Bericht zum Lohn.
Ist der, den ich gesehn nicht eine Mannsperson?
CHLOE.
Ja freylich.
DORIS.
Wenn ich doch ein Frauenzimmer wäre!
CHLOE.
Durch ein galantes Kleid kämst du zu dieser Ehre.
DORIS.
Was ist das für ein Kleid?
CHLOE.
Ich hab eins mitgebracht.
DORIS.
Ach! zeige mir es doch! Still, höre doch! was lacht?

Mops lacht drinnen.
CHLOE.
Was seh ich?
DORIS.
Chloe, ach! das sind die Mannspersonen.
Ach! Chloe, bitte sie, das sie stets bey uns wohnen.
CHLOE.
Lauf, lauf! in dieser Tracht laß du dich ja nicht seyn!
DORIS.
Warum nicht?
CHLOE.
Folgst du nicht, so ists um dich geschehn,
[490] Komm nur geschwind, und laß mich für das andre sorgen;
Du sollst ihn morgen sehn.
DORIS.
O lieber heut als morgen!

Beyde ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Silvander als ein Schifscapitain.
Mops als ein Marros.

SILVANDER.
Gewiß.
MOPS
lachend.
Herr, seyd kein Narr! da? eine Schäferinn?
Ihr seyd nicht klug, wenn ich nicht gar begöckelt bin.
SILVANDER.
Ja, eine Schäferinn.
MOPS.
Lernt mich nur Schäfer kennen,
Lernt ihr die Sachen erst bey ihren Namen nennen,
Habt ihr Zeit Lebens denn nicht Schaafe weiden sehn?
SILVANDER.
O! ja.
MOPS.
Nun, kleiden sich die Schäfer denn so schön?
Es ist ja Bauernvolk, schwarz, tölpisch in Geberden,
Und wenn sie hurtig gehn, so traben sie gleich Pferden.
Aus Leinwand, Friß und Filz besteht ihr ganzer Staat;
Ich bin ein Schäfers Sohn.
SILVANDER.
Du irrest in der That.
[491]
MOPS.
So? könnt ihr mir genau, von wem ich stamme, sagen?
Wer war mein Vater denn? verzeiht mir diese Fragen.
SILVANDER.
Du irrest sag ich dir, wenn du die Schäfer nennst,
Die du als Schäferssohn von deiner Kindheit kennst,
Die nur so schlecht und dumm wie ihre Schaafe leben,
Und von der Menschheit kaum ein Zeichen von sich geben.
Schaafknechte sinds.
MOPS.
Ganz recht! man nennt sie auch also?
SILVANDER.
Ach! lieber Valentin, mein Unglück macht mich froh.
Ein Sturmwind trennte mich von den zerstreuten Schiffen,
Ach! hätte mich doch längst ein solcher Sturm ergriffen.
Und
MOPS.
Pfuy, was wünscht ihr, Herr?
SILVANDER.
Mein allergröstes Glück.
MOPS.
Ja, wünscht euch doch vielmehr auf euer Schif zurück.
Ihr als Schifscapitain könnt es ein Glück noch nennen,
Wenn Sturm und Wellen euch von eurem Schiffe trennen.
SILVANDER.
Schweig! dieses schöne Kind, das ich itzt gleich gesehn,
Macht, daß ich denk, es ist zu meinem Glück geschehn.
[492]
MOPS.
So nehmt das Puppchen mit und sucht mit mir die Flotte.
Doch seht euch vor, vielleicht hat eine Räuber-Rotte
SILVANDER.
Ja, ja, ich nehm sie mit, doch anders nimmermehr,
Als wenn sie es erlaubt, ich liebe sie zu sehr,
Als ihr Gewalt zu thun
MOPS.
Ihr habt sie kaum erblicket,
Und seyd (ach! glaubt es nicht) so gleich in entzücket:
Das kann unmöglich seyn.
SILVANDER.
Und dennoch ist es wahr:
Allein, wie stell ich mich ihr liebenswürdig dar?
Bedenk ich – – halt! doch nein – – wie nenn ich mich
MOPS.
Leander!
SILVANDER.
Das weis ich.
MOPS.
Doch ihr fragt!
SILVANDER.
Ich heiße nun Silvander.
MOPS.
Silvander?
SILVANDER.
Ja, du sollst auch Valentin nicht seyn.
[493]
MOPS.
Wie soll ich heißen?
SILVANDER.
Mops.
MOPS.
Warum nicht Budel? Nein!
Pfuy, schämt euch Herr! geht weg mit eurem Hundenamen.
SILVANDER.
Viel Schäfer hatten ihn, eh Hunde ihn bekamen.
MOPS.
Mops soll ich heißen? Mops? wie unser dicker Hund?
Nein, nein, mein Herr, ich steh vor euch hier nicht gesund
Ja – Herr – – ich – ja – ich will – – ja – ich entlauf, ich schwöre,
So bald – – so bald ich mich von euch Mops nennen höre,
Denn warlich ein Matros ist drum kein Hundevieh.
SILVANDER.
O nein! doch hörtest du in unsrer Sprache nie
Was wohl Silvander heißt?
MOPS.
Nein, nie. Was denn?
SILVANDER.
Der Teufel.
MOPS.
Nun, wenn ihr euch so nenn kann ich ohne Zweifel
[494] So lang ein Mopshund seyn, als ihr der Teufel seyd.
Doch länger warlich nicht! währt es noch lange Zeit?
SILVANDER.
Nein.
MOPS.
Ihr thut recht daran; mir graut für den Silvander;
Leander thut mir nichts, wir ändern miteinander
Die Namen dann zugleich.
SILVANDER.
Ja, das versprech ich dir:
Nun geh, mein lieber Mops! geschwind und suche mir
Die fremden Kleidungen, die ich jüngsthin bekommen,
Im Kuffer liegen sie, den wir ins Boot genommen,
Als wir uns retteten und den – – – Wer kömmt hieher?
Bleib da – – – in Schäfertracht?

Seufzend.

wenn es ihr Schäfer wär.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Montan, Silvander, Mops.

MOPS.
Heh! Räuber! Räuber da! O weh, wir sind verlohren!
Wir armen Teufel sind zum Unglück gar gebohren.
Ein jämmerlicher Sturm bringt uns um Haab und Gut,
Und unsern Kuffer stiehlt des Teufels Räuberbrut.

Zum Montan.

Hört, Schelm! gebt ihn heraus: Ihr Gaudieb, Galgenschwengel,
Spitzbube, Teufelskerl, ihr eingemachter Bengel!
[495] Gebt alles her! wo nicht: Ich stech euch mausetodt.

Indem er dieses sagt, hat er sich Silvander versteckt und auf beyden Seiten auf den Montan loß.
SILVANDER.
Schweig doch! was willst du denn?
MOPS.
Die Frage thut noch Noth!
Seht doch den Stock, den Huth, die kurzen bunten Kleider,
Die Bänder – – alles ist zum Teufel nun, ach leyder!
Was fangen wir nun an?
MONTAN.
Ihr irrt euch sehr, mein Freund!
Wenn ihr ein Räubernest hier anzutreffen meynt.
Hier wohnt die Redlichkeit in fünf vereinten Herzen,
Und das, was Fremden droht, erweckt uns keine Schmerzen.
SILVANDER.
Was droht den Fremden hier?
MONTAN.
Gefahr und schneller Tod!
Der Wald dort machte mir erst gleichfalls tausend Noth;
Eh ich das wilde Volk darinnen kennen lernte,
Und mich durch manche List von der Gefahr entfernte.
MOPS.
O weh!
SILVANDER.
Ein wildes Volk bewohnet diesen Wald?
[496]
MONTAN.
Ja, und entflieht ihr nicht, so seht ihr es gar bald
Zum erst und letztenmal, denn da ist kein Verschonen.
SILVANDER.
Ich bitte, laßt uns doch bey euch drey Tage wohnen,
Damit wir sicher sind!
MONTAN.
Das wird unmöglich seyn;
Sie fressen uns samt euch; wenn wir nicht ganz allein
In unsern Hütten sind.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Montan, Silvander, Mops, Chloe.

CHLOE
eilends.

Zum Montan allein.

Montan, die Schäfer kommen:
Schaft diese Fremden weg.
MONTAN.
Was hast du vorgenommen?
CHLOE.
Ich hieß es ihnen nicht. Mach fort!
MONTAN.
Ihr Herren, fort!
Gleich, jetzt besinn ich mich auf einen sichern Ort,
[497] Dahin begleit ich euch.
SILVANDER.
Sehr gut.
MONTAN.
Kommt, meine Söhne!
CHLOE
zu Silvandern allein.
In einer Stunde kommt und sucht hier eure Schöne.

Alle ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Damöt, Sylvia.

SYLVIA.
Was willst du denn?
DAMÖT.
Ach! nichts!
SYLVIA.
Je nun, so laß mich gehn!
Ich kann vor dir allein auch nirgends gehn und stehn;
Ich mag beschäftigt seyn, mag wachen oder schlafen,
So suchst du mich doch auf, und läufst von deinen Schaafen,
Wer weis, wie viel dir schon der Wolf gefressen hat,
Ich wollte klüger seyn, wär ich an deiner Statt.
DAMÖT.
Ach nein! mein Hund wacht gut.
SYLVIA.
Wenn er nicht schläft.
DAMÖT.
Erlaube!
[498]
SYLVIA.
Was denn?
DAMÖT.
Daß ich – – Ich bin – – Ich bin dir gut.
SYLVIA.
Ich glaube,
Ich bin dir gleichfalls gut; doch lauf ich dir nicht nach.
Sey mir nur immer gut; doch hindre mich nicht.
DAMÖT.
Ach!
SYLVIA.
Was fehlt dir denn, Damöt?
DAMÖT.
Ich weis nicht. Nichts.
SYLVIA.
Du lügest.
DAMÖT.
Ach, du gefällst mir so.
SYLVIA.
Wenn du dich nicht betrügest.
DAMÖT.
O nein! nein, Sylvia! Ich weis wohl, was mir fehlt,
Und was für Kummer mich um deinetwillen quält.
SYLVIA.
Um meinetwillen? Wie?
DAMÖT.
Ja, ja, um deinetwillen,
Und du, und du allein kannst meine Schmerzen stillen.
[499]
SYLVIA.
Ach! zeige mir nicht stets ein trauriges Gesicht,
Hab ich dir was gethan, Damöt?
DAMÖT.
Ich weis es nicht.
SYLVIA.
Du weißt es nicht?
DAMÖT.
Nein.
SYLVIA
weinend.
Ach! sollt ich dich können kränken?
Du solltest nicht einmal an so was böses denken,
Ich denke stets, wie ich dich nie erzürnen will.
DAMÖT.
Ach! du erzürnst mich nicht.
SYLVIA.
Ja nun, so sey auch still!
Und mache mir nicht Angst, du willst mich nur betrüben.
DAMÖT.
Ach! was empfind ich jetzt in nie empfundnen Trieben!
Ich seh, du bist mir gram, ich muß nur gehn.

