Johann Nestroy
Das Haus der Temperamente
Posse mit Gesang in zwei Akten

Personen

[6] Personen.

    • Herr von Braus, ein reicher Privatmann.

    • Robert, sein Sohn.

    • Walburga, seine Tochter.

    • Herr von Fad, ein reicher Privatmann.

    • Edmund, sein Sohn.

    • Agnes, seine Tochter.

    • Hutzibutz, Kleiderputzer.

    • Schlankel Barbier und Friseur.

    • Herr von Trüb, ein reicher Privatmann.

    • Guido, sein Sohn.

    • Irene, seine Tochter.

    • Herr von Froh, ein reicher Privatmann.

    • Felix, sein Sohn.

    • Marie, seine Tochter.

    • Isabella, deren Stubenmädchen.

    • Herr von Sturm,
    • Herr von Schlaf,
    • Herr von Schmerz,
    • Herr von Glück, Partikuliers aus Straßburg.

    • Frau von Korbheim.

    • Herr von Finster,
    • Frau von Nachtschatten, Verwandte des Herrn von Schmerz.

    • Jakob, Diener des Herrn von Sturm.

    • Nanette, Stubenmädchen,
    • Susanne, Köchin, bei Herrn von Braus.

    • Babette, Stubenmädchen,
    • Gertraud, Köchin,
    • Cyprian, Bedienter, bei Herrn von Fad.

    • Lisette, Stubenmädchen,
    • Brigitte, Haushälterin,
    • Margareth, Köchin, bei Herrn von Trüb.

    • [6] Theres, Köchin,
    • Sepherl, Küchenmagd, bei Herrn von Froh.

    • Nadl, ein Schneider.

    • Leist, ein Schuster.

    • Doktor Krims.

    • Doktor Krams.

    • Blinker,
    • Weger,
    • Stern, Hausfreunde bei Froh.

    • Vier Notare, Ballgäste, männliche und weibliche Dienerschaft.

    • [7][9]

Die Handlung spielt zu gleicher Zeit in zwei Zimmern des ersten und in zwei Zimmern des zweiten Stockes in einem und demselben Hause.
Die Stellung der vier Wohnungen, vom Publikum aus angenommen, ist folgende:


1. Akt

1. Szene
Erste Szene
(Cholerisch) Nanette, Susanne, dann Schneider Nadl und Schuster Leist
(Phlegmatisch) Babette, Gertraud, dann Cyprian
(Melancholisch) Lisette, Margareth, dann Doktor Krims und Doktor Krams
(Sanguinisch) Sepherl, Theres, dann Blinker, Weger und Stern

Introduktion

Cholerisch.

NANETTE, SUSANNE mit einem Küchenzettel in der Hand.

Neun Uhr ist's, und man weiß noch nicht,

Was heute wegen dem Speisen g'schicht,

Der Sohn vorn Haus trifft heut' noch ein,

Da wird wohl große Tafel sein.


Phlegmatisch.

BABETTE, GERTRAUD mit einem Küchenzettel in der Hand.

Neun Uhr ist's usw. usw.


Melancholisch.

LISETTE, MARGARETH mit einem Küchenzettel in der Hand.

Neun Uhr ist's usw. usw.


[10] Sanguinisch.

SEPHERL, THERES mit einem Küchenzettel in der Hand.

Neun Uhr ist's usw. usw.


Phlegmatisch.

CYPRIAN
aus der Seitentüre kommend.
Der gnädige Herr raucht jetzt Tobak,
Ist nicht zu sprechen vormittag.
Was 'kocht wird, ihn nicht kümmern tut,
Es soll nur viel sein und recht gut.

Melancholisch.
DOKTOR KRIMS, DOKTOR KRAMS
aus der Seitentüre kommend.
Es bleibt dabei, Konsilium,
Der Zustand bringt am End' ihn um,
Wir dringen auf Konsilium.

Sanguinisch.

BLINKER, WEGER UND STERN unter der Seitentüre und in dieselbe zurück.
Adieu, Freund Froh, wir gehn,
Auf fröhlich Wiedersehn!

Ganz vortretend.

In aller Fruh' Champagner schon
Das bleibt halt schon der schönste Ton!

Cholerisch.

NADL, LEIST der erste einen neuen Frack, der andere ein Paar neue Stiefel tragend, laufen aus der Seitentüre heraus.

Heut' is mit dem Herrn wieder gar nix zu reden,

Er fahrt einem an wie der Hund an der Ketten,

Über all's is er gleich in der Höh',

Wir gehn ihm nimmer in d' Näh'.

[11]
NANETTE UND SUSANNE.
Das Beste ist für jetzt, Sie gehn,
Adieu, adieu, auf Wiedersehn!
NADL UND LEIST.
Das Beste ist für jetzt, wir gehn,
Adieu, adieu, auf Wiedersehn!

Alle zur Mitteltüre ab.
Phlegmatisch.
BABETTE UND GERTRAUD.
Das Beste ist für jetzt, wir gehn,
Adieu, adieu, auf Wiedersehn!
CYPRIAN.
Ich werd' ein wenig schlafen gehn,
Adieu, adieu, auf Wiedersehn!

Alle zur Mitteltüre ab.
Melancholisch.
LISETTE UND MARGARETH.
Die Herren wollen jetzt schon gehn,
Empfehl' mich schön, auf Wiedersehn!
DOKTOR KRIMS UND DOKTOR KRAMS.
Das Beste ist für jetzt, wir gehn,
Adieu, adieu, auf Wiedersehn!

Alle zur Mitteltüre ab.
Sanguinisch.
SEPHERL UND THERES.
Die Herren wollen jetzt schon gehn,
Empfehl' mich schön, auf Wiedersehn!
BLINKER, WEGER, STERN.
Jetzt ist es Zeit, wir wollen gehn,
Adieu, adieu, auf Wiedersehn!

Alle zur Mitteltüre ab.
2. Szene
[12] Zweite Szene.

1.2.3.4.

Braus.Fad.Trüb.Froh.


Melancholisch.

TRÜB
im Schlafrock, mit verschränkten Armen aus der Seitentür e tretend.

Heute also soll ich ihn wiedersehn, meinen Sohn, den Erstgebornen der so früh verblichenen Gattin! Stellt sich, tief seufzend, vor das auf der Staffelei befindliche Bild.


Sanguinisch.
FROH
kommt, fast tanzend, aus der Seitentüre, ebenfalls im Schlafrock.

Mein Bub kommt z'ruck, das is a Passion. Ein Mordkerl muß er worden sein in die drei Jahr', wenn er seinem Vater nachg'rat't.Stellt sich vor den Spiegel und richtet sich die Halsbinde wohlgefällig zurecht.


Phlegmatisch.
FAD
im Schlafrock und mit langer Pfeife aus der Seitentüre tretend.

Also heut' kommt er, der Edmund! Wenn er nicht kommt, is's mir auch recht. Wenn sich die Kinder nicht nach Haus sehnen, is es ein Zeichen, daß's ihnen gut geht. Setzt sich in den Lehnstuhl und schmaucht.


Cholerisch.
BRAUS
im Schlafrock, mit Ungestüm aus der Seite tretend.

Wo er nur so lange bleibt, der Teufelskerl! Um acht Uhr hätt' er schon hier sein können, das Donnerwetter soll so einem Sohn in die Rippen fahren, den das kindliche Herz nicht mit gebührender Eilfertigkeit in die väterlichen Arme treibt!Nimmt eine auf dem Tisch befindliche Zeitung und geht, selbe hastig durchblätternd, unruhig auf und ab.


[13] Sanguinisch.
FROH.

Einen Rivalen wird er haben an mir, einen tüchtigen, wenn er sich an eine anmacht. Übrigens, das hat Zeit bei ihm. Meine Tochter muß unter die Hauben, ein Mädl kann nie zeitlich genug heiraten; ein junger Springinsfeld hingegen wie mein Sohn, dem kommt 's Hauskreuz immer noch z' früh'.Zieht an einer auf dem Tische liegenden Violine eine abgesprungene Saite auf.


Phlegmatisch.
FAD.

Wenn nur der Bräutigam meiner Tochter schon da wär', wär' mir lieber, mir g'fallt 's Madl nimmer in der Ledigkeit. Schmaucht ruhig fort.


Cholerisch.
BRAUS.

Die Galle läuft mir über, so oft ich die Angekommenen lese. Alles kommt an, nur mein verdammter Jugendfreund aus Straßburg nicht. Ein saumseliger Bräutigam verdient, daß man ihm Raketen in die Ohren stecke, die ihm hineinfahren bis ins kalte Herz und seinen morschen Gefühlszunder in Feuer und Flammen setzen.


Melancholisch.
TRÜB.

Bald wird meine Tochter der Ehe Band umschließen. Mögen die Rosen, die es ihr bringt, länger blühen, als sie dieser blühten auf das Bild zeigend. die, selbst noch eine blühende Rose, hinwelken mußte in Grabesnacht! Setzt sich an die Staffelei und malt an dem Bilde seiner verstorbenen Frau.

3. Szene
[14] Dritte Szene

1.2.3.4.

Der Vorige;Der Vorige.Der Vorige.Der Vorige;

Walburga.Marie.


Sanguinisch.

MARIE
aus der Seitentüre rechts in einem eleganten Negligé kommend.
Na, wie g'fall' ich Ihnen in dem Anzug, Papa?
FROH.
Sauber, bildsauber, bist ganz mein Ebenbild!

Cholerisch.
BRAUS
in die Seitentüre rufend.
Walburga! He! Walburga!

Sanguinisch.
MARIE.

Schöne Mädln sind halt im Negligé am schönsten. Schad', daß die Mode nicht aufkommt, daß man im Negligé auf 'n Ball geht; da sehet man doch, was schön und was wild ist.


Cholerisch.
BRAUS
sehr böse.
Walburga, hörst du nicht –?
WALBURGA
aus der Seitentüre kommend.
Da bin ich, weiß nicht, warum der Papa gar so schreit!
BRAUS.
Wenn du ein andermal nicht den Augenblick kommst, wenn ich rufe, so soll –
WALBURGA
heftig.

Ich war im dritten Zimmer drin, das ist mein Zimmer! Ich bin ohnedem eine rasche Person, aber bis man durch drei Zimmer kommt –

BRAUS.
Still! Geht heftig auf und ab.

Sanguinisch.
FROH.
Den Anzug hätt'st du dir aufsparen können zum Empfang deines Bräutigams.
MARIE.
Was Bräutigam, lassen wir das, Papa!
FROH.

Nicht mehr lang, in wenigen Tagen is Hochzeit, und dann wird's gehen – Spielt einen Straußischen Walzer auf der Violine.


[15] Cholerisch.
BRAUS.
Du wirst heiraten!
WALBURGA.
O ja, das hoff' ich, denn ich bin kein Geschöpf zum Sitzenbleiben.
BRAUS.
Wirst den heiraten, den ich will!
WALBURGA.
Wenn er mir aber nicht g'fällt?
BRAUS.
Er gefällt mir, wiewohl ich ihn so viele Jahre nicht gesehen, denn er ist mein Jugendfreund Sturm.
WALBURGA.
Der Sturm wird keine Flamme anfachen in meinem Herzen, ich nehm' ihn nicht!
BRAUS.
Du mußt!

Sanguinisch.
FROH.

Aber wie g'schieht dir denn? Du stehst ja ganz ruhig? Das ist das erste Mal, wenn du einen Deutschen hörst!

MARIE.
Weil ich ihn mit einem Bräutigam tanzen soll, und wenn's nicht der is, den ich will –
FROH.

Es is der, den ich will, mein alter Kamerad Glück, den ich seit meinen Studentenjahren nicht mehr zu Gesicht kriegt hab'.

MARIE.
Nimm sich der Papa in acht, da könnt's geschehn, daß ich mit einem andern davontanz'.
FROH.
Untersteh dich!
MARIE.
Da wird's dann gehn – Singt denselben Deutschen und tanzt herum.

Cholerisch.
BRAUS.
Ich dulde keinen Widerspruch!
WALBURGA.
Wenn auch mein Mund schweigt, so widerspricht mein Herz!
BRAUS.
Ich werd' ihm das Maul stopfen, diesem Herzen!

Sanguinisch.
FROH.

Wie das Mädl tanzt, das is eine Pracht! Mir geht's in die Füß'! Walzt mit ihr, indem sie den Deutschen singt und er ihr singend akkompagniert, eine Tour herum und in die Seitentüre ab.


[16] Cholerisch.
WALBURGA.
Der Zwang ist ungerecht!
BRAUS
grimmig.
Auf dein Zimmer oder –
WALBURGA.
Ich gehe, aber –
BRAUS.
Marsch, sag' ich!
WALBURGA
geht, sich gewaltsam unterdrückend, in die Seitentüre ab.
BRAUS
folgt ihr grimmig nach.
4. Szene
Vierte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Der Vorige;Der Vorige;(Bühne frei)

AgnesIrene


Phlegmatisch.

FAD
ist vorher langsam aufgestanden und ruft in die Seitentüre.
Agnes!
AGNES
nach einer Pause, von innen.
Gleich!
FAD
wartet an der Türe.

Melancholisch.
TRÜB
malend.

Nach neunzehn Jahren sind mir ihre Züge noch so frisch im Gedächtnisse, daß ich imstande bin, ihr Bild zu malen. Zum Bild. Auch deine Wünsche sind mir unvergeßlich, sie sind mir ein heiliger Befehl.

IRENE
tritt weinend aus der Seitentüre.
O, mein Vater!
TRÜB.
Du weinst, Irene?
IRENE.
Wundert Sie das? Sehen Sie mich nicht täglich weinen?
TRÜB.
Hat dein Schmerz heute einen besonderen Grund?
IRENE.
Ist nicht der Schmerz der tiefste, welcher grundlos ist?

Phlegmatisch.
FAD
ruft wieder.
Agnes!
AGNES.
Gleich!
FAD
wartet an der Türe.

[17] Melancholisch.
TRÜB.
Laß heute der Freude Sonnenblick durch der Tränen Nebelschleier dringen, dir winkt ein Myrtenkranz.
IRENE.
Um meinen Sarg zu zieren!
TRÜB.
Nein, als Brautschmuck schlinget er sich in dein Haar!
IRENE.
Und wer –?
TRÜB.

Ein Mann, dem schon mein Wort verpfändet ist, seit du geboren. Mein Jugendfreund, mein lang entbehrter Schmerz.

IRENE.
Ha, ich Unglückselige! Bedeckt mit beiden Händen das Gesicht.

Phlegmatisch.
FAD
ruft wieder.
Wenn du jetzt nicht bald kommst, so wart' ich noch a Weil'.
AGNES
aus der Seitentüre kommend.
Da bin ich schon, Vater!
FAD.
Was hab' ich dir denn sagen wollen? Ja, richtig, du wirst die Tag' heiraten.
AGNES.
Warum denn?
FAD.
Weil's der Brauch is. Setzt sich wieder.

Melancholisch.
TRÜB
ist aufgestanden.

Du bist überrascht, Irene, das Unerwartete ergreift dich mächtig. Denke, daß es vor mehr als achtzehn Jahren der Wille deiner verblichenen Mutter war; der muß dir heilig sein wie mir.


Phlegmatisch.
FAD.
Ich hab' einmal ein' Spezi g'habt, den Schlaf, der hat mein briefliches Wort.

Melancholisch.
IRENE.
Ich kann nicht, mein Vater!
TRÜB
nach dem Bilde zeigend.
Sie hat es gewollt, du mußt!
[18]
IRENE.
O Himmel!
TRÜB.
Von dort aus segnet sie diesen Bund. Komm, meine Tochter!

Führt sie langsam in die Seitentüre ab.
Phlegmatisch.
AGNES.
Vater, den werd' ich durchaus nicht mögen.
FAD.
Mußt ihn mögen!
AGNES.
Hör' der Vater auf! Setzt sich zum Stickrahmen.
5. Szene
Fünfte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Die VorigenSchlankelHutzibutz


Melancholisch.

SCHLANKEL tritt während dem Ritornell des folgenden Gesanges zur Mitte ein.
Kaum hebt sich der Tag aus den Federn der Nacht,
Wird frisch gleich die Rond' bei die Kundschaften g'macht.
Ich balbier' und frisier' nach der Mod', das ist g'wiß,
Der Kopf muß was gleich sehn, wenn auch nix drinnen is.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
tritt während dem Ritornell des folgenden Gesanges durch die Mitte ein.
Er ist mit Ausklopfstaberl und Bürsten versehen und trägt mehrere Paare frisch geglänzte Stiefel.
Kaum hebt sich der Tag aus den Federn der Nacht,
So heißt's nur geschwind zu die Kundschaften tracht't.
Die Kleider und Stiefel zu putzen, is g'wiß
Das z'widerste G'schäft, was auf dieser Welt is.

[19]
Melancholisch.
SCHLANKEL.
Als Friseur is man fertig, eh' man sich umschaut,
D' jungen Herrn trag'n die Haar' jetzt gar schütter anbaut,
Und man glaubt's nicht, wie leicht ein' Balbierer jetzt g'schiecht,
Bei die Bärt' jetzt balbiert man kaum 's Zehntl vom G'sicht.
Ich nimm jeden bei der Nasen, das will schon was sag'n,
Denn mancher tut d' Nasen entsetzlich hoch trag'n.
Wenn ich z' spät komm' und mich ein Herr ausmachen will,
Da streich' i ihm nur d' Seif' ums Maul, gleich is er still.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Durch dick und dünn rennen s' den Madln brav nach,
Uns'reins hat hernach mit die Stiefeln die Plag',
Drum denk' ich oft, wenn ich beim Ausklopfen bin,
Warum steckt der Herr in die Kleider nicht drin?

Melancholisch.
SCHLANKEL.
Der Kopf is das G'wölb' und die Auslag' sind d' Haar',
Drum geht's da auch oft wie bei d' G'wölber, 's is wahr,
Die Auslag' is schön, sie bezaubert den Sinn,
Das is aber auch alles, in G'wölb' is nix drin.
Welcher Stand mit dem meinig'n z' vergleichen' wohl ist!
Ich leb' angenehmer als jeder Kapitalist.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Es gibt keinen Stand, der so unangenehm ist!
Meiner Seel', ich wär' lieber ein Kapitalist.

[20] Melancholisch.
SCHLANKEL.

Auskennen muß man sich in der Welt, das ist die Hauptsach'! Lieber andre balbiern, als selbst balbiert werden, lieber andern zu ein' Weib verhelfen, als selber eins nehmen.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.

Wenn ich vom Stiefelputzen allein leben müßt', wär' es ein reines Elend. Mein Glück is es, daß ich ein extrem pfiffiger Kerl bin, der sich auf andere Art Geld zu verdienen weiß.


Melancholisch.
SCHLANKEL.

Jedes Ding hat zwei Seiten, so auch ein Balbierer und Friseur. Wenn man die Sache materiell betrachtet, so ist es ein gemeines Geschäft. Einseifen, abscheren, Haar' brennen, was is das? Wenn man aber darauf reflektiert, daß wir die privilegierten Boten heimlicher Liebe sind, daß wir es sind, die den kleinen augenverbundenen Bogenschützen seine verschlungenen Wege führen auf Erden – wenn man die Sache von der Seite betracht't, so liegt eine ungeheure Poesie in unserm Metier.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.

Vier verschiedene Herren in diesem Haus sind in vier verschiedene Fräulein verliebt. Die Herren reisen fort, adressieren die Liebesbriefe an mich, und ich hab' selten einen über acht Tage im Sack tragen, so hat sich die Gelegenheit ergeben, daß die betreffende Fräul'n ganz allein z' Haus war, und ich hab' ihr dann den Brief zug'steckt, das is halt ein Meisterstück von einer Intrig'.


Melancholisch.
SCHLANKEL.

Daß diese Amouren in diesem Haus nicht durch meine Hand gehen, ist ein Mißgriff des Schicksals, der nicht zu ergründen, nicht zu verzeihen ist. Ein [21] Mensch, der in jeder Hand sieben Paar Stiefel tragt, erfrecht sich, Liebesbriefe in Westentaschl zu tragen; ein Mensch, in dessen Kopf es so dunkel ausschaut wie in sein' Wichshäferl, will Intrigen leiten! Der Liebe Zauberstab will er schwingen, statt beim Ausklopfstaberl zu bleiben, schriftliche Herzensgeheimnisse berührt er mit schuhbürstengewohnten Händen, das is ja mehr als ein' Faust auf ein Aug'.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Der Balbierer Schlankel macht mir Kabalen hier im Haus.

Melancholisch.
SCHLANKEL.

Aber die vier Liebhaber samt ihrem saubern Chargé d'affaires sollen mir's entgelten; wer mich nicht zum Freund sucht, der hat mich als Feind.

Mir steigt die Gall' auf, wenn ich ihn nur seh', dem einen Schur anzutun, das is mir der höchste Genuß.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.

Mir steigt die Gall' auf, wenn ich ihn nur seh', dem einen Schur anzutun, das ist mir der höchste Genuß.

6. Szene
Sechste Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Die VorigenDer Vorige;Der Vorige;

BrigitteIsabella


Sanguinisch.

ISABELLA
aus der Seitentüre kommend.

Was tausend, schon da? Ich wär' gar lieber morgen erst kommen! Das is wahr, Seine Sehnsucht nach mir muß ungeheuer groß sein.

[22]
HUTZIBUTZ.
Bedenk', Bella, das Tratschwetter, und ich hab' neunzehn Paar Stiefel putzt!
ISABELLA.
Hör' auf mit solchen Gemeinheiten!
HUTZIBUTZ.
Das war eine Arbeit, ich hab' völlig Kopfweh!
ISABELLA.
O freilich, so was strengt den Geist weiter nicht an!

Phlegmatisch.
AGNES
am Stickrahmen.
Werden der Papa nicht ausgehen heut'?
FAD
im Schlafsessel schmauchend.
Nein, ich hab' zu viel zu tun.

Melancholisch.
BRIGITTE
aus der Seitentüre kommend.
O, sind Sie da? Na, ich bin froh, mein lieber Herr Schlankel.
SCHLANKEL.
Hör'n S' auf, Sie wissen, ich kann das nicht leiden, diese dummen Schmeicheleien.

Sanguinisch.
ISABELLA.

