Johann Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Posse mit Gesang in vier Aufzügen

[412]

Personen

Personen.

    • Zangler, Gewürzkrämer in einer kleinen Stadt.

    • Marie, dessen Nichte und Mündel.

    • Weinberl, Handlungsdiener,
    • Christopherl, Lehrjung,
    • Kraps, Hausknecht,
    • Frau Gertrud, Wirtschafterin, bei Zangler.

    • Melchior, ein vazierender Hausknecht.

    • August Sonders.

    • Hupfer, ein Schneidermeister.

    • Madame Knorr, Modewarenhändlerin in der Hauptstadt.

    • Frau von Fischer, Witwe.

    • Fräulein Blumenblatt, Zanglers Schwägerin.

    • Brunninger, Kaufmann.

    • Philippine, Putzmacherin.

    • Lisett, Stubenmädchen bei Fräulein Blumenblatt.

    • Ein Hausmeister.

    • Ein Lohnkutscher.

    • Ein Wächter.

    • Rab, ein Gauner.

    • Erster,
    • Zweiter , Kellner.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Zangler. Sonders.

ZANGLER.
Ich habe Ihnen jetzt ein für allemal g'sagt –
SONDERS.
Und ich Ihnen ein für allemal erklärt –
ZANGLER.
Daß Sie meine Nichte und Mündel nicht kriegen.
SONDERS.
Daß Marie die Meine werden muß.
ZANGLER.
Das werd' ich zu verhindern wissen.
SONDERS.
Schwerlich so sicher, als ich es durchzusetzen weiß.
ZANGLER.
Kecker Jüngling!
SONDERS.
Hartherziger Mann! Was haben Sie gegen mich? Meine Tante in Brüssel ist reich.
ZANGLER.
Gratulier'.
SONDERS.
Ich werde sie beerben.
ZANGLER.
Aber wann?
SONDERS.
Sonderbare Frage; nach ihrem Tode.
ZANGLER.

Und bis wann wird sie sterben? Aha, da stockt die Antwort. So eine Tant' in Brüssel kann leben, so lang sie will.

SONDERS.

Das wünsch' ich ihr von Herzen, denn ich weiß, daß sie auch bei Lebzeiten reichlich zu meinem Glücke beitragen wird.

ZANGLER.

Reichlich beitragen – wieviel is das in Brüssel? Reichlich beitragen is hier das unbestimmteste Zahlwort was es gibt, und in unbestimmten Zahlen schließ' ich kein Geschäft, und kurz und gut, ins Ausland laß ich meine Mündel schon durchaus nicht heiraten.

[413]
SONDERS.
So heirate ich sie und bleibe hier.
ZANGLER.

Und derweil schnappt dort ein anderer die Erbschaft weg, das wär' erst gar das Wahre. Mit einem Wort, g'horsamer Diener! Plagen Sie sich auch nicht zu sehr mit unnötigem Herumspekuliern um mein Haus, meine Nichte is heut früh an den Ort ihrer Bestimmung abgereist.

SONDERS.
Wie, Marie fort –?!
ZANGLER.

Ja, nach Dingsda – logiert in der ungenannten Gassen, Numero soundso viel, im beliebigen Stock, rechts bei der zug'sperrten Tür, da können S' anläuten, sooft S' wollen, hineinlassen wern S' Ihnen aber nicht.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Gertrud. Die Vorigen.

GERTRUD
tritt zur Mitte ein.
Das geht gut, der neue Hausknecht is noch nicht da, und der alte sagt, er will nix mehr tun.
ZANGLER.
Was is denn?
GERTRUD.

Die Koffer müssen ja vom Boden heruntergetragen werden, wenn die Mamsell Marie schon übermorgen in die Stadt zur Fräulein Blumenblatt soll.

ZANGLER
verlegen und ärgerlich.
Es ist – Sie hat – geh' Sie zum Teufel –
SONDERS.
Also übermorgen erst? in die Stadt zur Fräulein Blumenblatt? Gehorsamer Diener.

Geht zur Mitteltüre.
ZANGLER.
He mein Herr – das wird Ihnen nix nutzen, daß – der Aufenthalt meiner – mit einem Wort –
SONDERS
schon in der Türe.
Gehorsamer Diener!Ab.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Die Vorigen, ohne Sonders.

ZANGLER
sehr aufgebracht.

Da hab'n wir's – jetzt weiß er – daß sie noch da is und wo sie hinkommt, ich wollt', die Frau Gertrud wär' –

GERTRUD.
Was hab' ich denn getan?
[414]
ZANGLER.

Gar nix hat Sie getan, g'red't hat Sie. Das is das, was die Weiber immer tun und nie tun sollten. Zur Unzeit hat Sie g'redt. Man sollt' gar nicht glauben, daß so eine überreife Person so unzeitig reden könnt'.

GERTRUD.
Ich hab' aber ja nicht gewußt –
ZANGLER.

Daß das der Liebhaber von meiner Mündel is. Aber jetzt weiß Sie's, weiß, daß ich morgen in aller Fruh in die Stadt fahr', weiß, daß Sie jetzt mit hundertfacher Vorsicht über die Marie wachen muß; wo ist die Marie?

GERTRUD.
Im Garten bei den Bienen.
ZANGLER.

Da halt't sie sich immer auf, ich glaub' bloß deswegen, weil die Bienen schwärmen, soll sich ein Beispiel nehmen, das sind nur Tiere, und schwärmen auf eine so nützliche Weise, und Frauenzimmer, die sich einbilden, halbete Engeln zu sein, haben eine so hirnlose Schwärmerei in sich. Sie soll heraufgehen, es fangt an dunkel zu werden. Und der Herr Weinberl und der Christoph sollen auch heraufkommen, wenn sie 's G'wölb zug'sperrt hab'n. Und meine Schützenuniform bring' Sie mir herein, der Kasten wird offen sein.

GERTRUD.
Gleich, Herr von Zangler, gleich. Zur Mitte ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Zangler, dann Kraps.

ZANGLER
allein.

's ist zum Totärgern. Heut großes Quartal-Souper der Schützengesellschaft und der Schneider laßt mich sitzen. Ich als diesjähriger Schützenkönig muß in der alten Uniform erscheinen. O Schneider, Schneider! wann werdt's ihr in eurer Sphäre bleiben, und euch bloß aufs Kleidermachen und nicht auch aufs Maulmachen verlegen, dreimal hab' ich schon g'schickt und –

KRAPS
zur Mitte eintretend, bringt einen dreieckigen Hut und Hirschfänger mit Gehänge.

Es war wieder umsonst. Da ist der neue Hut und der neue Hirschfänger; aber der Schützenfrack wird nit fertig, hat noch keine Knöpf und kein Futter, wann S'n so anlegen woll'n –

[415]
ZANGLER.
Ich werd' doch kein Frack ohne Futter anlegen.
KRAPS
für sich, indem er Hut und Hirschfänger auf den Tisch links legt.

Ich glaub', wann er den Rock zu der Fresserei anlegt, wurd Futter g'nug hineinkommen. Laut. Jetzt bitt' ich um mein Lohn und um a Trinkgeld.

ZANGLER.
Was Trinkgeld?
KRAPS.

Ich hab heut vor 14 Tagen aufg'sagt, aber um achte in der Fruh, Sie haben mich jetzt also 11 Stunden über die Zeit mißbraucht.

ZANGLER
gibt ihm Geld.
Da hat Er. Übrigens irr' Er sich nicht, ich hab' Ihm aufg'sagt, nicht Er mir.
KRAPS.

Kann sein. Ich hab' aber z'erst durch Nachlässigkeit und Unwillen zu erkennen geb'n, daß mir der Dienst nit mehr g'fallt, daß Sie dann g'sagt hab'n, ich kann mich in 14 Tagen zum Teufel scher'n, das war nur eine natürliche Folge davon.

ZANGLER.

Pack Er sich, ich bin froh, daß ich Ihn los hab', ich hab' ihn nur kurze Zeit g'habt, aber – ich will nicht sagen, was ich mir denk', aber –

KRAPS.
No sein S' so gut.
ZANGLER.
Er ist ein unverläßlicher Mensch, und –
KRAPS.

O sehr verläßlich, ich verlaß alle 3 Wochen einen Dienst, das kann ich durch viele Zeugnisse beweisen; empfehl' mich gehorsamst – ich bleib' nicht gern lang an einem Ort.


Mitte ab.
ZANGLER
allein.
Der wird schon noch an einen Ort kommen, wo er lang bleiben muß, das prophezei' ich ihm.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Zangler. Gertrud.

GERTRUD
zur Mitte eintretend.

Da is das Schützenkönigg'wand. Legt einen grünen bordierten Rock, einen Hut und Hirschfänger auf den Tisch rechts.

ZANGLER
unwillig.
Auf meine Mündel soll Sie Obacht geben, hab' ich g'sagt.
GERTRUD.
No ja, Sie haben aber auch befohlen –
[416]
ZANGLER.

Daß Sie der Marie nicht ein Schritt von der Seiten geht. Hirschfänger und Hut war unnötig, ich hab' einen neuen.

GERTRUD.
No so will ich den wieder –

Will zum Tisch, um Hirschfänger und Hut wieder fortzutragen.
ZANGLER
heftig.
Zu der Marie soll Sie schau'n, hab' ich g'sagt.
GERTRUD
erschrocken zurückweichend.

Nein, man weiß wirklich nit, wo ein'm der Kopf steht. Im Abgehen. Jetzt hätt' ich bald vergessen – Zu Zangler. Der neue Hausknecht is da –

ZANGLER.
Soll hereinkommen –

Gertrud zur Mitte ab.
ZANGLER
allein.

Nichts als Odiosa, Geschäfte, Unwesen im Hauswesen, umgeben von albernen Wesen, langweiligen Wesen, schlechten Wesen, bin wirklich ein geplagtes Wesen. Es wird an der Türe geklopft. Herein!

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Zangler. Melchior.

MELCHIOR
schüchtern eintretend zur Mitte.
Ich bitt', sein Euer Gnaden der G'würzkramer?
ZANGLER.

Eins zuwenig, 's andere zuviel, ich bin nicht Euer Gnaden, sondern nur Herr Zangler, bin aber kein Kramer, sondern vermischter Warenhändler.

MELCHIOR.

Ich hab' g'hört, daß der Herr vermischte Warenhändler einen Hausknecht g'habt hab'n, der ein reiner Lump war.

ZANGLER.
Ich hab' ihn fortgejagt.
MELCHIOR.
Und da hab' ich g'hört, sind Sie in Desperation, daß Sie kein Hausknecht haben.
ZANGLER.
In Desperation? Das is gar eine dumme Red, ich glaub', an solchen Schlingeln is keine Not.
MELCHIOR.

Das is wahr, eher wird's an Prinzipal'n eine Not sein. Ein Hausknecht halt't lang, aber Prinzipal geht alle Augenblick einer z'grund.

ZANGLER.
Er ist etwas vorlaut, scheint mir –
[417]
MELCHIOR.
Nein, das war nur so eine merkantilische Bemerkung.
ZANGLER.
Wo hat Er sein Dienstzeugnis?
MELCHIOR.
Im Sack.
ZANGLER.
So geb Er's her.
MELCHIOR
gibt ihm das Zeugnis, ein ganz zusammengeknittertes Papier.
Es is etwas verkribelt, ich trag's schon 4 Wochen herum.
ZANGLER.
Hat Er Kenntnisse von der vermischten Warenhandlung?

Durchsieht das Zeugnis.
MELCHIOR.

O sehr viel. Wir hab'n zwar da, wo ich war, nur einen Artikel g'habt, aber der war ungeheuer vermischt, ich bin aus einer Weinhandlung.

ZANGLER.
Hm, sein Zeugnis lautet ja ganz vorzüglich gut.
MELCHIOR.
Ja, meine Aufführung war klassisch.
ZANGLER
in dem Zeugnis lesend.
Treu, redlich, fleißig, willig, wachsam aufs Haus – Zu Melchior. Er is aufgenommen.
MELCHIOR.
Ich küß die Hand.
ZANGLER.
Sechs Gulden Monatlohn, Kost, Quartier, Wäsch –
MELCHIOR.

No, jetzt Quartier und Wäsch, das is das Geringste, aber die Kost, die war halt dort, wo ich war, klassisch.

ZANGLER.
Bei mir leid't auch niemand Hunger – Suppen, Rindfleisch, Zuspeis, und was drauf.
MELCHIOR.
Aber nur viel drauf. Und weg'n Frühstück, dort hab' ich halt immer einen Kaffee g'habt.
ZANGLER.
Das war bei mir nicht der Brauch, daß der Hausknecht Kaffee –
MELCHIOR.
Schaun S', Sie hab'n g'wiß auch einen Rosolie unter Ihren vermischten Sachen.
ZANGLER.
O ja, aber –
MELCHIOR.

Na, sehn Sie, dann is es ja unser beiderseitiger Vorteil, wann S' mir ein Kaffee geb'n, denn Sie verleiteten mich ja sonst mit G'walt zu die geistigen Getränk.

ZANGLER.
Na, da gäbet's schon noch Mittel – übrigens wann Er brav is –
MELCHIOR.
Klassisch.
[418]
ZANGLER.
So soll Er ein Kaffee haben.
MELCHIOR.
Versteht sich süß, und zwei Kipfeln. O an den Ort, wo ich war, das war ein klassischer Kaffee.
ZANGLER.
Was hat Er denn immer mit dem dummen Wort klassisch?
MELCHIOR.
Ah, das Wort is nit dumm, es wird nur oft dumm angewend't.
ZANGLER.

Ja, das hör' ich, das muß Er ablegen, ich begreif' nicht, wie man in zwei Minuten 50mal dasselbe Wort repetieren kann.

MELCHIOR.
Ja, das ist klassisch. Und dann bitt' ich mir zu sagen, was ich alles zu tun hab'.
ZANGLER.
Was wird Er zu tun haben? was halt einem Hausknecht zukommt.
MELCHIOR.
Kisten und Fässer aus'n Magazin holen.
ZANGLER.
Botengänge machen, das G'wölb rein halten, und im Haus –
MELCHIOR.
Wenn's in der Kuchel was gibt, klein's Holz machen, allenfalls Boden reib'n.
ZANGLER.
Das hoff' ich auch.
MELCHIOR.

Ich war immer sehr gut mit meine Herrn, also wer' ich bei Ihnen keine Ausnahm – und nicht wahr, wenn ich was aus Privatfleiß tu', zum Beispiel der Köchin Wasser trag'n, den Herrn Kommis die Stiefel putzen, da krieg' ich extra ein Honorar –

ZANGLER.

Das mach' Er mit dem Kommis aus, und mit der Köchin. Jetzt hilf Er mir anziehen, den Schneider soll der Teufel holen.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Hupfer. Die Vorigen.

HUPFER.
Da bin ich, das Meisterwerk is vollendet.
ZANGLER
sehr freundlich.
Also doch fertig? Aber Sie haben mich warten lassen, lieber Herr Hupfer.
MELCHIOR
zu Zangler.
Ist das der, den der Teufel holen soll?
HUPFER.
Wie? Was?
[419]
ZANGLER
zu Melchior.
Halt Er 's Maul! Zu Hupfer. Das is nur so eine Redensart ungeduldiger Erwartung.
MELCHIOR.

Freilich nur Redensart, und das weiß auch der Teufel recht gut; wann er gleich jeden Schneider holet, wie man's sagt, so möcht' der Teufel Schneider sein.

HUPFER
indem er die Schützenuniform auspackt, und das Umschlagpapier von den Knöpfen und Borten reißt.
Mit Hilfe zweier plötzlicher unverhoffter Schneidergesellen habe ich das Unmögliche möglich gemacht.
MELCHIOR.
Sind s' heut erst angekommen?
HUPFER.
Ja.
MELCHIOR.

Nicht wahr, einer is krump, der andere hat ein schwarzes und ein blaues Aug, das schwarze Natur, das blaue g'schlagen.

HUPFER.
Kann schon sein.
MELCHIOR.
Die Schneiderg'sell'n kenn' ich, sie hab'n g'fochten unterwegs.
HUPFER.
Das is so der Brauch.
MELCHIOR.

Ich hab' ihnen einen Silberzehner geb'n und g'sagt, daß s' mir sechs Groschen herausgeb'n soll'n, das hab'n s' aber in der Hitze des Gefechts überhört, und sind weiter; wollten Sie ihnen nicht sagen –

HUPFER
ohne auf Melchior zu hören, zu Zangler.
Jetzt bitt' ich nur gefälligst anzuprobieren.
ZANGLER
hat seinen Überrock abgelegt, und schlieft mit Hupfers Hilfe in den Schützenfrack, indem er zu Melchior sagt.
Merk Er auf, damit Er lernt, wie man eine Uniform – Zu Hupfer. Etwas eng scheint s' mir –
MELCHIOR.
Das is fesch –
HUPFER.
Freilich!
ZANGLER.
Unterm Arm schneidt das Ding ein, das tut weh.
MELCHIOR.
Macht sich aber fesch.
ZANGLER.
Und hinten gehn die Schößeln zu weit auseinand.
MELCHIOR.
Das ist gar fesch.
ZANGLER.
Wie g'sagt zu eng. Bei der Tafel wer'n mir alle Knöpf aufspringen.
HUPFER.
Ich begreif' nicht –
[420]
ZANGLER.
Sie hab'n mir doch die Maß genommen.
MELCHIOR.

Mein Gott, das Maßnehmen is ein altes Vorurteil, welches die Schneider doch nicht hindert, jedes neue G'wand zu verpfuschen.

ZANGLER
zu Melchior.
Nun, wie schau' ich aus?
MELCHIOR.
Ich därf's nit sag'n.
ZANGLER.
Wenn ich Ihm's befehl, wie schau' ich aus?
MELCHIOR.
Klassisch.
HUPFER.

Am Himmel hab'n s' ein Sternbild, das heißt der Schütz, das ist aber bei weitem nicht so geschmackvoll wie dieser Schütz.

MELCHIOR
für sich.
Das is klassisch.
ZANGLER.
Für heut tut's es, aber morgen müssen Sie mir den Rock weiter machen.
HUPFER.
Warum nicht gar, Uniform muß eng sein.
ZANGLER.
Aber ich erstick' ja.
HUPFER.

Macht nichts; Sie haben einmal von der Natur eine Art Taille erhalten, und es ist die Pflicht der Kunst, dieses Geschenk der Natur in das günstigste Licht zu stellen. Rekommandier' mich bestens. Zur Mitte ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Die Vorigen, ohne Hupfer.

MELCHIOR.

Er hat halt allweil recht, und gibt nicht nach, man glaubet's nicht, wie so ein Schneider bockbeinig ist.

ZANGLER.
Jetzt mein Lieber – wie heißt Er?
MELCHIOR.
Melchior.
ZANGLER.
Mein lieber Melchior, fahr Er gleich wieder z'ruck in die Stadt.
MELCHIOR.
Was, ich hab' glaubt, Sie haben mich aufg'nommen?
ZANGLER.

Freilich, aber ich fahr' morgen in aller Früh auch in die Stadt. Da steigt Er gleich bei der Linie im Gasthaus bei der Sonn' ab, sagt nur meinen Namen, daß das gewöhnliche Zimmer für mich herg'richt wird, und erwart' [421] mich, da hat Er Geld.Gibt ihm welches. Mach' Er aber g'schwind, in einer Viertelstund geht der Stellwagen.

MELCHIOR.

Gut. Aber könnt' ich nicht vorher noch meinen übrigen Vorgesetzten, dem Kommis und dem Lehrbuben die Aufwartung machen.

ZANGLER.
Nix, Er versäumt sonst den Wagen.
MELCHIOR.

No, so geh' ich halt. Sie sind bei einer Tafel eingeladen Herr von Zangler, geb'n S' acht auf'n neuen Rock, daß S' Ihnen nicht antrenzen.

ZANGLER.
Was redt Er denn für dumm's Zeug.
MELCHIOR.
Schön 's Serviett vornehmen und auseinanderbreiten, die Bratlfetten geht hart heraus.
ZANGLER.
Glaubt Er denn, ich bin ein Kind? Er is wirklich zu dumm.
MELCHIOR.
Aber meine Aufführung die is halt klass –
ZANGLER.
Mach' Er jetzt weiter.
MELCHIOR.
Das hat mein voriger Herr auch immer g'sagt, dumm aber klassisch.

Zur Mitte ab.
ZANGLER
allein, den neuen Hirschfänger umschnallend.

Schon wieder?! – Nein, was ich die Sprichwörter nicht ausstehen kann! – Mich hat einmal ein Sprichwort abscheulich ang'setzt, nämlich das »Jung gefreit hat niemand bereut«. Das wird schier, wenn man alle Sprichwörter nach der Dummheit klassifiziert, 's erste Prämium kriegen. Und dem Sprichwort zum Trotz geh' ich jetzt als so alter auf Freiersfüßen, und ich werd's g'wiß nicht bereuen. Wart nur Sprichwort, dich bring' ich noch ganz um den Kredit. Geht durch die Seitentüre links ab.

9. Auftritt
Neunter Auftritt
GERTRUD
allein, kommt mit Lichtern zur Mitteltüre herein.

Kaum viertel auf acht und schon völlig Nacht. Stellt ein Licht auf den Tisch links. 's fangt auf einmal zum Herbstln an.


Geht mit dem andern Licht in die Seitentüre links ab.
ZANGLER
nach einer kleinen Pause von innen.
Auf meine Mündel soll Sie schaun, hab' ich Ihr g'schafft.
[422]
GERTRUD
von innen.

Das tu' ich ja so. Erscheint wieder unter der Türe und spricht hinein. Wie kann ich denn schaun auf sie, wann ich kein Licht anzünd'. Kommt heraus. So ein großes Mädl könnt', glaub' ich, schon selbst auf sich schaun. Sie geht mir nicht herauf aus'n Garten, und da soll ich ihre Schmiseln biegeln; ja überall z'gleich kann ich nicht sein. Geht in die Seitentüre rechts ab.

10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Weinberl allein, tritt während dem Ritornell des folgenden Liedes ein, er ist dunkelgrau gekleidet mit einer grüntuchenen Schürze.

Lied.

Es sind gewiß in unsrer Zeit

Die meisten Menschen Handelsleut,

Und wer das Ding so observiert,

Muß sag'n, der Handelsstand floriert,

's versetzt ein Vater sein Kaput,

Und führt drei Töchter auf d' Redout,

Damit er s' vorteilhaft bringt an,

No das is doch ein Handelsmann,

»Sie krieg'n mei Tochter, wenn S' vor all'n

Den Vatern seine Schuld'n zahl'n« –

»Das kann ich nicht« – »dann sag' ich nein« –

Das wird doch ferm gehandelt sein.

»Ich hab' dich g'wiß« – sagt eine Braut,

Indem sie so au'm Bräut'gam schaut,

»In zwanzig Jahr'n wie heut so gern« –

Da wird wohl auch was g'handelt wer'n.


's Weib sagt zum Mann: »Du gehst jetzt aus,

Und kommst vor neune nicht nach Haus.«

»Ja«, – sagt er – »wennst mir an Zwanz'ger gibst.«

So a Handel is ja allerliebst.

A alte Schachtel hat viel Geld,

's heirat s' ein junger Guck in d' Welt,

[423] Verkauft sei Freiheit und sei Ruah,

Der Handel kummt gar häufig vur.

's sagt eine: »I bin zwanz'g Jahr« – »Oha,

Ich hab ja Ihren Taufschein da.«

»So« – sagt s' und g'steht ein Vierzger ein,

Das wird doch tüchtig g'handelt sein.

Es prahlet eine Schwärm'rin sich,

»Wenn ich nicht liebe, könnten mich

Zehn Millionen nicht betör'n«,

Da wurd wohl auch was g'handelt wer'n.


Nach dem Liede.

Vor dem Handelsstand kriegt man erst den wahren Respekt, wenn man zwischen Handelsstand und Menschheit überhaupt eine Bilanz zieht. Schaun wir auf'n Handelsstand, wie viel gibt's da Großhandlungen, und schaun wir auf die Menschheit, wie wenig große Handlungen kommen da vor; – schaun wir auf'n Handelsstand vorzüglich in der Stadt, diese Menge wunderschöne Handlungen, schaun wir auf d' Menschheit, wie schütter sind da die wahrhaft schönen Handlungen ang'säet; – schaun wir auf'n Handelsstand, diese vielen Galanteriehandlungen und schaun wir auf d' Menschheit, wie handeln s' da oft ohne alle Galanterie, wie wird namentlich der zarte, gefühlvolle, auf Galanterie Anspruch machende Teil, von dem gebildetseinsollenden, spornbegabten, zigarrozuzelnden, roßstreichelnden, jagdhundkaschulierenden Teil, so ganz ohne Galanterie behandelt! – Jetzt wenn man erst die Handlungen der Menschheit mit Gas beleuchten wollt' – ich frag' wie viele menschliche Handlungen halten denn eine Beleuchtung aus, als wie eine Handlung auf'n Stockameisenplatz? – Kurzum, man mag Vergleiche anstellen, wie man will, der Handelsstand is was Erhabenes, wir haben einen hohen Standpunkt, wir von der Handlung, und ich glaub' bloß wegen dieser schwindelnden Höhe fallen so viel' von der Handlung – der Christopherl tandelt wieder mit'n G'wölbzusperrn.

[424]
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Christopherl. Der Vorige.

CHRISTOPH
zur Mitte hereinlaufend.

Mussi Weinberl, der G'wölbschlüssel war voll Wachs, grad als wie wann ein Bandit einen Abdruck hätt' mach'n woll'n.

WEINBERL.

Dummer Bursch, du hast halt den Schlüssel wieder wohin g'worfen, ohne zu schaun ob's sauber is. Von Rechts wegen unterliegest jetzt einer Straf.

CHRISTOPH.
Oh, ein Lehrjung unterliegt nicht so g'schwind, durch G'wohnheit ertragt man viel.
WEINBERL
in etwas feierlichem Tone.

Die Verhältnisse haben indes eine andere Gestalt gewonnen; der deutsche Handelsstand wird bald um einen Lehrjung weniger haben.

CHRISTOPH.
No, sein S' so gut, bringen S' mich um.
WEINBERL.
Im Gegenteil, ich werde Sie bei einem freundschaftlichen Glas Wein leben lassen.
CHRISTOPH
erstaunt.
Wie g'schieht Ihnen denn Mussi Weinberl?
WEINBERL.

Nennen Sie mich in Zukunft Herr Weinberl, denn ich habe Hoffnung zum Buchhalter zu avancieren, und Sie selbst werden von heut an per Mussi tituliert.

CHRISTOPH.
Warum sagen Sie denn Sie zu mir?
WEINBERL.

Ahnen Sie nichts, glücklicher Kommerzzögling? Mit dem heutigen Schopfbeuteler hab' ich auf ewige Zeiten Abschied genommen von Ihrem Kakadu.

CHRISTOPH.
Darum war Ihre Hand so heftig bewegt, als wann sie sich gar nicht trennen könnt'.
WEINBERL.

Sie sind unter meiner fünfthalbjährigen Leitung gewaltig ausgebildet worden, haben das Kommerz von seinen verschiedenen Seiten kennengelernt, und haben kritische Perioden mitgemacht. Wenn die Geschäfte stocken, 's G'wölb leer is, und der Handel- und Wandelbeflissene bloß dasteht, a paar Stanitzl macht, 's Maul aufreißt, und gedankenlos auf die Gass'n hinausschaut, da is es leicht, aber plötzlich tritt neues Leben ins Merkantilische, in fünf Minuten steh 's ganze G'wölb voll Leut, [425] da will eins anderthalb Lot Kaffee, da eins um zwei Groschen Gabri, der ein frischen Aal, die ein g'faulten Lemonie, da kommt ein zartes Wesen um ein Bernzucker, da ein Kuchelbär um ein Rosenöl, da lispelt ein brustdefekter Jüngling: »ein Zuckerkandl«, da schreit ein kräftiger Alter: »a Flaschel Schlikowitz«, da will ein üppiges Wesen ein Halstüchel, da eine Zaundürre Fischbeiner zu ein ausg'schnitt'nen Leibel haben; da kommt ein gemeiner Dienstbot ein Haring austauschen, den ihr ihre noble Frau ins G'sicht g'worfen hat, weil's kein Milchner war; da geht a Alte auf'n Kas los, und schreit, ich möcht' ein Schweizer – in solchen Momenten muß der Kommis zeigen, was ein Kommis ist, d' Leut z'sammschrein lass'n, wie s' woll'n, und mit einer ruhigen ans Unerträgliche grenzenden Gelassenheit eins nach'n andern bedienen.

CHRISTOPH.
Jetzt weiß ich aber noch allweil nit, was is's denn eigentlich mit mir?
WEINBERL.
Ruhig, der Prinzipal wird es Ihnen notifizieren.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Zangler. Die Vorigen.

ZANGLER
zur Seitentüre links kommend.
Ah Sie sind schon da –
WEINBERL.
Der Herr Prinzipal haben befohlen –
CHRISTOPH.
Befohlen –
WEINBERL.
Wir sind daher in corpore erschienen –
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
In was sind wir erschienen?
WEINBERL
zu Christoph.
Halten Sie 's Maul, in corpore.
ZANGLER.

Ich muß Sie von einer Veränderung mein Haus betreffend in Kenntnis setzen. Sie haben bis jetzt nur einen Herrn gehabt, bald werden Sie auch eine Frau bekommen.

CHRISTOPH.
Eine Frau? Ich bin ja noch viel zu jung.
WEINBERL
zu Christoph.

Reden Sie nicht so albern, der Herr Prinzipal wird sich verehlichen, und seine Frau wird auch die unsre sein, unsere Prinzipalin, unsre Gebieterin.

[426]
ZANGLER.
Ganz recht.
CHRISTOPH.
Ah so is das.
ZANGLER.

Dieses wichtige Ereignis will ich nun durch Beförderungen in meinem Personale verherrlichen. Sie Mussi Christoph –

CHRISTOPH
für sich.
Der sagt auch Sie und Mussi –
ZANGLER.

Sie haben aufs G'wand gelernt, müßten daher eigentlich noch ein halbes Jahr Lehrjung bleiben, diesen Zeitraum schenk' ich Ihnen, und ernenn' Sie zum Kommis.

WEINBERL.
So eine Auszeichnung wird wenigen zuteil. Zu Christoph. Bedanken Sie sich doch.
CHRISTOPH
küßt Zangler die Hand.

Die Gunst des Prinzipals zu bestreben, ferneres Benehmen würdig zu sein, Fleiß und Ausdauer zu erringen.

ZANGLER.
Schon gut, ich wünsch', daß das nicht bloß schöne Worte sind –
WEINBERL.

Nein, das sind sie gewiß nicht, ich glaube mit Grund, daß er sowohl Ihnen Herr Prinzipal und mir seinem unmittelbaren Vorgesetzten, wie auch dem Kontinentalhandel überhaupt Ehre machen wird.

ZANGLER
zu Christoph.
Sie waren immer fleißig.
WEINBERL.
Passabel.
ZANGLER
zu Christoph.
Ehrlich, das ist die Hauptsach.
WEINBERL.

Das is wahr, er hat in der Lehrzeit manche Watschen kriegt, aber keine auf Veranlassung einer Watschen, die er der Pudel gegeben hat.

ZANGLER
zu Christoph.
Es fehlt Ihnen nichts, als daß Sie sich mehr Manier gegen die Kundschaften aneignen.
WEINBERL
zu Christoph.
Darüber hab' ich Ihnen oft Lehren gegeben.
CHRISTOPH
sich mit der Hand über den Kopf fahrend.
Ja, sehr oft.
WEINBERL
zu Christoph.

Hübsch mit Euer Gnaden und gnädige Frau herumwerfen, die War mit Anstand überreichen, zu jeden Rammel Schatz sag'n, 's kleine Geld zierlich mit Zeigfinger und Daum herausgeben, die andern drei Finger werden bloß auf Händedrücke für Köchinnen verwendt.

ZANGLER.
Das wird sich hoffentlich geben.
[427]
CHRISTOPH.
O ja, so was begreift ein junger Kommis sehr g'schwind.
ZANGLER
zu Weinberl.

Ihnen Herr Weinberl, der schon seit Jahren mein ganzes Zutrauen besitzt, der seit Jahren das Geschäft zu meiner vollsten Zufriedenheit leitet, Ihnen ernenn' ich zu meinem Associé.

WEINBERL
äußerst überrascht.
Ich Associé?
ZANGLER.

Bei meiner Zurückkunft werden wir den Gesellschaftskontrakt auf- und der neuen Firma: »et Compagnie« beisetzen. Ich verreise nämlich auf drei Täg, teils meiner Heiratsangelegenheit wegen, teils anderer Angelegenheiten halber. Unter dieser Zeit übergebe ich Ihnen das ganze Geschäft, schaun Sie auf alles, daß weder Unordnungen in die Bücher, noch in den Magazinen, noch in der Korrespondenz –

CHRISTOPH.
Seit drei Wochen hab'n wir kein Brief kriegt, wie leicht könnt grad diese Tag –
ZANGLER
ohne auf Christoph zu hören zu Weinberl.

Mit einem Wort, Sie sind ein solider Mensch, ich weiß, daß ich mich auf Ihnen verlassen kann. Jetzt muß ich zum Schützensouper. Setzt den neuen bordierten Hut auf. Morgen früh um 4 Uhr fahr' ich fort –

CHRISTOPH.

Sollten wir also nicht mehr die Ehre hab'n, den Prinzipal zu sehn, so wünschen wir jetzt glückliche Reis' –

WEINBERL
noch ganz perplex.
Associé –!
ZANGLER.

Ja! Ja! fassen Sie sich nur, mein lieber Weinberl! Sie sind vom Tage meiner Verheiratung an mein Associé. Adieu also, nochmals während meiner Abwesenheit strenge Ordnung und Pünktlichkeit.

CHRISTOPH
indem er ihn an die Türe begleitet.
Wir machen unser Kompliment Herr Prinzipal.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Die Vorigen, ohne Zangler.

WEINBERL
wonnetrunken und stolz sich mit einer Hand am Tische stützend.
Associé! – Hast du's gehört, Gremium von Europa! ich bin Associé!
[428]
CHRISTOPH.

Unser Herr heirat, Sie wer'n Kompagnon, nachher haben wir zwei Prinzipal, eine Prinzipalin, und ich allein bin der ganze Personalstand.

WEINBERL.

Buchhalter, das war immer der Chimborasso meiner Wünsche, und jetzt blickt der Associé wie aus einem Wolkenthron mitleidig auf den Buchhalterstandpunkt herab.

CHRISTOPH.
Ich mach' meine Gratulation.
WEINBERL.
Und sonderbar! gerad' jetzt – jetzt –
CHRISTOPH.
Jetzt sind Sie's ja noch nicht, erst wann der Prinzipal heirat.
WEINBERL.

Gerade jetzt, wo das Berufsglück sein ganzes Füllhorn ausschütt über mich, werden in mir Wünsche roglich wie Kisten, die auf einem Schubkarren schlecht aufpackt sind.

CHRISTOPH.
Aha! ich g'spann, was der Associé wünscht –
WEINBERL.

Eine Associéin? O nein! Das irritiert mich nicht, so was kommt von selbst, und wenn es nicht kommt, so is es auch noch kein Unglück.

CHRISTOPH.

Also das is es nicht? No nachher gib ich 's Raten auf; mein Kopf is von der Lehrzeit her zu sehr angegriffen, als daß ich mir'n jetzt gleich zerbrechen möcht.

WEINBERL.

Glauben Sie mir junger Mann! Der Kommis hat auch Stunden, wo er sich auf ein Zuckerfaß lahnt, und in süße Träumereien versinkt; da fallt es ihm dann wie ein Fünfundzwanzig-Pfund- Gewicht aufs Herz, daß er von Jugend auf ans G'wölb gefesselt war, wie ein Blassel an die Hütten. Wenn man nur aus unkompletten Makulaturbüchern etwas vom Weltleben weiß, wenn man den Sonnenaufgang nur vom Bodenfenster, die Abendröte nur aus Erzählungen der Kundschaften kennt, da bleibt eine Leere im Innern, die alle Ölfässer des Südens, alle Heringfässer des Nordens nicht ausfüllen, eine Abgeschmacktheit, die alle Muskatblüt Indiens nicht würzen kann.

CHRISTOPH.
Das wird jetzt ein anders G'sicht kriegen als Kompagnon.
[429]
WEINBERL.

Weiß nicht. Der Diener ist Sklav des Herrn, der Herr Sklav des Geschäfts. Erhaben ist die zweite Sklaverei, aber so biglem mit Genuß begabt als wie die erste. – Wenn ich nur einen wiffen Punkt wüßt, in meinem Leben, wenn ich nur von ein paar Tag sagen könnt', da bin ich ein verfluchter Kerl gewesen – aber nein! ich war nie verfluchter Kerl. Wie schön wär' das, wenn ich einmal als alter Handelsherr mit die andern alten Handelsherren beim jungen Wein sitz', wenn so im traulichen Gespräch das Eis aufg'hackt wird vor dem Magazin der Erinnerung, wann die G'wölbtür der Vorzeit wieder aufg'sperrt, und die Budel der Phantasie voll ang'raumt wird mit Waren von ehmals, wenn ich dann beim lebhaften Ausverkauf alter Geschichten sagen könnt: Oh! ich war auch einmal ein verfluchter Kerl! ein Teuxelsmensch – ein Schwerack – ich muß – ich muß um jeden Preis dieses Verfluchtekerlbewußtsein mir erringen.

CHRISTOPH.

Von mir aus hätten Sie dieses Bewußtsein schon lange; sooft Sie sich in meine Frisur verkrampelt haben, hab' ich mir denkt: das is ein verfluchter Kerl, den holt –

WEINBERL.
Was Sie denken, geht mich nix an, ich muß es denken, muß es fühlen.
CHRISTOPH.
So beuteln S' Ihnen selber den Schopf.
WEINBERL
von einer Idee ergriffen.
Halt! ich hab's!
CHRISTOPH.
No, was denn?
WEINBERL.
Ich mach' mir einen Jux.
CHRISTOPH.
Ein Jux?
WEINBERL.

Grad jetzt auf der Grenze zwischen Knechtschaft und Herrschaft mach' ich mir einen Jux. Für die ganze Zukunft will ich mir die kahlen Wände meines Herzens mit Bildern der Erinnerung schmücken – ich mach' mir einen Jux.

CHRISTOPH.
Wie wer'n Sie aber das anstellen?
WEINBERL.
Woll'n Sie dabei sein Mussi Christoph?
CHRISTOPH.

Warum nicht? Ich bin freig'sprochen word'n, kann man die Freiheit schöner als durch einen Jux zelebrieren?

[430]
WEINBERL.
Wir sperrn 's G'wölb zu, während der Prinzipal aus ist, sind Sie dabei?
CHRISTOPH.
's G'wölbzusperrn war immer meine Leidenschaft, solang ich bei der Handlung bin.
WEINBERL.
Wir fahren in die Stadt, und suchen fidele Abenteuer auf, sind Sie dabei?
CHRISTOPH.

Freilich! ich riskier' nix. Sie sind Kompagnon; indem ich Ihnen folg', erfüll' ich nur meine Pflicht, jetzt, was Sie riskieren, das tuschiert mich nicht. Ich bin dabei.

WEINBERL.

Halt! Jüngling! Sie setzen mir da einen Floh ins Ohr, den ich erst fangen und töten muß. Kann es der Prinzipal erfahren? Er kommt nie mit die Nachbarsleut zusamm, er sitzt immer in der Schreibstube, diskriert nie mit die Kundschaften, geht an keinen öffentlichen Ort, außer alle Quartal zu der Schützengesellschaft – er kann es nicht erfahren –

CHRISTOPH.
Wenn uns aber zufällig der Prinzipal in der Stadt sieht?
WEINBERL.

Er is ein alter Herr, der heirat, folglich mit Blindheit g'schlagen. Und wissen wir denn auch, ob er in die Stadt fahrt? Und dann geht er auch Geschäften, wir bloß dem Vergnügen nach; sein Weg geht tschihi, unserer dahott, wie die Seeleute sagen, sprich ich, wie die Fuhrleute sagen.

CHRISTOPH.
Wenn uns aber die Fräuln Marie verrat.
WEINBERL.
Die hat Liebsaffären, is folglich froh, wann sie nicht verraten wird.
CHRISTOPH.
Wann aber die alte Gertrud plauscht?
WEINBERL.

Das Hindernis is unübersteiglich, sie is ein altes Weib, sie muß plauschen. – Aber wenn wir – halt – so geht's – die Alte muß gerade die Assekuranz sein bei unserer Unternehmung. Helfen Sie mir geschwind in den Herrn seine Schützenuniform hinein.


Kleidet sich während dem Folgenden schnell mit Christophs Beihilfe in die auf dem Tische liegende alte Schützenuniform Zanglers, schnallt den Hirschfänger um, und setzt den Hut auf.
CHRISTOPH.
Wegen was denn?
[431]
WEINBERL.

Weil ich den Herrn Zangler vorstellen will; damit s' die Stimme nicht kennt, stell' ich mich bös, und Sie sagen ihr den Auftrag, den ich als Zangler geb', und den sie dann an mich ausrichten muß, wenn ich wieder Weinberl bin.

CHRISTOPH.
Ich bin mir nicht g'scheit g'nug.
WEINBERL.
Stellen Sie 's Licht auf den Tisch hinüber!
CHRISTOPH.
Gleich. Nimmt eilig das Licht vom Tische links und stellt es auf den Tisch rechts.

Weinberl wirft sich in den am Tische links stehenden Stuhl, und läutet heftig mit der Tischglocke.
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Gertrud. Die Vorigen.

GERTRUD
aus der Seitentüre rechts kommend, für sich.

Das is wieder eine Läuterei, als ob alles taub wär'. Laut. Was schaffen S' Herr von Zangler? Beiseite. I war schon froh, hab' glaubt, er is fort.

CHRISTOPH
welchem Weinberl leise etwas erklärt hat, zu Gertrud.
D' Frau Gertrud hat den Herrn wieder kurios bös g'macht.
GERTRUD.
Ich weiß aber nicht –

Weinberl hustet und brummt ärgerlich einige unnverständliche Worte.
CHRISTOPH.

Hat'n d' Frau g'hört? er will gar nicht reden mit ihr, drum gibt er ihr durch mich den Auftrag, sie soll morgen in aller Früh dem Herrn Weinberl sagen –

GERTRUD.

Der Christopherl wird doch heut noch selber den Herrn Weinberl sehn, folglich kann ihm ja der Christopherl –

CHRISTOPH.
Mussi Christoph, bitt' ich mir aus.

Weinberl hustet und brummt noch heftiger als früher. Gertrud erschrickt.
CHRISTOPH.

Hat'n d' Frau g'hört? Der Herr hat mir andere G'schäft gegeben, die meinen ganzen Hirnkasten in B'schlag nehmen, weil ich also drauf vergessen könnt', so soll durchaus die Frau Gertrud –


Weinberl hustet und brummt wie vorher.
[432]
CHRISTOPH.

Hat'n d' Frau g'hört? Die Frau Gertrud soll also morgen in aller Fruh dem Weinberl sagen, der Herr Zangler läßt ihm strengstens anbefehl'n, daß er während seiner Abwesenheit durch zwei Täg das G'wölb ja nicht aufsperrn soll. Verstanden?

GERTRUD.
No freilich, 's G'wölb darf nit aufg'sperrt wer'n' das wird doch nicht schwer zu verstehn sein.

Weinberl murmelt etwas zu Christoph, welcher sich seinem Stuhle genähert hat.
CHRISTOPH.
Frau Gertrud soll schau'n daß s' weiterkommt, und soll ihm nicht mehr vor die Augen –
GERTRUD.
Na ja! –

Weinberl hustet und brummt noch ungestümer als vorher.
CHRISTOPH.
Hat'n d' Frau g'hört?
GERTRUD
erschrocken zur Seitentüre rechts gehend.
Der Mann is heut in einer Z'widrigkeit, das is schon aus der Weis'. Ab.
15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Die Vorigen, ohne Gertrud.

WEINBERL
lachend vom Stuhl aufstehend.

Sehn Sie, jetzt sind wir gedeckt. Erfahrt im schlimmsten Fall der Prinzipal, daß 's G'wölb zug'sperrt war, so berufen wir uns auf seinen Befehl, den wir durch die Frau Gertrud erhalten haben.

CHRISTOPH.
Dann glaubt er, die Alte is verruckt.
WEINBERL.
Das verschlagt ihr nix, denn für g'scheit hat er s' so nie g'halten.
CHRISTOPH.

Meiner Seel pfiffig ausspekuliert. No! Sie sind ja auch einmal Lehrjung g'west, von da haben Sie halt noch das G'wixte her.

WEINBERL.

Richten Sie sich jetzt das Sonntagsg'wand, was zur Eleganz fehlt, Krawatel, Schmisel; Handschuh und Schnopftüchel werd' ich Ihnen leihen.

CHRISTOPH.
Juchhe, das wird ein Jux wer'n morgen! Geht zur Mitte ab.

Man hört von außen Zangler räuspern und husten.
CHRISTOPH
erschrocken zurückprallend.
O Jegerl der Alte kommt.
[433]
WEINBERL
erschrocken.
Der Herr Zangler – wann er mich in dem Aufzug sieht –
CHRISTOPH.
Ich retirier' mich zu der Frau Gertrud hinein.
WEINBERL.
Aber was tu' denn ich? Ich kann mich so weder vor der Frau Gertrud noch vor'n Herrn Zangler zeigen.
CHRISTOPH.
Ich geh' zu der Frau Gertrud, ich riskier' nix, aber ich bin dabei.

Will zur Seitentüre rechts ab.
WEINBERL.

Mir bleibt nix übrig – Löscht schnell das Licht am Tische rechts aus, und eilt hinter den Ofenschirm links im Hintergrunde.

16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Zangler. Weinberl hinter dem Schirm.

ZANGLER
zur Mitte eintretend.

Ich hab' mir das Ding anders überlegt, zur Schützentafel komm' ich später auch noch z'recht; wie leicht könnt' der saubre Herr Sonders diesen Abend zu einem Rendezvous brauchen wollen. Ich werd' an meinem Fenster ein wenig aufpassen, wir haben Vollmond, da seh' ich's prächtig, wenn er allenfalls ins Haus hereinschleichen wollt'! Der saubre Herr Sonders der!Geht in die Seitentüre links ab.

17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Weinberl, dann Marie und Sonders.

WEINBERL
kommt hinter dem Schirm hervor.
Er is drin, jetzt kann ich mich ausg'schirren.
SONDERS
von außen.
Nein, nein Marie! so geh' ich nicht von dir.
WEINBERL
erschreckend.
Verdammt, da kommt wieder wer – ich muß abermal – Läuft wieder hinter den Schirm.
MARIE
mit Sonders zur Mitte eintretend.
Aber August –
SONDERS.
Versprich mir in meinen Plan zu willigen.
MARIE.
Ich soll dem Vormund durchgehen –
SONDERS.
Fliehen sollst du mit mir.
MARIE.
Das schickt sich nicht.
SONDERS.
Marie!
[434]
MARIE.
Fliehen, durchgehen und auf und davon laufen is eins, und das schickt sich nicht.
SONDERS.

Du hierbleiben, mir entrissen werden, und ich mir eine Kugel vor den Kopf brennen ist auch eins, und das schickt sich so gewiß, wenn du nicht Mut hast –

MARIE.
August, du bist ein fürchterlicher Mensch.
SONDERS.
Des Alten Eigensinn läßt uns nichts andres übrig.
MARIE.

Wenn ich dir aber sage, es schickt sich nicht. Du sollst eigentlich schon lang fort sein, ich hab dir nur erlaubt bis es Abend wird, und hier is nicht einmal ein Licht.

SONDERS.

Haben Liebende je eines andern Lichtes bedurft, als jenes des Mondes, der eben freundlich durch die Fensterscheiben blickt.

MARIE.

Der Mondschein schickt sich nicht. Du gehst entweder sogleich fort, oder gehst mit mir zur Frau Gertrud hinein, die hat Licht.

SONDERS.
Die darf ja nicht erfahren –
MARIE.
Warum nicht? Machen wie sie zur Vertrauten unserer Liebe.
SONDERS.
Ich traue alten Weibern nie. Nach der Türe rechts horchend. Da hör' ich jemand an der Tür!
MARIE.
Am End gar der neugierige Christoph –
SONDERS.
Wir wollen einen Augenblick uns hier verbergen.

Nimmt Marien bei der Hand und geht mit ihr von der rechten Seite hinter den Schirm.
MARIE
indem August sie nach sich zieht.
Ach Gott, das schickt sich nicht!

Weinberl, der hinter den Schirm steht, drückt sich so viel als möglich gegen die linke Seite, ohne sich zu
getrauen seinen Versteck zu verlassen.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Gertrud. Die Vorigen hinter dem Schirm.

GERTRUD
aus der Seitentüre rechts kommend.

Was ist das? kein Licht da? Ah das wird der Herr ausg'löscht haben, wie er fort is. Ich muß schaun, daß ich dem Mussi Weinberl heut [435] noch den Befehl ausrichten kann, daß 's G'wölb zug'sperrt bleibt, bis morgen merket ich mir's g'wiß nicht, da wär's nachher wieder ein Lärm! O der Alte – das is ja ein – Geht zur Mitte ab.

19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Weinberl. Sonders. Marie.

SONDERS
Weinberl hervorziehend.
Da hat uns einer belauscht, nur hervor!
MARIE
ebenfalls vorkommend, erschrickt, indem sie Weinberl, der Schützenuniform wegen, in der Dunkelheit für Zangler hält.
Himmel der Vormund –?
SONDERS
betroffen.
Herr Zangler –
MARIE
Weinberl zu Füßen fallend.

Lieber Herr Onkel-Vormund, sein Sie nicht bös, ich kann nichts davor, ich weiß, daß es sich nicht schickt, aber –

SONDERS.

Ich habe Marien gegen ihren Willen bis in die Stube verfolgt, zürnen Sie daher mir doppelt und dreifach, wenn Sie wollen, doch Marien dürfen Sie keine Schuld zumessen.

MARIE.

Nein, gar nichts zumessen – Verzeihung lieber Herr Onkel und Vormund – Sie schweigen? Diese schauerliche Stille verkündet einen furchtbaren Sturm.


Weinberl, welcher in größter Verlegenheit dagestanden, indem er jeden Augenblick fürchtet trotz der Dunkelheit von Marien erkannt zu werden,
weiß sich nicht anders zu helfen, nimmt zuerst Mariens, dann Sonders' Hand und fügt ihre beiden Hände segnend ineinander.
SONDERS
aufs höchste erstaunt und freudig überrascht.
Ist's möglich –!? Diese Sinnesänderung – Sie segnen unsern Bund –?
MARIE.
Ach lieber göttlicher Herr Onkel und Vormund.

Weinberl hebt die noch immer knieende Marie empor und legt sie in Sonders' Arme.
MARIE.
August!
SONDERS
zugleich.
Marie!

Weinberl benützt den Moment, während die Liebenden sich in den Armen halten, und eilt leise und mit großen Schritten zur Mitteltüre hinaus.

[436]
20. Auftritt
Zwanzigster Auftritt
Die Vorigen, ohne Weinberl.

SONDERS.
Jetzt bist du meine Braut –
MARIE
sich aus Sonders' Armen erhebend.
Wie soll ich Ihnen danken, Herr Onkel?
SONDERS
beinahe zugleich mit voriger Rede.
Vortrefflicher, herrlicher Mann – Beide bemerken mit Staunen, daß niemand mehr da ist.
MARIE.
Was ist denn das?
SONDERS.
Er ist fort!
MARIE.
Wohin ist er denn hin?
SONDERS.

Ohne Zweifel auf sein Zimmer, der gute Mann will das erste Entzücken beglückter Liebe nicht stören, Marie, komm in meine Arme.

MARIE.
Von Herzen gern, jetzt schickt es sich ja.
SONDERS
sie umarmend.
Liebes teures Mädchen!
21. Auftritt
Einundzwanzigster Auftritt
Zangler. Die Vorigen, später Weinberl und Christoph.

ZANGLER
kommt mit Licht aus der Seitentüre links.

Was gibt's denn da –? Ich glaub' gar – Ergrimmt. Himmel Mordtausend Element –! Herr Sie unterstehen sich –

MARIE
wie aus den Wolken gefallen.
Aber lieber Herr Onkel – Sie haben ja selbst –
ZANGLER.
Entartetes Mädel! Sie zur Seitentüre links schleudernd. Da hinein!
SONDERS.
Haben Sie nicht erst in diesem Augenblick –
ZANGLER
wütend.
Verwegner Landstreicher! Auf die Mitteltüre zeigend. Da hinaus.

Weinberl tritt bereits wieder umgekleidet zur Mitte ein, und sieht im Hintergrunde rechts stehend dem Auftritt zu, ebenso Christoph, welcher auf den Lärmen neugierig aus der Seitentüre rechts tritt; beide stehen so, daß Sonders ihnen das Gesicht nicht zuwendet.
MARIE.
Das kann Ihr Ernst nicht sein?
ZANGLER
immer wütender.
Hinein!
[437]
SONDERS.
Entweder Sie halten uns jetzt zum besten, oder haben früher –
ZANGLER
wie oben.
Hinaus!
MARIE
weinend zur Seitentüre links gehend.
Der Vormund is verhext! Ab.
ZANGLER
ihr nachrufend.
Hinein!!
SONDERS.
Sie sind verrückt Herr, aber Geduld, ich werde –
ZANGLER
mit den Füßen stampfend.
Hinaus!
SONDERS.
Es ist zu arg.

Geht in großer Aufregung zur Mitte ab.
ZANGLER
indem er in die Seitentüre links abgeht.
Wart ungeratenes Geschöpf, dich soll meine Schwägerin koramisieren. Ab.
WEINBERL
vortretend.
Das ist eine Historie –
CHRISTOPH
in ausgelassener Freude springend.
Ich vergönn' ihr's, warum heißt s' mich immer einen dalketen Bub'n.
WEINBERL.
Mir scheint, ich fang' schon an verfluchter Kerl zu sein, das ist der Vorgeschmack vom Jux.

Im Orchester beginnt heitere Musik.
Der Vorhang fällt.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Weinberl, Christoph, beide treten im geschmacklosen Sonntagsstaat von links auf.

CHRISTOPH.
Das wär'n Abenteuer? ich dank' –
WEINBERL.

Ja lieber Freund ich kann Ihnen die Abenteuer nicht herzaubern. Glauben Sie, mir is das ang'nehm, da herumz'gehn wie a Waserl, mir, dem obendrein noch jedes [438] offne G'würzg'wölb einen heimlichen Gewissensbiß macht.

CHRISTOPH.
Den ganzen Vormittag is uns nix unterkommen, nix aufgestoßen.
WEINBERL.

Wir wollen die Hoffnung nicht sinken lassen, – vielleicht stoßt uns jetzt Nachmittag was auf. Arg wär' das, wenn wir vier Stund weit herfahreten, einen ganzen Tag in der Residenz zubrächten, ohne einen Jux 's Geld verjuxt –

CHRISTOPH.

Das wär' a Jux! Vor allen andern müssen wir doch wieder unter die Leut gehn, in den öden Gassel da wer'n wir nix erleb'n.

WEINBERL.

O Freund in die öden Gasseln erlebt man allerhand, das is ja grad das Abenteuerliche. Wie oft hab' ich gelesen in die Bücher: »Er befand sich ohne zu wissen wie, in einem engen abgelegenen Gäßchen, plötzlich gewahrt er an der Ecke einen Mann in einen Mantel, ihm war's als ob er ihm gewunken – an der andern Ecke sieht er auch einen Mann, ihm deucht als hätt' er ihm gewinkt, unentschlossen steht er da, er weiß nicht, soll er dem folgen, der ihm gewinkt, oder dem, der ihm gewunken – da öffnen sich plötzlich die Fenster –«


Philippine öffnet a tempo das Fenster im Hause der Madame Knorr im Prospekt.
WEINBERL
ohne dieses zu bemerken, fährt fort.
»Und eine zarte weibliche Hand –«

Philippine hat eilig am Fenster ein Glas mit Wasser ausgespült, und schüttet es, ohne herabzusehen, auf die Straße und schlägt sogleich wieder das Fenster zu.
WEINBERL
den es beinahe getroffen, erschrocken zur Seite springend.
No, sein S' so gut –
CHRISTOPH.
Das ging' mir grad noch ab –
WEINBERL.

Wenn ich jetzt einen halben Schritt weiter links g'standen wär', so könnt' ich sagen, daß ich in der Residenz überschüttet worden bin.

CHRISTOPH.
Was logiert denn für ein Völkel da droben? –
WEINBERL
liest den Schild.
»Anna Knorrs Modewaren-Verlag« –
[439]
CHRISTOPH.
Das is eine schöne Mod, daß man d' Leut anschütt.
WEINBERL
nach rechts in die Szene sehend.
Sieh, dort steht ein Mann.
CHRISTOPH.
Winkt uns aber nicht. –
WEINBERL.
Er kommt näher – er bleibt wieder stehn – das is ja –
CHRISTOPH.
Meiner Seel –
WEINBERL.
Das is der Herr von Brunninger.
CHRISTOPH.
Der öfters zu unsern Prinzipal kommt.
WEINBERL.
Der kennet uns glei –
CHRISTOPH.
Fahrn wir ab. –

Beide wollen links ab.
WEINBERL.

Halt! – Bleibt wie vom Donner gerührt stehen. Das is Blendwerk, das kann nicht sein –Zeigt erstarrt mit der Hand in die Szene links.

CHRISTOPH
erschrocken.
Der Herr Zangler! –
WEINBERL.
Der Prinzipal! –
CHRISTOPH.
G'schwind da ins Haus herein –
WEINBERL.
Dem Abenteuer weichen wir aus! –

Beide eilen in das offne Haustor, mitten im Prospekt, und bleiben unter der Einfahrt, sich links drückend, stehen.
CHRISTOPH.
Er wird gleich vorbei sein.
WEINBERL.
Nur ruhig! –
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Hausmeister. Die Vorigen.

HAUSMEISTER
aus seiner Tür unter dem Torweg tretend.
Was gibt's da?! –
CHRISTOPH.
Nix, gar nix! –
WEINBERL.
Wir wollen –
CHRISTOPH.
Nix, gar nix! –
HAUSMEISTER.
Wieder passen auf d' Weibsbilder? – Weiter um a Haus! –
CHRISTOPH.
Nit um a G'schloß! –
WEINBERL.
Wir müssen da hinauf –
[440]
HAUSMEISTER.
Zu wem? –
WEINBERL
im Zweifel was er sagen soll.
Zu – zu – No, was da draußt auf der Tafel steht. –
CHRISTOPH.
Madame Knorr, Modewarenverlagsniederlagverschleißhändlerin –
HAUSMEISTER.
Die logiert im ersten Stock und nit unter der Einfahrt.
CHRISTOPH.
Eben deßtwegen gehn wir ja hinauf –
WEINBERL
zum Hausmeister.
Ja, haben Sie glaubt, daß wir nit hinaufgehn? –
HAUSMEISTER.
Ersten Stock, rechts die Tür! –
WEINBERL.
Dank Ihnen.

Geht zögernd die Stiege hinauf.
CHRISTOPH.

Also gehn wir. Indem er Weinberln folgt. Wir können nit fehl'n, rechts die Tür! Man sieht beide die Stiege hinaufgehen.

HAUSMEISTER
nach einer kleinen Pause.
Denen geh' ich nach, i muß sehn, ob s' mi nit ang'logen haben. Geht ebenfalls die Stiege hinauf.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Zangler, dann Brunninger.

ZANGLER
von links kommend.

Das wär' getan – das auch – zur Schwägerin hab ich hing'schickt also –Geht in das Haus wo Christoph und Weinberl hineingegangen sind.

BRUNNINGER
eilig von rechts kommend.
Herr von Zangler! Herr von Zangler!
ZANGLER
bereits unter dem Torweg, sich wieder umwendend.
Wer ruft denn? –
BRUNNINGER
auf ihn zueilend.
So hab' ich halt doch recht g'sehn! –
ZANGLER.
Herr von Brunninger!? Freut mich! –
BRUNNINGER.

Seit wann in der Stadt? Kommen wie gerufen, müssen gleich jetzt mit mir zum Advokaten, es is wegen der Krüglischen Sache.

ZANGLER.
Freund, das lassen wir bis später, – jetzt muß ich –
BRUNNINGER.
Nein, Freund, ich lass' Ihnen nicht aus, die Krüglische Sache –
[441]
ZANGLER.
Liegt mir bei weiten nicht so am Herzen, als wie –
BRUNNINGER.
Hat sich aufs vorteilhafteste gestaltet, wir kommen alle zwei zu unserm Geld. –
ZANGLER.
Ich weiß –
BRUNNINGER.
Die Krüglische Sache –
ZANGLER.
Muß jetzt, aufrichtig g'sagt, einer Herzenssache nachstehn.
BRUNNINGER.
Was?! –
ZANGLER.
Ich heirat'!
BRUNNINGER.
Wem? –
ZANGLER.

Noch weiß es kein Mensch, und doch steht's mit großmächtigen Buchstaben ang'schrieben auf der Gassen. –

BRUNNINGER.
Wo? –
ZANGLER
auf die Tafel ober dem Haustor deutend.
Da – »Madame Knorr.« –
BRUNNINGER.
Is das die Erwählte? gratulier', aber –
ZANGLER
eilig.
Ich muß jetzt zu ihr –
BRUNNINGER.
Da vergessen S' mir ganz auf die Krüglische Sache – nix da, ich lass' Ihnen nicht aus –
ZANGLER.
Aber Freund –
BRUNNINGER.
In 10 Minuten is es abgetan.
ZANGLER.
Aber gewiß nit länger?
BRUNNINGER
ihn unter dem Arm nehmend.
Nein, sag' ich, kommen S' nur g'schwind.
ZANGLER.
Meinetwegen, aber –
BRUNNINGER
mit Zangler abgehend.
Sie werden sich wundern, Freund, ich sag' Ihnen, die Krüglische Sache –
ZANGLER.
Länger als 10 Minuten kann ich nicht –

Beide ab.
Verwandlung.
Zimmer bei Madame Knorr, mit Mittel- und Seitentüren.

[442]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Philippine, Weinberl, Christoph.

PHILIPPINE.

Wollen die Herren da hereinspaziern? was sollen Sie draußen im Atelier warten. – Ich werd's gleich der Madam sagen.


Geht in die Seitentüre rechts ab.
WEINBERL.
Da wär'n wir. Sehn Sie, das sieht schon ein'm Abenteuer gleich.
CHRISTOPH.
Was sagen wir denn aber, wenn die Madam kommt?
WEINBERL.
Was uns einfällt.
CHRISTOPH.
Wenn uns aber nix G'scheits einfällt? –
WEINBERL.
So sagen wir was Dumm's. Unsere Lag' erfordert mehr Hardieß als G'scheitheit.
CHRISTOPH.
Freilich, ein g'scheiter Mensch läßt sich auf so Sachen gar nicht ein. –
WEINBERL.
Sie kommt! –
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Madame Knorr, Philippine. Die Vorigen.

PHILIPPINE
mit Madame Knorr aus der Seitentüre rechts kommend.
Da sind die Herrn! – Geht zur Mitte ab.

Weinberl und Christoph machen Madame Knorr stumme Komplimente.
CHRISTOPH
zu Weinberl leise.
Wenn Sie nit zum Reden anfangen, ich fang' nit an. –
WEINBERL.
Nur Geduld! –
MADAME KNORR.
Was steht zu Diensten, meine Herren?
WEINBERL.
Hab' ich die Ehre, Madame Knorr –?
MADAME KNORR.
O ich bitte, die Ehr' ist meinerseits! –
CHRISTOPH
beiseite.
Der Anfang ist sehr ehrenvoll.
MADAME KNORR.

Wünschen die Herren vielleicht draußen Nach der Mitteltüre zeigend. in meinem Warenlager eine kleine Auswahl zu treffen? –

CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Sie, das tut's nit, 's könnt uns 's Geld z'wenig wer'n.
WEINBERL.
Wir kommen eigentlich weniger um zu kaufen –
[443]
CHRISTOPH.
Noch eigentlicher um gar nichts zu kaufen.
WEINBERL.
Sondern vielmehr gekaufte Sachen zu bezahlen.
MADAME KNORR
sehr freundlich.
Oh, ich bitte! –
CHRISTOPH.
Das heißt eigentlich nicht zu bezahlen –
WEINBERL.

Sondern eigentlich nur um uns über eine Rechnung zu informier'n, wieviel sie betragt, und diese Tage dann zu bezahlen.

MADAME KNORR.
Wie es gefällig ist, aber was für eine Rechnung meinen Sie denn eigentlich?
WEINBERL.

Die Rechnung von – Beiseite zu Christoph. Sie wird doch eine Kundschaft haben, die Schmidt heißt. Laut. Die Rechnung nämlich von der Frau von Schmidt. –

MADAME KNORR.
Das muß ein Irrtum sein, ich habe keine Kundschaft, die Frau von Schmidt heißt. –
WEINBERL
für sich.

Jetzt is recht. Laut. Ich habe mich nur versprochen, Frau von Müller hab' ich sagen wollen. – Beiseite. – Da wird s' doch eine haben. –

MADAME KNORR.
Verzeihn Sie, ich hab' auch keine Frau von Müller zu bedienen.
WEINBERL
beiseite.
Da soll doch der Teufel – Laut. Ich bin aber heut so zerstreut, Frau von Fischer heißt diejenige –
MADAME KNORR.
Ah, Frau von Fischer, ja das ist was anders, ja, die Frau von Fischer meinen Sie? –
WEINBERL
leise zu Christoph.
Sehn S', jetzt hab' ich's halt doch troffen.
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.

Es is aber unbegreiflich, wie man nicht gleich Frau von Fischer sagen kann, das gibt doch die Vernunft.

MADAME KNORR.
Aber wie kommt das? Frau von Fischer ist mehr meine Freundin als bloß Kundschaft –
WEINBERL.

Bitte, wenn die Freundin was kauft, ist sie Kundschaft und muß zahlen; wenn das nicht wär', so hätten die Kaufleut' lauter Freund' und gar keine Kundschaften. –

MADAME KNORR.

Aber es pressiert ja nicht, Frau von Fischer verrechnet sich alle Jahr mit mir, – und jetzt muß ich mir schon die Freiheit nehmen, zu fragen, wer Dieselben sind [444] und wie Sie dazu kommen, für die Frau von Fischer bezahlen zu wollen? –

WEINBERL.
Sie ist also Ihre Freundin? –
MADAME KNORR.

Das glaub' ich, noch wie ihr seliger Mann gelebt hat, und gar jetzt, die drei Jahr, als sie Witwe ist. –

WEINBERL
leise zu Christoph.

Jetzt geben Sie acht, was ich der Sach für eine Wendung geb' – Laut. Drei Jahr war sie Witwe, ganz recht, aber seit drei Tag ist sie's nicht mehr.

MADAME KNORR
erstaunt.
Wieso?
WEINBERL.
Ich bin ihr Gemahl! –
MADAME KNORR
aufs äußerste überrascht.
Was!? –
CHRISTOPH
für sich.
Ah, das is ein kecker Ding! –
MADAME KNORR.
Wär's möglich! Meine Freundin Fischer hat vor 3 Tagen geheirat!? –
WEINBERL.

Ich bin der Glückliche von drei Täg –Leise zu Christoph triumphierend. Sehn Sie, das heißt halt Geist. –

MADAME KNORR
hat etwas von diesen Worten gehört.
Wer heißt Geist? –
WEINBERL.
Geist? – Ich heiße Geist. Für sich. 's is all's eins, ich kann heißen wie ich will.
MADAME KNORR.
Ich bin so überrascht, Herr von Geist –
CHRISTOPH
für sich.
Man sähet ihm's nicht an. –
MADAME KNORR.
Und dieser junge Herr?

Auf Christoph zeigend.
WEINBERL.
Ein meiniger Verwandter. –
MADAME KNORR.
Aber warum hat man so eine wichtige Sach' vor einer intimen Freundin verheimlicht? –
WEINBERL.
Sie sollen alles erfahren. Aber wollen Sie jetzt nur wegen der Rechnung nachschau'n.

Madame Knorr will zur Seitentüre rechts ab, zögert jedoch.
WEINBERL
leise zu Christoph.
Derweil fahrn wir ab! –
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Recht, der Alten begegnen wir jetzt nicht mehr.
MADAME KNORR.
Nein, ich kann mich noch gar nicht erholen von dem Erstaunen und der Überraschung.
[445]
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Philippine. Vorige.

PHILIPPINE
zur Mitte eintretend.
Madam, die Frau von Fischer is da, sie will aber nicht herein, weil Herrn da sind.
CHRISTOPH
für sich.
Jetzt geht's z'samm! –
WEINBERL
ganz verblüfft.
Wer is da? –
MADAME KNORR.
Ihre liebe Frau. Zu Philippine. Sie soll nur hereinkommen, es is ja ihr Gemahl –
WEINBERL
verlegen.
Nein, sagen Sie ihr –
MADAME KNORR.
Zu was diese Sachen. Zu Philippine. Sie soll kommen, ihr Gemahl, ihr lieber Geist is da. –

Philippine geht zur Mitte ab.
WEINBERL
in großer Verlegenheit, für sich.
Ich wollt', ich wär' ein Geist, daß ich verschwinden könnt'.
MADAME KNORR.
Ich begreif' nicht – wozu diese Zurückhaltung, dieses geheimnisvolle Wesen? –
WEINBERL.

Meine Frau die hat das, Sie werden sehn, sie wird jetzt noch tun, als ob ich ihr ein fremder Mensch wär'.

CHRISTOPH
für sich.
Ja, sie wird so dergleichen tun.
MADAME KNORR.
Am End' is sie obstinat und bleibt draußten.
WEINBERL
für sich.
Das wär' a Glück! –
MADAME KNORR.
Da muß ich gleich – wär' nicht übel –!

Geht zur Mitteltüre.
WEINBERL
zu Christoph.
Ich bin sehr gespannt auf meine Frau.
MADAME KNORR
Frau von Fischer unter der Türe empfangend.
Nur her da, komm in meine offnen Arme, du Verschlossene.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Frau von Fischer. Die Vorigen.
Frau von Fischer tritt befremdet zur Mitte ein.

PHILIPPINE
zu Frau von Fischer.
Jetzt sehen Sie, daß ich keinen Spaß hab' g'macht.
MADAME KNORR.
Nein, es is Ernst, da steht er, dein Gemahl, der Herr von Geist. –
[446]
FRAU VON FISCHER.
Mein Gemahl –? Und er hat dir selbst gesagt? –
MADAME KNORR.

Daß du seit 3 Tägen die Seinige bist, – jetzt nutzt keine Verstellung mehr. – Zu Philippine. Philippine, lassen Sie geschwind Kaffee machen und dann soll – Gibt ihr leise mehrere Aufträge.


Frau von Fischer betrachtet Weinberl scharf. Weinberl zieht sich verlegen immer mehr links zur Seite.
FRAU VON FISCHER
nach einer Pause vortretend, für sich.

Das ist entweder eine exzentrische Art den Anbeter machen zu wollen, oder der Mensch erlaubt sich einen Scherz mit mir, – im ersten Fall verdient die Sache nähere Erwägung, im zweiten Fall verdient die Keckheit Strafe; in jedem Fall aber muß ich ins klare kommen, und das kann ich am besten, wenn ich in seine Idee einzugehen scheine, vor meiner Freundin seine Frau spiele und Gelegenheit abwarte, ihn in die Enge zu treiben.

PHILIPPINE
zu Madame Knorr.
Schon recht, Madam! – Geht zur Mitte ab.
MADAME KNORR
zu Frau von Fischer.
Und jetzt zu dir, du garstige Freundin –
WEINBERL
leise zu Christoph.
Die garstige Freundin ist eigentlich sehr sauber.
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Was nützt das, wir kommen doch in eine wilde G'schicht. –
MADAME KNORR
zu Frau von Fischer.
Wie hast du das übers Herz bringen können, zu heiraten, ohne daß ich was weiß? –
FRAU VON FISCHER.
Es war ein Grund – den dir mein lieber Mann sagen wird.
WEINBERL
verblüfft für sich.
Sie sagt lieber Mann – sie tut richtig so. –
MADAM KNORR.
Nun, Herr von Geist?
WEINBERL
verlegen.
O den Grund, den kann Ihnen meine liebe Frau ebensogut sagen.
FRAU VON FISCHER.
Nein, lieber Mann, sag du es nur.
WEINBERL
wie oben.
Ah, geh, liebe Frau, sag du's. –
[447]
FRAU VON FISCHER.
Es war eine Laune von meinem lieben Mann –
WEINBERL
sich mehr und mehr fassend.
Und zugleich auch eine Laune von meiner lieben Frau. –
MADAME KNORR.
Es is aber unerklärbar –
WEINBERL.
Daß zwei Leut', wie wir, bei Laune sind, das is gar nicht unerklärbar. –
MADAME KNORR.
Die Bekanntschaft muß aber doch schon viel länger –
FRAU VON FISCHER.
Ach das nicht, wir kennen uns erst sehr kurze Zeit.
WEINBERL.
Unglaublich kurz. Die G'schicht war so über Hals und Kopf. –
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Ja wohl is s' uns übern Hals kommen, den Kopf aber heißt's jetzt aus der Schlinge ziehen.
MADAME KNORR.
Da kann man sehen, die Ehen werden im Himmel geschlossen.
WEINBERL.

Richtig bemerkt, im Himmel wern s' g'schlossen, darum erfordert dieser Stand auch eine so überirdische Geduld.

FRAU VON FISCHER.
Sehr unrichtig bemerkt, denn du hast dich hoffentlich nicht über mich zu beklagen.
WEINBERL.
O nein! –
FRAU VON FISCHER.
Hab' ich dir schon ein einziges Mal widersprochen?
WEINBERL.
Nein, das is wahr.
FRAU VON FISCHER
mit Beziehung.

Suche ich nicht in deine Ideen einzugehen, – selbst wenn ich keinen stichhältigen Grund herausfinde? –

WEINBERL.
Das is sehr wahr! –
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Das is a feine Kundschaft, fahrn wir ab.
WEINBERL
zu Frau von Fischer.

Weil du mir nie widersprichst, so wirst du auch nix dagegen haben, wenn ich dich jetzt bei deiner Freundin lass' und meinen Geschäften nachgehe.

FRAU VON FISCHER.

Oh, da würd' ich sehr viel dagegen [448] haben. – Du hast für heute kein Geschäft mehr, als für unser Vergnügen zu sorgen, zum ersten Male muß es jetzt nach meinem Willen gehen.

WEINBERL.
Aber ich muß –
FRAU VON FISCHER
ihm imponierend.
Für diesmal unbedingt den Befehlen der Frau gehorchen.
WEINBERL
verblüfft.
Ja, ja, gehorchen, sag nur, was du eigentlich schaffst? –
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Aber was treiben S' denn? –
WEINBERL
leise zu Christoph.
Ich trau' mich nicht zu widersprechen.
CHRISTOPH
wie vor.

Zwei Minuten stell'n S' jetzt ein Ehmann vor und sein schon Siemandl, Sie hab'n eine großartige Anlag.

MADAME KNORR
welche indessen leise mit Frau von Fischer gesprochen.
Charmant, dort fahrn wir hin, der Garten is prächtig, die Bedienung ist einzig. –
FRAU VON FISCHER
ohne daß Weinberl darauf achthat.
Mein Mann soll uns dort traktieren.
MADAME KNORR.

Da hinaus eine Partie zu machen, das is eine Idee von dir, die wirklich einen Kuß verdient, den dir dein Mann auch alsogleich –

WEINBERL
zu Madame Knorr.

Glauben Sie? Ja ich bin der Mann, der niemanden sein Verdienst abstreiten will, wenn Sie also der Meinung sind, daß sie ein Kuß verdient –

MADAME KNORR.
Ohne weiters. Zu Frau von Fischer. Nur keine Umständ g'macht vor einer Freundin. –
WEINBERL.
So geh, Gemahlin!

Küßt Frau von Fischer, welche verlegen zögert.
MADAME KNORR.
So seh' ich's gern von junge Ehleut.
WEINBERL
für sich.

Das is ein Götterweib. Zu Frau von Fischer. Gemahlin, wenn du nicht recht bald wieder eine Idee hast, die einen Kuß verdient, so gib ich dir gleich ein paar als Vorschuß auf deine nächsten Ideen.

MADAME KNORR.

Eine Tasse Kaffee müssen wir aber noch trinken, eh' wir ausfahren, der Herr Cousin kann gleich um einen Wagen gehn, und Sie Zu Weinberl. spazieren indessen [449] Nach rechts zeigend. in mein Zimmer hinein, ich muß Ihrer Frau im Atelier draußen eine neue Form von Hauberln zeig'n, von Hauberln –! wir werden Ihnen nicht zu lang warten lassen, Sie verliebter Gemahl Sie. Geht mit Frau von Fischer und Christoph zur Mitte ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Weinberl allein.

WEINBERL.

Ich muß sagen, ich und die Meinige wir leben sehr gut miteinand. Es rentiert sich kurios, wenn man a verfluchter Kerl is. – Den Wagen wird wohl die Madam Knorr zahlen – ah freilich, sie hat ja drum g'schickt. Übrigens, daß ich jetzt da so aus dem Stegreif einen Gemahl vorstell', das is a verruckte Idee. – Macht nix, ich bin ja nicht der einzige, es gibt mehr Leut', die verruckte Ideen haben.


Lied.

1

A Mann führt sein' Frau 's ganze Jahr nirgends hin,
Unterhalt sich auf andre Art, ganz nach sein Sinn,
Prätendiert aber, wenn er geht, soll s' freundlich sein,
Weil s' ihm sonst den Humor verdirbt in vorhinein –
Wenn er heimkommt, soll s' lächeln recht heiter und mild,
Er wird Flegel, sobald sie sich unglücklich fühlt,
Sie soll höchst zufrieden sein in dieser Eh' –
Das is a verruckte Idee! –

2

A eitle Mama hat a Tochter wie a Perl,
Der Tochter ihr Amant is a pfiffiger Kerl,
So wie'n Haushund der Dieb mit Savlati besticht,
Wer'n von ihm an d' Mama a paar Flatusen gericht, –
Und d' Alte is selig, die Aug'n tun ihr funkeln,
»Ach Gott«, denkt s', »ich tu' meine Tochter verdunkeln,
[450] Für mich tut sein Herz nur schlagen unterm Gilet« –
Das is a verruckte Idee! –

3

»Den Herrn seh' ich täglich zu Ihrer Frau gehn« –
»Ja wissen S' das macht nix, es is ihr Cousin« –
»In der Dämmrung da sieht man s' oft beieinand stehn« –
»Was schad't denn die Dämmrung, 's is ja ihr Cousin« –
»Sie tut ihm die Hand drucken und tut ihm schön« –
»Warum soll s' ihn nit drucken, 's is ja ihr Cousin –
Wär er nit ihr Cousin, ließ i ihr'n g'wiß nit in d' Näh'« –
Das is a verruckte Idee! –

4

's is jetzt fast Auszeichnung, wenn man sagen kann, dahier,
»Mein Sohn is zwölf Jahr und spielt gar nicht Klavier«;
Wer nicht ferm Doktorfauststückeln jetzt machen kann,
Sondern nur Virtuos is, den hört man kaum an –
Und doch liest man Klavierkonzert fast alle Tag
An allen Ecken, aber im Preis geben s' dem Liszt nicht viel nach –
Drei Gulden Münz für ein Sperrsitz, vier Zwanziger Entrée –
Das is a verruckte Idee! –

5

's hat einer ein kleinen Gehalt, kommt nicht draus,
Verliebt sich romantisch und rechnet sich's aus:
Als so led'ger kommt mich 's Kaffeehaus so hoch,
Da kommt mich ja d' Frau etwas billiger noch –
Dann 's Kinderernähren meint er wird sich schon finden,
Das Rechnungs-Exempel is schön g'fehlt vorn und hinten,
[451] A Familie und sechshundert Gulden W.W.
Das is a verruckte Idee! –

In die Seitentüre rechts ab.
Verwandlung.
Eleganter Gartensalon in einem Gasthaus-Etablissement außer der Stadt, den größten Teil des Prospekts nimmt ein großes Fenster und eine Glastüre ein, das Fenster rechts, die Türe links, durch beide hat man die Aussicht in den Garten, wo man an mehreren Tischen Gäste sitzen sieht. Außerhalb des Salons, ganz nahe am Fenster, sieht man einen zugemachten Wagen stehen, dessen Pferde in der Kulisse angenommen werden. Im Gartensalon zu beiden Seiten ein Tisch und Stühle.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Zangler, Melchior.

ZANGLER
erzürnt in den Salon mit Melchior eintretend.
Das also hier is der Ort? –
MELCHIOR.
Wenn Ew. Gnaden recht verstanden hab'n, was der Herr dem Kutscher zug'ruft hat.
ZANGLER.

Ob ich ihn verstanden hab'. Es war grad in dem Moment, wie er 's Wagentürl zug'schlagen hat, ich schrei': halt! –

MELCHIOR.
Aber man war nicht so dumm, Ihnen zu gehorchen.
ZANGLER.
Ich stürz' in mein Gasthaus –
MELCHIOR.

Ich stürz' Ihnen entgegen und nach kurzer Erklärung stürzen wir alle zwei fort, stürzen in einen Wagen und wenn der Wag'n auch g'stürzt wär', wär'n wir noch nicht da. Jetzt denken Ew. Gnaden, wenn Sie mich nicht hätten. –

ZANGLER.
So wär' ein anderer mit mir heraus.
MELCHIOR.
Es ist ein wahres Glück, daß Ew. Gnaden mich haben.
ZANGLER.
Das Frauenzimmer war offenbar sie. –
MELCHIOR.
Und der Mann war offenbar er. –
ZANGLER.
Während meiner Abwesenheit durchgehen! –
[452]
MELCHIOR.
Das is klassisch! –
ZANGLER.
Schändlich is es, aber ich will ihr zeigen –
MELCHIOR.

Wenn eine Mündel so den Mündelgehorsam verletzt, wenn eine Nichte so die nichtigen Pflichten vergißt, da muß man –

ZANGLER.
Da muß man nicht viel reden, sondern schau'n, daß man sie kriegt.
MELCHIOR.
Nur kein Aufsehn! Es is ein wahres Glück, daß Ew. Gnad'n mich haben.
ZANGLER.
Meine Mündel will ich haben, Tölpel! –
MELCHIOR.
Gut, aber was täten Ew. Gnaden, wenn Sie mich nicht hätten?
ZANGLER.

Einen G'scheitern tät ich schicken, daß er augenblicklich jeden Saal, jedes Salettel, jeden Salon, jeden Salatärain durchsucht, und mir die Überzeugung bringt, daß sie da sind.

MELCHIOR.
Aber nur kein Aufsehen! Wir müssen zuerst –
ZANGLER
den Wagen vor dem Salonfenster erblickend.
Ha, das ist der Wagen – jetzt haben wir s', sie sind da! –
MELCHIOR.
Das is klassisch! 's ist ein wahres Glück, daß Ew. Gnaden mich haben.
ZANGLER
ruft.
He Kutscher! He! Will ab.
MELCHIOR
ihn zurückhaltend.
Schrein S' nit so, – bleib'n Sie. –
ZANGLER.
Laß Er mich, oder ich schlag' mein spanisches Rohr an Ihm ab! –
MELCHIOR.

Vermeiden Sie das Aufsehen. – Sie entkommen uns ja nicht, – die Pferd nehmen hier Erfrischungen zu sich, das dauert a Weil. –

ZANGLER
ruft noch lauter.
He Kutscher! He!
KUTSCHER
von außen.
Was schaffen S'?
MELCHIOR.
Na sehn S', er kommt schon, es is ein wahres Glück, daß Ew. Gnaden mich –
ZANGLER
grimmig.
Halt Er 's Maul, oder –
MELCHIOR.
Kein Aufsehen! –
[453]
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Kutscher. Die Vorigen.

KUTSCHER
tritt ein.
Euer Gnad'n.
ZANGLER.
Geh Er her.
KUTSCHER.
Ich hab' schon a Fuhr.
ZANGLER.
Eben deine Fuhr will ich –
KUTSCHER.
Sein denn Ew. Gnaden a Kutscher? –
ZANGLER.
Er versteht mich nicht –
MELCHIOR
zu Zangler.
So red'n S' ordentlich mit ihm. Ich seh' schon, da hab'n Ew. Gnad'n keinen Begriff –
ZANGLER.
Du hast einen Herrn und ein Frauenzimmer g'führt?
KUTSCHER.
Ja, sie sitzen im Garten.
ZANGLER.
Und weißt du, in welcher Absicht dieser Herr und dieses –?
KUTSCHER.
Was geht denn das mich an –
MELCHIOR.
Wenn ein Kutscher in das eingehen wollt'. Ah, da haben Ew. Gnaden kein Begriff –
ZANGLER
zum Kutscher.
Weißt du, Helfershelfer, daß du kriminalisch bist? –
KUTSCHER.
Lassen S' Ihnen nit auslachen –
MELCHIOR
zu Zangler.
Sehn S', jetzt lacht er Ihnen aus, Ew. Gnad'n hab'n keinen Begriff –
ZANGLER
zum Kutscher.
Hier hat Er 10 Gulden.
MELCHIOR.
Der Kutscher wird jetzt gleich ein Begriff krieg'n.
KUTSCHER.
Ew. Exzellenz!
ZANGLER
zum Kutscher.

Er führt die zwei Leut, wenn Sie wieder einsteigen, nicht wohin sie wollen, sondern wohin ich Ihm sagen werde.

KUTSCHER.
Wenn s' mich aber nachher verklag'n?
ZANGLER
ihm einen Zettel gebend.

Da is die Adreß von meiner Schwägerin, da fahrst du hin, und um dir zu zeigen, daß die Sache im Wege Rechtens vor sich geht, geh' ich jetzt zum Wachter, der muß hint aufstehen und Gewalt brauchen, wenn sie nicht gutwillig in das Haus wollen, wo ich [454] sie hinbringen laß. Dem Wachter werd' ich schon erklären –

MELCHIOR
mit Beziehung auf das Trinkgeld.
Oh, der Wachter begreift ebenso wie der Kutscher.
ZANGLER
zum Kutscher.
Bleib Er jetzt beim Wagen. Er muß jeden Augenblick in Bereitschaft sein.
KUTSCHER.
Ew. Gnaden können sich verlassen.

Ab.
ZANGLER
grimmig.

Ich fahr' dann nach, und hab' ich den kecken Burschen im Haus meiner Schwägerin, dann laß ich ihn durch einen Herrn Kommissarius ohne Aufsehen –

MELCHIOR.

Das is ja das, was ich immer sag', ohne Aufsehen. Sehn Ew. Gnad'n jetzt ein, was das für ein Glück ist, daß Sie mich haben. –

ZANGLER
wie vor.
Unerträglicher Kerl, ich zerreiß' ihn. –
MELCHIOR.
Gehn S', Sie machen schon wieder ein Aufsehen.
ZANGLER.
Schad', daß ich mich ärgre, denn Er is so dumm, so –
MELCHIOR.
Da haben Sie gar keinen Begriff, wenn Sie sagen –
ZANGLER.

Daß Er ein Stockfisch ist, den ich zum Teufel jag', wie wir nach Haus kommen, das sag' ich. Geht wütend ab.

11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Melchior, dann Sonders und Marie.

MELCHIOR
allein.

Der wird es nie einsehen, mit dem Mann plag' ich mich umsonst. Er halt mich partout für einen Stockfisch, und man glaubt gar nicht, was das is, wenn man einmal auf ein Menschen einen Verdacht hat. – Ich könnt' mich aber doch durch was in Respekt setzen bei ihm, – wenn ich die Liebenden, die ich in meinem Leben nicht gesehen hab', entdecket, ihre Gespräche und Pläne belauschet, und so – da kommen zwei – In den Garten hinaussehend. Er redt in sie hinein, sie seufzt aus sich heraus – das sind Liebende, jetzt fragt's sich nur, ob es die unsrigen [455] sind, ob's die sind, die wir suchen. –


Zieht sich rechts gegen das Fenster zurück.
SONDERS
mit Marien eintretend.
Sei doch nicht so ängstlich, liebe Marie.
MARIE
trägt einen Burnus und Hut mit Schleier.
Ach Gott, die vielen Leut. –
SONDERS.
Kennen uns nicht; wir sind hier beide fremd.
MARIE.
Ich glaub', jeder Mensch sieht mir's im G'sicht an.
MELCHIOR
für sich.
Das is klassisch.
MARIE.
Und bei jedem Schritt glaub' ich, der Vormund steht vor mir.
MELCHIOR
für sich.
Sie hat einen Vormund, die sind's schon. –
SONDERS.

Hier ist der Sammelplatz der eleganten Welt, gerade hier sind wir am sichersten, so einem Spießbürger, wie er ist, nicht zu begegnen.

MARIE.
Ach August, wozu hast du mich verleitet?! Und ich hab' dir doch immer gesagt, es schickt sich nicht.
MELCHIOR
für sich.
Das is klassisch! –
SONDERS.
Mache dir deshalb keine Vorwürfe, dein Vormund ist ein Tyrann.
MELCHIOR
für sich.

Was? Auf die Art sind die's doch nicht. – Unserer ihr Vormund is a G'würzkramer und der ihrer is a Tyrann, das sind Liebende, die uns gar nix angehn.

SONDERS.
Er selbst hat uns gezwungen zu diesen Schritt.
MELCHIOR
für sich.

Die sind dazu gezwungen word'n und die unsrigen sein freiwillig fort, ja das sind ja ganz andere Verhältnisse. –

MARIE.
Du wirst sehen, August, mir geht's im Geist vor –
SONDERS.
Beruhige dich, liebes Mädchen, wir haben nichts zu befürchten.
MELCHIOR
für sich.

Die haben nichts zu befürchten, und die unsrigen haben sehr viel zu befürchten – wie gesagt, das sind hier ganz andere Verhältnisse.

MARIE.
Daß ich aber mit dir in der Welt herumlauf', das schickt sich nicht.
MELCHIOR
für sich.
Das is klassisch.
SONDERS.

Dafür ist gesorgt, ich erwarte hier nur die Antwort [456] von einem Freunde, dessen Schloß 2 Stunden von hier gelegen; bei seiner Gattin findest du ein freundliches Asyl, bis ich, nach Beseitigung aller Hindernisse, dich als mein Weib in die Arme meiner Tante führe.

MELCHIOR
für sich.
Die gehn zu einer Tant, und die unsrigen kommen von ein Onkel, – no ja, total andere Verhältnisse.
SONDERS
Melchior bemerkend.
Wer spricht hier?
MELCHIOR.
Nein, nein, sein Sie ruhig – Ihnen tun wir nichts.
SONDERS.
Er hat uns behorcht.
MELCHIOR.
Kein Gedanken.
SONDERS.
Was will Er also hier?
MELCHIOR.
Sie müssen wissen, sowohl Sie als die Fräulein müssen wissen, ich bin da mit mein Herrn!
SONDERS.
Was geht das uns an? –
MELCHIOR.

Na ja, wenn Sie die wär'n, die – dann ging's Ihnen wohl sehr viel an, aber wie gesagt, bei Ihnen sind es ganz andere Verhältnisse. –

SONDERS.
Ich glaube, Er ist betrunken.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Ein Kellner. Die Vorigen.

KELLNER.
Die Schokolade ist serviert.
SONDERS.
Wo hast du für uns gedeckt?
KELLNER.
Wo Ew. Gnaden früher gesessen sind, in der Laube.
SONDERS.
Komm, liebe Marie!
MARIE.
Ach August, es schickt sich nicht.

Beide ab, der Kellner folgt.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Melchior allein.

MELCHIOR.
Die sagt immer: es schickt sich nicht, geht aber doch wieder in die Laube, das is klassisch. Ab.
[457]
14. Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Madame Knorr, Frau von Fischer, Weinberl, Christoph.
Weinberl führt Frau von Fischer, Christoph Madame Knorr, Frau von Fischer trägt einen Burnus mit Hut und Schleier in Farbe und Fasson ganz jenen von Marien ähnlich.

FRAU VON FISCHER
zu Weinberl.
Ich begreife nicht, mein Lieber, was dir eingefallen ist, daß du den Wag'n fortfahren ließest? –
MADAME KNORR.
Hier bekommen wir ja wieder Wägen soviel wir wollen.
CHRISTOPH.
O ja, wenn man kein Geld anschaut.
WEINBERL
leise zu Christoph.

Ich werd' sehr bald kein Geld anschauen, denn ich werd' gleich keins mehr haben. Laut zu Frau von Fischer. Weißt du, Liebe, ich hab' geglaubt, es is angenehmer, wenn wir zu Fuß nach Hause gehen.

FRAU VON FISCHER.
Zu Fuß? –
MADAME KNORR.
Aha, im Mondschein mit dir dahinschlendern und schwärmen hat er wollen.
WEINBERL.
Ja, schlendern und schwärmen.
CHRISTOPH
zu Madame Knorr.
Und wir hätten auch das Unsrige geschwärmt.
MADAME KNORR.
O Sie schlimmer Cousin!
WEINBERL.
Ja ja, gehn wir zu Fuß, das is so schwärmerisch Beiseite. und so billig.
FRAU VON FISCHER.
Warum nicht gar, der Abend ist kühl, willst du mich morgen krank wissen?
MADAME KNORR.
In dieser Hinsicht soll man wohl nicht sparen. – Eine Krankheit kommt höher als zehn Fiaker.
WEINBERL
für sich.
Mich kommt wieder ein Fiaker höher, als wenn s' morgen zehn Krankheiten kriegt.
FRAU VON FISCHER
zu Weinberl.
Ohne Widerrede, wir fahren.
MADAME KNORR
zu Frau von Fischer.
War das aber ein guter Rat von mir, daß ich g'sagt hab', um den Mantel nach Haus schicken.
FRAU VON FISCHER.
Jawohl, aber hier will ich doch ablegen.

[458] Geht zu einem am Fenster stehenden Stuhl und legt den Burnus ab, wobei ihr Madame Knorr behülflich ist.
WEINBERL
im Vordergrund zu Christoph.
Christoph! Sie haben doch etwas Geld bei sich?
CHRISTOPH.
Nein, gar keins.
WEINBERL.
Sie sind ein – auf Ehr, wenn Sie nicht schon Kommis wär'n, jetzt beutlet' ich Ihnen, daß –
CHRISTOPH.

Und wenn S' mich noch so beuteln, so fallt kein Kreuzer heraus, ich hab' mich auf Ihnen verlassen, wie viel haben S' denn?

WEINBERL.
Ich hab' mir von z' Haus 10 Gulden mitg'nommen.
CHRISTOPH.
Und mit 10 fl. hab'n Sie wollen ein verfluchter Kerl sein?
WEINBERL.

Hab' ich das ahnen können, wie ich in der Fruh so ledig ausgangen bin, daß ich gegen Abend eine Frau hab'? Sonst sagt man: 's Unglück kommt über Nacht, mir is es über Mittag kommen. – Und daß ich alles zahlen muß, hab' ich mir auch nicht denkt, jetzt hab' ich grad noch zwei Gulden.

CHRISTOPH.
Und jetzt brauchen wir a Jausen auf vier Person, Wagen nach Haus, und unser Ruckreis' –
WEINBERL.
Das is das klare Bild einer Krida.
FRAU VON FISCHER
mit Madame Knorr vorkommend.
Nun, lieber Mann, du vergißt ja den Kellner zu rufen? –
WEINBERL.
Nein, ich hab' grad drauf denkt. Zögernd. Du glaubst also wirklich, daß wir hier jausnen sollen? –
FRAU VON FISCHER.
Was sonst?
WEINBERL
verlegen.
Nein, nein, sonst nix – Beiseite. mir is das z'viel.
FRAU VON FISCHER.
So rufe doch –
WEINBERL
mit unsicherer Stimme.
He Kellner!
FRAU VON FISCHER.
So wird dich niemand hören.
WEINBERL.

Ich hab' so was Erschöpftes in mir – gar nicht das rechte Organ einen Kellner zu rufen.Ruft wie früher. He Kellner!

CHRISTOPH
laut.
Kellner! –
[459]
FRAU VON FISCHER
zu Madame Knorr.

Mein Mann macht sich öfter den Spaß, den Knickrigen zu spielen, die Jause soll dich vom Gegenteil überzeugen. Für sich. Ich glaube, der Mensch wollte mich zum besten halten, das soll er mir büßen.

15. Auftritt
Fünfzehnter Auftritt
Kellner. Die Vorigen.

KELLNER.
Was schaffen Ew. Gnaden?
WEINBERL.

Sie sind der Kellner? – Haben Sie die Gewogenheit, nehmen Sie es nicht ungütig, daß wir Sie hieher bemühen. –

KELLNER.
Ew. Gnad'n scherzen.
WEINBERL.
O nein, warum soll ich Ihnen nicht mit Achtung behandeln?
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Was treiben S' denn?
KELLNER
zu Weinberl.
Bitte, Ew. Gnaden, so zart geht kein Gast mit einem Kellner um.
WEINBERL.

O ich bitte – Leise zu Christoph. So hab' ich doch Hoffnung, daß er mit mir auch zart umgehen wird, wenn es zum Äußersten kommt.

FRAU VON FISCHER
welche indessen mit Madame Knorr gesprochen.
Nun, was ist denn angeschafft worden? –
KELLNER.
Bis jetzt noch nichts.
WEINBERL.
Wir deliberieren grad, ich glaub' 2 Schalen Kaffee –
FRAU VON FISCHER.

Kaffee haben wir ja schon bei meiner Freundin getrunken, du mußt eine Jause bestellen, die gleich als Souper dienen kann.

WEINBERL.

Aha! – Zum Kellner. So bringen Sie uns Butter und Rettich und drei Seitel Bier, zwei für uns und eins für die Damen. Für sich. Das kommt billig.

FRAU VON FISCHER.
Was wär' das, du willst uns so ordinär –?
MADAME KNORR.
Ich trinke nie Bier –
WEINBERL
zum Kellner.
Also nur für uns Bier, für die Damen Wasser. Für sich. Das is noch billiger.
[460]
FRAU VON FISCHER.
Aber Mann!? –
MADAME KNORR.
Ich darf nicht kalt soupier'n.
WEINBERL.
Also was Warmes. Zum Kellner. Haben Sie kein Beuschl? –
CHRISTOPH.
Oder eine halbe Gollasch? –
KELLNER.
Das möcht' ich nicht raten, es ist schlecht.
WEINBERL
für sich.
Das wär' eigentlich gut, da esseten s' nicht viel. –
FRAU VON FISCHER
ernst zu Weinberl.
Mann, jetzt sag' ich dir zum letztenmal –
WEINBERL
mit Resignation zum Kellner.

Also bringen Sie 2 Schnitzel, für uns Bier und für die Damen ein Seitel Achter. Für sich. Die 2 Gulden sind überschritten – die Krida geht an. –

FRAU VON FISCHER
zu Madame Knorr.
Heut hat mein Mann wieder seinen närrischen Tag. Zu Weinberl. Herr Gemahl, jetzt hab' ich's satt! –
WEINBERL
für sich.
Das wär' ein Glück! –
FRAU VON FISCHER.
So schafft man nicht an, wenn man Damen ausführt. – Kellner, Sie bestellen uns einen Fasan –
KELLNER.
Den Augenblick kommt einer vom Spieß.
FRAU VON FISCHER.
Dazu Kompott, dann Torte und sonstiges Dessert, zuerst Rheinwein, am Schluß Champagner. –
KELLNER.
Sehr wohl, Ew. Gnaden. Ruft, indem er abgeht. Anton, 4 Gedeck im Salon. Ab.
16. Auftritt
Sechzehnter Auftritt
Die Vorigen, ohne Kellner.

FRAU VON FISCHER
zu Madame Knorr.
Nun, hab' ich deinen Gusto getroffen?
MADAME KNORR.
's ist aber zu viel. –
CHRISTOPH
zu Weinberl.
Wie g'schieht Ihnen denn?
WEINBERL.
Mir g'schieht gar nicht mehr, ich bin stumpf –
CHRISTOPH.
Und ich bin scharf aufs Abfahr'n bedacht.
WEINBERL
von dieser Idee ergriffen.

Abfahr'n?! – Sie hab'n [461] recht, Krida ist da, also verschwinden, das kommt im Merkantilischen häufig vor. –

CHRISTOPH.
Der Kellner soll sich dann mit der Zech an die Frauen halten.
WEINBERL.
Recht so, wir lassen alles auf die Frauen schreiben, das is wieder merkantilisch. –
CHRISTOPH.
Warum stürzen s' uns so in Depancen, diese Weiber.
WEINBERL.
Das sind ja Verschwenderinnen, reine Gourmanninen.
CHRISTOPH.
Aber nur kein' Verlegenheit g'spürn lassen und Cour gemacht aus Leibskräften.

Zweiter Kellner kommt und deckt den Tisch rechts, rückt ihn aber vorher etwas gegen die Mitte der Bühne.
WEINBERL
zu Frau von Fischer.
Du glaubst nicht, meine Liebe, wie wohl mir jetzt ist, es ist ein Vorgefühl in mir –
MADAME KNORR.
Daß Sie noch viele solche frohe Tage an der Seite Ihrer Frau – das nenn' ich eine Lieb' –
CHRISTOPH
zärtlich zu Madame Knorr.
Können Sie bei diesem Anblick gefühllos bleiben?
MADAME KNORR.

Junger Mensch, ich hab' Ihnen schon gesagt, daß ich eine Braut bin, ich lebe nur für diesen einen Mann.

CHRISTOPH.
Daß Sie für einen Mann leben, gibt Ihnen das das Recht einen Jüngling zu töten? –
MADAME KNORR.
Hören Sie auf, Sie sind ein schlimmer Cousin. –
17. Auftritt
Siebenzehnter Auftritt
Kellner, die Vorigen, dann Melchior.

KELLNER
Fasan und Rheinwein bringend.
Wenn es Ew. Gnaden gefällig ist. Stellt alles auf den Tisch.
FRAU VON FISCHER.
O ja – Zu Madame Knorr. Komm, liebe Freundin! –
WEINBERL
zum Kellner.
Sie können jetzt auch einen wällischen Salat bringen.
[462]
CHRISTOPH.
Überhaupt, was gut und teuer ist –
WEINBERL.

Uns is das egal was es kost, Sie wer'n sehn, wir binden uns an gar keinen Preis. Für sich. Wart's, Gourmanninen! –

KELLNER.
Sehr wohl, Ew. Gnaden. Geht ab.

Melchior tritt mit dem zweiten Kellner, welcher ein Gedeck trägt, ein.
MELCHIOR.
Was is denn das? Ich will da für mein Herrn aufdecken lassen, und jetzt setzen sich andere herein –
WEINBERL.
Ich glaub', an einem öffentlichen Ort hat jeder das Recht. –
MELCHIOR.
Ah, das is indiskret.
ZWEITER KELLNER.
In dem Salon haben ja 20 Personen Platz.
MELCHIOR.
Mein Herr will aber allein sein.
CHRISTOPH.
Dann soll er an keinen öffentlichen Ort gehen.
MELCHIOR.
Ah, das is indiskret. – Sie können sich ja hinaus in Garten setzen.
FRAU VON FISCHER.
Das kann Sein Herr auch tun. –
MELCHIOR.

Mein Herr muß von hier aus jemand beobachten und mit einem Wort, mein Herr wird sich nicht wegen Ihnen vieren genieren.

WEINBERL.
Und wir viere wer'n uns noch weniger wegen Sein Herrn genieren.
MELCHIOR.
Ah, das is aber indiskret, da muß mein Herr sitzen, wegen der Aussicht auf die Tür. –

Rückt den Tisch, welchen der Kellner deckte, von links gegen die Mitte, ziemlich nahe an den Tisch der Gesellschaft.
MADAME KNORR.
Das gilt uns gleich.
MELCHIOR.
Wenn der dumme Salon nur in der Mitte einer Abteilung hätt' –
WEINBERL.
Na ja, Sein Herr soll halt gleich eine Mauer aufführen lassen, wenn er wo einkehrt.
ZWEITER KELLNER.

Man könnte allenfalls – es zieht manchmal den Gästen zu stark, da wird dannAuf die zwischen Fenster und Tür lehnende zusammengelegte spanische Wand zeigend. – die spanische Wand gebraucht, wenn man die in der Mitte aufstellt, so wäre ja die gewünschte Absonderung geschehen.

[463]
FRAU VON FISCHER.

Machen Sie das wie Sie wollen. Zu Madame Knorr. Legen wir unsre Hüte ab und setzen wir uns. Geht mit Madame Knorr zu einem Stuhle rechts, wo sie während dem Folgenden ihre Hüte ablegen.

CHRISTOPH
zu Weinberl.
Das sieht kurios aus, das können wir uns vor den Frauen nicht antun lassen.
WEINBERL
zu Melchior, welcher die spanische Wand aufstellen will.
Wenn Er mit der spani schen Wand nicht weitergeht, so so werf' ich Ihn an die wirkliche! –
MELCHIOR.
Ah, das is klassisch –
WEINBERL.
Wir werden uns da wie die wilden Tiere in einer Menagerie absperren lassen.
MELCHIOR.
Na warten S', das sag' ich mein Herrn.
CHRISTOPH.
Was kümmert uns Sein Herr?
WEINBERL.
Er soll nur kommen, wir werden ihm zeigen –
MELCHIOR.
Da kommt er grad die Allee herauf.Drohend zu Weinberl und Christoph. Warten S'!
WEINBERL
hinsehend und heftig erschreckend.
Kontinent tu dich auf! –
CHRISTOPH
der ebenfalls hingesehen.
Auweh! und verschling uns! –
WEINBERL UND CHRISTOPH
zugleich.
Der Prinzipal!
WEINBERL
zu Melchior.
Lieber Freund, Sie haben erst recht mit der spanischen Wand –
CHRISTOPH.
Ja 's is besser, stell'n wir s' auf.
WEINBERL.
Aber nur g'schwind, Kellner, helfen S'!

Der Kellner, Christoph, Weinberl und Melchior stellen mit vieler Eile, wobei einer dem andern hinderlich ist, die Wand auf.
MELCHIOR.
Jetzt sehen Sie's ein und eher so G'schichten – Nein, wie Sie indiskret sein!
MADAME KNORR
zu Frau von Fischer.
Aber schau nur her, was sie da für Umständ machen.
WEINBERL
zu den Frauen.
Es ist, wissen Sie – es zieht hier so stark nach der Luft –
FRAU VON FISCHER.
Ich spüre nichts.
MADAME KNORR.
Wir sind ja nicht rheumatisch. –
WEINBERL
zu Christoph.
Aber uns reißt's ungeheuer.
[464]
CHRISTOPH.
Setzen wir uns.

Alle 4 setzen sich zum Tisch, die spanische Wand ist aufgestellt und teilt die Bühne in der Mitte ab. Der Tisch der Gesellschaft und der für Zangler bestimmte Tisch sind sich ziemlich nahe und nur durch die Wand getrennt.
18. Auftritt
Achtzehnter Auftritt
Zangler. Die Vorigen.

ZANGLER
eintretend.
Alles is in Ordnung. Melchior!
MELCHIOR.
Ew. Gnad'n.
ZANGLER.

Der Wachter steht schon draußen auf der Pass', wie meine Mündel mit ihrem Entführer in den Wagen steigt, steigt der Kutscher auf den Bock und der Wachter hint' auf.

MELCHIOR.
Das is klassisch! –
MADAME KNORR.
Sehr ein gutes Kompott.
WEINBERL
mit gedämpfter Stimme.
Ich werd' den Fasan tranchieren.
CHRISTOPH
ebenfalls mit gedämpfter Stimme.
Und ich werd' schau'n, ob der wällische Salat noch nicht bald kommt. –
MADAME KNORR.
Ach, ja! –
ZANGLER.
Was is denn das mit der spanischen Wand?
MELCHIOR.

Da derneben sind indiskrete Leut', zwei Weibsbilder mit ihre Liebhaber, damit Ew. Gnad'n nicht geniert sind.

ZANGLER.
Gut!

Zweiter Kellner bringt Wein und Aufgeschnittenes,
stellt es auf den Tisch. Zangler setzt sich.
MELCHIOR.
Das hab' ich für Ew. Gnaden ang'schafft.
ZANGLER.
Gut! –
MELCHIOR.
Gott! was wären Ew. Gnad'n ohne mich –
ZANGLER.
Die Zeitung. Für sich. Wer weiß, wie lang das noch dauert. –

Kellner bringt Zangler die Zeitung und geht ab.
MELCHIOR.
Ich werd' patroullieren.

Gebt in den Garten hinaus.
FRAU VON FISCHER.
Der Fasan scheint sehr gut zu sein. –
[465]
WEINBERL
mit gedämpfter Stimme.
Die Zähigkeit abgerechnet, delikat –
MADAME KNORR.
Kommt der Kellner noch nicht?
CHRISTOPH
mit gedämpfter Stimme.
Nein, das ist ein langsamer Kerl.
MADAME KNORR.
Warum reden denn die Herren so still, so heiser?
WEINBERL
wie oben.
Die Zugluft hat das gemacht.
CHRISTOPH
wie oben.
Es ist ein wahres Glück, daß die Wand aufgestellt ist.
WEINBERL
wie oben.
Ja, sonst hätt's uns die Sprach gänzlich verschlagen.
MADAME KNORR.
Nein, wie die Herren jetzt heiklich sind –
MELCHIOR
hereinlaufend.
Ew. Gnad'n! Ew. Gnad'n!
ZANGLER.
Was ist's? –
MELCHIOR.
Ich seh' noch nichts –
ZANGLER.
Dummkopf!
MELCHIOR.
Früher waren zwei da herin, das waren aber andere.
ZANGLER.

Die ich such', sitzen draußen, ich hab' sie von weiten gesehen, geh hinaus, stell dich in einige Entfernung vom Wagen und wie sie fortfahren, sagst du mir's, wir fahren dann gleich nach. –

MELCHIOR.
Das wird klassisch!

Geht ab in den Garten.
CHRISTOPH
hat während den letzten Reden schnell den Burnus der Frau von Fischer umgenommen und ihren Hut aufgesetzt.
So kann ich neben unserm Alten vorbeipassiern.
FRAU VON FISCHER
zu Weinberl.
Du schenkst ja unserer Freundin gar nichts ein?
WEINBERL
welcher bemerkt hat, wie Christoph sich ankleidet, zu Frau von Fischer.
Aber Liebe, ich kann ja nicht tranchieren und einschenken zugleich.

Christoph hat den hintern Teil der spanischen Wand geöffnet und schlüpft so in die andere Hälfte der Bühne hinüber, wo Zangler sitzt, welcher in die Zeitung vertieft, ihn nicht bemerkt.
ZANGLER
in der Zeitung lesend.

»Verwegner Kleiderdiebstahl durch einen jungen Menschen.«Spricht. Nein, was man jetzt alles lest, die Halunken werden immer pfiffiger.


[466] Christoph hat sich an der Rückwand zur Glastür hin und in den Garten hinausgeschlichen.
MADAME KNORR.
Wo is denn der Cousin hinkommen?
WEINBERL
Madame Knorr den Fasan offerierend.

Bitte sich zu bedienen. Läßt, indem er nach dem Fenster sieht, eine Gabel von der Schüssel und Frau von Fischer auf das Kleid fallen.

FRAU VON FISCHER.
Himmel, mein neues Kleid!
WEINBERL.
Pardon! Es wird nichts machen, als einen fetten Fleck. –
FRAU VON FISCHER.
Der nie mehr herausgeht.
MADAME KNORR.
Nur gleich mit dem Serviett reiben. Ist Frau von Fischer dabei behülflich.

Christoph steigt außerhalb dem Glasfenster in Sonders Wagen.
WEINBERL
dies bemerkend steht auf und sagt für sich, indem er sich dem Fenster nähert.

Der steigt in den Wagen, das is ein g'scheiter Einfall, der Kutscher muß uns führen bis aufs Feld hinaus, dann geb' ich ihm einen Gulden und laß ihn umkehren. – Wie komm' ich aber hinaus, dort der Prinzipal, da die Frauen. – Gott sei Dank, der Fleck is so fett, daß die mich nicht bemerken. –

FRAU VON FISCHER.
Das geht nie mehr heraus. –
WEINBERL
einen raschen Entschluß fassend.
Aber was anders geht aus! – Öffnet schnell das Fenster und steigt hinaus.
MADAME KNORR
Weinberl bemerkend.
Freundin, da schau her, was dein Mann –
FRAU VON FISCHER
betroffen.
Er ist aus dem Fenster gestiegen!?
MADAME KNORR.
Und steigt in den Wagen ein.

Man sieht Weinberl in den Wagen steigen.
FRAU VON FISCHER
will hinausrufen.
Mein Herr –!

Man sieht den Wachter in Uniform hinten auf den Wagen steigen.
MADAME KNORR.
Was ist das, der Ortswachter –?! – Er stellt sich hinten auf –
FRAU VON FISCHER.
Eine Arretierung –!

Man hört schnalzen, der Wagen fährt ab.
MADAME KNORR.
Fort ist er!

Beide Frauen bleiben erschrocken an ihren Stühlen stehen, indem sie starr dem abgefahrenen Wagen nachblicken.
[467]
MELCHIOR
zur Glastüre eintretend.
Das is klassisch! Wir haben s' schon, der Kutscher und der Wachter lassen s' nimmer aus.
ZANGLER.
Wir fahren gleich nach, Kellner zahlen!
19. Auftritt
Neunzehnter Auftritt
Sonders, Marie. Die Vorigen.

SONDERS
mit Marie zur Glastüre eintretend, ohne Zangler zu bemerken.
Kellner, zahlen! Wo stecken denn die Schlingeln?
ZANGLER
springt wütend auf.
Höllenelement! da sind s'!
MARIE.
Ach der Vormund! –

Wankt und sinkt Sonders in die Arme.
SONDERS
zugleich.
Verdammt!
MADAME KNORR
über Zanglers Ausruf betroffen.
Was für eine Stimm'!? –
FRAU VON FISCHER
zugleich – über den daneben entstandenen Lärm erschrocken.
Was geht da vor!? –
MELCHIOR
zu Zangler.
Das sind ja die andern! –
ZANGLER.
Meine Mündel! – Der Teufel soll –

Will auf sie zu.
MELCHIOR.
Wenn ich Ihnen aber sag', das sind ja andere! –
ZANGLER
schleudert Melchior wütend gegen die spanische Wand, so daß selbe umfällt.

Die beiden Frauen springen laut schreiend zur Seite, Zangler sieht hinüber und ist äußerst erstaunt, als er Madam Knorr erkennt. Meine Braut!? –

MADAME KNORR
erschrocken und verlegen.
Zangler!?! –
MELCHIOR
verblüfft.
Das is klassisch! –

Die 2 Kellner sind hereingekommen, allgemeine Gruppe des Erstaunens und der Verwirrung, die im Garten sitzenden Gäste haben sich lachend dem Eingang des Salons genähert – im Orchester fällt passende Musik ein.
Der Vorhang fällt.
[468]

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Lisett. Sonders.

SONDERS.

Es war also ein guter Genius, der mir den Gedanken zuflüsterte ganz unbekannterweise das Stubenmädchen des alten Fräuleins zur Vertrauten zu wählen. Nimm einstweilen diese Börse, mehr noch wird folgen.

LISETT.

Sehr verbunden, übrigens hätte ich auch aus gutem Herzen zwei Liebende in meine Protektion genommen; denn wenn es herzlose Väter, Mütter, Tanten, sogar herzlose Liebhaber in Menge gibt, von herzlosen Stubenmädln, glaub' ich, kommt kein Beispiel vor.

SONDERS.
Wenn nur deine Gebieterin –
LISETT.

Hoffen Sie das Beste, sie ist durchaus nicht das, was man sich gewöhnlich unter dem Ausdruck: alte Jungfer, vorstellt. Wo ist aber jetzt Ihre Geliebte?

SONDERS.

In den Krallen ihres Vormunds, der sie mir auf eine impertinente Weise entrissen, und sie vielleicht heute noch hieherbringen wird – doch nein, selbst bringen wird er sie kaum, der alte Narr ist, wie ich gesehen, in eine grimmige Eifersuchtsgeschichte mit seiner Braut verwickelt, hat geschworen, ihr nie mehr von der Seite zu gehen, darum vermut' ich, er wird seine Mündel bloß in sicherer Begleitung euch übersenden.

LISETT.

Sei dem, wie ihm wolle, entfernen Sie sich nicht weit vom Hause, und überlegen Sie, auf welche Weise Sie sich, wenn Ihre Marie einmal hier ist, bei meiner Gebieterin introduzieren wollen.

SONDERS.

Ich werde mich sogleich in ein Hotel in der Nähe einlogieren, und von dort aus die nötigen Erkundigungen einziehen.

[469]
LISETT
nach der Türe rechts horchend.
Ich glaube – ja, ja, meine Gebieterin kommt – gehen Sie jetzt.
SONDERS.
Auf baldiges Wiedersehen, du liebes dienstfertiges Wesen. Zur Mitte links ab.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Fräulein Blumenblatt. Lisett.

FRÄULEIN BLUMENBLATT
aus der Seitentüre rechts kommend.
Wer war denn hier, Lisett?
LISETT.
Niemand, Ew. Gnaden.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
Tabak schnupfend.

Niemand? Und ich hätte darauf geschworen, es war jemand. Wie doch unser ganzes Leben aus Täuschungen besteht. So glaubte ich auch nach dem gestrigen Briefe meines Schwagers, das Mädchen würde sicher heute ankommen, ich freute mich, das liebe Kind nach 10 Jahren wieder zu sehen, – Täuschung, nichts als Täuschung. Schnupft.

LISETT.
Nun, es ist ja noch nicht so spät, wer weiß –
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Die Arme! Mein Schwager Zangler irrt sich, wenn er glaubt, ich werde sie mit Strenge behandeln, sie hat ja ganz mein Schicksal, ihr Herz ist schwach, ihre Liebe stark, die Hoffnung klein, die Hindernisse groß – ganz mein Schicksal.


Schnupft.
LISETT.
Bei Ihrer Liebe, Ew. Gnaden, war es aber doch ganz anders.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Weshalb schickt man sie? Aus keinem andern Grunde, als daß sie ferne vom Gegenstand ihrer Neigung schmachten soll, ist das nicht ganz mein Schicksal?


Schnupft.
LISETT.
Ew. Gnaden, ich glaube, ich höre Leute im Vorzimmer – am Ende bringt man sie.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Sieh doch nach.

Lisett will zur Mitteltüre links.

[470]
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Weinberl. Christoph. Kutscher. Wachter. Die Vorigen.
Christoph hat von Frau von Fischer den Burnus um, und den Hut auf dem Kopfe.

WACHTER
von außen.

Nur keine Umständ, ich weißt schon, was ich zu tun hab'. Öffnet die Türe und läßt Weinberl und Christoph vor sich eintreten.

WEINBERL.
Aber erlauben Sie –
WACHTER.
Hier hat niemand was zu erlauben.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Ausgenommen ich, drum frag' ich: was der Herr sich hier erlaubt?
WACHTER.
Da sind zwei Leut, die müssen dableiben.
KUTSCHER.
Bald hätten wir nicht herg'funden, was wir umg'fahrn sein!
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Mit Wache, und in männlicher Begleitung – das kann doch nicht – Freund, das ist offenbar ein Irrtum in der Wohnung.

WEINBERL.

Ich sag', es is auch ein Irrtum in die Personen, man hält uns für ein Menschenpaar, welches wir nicht sind.

WACHTER
zu Weinberl.
Das wird sich zeigen, in dem Brief steht alles drin. Gibt Fräulein Blumenblatt einen Brief.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Ein Brief – Die Adresse besehend. an mich –? Erbricht den Brief und sieht nach der Unterschrift. Von meinem Schwager –?


Liest still.
CHRISTOPH.
Na also, jetzt wird sich ja alles aufklären.
WEINBERL.
Man wird uns freien Abzug bewilligen.
CHRISTOPH.
Auf d' Letzt krieg'n wir noch eine Entschädigung, daß wir nach Haus fahrn können.
WEINBERL.

Die klettenartige Anhänglichkeit der Dame, die Größe der Zech', die Nähe des Prinzipals, das waren Gefahren; das hier ist eine Kinderei, das hab' ich ja gleich g'sagt, ein wachterischer Balawatsch. Zum Wachter. Freund, Sie hab'n uns mit Bedeckung hiehergebracht, und sich selbst eine bedeutende Blöße gegeben.

KUTSCHER
zum Wachter.
Wann das nicht der rechte Ort is, wo krieg' ich dann meine 5 Gulden?
[471]
FRÄULEIN BLUMENBLATT
nachdem sie gelesen.
Ah, jetzt bin ich im klaren.
WEINBERL.
Na also –
KUTSCHER
zu Fräulein Blumenblatt.
Ew. Gnaden, ich soll 5 Gulden kriegen.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Lisett, bezahle den Mann.
KUTSCHER
zum Wachter.
Jetzt is es halt doch der rechte Ort. Mit Lisetten zur Mitteltüre links ab.
WEINBERL
zu Fräulein Blumenblatt.
Nehmen's Euer Gnaden nicht ungütig. Wollen beide ab.
WACHTER
ihnen entgegentretend.
Halt!
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Christoph und Weinberl.
Sie bleiben beide!
WEINBERL
erstaunt.
Was?!
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Weinberl.

Sie mein Herr, sind eigentlich der Schuldige, doch auch das Mädchen Auf Christoph zeigend. ist nicht minder strafbar.

CHRISTOPH
verblüfft zu Weinberl.
Was? ich bin ein strafbares Mädchen.
WEINBERL
verblüfft zu Christoph.
Und ich ein schuldiger Herr.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zum Wachter.
Für das Mädchen steh' ich –
WACHTER.

Und für den Herrn steh' ich Schildwacht vor der Haustür auf der Stiegen draußt. Im Abgehen zu Weinberl. Gibt sich so leicht keine Blöße der Wachter. Geht zur Mitteltüre links ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Fräulein Blumenblatt. Weinberl. Christoph.

WEINBERL.
Wollten Ew. Gnaden nicht die Gewogenheit haben – uns mitzuteilen, was eigentlich in dem Brief steht.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Das können Sie sich wohl denken, was ein Onkel schreibt, dem man die Nichte, ein so unschuldiges Mädchen, wie dieses Geschöpf ist, entführt.

[472]
CHRISTOPH
für sich.
So, ich bin also eine Nichte die durchgangen is?
WEINBERL.
Und ich bin der, der dieses Frauenzimmer Auf Christoph deutend. auf Abwege gebracht hat?
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Ihre Frage mein Herr, ist ein sehr unzeitiger Scherz.
WEINBERL.

Fallt mir nicht ein zu scherzen, aber wir sind einmal hier in einer Art Gefangenschaft, und da möcht' man halt doch gern wissen warum. Leise zu Christoph. Soll'n wir ihr sagen wer wir sind?

CHRISTOPH
leise zu Weinberl.

Das wär' riskiert, der Teufel könnt sein Spiel hab'n, daß der Prinzipal durch die siebzehnte Hand was erfahret.

WEINBERL.
Dieser Onkel wird wohl nicht lang ausbleiben?
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Er soll jeden Augenblick hier sein.
WEINBERL
leise zu Christoph.
So lang können wir warten.
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Da kommt dann die Konfusion von selbst ins reine.
WEINBERL
zu Christoph.
Freilich, wie dieser Onkel uns sieht, hat die G'schicht ein End.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
welche die letzten Worte gehört hat.

Und ich sag Ihnen, nein, sie soll kein Ende haben; ich kann ja nicht grausam sein, wenn ich Liebende sehe, das Bündnis Ihrer Herzen soll nicht zerrissen werden. Schnupft.

WEINBERL.
Es kann eigentlich nicht zerreißen, weil –
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Weil ich alles vermitteln, und den Zorn meines Schwagers besänftigen will.
WEINBERL.
Also haben Sie einen Schwager, der zornig is?
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Wie können Sie fragen. Doch fassen Sie Mut, junger Mann.
WEINBERL.
Ich werd' so frei sein.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Ihr seid Flüchtlinge, euer Schicksal rührt mich, denn es ist ja ganz wie mein Schicksal, Schnupft. auch ich hab' einst geliebt.

CHRISTOPH.
Das kann ich mir denken.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Und der Mann, der mich liebte –
WEINBERL
beiseite.
Das kann ich mir nicht denken.
[473]
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
War auch fürs Entfliehen eingenommen, wie Sie, nur mit dem Unterschied, daß er allein geflohen ist.

Schnupft.
WEINBERL
für sich.
Ah, jetzt kann ich mir's denken.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Flucht war es einmal, das ist gewiß. Und wie gesagt, ich will nicht ruhen, bis ich so mit euch Nimmt beider Hände. vor den versöhnten Oheim hintreten, eure Hände ineinanderfügen Tut es. und ein glückliches Paar segnen kann.


Macht eine segnende Bewegung.
WEINBERL.
Christopherl!

Christoph kichert laut.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Weinberl.
Was für ein Scherz? Wie können Sie in einem so ernsten Augenblick zu Ihrer Braut Christopherl sagen?

Christoph platzt in lautes Gelächter aus.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
böse zu Christoph.
Lachen Sie nicht, Mamsell.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Lisett. Melchior. Die Vorigen.

LISETT
mit Melchior zur Mitteltüre links eintretend.

Euer Gnaden, der Mensch läßt sich nicht abweisen. Zu Melchior, auf ihre Gebieterin zeigend. Hier ist das gnädige Fräulein.


Geht zur Mitteltüre links ab.
MELCHIOR.
Das ist eine Fräule? das is klassisch.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Was will Er?
MELCHIOR.
Mein Herr schickt mich her, ich soll der Euergnadenfräuler sag'n –
WEINBERL
sich der Person Melchiors besinnend.
Christoph, das is ja –
MELCHIOR
Weinberl und Christoph betrachtend.
Sie sein's? Ah, das is stark.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Weinberl.
Ist Ihnen der Mensch bekannt, Herr von Sonders?
WEINBERL.

Das heißt – ich hab' ihn wohl g'sehen. – Leise zu Christoph. Herr von Sonders hat s' zu mir g'sagt, wenn ich mich nicht irr' – ich kenn' den Sonders zwar nicht –

[474]
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Ich auch nicht.
WEINBERL
leise zu Christoph.
Aber so heißt ja der –
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Der unsrer Fräuler z' Haus nachsteigt.
MELCHIOR
zu Weinberl.
Schamen Sie sich, das is eine Aufführung.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Wie kommt Er dazu, diesem Herrn ein Reperement –
MELCHIOR.
Weil mein Herr dem Herrn seine Zech hat müssen zahln.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Eine Zeche?
MELCHIOR.
Ja, sonst hätte der Kellner die Damen pfändt.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Was für Damen?
MELCHIOR.

Nicht eigentliche Damen, sondern nur was man so sagt, dieser Herr Zu Weinberl. schamen Sie sich, Zu Fräulein Blumenblatt. war in einem Garten mit zwei Frauenzimmer, die ich anfangs für Weibsbilder g'halten hab', wo sich's aber nachher gezeigt hat, daß es Witwen waren, Zu Weinberl. schamen Sie sich.

FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Wer soll aus diesem Gewäsch klug werden?
MELCHIOR
im verächtlichen Tone zu Weinberl.
Mit Damen wohin gehen und nicht zahlen, schamen Sie sich.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Melchior.
Werd' ich jetzt erfahren –
WEINBERL
ängstlich zu Melchior.
Kommt der Herr Zangler etwan daher?
MELCHIOR
wie oben zu Weinberl.
Mit Damen und nicht zahlen, das is klassisch.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
ärgerlich zu Melchior.
Jetzt frag' ich Ihn zum letztenmal –
MELCHIOR
wie oben zu Weinberl.
Schamen Sie sich.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
wie oben.
Wer ist Sein Herr?
MELCHIOR.
Der Herr von Zangler.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Und kommt Sein Herr zu mir?
MELCHIOR.
Euergnadenfräuler, da hat er nix g'sagt.
WEINBERL
für sich.
Gott sei Dank.
CHRISTOPH
leise zu Weinberl.
Wenn er aber doch –
[475]
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Was ist also eigentlich Seine Sendung?
MELCHIOR.
Der Herr von Zangler laßt Ihnen sagen, er hat Ihnen da zwei Leut g'schickt –
WEINBERL UND CHRISTOPH
erschrocken.
Der Prinzipal hat uns –?
MELCHIOR.

Er hat nämlich den Auf Weinberl zeigend. für'n Herrn von Sonders, und diese Auf Christoph zeigend. für seine durchgegangene Mündel gehalten, sie sein's aber nicht, drum soll'n s' die Euergnadenfräuler fortlassen.

WEINBERL UND CHRISTOPH.
Das is g'scheit.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Wie? Das ist ja das Gegenteil von dem, was in dem soeben erhaltenen Briefe steht. Zu Weinberl und Christoph. ich lasse Sie nicht fort.

WEINBERL UND CHRISTOPH.
Was?
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Lisett. Die Vorigen.

LISETT
zur Mitteltüre eintretend.
Euer Gnaden, Herr Weinberl ist draußen.
WEINBERL.
Was, draußt is ein Weinberl?
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Und was will der Mensch?
LISETT.
Der Mensch kommt von Herrn von Zangler.
MELCHIOR.
Ich komme von Herrn von Zangler, das is ja Widerspruch.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Lisett.
Mein Schwager hat mir also den Menschen geschickt?
MELCHIOR
zu Fräulein Blumenblatt.

Der Schwager hat mich geschickt, und die sagt, er hat einen Menschen geschickt, das is ja Widerspruch.

LISETT.

Euer Gnaden möchten ihm Zutritt in Ihrem Hause gestatten, denn sein Auftrag ist, das Benehmen der Fräulein Zangler Auf Christoph zeigend. zu beobachten, und darüber Herrn von Zangler zu rapportieren.

FRÄULEIN BLUMENBLATT
sich besinnend.

Weinberl –? Ach, jetzt erinnere ich mich, das ist ja sein Kommis, den er mir oft als ein Muster von Solidität gerühmt, auf den er sich [476] verlassen kann wie auf sich selbst – o nur herein, er ist mir willkommen.


Lisett geht zur Mitteltüre links ab.
WEINBERL
zu Christoph.
Jetzt kommt's auf, wie solid ich bin; aber auf den Weinberl bin ich begierig.
MELCHIOR.
Das sind ja aber lauter Widersprüche.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
böse zu Melchior.

Kein Wort mehr. Zu Weinberl. Für meine Vermittlungspläne ist es mir lieber, daß der Herr Weinberl kommt, als wenn Schwager Zangler selbst gekommen wäre.

WEINBERL.
Das wär' auf alle Fäll das Unangenehmste gewesen.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Sonders. Lisett. Die Vorigen.

SONDERS
von Lisetten hereingeführt zu Fräulein Blumenblatt.
Gnädiges Fräulein –
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Sonders.

Ich bin sehr erfreut, Ihre persönliche Bekanntschaft – Präsentiert dem Weinberl, den sie für Sonders hält, diesen als Herr Weinberl, und dem wirklichen Sonders, den sie für Weinberl hält, den Weinberl als Herr von Sonders, folglich verkehrt. Hier Herr Weinberl, hier Herr von Sonders – doch die Herren kennen sich wohl.


Sonders und Weinberl machen sich gegenseitig sehr befremdet das Kompliment.
SONDERS.
Ich hab' nicht die Ehre, den Herrn von Sonders –
WEINBERL.
Und ich hab' nicht die Ehre, den Herrn Weinberl zu kennen.
MELCHIOR
welcher links steht, Sonders, der auf der rechten Seite steht, betrachtend.
Den soll ich – das is ja –
SONDERS
für sich.

Da hat sich einer für mich ausgegeben, wie kommt er aber dazu, Begleiter meiner Marie zu sein? Auf den verschleierten Christoph hinübersehend. Sie gibt mir kein Zeichen –!

FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Sonders.
Wird mein Schwager Zangler zu mir kommen?
[477]
SONDERS.
Ich glaube, nicht so bald. Für sich. Ich hoff' es wenigstens.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
sich zu Weinberl wendend.
Nun sehen Sie, Herr von Sonders –Spricht leise mit Weinberl weiter.
MELCHIOR.
Ah, das wär' zu keck!

Schleicht näher zu Sonders.
SONDERS
benützt den Augenblick, wo Frl.

Blumenblatt mit Weinberl spricht, und ruft mit unterdrückter Stimme auf den an der linken Ecke der Bühne stehenden Christoph, den er für Marien hält. Marie! Gibt durch Zeichen zu verstehen, daß er nicht wisse, wie sie zu dieser Begleitung gekommen.

CHRISTOPH
der dies bemerkt, für sich.
Ich rühr' mich nicht.
SONDERS
für sich.
Wenn sie nur der Schleier wegtäte, daß ich in ihren Blicken lesen könnte?
MELCHIOR
Sonders anpackend.
Das is der Eigentliche! Entdeckung, Betrug, falsche Vorspieglung!
SONDERS
Melchior zurückstoßend.
Was untersteht Er sich?
FRÄULEIN BLUMENBLATT
über Melchiors Kühnheit entrüstet.
Was soll das?
MELCHIOR.

Euer Gnad'n. Auf Sonders deutend. Der hat mit Ihnen falsche Vorspieglung getrieben, hier ist von Weinberl keine Spur.

SONDERS.
Was will dieser Mensch? wer ist Er?
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Sonders.

Was, Sie kennen ihn nicht? und er hat sich für einen Diener des Herrn von Zangler ausgegeben. Da herrscht Betrug! Lisett, schicke sogleich den Wächter herein.


Lisett geht zur Mitteltüre links ab.
WEINBERL
zu Christoph.
Jetzt wird der Tanz angehen, währenddem krieg'n wir Luft.
MELCHIOR
zu Fräulein Blumenblatt.
Euer Gnaden lassen den Wachter holen, ich will doch nicht hoffen –
FRÄULEIN BLUMENBLATT
erzürnt.
Seine Frechheit soll Ihm teuer zu stehen kommen.
MELCHIOR.

Wer is frech? Auf Sonders zeigend. Der is frech, denn da is von Weinberl keine Spur. – Auf Weinberl zeigend. Der is frech, denn da is vom Zechzahl'n keine Spur, aber ich –

[478]
8. Auftritt
Achter Auftritt
Der Wächter. Die Vorigen, dann Lisett.

WACHTER
tritt zur Mitteltüre links ein.
Ich soll wem hinauswerfen.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
auf Melchior zeigend.
Bemächtige Er sich dieses Betrügers.
MELCHIOR.
Was?!
WEINBERL
leise zu Christoph.
Bei der Gelegenheit fahr'n wir ab.
MELCHIOR.

Den Wachter schicken S' über mich! Hier wimmelt's von Frevlern, ich bin vielleicht der einzige Unschuldige im ganzen Zimmer, und mich führen s' ein – ach, das is klassisch!

WACHTER.
Nur nicht viel G'schichten g'macht.
MELCHIOR
während ihn der Wachter gegen die Mitteltüre links führt.
Wenn das mein Herr sähet! Wachter – lieber Wachter!

Christoph und Weinberl haben sich ebenfalls, um während dem Tumult zu echappieren, derselben Türe genähert.
LISETT
läuft zur Mitteltüre links herein.
Der Herr von Zangler is da.
WEINBERL, CHRISTOPH, SONDERS erschrocken, jeder für sich. Der Zangler –!!?

Alle 3 stürzen a tempo, Sonders zur Mitteltüre rechts, Weinberl zur Seitentüre rechts, Christoph zur Seitentüre links ab.
MELCHIOR.
Das ist g'scheit!
LISETT.
Aber Fräuln –!

Eilt Christoph nach.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Mein Schwager – Alles läuft davon – auch Herr Weinberl fort –?
9. Auftritt
Neunter Auftritt
Fräulein Blumenblatt, Wachter, Melchior, dazu Zangler, Madame Knorr, Frau von Fischer, Marie.
Frau von Fischer ist ohne Hut und Mantel in Häubchen und Shawl.

ZANGLER
mit beiden Frauen am Arme, Mitteltüre links eintretend.
Schwägerin, da sind wir – was is das? der Wachter hat mein Melchior beim Schößel –?
FRÄULEIN BLUMENBLATT
auf Melchior zeigend.
Also wäre das –?
MELCHIOR
zu Zangler.
Oh, sag'n S' ihr's, wer ich bin!
[479]
ZANGLER
zu Fräulein Blumenblatt.
Mein dummer Hausknecht.
MELCHIOR
zu Fräulein Blumenblatt.
Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn. Zu Zangler. Hab'n Sie einen Kommis, der Weinberl heißt?
ZANGLER.
Ja.
MELCHIOR.
Und wo is der Weinberl?
ZANGLER.
Zu Haus, beim G'schäft.
MELCHIOR
zu Fräulein Blumenblatt.
Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn?
ZANGLER
zu Fräulein Blumenblatt.
Aber jetzt sag mir –
MELCHIOR
zu Zangler, ihn unterbrechend.
Ruhig. War das nicht ein unrechtes Paar Leut, die Sie herg'schickt hab'n?
ZANGLER.
Freilich.
MELCHIOR
zu Fräulein Blumenblatt.
Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn?
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Ja, wenn s' so ist –
ZANGLER
zu Fräulein Blumenblatt.

Jetzt muß ich dir aber vor allem hier meine Braut, und hier ihre Freundin, Frau von Fischer, vorstellen.

FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Ah, charmant.
FRAU VON FISCHER UND MADAME KNORR.
Freut uns unendlich, die Ehre zu haben.
ZANGLER.
Morgen ist Hochzeit bei mir zu Haus.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.

Du weißt, ich geh' zu keiner Hochzeit, denn mein Schicksal –Schnupft. aber wie kommt das so schnell? –

ZANGLER.
Ja, ich geh' der Meinigen nicht mehr von der Seiten, es sind Gründe –
MADAME KNORR
leise zu Zangler.
Blamieren Sie mich doch nicht.
ZANGLER
zu Melchior.

Du fahrst jetzt gleich zu mir nach Haus, rebellst alles auf, daß schleunigst zu die Hochzeitsanstalten g'schaut wird. Zu den beiden Frauen. Wir soupieren bei meiner Schwägerin, und fahr'n dann gleich nach, Zu Melchior. mit Tagesanbruch kommen wir an.

MELCHIOR.
Wird alles besorgt, aber –
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Melchior.
Freund, nimm Er das, weil ich ihm Unrecht getan. Reicht ihm Geld.
[480]
MELCHIOR.
Sie sehn es ein, das ist mir genug.Nimmt das Geld. Zu Zangler. Aber sagen Sie ihr nur das noch –
ZANGLER.
Daß du ein Esel bist.
MELCHIOR
will Zangler etwas sagen, unterdrückt es aber.
Die Schwägerin sieht es ein, das ist mir genug. Geht zur Mitte links ab.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Die Vorigen, ohne Melchior.

FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Aber wie ist denn das, du hast mir also nicht deine Mündel geschickt?
ZANGLER
auf Marien zeigend.
Nein, hier bring' ich dir die Mißratne, und übergeb' sie deiner Obhut.
MARIE.
Gnädige Frau Tant –

Küßt ihr die Hand.
FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Zangler.
Was waren denn das hernach für Leute?
ZANGLER.
Das weiß ich nicht.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Sie sind noch hier.
ZANGLER.
So? Bei denen muß ich mich ja entschuldigen.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Wie sie hörten, daß du kommst, sind sie jedes zu einer andern Türe hinausgestürzt.
ZANGLER.
Das is kurios.
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Lisett. Die Vorigen.

LISETT
einen Schleier in der Hand, kommt aus der Seitentüre links.

Die Fräulen Zangler ist in das gelbe Kabinett gelaufen, und hat von innen zugeriegelt. Sie macht um keinen Preis auf; der Schleier von ihrem Hut ist an der Türschnalle hängengeblieben.

FRÄULEIN BLUMENBLATT
zu Zangler.
Was sagen Sie dazu?
ZANGLER.
Hm! hm! –
FRAU VON FISCHER
den Schleier besehend.
Das ist ja mein Schleier.
MADAME KNORR
ebenfalls den Schleier betrachtend.
Freilich, da ist der Rostfleck.
[481]
FRAU VON FISCHER.
Hat die Person nicht auch einen Mantel, gerade so Auf Marien deutend. wie die Fräulein hier?
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Ja, braun quadrilliert, ganz so.
MADAME KNORR.
's sind beide in meinem Magazin gekauft.
FRAU VON FISCHER
zu Fräulein Blumenblatt.
Sie müssen wissen, ich bin schändlich bestohlen worden.
ZANGLER.

Da müssen wir auf den Grund – Zu Lisetten. Mamsell, sperr'n Sie die Türe, wo die Person drin is, g'schwind von auswendig zu.

LISETT.
Sogleich.

Eilt zur Seitentüre links ab.
ZANGLER.
Und dann – he, Wachter!
WACHTER.
Befehl'n?
ZANGLER.
Er holt Assistenz, und sperrt von außen die Haustür' zu.
WACHTER.
Sehr wohl.

Zur Mitteltüre links ab.
FRÄULEIN BLUMENBLATT.
Ich zittere.
ZANGLER.

Kommen Sie, meine Damen, hier gibt's eine Spitzbüberei, die ins Abnorme geht. Mit sämtlichen Frauenzimmern zur Seitentüre rechts ab.


Verwandlung.
Garten im Hause des Fräulein Blumenblatt, im Hintergrunde zieht sich die Gartenmauer über die ganze Bühne. Rechts ist ein vorgebauter praktikabler Teil des Hauses, ein Stock hoch mit Glasfenstern, sowohl nach vorne als gegen die Seite. Durch die Fenster sieht man in das früher besprochene gelbe Kabinett, welches jedoch nicht erleuchtet ist, die Bühne ist ganz finster.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Weinberl, später Christoph am Fenster.

WEINBERL
allein, aus dem Hintergrunde links auftretend.

Es ist umsonst, der Ort, wo der Zimmermann 's Loch g'macht hat, is nicht zu finden. Fluch dem Schlosser, der dieses Haustor vollendet, dreimal Fluch dem Maurer, der diesen Garten umzäunt, und hundertfufzigmal Fluch denen anderthalb Zenten Leib'sg'wicht, die mich hindern, auf [482] den Flügeln der Angst hinüber zu saltomortalisieren. In jedem Schatten seh' ich einen Zangler, in jedem Geräusch hör' ich einen Zangler, die ganze Natur hat sich für mich in ein Schrecknis aufgelöst, und das heißt Zangler! So war noch kein Associé in der Soß! Diese Mauer muß eine weitschichtige Mahm von der Chinesischen sein – ich muß doch noch amal – Versucht die Mauer zu erklettern. es ist zu hoch, ich kann nicht hinauf.

CHRISTOPH
im Frauenzimmermantel und Hut wie früher, öffnet das Fenster im gelben Kabinett und sieht heraus.
Es ist zu hoch, ich kann nicht hinab.
WEINBERL.
Christoph, sind Sie's?
CHRISTOPH.
Ja, ich bin's. Herr Weinberl, sind Sie's?
WEINBERL.
Ja, ich bin's.
CHRISTOPH.

Helfen S' mir, ich riskier' jeden Augenblick, daß man die Tür einsprengt und mich vor den Prinzipal schleppt.

WEINBERL.
Mein Risiko is dasselbe.
CHRISTOPH.
Wir sind also vor der Hand verloren.
WEINBERL.

Wenn keine Leiter vom Himmel fällt, wenn nicht durch ein Wunder sich Sprisseln in der Luft gestalten, rettungslos verloren.

CHRISTOPH
sich zum Fenster herausbeugend.
Da kommt wer.
WEINBERL
erschrocken.
Der Zangler –! Verbirgt sich links hinter ein Gebüsch.
13. Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Sonders. Die Vorigen.

SONDERS
kommt mit einer Leiter aus dem Vordergrunde rechts.

Der Fund kam zur gelegenen Zeit, auf dieser Gartenleiter gelang' ich über die Mauer, dann heißt es, wieder einen günstigen Moment, wo ich mich meiner Marie nähern kann, mit Geduld abwarten. Geduld, – verdammtes Wort! – Im Wörterbuch der Liebenden ist's nicht zu finden. Will sich der Mauer nähern.

WEINBERL
für sich.
Soll ich ihn anreden –
[483]
CHRISTOPH.
Pst! Pst!
SONDERS.

Geht das mich an –? Sieht zum Fenster hinauf. Ein Frauenzimmer – täuscht mich die Dunkelheit –!? nein, Marie, du bist's, meine geliebte Marie!

CHRISTOPH
mit gedämpfter, verstellter Stimme.
Ja.
WEINBERL
für sich.
Das is auf die Art niemand andrer, als der Herr von Sonders.
SONDERS.
Oh, komm herab, die Leiter soll dich in meine Arme, und dann uns beide ins Freie führen.
CHRISTOPH
wie oben.
Wohlan.
SONDERS
lehnt die Leiter an das Haus.
So steig nur mutig zum Fenster heraus.

Christoph steigt herab.
SONDERS.

Zittre nicht, ich werde die Leiter halten. Und nicht wahr, liebe Marie, das Paket mit den Dokumenten, die wir zur Trauung brauchen, hast du?

CHRISTOPH.
Nein!

Ist eben auf der untersten Sprosse angelangt.
SONDERS
bestürzt.
Wo ließest du's?
CHRISTOPH
auf das Fenster hinaufzeigend.
Dort –
SONDERS.
Vergessen dort oben? – das muß ich holen.

Eilt die Leiter hinan, und steigt rasch zum Fenster hinein.
CHRISTOPH.

Auf'n Tisch rechts. Nachdem Sonders ins Fenster gestiegen. G'schwind, Weinberl, die Leiter is erobert!

WEINBERL
hervorkommend.
Die Nächstenlieb' fangt bei sich selbst an.
CHRISTOPH
indem er mit Weinberl die Leiter zur Gartenmauer trägt.

Ich bring' unsrer Fräuler Marie ihren Liebhaber in die Brisil, das is Satisfaktion für das, daß sie mich immer einen dalketen Bub'n heißt. Hat mit Weinberl die Leiter an die Gartenmauer gelehnt.

WEINBERL.
Ich steig' voran.
CHRISTOPH.
Nur g'schwind.
WEINBERL
steigt sehr schnell die Leiter hinauf und schwingt sich von derselben auf die Mauer, auf welcher er in reitender Stellung sitzen bleibt.
Kraxeln S' nach, Christopherl.

A tempo tritt der Mond aus den Wolken, es wird heller auf der Bühne.
[484]
CHRISTOPH
ebenfalls eilig die Leiter hinaufsteigend.

Da bin ich schon. Wie er oben auf der Leiter ist, nimmt er den Frauenzimmer-Mantel und Hut ab, und wickelt beides in einen Knäul zusammen.

WEINBERL.
Was machen S' denn?
CHRISTOPH.
Geduld, jetzt kann uns nix mehr g'schehen.
SONDERS
ans Fenster kommend.
Marie –? Ich kann das Paket nicht finden.
CHRISTOPH
in natürlicher Stimme.

Nicht finden können Sie's? No, so nehmen S' das derweil. Wirft Mantel und Hut zum Fenster hinein, und steigt von der Leiter auf die Mauer, auf welcher er in sitzender Stellung bleibt.

SONDERS.
Was seh' ich, ein Mann –?! Ich bin schmählich betrogen.
WEINBERL.
Jetzt ziehn wir die Leiter herauf, und lassen s' auf der andern Seiten hinunter.

Tut es mit Christophs Beihülfe.
SONDERS.

Die Leiter – wo ist die Leiter? Langt zum Fenster heraus, und merkt, daß die Leiter fortgetragen ist. Verdammt –!


Man hört im Hause mehrere Stimmen untereinander.
SONDERS.
Man kommt –!

Man hört im Zimmer oben die Türe einbrechen, Zangler mit dem Wachter und noch ein paar Leuten erscheinen mit Lichtern im Kabinett.
ZANGLER.
Ein Mann ist's –!
WACHTER.
Nur angepackt!
ZANGLER.
Herr Sonders –! Teufel, jetzt wird's mir zu arg!
WACHTER UND DIE ÜBRIGEN.
Angepackt! Nur angepackt!
CHRISTOPH.
Sie hab'n ihn schon. Das ist ein Jux!

Im Orchester fällt passende Musik ein.
Weinberl und Christoph verschwinden, während dem im Kabinett statthabenden Tumulte außerhalb der Mauer.
Der Vorhang fällt.
[485]

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Melchior, dann Gertrud.

MELCHIOR
allein, tritt von der Seite rechts aus dem Hintergrunde auf.

Ah – den ganzen Weg hab' ich superb verschlafen – Gähnt. und bin jetzt so munter, als wann's hellichter Tag wär' – da is ja 's Haus – richtig – ich muß anläuten. Sucht an beiden Seiten des Haustores. Was is denn das –? Keine Glocken. – Ah, da hab' ich Respekt, hier hab'n s' noch keine Hausmeister, die werd'n doch schön z'ruck sein in der Kultur. Klopft an das Tor. He, aufg'macht! Klopft stärker. Aufg'macht! – Es hört kein Mensch. – Wenn ich nur die Wirtschafterin aufrebelln könnt, das is die einzige Person, die mich kennt im Haus, auf d' Letzt lassen s' mich gar nicht hinein – ich werd' mit einem Sandkörnderl ans Fenster werfen. Nimmt eines vom Boden auf, und wirft an das Glasfenster vorn. Es hört mich niemand – ich muß ein Steinl nehmen. Nimmt eins vom Boden auf und wirft es ans Fenster. 's nutzt noch nix – ich muß's mit ein größern Steinl probiern. Nimmt einen Stein auf, und wirft ihn ins Fenster, die Scherben fallen herab, man hört von innen einen Schrei von Gertrud. Jetzt, glaub' ich, hat mich wer g'hört. Frau Gertrud! – Frau Gertrud! –

GERTRUD
von innen.
Wo brennt's?
MELCHIOR.
Nirgends, komm' d' Frau Gertrud nur zum Fenster!
GERTRUD
eine Nachthaube auf dem Kopf, schaut zum Fenster heraus.
Was is denn, um alles in der Welt!?
MELCHIOR.
Sein S' so gut, machen S' mir 's Tor auf.
GERTRUD.
Impertinenter Mensch, wer is Er?
MELCHIOR.
Der neue Hausknecht bin ich, der Melchior.
[486]
GERTRUD.
Den Tod könnt man haben durch den Schrocken.
MELCHIOR.
Von Tod is gar kein' Red, Hochzeit is! Vor Tagsanbruch kommt der Herr.
GERTRUD.
Er hat einen Rausch.
MELCHIOR.
Den müßt er sich erst trunken haben, ich hab' ihn als so nüchternen verlassen. Machen S' nur auf.
GERTRUD.
Mir is es in alle Glieder g'fahr'n, das is doch gar entsetzlich, was glaubt denn so ein Mensch.

Entfernt sich brummend vom Fenster.
MELCHIOR
allein.

Das sind die Folgen, wenn in ein Haus kein Hausmeister is. Mir is das alles eins, ich zahl' die Fensterscheiben nicht. Mir scheint, ich hör s' schon.

GERTRUD
man hört sie von innen das Haustor aufsperren, und dabei brummen.
Das werd' ich dem Herrn sagen, ob das recht ist, daß man jemanden so aus'n Schlaf –
MELCHIOR
von außen am Haustor stehend.
Nur gelassen, Frau Gertrud.
GERTRUD
von innen, wie oben.
Das is keine Manier, das is keine Art, bei später Nacht dieser Schrocken.
MELCHIOR
von außen.
Schaun S', der Zorn schad't Ihnen.

Das Haustor öffnet sich, Melchior geht hinein.
GERTRUD
von innen, indem man sie wieder zuschließen hört.
Wer'n wir schon sehen, was der Herr dazu sagt, das lass' ich nicht so hingehn.
MELCHIOR
von innen.
Ah, hör'n S' auf.

Man hört beider Stimmen immer schwächer bis es ganz ruhig wird.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Christoph und Weinberl kommen rechts aus dem Hintergrund.

WEINBERL.

Hab'n S' g'hört, Christoph? wenn sich der Hahn nicht verkräht hat um a Stund, so geht's schon auf'n Tag los.

CHRISTOPH.
Macht nix, wir sind einmal da, wir können sagen, wir haben das Ziel erreicht.
WEINBERL.
Ja, was denn eigentlich für ein Ziel, wenn man's recht betracht?
[487]
CHRISTOPH.

No, wir hab'n uns ein Jux g'macht, und kommen im übrigen grad so g'scheit wieder z' Haus, als wir ausgangen sein.

WEINBERL.

Jetzt frag' ich aber, zahlt sich so ein Jux aus, wenn man ihn mit einer Furcht, mit drei Schrocken, fünf Verlegenheiten und sieben Todsängsten erkauft? Is so a G'schäft nicht noch weit dümmer, als wenn man für a Lot Salami ein Gulden, für ein Vierting Bockshörndl ein Taler, für a halbete Sardelln ein doppelten Dukaten zahlt? Wann wir aber das jetzt gehörig einsehn, dann kommen wir ja doch um ein Alzel g'scheiter nach Haus.

CHRISTOPH.
Ich bin ja noch zu jung, um das richtig zu beurteil'n.
WEINBERL.
Ah – ich bin ganz zerlext von die Gemütsbewegungen.
CHRISTOPH.

Ich auch, und für mich ist das noch weit gefährlicher, weil ich so stark im Wachsen bin. Schaun wir, daß wir ins Bett kommen, soll ich anpumpern beim Haustor?

WEINBERL.

Warum nicht gar, wir schleichen uns ganz in der Still ins G'wölb, und duseln ein bißl auf der Budel; in 2 Stund wird's ohnedem Zeit zum Aufsperrn sein. Ich hab' den G'wölbschlüssel bei mir. Sucht in den Taschen. Da – nein da – oder da – Teufel hinein, ich hab' den Schlüssel verlor'n.

CHRISTOPH.
Sein S' so gut.
WEINBERL.

Wie ich den Kutscher, der uns herg'führt hat, mit meiner silbern Uhr auszahlt hab', muß er mir herausg'falln sein.

CHRISTOPH.

No, das is ja keine 300 Schritt; warten S', ich geh' z'ruck, ich weiß 's Platzl genau, werd' ihn gleich finden. Geht im Hintergrunde rechts ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Weinberl allein.

WEINBERL.

Jetzt habe ich das Glück genossen, ein verfluchter Kerl zu sein, und die ganze Ausbeute von dem Glück is, daß ich um keinen Preis mehr ein verfluchter Kerl sein [488] möcht'. Für einen Kommis schickt sich so was nicht. Das kommt mir vor, wie unser Fräule, die sagt auch immer: »Es schickt sich nicht«, und derweil – Es g'schieht halt allerhand bei der Zeit, was sich nicht schickt.


Lied.

1

's hat einer a Geld herg'liehen ohne Intressen,
Der Schuldner tut aber aufs Zahl'n rein vergessen,
Der Gläubiger mahnt ihn stets mit Höflichkeit,
Doch der Schuldner, der find't sich beleidigt und schreit:
»Pressiern Sie mich nicht, Sie wern 's Geld schon noch krieg'n,
Sie Esel, ich werf Ihnen gleich über d' Stieg'n.«
Man glaubt nicht wie häufig das g'schicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.

2

Man muß sehn im Kaffeehaus, wenn Karten g'spielt wird,
Wie s' zuschau'n und dreinplauschen ganz ungeniert,
Schau'n zwei'n in die Karten und raten dem dritten,
Ob er Karo oder Pick spiel'n soll – da muß i bitten,
Und tut sich bei ein Spieler ein Ultimo zeig'n,
Dem tun d' Zuschauer völlig am Buckel auffisteig'n.
Diese Unart fast überall g'schicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.

3

A jung's und schlank's Töchterl, na der steht es gut,
Wann s' auch wie a B'sessene umtanzen tut,
Doch was soll man sag'n, wenn d' Mama mit 50 Jahr'n,
Umafludert mit frische Kamelien in Haar'n. –
So a Frau wägt drei Zentner oft, Sie, das is viel,
Hupft aber noch neckisch mit in der Quadrill.
Man glaubt nicht wie häufig das g'schicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.

[489] 4

's gibt Leut, die ein gern nur was Unang'nehms sag'n,
»Ach Sie schaun schlecht aus, Ihnen hat's schön beim Krag'n«,
»Gestern hat auf ein andern g'schmacht Ihr' Herzensdam«,
»Wer hat Ihnen den Rock g'macht, Sie, der steht infam«,
»Der Wag'n, den Sie kauft hab'n, ach, das is a Karr'n«,
»Ihr Stück hab' ich g'lesen, Sie, das is a Schmarrn.«
So sag'n s' alles den Leuten ins G'sicht,
Na, das schickt sich doch offenbar nicht.

5

Das steht so gut, wann die gebildeten Herrn,
Recht freundlich und zärtlich mit Dienstboten wer'n,
Und ganz franchement rennen beim hellichten Tag,
Wie die Windspiel ein schlampeten Kuchelbärn nach,
Und drucken ihr d' Bratzen, und lassen s' nit aus,
»O Engel sagen S' mir's, sein S' allein heut zu Haus?«
Man glaubt nicht wie häufig das g'schicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.

Im Hintergrunde rechts ab.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Kraps und Rab kommen links aus dem Hintergrund. Rab trägt eine Blendlaterne, Kraps hat einen Mantel um und eine dunkle Larve vor dem Gesicht.

RAB.
Mir scheint gar, Kerl, du zitterst?
KRAPS.
Nein, ich klapper nur mit die Zähn.
RAB.
Hasenfuß, da hättest du mich sehen soll'n, wie ich oft –
KRAPS.
Das will ich wohl glauben, aber – du, lassen wir's auf ein anders Mal.
RAB.

Schämst du dich nicht, hat der Kerl den genial'n Einfall, den Schlüssel in Wachs abzudrücken, und bei der Ausführung verliert er die Courag'.

KRAPS.
Es is nur heut, schau, ein anders Mal –
[490]
RAB.
Nichts da! Nimm die Latern' und leuchte mir.
KRAPS
zitternd die Laterne nehmend.
Schau, Brüderl –
RAB.
Frisch ans Werk. Sperrt während dem Folgenden die Schlösser an den Gewölbstangen auf.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Weinberl und Christoph. Die Vorigen.
Beide kommen aus dem Hintergrunde rechts, und sehen was an der Gewölbtüre vorgeht.

WEINBERL UND CHRISTOPH
erschrocken und mit unterdrückter Stimme.
Was is das –!?
RAB
ohne die eben Angekommenen zu bemerken, in seinem Geschäft und in seiner Rede fortfahrend.

So leuchte doch daher, siehst du denn nicht –? Aber Narr – hahaha, wozu, Strohkopf, nimmst du denn eine Larve?

KRAPS.

Wann's schelch geht, es sehet uns wer und wir müßten echappiern; mein G'sicht ist zu bekannt in dem Haus.

RAB
der immer fortgearbeitet hat, macht einen Flügel der Gewölbtüre auf.

Die Tür ist offen, jetzt hinein, und vor allen der Kassa eine Visit gemacht. Gib mir die Latern – die Schreibstube ist hinten links?

KRAPS
ihm die Laterne gebend.
Ja.

Weinberl und Christoph, die anfangs wie versteinert stehengeblieben sind, sich aber dann rechts nach dem Vordergrund gezogen, zugleich.
WEINBERL.
Christoph –
CHRISTOPH.
Weinberl –
KRAPS.
Aber Brüderl, lassen wir's auf ein anders Mal.
RAB.

Wäre nicht übel! Umkehren auf halben Weg. Du bleibst noch ein paar Minuten hier stehen, und siehst dich um, ob nicht etwa über unser Geräusch sich irgendwo ein Licht zeigt, dann kommst du mir nach. Aber zittre doch nicht, du Hasenfuß, Klugheit im Kopf, Schnaps im Magen, und Pistolen in der Tasche, da geht alles gut. Geht ins Gewölb ab.

[491]
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Die Vorigen, ohne Rab.

KRAPS.

Ich hab' kein Wort g'hört, was er g'sagt hat – die Angst –! Ich hab' glaubt, ich hab' Anlag, aber ich bin nix zu dem G'schäft – wenn er nur wenigstens – ich sag' halt, es wär' besser g'wesen ein anders Mal –

WEINBERL
ihn an der Gurgel fassend.
Nein, jetzt is's am besten.
KRAPS.
Barmherzigkeit –!
CHRISTOPH
hat ihn ebenfalls gepackt.
Still, oder –
WEINBERL.
Ich erdrossel' dich.
KRAPS.
Herr Weinberl – Mussi Christoph –
WEINBERL.
Das is ja –
KRAPS
die Larve abnehmend.
Der Hausknecht, der Kraps.
WEINBERL UND CHRISTOPH.
Du Spitzbub –
KRAPS.
Ich will ein ehrlicher Mann wer'n.
WEINBERL.
Ich seh's, du bist grad auf'n Weg dazu.
KRAPS.
Das war mein Anfang und mein B'schluß – so wahr als – Barmherzigkeit.
CHRISTOPH
zu Weinberl.
Lassen wir'n lauf'n.
WEINBERL.

Das müssen wir jetzt wohl, sonst lamentiert er uns den andern heraus. Zu Kraps. Dein Mantel, Hut und Larven her.

KRAPS.
Da, da is alles, mein bester, edelster, großmütigster Herr von Weinberl.

Gibt ihm, was er verlangt.
WEINBERL.
Jetzt fahr ab.
KRAPS.

O Gott – Ihm die Hand küssend. Sie glauben's nicht, aber ich werd' jetzt schrecklich ehrlich wer'n. Läuft im Hintergrunde links ab.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Die Vorigen, ohne Kraps.

WEINBERL.
Den ehrlichen Mann werd'n s' schon durch die Aussagen seines Spießg'sellen kriegen. –

Hüllt sich in Kraps Mantel ein, und setzt dessen Hut auf.
CHRISTOPH.
Was tun S' denn da?
[492]
WEINBERL.
Den andern muß ich erwischen.
CHRISTOPH.
Sperrn wir 's G'wölb zu, so is er g'fangt.
WEINBERL.

Daß er drin eine Tür eintritt, wem totschießt, und doch am Ende ein Ausweg findet. Nix, ich weiß schon was ich tu'. Wecken Sie nur derweil den Nachtwachter auf, und machen S' g'schwind Arretierungsanstalten.

CHRISTOPH.
Gut. Aber is das a Glück; auf unserm Bodenkammerl hätten wir den Einbruch rein verschlafen.
WEINBERL.
Jetzt war der Jux doch zu was gut.
RAB
von innen sich der Türe nähernd.
Wo zum Teufel bleibst denn du so lang?
WEINBERL
nimmt die Larve vor, wodurch sich seine Stimme ändert.
Ich komm' schon, ich komm' schon! – Winkt Christoph, daß er forteilen soll, und geht ins Gewölb ab.

Christoph läuft im Hintergrunde rechts ab.
Verwandlung.
Zanglers Wohnzimmer, rechts eine Seitentüre, im Prospekt eine Türe, welche in das Gewölb hinabführt. Rechts vorne steht ein Silberkasten, links vorne ein Fenster mit Vorhang. Am Prospekt ist Zanglers Bett.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Melchior allein, tritt mit Licht aus der Seitentüre rechts.

MELCHIOR.

Da soll man Anstalten zur Hochzeit machen, die Wirtschafterin sperrt sich ein in ihr Zimmer, gibt mir gar kein Gehör, und schimpft so lang bis s' zum Schnarchen anfangt. Die Köchin hab ich g'funden, ah das Weibsbild hat gar einen klassischen Schlaf, ich muß sagen, das is mir noch nicht unterkommen. Wenn ich mein Kammerl wüßt', ging' ich auch schlafen. Ich könnt' mich zwar da in Herrn sein Bett legen, aber wer weiß, wär's ihm recht, 's tut's ja da im Armsessel auch.Man hört ein Geräusch im Hintergrunde. Was war denn das? – Ah, ich weiß schon – Nix wird's g'wesen sein. 's is völlig entrisch, allein wach sein in so ein verschlafnen Haus. Das Geräusch wiederholt sich. [493] Jetzt war's aber – ja es war was. Nach dem Hintergrunde zeigend. Von da unten hört man's herauf. Mensch oder Geist, was steht mir bevor? – Wenn es ein Mensch ist, o da bin ich ein Kerl, der Courag' hat, wann's aber a Geist – da wär's aus mit mir. – Geist is mir ein zu fremdartiges Wesen. Ängstlich herumsehend. Wo kann ich denn –? Aha – Läuft zum Fenster und setzt sich, während man von außen dumpfe Stimmen hört, schnell auf das Fensterbrettl, so daß ihn die herabhängenden Gardinen bedecken.

9. Auftritt
Neunter Auftritt
Rab. Weinberl mit Mantel, Larve, Hut und Blendlaterne. Der Vorige.
Rab und Weinberl kommen auf den Zehen zur Mitteltüre herein.

MELCHIOR
hinter den Fenstergardinen hervorguckend, schaudernd für sich.
Den leichten Tritt, man hört's gar nit, es sind Geister.
RAB.

Wirklich, Bursche, das überrascht mich von dir, 's ist ein Wagstück, bis hieher zu dringen, und du hast's proponiert.

WEINBERL.
's is wegen dem Silberkasten, dort is er.
RAB.

Ich meinesteils mache mich immer gern gleich aus dem Staub, wenn ich das Geld habe, denn nur Geld, Geld –

MELCHIOR
für sich.
Sie gehn aufs Geld, es sind Menschen.
RAB.
Mit Pretiosen befaß ich mich nicht so gern.

Nimmt von Weinberl die Laterne und nähert sich dem Silberkasten.
WEINBERL.
Ah was, Silber is auch nicht zu verachten, je mehr, desto besser, man hat nie genug.
MELCHIOR
für sich.
Sie haben nie genug – es sind Menschen.
RAB.

Der Schlüssel steckt, räumen wir aus. Öffnet die Glastüre des Kastens. Da hab' ich aus dem Gewölb einen Sack mit heraufgenommen, da pack alles hinein. Wirft ihm einen Leinwandsack zu, nimmt während dem Folgenden aus dem Kasten Kaffeemaschine, Leuchter, Löffel etc. heraus und gibt es Weinberl, welcher es in den Leinwandsack steckt.

MELCHIOR
für sich.
Sie packen ein, es sind Menschen, aber was für eine?
[494]
RAB.
Nur schnell.
WEINBERL
beiseite.
Nur langsam, sag' ich, ich muß ihn aufhalten, bis der Christopherl mit die Arretierer kommt.
RAB
scherzend.
Einen Kaffeelöffel sollten wir ihm liegenlassen, als Souvenir de Silberkasten.
MELCHIOR
für sich.
Der hat doch noch menschliches Gefühl.
WEINBERL.
Ah was, nur alles mitg'nommen, im andern Zimmer drin wär' auch noch was.
MELCHIOR
für sich.
Der mit der Larven is ganz Teufel.
RAB.
Nein, das wäre zu riskiert, mich überfällt so schon eine Unruhe, und das ist immer ein Zeichen –
MELCHIOR
für sich.
Bei dem is noch Besserung möglich.
WEINBERL.
Die Stockuhr da drin sollten wir nicht auslassen.
MELCHIOR
für sich.
Der hat ein verhärtetes Gemüt.
RAB.
Nichts da, wir müssen fort – Bleibt stehen. Hörst du? – Horcht gespannt.
WEINBERL.
Es is nix, es kann nix sein.
MELCHIOR
über Weinberl erbost die Faust ballend, für sich.
Wenn ich nur den – Wirft durch seine unvorsichtige Bewegung einen Blumentopf vom Fenster herab.
RAB.
Man kommt zum Fenster herein – schnell das Fersengeld.

Läuft zur Mitteltüre ab.
WEINBERL
für sich.
Du därfst mir nicht auskommen. Läßt den Sack liegen und läuft Rab nach.
MELCHIOR
springt aus seinem Versteck hervor, und packt Weinberl, als er eben die Türe erreicht hat, am Genick.
Hab' ich dich?!
WEINBERL.
Au weh! was is das?!
MELCHIOR.
Weil ich nur den hab'.

Zieht ihn mehr nach vorne.
WEINBERL.
Auslassen, sag' ich, der andere is ja –
MELCHIOR.
Ein Schnipfer, der zu Hoffnungen berechtigt, du aber bist ein Scheusal –
WEINBERL.
Er erwürgt mich – zu Hülf! zu Hülf!
MELCHIOR.
Mir gehn vor Wut die Kräften aus, zu Hülf! zu Hülf!
BEIDE.
Zu Hülf! zu Hülf!
[495]
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Zangler, Madame Knorr, Frau von Fischer, Christoph, Sonders, Marie. Die Vorigen, ohne Rab.

CHRISTOPH
mit einer Laterne.
Der Rauber is solo g'fangt, die Wachter hab'n ihn schon. Zündet auf dem Tische rechts Licht an.
MELCHIOR.
Ich hab den Wahren!
ZANGLER.
Was gibt's denn da für ein Rumor?!
WEINBERL
hat die Larve abgenommen.
Herr Prinzipal –
ZANGLER
Melchior, welcher Weinberl noch immer festhalten will, zur Seite schleudernd.

Pack du dich, und nicht den da, Zu Weinberl. der Christoph hat mir alles g'sagt – an mein Herz, edler Mann.


Umarmt Weinberl.
MELCHIOR.
Der umarmt den entlarvten Bösewicht, das is klassisch!
CHRISTOPH
zu Madame Knorr, bittend.
Verschwiegenheit, Prinzipalin.
MADAME KNORR
Christoph erkennend.
Ah, das is stark –!
MELCHIOR
zu Zangler.
Aber schaun S' nur, wie er Ihr Silber –
ZANGLER.
Durch dieses Silber hat er mir das Gold seiner Treue bewährt.
MELCHIOR.
Das is zu klassisch!
FRAU VON FISCHER UND MADAME KNORR
Weinberl erkennend.
Was is denn das –!? das is ja –
ZANGLER
der Madame Knorr und Frau von Fischer Weinberl vorstellend.

Mein ehmaliger Kommis, gegenwärtig mein Associé, Herr Weinberl, der während meiner Abwesenheit mein Haus so treu bewacht.

FRAU VON FISCHER UND MADAME KNORR
zu Zangler.
Erlauben Sie, das ist –
MELCHIOR
zu den Frauen.
Oh, sag'n Sie ihm's, auf meine Reden gibt er nichts.
WEINBERL
in ängstlicher Verlegenheit bittend, leise zu Frau von Fischer und Madame Knorr.
Verschwiegenheit und Schonung, meine Gnädigen.
FRAU VON FISCHER
böse.
Was –? Zu Zangler. Das ist der Mensch, der es gewagt hat –
[496]
WEINBERL
hat einen raschen Entschluß gefaßt und fällt ihr in die Rede.

Ja, ich bin der, der es gewagt hat, wie Sie, Herr Prinzipal, mich einmal in die Stadt geschickt haben, hab' ich es gewagt, mich in diese reizende Witwe zu verlieben, und jetzt als Associé wag' ich es, ihr Herz und Hand zu Füßen zu legen.

FRAU VON FISCHER
überrascht.
Wie –? wenn das Ihr Ernst wäre –
WEINBERL.
So wahr ich Weinberl bin.
ZANGLER.
No, das freut mich –
MELCHIOR
zu Zangler.
Aber, Ew. Gnaden.
ZANGLER.
Noch ein Wort und ich jag' Ihn aus'n Dienst.
MELCHIOR
bemerkt in dem Augenblick, als er sich wendet, Sonders, welcher Marien umschlungen hält.
O je, da schau'n S' her.
ZANGLER
auf die Liebenden deutend.

Aus diesem Grund freut's mich doppelt, Herr Weinberl, daß Sie schon eine Wahl getroffen, denn Ihnen hab' ich meine Mündel zugedacht, aber 's Mädl hat sich in den Herrn vergafft, und grad wie ich ihn als Entführer arretieren lassen will, klärt sich's durch den Herrn Kommissarius auf, daß seine Tante bereits gestorben, und die große Erbschaft gerichtlich für ihn hier deponiert is, no, da hab' ich dann nicht anders können.

MARIE.
Der gute Vormund –
SONDERS
zugleich.
Der liebe Herr Zangler.
WEINBERL.

Also hat sich der Fall schon wieder ereignet? Nein, was 's Jahr Onkel und Tanten sterben müssen, bloß damit alles gut ausgeht –!

MELCHIOR.
Das is klassisch!
ZANGLER
Madame Knorr bei der Hand nehmend und auf die beiden Paare zeigend.
Mit einem Wort: es gibt eine dreifache Hochzeit.
WEINBERL.
Dreifache Hochzeit, das is der wahre Jux!

Unter einigen Takten fröhlicher Musik fällt der Vorhang.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Nestroy, Johann. Dramen. Einen Jux will er sich machen. Einen Jux will er sich machen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FB4-D