Betrübt.
SYLVIA.
Damöt!
DAMÖT.
Ach Sylvia!
SYLVIA.
Wohin?
DAMÖT.
So weit ich kann.
SYLVIA.
Er geht?
[500] Ach bleib doch immer da!
DAMÖT.
Was muß ich wieder fühlen?
O Lust! O Schmerz?
SYLVIA.
Wie schön ist es nicht hier im Kühlen.
Bleib da!
DAMÖT.
Ach Sylvia! Ich bin bestürzt, entzückt,
Bekümmert, freudenvoll, unglücklich und beglückt,
Mein Geist ist ganz betäubt, ich sinke kraftlos nieder,
Und die Verwirrung dringt durch alle meine Glieder.

Setzt sich nieder.
SYLVIA.
Damöt! ach, mein Damöt!
DAMÖT.
Ich kann nicht
SYLVIA.
Du schläfst ein?
Schlaf wohl, dein Schlaf soll nicht von mir gestöret seyn.

Sylvia ab.
8. Auftritt
[501] Achter Auftritt.
Damöt.
Damöt schläft, und da er aufwacht, singt er folgende Aria.

Mit Zweifel, Lust und Schmerz,

Kämpft mein besturmtes Herz.

Mich täuscht kein leerer Wahn;

Noch bin ich ungewiß;

Doch aber weis ich dieß:

Du Sylvia bist Schuld daran.

V.A.


Geht ab.

Ende des ersten Aufzugs.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Montan, als ein Faun gekleidet. Mops. Jeder kommt auf einer andern Seite heraus.

MOPS.
Was seh ich? Helft! O weh! der Teufel will mich holen.
MONTAN.
Ha, ha, ha, ha, ha, hum!
MOPS.
He! he! he! Gott befohlen,

Will fortlaufen, Montan aber hält ihn zurück.

O weh! Leander, helft! Leander helft mir doch!
Wozu? Der Teufel kriecht auch durch ein Schlüsselloch!
Wozu? Was fang ich an? Ich muß mich drein ergeben,
Er holt mich ganz gewiß. Nun gute Nacht, o Leben!
MONTAN.
Ha, ha, ha, ha, ha, hum.
MOPS.
He, he, he! seyd ihr taub?
Herr, Herr Schifscapitain! Ich bin des Teufels Raub.
Das ist der Sünden Schuld, daß wir nach Mägdchen laufen,
Da andere für uns jetzt in dem Meer ersaufen.
[503] Ersöffen wir doch mit, so führen beyde hin;
Anstatt daß ich nunmehr allein des Teufels bin.
Bedenk ich alles recht, hier ist wohl gar die Hölle?
MONTAN.
Ha, ha, ha, ha, ha, hum!
MOPS.
He, he, he! auf der Stelle
Nehmt mich mit durch die Luft, wofern ich mich erkühnt
In euer Reich zu gehn, und euren Zorn verdient,
Mein Herr ist Schuld daran, den holt, und ohne Zweifel
Wird er euch lieber seyn:

Montan packt ihn im Nacken an.
Mops fällt vor ihm nieder.

Ach, allerliebster Teufel!
Wenn ja kein Bitten hilft, so macht mich nur gleich todt;
Helft mir durch einen Krall auf einmal von der Noth!
2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Montan, Mops, Chloe.

CHLOE.
Je Mops, was schreyst du denn?
MOPS.
Ach! Chloe!

Montan geht ab und winkt Chloe.

Was? er fliehet?
[504]
CHLOE.
Ja, ja, der Teufel geht, so bald er mich nur siehet.
MOPS.
Er geht, doch banner er gleich eine Hexe her.
CHLOE.
Wie? Was für Hexen?
MOPS.
Dich.
CHLOE.
Wenn ich doch eine wär;
Ich wollte dich

Geht auf ihn loß.
MOPS.
Au weh! du Hexe, bist ja eine!
CHLOE.
Nun gut, ich bins, darum brech ich dir Hals und Beine.

Sie jagen einander ein paarmal ringsherum.
MOPS.
Du Hexe laß mich gehn!
CHLOE.
Komm, laß dich prügeln.
MOPS.
Nein!
CHLOE.
Du mußt!
MOPS.
Ich will nicht. Au!
CHLOE.
Du mußt geprügelt seyn.
[505]
MOPS.
Ich schreye Feuer!
CHLOE.
Halt!

Sie kriegt ihn zu packen.
MOPS.
Nimm mir nur nicht das Leben!
Du Hexe!
CHLOE.
Das hat dir der Teufel eingegeben.
MOPS.
Hast dus nicht selbst gesagt?
CHLOE.
Du Stockfisch!
MOPS.
Laß mich gehen,
Du und der Teufel – – – nun – – ich hab es wohl gesehen.
CHLOE.
Was hast du den gesehen?

Fährt ihn an.
MOPS
weint.
Schon gut.
CHLOE.
Wer wird nun flennen!
MOPS.
Du kamst, der Teufel gieng, ihr müßt einander kennen!
CHLOE.
Ha, ha!
MOPS.
Ja lache nur, mir ist nicht lächerlich.
3. Auftritt
[506] Dritter Auftritt.
Silvander. Mops. Chloe.

SILVANDER
in Schäfertracht.
Mops!
MOPS.
He da!
SILVANDER.
Bist du da?
MOPS.
Ich such euch.
SILVANDER.
Und ich dich.
Du Galgenstrick!
MOPS.
Ihr reißt mich aus des Teufels Krallen,
Jagd hier die Hexe fort! Herr thut mir den Gefallen.
SILVANDER.
Was, Hexe?
CHLOE.
Ha, ha, ha!
SILVANDER
zu Chloe.
Wen meynt er?
CHLOE.
Mich. Das Vieh!
MOPS.
Herr, traut ihr nicht, sie hext und bannt mit leichter Müh
Euch gleich den Teufel her.
[507]
SILVANDER.
Schweig!

Zu Chloe.

was ist vorgegangen?
CHLOE.
Montan, so heißt mein Herr, jedoch auf sein Verlangen,
Sind wir, wie du und du, kurz Schäfer wie ihr seht
SILVANDER.
Nun gut! Montan?
CHLOE.
Montan, den ihr im Wege steht,
Will euch mit Macht und List von dieser Insel treiben:
Wir Magdchen sollen hier Zeitlebens Jungfern bleiben.
SILVANDER.
Ich weis schon Rath dafür.
CHLOE.
Drum hat er euch verführt,
In Hofnung, daß ihr euch im Wald von uns verliert.
SILVANDER.
Der Schalk! drum führt er uns in gräßlichen Gebüschen,
Bis er ein Mittel fand, uns jähling zu entwischen,
Wir schrien; er hörte nicht. Wir irrten weit herum,
Sah'n weder Tag noch Weg
MOPS.
Und ich.
SILVANDER.
Ja du Hansdumm.
Verlohrst dich auch von mir.
[508]
MOPS.
Nein, ihr habt euch verlohren.
SILVANDER.
Willst du noch reden?
CHLOE.
Gnug, Montan hat es geschworen,
Ihr sollt und müßt von hier, drum nahm er auch ein Fell
Und hüllte sich darein, doch ich kam ihm zu schnell,
Er gieng, da er mich sah, und Mops, der Simpel dachte,
Daß es der Teufel wär, und ihm den Garaus machte.
MOPS.
Ja mach du uns nur dumm.
SILVANDER.
Schweig Mops! und geh geschwind.
Zieh Schäferkleider an, sowie hier meine sind,
Im Kuffer liegen sie.
MOPS.
Herr ihr müßt mit mir gehen.
SILVANDER.
Warum?
MOPS.
Ich fürchte mich.
SILVANDER.
Narr!
MOPS.
Herr!
SILVANDER.
Bleibst du noch stehen?

Stößt ihn hinein.
4. Auftritt
[509] Vierter Auftritt.
Silvander. Chloe.

CHLOE.
Der arme Schelm, ich hab ihm jetzt recht Angst gemacht.
SILVANDER.
Nur seine Treu hat ihn in meinen Dienst gebracht.
Treu nutzt mir mehr als Witz. Hilf meine Neugier stillen:
Warum verjagt man uns?
CHLOE.
Um unsrer Keuschheit willen.
SILVANDER.
Nein, nein, aus Eifersucht, ich seh es deutlich ein,
Warum Montan mich haßt.
CHLOE.
Dem wird nicht also seyn,
Er kann und will und wird, die ihr liebt, niemals lieben,
Ein ganz besondrer Grund hat ihn dazu getrieben,
Daß er euch so verfolgt.
SILVANDER.
Welch ein besondrer Grund?
CHLOE.
Mein Herr! nach kurzer Zeit, mach ich euch alles kund.
Indessen trauet mir, ich will es dahin bringen,
Daß seinen Argwohn nicht ein Anschlag soll gelingen:
[510] Denn Doris, die ihr liebt, traut den Montan nicht mehr;
Sie kommt nach euren Wunsch auf meinen Wink bald her.
SILVANDER.
Ach wäre sie schon da, sie bleibt auch gar zu lange.
Jedoch, was hoff ich noch? Montan macht mir zu bange.
Er liebt sie.
CHLOE.
Nein, mein Herr! nein, sag ich auf mein Wort,
Aus Tugendliebe nur, jagt euch sein Eifer fort.
Doch eurer Liebe soll die Tugendliebe weichen,
Und jedes kann dabey noch seinen Zweck erreichen.
SILVANDER.
Mein Kind! du redest mir viel süsse Wörtchen vor;
Doch, eh ich alles seh, rührst du ein taubes Ohr,
Allein, was seh ich dort für einen bunten Schimmer,
Von hoher Damen Staat? – – Welch schönes Frauenzimmer?
Wie? trist man denn bey euch so große Damen an?
5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Doris in Staatskleidern. Silvander. Chloe.

DORIS
hüpfend.
Nun, Chloe! hast du es den Fremden kund gethan?
Doch was macht hier Damöt?
[511]
CHLOE.
Wo siehst du denn Damöten?
DORIS.
Wer ist de Schäfer hier?
SILVANDER.
Hier hab ich Rath vonnöthen.

Zu Chloe.

Wer ist die schöne denn?
DORIS.
Nun rede!
SILVANDER.
Sag es doch!
DORIS.
Wer ist er? – – bist du stumm?
SILVANDER.
Wer ist sie? schweigst du noch?
DORIS.
Kennst du den Schäfer nicht?
SILVANDER.
Kennst du nicht diese Schöne?
DORIS.
Sprich!
SILVANDER.
Fort!
DORIS.
Geschwind!
SILVANDER.
Heraus?
DORIS.
So rede doch!
[512]
SILVANDER
kläglich.
Verhöhne
Mich nicht in dieser Noth.

Ein jeder sagt dieses alles etwas sachte, daß es das andere nicht höret.
DORIS.
Ach sprich!
CHLOE.
Das ist betrübt!

Zu Silvander.

Das ist die, die ihr sucht:

Zu Doris.

das ist der, der dich liebt.

Sie erstrecken beide.

Nun redet!

Zu Doris.

Bist du stumm?

Zu Silvander.

Schweigt ihr?

Zu beiden.

ihr müst euch zeigen.

Zu Doris.

Sprich!

Zu Silvander.

Fort!

Zu Doris.

Geschwind!

Zu Silvander.

Heraus! – – Nun gut ich kann auch schweigen.
SILVANDER
nach einigen Stillschweigen.
Ist sies? Ja ja, sie ists. Ach schönste Schäferinn,
Die Tracht, in welcher ich vor euch erschienen bin,
Zeigt euch schon deutlich gnug, wie hoch ich euch muß ehren.
DORIS.
Und diese Tracht kann euch von mir desgleichen lehren.
SILVANDER.
Glück! doch meinet ihr, daß ihr durch diese Tracht,
Euch, allerschönstes Kind! mir reitzender gemacht?
DORIS.
Und meint ihr, daß ich euch als Schäfer nur kann lieben?
CHLOE.
So recht, die Liebe hat die Unschuld bald vertrieben.
[513]
SILVANDER.
O! wie entzückt ihr mich durch eure Gütigkeit,
Bey Furcht und Zweifel schien mein Glück mir noch sehr weit.
Doch, was ihr thut, und was ich nicht gewagt zu hoffen,
Zeigt mir den Eingang schon zu euren Herzen offen.
DORIS.
In diesem nahmt ihr schon beym ersten Anblick Platz.
SILVANDER.
Und eures war schon da mein allergröster Schatz!
Da ihr mich liebt, fürcht ich kein wiedriges Geschicke.
DORIS.
Und mein Glück raubt mir nichts, weil ichs in euch erblicke.
CHLOE.
Die hat bald ausgelernt, was kann nicht mein Bemühn?
SILVANDER.
Soll ich ein Schäfer seyn?
DORIS.
Nein, ich will mit euch fliehn.
CHLOE.
Nein, Doris! nicht zu früh, Montan hat drein zu sprechen.
DORIS.
Montan? nein, ich will mich an seiner Arglist rächen.
CHLOE.
Du mußt behutsam seyn, denn er steckt voller List,
Er hindert dich gewiß, du wißt ja wie ist.
[514]
SILVANDER.
Was soll man aber thun?
CHLOE.
Er muß durchaus nichts wissen,
So lang er noch nichts weiß, kann er auch nichts beschließen.
Zieh diese Kleider aus, sey wieder Schäferinn.
SILVANDER.
Und mich verträgt er wohl, wenn ich ein Schäfer bin.
Ich will mich gegen ihn, wie er es wünscht, betragen;
So wird er mir vielleicht nicht meinen Wunsch versagen.
DORIS.
Bewegt ihn dieses, uns nicht hinderlich zu seyn,
So geh ich, was man will, mit viel Vergnügen ein.
CHLOE.
St! still! er kommt hieher.
SILVANDER.
O weh!
CHLOE.
Ich will gleich gehen
Und machen, daß er euch nicht sieht beysammen stehen.
Du Doris lauf dorthin

Chloe ab.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Silvander. Doris.

DORIS.
Wohin versteck ich mich?
[515]
SILVANDER.
In dieses Wäldchen hier; geschwind, er nähert sich;
Ich bleib indessen hier, und such ihn zu gewinnen.
DORIS.
Ich geh. Lebt wohl!
SILVANDER.
Lebt wohl!

Doris geht ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Montan. Silvander.

MONTAN
in seiner ordentlichen Schäfertracht.
So sollen Schäferinnen,
Da euch das Meer verstößt, nun eure Beute seyn?
Nehmt eurer Pflicht gemäß des Feindes Küsten ein.
Versammlet euer Volk auf den zerstreuten Schiffen,
Die das erzürnte Glück in einem Sturm ergriffen.
An diesen kleinen Ort trieb euch nicht eure Pflicht,
Und was ihr hier begehrt, dient eurer Ehre nicht.
Steigt an bewohntes Land, verjagt des Feindes Heere:
Das wollen Fürst und Recht, das wollen Pflicht und Ehre.
Warum stört ihr uns hier in der Zufriedenheit,
Der sich ein Kriegsmann doch Zeit Lebens nimmer weiht?
Ihr wollt durch kühnen Raub die treuste Freundschaft trennen.
SILVANDER.
Damit ihr anders denkt, so lernt mich besser kennen,
[516] Ich bin ein Kriegsmann ja, doch nicht von jener Art,
Die statt der Tapferkeit Stolz in der Brust verwahrt,
Und trotzig sich erkühnt mit stets gezückten Degen,
Was ihnen nicht gehört zu Füssen sich zu legen.
O! nein, ein menschlich Herz schlägt, wie in euch, in mir.
Ich bin nicht als Soldat, ich bin als Schäfer hier.
Ihr könnt es äußerlich an dieser Tracht erkennen,
Dem innern nach sollt ihr mich bald auch Schäfer nennen.
MONTAN.
Das seh ich, wenn ihr euch der stillen Anmuth weiht,
Und wenn ihr euch mit uns an Schaaf und Flur erfreut.
Wenn ihr, wie wir es thun, zufrieden Schaafe weidet,
Und eures Glücks Verlust, bey dem Glück willig leidet.
SILVANDER.
Dies alles ist mein Glück und meine größte Lust,
Jedoch vor allen wohnt in eines Schäfers Brust,
Die reinste Zärtlichkeit, Empfindung sanfter Flammen,
Und Lust am Schaaf und Flur sind allezeit beysammen.
Ja beyde Stücke sind den Schäfern wesentlich;
Ein Schäfer ohne Lieb irrt und verkennet sich,
Wenn er sich Schäfer nennt; Ja Schäfer, ja, ich liebe,
Könnt ich auch Schäfer seyn, wenn ich nicht zärtlich bliebe?
MONTAN.
Mich zog die Liebe zwar nicht in den Schäferstand,
Und meinen Kindern ist der Trieb auch unbekannt.
[517] Allein, ich weiß gar wohl in jungen Schäferherzen,
Schleicht sich ein sanftes Weh und läßt sich nicht verschmerzen.
Wenn ihr, so wie ihr sagt, die Stille wehlen könnt,
Und mir mein stilles Glück, wie meinen Schäfern gönnt,
Ja kann ich eurem Herz, wie eurem Worte, glauben,
Wollt ihr hier Schäfer seyn, ich will es euch erlauben.
SILVANDER.
Ich schwöre bey der Glut
MONTAN.
Es braucht des Schwörens nicht,
Bey Schäfern macht ein Wort, das was man sagt zur Pflicht.
Ich weiß was Liebe kann, vor mehr als zwanzig Jahren
Hab ich durch Lust und Schmerz, was sie vermag, erfahren.
Ich will der Zärtlichkeit nicht mehr zuwider seyn.
Ich räum euch einen Platz in Doris Herzen ein.
SILVANDER.
O! unverhofftes Glück, du bist nicht zu ermessen,
Ihr lehrt mich alles Glück samt aller Noth vergessen.
MONTAN.
Was redet ihr von Noth? Wer Ehr und Güter hat,
Schmählt unrecht auf das Glück. Wärt ihr an meiner Statt,
So hättet ihr noch Grund das Schicksal anzuklagen.
SILVANDER.
Gründe gnug! sollt ich euch nur mein Schicksal sagen:
[518] Man zog mich, es ist wahr, als einen Prinzen auf;
Doch sind Verdruß und Schinerz mein ganzer Lebenslauf.
Sechs Jahre war ich alt, seit ich den nicht gesehen,
Der mir das Leben gab. Es war um mich geschehen,
So wie es gänzlich schien, doch mein untreues Glück,
Gab mir auf seiner Flucht noch einen holden Blick.
Man nahm mich an den Hof, weil man an mir gefunden,
Ich sey der Sorgfalt werth. Mein Vater war verschwunden,
Er gieng weit in die Welt und schweift noch hin und her.
MONTAN.
O Himmel! hör ich recht?
SILVANDER.
Er sucht zu Land und Meer,
Weit in der Welt herum, wie Theseus Abentheuer.
Doch glaub ich, Hitze, Frost, Sturm, Wellen, Wasser, Feuer,
Und was nur die Gefahr je Reisenden gedroht.
Beförderten längst den von ihm gesuchten Tod.
MONTAN.
Wie hieß er?
SILVANDER.
Orgon.
MONTAN.
Ach! was muß ich jetzt empfinden,
Soll ich den besten Freund im Sohne wieder finden?
[519]
SILVANDER.
Wie? seyd ihr denn Oront?
MONTAN.
Ja. Ihr Leander?
SILVANDER.
Ja.
MONTAN.
Des Orgons Sohn?
SILVANDER.
Gewiß
MONTAN.
Mein Glück ist wieder da,
Da meines Freundes Sohn mir es selbst wieder bringet.
Umarme mich mein Freund
SILVANDER.
Glück, das zum Weinen zwinget.
MONTAN.
O unbegreiflich Glück, sey deinem Vater gleich,
Und rede wie ein Freund, nicht fremd, durch ihr und euch.
SILVANDER.
Ich thu es, weil du willst, der Himmel will es haben,
Mein Herz befiehlt es mir. O Himmel! deine Gaben
Verdeckst du oft sehr lang mit Zweifel und Verdruß,
Biß man zuletzt entzückt, sein Glück bewundern muß,
In Doris kann ich nun die beste Gattin lieben.
Mein Vater, lebt er noch, freut sich bey diesen Trieben.
[520]
MONTAN.
Ach hoffe nicht zu viel.
SILVANDER.
Wie? sollt er wiederstehn?
MONTAN.
Nein, dieses glaub ich nicht: doch du wirst ihn nicht sehn,
Das Schif, auf welchem er sein Reisen angefangen,
Ist vor viel Jahren schon bey Japan untergangen.
SILVANDER.
Wie? du erschreckest mich! doch sollt es möglich seyn?
Es lief bey Hofe nie die böse Zeitung ein:
Mau hätte sie daselbst am sichersten erfahren,
Wenn sie gegründet wär.
MONTAN.
Vor mehr als sechzehn Jahren
Soll das geschehen seyn, was ich dir jetzt gesagt;
Unmöglich ist es nicht, er hat sich viel gewagt.
SILVANDER.
Was ihn auch für Gefahr bey seiner Fahrt betroffen,
So heißt mein Herz mich doch noch stets das Beste hoffen.
Doch meine Schwester hat das weis ich ganz gewiß,
Ein früher Tod ereilt.
MONTAN.
Mein Freund! wer sagt dir dies?
SILVANDER.
Kaum war sie in dein Hauß zur Pflegung übergeben,
So floh sie zart und schwach ihr schon halb todtes Leben.
[521]
MONTAN.
Nein, Freund! ein leerer Ruff, den meine List erdacht,
Hat deiner Schwester Tod dir fälschlich vorgebracht.
Sie lebt und lebt bey mir.
SILVANDER.
O Himmel! darf ichs glauben?
MONTAN.
Ich that, was Freundschaft, Pflicht und Zärtlichkeit erlauben;
Ich nahm, als ich entfloh, nebst meiner Kinder Paar,
Auch deine Schwester mit, die mir statt Kindes war.
SILVANDER.
Wo ist sie? welch ein Glück!
MONTAN.
Vielleicht wirst du sie kennen,
Vielleicht auch nicht.
SILVANDER.
Wie so?
MONTAN.
Du darfst sie mir nur nennen,
So zeig ich dir gleich. Wie hieß sie? weist du das?
SILVANDER.
Luise.
MONTAN.
Wie? hieß sie Luise?
SILVANDER.
Ja.
MONTAN.
Wie? was?
[522]
SILVANDER.
Luise, ganz gewiß! von der, die sie verpflegt,
Erfuhr ich, daß man ihr den Namen beygeleget.
MONTAN.
O unerschöpfte Wut des grausamsten Geschicks,
Nun sinkt der ganze Grund des allerletzten Glücks.
SILVANDER.
Was klagst du? gönnst du vielleicht nicht meine Freude?
MONTAN.
Ach! klage mit, mein Freund, das Glück verfolgt uns beyde,
Die Doris, die du liebst, ist deine Schwester.
SILVANDER.
Sie?
MONTAN.
Sie ist Luise, ja.
SILVANDER.
O! Doris, bist du die?
Die, weil sie mich geliebt, und weil sie geliebet,
Statt süsser Hofnung mich mit Reu und Schaam betrübet;
Die Strafe trift mich schon für die Verwegenheit,
Die meine Landung mir gleich Anfangs prophezeyt.
Indessen will ich dem Schäferstand ergeben,
Und recht vergnügt bey dir und meiner Schwester leben.
MONTAN.
Bedenke, was du thust, damit zu andrer Zeit,
Dein kühner Anschlag dich nicht allzuspät gereut.
Dies kleine stille Land ist kein Ort für Leandern.
[523]
SILVANDER.
Leander ist nicht hier, du redest mit Silvandern;
Denn ich will Schäfer seyn, und fasse den Entschluß
Zu fliehen, was mich doch nur stets betrüben muß.
MONTAN.
So flieh denn diesen Ort.
SILVANDER.
Nein, ich weiß mich zu fassen.
Ist mir das Glück noch treu, hier wird michs auch nicht hassen.
MONTAN.
O Freund, du kennest noch nicht allen meinen Schmerz;
Damöt hat Sylviens, sie hat Damötens Herz.
Sie lieben sich, und sind doch beyde meine Kinder.
SILVANDER.
So kränket, wie ich seh, verhaßte Glut nicht minder
Dich so, wie sie und mich! O Himmel! steh uns bey,
Daß diese Insel nicht des Lasters Zeuge sey.
MONTAN.
Doch dort kommt Sylvia mit dem Damöt gegangen.
Ich unterdrücke nun ihr schädliches Verlangen.
Entferne dich: noch darf dich keins von beyden sehn.
8. Auftritt
Achter Auftritt.
Montan, Damöt, Sylvia.

MONTAN.
Ihr Kinder seh ich euch denn stets beysammen gehn?
SYLVIA.
Ja, da Damöt
[524]
MONTAN.
Ja, ja, Damöt und du desgleichen,
Es mag wohl keines gern weit von dem andern weichen.
SYLVIA.
Damöt läßt mich nicht gehn.
MONTAN.
Und das ist dir schon recht.
SYLVIA.
Damöt thut mir ja nichts.
MONTAN.
Geselliges Geschlecht!

Zu Damöt.

Und du?
DAMÖT.
Ich thu ihr nichts.
MONTAN.
Das will ich dir wohl glauben.
DAMÖT.
Nun so kannst du mir auch mit ihr zu gehn erlauben.
So oft ich mit ihr geh, führ ich sie bey der Hand;
Von ihren Schritten wird mein Auge nie verwandt.
Ich halte sie, und muß sie über einen Graben,
So pflegt sie meinen Leib statt eines Stegs zu haben;
Quer über leg ich mich und seh steif in die Höh,
Bis sie hinüber ist, und ich dann mit ihr geh.
MONTAN.
Das thust du?
SYLVIA.
Ja gewiß, er hilf mir treu in allen,
[525] Letzt war mir auf die Brust, ich weis nicht was gefallen;
Ich sucht, allein ich kam nicht tief genug hinein,
Er langt es gleich heraus. Es war als wie ein Stein,
Und drückte mich recht sehr.
MONTAN.
Ist dieses oft geschehn?
SYLVIA.
Sehr oft, er hilft mir stets, und kann es gar nicht sehn,
Wenn mir was widerfährt, und ich desgleichen nicht,
Wenn ihm etwas geschieht.
MONTAN.
Das ist zwar eure Pflicht,
Ihr Kinder, doch ihr müßt nichts stets beysammen stecken,
Was euch das schaden kann, wird euch die Zeit entdecken.
DAMÖT.
Was schaden! uns ist wohl, wenn wir beysammen sind.
Was thut mir Sylvia? Sie ist ein gutes Kind.
SYLVIA.
Damöt ist auch recht gut, laß uns doch unsre Freude.
MONTAN.
Ich gönn euch alle Lust, allein, liebt ihr mich beyde,
Und glaubt ihr noch wie sonst, daß ich durch klugen Rath
Euch unterrichten kann, wie ich beständig that;
[526] So laßt euch ohne mich niemals beysammen finden.
SYLVIA.
Montan!
DAMÖT.
Warum denn das?
MONTAN.
Ihr sollt es bald ergründen.
9. Auftritt
Neunter Auftritt.
Montan, Damöt, Sylvia, Chloe.

CHLOE
eilig.

Zu Montan.

Mops kömmt dort auf uns zu; wie leicht entdecken ihn
Damöt und Sylvia; jetzt ists noch Zeit zu fliehn.
MONTAN.
Geschwind, Damöt! geschwind geh hin zu deiner Heerde

Zu Sylvia.

Und du zu deiner. Geh!
DAMÖT.
Doch wenn ich gehen werde – –
MONTAN.
Geh, folge. Sylvia! geh du auf deine Flur.
SYLVIA
seufzend.
Damöt!
DAMÖT.
Ach, Sylvia!

Sie gehen einander gegenüber ab, und sehen sich oft nach einander um.
MONTAN.
So wirket die Natur.
10. Auftritt
[527] Zehender Auftritt.
Montan, Chloe, Mops.

MOPS
in Schäferkleidern, mit einem großen Prügel und in weiten Hosen.
Nun bin ich aufgeputzt – – Doch – – alle gute Geister, – –
Gelt, herzenlieber Herr! ihr seyd kein Hexenmeister?
Doch diese Hexe da – – Habt nichts mit ihr zu thun.
MONTAN.
Sie ist so fromm als ich.
MOPS.
Nein, sie läßt mich nicht ruhn,
Und wenn der Teufel geht, fängt sie mich an zu plagen.
MONTAN.
Bleib hier, ich weiß, du wirst dich gut mit ihr vertragen,

Zu Chloe.

Ich muß zu Doris gehn.

Ab.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt.
Chloe. Mops.

CHLOE.
Haha, haha, haha!
Was soll der Prügel hier?
MOPS.
Geh, komm mir nicht zu nah!
[528]
CHLOE.
Ha, ha!
MOPS.
Was lachst du denn?
CHLOE.
Je, über deine Hosen,
Zweydeutigs Mittelding von Schäfern und Matrosen!
MOPS.
Du bist ein Mittelding; zieh du mir andre an,
Ich weiß den Henker drum!
CHLOE.
Ich hätt es gern gethan,
Hattst du mirs nur gesagt.
MOPS.
Wenn ich dir dürfte trauen!
CHLOE.
Ich bin ein Müsterchen von Jungfern und von Frauen.
MOPS.
Zweydeutigs Mittelding, von Jungfer und von Frau?
CHLOE.
Du halber Junggesell!
MOPS.
Ich nehms nicht so genau.
Doch, Chloe, sage recht, sollst du den Teufel kennen.
CHLOE.
So gut wie du; jedoch ich weiß ihn kaum zu nennen.
[529] Der Teufel, den du sahst, das war
MOPS.
Wer denn?
CHLOE.
Montan,
Der jetzo bey uns war, sahst du es ihm nicht an?
MOPS.
Haha! nun merk ich es: Er wollte mich erschrecken;
Doch nun, nun soll er mir wohl keine Furcht erwecken.
Nun komme, was da will, gehörnt, geschwänzt, schwarz, rauch,
Es brumme noch so sehr, und sey dem Teufel auch
Bis auf die Krallen gleich, so will ich herzhaft bleiben,
Und mit dem Prügel es bis in die Hölle treiben.
Ja, kommt nur Teufel, Höll und Drach und Löw und Bär,
Kommt alle, habt ihr Herz? kommt, höllisch wütend Heer!
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt.
Chloe, Mops, Corydon in verwirrter Reisekleidung.

MOPS
wirft den Prügel weg, und will davon laufen.
Chloe hält ihn.
O weh, hier sind sie schon!
CORYDON.
Da bin ich, ja! der Geyer!
[530] Hier sind ja Menschen! halt,

Läuft ihnen nach.

he, he da!
MOPS.
Feuer! Feuer!
CORYDON.
Sie sind verzweifelt scheu! es werden wilde seyn – – –
Huy, daß es Affen sind! Ob ich sie schieße? – – Nein,
Sie sehn zu menschlich aus. So wartet doch, zum Teufel!
Wofern ihr Menschen seyd! Sie sind es ohne Zweifel!
Ich bin ja auch ein Mensch, und freß euch warlich nicht.
CHLOE.
Es ist ein Fremder.
MOPS.
Doch sieh ihm nur ins Gesicht!
Der Teufel sieht aus ihm.
CORYDON.
Was soll der Kram bedeuten?
Kommt her!

Faßt beyde an.

was murmelt ihr denn beyde da von weiten?

Sie zerren sich hin und her.
CHLOE.
Mein Herr!
MOPS.
Ach nichts!
CORYDON.
Nun fort, sagt: Ob ihr Menschen seyd?
[531]
CHLOE.
Ja.
MOPS.
Thiere sind wir nicht.
CORYDON.
Hat man von hier noch weit,
Bis dahin, wo ihr wohnt?
CHLOE.
Es ist gleich hier daneben,
Dort, hier, da, überall, wir wohnen, wo wir leben.
CORYDON.
Das ist ja schön; allein, sind nicht mehr Menschen hier?
CHLOE.
Nicht mehr als fünfe nur sind hier, nebst dem und mir.
CORYDON.
Nicht mehr? das sind nicht viel; allein, ich muß sie sprechen.
CHLOE.
Mein Herr!
CORYDON.
Ja, ja, und sollt ich Hals und Beine brechen,
Ich muß sie sehn. Gewiß.
CHLOE.
Ganz gut. Allein sie fliehn,
Wenn sie die Kleidung sehn.
CORYDON.
Mich anders anzuziehn,
Ist mir ein leichte Werk, doch, wie muß ich mich kleiden?
[532]
CHLOE.
Als Schäfer, außer dem wird man euch hier nicht leiden.
CORYDON.
Gut, gut! das kann ich thun, ich geh gleich an das Meer,
Und hole mir vom Boot dergleichen Kleider her.
Hab ich doch in der Welt viel närrisch Zeug gesehen,
Und alles mit gemacht, das soll auch jetzt geschehen.
CHLOE.
Auch euer Name muß ein Schäfername seyn.
CORYDON.
Ich heiße Corydon.
CHLOE.
Doch du mußt mir verzeihn,
Hier heißt man alles du, wie ich michs unterstehe.
CORYDON.
Gut, gut, ich dutze ja die ganze Welt. Ich gehe.

Geht ab.
13. Auftritt
Dreyzehender Auftritt.
Mops. Chloe.

MOPS.
Das war ein närrisch Thier, bald hätt ich mich gescheut.
CHLOE.
So närrisch nicht, wie du, du wirst sie mit der Zeit
Vielleicht noch toller sehn. Gleich kannst du dich geberden.
[533] Pfuy! schäme dich! wer wird denn gleich zum Haasen werden?
MOPS.
Ach, furchtsam bin ich nicht! Hätt er uns was gethan,
Er hätt es sollen sehn, ich wehre meinen Mann,
CHLOE.
Ja, ja, ich habs gesehn.
MOPS.
Du sollsts noch mehr erfahren.
CHLOE.
Man sieht wohl, der Verstand kommt niemals vor den Jahren.
Wie alt bist du?
MOPS.
Wie alt? – – Ich bin erst 30 Jahr.
CHLOE.
Und so beherzt und klug?
MOPS.
Schon ziemlich.
CHLOE.
Das ist wahr.
14. Auftritt
Vierzehender Auftritt.
Silvander, Doris, Chloe, Mops.

DORIS.
Wohin?
SILVANDER.
Ich muß dich fliehn.
DORIS.
Wohin? darf ich nicht fragen,
[534] Was dich zur Flucht bewegt?
SILVANDER.
Montan wird dir es sagen.
DORIS.
Wer? Wer? Montan?
SILVANDER.
Montan.
DORIS.
Dem geb ich kein Gehör.
SILVANDER.
Fragst du mich noch einmal, so siehst du mich nicht mehr.
DORIS.
Wie? sagst du das im Ernst?
SILVANDER.
In vollem Ernste, leyder!
Mops, was hast du gemacht? Geh, ändre deine Kleider,
Sieh doch! wie gehst du denn?
MOPS.
Ich geh so wie ich geh.
CHLOE.
Komm, Mops, ich putze dich.

Beyde ab.
15. Auftritt
Funfzehender Auftritt.
Doris. Silvander.

DORIS.
Silvander, nein gesteh,
Ob du mich hassen kannst?
SILVANDER.
Dich, Doris, sollt ich hassen?
[535] Nein, nein, dich haß ich nie, du kannst dich drauf verlassen.
DORIS.
So hassest du mich nicht, da du mir das gestehst;
So folg ich dir vergnügt, so weit du immer gehst.
So lange du mir nur nicht dieses wehrst zu glauben,
Soll mich, was auch geschicht, nichts meiner Lust berauben.

Doris singt hüpfend folgende Aria.

Haßt mich Silvander nicht;
Wie Mund und Herz verspricht:
Was sollt ich mich betrüben?
Zum Lohne will ich ihn,
Sollt er auch von mir fliehn,
Nie hassen, ewig lieben.

Ende des zweyten Aufzugs.

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Montan. Corydon in Schäfertracht und einer langen schwarzen Peruque und großen Säbel.

CORYDON.
Wohin wirds nun noch gehn? ich bin des Laufens satt;
Ich wette, daß der Schelm mich gar zum Besten hat.
MONTAN.
Nein, nein, hier bleiben wir, hier wird uns niemand stören.
CORYDON.
Wie stehts? Ich möchte gern einmal was neues hören;
Ich bin, der Teufel hohls, rund um die Welt herum,
Zu Wasser und zu Land, und doch noch ochsendumm.
Was Teufel hilft michs nun, daß ich die Welt durchkrochen,
Und da gewesen bin, wohin kein Mensch gerochen?
Ich habe viel gesehn, allein, ich weiß nicht was.
Vor meinen Augen schwebt mir stets bald dieß bald das.
Von Nova Zembla an, bis zu den Hottentotten,
Bin ich zu Pferd und Fuß, mit Kriegs- und Kaufmannsflotten;
Durch Japan, Asien, Rom, Schweden, Afrika,
Von Fez und Surinam, bis nach Batavia;
Denn durch die neue Welt bis zu den Patagonen,
Wo lauter Riesen sind, bis, wo die Zwerge wohnen;
[537] Ins Land, wo Mensch und Vieh aus einer Pfütze säuft;
Da, wo ein wildes Volk mit Affenschwänzen läuft;
Dort, wo die Mohren sind, die splitternackend gehen;
An Orten, welche selbst der Teufel nicht gesehen,
Bin ich herumgetrollt, und komme nun hieher,
Und find ein schönes Land beynah von Menschen leer.
Ich glaub, es ist hier gar ein Nest voll Eremiten.
Der Himmel wolle mich vor dieser Brut behüten.
Nein, dazu taug ich nicht; ich bin ein Menschenfreund,
Ich suche sie, wo man sie nie zu finden meynt;
Doch sage, guter Freund! bist du hier stets gewesen?
Wie hast du ausserdem dir diesen Ort erlesen?
Wie heißt denn dieses Land?
MONTAN.
Arkadien.
CORYDON.
Ists wahr?
Arkadien! Ey, Ey! das ist ja schön, fürwahr!
Ich hätte nicht gedacht, daß ichs noch würde finden,
Ich hab es recht gesucht; doch kann ich nicht ergründen,
Wer dies berühmte Land an diesen Ort gesetzt,
Ich hab es für ein Theil von Asien geschätzt.
MONTAN.
Ganz recht, Arkadien, wo vor sehr langen Jahren,
Wenn man den Dichtern glaubt, die ersten Schäfer waren;
Dies schöne Land war zwar Asien ein Stück,
Doch dieses Land beut uns de alten Schäfer Glück;
[538] Und da wir gänzlich hier, wie jene Schäfer, leben,
So hab ich ihm dazu den Namen auch gegeben.
CORYDON.
Zum Henker! das ist dumm; ich hätt es gern geglaubt,
Wenn du des süssen Traums mich nicht so bald beraubt,
Es sey Arkadien. Was tändelst du, Montan!
Und hintergehst dich selbst nebst mir?
MONTAN.
Das geht wohl an.
Das man ein neues Land mit alten Namen nennet,
Wer nur Neu Spanien, Neu Holl- und England kennet,
Dem dünkt es gar nicht fremd.
CORYDON.
Die Länder kenn ich wohl,
Den will ich sehn, der mir das streitig machen soll;
Doch es mag immer seyn, ich kann den Namen leiden,
Ich war auch gleich bereit, als Schäfer mich zu kleiden,
So, wie du mich hier siehst.
MONTAN.
Doch dieser Haarbusch hier
Und dieses große Schwerd, was soll der Anputz dir
In deiner Schäfertracht?
CORYDON.
Wie? ist das hier nicht Mode?
MONTAN.
Wenn das die Schäfer sehn, sie fürchten sich zu tode.
[539]
CORYDON.
Doch, weiß ich denn, ob man auch Schelmen trauen kann?
Mit diesem Säbel hier steh ich für zwanzig Mann.
MONTAN.
Trau uns nur, auf mein Wort, hier weiß man nichts von Morden,
In diesem Land ist noch kein Mensch erwürget worden.
CORYDON.
Zum Element! so werd ich nicht der erste seyn.
Ich ändre meinen Staat und geh dir alles ein;
Doch sage mit, wie du an diesen Ort gekommen.
MONTAN.
Ach!
CORYDON.
Nun, was ach? was giebts? was hast du vorgenommen?
Ey, Ey!
MONTAN.
Das Glück hat mich ins Elend hergejagt;
Das Glück, das bis hieher mir seine Treu versagt.
Es mußt ein finstrer Thurm an mir die Neider rächen,
Und ich ergriff die Flucht.
CORYDON.
Was war denn dein Verbrechen?
MONTAN.
Der schönsten Liebe Glück; man brachte mich darum,
Und nahm mich in Verhaft.
CORYDON.
Verflucht! das heiß ich dumm.
[540]
MONTAN.
Gleich drauf starb meine Frau.
CORYDON.
Wie hieß sie?
MONTAN.
Celimene
CORYDON.
Wie? Celimene? – – halt! – – Ich kannt einst eine Schöne,
Die hieß gerade so. Potzstern! wer war sie doch?
Still – – jetzo fällt mirs ein, ja, ja, ich weiß es noch:
Sie war von gutem Stand, reich, klug, schön vom Gesichte,
Jedoch erzehle mir doch ferner die Geschichte.
MONTAN.
Ich floh; es förderte Verzweiflung meinen Schritt.
Ich nahm nebst einem Knecht drey kleine Kinder mit.
Zwey waren nur von mir, eins war von meinem Freunde.
Ich floh, und kam hieher, hier leb ich ohne Feinde.
CORYDON.
Doch warum nahmst du denn des Freundes Kind mit dir?
MONTAN.
O! der zog in die Welt.
CORYDON.
Darinnen gleicht er mir.
Wir hätten uns recht gut zusammen schicken sollen,
Ich hätte recht mit ihm die Welt durchstreichen wollen,
[541] Ich reist, und überließ mich Wellen Sturm und Wind.
Befahl dem Himmel, Haus und Hof und Weib und Kind,
Und bin fast zwanzig Jahr die ganze Welt durchkrochen.
Nur bin ich nicht entflohn, und hab auch nichts verbrochen,
Doch meiner Kinder Glück empfahl mir die Natur.
MONTAN.
Wer waren sie?
CORYDON.
Ein Sohn und eine Tochter nur.
MONTAN.
Wie aber hieß dein Sohn?
CORYDON.
Leander.
MONTAN
sieht ihn steif an.
Meinem Herzen
Sagt hier die Ahndung was mit Hoffnungsvollen Schmerzen.
Noch eins. Mein werther Freund! verzeih, wie nennst du dich?
CORYDON.
Ich? Orgon.
MONTAN.
Orgon?
CORYDON.
Ja, der Teufel hole mich!
Allein, wie heissest du?
[542]
MONTAN.
Oronte.
CORYDON.
Wie? Oronte?
MONTAN.
O Zufall! der mich noch allein beglücken konnte!
Umarme mich, mein Freund,
CORYDON.
Zum Teufel, ists denn wahr?
Bist du mein Freund, Oront?
MONTAN.
Ich bin es, es ist klar.
CORYDON.
Ach liebster Herzensfreund! ich fresse dich für Freuden.
MONTAN.
O Himmel! welche Lust erweckt das Glück uns Beiden.

Umart ihn sehr hitzig.

Ach Organ!
CORYDON.
Ach Oront!
MONTAN.
Ach Corydon!
CORYDON.
Montan!
MONTAN.
Ach
CORYDON.
Ach
[543]
MONTAN.
Ich
CORYDON.
Ich
MONTAN.
Bin
CORYDON.
Bin
MONTAN.
Entzückt
CORYDON.
Entzückt
MONTAN.
Ich kann,
CORYDON.
Ich kann
MONTAN.
Kann
CORYDON.
Kann

Corydon und Montan zugleich, sich umarmend.

Nicht mehr.

Corydon fällt um und reißt den Montan mit nieder. Schweigen eine Weile stille.
MONTAN.
O größtes Glück der Erden!
CORYDON.
Für Freuden möcht ich, ja – möcht ich des Teufels werden.
[544]
MONTAN.
Ja, ja, du bists.
CORYDON
einander steif ansehend.
Du auch.
MONTAN.
Doch noch ein größer Glück
Muß dir entdecket seyn, komm nur mit mir zurück.
2. Auftritt
Zweyter Auftritt.
Silvander, Montan, Corydon.

SILVANDER.
Montan, nun muß ich fort!

Sieht den Corydon und erschrickt.
MONTAN.
Hab ichs nicht prophezeihet?
Du siehst nun, daß dein Schluß dich nur zu früh gereuet.
Nimmt dich so bald der Trieb zur Ehre wieder ein,
So würd'st du dir und mir zur Last, ein Schäfer seyn.
SILVANDER.
Das ist es nicht, Montan, was meinen Schluß verhindert;
Ich thu es, daß sich mein und Doris Schmerz vermindert;
Das arme Kind schwört mir bey der ihr heilgen Flur,
Daß sie mich lieben muß.
MONTAN.
O Unschuld! O Natur!
[545]
SILVANDER.
Du siehst, mein Schicksal will, ich muß den Ort verlassen;
Eh sie als Schwester liebt, ists besser, mich zu hassen.
Drum lebe wohl Montan – Montan – Freund, lebe wohl,
Es wartet schon das Boot, das mich entfernen soll.
Ich will dir wo ich bin, von meinem Glück und Leben,
Ach! könnt ichs mündlich thun! zum östern Nachricht geben.
Wenn meines Vaters Bund, wenn dich sein Sohn noch rührt,
So mach, daß sich der Schmerz aus Doris Brust verliert;
Eh das geschieht, find ich nie meine Ruhe wieder.
Noch einmal lebe wohl! die Angst schwächt Geist und Glieder.

Er will gehen.
MONTAN.
Silvander warte noch, sieh deinen Vater hier.
SILVANDER.
Wen?
CORYDON.
Wie?
MONTAN.
Den Vater, ja; der Himmel schenkt ihn dir.
[546]
CORYDON.
Mein Sohn!
SILVANDER.
Mein Vater?
MONTAN.
Ja.
CORYDON.
Pfuy, hab uns nicht zum Narren!
SILVANDER.
Muß für Erstaunen nicht das Blut in mir erstarren?
Montan belügt mich nicht.
CORYDON.
Das soll Leander seyn?
SILVANDER.
Leander bin ich, ja. Entzückung nimmt mich ein.
Mein Herz spricht ja, so viel auch Zweifel widersprechen,
So will der Himmel noch mein hartes Schicksal rächen?
CORYDON.
Wer Henker führt dich denn in dieses leere Land?
Wenn du mein Sohn nun bist, kennst du hier diese Hand?

Zeigt ihm einen Brief.
SILVANDER.
Gerechter Himmel! ja – ja – das hab ich geschrieben.
CORYDON.
Dieß liebe Blatt ist nie von meiner Brust geblieben.
[547]
SILVANDER.
Ach Glück! – ach Vater! – ach! gelangt es doch an euch?
CORYDON.
Bekamst du Antwort?
SILVANDER.
Nein!
CORYDON.
Das ist ein Teufelsstreich.
Ich schrieb dir mit dem Fuchs.
SILVANDER.
Dieß Schiff ist untergangen.
CORYDON.
Ja, so kömmt es heraus, daß du sie nicht empfangen.
Umarme mich mein Sohn.

Umarmt ihn.
SILVANDER.
Mein Vater!

Küßt ihm weinend die Hand.
CORYDON
weinend.
Welche Lust!
MONTAN.
Seht hier des besten Sohns, des besten Vaters Brust!
Doch ich seh Doris dort, ich muß gleich zu ihr eilen,
Und machen, daß sie sich noch etwas muß verweilen;
Bleibt, Freunde, hier allein; ich halte sie dort auf,
Laßt eurer Zärtlichkeit und Freude vollen Lauf.
Ich komme bald zurück.

Ab.
3. Auftritt
[548] Dritter Auftritt.
Corydon. Silvander.

SILVANDER.
Ich bin noch wie im Schlafe.
CORYDON.
Und ich bin ganz vernarrt. Hüt'st du denn hier auch Schaafe?
SILVANDER.
Nein, nur um den Oront, der sich Montan jetzt nennt,
Zog ich die Kleidung an, in der man mich verkennt.
Ich bin am Hofe groß, als wie ein Prinz, erzogen;
Mein andrer Vater ist mir, so wie ihr, gewogen,
Und hat mich unverdient zum Schiffshauptmann gemacht;
Ein Sturm hat heute mich an dieses Land gebracht.
CORYDON.
Was hör ich? Ist das wahr?
SILVANDER.
Wie? sollt ich euch belügen?
CORYDON.
Mein Sohn, ich glaube dir, und zweite für Vergnügen.
Doch, kommst du denn hieher allein auf deinem Schiff?
SILVANDER.
Nein, mit der Flotte selbst. Der Sturm, der sie ergriff,
Hat mich von ihr getrennt, und an dies Land verschlagen.
[549]
CORYDON.
Das Unglück ist zwar groß; doch must du nicht verzagen.
Der Sturm verschlug mich oft, ich stund auch Schiffbruch aus;
Jedoch ich bins gewohnt, ich machte mir nichts draus.
Bin ich dein Tode schon so manchesmal entlaufen,
So werd ich hoffentlich noch nicht so bald ersaufen.
Allein, genug hiervon! mein Sohn, ach! sage doch,
(Vermutlich weißt du drum,) lebt deine Schwester noch?
SILVANDER.
Bald werdet ihr sie sehn!
CORYDON.
Wo ist sie? – Mach ein Ende!
O Glück! wenn ich zugleich hier Sohn und Tochter fände!
SILVANDER.
Das Schicksal nahm euch uns, ein Zufall giebt uns euch.
CORYDON.
So ist sie hier? Fort, fort, komm zeige mir sie gleich!
SILVANDER.
Allein, wenn ihr sie seht, so wird sie euch betrüben.
CORYDON.
Wie so?
SILVANDER.
Ihr werdet sehn
CORYDON.
Was denn?
SILVANDER.
Sie wird mich lieben.
[550]
CORYDON.
Nichts mehr? Ey, wird das nicht für mich ein Unglück seyn!
Muß eine Schwester denn den Bruder hassen?
SILVANDER.
Nein.
Allein, sie liebt mich nicht mit schwesterlichen Herzen;
Als Liebste liebt sie mich, und dieses macht mir Schmerzen.
CORYDON.
Als Liebste? Pfuy doch! Wie? kennt sie dich denn noch nicht?
SILVANDER.
Sie kennt mich, und weiß nichts von der Verwandschaftspflicht.
Es sind ihr Vater, Mutter, Sohn und Tochter fremde Sachen.
Sprecht ihr mit ihr davon, sie wird euch nur verlachen.
CORYDON.
Wer Teufel hat ihr denn die Possen weißgemacht?
Weiß sie denn nicht, wer sie in diese Welt gebracht?
SILVANDER.
Nein, daran denkt sie nie. Montan hat sie erzogen,
Und ihr
CORYDON.
Und ihr solch Zeug aus Narrheit vorgelogen.
SILVANDER.
Vielleicht nicht ohne Grund. Doch sie ist selbst sehr klug;
[551] Sie hat von der Natur und Liebe Licht genug:
Sie sah mich, als ich kam, und wie sie mich entzücket,
So ward auch sie verliebt, so bald sie mich erblicket.
CORYDON.
So liebst du sie dem: auch?
SILVANDER.
Als Bruder lieb ich sie;
Doch sie getröste sich nur andrer Liebe nie.
Wie schwer dämpft ich die Glut, die für sie in mir brannte,
Als ich bestürzt und froh in ihr mein Blut ertannte!
CORYDON.
Ja, laß dirs nur vergehn, es geht nicht anders an.
Je, liebe doch, du Narr, die Tochter des Montan,
Und wenn ihr Bruder dann auch deine Schwester liebte,
Was wär das für ein Glück!
SILVANDER.
Ein Glück, das mich betrübte.
Denn (darf ichs sagen? ach!) ach! ich empfind es schon.
Nun Doris konnt es seyn.
CORYDON.
Was träumt dir denn, mein Sohn?
SILVANDER.
Mein Vater!
CORYDON.
Schäme dich, du willst die Schwester lieben?
[552]
SILVANDER.
Des Schicksals Grausamkeit verfolgt mit gleichen Trieben,
Die Kinder des Montan.
CORYDON.
Ach pfuy! das ist zu arg.
SILVANDER.
Damöt liebt Sylvien und sie liebt ihn gleich stark.
CORYDON.
Ach! rede deutlicher mit meinen fremden Ohren.
SILVANDER.
Lenor liebt den Dorant Dorante liebt Lenoren.
CORYDON.
Was red'st du da für Zeug, das sich hieher nicht schickt?
Hat dir die Liebe denn den Kopf schon so verrückt?
Wer ist Lenore denn?
SILVANDER.
Die stillste von den Schönen,
Die Tochter des Montan, ein Kind von Celimenen.
CORYDON.
Nun sage mir doch auch, wie deine Schwester heißt?
SILVANDER.
Luise.
CORYDON.
Doris?
SILVANDER.
Ja.
CORYDON.
Ha, ha, der Knoten reißt;
[553] Ich seh den ganzen Kram, ihr Pursche seyd betrogen,
Die alte Wärterinn hat euch was vorgelogen.
Die alte Hexe! (doch in Ehren so gesagt!)
Hat nach der Weiber Art, die schlimmste List gewagt.
Aus Liebe für mein Kind, das sie nicht ziehen konnte,
Weil sie zu alt schon war, verschwieg sie dem Oronte,
Welchs seine Tochter war! Ihr Anschlag war nicht dumm,
Aus Vorsicht tauschte sie auch beyder Namen um.
Lenor ist des Orants, und mein Kind ist Luise.
SILVANDER.
Himmel!
CORYDON.
Und daß sie mir ihre Treu bewiese,
Hat sie, als mich das Schiff noch nicht weit weggebracht,
Mir sterbend schriftlich noch dieß alles kund gemacht.
Ich zeige dir den Brief, er liegt bey meinen Sachen.
SILVANDER.
So will doch abermals mein schlafend Glück erwachen?
CORYDON.
Ja, ja, es ist gewiß. Wenn du Lenoren liebst,
So thust du unrecht dran, wenn du dich drum betrübst;
Du kannst sie heute noch zu deiner Frau bekommen,
Und dem Dorante wird Luise nicht genommen.
Zum Henker, hätt ich es doch nimmermehr gedacht,
Daß euch das alte Weib so gar verwirrt gemacht.
[554]
SILVANDER.
Sie hat mich, eh sie starb schriftlich hintergangen.
Wie wird Montan sich freun, wenn er wird Licht empfangen!
Wie wird – – Doch Sylvia kömmt dort mit dem Damöt,
Der ihr aus Zärtlichkeit nie von der Seite geht.
Wir wollen sie doch nicht in ihrer Unschuld stören;
Montan muß alles erst aus unserm Munde hören.

Beyde ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Damöt. Sylvia.

DAMÖT.
Ich sterbe ohne dich.
SYLVIA.
Allein, was sprach Montan?
DAMÖT.
Montan? was er gesagt? es geht unmöglich an.
Er sprach: Ich solle dich, du solltest mich verlassen.
Wenn dieses möglich wär, so müßten wir uns hassen.
SYLVIA.
Nein, hassen werd ich dich, so lang ich lebe, nie.
DAMÖT.
Und ich dich gleichfalls nicht.
SYLVIA.
Was raschelt dort? Flieh, flieh.
[555]
DAMÖT.
Nein, nein, es ist mein Hund.
SYLVIA.
So muß ich von dir gehen.
DAMÖT.
Ach, warte doch! Montan wird uns so gleich nicht sehen.
Ich weiß nicht, was er da mit seinem Unglück will;
Ich sag ihm frey – Allein, wenn er spricht, schweig ich still.
Es ist, als wenn ich ihm, was er sagt, müßte glauben.
Doch, meine Sylvia! dich soll er mir nicht rauben.
SYLVIA.
Dich mir desgleichen nicht. Allein, wo fliehn wir hin?
Ich seh ihm stets um mich, ich bin auch, wo ich bin.
Sein ernsthaft Reden macht, daß ich mich vor ihm scheue;
Doch folg ich dießmal ihm, so folg der That die Reue.
DAMÖT.
Verhindre diesen Schmerz und folg ihm diesmal nicht.
Hier frage nur dein Herz, und thu, was dieses spricht.
SYLVIA.
Mein Herz spricht: Widersteh dem, was Montan begehret – –
DAMÖT.
Und sey Damöten gut.
SYLVIA.
Dein Wunsch war dir gewähret,
[556] Eh du ihn noch gethan; mein Wunsch ist deinem gleich.
DAMÖT.
Mein Wunsch kam ihm zuvor.
SYLVIA.
Damöt, Montan kömmt, weich!
DAMÖT.
Wo kömmt er denn? Ach Kind! du willst, ich soll dich meiden;
Ich muß, weil du es willst – ich muß – ja – ich muß scheiden.

Will gehen.
SYLVIA.
Nun, mußt du denn gleich gehn? – Damöt!
DAMÖT.
Du willst es ja.
SYLVIA.
Montan will es ja nu. Damöt!
DAMÖT.
Ach Sylvia!
Doris und Chloe kömmt. Montan kömmt auch mit ihnen.
SYLVIA.
O weh! er ist schon da, mich schrecken seine Minen.
Komm!

Wollen gehen.
5. Auftritt
[557] Fünfter Auftritt.
Montan, Doris, Chloe, Damöt, Sylvia.

MONTAN.
Kinder wartet doch. Wohin?
DAMÖT.
Auf unsre Flur.
MONTAN.
So folgt ihr ohne mich den Trieben der Natur?
Ich hab es euch gesagt und wills noch einmal sagen,
Ihr werdet, was ihr thut einmal zu spät beklagen.
SYLVIA.
Montan, was thun wir denn?
MONTAN.
Daß ihr beysammen seyd,
Das ist nicht recht.
DORIS.
Warum?
CHLOE.
Weil es Montan verbeut.
MONTAN.
Und Doris, du sollst zwar noch den Silvander sehen,
Doch, daß du Abschied nimmst.
DORIS.
Das wird wohl nicht geschehen.
[558]
CHLOE.
Allein, Silvander geht. Willst du so trotzig seyn,
Und ihn so lassen gehn? Es wird dich schon gereun.
MONTAN.
Ja, ja, er geht, und hat mirs für gewiß entdecket.
DORIS.
Glaubst du, Montan! daß mich dein leeres Drohen schrecket?
CHLOE.
Erschrick doch nur.
DORIS.
Ich will für den Silvander stehn,
Gieng er, er bäte mich, ich müßte mit ihm gehn.
MONTAN.
Seht doch die Schäferinn, wer hat dich das gelehret?
DORIS.
Mein und Silvanders Herz.
CHLOE.
Ich glaub es, eh sie schwöret.
MONTAN.
Dein und Silvanders Herz sind Lügner.
DORIS.
Nein, Montan!
Silvander soll mich fliehn? Nein, nein, das geht nicht an.
Wenn er mich könnte fliehn; so müßt er mich nicht lieben.
[559]
MONTAN.
Denkst du, er liebt dich?
DORIS.
Ja.
MONTAN.
Wo ist mein Zweck geblieben?

Sylvia und Damöt winken stets einander.
Zu ihnen.

St, st. Ich glaube gar, daß ihr bey Seite geht,
Tritt dorthin, Sylvia! und du hieher Damöt.
DAMÖT.
Hier bin ich.
SYLVIA.
Nun was denn?
MONTAN.
Bleibt beyde nur so stehen,
Und geht nicht eher weg, bis ich euch heiße gehen.
DORIS.
Nun, wo trett ich denn hin?
MONTAN.
Wohin du willst.
CHLOE.
Und ich?
MONTAN.
Du lose Schmeichlerinn!
CHLOE.
Das ist ein Lob für mich.
Montan versteht mich schon – – Ich seh Silvandern kommen,
[560] Und Corydon mit ihm. Was hat er unternommen?
MONTAN.
Gut, es bedeutet nichts; sie müssen beyde sehn.
CHLOE.
Damöt und Sylvia?
MONTAN.
Ich will für alles stehn.
6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Corydon, Montan, Damöt, Sylvia, Silvander, Doris, Chloe.

CORYDON
in ordentlicher Schäfertracht.

Zu Montan.

Gelt, Brüderchen, nun wird kein Schäfer vor mir laufen?

Damöt und Sylvia sehn ihn bewundernd an.

O weh! wie durftet mich! giebt es hier nichts zu saufen?
CHLOE.
Ja, Milch und Wasser.
CORYDON.
Gut, es hat noch Zeit damit.
SILVANDER.
Montan! ach mein Montan! für alles, was ich litt,
Und was für Elend dir der Himmel zugeschicket,
Hat dieser frohe Tag uns insgesamt beglücket.
Ach Schwester!

Umarmt Sylvien, welche erschrickt und zurück tritt.
[561]
MONTAN.
Sylvia? Wie? Himmel!
CORYDON.
Er hat Recht.
Vermenge nun nicht mehr mit deinem mein Geschlecht,

Zu Silvander.

Umarme mich mein Kind,

Sie springt zurück.
MONTAN.
Dein Kind?
CORYDON.
Mein Kind. O Freude!
So seh ich endlich noch die längst verlohrnen Beyde!
MONTAN.
Lenore?
CORYDON.
Sie ists nicht. Es ist Luise.
MONTAN.
Wie?
SILVANDER.
Ja, ja, wir irrten uns.
MONTAN.
Lenore!
CORYDON.
Das ist die,
Ich hab es gleich entdeckt, man hatte dich belogen.
MONTAN.
Ach! kann es möglich seyn? Ach! wär ich doch betrogen?
[562]
CORYDON.
Du bist betrogen, ja. Sieh, kennst du diese Hand?

Giebt ihm einen Brief.
MONTAN.
Sehr wohl.
CORYDON.
Lies.
MONTAN
liest.
Himmel! ach! das war mir unbekannt,

Zu Doris.

Ach Tochter!

Zu Damöt.

Ach mein Sohn!

Umarmt sie.

von mir kommt euer Leben,
Nun kann ich der Natur nicht länger widerstreben.
Verlaßt einander nie.

Führt Damöt und Sylvia zusammen.
zu Corydon.

Ich weiß, du willigst drein.
CORYDON.
Von Herzen gern; was kann nur größre Freude seyn?
DAMÖT.
Ach mein Montan! ach!
SILVANDER.
Ach! Montan! ach!
DAMÖT.
O Vergnügen!
SYLVIA.
So darf er nun bey mir gehn, essen, weiden, liegen,
Und doch nichts Böses thun?
MONTAN.
Ja, dieses steht euch frey.
DAMÖT.
Ach, liebste Sylvia! ich lebe nun aufs neu.
[563]
SYLVIA.
Für Freuden sterb ich fast. Ach, mein Damöt!
MONTAN.
Silvander,
Ich schenke dir mein Kind,

Führt ihm die Doris.

allein nicht den Leander.
Verstehst du es! denn hier bleib ich so wie mein Kind.
CORYDON.
Ist das, so ists gewiß, daß wir geschieden sind.
SILVANDER.
Wie so? geschieden? nein. Hier bleib ich ungezwungen;
Der Ort ist meine Lust, wo mir mein Glück gelungen.
CORYDON.
Nein, nein, hier bleib ich nicht, und du mußt mit mir fort.
SILVANDER.
Doch ohne Doris hat die Welt nicht einen Ort,
Der mir gefallen kann.
CORYDON.
O! die muß mit uns ziehen.
DORIS.
Ja, ja, ich ziehe mit.
MONTAN.
Willst du den Vater fliehen?
DORIS.
Den Vater? Wer ist der?
CORYDON.
Solch Zeug hast du gemacht!
[564] Sie kennt dich nicht einmal.
MONTAN.
Das that ich mit Bedacht.
Und eh das feste Land mich wieder sollt erblicken;
Eh will ich weder mich, noch Kind noch Freund, beglücken.
CORYDON.
Der Trotzkopf!
7. Auftritt
Siebenter Auftritt.
Mops, Corydon, Montan, Silvander, Damöt, Sylvia, Chloe.

MOPS
in ordentlicher Schäfertracht laufend.
Herr, geschwind!
SILVANDER.
Was giebts?
MOPS.
Geschwind aufs Boot!
SILVANDER.
Warum? Was treibt uns denn?
MOPS.
Ach! eine große Noth.
[565]
SILVANDER.
Was denn für Noth?
MOPS.
Nur fort.
SILVANDER.
Wohin?
MOPS.
Geschwind.
CORYDON.
Zum Teufel!
Was lermt der Narre denn?
MOPS.
Wir müßten
SILVANDER.
Ohne Zweifel
Hat dich ein Wild erschreckt?
MOPS.
Fort, fort, geschwind packt ein!
SILVANDER.
Sprich doch, was willst du denn?
MOPS.
Fort, fort.
SILVANDER.
Hör auf zu schreyn,
Und sage, was du willst.
MOPS.
Ich will, – – daß ihr müßt gehen.
[566]
SILVANDER.
Warum?
MOPS.
Man kann schon dort des Feindes Flotte sehen.
SILVANDER.
Hast du sie denn gesehn?
MOPS.
Nein. Doch sie kommt gewiß.
SILVANDER.
Wer sagts denn?
MOPS.
Ich – ich – ich.
SILVANDER.
Ein Narr.
MOPS.
Nein, lest – lies – lies.

Giebt Silvander einen Brief.
SILVANDER
liest.
Ja, es ist wahr.
MOPS.
Da sieh,
SILVANDER.
Der Feinde Schiffe kommen,
Und diese Insel wird von ihnen eingenommen.
Jedoch sie kommen erst in zwey, drey Tagen an.
Wir haben Zeit genug; was thust du nun, Montan?
[567]
MONTAN.
Ach!
CORYDON.
Ja, der wird nun wohl mit wollichten Armeen,
Dem feindlichen Geschütz beherzt entgegen gehen;
Denn er weicht nicht vom Fleck.
MONTAN.
Ach spotte nicht, mein Freund!
Jetzt, da das größte Glück mich noch zu trösten scheint;
Jagt mich das Glück von hier, wohin es mich getrieben,
Mich, wo michs erst verfolgt, aufs neue zu betrüben.
SILVANDER.
Verzage nicht, du weißt, aus dem, was ich gesagt:
Daß dich kein Unglück mehr vom festen Lande jagt.
Die Sach ist beygelegt, du kannst dort ruhig leben;
Du siehst, uns zwingt die Noth: du mußt dich drein ergeben.
MONTAN.
Ich muß? So will ich auch.
CORYDON.
Das war ein kluges Wort.
MONTAN.
Mein Unglück trieb mich her; mein Glück führt mich nun fort.
[568]
SILVANDER.
Man sagte mir, mein Schiff sey noch im guten Stande;
Wir setzen uns darauf und ziehn aus einem Lande,
Das doch für Schäfer nun kein Aufenthalt mehr ist.
CHLOE
zu Doris.
Ich seh wohl, keine List ist über Weiberlist.
Du, Doris! dank es mir.
CORYDON.
Wir reisen also morgen?
SILVANDER.
Ja, und ich will sogleich das nöthige besorgen.
MONTAN.
Nun lern ich, daß ein Mensch dem Schicksal nicht entgeht,
Und daß der thöricht ist, der murrt und widersteht.
Mein Schicksal lehrt, man kann an Höfen Heerden
Unglücklich und beglückt, doch nirgends werden.

Corydon winkt, daß warten, und mit ihm lustig seyn sollen.
Darauf singt er folgende Aria.

Durch Sorgen und Grillen
Sein Schicksal erfüllen;
Heißt ohne Verstand,
Sein Leben verwand.

[569] Im murrischen Herzen
Entspringen nur Schmerzen.
Die edelste Brust
Zeugt Hofnung und Lust.

Wer hat uns das Leben
Zur Strafe gegeben?
Vergnügen und Scherz
Beleben das Herz.

Nach jedem Verse singen die übrigen zusammen folgendes.

Es lebe die Quelle der süssesten Triebe,
Die Liebe, der Gipfel der Wollust, die Liebe!

Hierauf macht ein Schäferballet den Beschluß.

Ende.

[570]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Mylius, Christlob. Drama. Die Schäferinsel. Die Schäferinsel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5DD3-8