Wenn sich ein Stubenmädl herabläßt, einen Kleiderputzer zu lieben, so muß dieser Überglückliche laufen wie ein Windspiel, um zu zeigen, daß –

HUTZIBUTZ.
Kind, das tue ich ja so, aber mit neunzehn Paar Stiefel –
ISABELLA.
Sei still, gemeiner Sklave!

Melancholisch.
BRIGITTE.
Das ist heut' ein Jammer in unserm Haus!
SCHLANKEL.
Das is alle Tag' der Fall in eurer Tränenbutike.
BRIGITTE.
Heute besonders! Das Fräulein soll einen Mann heiraten, den sie nicht liebt.
SCHLANKEL.
Was geht das mich an?

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.

Gemeiner Sklave, hast du g'sagt? Da weiß ich nicht, ob du das Recht hast, mich so zu titulieren. [23] Du bist den ganzen Tag in der Sklaverei, ich nur bis zehne vormittags. Mich hat schon man cher Herr in der Fruh' ein' Dummrian g'heißen, und auf d' Nacht sein wir zufällig mit einem Nebel z'samm'kommen, und er hat Bruderschaft trunken mit mir.


Phlegmatisch.
FAD.
Was stickst denn, Agnes?
AGNES.
Hat's der Papa noch nicht ang'schaut?
FAD.
Nein, ich hab' noch keine Zeit g'habt.

Melancholisch.
BRIGITTE.
Der Herr von Schlankel is heut' gar kurz angebunden.
SCHLANKEL.
Ich bin gar nicht angebunden, das wer'n S' gleich sehn, denn ich geh', wenn S' nicht still sein.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
für sich.
Ich hab' s' bös g'macht. Laut. Bella?
ISABELLA
bleibt, das Gesicht abgewandt, unbeweglich stehen.
HUTZIBUTZ.
Hast du keinen Blick für mich?

Melancholisch.
BRIGITTE.
Ein' Bitt' wird mir der Herr Schlankel doch erfüllen?
SCHLANKEL.
Das is die Frag'.
BRIGITTE.
Diese drei Gulden annehmen und ein gut's Glaserl Wein auf meine G'sundheit trinken.
SCHLANKEL
das Geld nehmend.
Wir werden sehn, wenn's möglich is.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Du kriegst heute noch ein Präsent von mir.
ISABELLA.
Von dir? Du Geizhals!
HUTZIBUTZ.
Sei froh, daß ich sparsam bin, ich werd' 's Geld brauchen, wenn ich dich Heirat'.

[24] Melancholisch.
BRIGITTE.
Nicht wahr, dann und wann denkt Er doch ein wenig an mich? Schmeichelt ihm.
SCHLANKEL.
Lassen S' mich gehn!
BRIGITTE.
Der Herr Schlankel is ja gar spröd.
SCHLANKEL.
Ja, ich bin ein pretioser Kerl.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Ich krieg' heut' noch, mußt du wissen, ein nobles Trinkgeld.
ISABELLA.
Von wem?
HUTZIBUTZ.

Von die vier Fräulein, wenn ich ihnen die Nachricht bring', daß die vier Herzgeliebten heut' von der Universität zurückkommen.

ISABELLA.
Das wissen s' so schon!
HUTZIBUTZ.

Alles eins, ich bring' die Kunde, und mir blüht ein Honorar. Jetzt bring' mir dem Herrn seine Kleider heraus, ich schau' derweil zum Herrn von Braus hinauf.

ISABELLA.

Gut also, in Erwartung des Präsentes verbleibe ich deine anspruchslose Isabella. Adieu!In die Seitentüre ab, nachdem sie sich von Hutzibutz die Hand küssen ließ.


Melancholisch.
BRIGITTE
welche früher an der Seitentüre horchte.
D' Fräul'n Irene kommt.
SCHLANKEL.
Meinetwegen!
BRIGITTE.
Sprechen S' ihr ein wenig Mut ein!
SCHLANKEL.
Wüßt' nicht, warum! Brigitte geht in die Seitentüre ab.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
Isabellen zärtlich nachblickend.

Mehrere ziehen an deinem Triumphwagen, doch in der zahlreichen Vorspann schaust du mich für den Handigen an, denn mir allein reichst du deine Hand. Zur Mitte ab.

7. Szene
[25] Siebente Szene

1.2.3.4.

HutzibutzDie VorigenDer Vorige;Isabella

Irene


Melancholisch.

IRENE
schluchzend aus der Seitentüre kommend.
Der Vater laßt Ihnen sagen, Sie sollen später kommen.
SCHLANKEL.

Wie's gefällig is, aber was nutzt das? Wenn ich später komm', werd' ich die Fräul'n Irene halt wieder in Tränen finden, und wenn ich wen weinen seh', so werden mir gleich die Augendeckeln heiß, ich fang' zum schluchzen an, und es laßt mir keine Ruh', bis ich mitweinen muß.

IRENE.
Mitgefühl gießt Balsam in ein wundes Herz.
SCHLANKEL.

Balsam in die Wunden zu träufeln ist nicht nur allgemeine Menschenpflicht, noch mehr, es ist insbesondere Balbiererpflicht.

IRENE.
Haben Sie nie geliebt?
SCHLANKEL.
O ja, zwar oft war ich nur in dem Wahn, zu lieben, aber sechzehnmal hab' ich wahrhaft geliebt.
IRENE.
Ist das möglich? In mir ist nur eine Liebe, und diese eine zersprengt mir das Herz.
SCHLANKEL.
Die Herzen sein halt nicht gleich, eins fürs andere is dauerhafter, hat mehr Elastizität.

Phlegmatisch.
FAD.
Du, Agnes, kommt dir nicht vor, es zieht, weil die Tür dort offen is?
AGNES.
Mir scheint auch; wenn der Cyprian kommt, werd' ich ihm sagen, daß er s' zumachen soll.

Melancholisch.
IRENE.
Wissen Sie, daß ich einem Mann die Hand reichen soll, den mir mein Vater bestimmt?
SCHLANKEL.
Tun Sie das, nehmen Sie 'n. Sie können den ungetreuen Mussi Felix nicht besser bestrafen.
[26]
IRENE.
Ungetreu, sagen Sie?
SCHLANKEL.

Ich hab' mich verschnappt, es is heraußt, aber Ihr Ehrenwort, daß Sie mich nicht verraten! Er hat in Prag mit einer eine Liebschaft ang'fangt, ich weiß es von einer Freundin, die diejenige hier hat; ich balbier' ihren Herrn Gemahl, is eine Kundschaft von mir. Na, jetzt wissen S', da hört man halt allerhand reden. Übrigens, ob er deswegen gesonnen is, mit Ihnen zu brechen oder nicht, das kann ich nicht behaupten. Vielleicht handelt er nach dem Grundsatz: unum debet fieri et alterum non omitti, zu deutsch: wenn man eine neue Amour anfangt, so muß man deswegen die alte noch nicht aufgeben.

IRENE.

Nun denn, so fließt in Strömen, ihr Tränen gekränkter Liebe, fließt hin, um nie mehr zu vertrocknen! Verhüllt mit beiden Händen das Gesicht und sinkt in einen Stuhl.

SCHLANKEL
für sich.
Die weint ein' schön' Fleck her im Jahr!

Cholerisch.
HUTZIBUTZ
tritt zur Mitteltüre ein und sagt im Vorübergehen.

Die Bella is halt mein' Freud', ein Gedanken an sie is immer ein Sonnenstrahl, wenn mich beim Stiefelputzen trübe Wolken umhüllen.Geht in die Seitentüre ab.


Sanguinisch.
ISABELLA
kommt mit mehreren Kleidungsstücken durch die Seitentüre.

Da sind die Kleider zum Ausputzen! Ich bin doch neugierig, wie er sich einstellen wird, der Hutzibutz. Hängt die Kleider über eine Stuhllehne und geht in die Seitentüre ab.


Melancholisch.
SCHLANKEL
für sich.

Meine Nachricht ist erlogen, ich hab' das nur g'sagt, um dem Mussi Felix einen üblen Empfang zu bereiten. Das muß so sein; wem ich nicht nutz', dem schad' ich; neutral bleib' ich nicht, um kein [27] G'schloß; ich muß handelnde Person sein, so oder so! Zu Irene. Sein S' nur nicht bös auf mich!

IRENE.

Sie haben mir Wahrheit für Täuschung gegeben; war auch die Täuschung süß und ist die Wahrheit bitter, ich bin Ihnen hoch verpflichtet, ich werde Ihnen' stets Tränen dankbarer Freundschaft weihn.

SCHLANKEL.
O, ich bitt', das wär' zu viel, Sie werden Ihre Tränen anderwärtig brauchen.

Cholerisch.
HUTZIBUTZ
aus der Seitentüre, mit Kleidungsstücken über den Arm gehangen, zurückkommend, spricht in die Türe zurück.

Gleich, Euer Gnaden, gleich! Für sich. Wenn der Mann sein' Charakter nur auf ein paar Stund' in' Keller stellet, daß er sich abkühlen tät'. Ich hab' in meinem Leben kein' so hitzigen Menschen g'sehn. Geht zur Mitte ab.


Melancholisch.
IRENE.
Und diese Kleinigkeit nehmen Sie für Ihre zarte Teilnahme! Gibt ihm ein Beutelchen mit Geld.
SCHLANKEL.
Das wird jetzt vertrunken auf Ihre G'sundheit.
IRENE.

O nein, nichts von Gesundheit, ich will nicht gesund sein, nach dem Grabe sehn' ich mich, dort ist das Ende meiner Leiden. Lassen Sie mich jetzt allein mit meinem Schmerz!

SCHLANKEL.

Zu Befehl! Für sich. Wenn die so fort weint dreimal vierundzwanzig Stund', so kriegen wir eine Überschwemmung im Haus. Zur Mitte ab.


Phlegmatisch.
FAD.

Aber schau', Agnes, ich sitz' schon wieder zu viel! Der Doktor hat g'sagt, ich soll Bewegung machen, ich werd' mich drin zum Fenster setzen, daß ich Leut' vorbeigehen seh'! Geht langsam in die Seitentüre ab.

AGNES.
Nein, wie der Papa heut' herumschießt von ein' Zimmer ins andere!
8. Szene
[28] Achte Szene

1.2.3.4.

NanetteAgnes,Irene, dannMarie

SchlankelHutzibutz


Phlegmatisch.

SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.

Gut, daß ich Ihnen allein find', gnädiges Fräulein! Ich hab' Ihnen Sachen von unglaublicher Wichtigkeit mitzuteilen.

AGNES.
Warten S' ein wenig! Stickt fort.
SCHLANKEL.
Ihr Glück, Ihre Ruhe, alles steht auf dem Spiel.
AGNES.
Warten S' nur, bis ich den Faden vernäht hab'.

Melancholisch.
IRENE.

Er konnte mich täuschen, Felix konnte seine Schwüre brechen? Warum erstaun' ich darüber? Es mußte so kommen, mein Schicksal will es, daß mir auf Erden keine Freude blüht.


Phlegmatisch.
SCHLANKEL.
Man könnt' sogar behaupten, Ihr Leben steht auf dem Spiel.
AGNES.
Hör'n S' auf, Sie wer'n mich bald neugierig machen.
SCHLANKEL.

Es ist zwar unschicksam von mir, daß ich mich in fremde Geheimnisse dräng', ohne eingeweiht zu sein, aber die Gefahr ist zu groß, zu dringend.

AGNES.
Ah, das is stark, jetzt bin ich in einer G'fahr und weiß 's nicht.
SCHLANKEL.

Das Verhältnis, in welchem Sie mit dem jungen Herrn von Braus stehn, ist kein Geheimnis mehr, ich hab' es schon am Ersten voriges Monat erfahren, und in Prag weiß es auch jemand.

AGNES.
Schau', schau', wird doch alles aus'plauscht!
SCHLANKEL.

Heut' kommt er an, und, stellen Sie sich vor, eine Geliebte, der er in Prag Versprechungen [29] g'macht hat, reist ihm nach mit dem Vorsatz, Ihnen zu ermorden. Ein guter Freund hat mir das alles geschrieben.

AGNES.
Hör'n S' auf!
SCHLANKEL.

Es bleibt Ihnen nichts übrig, als dem Ungetreuen den Laufpaß zu geben, um allen schrecklichen Folgen auszuweichen.

AGNES.
Warten S', lassen S' mich a bißl nachdenken!

Melancholisch.
HUTZIBUTZ
durch die Mitte eintretend.
Fräul'n Irene, ich sehe eine Träne.
IRENE.
O, lass' Er mich!
HUTZIBUTZ.
Machen Sie ein heiteres Gesicht, ich bring' eine gute Botschaft.
IRENE.
Für mich gibt's keine mehr!
HUTZIBUTZ.
Er kommt heut'!
IRENE.

Schweig' Er! Für sich. Ich muß mich in mein' Zimmer verschließen, um ungestört meinen Tränen freien Lauf zu lassen. In die Seitentüre ab.

HUTZIBUTZ
allein.

Aber, Fräul'n! Für sich. Da bin ich durchg'fall'n mit'n Trinkgeld, hm, hm – was muß der wieder übers Leberl krochen sein? Sehr unangenehm, wenn der Trübsinn in Trinkgeldverweigerung ausartet. Geht kopfschüttelnd zur Mitte ab.


Phlegmatisch.
SCHLANKEL
für sich.

Keinen fruchtbareren Boden gibt's in der Welt als das menschliche Herz; wenn man den Samen des Argwohns hineinstreut, das schlägt Wurzel und wachst und schießt! – Bei der geht alles etwas langsamer, aber deswegen bleibt die Wirkung doch dieselbe.


Cholerisch.
Es wird in der Seitentüre geläutet.
NANETTE
eilig zur Mitteltüre eintretend.
Ich glaub', der gnädige Herr hat g'läut't; gleich, Euer Gnaden! Eilt in die Seitentüre ab.

[30] Phlegmatisch.
SCHLANKEL.
Was haben Sie beschlossen, mein Fräulein?
AGNES.

Ich hab' beschlossen, daß ich jetzt noch nichts beschließ', denn ich muß mir die Sach' noch überlegen. Nehmen Sie das für Ihre gütige Aufmerksamkeit! Gibt ihm Geld.


Sanguinisch.
MARIE
tritt aus der Seitentüre und sieht zur Mitteltüre hinaus.

Phlegmatisch.
SCHLANKEL.
O, ich bitt', das is alles zu viel!
AGNES.
Wenn ich wieder einmal in solcher G'fahr bin, so sag'n S' mir's halt!
SCHLANKEL.
Bauen Sie ganz auf Ihren aufrichtigen Schlankel! Zur Mitte ab.
9. Szene
Neunte Szene.

1.2.3.4.

Braus, dannAgnes,Bühne freiMarie,

Nanette, danndanndann

WalburgaHutzibutzSchlankel


Sanguinisch.

MARIE
wieder vortretend.

Wo denn der Hutzibutz bleibt? Ich muß ihm ein Geschenk machen für seine treu geleisteten Dienste als Postillon d'Amour. Auch muß er mir die Stunde sagen, wann der Eilwagen eintrifft. Ah, da kommt er – Will zur Mitteltüre und erblickt den eintretenden Schlankel. Sie sind's? Ich weiß nicht, laßt sich der Papa jetzt frisieren oder nicht.

SCHLANKEL.
Die Fräul'n haben einen anderen erwartet.
MARIE.
Na, Sie könnten's so ziemlich erraten haben.

[31] Phlegmatisch.
AGNES
stickend.
Schau', schau', wird mir der untreu! Hm! Hm!

Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Zweifle auch nicht, daß Ihnen der andere angenehmer wär', denn der bringt immer gute Nachrichten.
MARIE.
Was? – Sie wissen doch nicht –?
SCHLANKEL.

Ihre Amour mit 'n Herrn Guido von Trüb? Nein, so was merk' ich nicht. Ich bitt' Ihnen, zwischen einer heimlichen Liebschaft und einem Balbierer is grad das Verhältnis, als wie zwischen der Trüffel und dem Hund; wir wittern's und schnuppern's, und wenn's noch so tief verborgen wäre.


Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.
Gnädiges Fräulein!
AGNES.
Lass' Er mich ungeschoren!
HUTZIBUTZ.
Ich muß Ihnen eine frohe Nachricht –
AGNES.
Geh' der Herr weiter mit seinen Nachrichten!
HUTZIBUTZ.
Aber der Mussi Robert –
AGNES.
Still, hab' ich g'sagt!

Sanguinisch.
SCHLANKEL.

Übrigens will ich Ihnen nur sagen – aber das is nur so hingeworfen, ich weiß nichts Gewisses – aber bei Leuten, die immer nur gute Nachrichten bringen, is sehr die Frag', ob es auch wahre Nachrichten sind, das is aber nur so hingeworfen, ich weiß nichts.

MARIE.
Sie wissen was?
SCHLANKEL.
Das heißt, wie man's nimmt, es wird nix sein.
MARIE.
Freund, jetzt reden Sie, ich lass' Ihnen nicht mehr aus.
SCHLANKEL.

Ich hab' heut' die Fräul'n Zi – o, jetzt hätt' ich bald den Namen g'sagt; nein, Namen nenn' ich kein', das können Sie nicht verlangen von mir.

MARIE.
Also ohne Namen, nur zur Sache!
[32]
SCHLANKEL.

Ich hab' ihr Locken hin'tragen, und da is auf der Toilett' ein Brief g'leg'n, 's Postzeichen von Prag und die Unterschrift Guido.

MARIE.
Guido!?
SCHLANKEL.
Is ein Taufnamen, Guido kann heißen, wer will.
MARIE.
Aber die Schrift?
SCHLANKEL.
Die war so g'wiß – so ein eigner Zug.
MARIE.
Himmel, das ist seine Schrift!
SCHLANKEL.
Das »o« auf die Letzt' war so g'wiß rund.
MARIE.
Kein Zweifel mehr, na, wart', wart', du falsches Ungeheuer! Geht auf und ab.

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Fräul'n Agnes!
AGNES.
Hinaus! Mach' Er mich nicht bös, ich bin lang gut, aber –
HUTZIBUTZ
für sich.

Wieder ab'brennt. Im Abgehen. Kein Trinkgeld schaut heraus, und wenn ich mich auf 'n Kopf stellet. Der Teufel is in die Madeln g'fahr'n. Zur Mitteltüre ab.


Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Ja, was wollen die Fräul'n machen?
MARIE.

O, das wird sich finden. Zu Tod kränken werd' ich mich in keinem Fall. Das g'fallet dem starken G'schlecht, wenn sich das schöne wegen ihm die Haar' ausreißet. O, davon is keine Spur!


Cholerisch.
BRAUS
mit Nanetten aus der Seitentüre tretend.
Wo steckt er denn aber, der verdammte Hutzibutz?
NANETTE.
Er hat g'sagt, er kommt gleich.
BRAUS.
Das Donnerwetter soll –
NANETTE.
Bürst' halt ich Euer Gnaden g'schwind den Gehrock aus, dann können Euer Gnaden ausgehn.
BRAUS.

Nein, just nicht! Er soll da sein, er muß da sein – von früh morgens muß man sich ärgern bis in die [33] späte Nacht, in einem fort ärgern! Geht hastig auf und nieder.

NANETTE
zur Mitte ab.

Sanguinisch.
MARIE.

Freund, Sie haben mir eine wichtige Aufklärung gegeben, nehmen Sie diese kleine Erkenntlichkeit! Gibt ihm Geld.

SCHLANKEL
das Geld nehmend.

Bitte aber auf mich keinen Verschmach zu werfen wegen allenfallsiger Störung des diesfälligen Seelenfriedens.

MARIE.
O, sein Sie ruhig, das is nur ein momentaner Verdruß, das gibt sich, ich geb' Ihnen mein Wort drauf.

Cholerisch.
WALBURGA
aus der Seitentüre kommend.
Was ist denn geschehen, Vater?
BRAUS.

Red' nichts auf mich, du siehst, ich bin im Zorn, du Geschöpf, du! Geht ergrimmt in die Seitentüre ab.


Sanguinisch.
SCHLANKEL.

Ich küss' die Hand! Für sich. Die Liebhaber werden eine Freud' haben, wenn s' hier ankommen; die sollen's empfinden, was das heißt, einen Balbierer zu präterieren und einen Stiefelputzer zum Vertrauten zu machen. Zur Mitte ab.

10. Szene
Zehnte Szene

1.2.3.4.

Walburga,Agnes(Bühne frei)Marie,

danndann

SchlankelHutzibutz


Cholerisch.

WALBURGA
allein.
Da ist wieder Feuer im Dach! Ich begreif nicht, wie man so aufbrausend sein kann als wie der Papa.

[34] Sanguinisch.
MARIE
allein.

Das is wahr, wenn ein Mann sechs Schuh hoch is, so sind kaum zwei Linien Aufrichtigkeit dabei, alles andere is Falschheit und Betrug. Doch wozu verwirr' ich mich in mathematische Berechnungen, es ist nicht die Zeit zu Grübeleien, ich muß jetzt als Mann handeln, das heißt: auch eine Falschheit begehen.


Cholerisch.
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.
Ich wünsch' Ihnen ein' recht ein' guten Morgen.
WALBURGA.
Haben Sie mir meine Locken gebracht?
SCHLANKEL.
Nein.
WALBURGA.
Warum nicht, Sie entsetzlicher Mensch?
SCHLANKEL.

Weil ich erfahren hab', daß heut' der Herzauserwählte zurückkommt, und einen solchen empfangt man im glatten Scheitel oder in eigenen Locken, durchaus aber nicht mit falschen, denn bei einem solchen Wiedersehen soll nichts Falsches sein, weder Locken noch Herz.


Phlegmatisch.
AGNES
stickend.
Nein, das geht mir jetzt erst in Kopf, daß er untreu ist.

Cholerisch.
WALBURGA.
Sie wissen sich immer pfiffig auszureden.
SCHLANKEL.
Besser, ich red' mich pfiffig aus, als ein anderer red't Ihnen pfiffig was ein.
WALBURGA.
Wie meinen Sie das?
SCHLANKEL.

Na, die Männer, die Männer! Es is ihnen halt nicht zu trauen, den Männern! Wie die die Mädeln anlügen, die Männer, das is nicht zum glauben. Ich kenne das, ich war ja selbst Mann in früherer Zeit, das heißt: ein Mann, der Amouren g'habt hat. Und am meisten lügt man die Mädeln an, wenn man von einer Reis' zurückkommt. Da heißt's: »O, Geliebte, die Erinnerung an dich hat mich jeden Augenblick umschwebt, jeder Atemzug seit der Trennung war ein Seufzer um [35] dich, deine Abschiedsworte hallten unaufhörlich wider in meiner Seele tiefstem Grund, keine Zeit, keine Entfernung konnte dein geliebtes Bild aus meinem Herzen reißen!« – das strömt nur so heraus, und derweil hat man ein paaren 's Heiraten versprochen, Liaisonen ang'fangt, auf jeder Station einen Brief zurückexpediert, holt den andern Tag ein halbes Dutzend Posterestante-Briefe ab auf 'm Postamt – o, es sind schreckliche Menschen, die Männer!

WALBURGA
vom Argwohn ergriffen.
Ich will nicht hoffen –
BRAUS
ruft von innen.
Walburga!
WALBURGA.

Gleich! Für sich. Das ist doch ärgerlich! Zu Schlankel. Warten Sie noch einen Augenblick, ich bin gleich wieder da. Nehmen Sie das für die Zeitversäumnis, ich komme gleich wieder. Gibt ihm Geld und eilt in die Seitentüre ab.

SCHLANKEL
für sich.
Sitzt schon!

Sanguinisch.
MARIE
in den Spiegel sehend.
So schau'n sie nicht aus, die Mädeln, die wegen einem untreuen Mannsbild verzweifeln müssen.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.
Fräulein Marie, meinen untertänigsten Glückwunsch!
MARIE.

Das Glück, was Er mir wünscht, brauch' ich nicht, drum is mein Wunsch, daß Er geht, und Sein Glück is es, wenn Er bald geht.

HUTZIBUTZ
für sich.

Die red't g'schnappig vor lauter Freud'. Laut. In einer halben Stund' kommt der Separat-Eilwagen an, beschwert mit vier frankierten Jünglingen, einer davon rezepissiert und rekommandiert an Ihr Herz.

MARIE.

Mach' Er, daß Er weiter kommt, Er sieht, daß ich nicht aufgelegt bin, Sein dummes Geschwätz anzuhören.

HUTZIBUTZ.
Das holde Paar soll viele Jahr' in Einigkeit, stets so wie heut', des Lebens Lust in froher Brust –
[36]
MARIE.
Halt' Er Sein Maul!
HUTZIBUTZ
für sich.
Alle Anstrengungen sind vergebens.
MARIE.
Hinaus, Er sieht, daß ich nicht in der Stimmung bin.
HUTZIBUTZ
für sich.

Jetzt geht's recht! 's ganze Jahr war s' gut aufg'legt, und jetzt, weil s' zahlen soll, hat s' keine Stimmung.

MARIE.
Hinaus, sag' ich!
HUTZIBUTZ
für sich, im Abgehen.
Schicksal, dich klag' ich um Schadenersatz! Zur Mitte ab.

Cholerisch.
WALBURGA
aus der Seitentüre zurückkommend.
Jetzt reden Sie, Sie wissen etwas über 'n Edmund!
SCHLANKEL.
Ja, mein Gott, ich kann nichts Bestimmtes sagen.
WALBURGA.

Die leiseste Andeutung ist hinreichend. Nehmen Sie diese Börse, weit mehr noch wird nachfolgen, aber reden Sie als mein Freund, als Freund der Wahrheit, als Feind der Falschheit und des Verrates!

SCHLANKEL.

Sie werden wissen, daß im Haus da darneben ein Miliweib sitzt. Mit diesem Miliweib haben immer die Dienstboten ihren Plausch, tritschen und tratschen, richten ihre Herrenleute aus, wie das zwischen Dienstboten und Miliweiber schon seit Jahrtausenden der Brauch is.

WALBURGA.
Weiter! Weiter!
SCHLANKEL.

Na, da sagt eine von den Dienstmädeln, nachdem s' die längste Zeit räsoniert hat, daß s' z' wenig Lohn, z' viel Arbeit und keine Gelegenheit zum Betrügen hat, sagt sie: »Heut' kommt ja dem Fräul'n Braus ihr Bräutigam z'ruck.« – »So?« sagt's Miliweib, »so?« und lacht so g'wiß miliweiberisch in ihr' Butten hinein.

WALBURGA.
Das Miliweib hat g'lacht? Das ist genug! Zuviel schon für ein liebendes Herz!
SCHLANKEL.
Natürlich, umsonst lacht kein Miliweib.
[37]
WALBURGA.

Ohne Zweifel hat dieses Weib von einem Dienstboten gehört, daß Edmund mit der ihrer Fräulein in einem Verhältnisse steht – Briefe wechselt – Versprechungen – Beteuerungen – Zärtlichkeiten – – Schwüre – ha, ich durchschaue alles!


Sanguinisch.
MARIE.

Sich nichts draus machen, das ist die erste Regel, wenn einen was verdrießt. Hüpft singend in die Seitentüre ab.


Cholerisch.
SCHLANKEL.
Wird schon so sein, denn die Männer, die sind einmal alles imstand.
WALBURGA.
Lassen Sie mich allein, ich arbeite an einem fürchterlichen Racheplan – Rache, Rache muß ich haben!
SCHLANKEL.
Das Haus der Liebe ist jetzt an allen vier Ecken in Flammen. Zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
AGNES
wie oben.
Ich muß sagen, die Geschichte überrascht mich.

Cholerisch.
WALBURGA
allein.
Der Elende! Der Betrüger! Der Meineidige!
11. Szene
Elfte Szene

1.2.3.4.

Walburga,Agnes(Bühne frei)Isabella

Hutzibutzstickt ruhig fort

Sanguinisch.

ISABELLA
eintretend.

Was is denn mit der Fräulein Marie g'schehn? Die singt und die zerreißt die Bänder an ihrem Kleid, lacht und stampft mit den Füßen zugleich, das is mir zu rund!


[38] Cholerisch.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.
Fräulein Walburga!
WALBURGA.

Ha, der Helfershelfer des Schändlichen! Der wußte ohne Zweifel darum und hat die Hand geboten, mich zu betrügen! Nimmt Bücher, welche auf dem Tische liegen und wirft sie wütend nach Hutzibutz. Fort, Schurke, ehe dich mein Grimm zermalmt!

HUTZIBUTZ
eilt schnell zur Mitte ab.
WALBURGA.
Tausend Vulkane toben in meiner Brust! Weh dem, der dem Lavastrom begegnet! In die Seitentüre ab.
12. Szene
Zwölfte Szene

1.2.3.4.

WalburgaAgnesIreneDie Vorige;

Marie


Phlegmatisch.

AGNES.

Den Tobakbeutel hab' ich für ihn g'stickt, er verdient ihn nicht! Ich sollt' ihn zerreißen in tausend Stück'; weil ich aber schon so viel g'macht hab' dran, so stick' ich ihn halt fertig.


Sanguinisch.
MARIE
eintretend, zu Isabellen.

Du, wie heißt denn der Herr, der alle Tag' sechsmal vorbeireit't und achtmal vorbeifahrt bei mein' Fenster?

ISABELLA.
Herr von Wetter.
MARIE.

Du gibst diesem Wetter diese zwei Zeilen, wenn er dir wieder aufpaßt Gibt ihr ein Billett. und sagst ihm, in meinem Herzen ist ein Wetter vorgegangen, das ihm Sonnenschein bringt – verstanden?

ISABELLA.
Aber, Fräul'n Marie –
MARIE.
Du sagst, was ich gesagt hab'!

Melancholisch.
IRENE
tritt aus der Seitentüre und nimmt ein Kästchen aus einem Wandschrank; nimmt ein Medaillon, welches [39] sie um den Hals trägt, ab.

In diesem Medaillon trug ich seine Haare, sie sind schwarz wie seine Seele, schwarz wie mein Geschick. Ruhe hier verschlossen, dunkle Locke, indes die meinigen der Gram gekränkter Liebe bleicht.


Cholerisch.
WALBURGA
kommt mit einem großen Pack Briefe aus der Seitentüre.

Seine Briefe werf' ich in den Ofen! Werde zu Asche, lügenbesudeltes Papier, du hast den Flammentod verdient! Wirft die Briefe mit Heftigkeit in den Ofen.


Man vernimmt von außen ein Posthorn.
13. Szene
Dreizehnte Szene

1.2.3.4.

WalburgaAgnesDie Vorige;Die Vorigen;

(ist am Ofen(stickt ruhigdann Trüb,dann Froh,

beschäftigt)fort)dann Guidodann Felix


Sanguinisch.

ISABELLA.
Der Eilwagen blast!
MARIE.
Der Bruder kommt!
ISABELLA.
Und der Geliebte mit ihm!
MARIE.
Von dem red' mir kein Wort, es is aus, alles aus auf ewige Zeiten!
ISABELLA.
Ich muß doch sehn – Eilt durch die Mitte ab.

Melancholisch.
TRÜB
aus der Seitentüre kommend.
Mir schien's, als hört' ich einen Postillon.
IRENE.
Der Schall drang mir wie eine Leichenposaune durchs Herz.

Sanguinisch.
FROH
kommt, mit dem Munde und der Hand das Posthorn imitierend, aus der Seitentüre gesprungen.
Hast es gehört? Mein Sohn is da!

[40]
Melancholisch.
GUIDO
tritt traurig zur Mitteltüre ein.
O, mein Vater!
TRÜB.
Guido! Mein Guido! O, warum müssen deine Züge mich so schrecklich an die Verblichene mahnen?
GUIDO
nach dem Bilde blickend.

Meine Mutter! O, warum kann sie nicht die Freude des Wiedersehens teilen? Stürzt dem Vater weinend um den Hals.


Sanguinisch.
ISABELLA
von Felix verfolgt, zur Mitte eintretend.
Aber was treiben S' denn? In die Seitentüre ab.
FELIX.
Papa, Sie haben immer hübsche Stubenmadeln g'habt, aber die ist das Capo.
FROH.

Na, wart', du, ich werd' dich lernen scharmieren, statt dem Vater an die Brust stürzen! Her da, Felix, laß dich umarmen! Umarmt ihn.

FELIX.
Papa, Sie sind ein fideler Papa!
14. Szene
Vierzehnte Szene

1.2.3.4.

Die Vorige;Die Vorige;DieDie

dann Robert,dann Fad,VorigenVorigen

dann Brausdann Edmund


Phlegmatisch.

FAD
aus der Seitentüre kommend.
Du, ich glaub', der Edmund is da.
EDMUND
zur Mitte eintretend, sehr gelassen in Ton und Manieren.
Papa, ich küss' die Hand. Wie geht's denn dir, Agnes?
AGNES.
Ich dank' dir, so, so!

Melancholisch.
GUIDO
zu Irene.
Meine Schwester, mit inniger Wehmut erfüllt mich dein Anblick.
IRENE.
O, du weißt nicht, was ich leide!

[41] Phlegmatisch.
FAD
sehr ruhig.
Na, mich g'freut's recht, daß ich dich nach drei Jahren so gesund wiederseh'.
AGNES
zu Fad.
Er ist g'sund, aber Sie werden krank werden, wenn Sie sich so der ungestümen Freud' überlassen.

Melancholisch.
TRÜB
mit tiefem Schmerz.
Guido! Eilt, sein Gefühl unterdrückend, in die Seitentüre ab.

Sanguinisch.
FELIX.
Wie ist's denn dir immer gegangen, Marie?
MARIE.
Kann's einem jungen, reichen, hübschen Mädel anders gehn als gut?
FELIX.
Na, das freut mich!

Cholerisch.
ROBERT
ungestüm zur Mitte eintretend.

Der Teufel hole die Postpferde! An ihre morschen Knochen sind die Wünsche des Passagiers gefesselt. Feuer soll alles treiben, nichts als Dampf wägen sollen sein, aber diesmal hatten bloß die Pferde den Dampf.

WALBURGA
noch am Ofen.
Robert! Mein Bruder!
ROBERT.
Grüß dich der Himmel! Was machst du da?

Sanguinisch.
FROH.
Ich muß nur g'schwind schaun, ob ich noch ein' Champagner heroben hab'. In die Seite ab.

Phlegmatisch.
AGNES.
Papa, solche Szenen greifen Sie zu sehr an, gehen S' hinein!
FAD.
Du hast recht. Geht in die Seitentüre ab.

Cholerisch.
BRAUS
aufgebracht aus der Seitentüre tretend, zu Robert.

So? Ist er endlich angekommen, der Herr[42] Sohn? Hübsch langsam – natürlich! Wozu braucht's da Eile? Ob man den Vater einige Stunden früher oder später sieht, was liegt da dran? Hättest ganz wegbleiben können! Wenn dir an mir nichts liegt, mir liegt gewiß noch weniger an dir.

ROBERT.

Sie tun mir unrecht, Vater, ich habe auf jeder Station geflucht vor Ungeduld, wie nur der bravste Sohn fluchen kann. Die Postillons, die Pferde –

BRAUS.
Still! Es ist nicht wahr!
ROBERT.
Ich lüge nie, Vater! Ich wüßte nicht, warum ich jetzt lügen sollte.
BRAUS.
Du wagst es, mir zu widersprechen? Aus meinen Augen, ich will nichts mehr wissen von dir.
ROBERT.
Aber, Vater –
BRAUS.
Kein Wort, ich werd' dich lernen, den Vater respektieren! Geht wütend in die Seitentüre ab.
15. Szene
Fünfzehnte Szene

1.2.3.4.

Robert,Edmund,Guido,Felix,

WalburgaAgnesIreneMarie

Cholerisch.

ROBERT.
Das ist zu arg – dieser Empfang –
WALBURGA.
O, es gehört sich wirklich meine Sanftmut dazu, um es auszuhalten mit dem Papa.

Phlegmatisch.
EDMUND.
Agnes!
AGNES.
Edmund!
EDMUND.

Wenn der Vater um mich fragen sollte, ich bin gleich wieder hier. Geht langsam, jedoch ohne Karikatur, zur Mitteltüre ab.

AGNES.
Schon recht!

[43] Sanguinisch.
FELIX.

Sag du, was du willst; wenn ich ihr auch einen Verdruß bereite, ich kann nicht anders, mir brennt der Boden unter den Füßen, das Herz springt mir aus der Weste heraus, ich muß zu ihr!Eilt zur Mitteltüre ab.

MARIE.
Du wirst wieder schöne G'schichten anfangen.

Melancholisch.
GUIDO
für sich.

Wie werd' ich sie wiederfinden? Zu Irene. Schwester, mir steht ein schwerer Augenblick bevor. Lebe wohl! Geht zur Mitteltüre ab.

IRENE.
Lebe wohl!

Cholerisch.
ROBERT.
Ich muß fort.
WALBURGA.
Wohin?
ROBERT.
Aber wie kannst du nur so albern fragen?
WALBURGA.
Sei nur nicht gleich grob!
ROBERT.
Zu meiner Agnes geh' ich. Weh' ihr, wenn sie mich nicht mehr liebt! Zur Mitte ab.
16. Szene
Sechzehnte Szene

1.2.3.4.

WalburgaAgnesIreneMarie


Melancholisch.

IRENE.
Nun wäre er da, der mit heißen Tränen ersehnte Augenblick, wie schrecklich ist er mir getrübt!

Sanguinisch.
MARIE.

Kommen wird er auf alle Fäll', der Duckmauser, er wird glauben, ich weiß nix, das gibt noch einen Hauptspaß, und dann adieu, Partie!


Phlegmatisch.
AGNES.

Wenn mir nur der Robert keine Visit' macht, ich könnt' in Zorn kommen, und ich muß das vermeiden wegen meiner Gesundheit.


[44] Cholerisch.
WALBURGA.

Er kommt nicht, der Bösewicht, das ist der klarste Beweis seiner Schuld! Aber zittre! Das Lamm wird zum Tiger, die Taube zum wilden Geier bei solcher Schändlichkeit!

17. Szene
Siebzehnte Szene

1.2.3.4.

Walburga,Agnes,Irene,Marie,

EdmundRobertFelixGuido


Melancholisch.

FELIX
zur Mitte hereintretend.
Irene, meine teure Geliebte, angebetete, himmlische, göttliche Irene!
IRENE.
Felix, du hast mein Herz gebrochen, lebe wohl auf ewig!
FELIX.

Wie? Was wäre das?! Du sprichst vom ewigen Lebewohl, und ich bin da auf ewiges Wiedersehn im unzertrennlichen Liebesbund.


Sprechen durch Pantomime weiter.
Phlegmatisch.
ROBERT
zur Mitteltüre hereinstürmend.
Agnes, meine Agnes!
AGNES.
Aber bin ich jetzt erschrocken! Warum klopfen S' denn nicht an?
ROBERT.

Du erschrickst über mein Erscheinen? Und »Sie« nennst du mich? Du hast das trauliche »Du« vergessen und äußerst kalte Förmlichkeit gegen den, der mit glühender Liebe für dich brennt, in dessen Herzen die heißeste Flamme in verzehrender Leidenschaft lodert?

AGNES.
Hören S' auf, Sie sind mir schon der Wahre!
ROBERT.
Agnes –! Kann vor heftiger innerer Bewegung nicht weitersprechen.

[45] Sanguinisch.
GUIDO
zur Mitte eintretend, im traurigen Tone.
Marie, meine Marie!
MARIE.

Ah, Sie sind's? Wegen was lamentieren S' denn? Über das vielleicht, daß Ihre heimlichen Schliche verraten sein? O, es is nichts so fein gesponnen, es kommt doch noch an die Sonnen.

GUIDO.

Ich verstehe dich nicht. Du sprichst so sonderbar, so fremd, sollte also wirklich die alles verzehrende Zeit auch mein Glück mit unersättlichem Rachen verschlungen haben?

MARIE.
Das versteh' ich nicht.
GUIDO.
Wir verstehen uns nicht mehr! Das war's, was ich von dieser unglückseligen Trennung befürchtet.

Cholerisch.
EDMUND
zur Mitte eintretend.
Liebe Walburga!
WALBURGA.

Ha, Ungeheuer! Auswurf der Menschheit, du wagst es, mir unter die Augen zu treten? Wagst es, den verräterischen Blick zu erheben zu der, die du betrogen, hintergangen, verraten, getäuscht, gemordet?

EDMUND.
Ich weiß nicht, was du meinst, allein ich glaube, du tust mir unrecht.
WALBURGA.

Unrecht? Dir, du Abbild des Betruges, du Widerschein der Falschheit, dir, der du das personifizierte Unrecht bist?

EDMUND.
Ich staune!
BRAUS
von innen rufend.
Walburga, kommst du nicht, wenn ich zehnmal rufe!
WALBURGA
ärgerlich.

Zehnmal! Er hat noch nicht ein einzigesmal geruft! Der Papa macht mich rasend heut' mit seinem ewigen Rufen! Sehr böse zu Edmund. Warte, Elender!

EDMUND
ruhig.
Ich werde warten.

Walburga geht in die Seitentüre ab.
[46] Melancholisch.
FELIX.

Also das ist's, meine Irene? Offen und wahr, Aug' in Auge – sieh mich an, bin ich einer Falschheit fähig? Ich habe an nichts gedacht und werde nie an etwas anderes denken, als dich glücklich zu machen und durch dich glücklich zu sein.

IRENE.
Ist es so? O, dann laß mich Freudentränen weinen an deiner Brust!
FELIX.
Die Freude lacht, du mein liebes Leben, das beständige Weinen mußt du dir abgewöhnen!

Phlegmatisch.
ROBERT.

Siebentausend Ungeheuer sollen den frei in der Luft zerreißen, der so was über mich gesagt! Zehntausend Eide kann ich dir schwören –

AGNES.
Das wär' alles recht schön, wenn man's glauben könnt'!
ROBERT.
Du glaubst mir also nicht?
AGNES.
Wenn ich einmal in die Zweifel hineinkomm', so komm' ich nicht so leicht wieder heraus.

Sanguinisch.
GUIDO.
Mit tiefem Schmerz seh' ich, daß du mich ganz, ganz verkennst –
MARIE.

O, man kennt den Vogel an den Federn, die Duckmauser mit düsterm Äußern tragen sehr helle, variable Farben im Herzen.

GUIDO.

Ich sehe, du willst nicht an meine Treue glauben, sonst könnte dein Verstand unmöglich auf so schwachem Grund ein solches Riesengebäude von Argwohn bauen. Ich gehe – wollte der Himmel, es wäre dies mein letzter Gang! Will fort.

MARIE.
Guido!
GUIDO.
Was willst du noch?
MARIE
für sich.

Auf die Letzt' tu' ich ihm halt doch unrecht. Laut. So sei nur nicht gleich gar so desperat! Man wird doch das Recht haben, dann und wann einiges Mißtrauen zu äußern.


[47]
Cholerisch.
WALBURGA
aus der Seitentüre zurückkommend.

Na, hat man schon auf Ausreden studiert? Ich war so diskret, Zeit zu lassen, bis die Lügen fertig sind.

EDMUND.
Wie meinst du das?
WALBURGA.

Ha, diese kalte Ruhe muß das gelassenste Gemüt aus der Fassung bringen! Ich soll diesen Hohn ertragen von einem Menschen, der mich dem Spott der Milchweiber preisgibt?

EDMUND
immer ruhig.
Welches Milchweib hat gespottet, und warum hat es gespottet, das Milchweib?

Melancholisch.
FELIX.
Unserer Liebe droht also Gefahr, du sollst einen andern heiraten?
IRENE.
O, weh' mir!
FELIX.

Nein, wohl mir und dir! Dem Himmel Dank für diese Gefahr! Ich biete ihr eine kecke Stirne! Gefahr macht rasch handeln, rasch handeln führt zum Ziele, zum Ziele wünsche ich zu gelangen, folglich wird mein Wunsch erfüllt, gerade durch die Gefahr!


Phlegmatisch.
ROBERT.
Wer ist der bestimmte Bräutigam und wo ist er? Ich morde ihn und dich, wenn du ihn begünstigst.
AGNES.

Na ja, mord' nur die Leut' gleich paarweise! Du hörst ja, daß ich ihn nicht mag, daß ich nur dich mag, wenn ich anders deinen Versicherungen trauen darf.


Sanguinisch.
GUIDO.
Einem andern sollst du angehören? Ich bin verloren! Alles, alles ist verloren!
MARIE.

Warum nicht gar! Alles is gewonnen, wenn du einen gescheiten Plan ausdenkst, der dir meinen Besitz verschafft.

GUIDO.
Das will ich, doch ich fürchte, es wird mißlingen.
[48]
MARIE.

Was? Ich hab' dich wieder lieb, will glauben, daß man dich nur verleumdet hat, und du wagst es, etwas zu fürchten?


Cholerisch.
WALBURGA
für sich.

Jetzt fallt's mir wie ein Bleigewicht aufs Herz, er kann unschuldig sein, er ist es gewiß, seine Ruhe ist ja der klarste Beweis. Wer weiß, über was das Milchweib gelacht hat. Die verdient meinen Zorn, die Kreatur, und er meine Liebe, meine heiße, ungeteilte Liebe! Laut. Edmund, mein Edmund!

EDMUND.
Überlege alles noch einmal vernünftig und schließe mich dann in deine Arme!
WALBURGA.

Hinweg mit jeder Überlegung! Blinder Glaube an dich, an deine Treue soll hinfort in meiner Seele leben! Umarmt ihn stürmisch.


Melancholisch.
IRENE.

Geh jetzt, Felix, schreibe mir; du weißt, mein Vater ist dir nicht gewogen, wenn er käme, das wäre schrecklich.

FELIX.
Nichts ist schrecklich, Irene, alles ist gut, und was nicht gut ist, muß gut werden.

Sanguinisch.
MARIE.
Ich glaub', ich hör' den Papa!
GUIDO
traurig.
So muß ich fort!

Phlegmatisch.
ROBERT.
Agnes, bist du entschlossen, der Liebe jedes Opfer zu bringen, sprich, o sprich schnell!
AGNES.

Geh, du laßt einen gar nicht nachdenken, und schrei nicht so, der Vater hört dich sonst, und dann wär's g'fehlt.


Cholerisch.
WALBURGA.
Du mußt mich befreien von dem verhaßten Nebenbuhler, mit Gewalt, wenn's nicht im Guten geht!
EDMUND.
Ich werde die Sache reiflich in Erwägung ziehen.
[49]
WALBURGA.
Jetzt geh, eh' dich der Vater sieht, denn der ist heut' grimmig! Leb' wohl!
EDMUND
im Ton seines Charakters.
Auf Wiedersehen!

Edmund zur Mitte, Walburga in die Seitentüre ab.

Phlegmatisch.
AGNES
im Tone ihres Charakters.
Leb' wohl!
ROBERT
im Tone seines Charakters.
Auf Wiedersehn!

Robert zur Mitte, Agnes in die Seitentüre ab.
Sanguinisch.
MARIE
im Tone ihres Charakters.
Leb' wohl!
GUIDO
im Tone seines Charakters.
Auf Wiedersehn!

Guido zur Mitte, Marie in die Seitentüre ab.
Melancholisch.
IRENE
im Tone ihres Charakters.
Lebe wohl!
FELIX
im Tone seines Charakters.
Auf Wiedersehn!

Felix zur Mitte, Irene in die Seitentüre ab.
18. Szene
Achtzehnte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)FadTrübSchlankel,

Felix, Guido, Robert,

Edmund,

Hutzibutz


Phlegmatisch.

FAD
allein, kommt schmauchend aus der Seitentüre.

Edmund! Edmund! – Is richtig schon wieder fort! Das is doch schrecklich mit dem Buben – hat halt ganz das unruhige Blut von sein' Vatern – muß immer auf den Füßen sein wie ich. Setzt sich.


[50] Melancholisch.
TRÜB
allein, aus der Seitentüre kommend.

Guido! – Er ist nicht hier! – Er flieht mich – der Sohn flieht seinen Vater in der ersten Stunde des Wiedersehens –? Ich weiß es, für mich gibt es nur eine Freude – die wehmütige Erinnerung an die Unvergeßliche. Setzt sich zum Bilde und fängt später daran zu malen an.


Sanguinisch.
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.

Die Liebhaber sind im Kaffeehaus drüben und stecken die Köpf' zusammen wie die Schaf', wenn's donnert; es muß schon über jeden das Ungewitter der Eifersucht losgebrochen sein, aber was nutzt das? Auf so ein Donnerwetter folgt ein Regenguß von weiblichen Tränen, ein Sturm von männlichen Beteuerungen, die Wolken des Argwohns werden zerstreut, und die Sonne der Liebe tritt wieder hervor im vollsten Glanz, noch schöner, als wenn 's Donnerwetter gar nicht gewesen wär'. Das wär' g'fehlt! Was hätt' denn ich da erzweckt? Nichts als einige Trinkgelder, auf die, wenn die Liebhaber ins klare kommen, noch immer ein bedeutender numerus retardatus von Prügeln folgen kann. Nix da! Rache ist mein Gewerbe! Rache an Hutzibutz! Die müssen zuschanden werden, die auf den Beistand des Kleiderputzers bauen, ich stürz' ihr Glück in den Staub, daß er's g'wiß nicht mehr ausbürsten kann. Man hört vor der Türe Geräusch. Sie kommen daher, jetzt werden wir gleich hören, wie die Angelegenheiten stehn. Verbirgt sich unter dem Tisch.


Felix, Guido, Robert und Edmund treten zur Mitte ein.
FELIX.

Nur so kann's gehen. Hier gilt's einen raschen Entschluß. Einen Geniestreich ausgeführt und die Braut heimgeführt, so heißt die Losung.

GUIDO.
Ja, wenn aber –
ROBERT.
Geh in die Hölle mit deinem Aber! Du und Edmund, ihr beide seid keines kühnen Gedankens fähig.
[51]
EDMUND.
Aber was hast du denn immer mit mir? Ich tue ja alles, was du willst.
FELIX.

Unsere Mädchen davon in Kenntnis zu setzen ist jetzt das erste; sie sprechen ist nicht ratsam, denn wir haben jeder die interessante Eigenschaft, dem Vater der Geliebten verhaßt zu sein, also muß zum schriftlichen Verfahren geschritten werden.Ordnet Papier auf dem Tische.

GUIDO.
Bei meinem dezidierten Unglück muß die Sache noch eine schreckliche Wendung nehmen.
ROBERT
zu Guido.
Sag' mir nur, was hat denn dich schon für ein Unglück getroffen?
GUIDO.
Keines – aber ich habe Ahnungen, fürchterliche Ahnungen, welche noch eintreffen müssen.
ROBERT.
Ich habe auch eine Ahnung, und die ist schon eingetroffen.
GUIDO.
Welche?
ROBERT.
Daß du ein Narr bist.
FELIX.
Also hurtig, die Feder zur Hand, sämtliche Requisiten sind bereit.
EDMUND.
Ich tue alles und warte ruhig den Ausgang ab.

Alle viere setzen sich zum Tisch und schreiben und sprechen während dem Schreiben das folgende.
ROBERT.
Den Wagen besorge ich.
FELIX.
Gut.
GUIDO.
Und wohin geht die gefährliche Fahrt?
FELIX.
Nach Zittendorf.
SCHLANKEL
für sich, vorne unter dem Tischteppich hervorsehend und ein Blatt Papier aus der Tasche ziehend.

Die wichtigsten Punkte muß ich mir mit Bleistift notieren. Auf dem Boden schreibend. Also nach Zittendorf.

FELIX.
Zittendorf liegt zwei Stunden über der Grenze; mein ehemaliger Hofmeister ist Amtmann dort.
SCHLANKEL
für sich.
Aha, 's is aufs Durchgehn abg'sehn.
[52]
FELIX.

Bis Abend sind wir wieder zurück, um jeder dem Vater seiner Geliebten ein Märchen von heimlicher Trauung aufzubinden; 's gibt dann einen Sturm, doch ist der vorüber und die Nolens-volens- Einwilligung erhalten, dann gestehen wir die List, fallen noch einmal zu Füßen, erhalten Verzeihung, Segen, stehen auf, wechselseitige Umarmung zwischen Tochter, Vater, Braut, Bräutigam, Schwiegervater; Bouteillen in die Luft geknallt, Gesundheit getrunken, Vivat geschrien, 's wird gelacht, geküßt, gescherzt, und so beschließen wir den Tag als die vier glücklichsten Paare der Stadt.

SCHLANKEL
für sich.
Ich bin keine verliebte Köchin, aber diese Suppen werd' ich versalzen.
GUIDO.
Ich sehe Unglück über unsern Häuptern schweben.
SCHLANKEL
für sich.
Anpumpt! 's Unglück liegt bei eure Füß'.
ROBERT.

Halt 's Maul, du Rabe, der nichts als Unheil krächzt! Stampft unwillig mit dem Fuße; zu Edmund, welcher neben ihm sitzt. Verzeih, ich hab' dich auf den Fuß getreten.

SCHLANKEL
für sich.
Nein, 's war meine Hand.
EDMUND.
Ich hab' nichts gespürt.
SCHLANKEL.
Ich glaub's, aber ich! Alle viere schreiben fort.

Phlegmatisch.
FAD.

Ob mein Sohn was gelernt hat in die drei Jahr'? Wenn er nix g'lernt hat, liegt auch nix dran, viel Wissen macht Kopfweh, und ich hab' zwar in meinem Leben nicht Kopfweh g'habt, 's muß aber ein sehr unangenehmer Zustand sein.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
tritt zur Mitte ein, die vier Liebhaber betrachtend.

Wie sie da beisammen sitzen und schreiben! Das is halt schön, wenn die Knaben so fleißig sein, da können d' Eltern a Freud' haben.

[53]
FELIX.
Ah, Hutzibutz, gut, daß du da bist, du mußt vier Briefe bestellen.
GUIDO.
Könnte nicht jeder von uns seiner Schwester das betreffende Billett einhändigen?
FELIX.

Nichts da, wir müssen gleich fort, wir haben noch Anordnungen genug außer dem Hause zu treffen, und für was bezahlen wir ihn denn? Zu Hutzibutz. Und du, besieh die Adressen genau, daß du nicht etwa die Briefe verwechselst, 's ist schon einmal geschehn.

HUTZIBUTZ
halb für sich.

Das wäre auch noch kein Unglück; 's wird schier in ein' jeden 's nämliche drin stehn. Liebesbriefe zu schreiben, das könnt' überhaupt ganz abkommen, und ein Lithograph machet da ein prächtiges G'schäft dabei; man brauchet ja nur vier Formular': eins mit einer Liebeserklärung, eins mit einer Eifersucht, eins mit einer Versöhnung und Bestellung, und eins mit einem gänzlichen Bruch. Wenn man das so 'druckter zu kaufen krieget als wie die Trattawechseln, so brauchet man nur immer Namen und Datum auszufüllen, und die verliebte Welt wäre versorgt auf ewige Zeiten. Die vier Liebhaber haben die Briefe zusammengelegt.

FELIX.

Jetzt seh' ich erst, keine Oblaten sind da, tut nichts. Vor ihm Auf Hutzibutz zeigend. ist ja die Sache kein Geheimnis.

ROBERT.
So, alles ist fertig. Zu Hutzibutz. Mache schnell! Die vier Liebhaber geben ihm jeder den Brief.
HUTZIBUTZ.
Unter anderm, wissen Sie schon von dem neuen Feind, den wir erst kriegt haben?
ALLE VIER.
Einen Feind –?
HUTZIBUTZ.

Den Balbierer Schlankel, dem ist meine Pfiffigkeit ein Dorn im Aug', drum tut er mir in Ihren Angelegenheiten alles zu Fleiß.

FELIX.
Am Ende hat der uns bei unseren Geliebten das böse Spiel bereitet.
GUIDO UND EDMUND.
Kein Zweifel!
ROBERT
aufspringend.
Her mit ihm, daß ich ihn zertrete, zermalme, zerreiße!
[54]
SCHLANKEL
unter dem Tische, für sich.
Meine Situation fängt an, bedenklich zu werden.
ROBERT
wütend.

Hutzibutz, schaff' mir ihn her, sogleich, die größte Tracht Prügel, die je auf dieser Erde ausgeteilt wurde, soll er von mir erhalten –


Melancholisch.
TRÜB
im Anblick des Bildes versunken.
O süße Erinnerung, du stürmst zu mächtig auf mich ein, mein Herz vergeht in Wehmut.

Sanguinisch.
ROBERT.
Schaff' ihn mir, sechs Dukaten sind dein Lohn.
SCHLANKEL
unter dem Tisch, für sich.
Man setzt einen Preis auf meinen Buckel.
FELIX.

Die Rachegedanken sind jetzt zur Unzeit, die Ausführung unseres Planes muß uns das erste sein. Kommt nun mit mir – halt – wo ist denn –? In den Taschen suchend. Meine Brieftasche mit Irenens Porträt habe ich verloren.

HUTZIBUTZ.
Sie wird Ihnen beim Schreiben untern Tisch g'fallen sein. Geht zum Tisch und will suchen.
EDMUND.
Du hast sie mir ja auf der letzten Station zum Aufheben gegeben; hier ist sie.
FELIX.
Richtig!
ROBERT.
Also ans Werk!
EDMUND.
Wo hab' ich denn meine Handschuhe?Sucht in den Taschen.
HUTZIBUTZ.
Sie werden unterm Tisch liegen.
EDMUND.
Suche sie! Hutzibutz geht zum Tisch und will suchen. Ich hab' sie schon.
HUTZIBUTZ.

So? Ich such' alles, was verlorengeht, unterm Tisch, denn man glaubt nicht, was oft alles unter ein' Tisch liegt. Unter diesem Tisch zum Beispiel bin ich selber schon g'legen. Zu Guido. Es war damals ein Verdacht wegen Ihnen, daß ich Posten trag', der [55] alte Herr kommt nach Haus, und mir ist kein anderer Zufluchtsort übriggeblieben als dieser Tisch. Das hätten Sie sehen sollen! Da ist der Herr von Froh gestanden, da die Fräulein Marie, da 's Stubenmädel und ich bin so da unten g'legen, ich werd's Ihnen gleich zeigen. Will unter den Tisch kriechen.

FELIX.

Nun ja, wir haben jetzt gerade Zeit, deine Erzählungen anzuhören! Zu seinen Freunden. Kommt! Alle vier zur Mitte ab.

HUTZIBUTZ
allein.

Die wollen's auch noch nicht recht glauben, daß ich einer der gescheitesten Kerle meines Zeitalters bin. Ich hab' eine Idee, über die sie staunen sollen und die diesen Schlankel zuschanden macht vor mir. Die Brief abgeben, das wär' jetzt eine leichte Sach', aber nein! In Gegenwart des Vaters und meines Feindes, des Balbierers, will ich den Mädeln die Brief überbringen und, wenn alles geglückt ist, dem Schlankel sagen: »Siehst du, das hab' ich getan, du Dalk, du!« Darin liegt ein unendlicher Triumph; das muß allgemeine Achtung erwecken vor meinem Rosimi. Wirklich, bei mir is's schad', daß mich das Schicksal nicht auf einen höhern Posten gestellt hat, denn ich bin nicht jung, ich bin nicht schön, ich bin nicht reich, ich bin bloß Verstandesmensch. Bei mir hat die Natur viel vernachlässigt, nur den Geist hat sie so musterhaft gebildet. Sonderbares Mißverhältnis, das! Zur Mitteltüre ab.

19. Szene
Neunzehnte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)FadTrüb alleinSchlankel


Sanguinisch.

SCHLANKEL
hervorkriechend.

Ich könnte jetzt die schönste Reisebeschreibung durch die Wildnisse der Todesangst herausgeben. Was der Mensch unterm Tisch empfinden kann, das denkt sich kein Mensch, [56] der beim Tisch sitzt – ich hab' es gefühlt! Kein Wunder, wenn jede Faser in mir, die vor zwei Minuten in Todesangst gezuckt hat, jetzt vor Passion auf Revanche erglüht. Ich war immer Schutzgeist der Liebe, wenigstens sooft was herausgeschaut hat dabei, jetzt muß ich als böser Dämon handeln, als Rachegespenst, als eumenidische Furie! So weit können die Verhältnisse einen Balbierer bringen! Zur Mitte ab.


Phlegmatisch.
FAD
schmauchend.

Soll mein Sohn jetzt was werden? Ich bedaure ihn! Jedes Amt is eine Plag'. Soll er heiraten? Ledig sein, reich sein und nichts sein, das zusammen bildet den kommodesten Stand. Was hätt' er davon, wenn er eine krieget, so a boshafte Meerkatz'?


Melancholisch.
TRÜB
unverwandt seine Blicke auf das Bild heftend.
Das war sie! Das Abbild eines Engels, wie sie hier vor mir im Bilde steht.

Phlegmatisch.
FAD.
So a Person, so a fade!
20. Szene
Zwanzigste Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Fad (allein)Trüb,(Bühne frei)

dann Schlankel,

dann Irene,

dann Hutzibutz


Melancholisch.

SCHLANKEL
durch die Mitte eintretend.
Untertänigster Diener, Herr von Trüb! Ist es Ihnen angenehm, wenn ich Ihnen jetzt balbier'?
[57]
TRÜB.

Angenehm? Freund, mir ist nichts angenehm auf dieser Welt. Meinetwegen, rasieren Sie mich.Setzt sich.

SCHLANKEL
ihm das Tuch umgebend und ihn einseifend.

Es gibt Sachen, denen man nicht ausweichen kann im Leben, darunter gehört das Balbiertwerden; und das is immer noch am erträglichsten, wenn's nur vom Balbierer g'schiecht. Wenn einem aber Angehörige halbieren –

TRÜB.

Sie nehmen die Sachen in metaphorischer Bedeutung. Meine Tochter – die ist noch mein einziges Glück – wohl dem, der eine solche Tochter hat.

SCHLANKEL.

Die hat Ihnen noch nicht balbiert, aber – Wie in der Rede abbrechend, aber doch mit pikanter Beziehung. eing'seift sein S' schon.

TRÜB
den Sinn fassend.
Wie? – Entsetzlicher –! Wie meinen Sie das?
SCHLANKEL
das Messer abziehend.
Sie sind schon eing'seift, und ich werd' gleich zum balbieren anfangen.
TRÜB.
Nein, nein, täuschen Sie mich nicht, Sie haben es anders gemeint.
SCHLANKEL
rasierend.
Und wenn's auch anders gemeint wär' – trösten Sie sich, es geht mehr Leuten so.
TRÜB.

In diesem Trost liegt eine Sündflut von Unheil! Sprechen Sie offen, wenn Sie Gefühl haben für das, was sich im Vaterherzen regt.

SCHLANKEL
rasierend.

Ich hab' für alles Mögliche Gefühl! Ich bitt', den Kopf auf die andere Seiten – ich will Euer Gnaden sagen, ich bin hinter was kommen, und um Ihnen nicht lang leiden zu lassen, will ich's Ihnen auf einmal sagen: die Fräulein Tochter will durchgehn mit 'n liederlichen Mussi Felix da darneben.

TRÜB
verhüllt sich mit beiden Händen das Gesicht.
Meine Tochter?! – Ist's möglich?
SCHLANKEL.

Aber, Euer Gnaden, jetzt haben S' die Seife in Händen statt in G'sicht, da kann man wieder von vorn anfangen. Repariert die Einseifung.

TRÜB.
Irene, meine gute, sanfte Irene!

[58] Phlegmatisch.
FAD
schmauchend.
Ja, ja, das sein die ärgsten, die fatalesten Verdrießlichkeiten, die häuslichen.

Melancholisch.
SCHLANKEL.
Lassen Sie sich fertig rasieren!
IRENE
kommt aus der Seitentüre.
Sie haben mich gerufen, o mein Vater?
TRÜB.
Gerufen?
SCHLANKEL.
Nur Fassung!
TRÜB
leise.
Ihr Anblick schneidet, mir ins Herz.
SCHLANKEL.
Wenn S' so z'samm'schnappen mit 'm Kopf, so schneid' ich Ihnen in die Nasen.
IRENE
zu Trüb.
Wünschen Sie –?
TRÜB.
Nichts, ich wünsche nichts mehr.
HUTZIBUTZ
einen Pack Kleider über dem Arm tragend, tritt zur Mitte ein.
Da bring' ich die ausgeputzten Kleider.
TRÜB.
Leg' Er sie nur dort auf den Stuhl!
HUTZIBUTZ
tut es, zeigt dabei Irenen einen Brief hinter dem Rücken des Vaters und steckt ihn in die Tasche eines Rockes, den er über die Stuhllehne hängt.
SCHLANKEL
einen halben Blick auf Hutzibutz heftend, während dem Rasieren leise zu Trüb.
Euer Gnaden, jetzt hat er ihr ein' Brief zeigt und hat ihn in Ihrem Kaput in Sack g'steckt.
TRÜB.
Schändlich! Schändlich!
SCHLANKEL.
Nur Fassung!
HUTZIBUTZ.
Sonst befehlen Euer Gnaden nichts?
TRÜB
mit gebrochener Stimme.
Nein, nichts mehr.
HUTZIBUTZ
für sich.
Der Triumph Nummer eins wäre errungen! Zur Mitte ab.
SCHLANKEL
leise zu Trüb.
Jetzt geben Euer Gnaden auf d' Fräulein Tochter acht – sehen S', sie schleicht schon hin.
TRÜB
laut.
Irene!
[59]
IRENE
welche, um den Brief zu nehmen, im Begriff war, zu dem Stuhl zu schleichen, auf welchem die Kleider hängen, erschrocken.
Mein Vater –?
TRÜB.
Du weißt, ich liebe die Einsamkeit, gehe auf dein Zimmer!
IRENE.
Sogleich! Für sich. Himmel, wenn er den Brief findet –! In die Seitentüre ab.
SCHLANKEL
das Rasierzeug zusammennehmend.

So, ich hab' Ihr G'sicht in Ordnung gebracht, wenn's Ihnen über dem Brief aus 'n Leim geht, meine Schuld is es nicht. Zur Mitte ab.

21. Szene
Einundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Fad, dannTrüb (allein)(Bühne frei)

Schlankel,

dann Agnes,

dann Hutzibutz


Melancholisch.

TRÜB
allein.

Ha, so muß auch dieser Schlag mich treffen? Jeder Schlag trifft mich, nur der wahre nicht, der dem Leben auf einmal ein Ende macht.


Phlegmatisch.
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.
Euer Gnaden!
FAD.
Was will der Herr Schlankel?
SCHLANKEL.
Euer Gnaden frisieren!
FAD.
Lassen wir das auf morgen!
SCHLANKEL.
Auf morgen? Wer weiß, ob morgen noch etwas zu frisieren is an Euer Gnaden?
FAD.
Ich versteh' Ihn nicht, Herr Schlankel.
SCHLANKEL.
Wenn sich Euer Gnaden heut' noch alle Haar' ausreißen, was soll ich denn morgen frisieren an Ihnen?

[60] Melancholisch.
TRÜB
nimmt den Brief aus der Rocktasche und entfaltet ihn; liest.
»Geliebte Irene! Heut' noch vor mittag hole ich dich ab« – Schrecklich!

Phlegmatisch.
FAD.
Ich werd' mir aber in keinem Fall die Haar' ausreißen.
SCHLANKEL.
Auch nicht, wenn die Fräul'n Tochter mit dem jungen Herrn von Braus heut' echappiert?
FAD.
Echappiert? Mit dem jungen Herrn von Braus? Hm, hm – hm, hm!
SCHLANKEL.
Was sagen Euer Gnaden dazu?
FAD.
Ich sag' gar nichts dazu.
SCHLANKEL.
Na, dann glückliche Reis'!
FAD.
Es wird nicht gereist.
SCHLANKEL.
Ja, wie wollen's Euer Gnaden verhindern? Das is eine schwere Sach'.
FAD.
Wenn die Sach' schwer is, so lass' ich's jemand andern tun, denn ich tu' gar nichts Schweres.

Melancholisch.
TRÜB
liest.
»Du mußt eine kleine Fahrt machen mit dem, der gerne bis ans Ende der Welt mit dir führe.«

Phlegmatisch.
AGNES
aus der Seitentüre kommend.
Papa, wird der Edmund zum Speisen nach Haus kommen?
FAD.
Ja, oder vielleicht auch nein.
SCHLANKEL.
Darnach soll sich die Köchin richten!

Melancholisch.
TRÜB
liest.

»Die Liebe bestimmt unsere Schritte, Glück, Freude und Jubel winken am Ziel.« Geht mit der Hand vor der Stirne auf und nieder.


[61] Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.
Da bring' ich die Stiefeln.
FAD.
Ich geh' nicht aus heut', ich bin zu müd.
HUTZIBUTZ.
Sie sind aufs glänzendste geputzt.
SCHLANKEL
leise zu Fad.

Ich werd' jetzt tun, als ob ich Euer Gnaden frisieret, werden gleich sehn hernach. Nimmt den Kamm und richtet Fad, der in der Mitte sitzt, das Haar zurecht. Agnes steht rechts, Hutzibutz links.

HUTZIBUTZ
für sich.

Sie schaut nicht her auf mich, ich muß was vom Heiraten reden, da sein d' Madln gleich wie elektrisiert. Laut. Die Stiefeln sein so schön, daß man auf einer Hochzeit tanzen könnt' damit. Für sich. Aha! Schaut schon herüber! Zeigt ihr heimlich den Brief.

SCHLANKEL
leise zu Fad.
Sehn Euer Gnaden, jetzt zeigt er ihr einen Brief.
FAD.
Hm, hm!
HUTZIBUTZ
legt, nachdem er sich pantomimisch mit Agnes verständigte, den Brief in Fads Tabakbeutel, welcher offen auf dem Tische liegt.
SCHLANKEL
leise zu Fad.
Jetzt hat er 'n in Tabakbeutel g'legt.
FAD.
Hm, hm!
HUTZIBUTZ.
Ich küss' die Hand, Euer Gnaden. Für sich. Triumph Numero zwei! Zur Mitte ab.
AGNES
um zum Briefe zu gelangen.
Soll ich Ihnen nicht eine Pfeife stopfen, Papa?
FAD.
Nein, ich hab' die noch nicht ausg'raukt.
AGNES.
Ich glaub', Sie haben keinen Tobak mehr da. Will zum Tabakbeutel.
FAD.
Ob du gehst oder nicht? In dein Zimmer, marsch!
AGNES.
Aber der Papa is heut' sekkant!
FAD.
In meine Tobakangelegenheiten hat sich kein Mensch zu mischen!
[62]
AGNES
für sich.

Wenn der Brief in seine Händ' kommt – was is zu tun? Ich muß es ruhig abwarten. In die Seitentüre ab.

SCHLANKEL.

Der Tobakbeutel enthält jetzt alles, stopfen Sie sich Überzeugung in den Kopf der Ungewißheit und zünden Sie die G'schicht' an an den Flammen Ihres natürlichen Zornes. Ich küss' die Hand, Euer Gnaden! Zur Mitte ab.

22. Szene
Zweiundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Fad (allein)Trüb, dannFroh, Marie,

Brigittedann Schlankel,

dann Hutzibutz


Melancholisch.

TRÜB.
Jetzt will ich den Brief wieder hinstecken.

Phlegmatisch.
FAD.
Ich hol' mir den Brief jetzt.

Melancholisch.
TRÜB.
Ich weiß nun alles.

Phlegmatisch.
FAD.
Ich weiß eigentlich noch gar nix, wenigstens nix G'wisses.

Melancholisch.
TRÜB.

Meine Tochter ist schuldig. Steckt den Brief wieder in die Rocktasche und hängt den Rock über die Stuhllehne.


Phlegmatisch.

FAD: 's Mädel kann ja unschuldig sein. Nimmt den Brief aus dem Tabakbeutel und entfaltet ihn langsam.


[63] Sanguinisch.
FROH
kommt mit Marien, welche beschäftigt ist, das Blumenbukett an einer Haube zu richten, aus der Seite.

Das macht alles zusammen vierzehn Personen, das is mir viel zu wenig, du mußt sagen, wer noch eing'laden werden soll.

MARIE.
Der Felix wird schon Bekannte haben.
FROH.
Wenn er nur da wär', der Bub, der!

Phlegmatisch.
FAD
liest.
»Seele meiner Seele, Leben meines Lebens!« Das is ein dummer Kerl, der!

Sanguinisch.
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.
Herr von Froh!
FROH.
Na, Sie lassen sich hübsch Zeit!
SCHLANKEL.
Bitt' nur Platz zu nehmen, die Frisur wird gleich in der Ordnung sein.
FROH
sich setzend.
Sie werden so lang meinen Kopf vernachlässigen, bis ich einmal über den Ihrigen komm'.

Melancholisch.
TRÜB
in die Seitentüre rufend.
Brigitte!

Sanguinisch.
SCHLANKEL
hat die Spiritusmaschine hingestellt und das Brenneisen genommen; leise zu Froh.
Schicken S' die Fräul'n Tochter fort!
FROH
leise.
Warum denn?
HUTZIBUTZ
mehrere Kleidungsstücke auf dem Arm tragend, tritt zur Mitte ein.
SCHLANKEL
Hutzibutz erblickend, leise.
Da haben wir's, jetzt is es schon zu spät! Er is schon da.
FROH
leise.
Wer?
SCHLANKEL
ebenso.
Der Helfershelfer!

[64] Melancholisch.
BRIGITTE
aus der Seitentüre kommend.
Was befehlen Euer Gnaden?
TRÜB.
Meinen Hut!
BRIGITTE
in die Seitentüre ab.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
So, jetzt is wieder alles sauber g'macht; aber wie Euer Gnaden die Kleider zurichten, das is stark!
FROH.
Leg alles dorthin! Zeigt nach dem Stuhl links im Vordergrunde.

Phlegmatisch.
FAD
liest.
»Alles ist bereitet zur Flucht!«

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
für sich.
Das is dumm, sie steht auf der andern Seiten drüben. Legt die Kleider auf den Stuhl.

Phlegmatisch.
FAD
liest.
»Ich hole dich noch heute vormittag.« – – Hm, hm!

Sanguinisch.
Schlankel und Froh sind in der Mitte, Marie rechts, Hutzibutz links.
SCHLANKEL
während des Frisierens, leise zu Froh.

Jetzt werden Sie gleich was sehen, nur immer ein halbes Aug' auf 'n Hutzibutz, und nix dergleichen tun!

MARIE
für sich.
Sollte der Hutzibutz keine Nachricht haben an mich?

Phlegmatisch.
FAD
liest.

»Bis ans Ende der Ewigkeit mit heißer Sehnsucht, mit glühendem Verlangen Dein Robert.« Den Kopf schüttelnd. Hm, hm!


[65] Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
zeigt Marien verstohlen den Brief.
SCHLANKEL
leise zu Froh.
Haben Sie bemerkt?
FROH
leise.
O, du Teuxelsg'schicht'! Ein Brief!
SCHLANKEL
wie früher.
Nur still!

Melancholisch.
TRÜB.
Ich will mich überzeugen, und dann –

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
hängt einen Gehrock an einen Nagel in der Wand ganz vorne links auf und steckt den Brief wie einen Haarzopf in den Kragen.
MARIE
fängt verstohlen drüber zu lachen an.
Nein, was der Hutzibutz treibt!
SCHLANKEL
während dem Frisieren, leise.
Sehen S', wo der Brief steckt?
FROH
mit unterdrücktem Lachen.
Als wie ein Haarzopfen.

Phlegmatisch.
FAD
den Kopf schüttelnd.
Hm, hm – hm, hm!

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
laut zu Froh.

Ich empfehl' mich! Im Abgehen für sich. Nein, wie ich die ganze Welt papierl', das is wirklich einzig! Zur Mitte ab.


Melancholisch.
BRIGITTE
den Hut bringend.
Da is der Hut. Ich weiß nicht, Euer Gnaden kommen mir so bedenklich vor.
TRÜB.
Bedenklich? Ich habe alles bedacht.

Sanguinisch.
MARIE
um Gelegenheit zu finden, zum Brief zu kommen.
Der hat aber die Kleider so unordentlich hingelegt –
[66]
FROH.
Laß du s' nur liegen und geh jetzt hinein, ich hab' mit 'n Herrn Schlankel was z' reden.
MARIE.
Aber –
FROH.
Hineingehst, hab' ich g'sagt!
MARIE
für sich.
Jetzt is es unmöglich, dazuzukommen.

Melancholisch.
BRIGITTE.
Wohin gehn Euer Gnaden? Welchen Weg?
TRÜB.
Gleichviel, alle Wege führen zu den Toten.Geht zur Mitte ab.
BRIGITTE
sieht ihm traurig nach und geht in die Seitentüre ab.

Sanguinisch.
MARIE.

Wenn der Papa die Korrespondenz erwischt, das wird eine schöne Historie! Geht, kichernd nach dem Brief sehend, in die Seitentüre ab.

FROH
zu Schlankel.
Was geht denn da eigentlich vor?
SCHLANKEL.
Vor geht nichts, aber durch will was gehn.
FROH.
Mir geht ein Licht auf!
SCHLANKEL.
Nur lesen! Die Frisur ist fertig, ich mach' mein Kompliment! Zur Mitte ab.
23. Szene
Dreiundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

Braus,Fad(Bühne frei)Froh

dann Schlankel,(allein)(allein)

dann Walburga,

dann Hutzibutz


Phlegmatisch.

FAD
allein.
Hm, hm! Ich bin am Ende gezwungen, einen Entschluß zu fassen.

Sanguinisch.
FROH
allein.
Wart's, ich komm' euch hinter eure Schlich'! Nimmt den Brief.

[67] Cholerisch.
BRAUS
aus der Seitentüre kommend.

Robert! Robert! – Was zögert denn der Pursche, wenn ich rufe? Er bringt mich noch in Wut. Man hört jemand an der Mitteltüre. Und wie langsam er schleicht! Packt den a tempo eintretenden Schlankel an der Brust und schleudert ihn vor. Wart', Pursche, dir will ich Füße machen!

SCHLANKEL.
Aber, Herr von Braus –
BRAUS.
Sie sind's? Ich habe geglaubt, 's ist mein Sohn.
SCHLANKEL.

Ich dank' für diese väterliche Gesinnung! Reißen Euer Gnaden an Ihrem Herrn Sohn herum, wie S' wollen, aber –

BRAUS.
Ihnen schadet's auch nicht, warum kommen Sie nicht pünktlicher? Rasieren Sie mich! Setzt sich.
SCHLANKEL.
Gleich! Richtet das Barbierzeug.

Sanguinisch.
FROH
rasch lesend.

»Meine Angebetete, du mußt fliehen mit mir, wenn auch nur auf kurze Zeit, unser schwarzes Geschick heischt diese Maßregel.«


Cholerisch.
BRAUS.
So rasieren Sie mich, zum Teufel!
SCHLANKEL
ihn einseifend.
Gleich!
BRAUS
ihn nachäffend.
Gleich, gleich! – Sollte schon fertig sein.
SCHLANKEL.
Aber einseifen muß ich Ihnen ja doch zuerst!
BRAUS.
Halten Sie das Maul!

Sanguinisch.
FROH
liest.
»Mißlingt es, vereint uns das Leben nicht, so soll uns der Tod vereinen.«

[68] Cholerisch.
SCHLANKEL.

So geht's. Undank ist der Welt Lohn. Ich hab' mich a bissel verspät't, weil ich für Ihr Bestes gehandelt hab', habe gewacht für die Ehre Ihres Hauses, und Sie malträtieren ein'!

BRAUS.
Das hätten Sie getan? Verzeihen Sie, an mein Herz, edler Freund! Stürzt an seine Brust.
SCHLANKEL.
Aber was treiben S' denn? Sie machen mich voller Seif'.
BRAUS.
Sprechen Sie, Freund, was haben Sie für die Ehre meines Hauses getan? Setzt sich.

Phlegmatisch.
FAD
kopfschüttelnd.
Wirklich, ich muß sagen – hm, hm! –

Cholerisch.
SCHLANKEL
fängt an, ihn zu rasieren.
Ich hab' etwas ausspioniert, eine Entführungsmanklerei mit der Fräul'n Tochter.
BRAUS
springt auf und packt ihn an der Brust.
Schurke, du lügst!
SCHLANKEL.
So lassen S' mich aus!
BRAUS.
Beweise, Schurke, oder du verhauchst dein Leben unter meinen Fäusten.
SCHLANKEL.
So hören S' mich nur an!
BRAUS
wütend.
Beweise!
SCHLANKEL.
Lassen S' mich zu Wort kommen!
BRAUS.
Nun so sprich!
SCHLANKEL.

Setzen S' Ihnen nieder, man kann ja reden und balbieren zugleich, wie redeten denn sonst die Balbierer so viel? Braus hat sich gesetzt, und Schlankel fährt fort, ihn zu rasieren. Sehen Sie, die Sach' war so – Walburga kommt aus der Seitentüre. Die Fräul'n Tochter –

WALBURGA.
Sagen Sie mir, Papa –
BRAUS
auffahrend.
Sag' du mir lieber –
[69]
SCHLANKEL
leise zu Braus.
Ruhig, Sie müssen ja noch nichts verraten!
HUTZIBUTZ
tritt zur Mitte ein.

Da is 's G'wand.Trägt Kleider und einen Männerhut am Arm. Der Hut war verdruckt, als ob er angetrieben worden wäre.

SCHLANKEL
leise zu Braus.
Das ist der heimliche Postenträger.

Sanguinisch.
FROH.

Der traurige Toten vogel kriegt mir's Mädl nicht. Ich weiß, was ich tu'! Steckt den Brief wieder in den Kragen des an der Wand hängenden Rockes. Das gibt noch einen Hauptschub! Nimmt den Hut und eilt lachend zur Mitte ab.


Cholerisch.
BRAUS
fährt auf.
Höll' und Teufel! Walburga und Hutzibutz erschrecken.
SCHLANKEL
um das Auffahren des Herrn von Braus zu bemänteln.

Jetzt hätt' ich dem gnädigen Herrn bald a paar Pulsadern abgeschnitten. Leise zu Braus. Nur Ruhe, Euer Gnaden, Ruhe!

HUTZIBUTZ
wirft, nachdem er Walburgen Zeichen des Einverständnisses gegeben, den Brief in den Hut.
SCHLANKEL
bemerkt es, leise zu Braus.
Der Brief liegt schon in dem Hut drin!
BRAUS
leise.
Ich ersticke vor Wut.
HUTZIBUTZ
für sich.

Hier war die Aufgab' am schwersten; sie ist gelöst. Im Abgehen. Wirklich, mein Benehmen flößt mir Bewunderung ein. Zur Mitte ab.

WALBURGA.
Der Hut ist so verdruckt, hat er g'sagt. Will zum Hut.
BRAUS
heftig.
Was geht das dich an?
WALBURGA.
Ich hab' nur –
BRAUS.
Nichts hast du als fortzugehen aus meinen Augen!
WALBURGA
im Abgehen.
Wenn der Papa über den Brief kommt, der reißt das Haus zusammen. In die Seitentüre ab.

[70] Phlegmatisch.
FAD.
Ich leg' den Brief wieder hin, wo er war. Tut es.

Cholerisch.
BRAUS
aufspringend.

Jetzt her mit der verräterischen Schrift! Nimmt den Brief aus dem Hut und entfaltet ihn wütend, liest. »Ich habe alles reiflich überlegt, teure Walburga, verstellte Flucht ist das einzige Mittel, was uns zum Ziele führt. Die Stunde der Entscheidung scheint zu nahen. Erwarte mich vormittag mit ruhiger Fassung. Dein Edmund.« Nachdem er gelesen. Mord! Tod! Gift! Pest! Höll' und Teufel! Wirft den Brief zur Erde und springt mit Füßen darauf. Zittert, ihr Nattern – zittert vor meinem Grimm! Stürzt mit halbrasiertem Gesichte zur Mitteltüre ab.

SCHLANKEL.

Aber Euer Gnaden sein ja erst halben Teil balbiert. Hebt schnell den Brief auf, legt ihn eilig zusammen und legt ihn in den Hut. Ich muß ihm nach. Eilt zur Mitte ab.


Phlegmatisch.
FAD.
Ich will als ruhiger Beobachter handeln. Nimmt den Hut und geht zur Mitte ab.
24. Szene
Vierundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

WalburgaAgnesIreneMarie


Sanguinisch.

MARIE
durch die Seite kommend.
Der Papa is fort, der Brief is noch da! Nimmt eilig den Brief und liest im stillen.

Cholerisch.
WALBURGA
tritt durch die Seite und sieht sich sorgfältig um.

Der Vater ist nicht mehr hier, jetzt gilt's, hat er den Brief, oder hat er ihn nicht? Eilt zum Hut. [71] Er hat ihn nicht! Hält frohlockend den Brief empor und liest ihn dann im stillen.


Melancholisch.
IRENE
tritt ans der Seitentüre und sieht sich sorgfältig um.

Der Vater hat den Brief gefunden, eine böse Ahnung sagt es mir. Geht zagend zu dem Stuhl, worauf die Kleider hängen, und sucht in der Rocktasche.


Phlegmatisch.
AGNES
tritt durch die Seite ein.

– Der Papa is verschwunden, werden wir gleich sehn, ob der Brief auch verschwunden ist. Sieht nach dem Tabaksbeutel.


Melancholisch.
IRENE.
Er hat ihn nicht gefunden. Entfaltet den Brief und liest im stillen.

Phlegmatisch.
AGNES.
Schau', er hat ihn nicht erwischt. Öffnet den Brief und liest ihn im stillen.

Sanguinisch.
MARIE.
Ich soll durchgehn! Lacht. Ah, das is zum Durchgehn!
WALBURGA.
Ich folge ihm! Die ganze Macht der Erde soll mich nicht mehr trennen von ihm!

Melancholisch.
IRENE.
Sein Willen ist der meinige, doch es wird, es muß zum Bösen führen, ich kenne mein Geschick.

Phlegmatisch.
AGNES.
Ich soll fort mit ihm? Na, probieren kann man's.

Sanguinisch.
MARIE.
Mein Guido!

[72] Cholerisch.
WALBURGA.
Mein Edmund!

Melancholisch.
IRENE.
Mein Felix!

Phlegmatisch.
AGNES.
Mein Robert!
25. Szene
Fünfundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

WalburgaAgnesIrene,Marie,

(allein)(allein)danndann Isabella,

Brigittedann Hutzibutz


Cholerisch.

WALBURGA
allein.
Vor allem muß ich mich reisefertig machen. In die Seitentüre ab.

Melancholisch.
IRENE
ruft in die Seitentüre.
Brigitte!

Sanguinisch.
MARIE.
Wenn nur die Bella da wäre!

Phlegmatisch.
AGNES.
Was werd' ich denn anziehn? Geht nachdenkend in die Seitentüre ab.

Melancholisch.

BRIGITTE kommt aus der Seitentüre
IRENE.
Meinen Hut und Schal! Brigitte in die Seitentüre.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
mit Isabella zur Mitteltüre eintretend.
Gleich werden s' da sein, die vier Chevaliers.
[73]
MARIE.
Und ich bin noch nicht gericht't, g'schwind, Bella, meinen himmelblauen Hut!
ISABELLA.
Gleich!
MARIE.
Oder nein, den rosenfarben! Rosenfarb steht lebhafter zum Durchgehn.
ISABELLA.

In solchen Fällen wählt man nicht lang. Ich nimm, was mir zuerst in die Hand kommt. Ab in die Seitentüre.


Melancholisch.
BRIGITTE
aus der Seitentüre kommend und einen Schal und einen Hut bringend.
Sie wollen fort, Fräulein Irene?

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Wie g'schieht Ihnen denn, Fräul'n Marie?
MARIE.

O, mir ist so wohl, als ob ich zu den Wolken fliegen soll. So eine abenteuerliche Unternehmung ist etwas Göttliches!

HUTZIBUTZ.
Ja, das Abpaschen hat seine Reize, es ist nix drüber zu sagen.

Melancholisch.
IRENE.

Frage nicht, wohin! Mir sagt's eine innere Stimme, ich werde dich bald mit Tränen der Verzweiflung wieder sehen. Sinkt an ihre Brust.


Cholerisch.
WALBURGA
mit Hut und Schal aus der Seitentüre kommend.
Wo er nur so lang bleibt? Mich verzehrt die Ungeduld!

Phlegmatisch.
AGNES
mit Hut und Schal aus der Seitentüre kommend.
In meinem Leben hab' ich mich noch nicht so geschwind ang'legt wie heut'.

Sanguinisch.
ISABELLA
kommt mit Hut und Schal zurück.
26. Szene
[74] Sechsundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

Die Vorige;Die Vorige;Die VorigeDie

EdmundRobertohne Brigitte;Vorigen;

(durch die(durch dieFelixGuido (durch

Mitte)Mitte)(durch die Mitte)dieMitte)


Cholerisch.
EDMUND.
Meine Walburga!

Phlegmatisch.
ROBERT.
Meine Agnes!

Melancholisch.
FELIX.
Meine Irene!

Sanguinisch.
GUIDO.
Meine Marie!

Cholerisch.
WALBURGA.
Bist du endlich hier? O, mit welcher Sehnsucht hab' ich dich erwartet!

Phlegmatisch.
AGNES.
Du bist schon da?

Sanguinisch.
MARIE.
Du kommst grad a tempo, der Papa ist fort, jetzt machen wir unsern Ausflug in die Welt.

Melancholisch.
IRENE.

Du kommst, mich abzuholen – o, könnt' ich mein böses Vorgefühl bezwingen! Sinkt weinend an Felix' Brust.

FELIX.
Weine nicht, wir kehren ja bald zurück zur Freude und zum Scherz.

[75] Phlegmatisch.
AGNES.
Laß mich nur nachdenken, ob ich nichts vergessen hab'!
ROBERT.
Du vergißt die Hauptsache, wenn du nicht eilst!

Sanguinisch.
MARIE
hat von Isabella Hut und Schal genommen, zu Guido.
Was ist dir denn?
GUIDO.
Ich zittre für den Erfolg!
MARIE.
Wär' nicht übel, ein Mannsbild – und zittern!

Cholerisch.
WALBURGA.
Laß uns eilen!
EDMUND.
Nimm noch etwas um den Hals, du könntest dich verkühlen.
WALBURGA.
Nichts, nichts, wir haben keine Zeit zu verlieren.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
zu Isabella.
Mir is leid, daß unser Verhältnis nicht auch so interessante Maßregeln erheischt.
ISABELLA.
Warum nicht gar!

Cholerisch.
EDMUND.
Komm, Geliebte! Will mit Walburga durch die Mitte ab.

Phlegmatisch.
ROBERT.
Komm, Geliebte! Will mit Agnes durch die Mitte ab.

Melancholisch.
FELIX.
Komm, Geliebte! Will mit Irene durch die Mitte ab.

Sanguinisch.
GUIDO.
Komm, Geliebte! Will mit Marie durch die Mitte ab.
27. Szene
[76] Siebenundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

DieDieDieDie

Vorigen;Vorigen;Vorigen;Vorigen;

Braus, dannFadTrübFroh

Schlankel


Cholerisch.
BRAUS durch die Mitte.
Zurück, Elende!
WALBURGA.
Ha!
EDMUND.
Fataler Zufall!

Phlegmatisch.
FAD
durch die Mitte.
Was sein das für Geschichten, das?
AGNES.
Ach!
ROBERT.
Verdammt!

Melancholisch.
TRÜB
zur Mitte eintretend.
Nun ist das Maß des Unglücks voll!
IRENE.
Ach –!
FELIX.
Verdammt!

Sanguinisch.
FROH
zur Mitte eintretend.
Halt! Atrappé!
MARIE.
O je, der Papa!
GUIDO.
Ha, entsetzlich!
ISABELLA.
Der gnädige Herr!
HUTZIBUTZ.
O je!

Melancholisch.
IRENE
Trüb zu Füßen fallend.
Mein Vater!

Phlegmatisch.
FAD.
Das werd' ich mir ausbitten ein anderesmal.

[77] Melancholisch.
TRÜB.
Ich bin es nicht mehr; nimm meinen Fluch!Sinkt erschöpft in den Stuhl.

Cholerisch.
BRAUS
zu Walburga.

Erbebe vor meinem Zorn, Verworfene! Und Zu Edmund. du, schändlicher Verführer – du – du – Die Sprache versagt ihm vor Zorn.


Sanguinisch.
FROH
zu Guido.

Sie fahren ab! Guido geht bestürzt nach dem Hintergrund. Zu Marie. Wart', dir werd' ich 's Durchgehn lernen. Für sich. Prachtvoll hab' ich s' erwischt! Lacht.


Cholerisch.
BRAUS
zu Edmund.
Weh' dir!
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.
Jetzt geht's recht!
28. Szene
Achtundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

DieDieDie Vorigen;Die

Vorigen;Vorigen;Margareth,Vorigen;

Nanette,Gertraud,Lisette,Weger,

Susanne,Babette,Doktor Krims,Blinker,

Leist,CyprianDoktor Krams,Stern,

NadlBrigitteSepherl,

Therese


Die eintretenden Personen bilden den Chor.
Cholerisch, Phlegmatisch, Melancholisch, Sanguinisch.

CHOR.
Was muß ich sehn, was muß ich sehn?
Was ist geschehn, was ist geschehn?

Unter passender Gruppe fällt der Vorhang.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene

1.2.3.4.

Braus,Edmund,Irene,Schlankel,

Fad, Trüb,Robert, Guido,Marie,Hutzibutz,

FrohFelixWalburga,Isabella

(alle vier(im beratendenAgnes

sitzen)Gespräche auf- und

niedergehend)


Cholerisch.

BRAUS.

Ein Glück war's, daß wir den Schlankel auf unserer Seite haben. Alle vier konsultieren und überlegen im stillen Gespräche fort.


Phlegmatisch.
FELIX.
Sei'n wir froh, daß wir den Schlankel für uns gewonnen!

Melancholisch.
Irene sitzt weinend im Vordergrunde, neben ihr sitzt Agnes; Marie und Walburga stehen beide zur Seite.
MARIE.
Der Schlankel ist jetzt mit uns im Bunde, ich schöpf' die schönsten Hoffnungen.

Sanguinisch.
SCHLANKEL
ist mit Hutzibutz im Gespräch begriffen und kokettiert dabei immer mit Isabellen.
Die Feindschaft is aus, wir sind vereinigt zu einem und demselben Zweck.
HUTZIBUTZ
noch etwas ärgerlich.
Ich hätt's allein auch g'richt't, denn meine Geisteskräfte –
SCHLANKEL.
Langen nicht aus für so einen verwickelten Fall.

[79] Phlegmatisch.
ROBERT
unwillig.
Dem Schlankel danken wir's, der Kerl hat den Karren in den Sumpf geschoben.
FELIX.
Um ihn als Siegeswagen herauszuziehen und den Triumph seiner Pfiffigkeit darauf zu feiern.

Cholerisch.
BRAUS
zu Fad.
Du nimmst es doch nicht übel wegen deinem Sohn, daß ich ihn nicht zum Schwiegersohn akzeptiere?
FAD.
So wenig, als du wegen dem deinigen –
FROH.
Wir sind ja alle viere in dem gleichen Fall, drum kann's keiner dem andern übelnehmen.
BRAUS
zu Fad.
Ich hab' nichts gegen deine Tochter –
FAD.
Ich auch nichts gegen die deinige.
FROH
auf Trüb zeigend.

Das ist bei uns dasselbe, aber wir haben halt einmal alle viere mit unsern Töchtern andere Verfügungen getroffen, und ich sage: der Sohn kann heiraten, wen er will –

BRAUS, TRÜB, FAD. Das sag' ich auch!

FROH.
Aber Töchter müssen gehorchen!
BRAUS.
Sonst soll sie der Teufel –
TRÜB.
Ich bin ein unglücklicher Vater!
FROH.
Warum denn?

Melancholisch.
IRENE.
Ich bin ein unglückliches Geschöpf!
MARIE.
Sei gescheit!

Cholerisch.
FROH.
Der Zweck wird ja doch erreicht. Die Mädeln heiraten jede den Jugendfreund, dem wir sie bestimmt.

Sanguinisch.
SCHLANKEL.

Wir wollen aber auch als treue Bundesgenossen zusammenhalten. Nimmt mit einer Hand Hutzibutzt mit der andern Isabella bei der Hand.

[80]
HUTZIBUTZ.

Das heißt, wir zwei halten zusamm'. Diese Hand aber Auf Isabella zeigend. wird nicht bei der Hand genommen, außer von mir, wenn sie mir am Altar ihre Rechte spendiert.


Melancholisch.
IRENE.
Es ist alles aus!
WALBURGA.
Jetzt werd' ich mich gleich ärgern über dich!

Cholerisch.
FAD.

Wenn unsere vier Jugendfreund' nur nicht erfahren, daß unsere vier Mädeln schon ihre viel Liebhaber haben!

BRAUS.
Dafür will ich sorgen, ich schlag' mit allen Donnerwettern drein!
FROH.
Warum nicht gar!

Phlegmatisch.
ROBERT
aufstehend.
Zerreißen könnt' ich den Schuft, den Schlankel!
EDMUND.
Ruhig, ruhig, laßt uns ohne Leidenschaft überlegen!
GUIDO.
's ist vergebens, ihr werdet sehn.

Sanguinisch.
SCHLANKEL
zu Hutzibutz.
Laß dir nur erklären, wie du dich zu benehmen hast!
HUTZIBUTZ
zu Schlankel, indem er merkt, daß dieser immer auf Isabellen blickt.
Was schaust du denn aber immer dorthin, wenn du mir was erklärst? Sie weiß das Ganze.
ISABELLA.
Aber, Hutzibutz, du bist dumm!
SCHLANKEL.
Merk' jetzt auf – Erklärt ihm weiter.

Cholerisch.
FROH.
Eh' alte G'schichten aufkommen, sind die neuen Verlobungen g'schehn.

[81] Melancholisch.
AGNES
sehr ruhig.

Ich bin heut' so in die Gemütsbewegungen drin – Liebe, Angst, Schrecken, Verzweiflung – ich fürcht' immer, ich werd' krank.


Cholerisch.
FROH.
Unsere Freunde sind an einem Tag von Straßburg abgereist, jeder mit Extrapost.
BRAUS.
Sollten heute eingetroffen sein!

Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Die Bräutigams von Straßburg sind schon angekommen und im Gasthof »Zur langen Nasen« abgestiegen.
ISABELLA.
Ein ominöses Schild für diese Herren!

Cholerisch.
FROH.

Es ist ja noch nicht Abend, sie werden schon noch kommen. Wär' nicht übel, wenn s' ausblieben! Zu Braus und Fad. Wir haben schon die Gäst' zur Verlobung eingeladen. Adieu also – ich hab' ein paar Gäng'.


Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Drum hab' ich g'sucht, die Papas aus dem Haus zu entfernen.

Cholerisch.
FAD.

Auf mich wartet schon der Fiaker. Der Schlankel hat mir g'sagt: eine Spazierfahrt auf die gehabte Alteration is g'sund.

BRAUS.
Mir hat er ein Weinbaus rekommandiert, dort will ich den Ärger hinunterschwemmen.
TRÜB.

Mir hat Schlankel geraten, ich soll zur Zerstreuung ein wenig auf den Friedhof gehen, das will ich tun.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Du bist ein lieber Kerl, wie du die Leut' für'n Narren haltst!

[82] Cholerisch.
FROH.

Also auf Wiedersehn, sobald wir die Töchter aus 'n Haus haben und unsere alten Freunde mit ihnen nach Straßburg kutschieren! Alle viere zur Mitte ab.


Sanguinisch.
ISABELLA.
Hutzibutz, das sag' ich dir, mach' deine Sachen g'scheit! In die Seitentüre ab.
2. Szene
Zweite Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)DieDie Vorigen;Die Vorigen

Vorigendann Isabelladann Froh,

dann Isabella


Sanguinisch.

SCHLANKEL.
Jetzt gehst du vor allem andern –
HUTZIBUTZ.

Nein, vor allem andern bleibt er da!Eifersüchtig, beiseite. Den lass' ich nicht allein in gewisser Nähe!


Melancholisch.
WALBURGA.
Mich begeistert die Nähe der Gefahr, Sieg oder Tod ist der Ruf, der durch meine Seele hallt!

Phlegmatisch.
FELIX.
Gelingt ihm der Streich, so sind hundert Dukaten nicht zu viel.
ROBERT.
Auch tausend nicht!
EDMUND.
Oho!

Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Du wart'st vermutlich auf die Schläg', die dir der Herr von Froh schuldig ist?
HUTZIBUTZ.
Nein, ich kreditier' ihm s' noch.
SCHLANKEL.
Wennst aber just auf eine a conto- Zahlung anstund'st –
FROH
zur Mitte ein.
Ah, Schlankel, gut, daß ich Ihn treff'! Hutzibutz bemerkend. Hinaus!
[83]
HUTZIBUTZ.
Ich hab' nur nachschaun wollen, ob nicht ein Paar Stiefel zum putzen is.
FROH.
Nein, aber ein Rock ist zum Ausklopfen, der Seinige, verstanden? – Wenn nur ein Staberl da wär' –!

Phlegmatisch.
FELIX.
Fünfundzwanzig sind nicht zu viel auf einen.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
O, ich bitt', sich nicht zu bemühen, ich richt's mit der Bürsten. Eilt zur Mitte ab.
SCHLANKEL.
Euer Gnaden müssen ihn nicht abschrecken, durch ihn kann ich allerhand erfahren.
FROH
sehr eilig und geheimnisvoll.
Gut, gut! Aber, Schlankel, ich muß Ihm was vertrauen.
SCHLANKEL.
Was denn?
ISABELLA
will aus der Seitentüre treten, zieht sich aber zurück, um zu horchen.
FROH.
Ich bin verliebt!
SCHLANKEL.
Ernstlicher Weise?
FROH.

Mariage, Mariage! Ich mag kein Witiber mehr bleiben, und der Witwe, Frau von Korbheim, ist der Witwenstand zu wider.

SCHLANKEL.
Verstanden! Kann ich da vielleicht in was dienen? Sie ist Kundschaft von mir!
FROH.
Im Ernst? O, du Goldmensch!
SCHLANKEL.
Getroffen, ich bin Goldmensch, drum richt't man bei mir nur mit Gold was.
FROH.

Wenn ich Ihm also diese drei Dukaten geb', so wird Er meine Mißhelligkeit mit der Frau von Korbheim –

SCHLANKEL.
In den schönsten Einklang verwandeln.

Phlegmatisch.
GUIDO.
Sprecht nicht mit solcher Gewißheit von Erfolg!

[84] Sanguinisch.
ISABELLA
tritt aus der Seitentüre.
SCHLANKEL.
Die Isabella! Winkt ihr zärtlich zu.
ISABELLA
geht, Schlankels Winke freundlich aufnehmend, zur Mitte ab.
FROH.

Wenn die jetzt was gehört hätt'! Die Sach' ist strengstes Geheimnis, ich hab's sogar meinen Kindern verschwiegen, erst wenn die Marie verheirat't is –

SCHLANKEL.
Gut, gut!

Melancholisch.
ISABELLA
zur Mitte eintretend.
Sie verzeihen, Zu Marie. Fräulein Marie –
MARIE.

Die Bella! Zu den andern. Die hat viel beigetragen, unsern Feind Schlankel in einen Freund zu verwandeln.

ISABELLA.
Gegen mein Herz und meine Grundsätze.

Sanguinisch.
FROH.
Aber sag' Er mir, was hat denn Er mit der Bella?
SCHLANKEL.
G'spannen Euer Gnaden was?

Melancholisch.
ISABELLA.
Ich hab' mich g'stellt, als ob ich in den Schlankel verliebt wär'.

Sanguinisch.
FROH.
Die g'hört ja aber dem Hutzibutz.
SCHLANKEL.
Sie ist wie eine Wahnsinnige verbrennt in mich!

Phlegmatisch.
FELIX
hat mit den übrigen von demselben Gegenstand gesprochen.
Die Isabella hält den Schlankel nur zum Narren.

Melancholisch.
ISABELLA.
Und der Dummkopf glaubt's!

[85] Phlegmatisch.
ROBERT.
Ein pfiffiges Mädel, die Bella!

Melancholisch.
ISABELLA.
Wenn wir dann seine Dienste nicht mehr brauchen, sag' ich: Adieu, Partie!

Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Der Hutzibutz natürlich bild't sich ein, er is Hahn im Korb, und derweil bin ich –

Phlegmatisch.
ROBERT.
Ein dummer Laff', der Barbier, daß er's nicht merkt! Robert, Edmund und Felix lachen.

Sanguinisch.
FROH.
Das is ein Hauptschub!

Melancholisch.
MARIE.

Ein Mensch wie der Schlankel verdient's, daß er am Ende ausg'lacht wird. Marie, Agnes und Walburga lachen.


Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Über so einen Esel muß man lachen.Lacht mit Froh sehr laut.
FROH.
Jetzt sag' Er mir aber, was soll ich in punkto der Meinigen tun?
SCHLANKEL.

Aufmerksamkeiten, Präsenten einkaufen und zu ihr gehen, wenn ich's sag', oder halt! Sie war ja schon öfters bei Ihnen eingeladen?

FROH.
Freilich, aber – gespannter Fuß –
SCHLANKEL.
Ich übernimm's, daß sie heut' noch beim Verlobungsfest Ihrer Fräulein Tochter hier erscheint.
FROH.
Mann, Engel, wenn du das könntest –!
SCHLANKEL.
Gehen S' einkaufen und verlassen Sie sich auf mich!
[86]
FROH.
Schön, schön, Sdilankel, Herzensschlankel, ich verlass' mich ganz auf Ihn. Zur Seite ab.
SCHLANKEL
allein.

Triumph, daß ich dem seine schwache Seite hab'; die andern über 'n Daum' z' drehn, is für mich ein G'spaß. Zur Mitte ab.

3. Szene
Dritte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Die Vorigen;Die Vorigen;Zuerst Bühne

danndannfrei

SchlankelSchlankeldann Froh


Melancholisch.

ISABELLA.
Und Ihnen, Fräulein Marie, hab' ich ein großes, ungeheuer wichtiges Geheimnis anzuvertrauen.
ALLE VIER
neugierig.
Ein Geheimnis?
ISABELLA
zu Marien.
Den Papa betreffend! Spricht leise ihr ins Ohr.
WALBURGA.
's ist doch etwas sonderbar, das Sich- in-die-Ohren-Zischeln.
AGNES.
's schaut aus, als ob wir des hohen Vertrauens nicht würdig wären!
IRENE.
Von einer Freundin kränkt so was tief!

Phlegmatisch.
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.
Mit Erlaubnis, meine Herrn –!
FELIX.
Was will Er?
ROBERT
seinen Grimm über Schlankels Anblick unterdrücken wollend, für sich.
Mir juckt's in allen Fingerspitzen!
SCHLANKEL.
Nur fragen, ob Sie über alle Punkte unserer Operation einig sind, so wie ich sie Ihnen projektiert?
ALLE VIER.
Einig! Vollkommen einig!
SCHLANKEL.
Schön, meine Herren, schön, ich empfehl' mich indessen! Eilig zur Mitte ab.

[87] Sanguinisch.
FROH
aus der Seitentiire kommend, ordnet noch an seinem Anzug.

Wenn ich keinem Bräutigam gleichseh', so weiß ich's nit – jetzt ein paarmal bei ihren Fenstern vorbei, das muß einen günstigen Eindruck machen. Zur Mitte ab.


Melancholisch.
MARIE
zu den übrigen.
Ihr sollt es erfahren, Freundinnen, aber jetzt noch nicht!
WALBURGA
sehr pikiert.
O, wir stehn nicht an auf deine Geheimnisse!
AGNES.
Kannst s' ganz für dich behalten!
IRENE.
Aber so wie dein Mund, so verschließen sich auch unsere Herzen auf ewig vor dir.
MARIE.
Ich weiß nicht, wie ihr mir vorkommt.
WALBURGA.
Wir zwingen niemandem unsere Freundschaft auf.
AGNES.
Gott sei Dank, das haben wir nicht nötig, aber stark ist es.
WALBURGA.
Ah, das ist ja – ich finde gar keinen Ausdruck!
MARIE.
Ich weiß nicht, soll ich mich ärgern oder soll ich lachen?
AGNES.
Das wär' eine Freundin!
AGNES UND WALBURGA.
Haha!
IRENE
zugleich.
O weh!
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.

Meine Damen, ich bemerke hier nicht die größte Einigkeit. Beiseite. Wie halt Frauenzimmer beisammen sind –

WALBURGA.
Wir wären einig, aber die Marie –
MARIE.
Ich wäre einig, aber die Walburga, die Agnes und die Irene –
SCHLANKEL.

Lassen Sie diese Differenzen bis nach die Hochzeiten und wenden Sie Ihr Augenmerk jetzt lediglich auf den Hauptzweck. Der Feind ist da, die Liebe ist in Gefahr, ich bin zum Befehlshaber ernannt, und als solcher gebiete ich Erstreckung dieser Tagsatzung.

[88]
MARIE.
In fünf Minuten denk' ich an solche Dummheiten gar nicht mehr.
WALBURGA.
Ich will mir Mühe geben, meinen gerechten Grimm zu bezähmen.
AGNES.
Es is eigentlich gar nicht der Müh' wert, daß man sich zürnt.
IRENE.
Ich schweige, doch so etwas läßt einen nagenden Wurm in der Seele zurück.

Phlegmatisch.
FELIX.

Unser Sammelplatz, der Zentralpunkt, von dem unsere Unternehmungen ausgehen, bleibt das Kaffeehaus drüben.

EDMUND, ROBERT, GUIDO. Ganz recht!


Melancholisch.
SCHLANKEL.
Hören Sie also, was zufolge des neugeschmiedeten Planes Ihnen zu tun erwächst.
ALLE VIER.
Sprechen Sie!
SCHLANKEL
für sich.

Das haben alle viere zugleich g'sagt, das einzige, über was Frauenzimmer immer einig sind, daß gesprochen werden muß. Laut. Die Hauptaufgabe ist: Die bestimmten Bräutigams müssen freiwillig entsagen, und von die Liebhaber muß jeder das Herz des betreffenden, ihn annoch hassenden Papas gewinnen. Sie haben dabei zwei leichte Sachen zu tun: Das eine ist Ihnen leicht, weil Sie Frauenzimmer sind, Sie müssen sich verstellen, nämlich so, als ob Sie in den Bräutigam, der zu Ihnen kommen wird, verliebt wären – und das andere ist Ihnen auch leicht, weil Sie lie benswürdige Frauenzimmer sind, Sie müssen den Bräutigam, der zu Ihnen kommen wird, in sich verliebt machen.

WALBURGA.
Das ist ja aber ganz gegen unsern Zweck!
SCHLANKEL.
Ruhig, ruhig! Es wird da ein eigenes Changement vorgenommen werden.

[89] Phlegmatisch.
ROBERT.
Also adieu!

Melancholisch.
MARIE.
Wie denn das? Erklären Sie uns –
SCHLANKEL.
Keine Spur von Zeit dazu!

Phlegmatisch.

EDMUND, GUIDO, FELIX. Adieu! Alle ab bis auf Edmund, welcher zurückbleibt.

Melancholisch.
SCHLANKEL.
Der Befehlshaber hat gesprochen, damit Punktum!
WALBURGA.
Gut also! Komm, Agnes, wir gehen!Mit Agnes zur Mitte ab.
MARIE.
Adieu, Irene!
IRENE
zu Marien.

Ich verzeihe dir den Verrat an der Freundschaft, vergessen kann ich ihn nicht. In die Seitentüre ab, Marie mit Isabellen zur Mitte ab.

4. Szene
Vierte Szene

1.2.3.4.

Walburga,Edmund,Schlankel,Hutzibutz,

Nanettespäterdanndann Marie

AgnesHerr vonund Isabella,

Schmerz,dann Herr von

dannGlück,

Herr vondann Herr von

GlückSchmerz,

dann Schlankel


Sanguinisch.

HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend, allein.

Der Haustyrann ist fort, vielleicht ergibt sich jetzt eine Gelegenheitszusammentreffung. Ich muß der Bella einige ernste Worte – sie hat eine reine Seele, die Bella, aber es [90] legt sich der Staub der Eitelkeit drein, und das bringt Gefahr für die Treue.


Melancholisch.
SCHLANKEL.
Wo die Bräutigams bleiben, ist mir unbegreiflich!

Sanguinisch.
MARIE
zu Isabella, indem sie mit ihr zur Mitteltüre eintritt.
Da muß man sich gar nix draus machen.
HUTZIBUTZ.
Bella –
ISABELLA.
Laß mich gehn, ich hab' jetzt mit dem Fräulein Marie zu reden! Mit Marie in die Seitentüre ab.

Melancholisch.
SCHMERZ
in Reisekleidung, traurig, durch die Mitte.
Wohnt hier Herr von Trüb?
SCHLANKEL
für sich.
Aha! Laut. Nein, hier wohnt Herr von Froh.

Sanguinisch.
GLÜCK
in Reisekleidung, sehr heiter, durch die Mitte.
Wohnt hier Herr von Froh?
HUTZIBUTZ
beiseite.
Aha, meine Aufgabe beginnt!Laut. Nein, hier wohnt Herr von Trüb.
GLÜCK.
Bravo, gleich fehlgeschossen beim Eintritt ins Haus!

Melancholisch.
SCHLANKEL.
Ich habe doch die Ehre, den Herrn von Schmerz –
SCHMERZ.
Ja!

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Sie sind doch der Herr von Glück?
GLÜCK.
Ja!

Melancholisch.
SCHLANKEL.
Der Herr von Trüb logiert grad da darneben die Tür.
SCHMERZ.
So, so – ich danke, mein Freund! Zur Mitte ab.

[91] Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Der Herr von Froh logiert grad da darneben die Tür.
GLÜCK.
So? Hahaha! Das wäre ein Spaß gewesen, wenn ich zum Unrechten gekommen wäre! Lachend zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
AGNES
zur Mitte eintretend.
Ach, Edmund, ich sag' dir's, ich kann mich noch nicht erholen von der Historie.
EDMUND.
Laß mich jetzt nur ruhig überlegen!

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ
allein.

Den hab' ich aber schön ang'führt! Ich bin doch einer von den intrigantesten Köpfen des Jahrhunderts.


Melancholisch.
SCHLANKEL
allein.

Mit dem wär's gegangen! Ich fürcht' nur, der Hutzibutz macht mir eine Dalkerei, denn dem sein Verstand taucht gar niemals über das Niveau seiner immensen Dummheit empor.

GLÜCK
zur Mitte eintretend, für sich.
Wenn ich ihn nur recht überraschen könnte!

Sanguinisch.
SCHMERZ
zur Mitte eintretend.
Herr von Trüb zu Hause?
HUTZIBUTZ
für sich.
Trüb? Aha, das ist schon ein Angeschmierter! Laut. Er ist ausgegangen.

Melancholisch.
GLÜCK
zu Schlankel.
Ist er in dem Zimmer drinnen?
SCHLANKEL.
Wer?
GLÜCK.
Mein Freund Froh.
SCHLANKEL
für sich.
Froh? Laut. Er ist gegenwärtig nicht zu Hause, aber die Fräul'n Tochter – Zeigt nach der Seitentüre.
[92]
GLÜCK.

Um so besser, so überraschen wir die, die ist ja eigentlich der Hauptzweck, diese Tochter!Eilt, verschmitzt lachend, auf den Zehen in die Seitentüre ab.


Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Ist es gefällig, zur gnädigen Fräulein zu spazieren?
SCHMERZ
mit tiefer Bedeutung.
Gnädiges Fräulein – wird sie auch mir gnädig sein? Seufzt und geht in die Seitentüre ab.

Melancholisch.
SCHLANKEL.
Sollte das wirklich schon ein Werk des Hutzibutz – ah, da muß ich nachschaun. Eilt zur Mitte ab.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Jetzt weiß ich nicht, hab' ich's recht g'macht oder nicht?

Phlegmatisch.
AGNES.
Und mich greift alles so stark an!
EDMUND.
Leb' wohl, Schwester! Zur Mitte ab.
AGNES.
Adieu! Zur Seite ab.

Sanguinisch.
SCHLANKEL
tritt zur Mitte ein.
Hast du mir den hinüberg'schickt?
HUTZIBUTZ.
Ja! Und du mir den herüber?
SCHLANKEL.
Ja!
HUTZIBUTZ.
Es geht prächtig!
SCHLANKEL.
Siehst, was ein gescheiter Plan macht?
HUTZIBUTZ.

Na ja, aber das wirst mir doch erlauben, daß deine G'scheitheit nicht alles allein macht, daß der Zufall jetzt auch ein Trinkgeld verdient?

SCHLANKEL.

Das ist ganz in der Ordnung; wenn der Zufall nicht wär', wie viel gelinget denn in der Welt? [93] Der Zufall ist die Muttermilch, an der sich jeder Plan vollsaugen muß, wenn er zum kräftigen Erfolg heranreifen soll. Das verstehst du nicht. Jetzt geh vor allem andern hinauf zum Cyprian vom Herrn von Fad und schau', ob ihm zu trauen is. Ich werd' mich mit der Brausischen Nanett' ins Einvernehmen setzen.

HUTZIBUTZ.
Mit der Nanett'?
SCHLANKEL
den Finger auf den Mund.
Pst! Jetzt komm! Zur Mitte ab.
HUTZIBUTZ.

Und der wagt es, die Augen zu meiner Bella zu erheben? Na, wart', Schlankel! Droht hinter seinem Rücken mit der Faust und folgt ihm.


Cholerisch.
Walburga und Nanette treten zur Mitte ein.
WALBURGA
über die Bühne gehend.
Der Papa hat also nicht gefragt um mich, wie er fortgegangen ist?
NANETTE.
Nein, er is mit die andern Herrn –
WALBURGA.
Gut, gut! Zur Seite ab.
NANETTE
will zur Mitte ab, Schlankel begegnet ihr.
5. Szene
Fünfte Szene

1.2.3.4.

Nanette,Cyprian(Bühne(Bühne

Schlankel,Hutzibutz,frei)frei)

dann Herrdann Herr

von Sturm,von Schlaf,

dann Herrdann Herr

von Schlaf,von Sturm

dann Walburga


Phlegmatisch.

CYPRIAN
zur Mitte eintretend.
Was zu arg is, is zu arg! Die Plag' in dem Haus – Zur Seite ab.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.
Mir war's, als hätt' ich den Cyprian g'hört.

[94] Cholerisch.
SCHLANKEL
ist zur Mitte eingetreten.
Schöne Nanett', ein Wort im Vertrauen!
NANETTE.
Vertrauen? Zu Ihnen hab' ich keins.

Phlegmatisch.
CYPRIAN
einen Schlafsessel mühsam tragend, aus der Seitentüre.
Au weh! Stellt ihn rechts in den Vordergrund. Ich geh' z'grund.
HUTZIBUTZ.
Was g'schieht denn mit dem Schlafsessel?
CYPRIAN.

Der gnädige Herr will 'n da haben, damit, wenn er vom Spaziernfahrn z' Haus kommt, daß er nur gleich hineinfallen und sich erholen kann.


Cholerisch.
SCHLANKEL.
Ich hoff' nicht, in dir eine Feindin zu haben?
NANETTE.
Das just nicht, aber Freundin auch keine!

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Sag' mir der Cyprian –
CYPRIAN.
Ich kann heut' nichts mehr sagen, ich bin zu ang'strengt in diesem Haus. Zur Mitte ab.
HUTZIBUTZ.
Ah, das wird doch ein fauler Kerl sein!

Cholerisch.
SCHLANKEL
Nanette, welche ihm entschlüpfen will, festhaltend.
So leicht kommst du nicht weg!
NANETTE.
Es kommt wer!
STURM
im Reiseanzug zur Mitte eintretend.
Da haben wir's! Da scharmuziert das Volk herum, statt einem im Vorzimmer Auskunft zu geben!
NANETTE
läuft zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
SCHLAF
im Reiseanzug zur Mitte eintretend.
Wohnt hier –? Gähnt.

[95] Cholerisch.
SCHLANKEL.
Was wünschen Euer Gnaden?
STURM.
Mit meinem Freund Braus will ich sprechen.
SCHLANKEL.
Mit dem?

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Wollen Sie bei Gelegenheit sagen, was Sie suchen?
SCHLAF.
Meinen Freund Fad!
HUTZIBUTZ
beiseite.
Ah!

Cholerisch.
SCHLANKEL.
Der loschiert links, wie S' da hinübergehn, die Tür.
STURM.

Zum Teufel, da hat man mir eine falsche Adresse gegeben! – Ist doch alles verrückt in dieser Welt! Ungestüm zur Mitte ab.


Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Der loschiert die Türe rechts, Sie sein irrgangen.
SCHLAF
hat den Schlafsessel ins Auge gefaßt.
Schade, schade – der schöne Schlafsessel hier –
HUTZIBUTZ.
Hier wohnt Herr von Braus!
SCHLAF.
Hm, hm, hm, hm! Geht langsam zur Mitte ab.

Cholerisch.
SCHLANKEL
allein.
Da muß ich gleich die Fräulein Walburga avisieren.

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ
selbstgefällig lächelnd.

Wirklich, ich werde immer gewandter, wenn ich noch ein paar in ein anderes Quartier schicken müßt', ich würde midi selbst übertreffen.


[96] Cholerisch.
SCHLAF
zur Mitte eintretend.
Meld' Er mich!
SCHLANKEL
beiseite.
Das ist der Herr von Schlaf, dem seh' ich's im G'sicht an. Laut. Sie wollen den Herrn von Fad?
SCHLAF.
Fad Vater und Fad Tochter.

Phlegmatisch.
STURM
zur Mitte eintretend.
Der Herr vom Haus zugegen?
HUTZIBUTZ.
Nein.
STURM.
Die Tochter?
HUTZIBUTZ.
Ja! Eilt, über Sturms barsche Manier erschrocken, zur Mitte ab.

Cholerisch.
WALBURGA
aus der Seite.
Was war denn das für ein – Schlankel winkt ihr zu und geht schnell zur Mitte ab.
6. Szene
Sechste Szene

1.2.3.4.

Walburga,Herr von Sturm,(Bühne(Bühne

Herr vondann Agnes,frei)frei)

Schlafdann Hutzibutz


Cholerisch.

WALBURGA
in ihrer vorigen Rede fortfahrend, doch den Ton plötzlich ändernd.
) – angenehmer Besuch?
SCHLAF.
Bitt' untertänig –

Phlegmatisch.
STURM
allein.
Wer ist der Mensch? Was will er? Warum schleicht er so verdächtig in der Nähe meiner Braut herum?

[97] Cholerisch.
SCHLAF
für sich, nachdem er Walburga mit Wohlgefallen betrachtet.
Eine scharmante Person!
WALBURGA.
Bin ich etwa gar so glücklich, Herrn von –
SCHLAF
geschmeichelt.

Ja, Sie sind so glücklich, oder eigentlich ich bin so glücklich, daß ich hoffen kann, wir werden alle zwei miteinander glücklich sein.


Phlegmatisch.
AGNES
etwas unwillig aus der Seitentüre tretend.
Aber was is denn das, wer schreit denn da so?
STURM.
Verzeihen Sie –
AGNES.
Ich begreif' nicht, diese Keckheit –
SCHLANKEL
öffnet die Mitteltüre, winkt Agnes, sie versteht den Wink, er entfernt sich schnell.
AGNES
in der vorigen Rede mit verändertem Tone fortfahrend.
– diese Unachtsamkeit von die Dienstleut', einen solchen Besuch nicht gleich zu melden.

Cholerisch.
WALBURGA.

Es ist schwer, wenn man durch ein Machtgebot an einen Unbekannten versagt wird, doch leicht und immer leichter wird's, wenn man fühlt, wie des Herzens Wunsch eins wird mit dem väterlichen Willen.

SCHLAF
für sich.
Das ist eine liebe Person!

Phlegmatisch.
STURM.
Sie wissen schon, wen Sie vor sich haben, mein Fräulein?
AGNES.
Wenn meine Ahnung nicht trügt, so steht der Mann vor mir, der nach dem Willen meines Vaters –
STURM.
Der Ihrige werden soll! Getroffen!

Cholerisch.
SCHLAF
für sich.

Wie sie mir das kommod macht! Ich hab' ihr eine Liebeserklärung wollen machen, und derweil macht sie mir eine.


[98] Phlegmatisch.
STURM.
Ich muß Ihnen sagen, Sie sind ein Engel, Sie gefallen mir ungeheuer!
AGNES.

Ich nehme das als eine Schmeichelei und hoffe erst durch Gehorsam und sanfte Nachgiebigkeit das Wohlgefallen meines Gatten zu verdienen.

STURM.

Das ist schön, ich liebe die sanften Frauenzimmer, denn ich bin selbst verteufelt sanft und nachgiebig.


Cholerisch.
WALBURGA.
Eigentlich sollte man sich doch länger kennen, bevor man ein solches Bündnis –
SCHLAF.

Mich werden Sie bald kennen. Ich hab' nur eine Leidenschaft, den Schlaf, und um Ihre Leidenschaften kümmere ich mich gar nicht, folglich herrscht ja da die schönste Harmonie.

WALBURGA.
Wollen Sie nicht Platz nehmen?
SCHLAF.
O ja, und viel Platz möcht' ich bitten. Für sich. Das ist eine vortreffliche Person!

Phlegmatisch.
STURM.
Fehler hab' ich gar keinen als die Eifersucht, und die ist ein Beweis von Liebe.
AGNES.
Ich werde Ihnen nie einen Anlaß geben.
STURM.
O, Ihre Reize werden Anbeter in Menge finden, aber denen breche ich gleich Arme und Beine entzwei!

Cholerisch.
WALBURGA
hat einen Stuhl gebracht.
Ich bedaure, daß wir keinen Schlafsessel haben.
SCHLAF
sich setzend.

O, von Ihrer Hand gereicht, wird jedes Stockerl zum Lit de repos. Jetzt werd' ich Ihnen ein kleines Bild von unserem künftigen häuslichen Glück entwerfen.


Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.
Ich möcht' gern die Fräul'n –
[99]
STURM
ihn heftig anfahrend.
Was soll mit dem Fräulein?
HUTZIBUTZ
sehr erschrocken.
Nix, gar nix! Eilt zur Mitte ab.
STURM
zu Agnes.
Hören Sie, das ist höchst verdächtig!
AGNES.
Was fällt Ihnen ein? Er gehört ja zur dienenden Klasse.
STURM.
Höll' und Teufel, verzeihen Sie, das kann ich glauben und nicht glauben! Ich werde gleich –Will ab.
AGNES.
Wo wollen Sie hin?
STURM.

Ich muß den Wicht aufs Korn nehmen, seine Schritte verfolgen! Mord und Brand! Geht wütend zur Mitte ab.


Cholerisch.
WALBURGA
zu Schlaf, welcher bereits eingeschlummert ist.

Herr von – Beiseite. ich weiß gar nicht, wie er eigentlich heißt – Laut. wär's Ihnen vielleicht gefällig – er schläft – ah, das ist ein originelles Exemplar von einem Bräutigam! Übrigens, meine Liebespfeile scheinen in dieses dicke Herz gedrungen zu sein, damit wäre meine Aufgabe gelöst! Zur Seite ab.


Phlegmatisch.
AGNES.
Oh, das is stark, der eifert mit'n Hutzibutz!Lachend in die Seitentüre ab.
7. Szene
Siebente Szene

1.2.3.4.

SchlafFad,Brigitte,Schlankel,

(allein)CyprianIrene, dannIsabella, dann

HutzibutzHutzibutz


Melancholisch.

BRIGITTE
zur Mitte eintretend.
Die Schicksalsstund' für mein armes Fräulein hat geschlagen!

[100] Sanguinisch.
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.

Ich muß nachschaun, wie's da vorwärts geht. Schaut in das Schlüsselloch der Seitentüre. Scharmant, der lamentiert ihr grad eine Liebeserklärung vor.


Melancholisch.
IRENE
aus der Seitentüre eintretend.
Ach, Brigitte, stell' dir vor!
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend.

Der Schlankel läßt fragen, ob der schon verliebt ist in Ihnen, ich muß ihm die Post ins Kaffeehaus bringen.


Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Die Bella kommt!
ISABELLA
aus der Seitentüre tretend.
Sie sind da?
SCHLANKEL.
Ja, ich bin's und bin glücklich, Ihnen endlich allein zu finden.

Melancholisch.
IRENE.
Sag' Er ihm, ich werde von dem Fremden bereits bis zum Wahnsinn geliebt.

Sanguinisch.
ISABELLA.
Ach, wie ich Ihnen seh', fallt mir völlig eine Zentnerlast aufs Herz.
SCHLANKEL.
Das is das Wahre, schwere Herzen sind das Produkt von Liebe und Zärtlichkeit.

Melancholisch.
HUTZIBUTZ
jetzt erst Brigitten gewahrend.
O je, wir sprechen da so vertraut, und eine dritte Person steht da!

Sanguinisch.
ISABELLA.
Ich möcht' davonlaufen, wenn ich Ihnen seh'!
SCHLANKEL.
Das is schön, diese Scheuchigkeit is das Veilchen im Liebesstrauß.

[101] Melancholisch.
IRENE.
Die wird den Plänen ihres geliebten Schlankels nicht entgegentreten.
HUTZIBUTZ.
Wie? Sie liebt, diese dritte Person?
BRIGITTE.
Ach!
HUTZIBUTZ.
Den Schlankel? Und wird ihn auch heiraten, diese dritte Person?
BRIGITTE.
Ach!
HUTZIBUTZ.
Das ist ein Trost für mich!

Sanguinisch.
ISABELLA.
Wenn ich bedenk', wie ich an dem armen Hutzibutz handle, so komm' ich mir wie eine Verbrecherin vor.
SCHLANKEL.
Das is gut.

Melancholisch.
HUTZIBUTZ.

Jetzt bin ich wegen dem Schlankel beruhigt und wegen der Bella beruhigt, ich gehe mit doppelter Beruhigung ab. Zur Mitte ab.


Cholerisch.
SCHLAF
im Schlaf.
Scharmanteste Braut!

Phlegmatisch.
FAD
zur Mitte eintretend, Cyprian folgt.

Nein, wie das einen Menschen hernimmt, wenn man so drei Viertelstund' in einem fort spazieren fahrt! Sinkt in den Lehnstuhl. O, himmlischer Schlafsessel!

CYPRIAN.
Euer Gnaden, der Bräutigam is schon da!
FAD.
Hab' jetzt keine Zeit, davon Notiz zu nehmen.
CYPRIAN.
Er is wieder fortgegangen.

Melancholisch.
BRIGITTE
zu Irenen.
Mit Ihnen wird alles noch gut ausgehn, aber ich unglückliche hoffnungslos Liebende!

[102] Phlegmatisch.
FAD.
Gib einmal ein' Ruh'! Cyprian geht zur Mitte ab, Fad schläft ein.

Sanguinisch.
ISABELLA.

Ich bin verliebt in Ihnen, aber ich kann mich nicht recht g'freun drüber, weil ich weiß, wie sich der Hutzibutz kränken wird.

SCHLANKEL.
Das is ja aber gerade der Sucus dabei!
ISABELLA.
Ach, gehn S', wie könnt' ich denn so schadenfroh sein?
SCHLANKEL.

Das muß sein, die Würze jeder Freude is ja die Dosis Schadenfreude, die dabei ins Spiel kommt. Hab' ich ein Geld, so g'freut's mich, aber das Pikante daran is, daß andere kein Geld haben. Hab' ich eine Equipage, so g'freut's mich, aber das Interessante dabei is, daß andere z' Fuß gehn müssen. Hab' ich eine Geliebte oder ein Weib, so g'freut's mich, aber die Pointe is doch das, wenn mich andere drum beneiden. Drum, eine Geliebte, die nicht einen andern sitzen laßt wegen mir, so daß sich der andere halbtot kränkt, die könnt' mich gar nicht glücklich machen.

ISABELLA.
Aber Sie sind ein schlimmer Mann, Sie!

Melancholisch.
BRIGITTE
geht zur Mitte ab.

Sanguinisch.
SCHLANKEL.
Alles eins, jetzt laß uns aber unsere Liebe durch einen Kuß manifestieren.
HUTZIBUTZ
zur Mitte eintretend, stutzt.
Ich hab' dich im Kaffeehaus g'sucht und nicht g'funden.
SCHLANKEL.
Das is natürlich, weil ich da bin.
HUTZIBUTZ.
Du hast aber g'sagt –
SCHLANKEL.
Daß ich ins Kaffeehaus geh', das g'schieht jetzt. Geht zur Mitte ab.
8. Szene
[103] Achte Szene

1.2.3.4.

Der Vorige;FadIreneIsabella,

Walburga(allein, schläft(allein)Hutzibutz,

ruhig fortdann Marie


Phlegmatisch.

FAD
schläft ruhig fort.

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Isabella!
ISABELLA.
Na, was soll's denn mit dem wichtigen G'sicht?
HUTZIBUTZ.
Deine Behandlung gegen mich hat bereits das Gebiet der Mißhandlung betreten.

Cholerisch.
WALBURGA
aus der Seite.
Das Zimmer soll frei bleiben, wenn ich ihn nur da wegbrächt'! Ihn wecken wollend. Herr von Schlaf –!

Sanguinisch.
ISABELLA.
Aber, Hutzibutz, du bist ein Narr!
HUTZIBUTZ.
Was nicht is, kann werden.
ISABELLA.
Wir haben ja verabredet, daß ich dem Schlankel eine Neigung heucheln soll!
HUTZIBUTZ.
Ich hab' es aber nur zum Scherze erlaubt!
ISABELLA.
Na, du wirst doch nicht glauben, daß es mir Ernst ist?

Cholerisch.
WALBURGA.
Das wird was brauchen! Ruft lauter. Herr von Schlaf!

Melancholisch.
IRENE.

Noch kein Mädchen auf dieser Erde war so unglücklich als ich! Setzt sich gesenkten Hauptes auf den Stuhl und verweilt in dieser Stellung.


[104] Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Ich find' ihn allein bei dir!
ISABELLA.
Ja, freilich, hätt' ich 'n denn hinausschaffen sollen?

Cholerisch.
WALBURGA.
Ja, es muß sein, da nützt nichts! Den Sessel rüttelnd. Herr von Schlaf!
SCHLAF
erwachend und gähnend.
Wa – was gibt's denn? Ah, Fräulein Braut!

Sanguinisch.
HUTZIBUTZ.
Er hat dich umgearmt, und das hab' ich auch nur zum Scherze erlaubt.
ISABELLA.
Hör' auf, jetzt wirst mich bald bös machen.

Cholerisch.
WALBURGA.
Sie ruhen hier so unbequem, wollten Sie sich nicht hinüber aufs Kanapee bemühen?
SCHLAF.
Kanapee? O göttliches Wort! Ich gehorche, schöne Braut! Geht schlaftrunken zur Seite ab.

Sanguinisch.
MARIE
lachend, aus der Seite.

Nein, dieser Herr von Schmerz ist vor Liebes-Schmerz ganz weg! Aber was seh' ich denn da für König-Verdruß- G'sichter?

HUTZIBUTZ.

Fräulein Marie, diese Person betragt sich – ich kann keinen gelinderen Ausdruck wählen als: »sie betragt sich!« – und ich – ich hab' es doch nur zum Scherze erlaubt! Geht mit unterdrückten Tränen ab.


Cholerisch.
WALBURGA.
Dem Himmel Dank, das Terrain wäre frei! Zur Mitte ab.
9. Szene
[105] Neunte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)FadIrene, HerrMarie,

(schläft ruhigvon Glück,Isabella,

fort)dann Brigitte,Herr von

Lisette,Schmerz

Margareth


Sanguinisch.

SCHMERZ
traurig aus der Seite.
Warum flieht mich meine Braut?

Melancholisch.
GLÜCK
sehr lustig, aus der Seite.
Wo steckt denn meine Angebetete? Und warum denn so niedergeschlagen?

Sanguinisch.
MARIE.

Wenn ich auch fort bin, wie können Sie denn wissen, ob nicht meine Gedanken bei Ihnen zurückgeblieben sind?


Melancholisch.
GLÜCK
beiseite.

Das ist ein lieber Schatz! Wir werden sie schon aufheitern, nur Geduld, die muß noch so lustig werden als ich!


Sanguinisch.
SCHMERZ.

So wie das Nordlicht flimmert am mitternächtlichen Pole, so taucht Ihre Liebe auf am Horizonte meines Lebens, um einen matten Strahl in meines Herzens Finsternis zu senken.

ISABELLA
für sich.
Das sind die neuen Galanterien, die wir erst kriegt haben.

Melancholisch.
GLÜCK.

Mir fallt da was ein, meine Holdeste. Wo sind denn die Dienstleute? Zur Mitteltüre hinausrufend. Heda! Herein, was Händ' und Füße hat! Zu Irenen.

[106]
Wir werden einen kleinen Ball arrangieren für heute Abend.
IRENE.
Einen Ball? Was fällt Ihnen ein? Der Vater liebt Einsamkeit und Stille!
GLÜCK.
O, ich werd' einen ganz andern Ton einführen im Haus!

Sanguinisch.
MARIE
zu Schmerz.

Sie müssen schon verzeihen, wenn ich Ihren lieblichen Redensarten nicht länger zuhören kann, die Anordnungen zum heutigen Ball –

SCHMERZ.
Ball? Ball? Unausstehliches Wort! Wo soll Ball sein?
MARIE.
Hier! Der Vater hat ihn für heute zur Feier unserer Verlobung angeordnet.
SCHMERZ.
Muß abgesagt werden!

Melancholisch.

BRIGITTE, LISETTE UND MARGARETH treten durch die Mitte ein.
BRIGITTE.
Was befehlen der gnädige Herr?
GLÜCK.

Treibt auf, was nur in Eile aufzutreiben ist, bestellt Musikanten, kauft Eßwaren, was gut und teuer ist! Wein, viel Wein! Und unzählige Wachskerzen! Da ist Geld! Gibt Margarethen eine Börse. Nur fort, schnell, lüftig, behende! Lisette und Margareth zur Mitte ab.


Sanguinisch.
SCHMERZ.

Ein Ball, das wär' mein Tod! Zu Isabella. Schicke Sie schnell überall herum, kein Ball, durchaus nicht, wird alles abgesagt!


Melancholisch.
BRIGITTE.
Aber –
GLÜCK.
Die Alte muß mit mir, die wird G'schäfte bekommen, daß sie nicht weiß, wo ihr der Kopf steht!

[107] Sanguinisch.
ISABELLA.
Ja, aber –
SCHMERZ.
Ich nehme jede Verantwortung auf mich!
MARIE.
Wie es mein Bräutigam wünscht, so soll's geschehen!
ISABELLA.
Gut! Zur Mitte ab.

Melancholisch.
GLÜCK
zu Irenen.

Ich habe in meinem Wagen einen Freund mitgenommen von Straßburg mit zwei Töchtern, liebe, lustige Leute; die hol' ich, sie haben hier viele Bekannte, ich habe auch einige Bekannte aus früherer Zeit, die müssen alle kommen, diese Bekannten, das soll ein Ball werden aus dem Stegreif, comme il faut! Eilt zur Mitte ab und zieht die langsame Brigitte mit sich fort.


Sanguinisch.
SCHMERZ.

Ich habe meine Tante mitgebracht und deren Schwager, zwei mir seelenverwandte, stille, düstere Wesen, außer diesen will ich nichts von Gästen bei unserer Verlobung sehen.

MARIE.
O, ich freu' mich schon auf diese Bekanntschaft, ich bin sogleich wieder da. Zur Mitte ab.
10. Szene
Zehnte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Der Vorige;IreneHerr von

Cyprian,(allein)Schmerz,

dann Herrdann Froh

von Sturm


Melancholisch.

IRENE
allein.
Himmel, was wird das werden!

Sanguinisch.
FROH
noch von außen.
Also is er schon da?
SCHMERZ.
Mein Freund Trüb kommt nach Hause.
[108]
FROH
zur Mitte eintretend.
Freund, alter Ami!
SCHMERZ.
So kann ich endlich meine Tränen fließen lassen an deiner Brust! Sinkt ihm schluchzend an den Hals.

Phlegmatisch.
CYPRIAN
zur Mitte eintretend.
Er kommt wieder, er lärmt grad über die Stiegen herauf – Zu Fad, nähertretend. Euer Gnaden –

Sanguinisch.
FROH.

Na, na, so sei nur wieder g'scheit. Mir sind auch vor Freud' die Tränen in die Augen kommen, aber gar so weinen –

SCHMERZ.
O gönne mir diesen Genuß!

Phlegmatisch.
STURM
ungestüm zur Mitte eintretend.

Ich konnte des Kerls nicht habhaft werden, aber nur Geduld, Geduld, er läuft mir noch in die Hände, und dann zermalme ich, zerreiß' ich den Schuft!

CYPRIAN.
Still, still, der gnädige Herr schlaft!
STURM.

Wie? Was? Das ist er? Der Vater schläft, wenn der Ruf der Tochter gefährdet ist? Auf, betörter Alter, die Stimme der Ehre sei die letzte Posaune deiner Ruhe! Auf, erwache! Rüttelt ihn.


Sanguinisch.
FROH.
Aber Freund, hörst noch nicht bald auf?
SCHMERZ.
Nein, nie – nie!

Phlegmatisch.
FAD.
Wa – was gibt's denn?
STURM.

Was es gibt? Ein von einem zudringlichen Verführer verfolgtes Mädchen, das ist deine Tochter, einen wütenden Bräutigam, der bin ich, und einen schläfrigen Vater, der bist du!


[109] Sanguinisch.
FROH.
Is dir denn was geschehn?
SCHMERZ.
Die Erinnerung an unsere Jugend –!
FROH.
Die is ja höchst lustig!

Phlegmatisch.
CYPRIAN
zu Fad.
Das is der Herr von Straßburg!
FAD.
Mein alter Spezial! G'freut mich unendlich!
STURM.

Mich freut's aber nicht, was ich für Entdeckungen gemacht! Deine Tochter ist ein Engel, aber der – der –

FAD
in der Meinung daß Sturm von Robert spricht.
Mein Gott, der junge Mensch ist halt versprengt in sie, und Jugend – Jugend –
STURM
Hutzibutz meinend.

O, gar so jung ist er nicht! Aber der Teufel soll ihm das Licht halten, wenn er ihr noch ferner nachlauft!

FAD.
Freund, bis Straßburg lauft keiner!
STURM.

Du nimmst das leicht, worüber ich ergrimme, wüte, rase. Er soll mir aber nicht entgehn, ich finde ihn, ich muß ihn finden, eher ruh' ich nicht!Wütend zur Mitte ab.


Sanguinisch.
SCHMERZ
wehmütig den Kopf schüttelnd.

Erinnerung ist ein schadenfroher Mahner an eine entschwundene schöne Zeit, drum liegt gerade im Wiedersehn ein tiefer, unnennbarer Schmerz!


Melancholisch.
IRENE
aus der Lade des Tisches ein Portefeuille nehmend.

Mein Tagebuch, du Kette bitterer Leiden, nimm den heutigen als den unseligsten auf!Setzt sich zum Tischchen und schreibt in das Tagebuch.


Sanguinisch.
SCHMERZ.

Ich muß dich auf einen Augenblick verlassen – es ergreift mich zu mächtig – Im Übermaß des Gefühls. es zersprengt mir die Brust –! Stürzt zur Seitentüre ab.


[110] Phlegmatisch.
FAD.

Das is ein schrecklicher Mensch, wie sich der geändert hat in die Jahre, seitdem ich ihn nicht gesehn hab', als wenn's gar nicht der nämliche wär' –


Sanguinisch.
FROH
allein.
Der is wie ausgewechselt!
11. Szene
Elfte Szene

1.2.3.4.

Braus, SchlankelFad,IreneFroh,

(als bramarbasierenderdann(allein)Marie

Abenteurer verkleidet),Agnes

später Edmund


Sanguinisch.

MARIE
tritt zur Mitte ein.
FROH.
Du, Marie, hast den Bräutigam schon g'sehn?
MARIE.
O ja! –
FROH.
Wie g'fallt er dir denn?
MARIE.
Gut, sehr gut! Papa, ich bin Ihnen sehr verbunden für diese Wahl! Zur Seite ab.

Cholerisch.
BRAUS
vom verkleideten Schlankel verfolgt.
Herr, jetzt hab' ich's satt, gehn Sie mir vom Leib!
SCHLANKEL.
Nein, ich gehe Ihnen auf den Leib, Sie haben mich an der Ehre gekränkt, das fordert Blut!
BRAUS.
Lassen Sie mich ungeschoren!
SCHLANKEL.
Nein, das kann nicht sein, denn Sie haben meine Ehre auch nicht ungeschoren gelassen.

Sanguinisch.
ROH
allein.
Der g'fallt ihr!

[111] Cholerisch.
BRAUS.
Was ich Ihnen getan, ist so viel als nichts!
SCHLANKEL.
Sie haben mich in der Weinstube auf den Stiefel getreten, das hat mich an meiner Ehre gekränkt.
BRAUS.
Steckt denn Ihre Ehre in dem Stiefel?
SCHLANKEL.

Ja, denn ich stecke im Stiefel, und die Ehre steckt in mir, folglich steckt sie auch im Stiefel so gut als ich.


Phlegmatisch.
FAD
in die Seitentüre rufend.
Tochter!

Cholerisch.
BRAUS.
Ich habe Ihren Fuß unter dem Tisch gar nicht bemerkt.
SCHLANKEL.
Diese Achtlosigkeit gegen meine Person war schon Beleidigung, Sie müssen sich schlagen!

Melancholisch.
IRENE
schreibend.
Solche Schläge treffen hart!

Cholerisch.
BRAUS.
Ich lasse Sie augenblicklich von meinen Leuten hinunterwerfen!
SCHLANKEL.
Da klammere ich mich fest an Ihnen, und Sie fliegen mit!
BRAUS.
Was wollen Sie denn aber ins Teufelsnamen?
SCHLANKEL.
Nichts als Ihr Blut!

Sanguinisch.
FROH
allein.
Ein trauriger Gusto, was das Madl hat!Geht kopfschüttelnd auf und nieder.

Cholerisch.
SCHLANKEL.

Die Ehre ist die feine Wäsche, in welche sich die Seele des Gebildeten kleidet, drum muß so eine Ehre auch fleißig gewaschen werden, das geht aber nicht mit Wasser und Seife, nur mit dem Blut des Beleidigers wäscht man die Ehre rein.

[112]
BRAUS
durch Schlankels imponierende, bramarbasierende Haltung immer mehr in die Enge getrieben, für sich.
Verfluchter Handel! Laut. Ich bin zu alt zu einem Duell.
SCHLANKEL.

Ist nicht meine Schuld, warum haben Sie mich nicht vor zwanzig Jahren beleidigt? Übrigens wäre das gar nicht möglich gewesen, weil ich noch ein Bube war. Mit einem Wort, es gibt keine Ausrede, hier sind Pistolen! Zieht zwei Pistolen aus der Tasche.

BRAUS
für sich.
Verdammt! Wie werd' ich den Kerl los?
SCHLANKEL.
Ich trage immer zwei geladene bei mir, damit ich sie gleich bei der Hand habe.

Phlegmatisch.
FAD
wie oben.
Tochter!

Sanguinisch.
FROH
mustert einige Galanteriesachen, die er in einem Karton mitgebracht.

Cholerisch.
SCHLANKEL.
Wählen Sie! Hält ihm die Pistolen hin.
BRAUS.
Nein, sag' ich!
SCHLANKEL.
Herr, wenn Sie sich weigern, so schieß' ich Sie nieder wie eine Wachtel! Geht auf ihn los.
BRAUS.
Der Kerl ist rasend! Heda, Leute! Herbei! Zu Hilfe!
EDMUND
tritt zur Mitte ein.
Was geht hier vor?
BRAUS.
Der Mensch will mich umbringen!
SCHLANKEL.
Weil er sich nicht schlagen will.

Phlegmatisch.
AGNES
von der Seite.
Sie haben geruft, Papa?
FAD.
Hast'n schon g'sehn?
AGNES.
Ja!

[113] Cholerisch.
EDMUND
nachdem er mit Schlankel ein Zeichen des Einverständnisses gewechselt hat.

Herr von Braus, Sie haben recht, wenn Sie das Duell vermeiden, Sie sind zu aufgeregten Gemütes, und zur Pistole gehört sich Kälte und eine ruhige Hand. Ich mache mir ein Vergnügen daraus, statt Ihnen dem Bramarbas eine derbe Lektion zu geben. Zu Schlankel. Ihnen ist's doch gleich, ob Sie sich mit mir oder mit dem Herrn schlagen?

SCHLANKEL.

Ganz egal, die Beleidigung fordert Blut, das des Beleidigers oder dessen Stellvertreters, alles eins!

EDMUND.
So kommen Sie, mein Herr!
SCHLANKEL.

Ins Gehölz außer dem Wall. In fünf Minuten sollen Sie die Todeswunde ober dem vierten Westenknopf empfinden. Blut, das sei die Losung! Mit Edmund durch die Mitte ab.

BRAUS
sich jetzt erst von seinem Erstaunen über Edmund erholend.

Der Mensch schlägt sich für mich, und wenn ich nicht irre, so hab' ich ihn heut' vormittag geprügelt! Das ist viel, sehr viel!


Phlegmatisch.
FAD.
Wie g'fallt er dir denn?
AGNES.
Gut, sehr gut!
FAD.
Mir nicht!

Cholerisch.
BRAUS.

Hm, die kaltblütigen Leute sind doch auch zu etwas gut. – Ich muß mir das abgewöhnen, überall Händel anzufangen, denn 's wird leicht zu ernsthaft.


Phlegmatisch.
FAD.

Ich muß nur schauen, wo er hin'gangen is, daß er mir keinen Skandal macht im Haus! Nur Ruhe, nur Ruhe! Geht zur Mitte ab.


Cholerisch.
BRAUS.

Aber einer ist im Weinhaus gesessen, der hat gelacht über mich, wie ich gefordert wurde, den muß ich [114] koram nehmen, vielleicht ist er noch dort, der Schuft! Mit steigender Heftigkeit. Dem kann ich's nicht schenken! Zur Mitte ab.

12. Szene
Zwölfte Szene

1.2.3.4.

(BühneAgnes, dann Isabella,Irene, dannFroh,

frei)dann Hutzibutz, dannTrüb, danndann

Schlankel, dann HerrHerr vonIsabella

von Sturm, dann FadGlück


Phlegmatisch.

AGNES
lachend.
Der Vater hat's heut' g'nötig!
ISABELLA
durch die Mitte eintretend.

Ich küss' die Hand, Fräulein Agnes, der Schlankel hat g'sagt, ich möcht' Sie bitten, die Tür, die von die rückwärtigen Zimmer auf die Stiegen führt, aufzusperren.

AGNES.

Die Schlüssel liegen alle drin auf mein' Tischel, sein S' so gut, Bella, Sie werden schon den rechten finden, und sperren S' auf.

ISABELLA.
Gleich, Fräulein Agnes, gleich! Zur Seite ab.
HUTZIBUTZ
tritt zur Mitte ein.
Das war die Bella? Was macht denn die Bella da?
AGNES.
Der Schlankel will, daß –
SCHLANKEL
tritt zur Mitte ein.
Ich bitt', is die andere Tür schon aufg'sperrt?
AGNES.
Die Bella sucht grad den Schlüssel.
SCHLANKEL.
Es is notwendig, man kann nicht wissen, wegen retrograden Bewegungen – Schnell in die Seite ab.
HUTZIBUTZ
ängstlich.
Jetzt geht der in das Zimmer, wo die Bella is!
AGNES.
Na, was schad't denn das?
HUTZIBUTZ.
O, Fräulein Agnes, Sie glauben nicht, meine liebe Fräulein Agnes –
AGNES.
Warum nicht gar, nur g'scheit sein!
[115]
STURM
ist zur Mitte eingetreten und hat bereits die letzten Worte des Hutzibutz gehört, vorstürzend.
Aha! Jetzt ist alles offenbar!

Sanguinisch.
FROH
noch immer mit der Musterung des Eingekauften beschäftigt.
Die Überraschung wär' da, und ich weiß nicht, durch wen ich die Sachen überschicken soll.

Phlegmatisch.

STURM: »Meine Liebe« sagen Sie zu dem Fräulein, und sie ermahnt Sie vergebens, gescheit zu sein? Aufdringlicher Fant, sei'n Sie, wer Sie wollen, jetzt haben Sie's mit mir zu tun!

HUTZIBUTZ
äußerst erschrocken.
Ich bitt', Euer Gnaden –!
STURM.
Keinen Laut, oder –! Zu Agnes. Lassen Sie uns allein, mein Fräulein!

Melancholisch.
TRÜB
tritt zur Mitte ein.
Er ist schon hier?
IRENE
aufstehend.
Ja.

Phlegmatisch.
AGNES.
Sie glauben doch nicht –
STURM.
Ich weiß, daß Sie unschuldig sind, aber Ihr Verfolger verdient Züchtigung! Lassen Sie uns!
AGNES
im Abgehen, für sich.
Jetzt kommt der über 'n Hutzibutz! Geht kichernd zur Mitte ab.
STURM.
Nun, Herr, sollen Sie mir nicht mehr entrinnen!
HUTZIBUTZ.
Ja, was soll denn g'schchn? Für sich. Ich bin in Todesangst!
STURM
sperrt die Seitentüre zu.
HUTZIBUTZ
für sich.

Jetzt sperrt er den Schlankel und die Bella ein! Laut und nach der Seitentüre zeigend. Um alles in der Welt, nur dort nicht zusperren!

STURM.
Kein Ausweg soll Ihnen offen bleiben!Sperrt die Mitteltüre zu.

[116] Melancholisch.
TRÜB
zu Irene.
Du sprichst nichts?

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Ich bin in einer entsetzlichen Lag'.

Melancholisch.
IRENE.
Ich werde als gehorsame Tochter handeln.

Phlegmatisch.
STURM.
Jetzt, Herr, stehen Sie mir Rede!
HUTZIBUTZ
ängstlich nach der Seitentüre blickend.
Ich hab' es nur zum Scherze erlaubt.
STURM.
Das Fräulein ist meine Braut, und Sie unterstehen sich –
FAD
von außen an der Mitteltüre klopfend.
Aber aufmachen! Was sein denn das für Dalkereien?

Sanguinisch.
FROH.
Wenn nur der Schlankel da wär'! Zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Der Herr von Fad! Gott sei Dank! Zu Hilf', Euer Gnaden, zu Hilf'!
STURM
grimmig.
Das soll Ihnen nichts nützen!Macht die Mitteltüre auf.
HUTZIBUTZ.
Das kost't mich zehn Jahr' von mein' Leben.
FAD
zur Mitte eintretend.
Aber was gibt's denn da?

Sanguinisch.
ISABELLA
tritt zur Mitte ein.
Das wär' in der Ord- nung! Zur Seite ab.

Phlegmatisch.
STURM
auf Hutzibutz zeigend.
Den Verfolger deiner Tochter hab' ich hier gefangen!

[117] Melancholisch.
TRÜB.
Wie gefällt er dir?

Phlegmatisch.
FAD
in der Meinung, Hutzibutz habe eine Post von Robert gebracht.
So gibt denn der Stiefelputzer noch kein' Fried'?!
STURM.
Stiefelputzer –?

Melancholisch.
IRENE.
Es ist eine gute Wahl, die Sie getroffen.

Phlegmatisch.
FAD
zu Hutzibutz.
Hinaus, Postenträger! