Sechsundvierzigste Erzählung.

Von einem Franziskanermönch, welcher den Ehemännern ein großes Verbrechen daraus macht, ihre Frauen zu schlagen.


In Angoulême, wo sich oft der Graf Karl, Vater des Königs Franz I., aufhielt, lebte ein Franzistanermönch, namens de Valles, ein gelehrter Mann und großer Redner, welcher in der Adventszeit in der Stadt vor dem Grafen Karl predigte, wodurch sein Ruf nur noch stieg. Während dieser frommen Zeit ereignete es sich nun, daß ein junger Thunichtgut, der eine sehr schone junge Frau geheirathet hatte, deshalb nicht weniger liederlich weiter lebte, sogar mehr noch, als es sonst glücklich Verheirathete thun. Die junge Frau erfuhr das und konnte nicht still dabei bleiben, sondern warf es ihm vor, erhielt aber dafür hin und wieder einen ganz anderen Lohn, als sie beabsichtigt hatte. Nichtsdestoweniger ließ sie mit ihren Klagen nicht ab und ging manchmal bis zu Beschimpfungen. Der junge Mann wurde darüber so zornig, daß er sie bis aufs Blut schlug, worüber sie dann laut schrie. Ebenso riefen die Nachbarinnen, die die Veranlassung wußten und nicht still sein konnten, laut in der Straße: »Pfui, pfui, solche Männer! Zum Teufel mit [324] ihnen!« Zufällig kam der Franziskaner de Valles durch die Straße und hörte den Lärm und den Grund desselben; sofort entschloß er sich, am anderen Morgen etwas hierüber in seiner Predigt einzuflechten, was er auch that. Er sprach absichtlich von der Ehe und der Treue, die wir in ihr bewahren müssen, lobte sie sehr und tadelte scharf diejenigen, die sie brechen, indem er die eheliche Liebe mit der väterlichen verglich. Unter anderem sagte er auch, daß es ein größeres Vergehen und eine strafwürdigere That sei, wenn ein Mann seine Frau schlage, als wenn er Vater oder Mutter schlüge. »Denn«, fuhr er fort, »wenn Ihr Vater oder Mutter schlagt, wird man Euch zur Buße nach Rom senden, wenn Ihr aber Eure Frau schlagt, werden sie und alle Eure Nachbarinnen Euch zu allen Teufeln, d.h. in die Hölle schicken. Nun betrachtet, welch' ein großer Unterschied zwischen den beiden Bußen besteht; aus Rom kehrt man gewöhnlich zurück, aus der Hölle aber nicht, denn von dort ist keine Rückkehr.« Von dieser Predigt an hatten sich, wie ihm berichtet wurde, die Frauen seine Worte zu Nutze gemacht, und ihre Männer konnten nicht mehr mit ihnen fertig werden. Nun wollte er auch hierfür Ordnung schaffen, da er hierin wieder eine Ungehörigkeit der Frau erblickte. Zu diesem Zwecke verglich er sie in einer seiner Predigten mit den Teufeln, indem er sagte, daß sie beide die ärgsten Feinde des Menschen seien, die sie immer in Versuchung führen und von denen sie sich nicht losmachen können. Insbesondere sagte er von der Frau weiter: »Wenn man den Teufeln das Krucifix zeigt, so fliehen sie; mit den Frauen ist es gerade umgekehrt. Sie verlieren dann alle Scheu, rennen hin und her und verursachen ihren Männern tausend Qualen. Wißt Ihr aber, Ihr guten Leute, was Ihr thun müßt, wenn Ihr seht, daß Eure Frauen Euch ununterbrochen quälen? Zieht den Stiel heraus und jagt sie mit dem Stiel fort. Wenn Ihr das drei bis viermal mit etwas Energie gethan haben werdet, werdet Ihr Euch besser stehen und werdet sehen, daß ganz, wie man den Teufel mit der Kraft des Kreuzes fortjagt, Ihr auch Eure Frauen mit der Kraft des Stieles des Kreuzes, vorausgesetzt, daß Ihr es vorher herausgezogen habt, vertreiben und zum Schweigen bringen werdet.«

»Hier habt Ihr einen Theil der Predigt dieses ehrwürdigen [325] de Valles«, fuhr Frau Oisille fort; »von seinem Leben will ich Euch, und ich habe Grund dazu, nichts weiter erzählen, nur einen Zug seines Charakters (ich habe ihn nämlich gekannt) will ich noch erwähnen, daß er nämlich viel mehr auf Seiten der Frauen als der Männer stand.« »In seiner letzten Predigt zeigte er das nicht sonderlich«, sagte Parlamente, »indem er die Männer anwies, wie sie ihre Frauen mißhandeln sollten.« Hircan sagte: »Ihr versteht nur nicht die List, die dahinter steckt; Ihr seid freilich auch nicht im Kriegswesen bewandert und kennt die dabei zur Anwendung kommenden Mittel nicht, unter denen folgendes einen ersten Platz einnimmt: Empörung und Aufruhr im Lager seines Feindes anzustiften, um es dann nur um so leichter zu nehmen. So wußte dieser Mönch sehr genau, daß Zorn und Haß zwischen Mann und Frau öfters die Ursache sind, daß Frauen von ihrer Ehrbarkeit ablassen, und wenn ihre Ehrbarkeit sich erst einmal von dem Schutze der Tugend losgesagt hat, so ist sie schneller den Händen der Wölfe preisgegeben, als sie selbst die Verirrung überhaupt merken.« »Wie dem auch sei«, beharrte Parlamente, »ich kann den nicht lieben, der Zwietracht zwischen Mann und Frau säet, daß es gar zu Schlägen kommt. Denn dann kann von Liebe keine Rede mehr sein. Dennoch (soweit ich gehört habe) spielen sie so die Schmeichelkatzen, wenn sie einen Vortheil über irgend eine erlangen wollen, und sind in ihren Reden so anziehend und liebenswürdig, daß ich es allerdings für gefährlicher halte, sie unter vier Augen anzuhören, als öffentlich Schläge von seinem Mann zu erhalten, der im übrigen ein guter Gatte sein kann.« »Das ist wahr«, bestätigte Dagoucin, »ihr Gebahren hat sich aller Orten so kund gethan, daß man sie nicht ohne Grund fürchten muß, obwohl nach meinem Dafürhalten ein Mensch ohne Mißtrauen ganz besonders zu loben ist.« Oisille sagte: »Immerhin muß man mißtrauisch und auf seiner Hut einem Uebel gegenüber sein, welches man vermeiden kann, denn es ist besser ein Uebel zu argwöhnen, welches garnicht existirt, als in thörichtem Vertrauen in ein wirkliches zu fallen. Ich meinestheils habe manche Frau täuschen sehen, die nur schwer den Worten der Männer glaubte, umgekehrt aber viele, welche zu bereitwillig ihren Lügen Glauben schenkten. Deshalb sage ich, wer für [326] Männer, Frauen, Städte oder Staaten zu sorgen hat, kann nie genug gegen mögliche Uebel auf seiner Hut sein. Denn wenn man auch noch so sehr aufpaßt, Schlechtigkeit und Verrath herrscht überall, und der Hirt, der nicht wachsam ist, wird immer durch die Schlauheit des Wolfes betrogen werden.« »Nichtsdestoweniger kann eine mißtrauische Person keinen wahren Freund haben«, sagte Dagoucin, »und viele trennt schon ein bloßer Verdacht.« »Wenn Ihr hierfür ein Beispiel an der Hand habt«, sagte Oisille, »so gebe ich Euch das Wort.« Dagoucin antwortete: »Ich weiß eine wahrhaftige Geschichte, die Ihr gewiß gern hören werdet. Nichts, meine Damen, zerstört leichter eine treue Freundschaft, als wenn die Sicherheit derselben einem Argwohn weicht. Denn wie das Vertrauen die größte Ehre ist, die man einem Freunde erweisen kann, so ist der Zweifel die größte Unehre für ihn. Denn dann hält man ihn für etwas ganz anderes als man wünscht, daß er wäre, und das bringt einen Mißton in manche Freundschaft und macht Freunde zu Feinden, wie Ihr aus meiner Erzählung ersehen könnt.«

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Fünfter Tag. 46. Erzählung: [Von einem Franziskanermönch]. 46. Erzählung: [Von einem Franziskanermönch]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5EDC-E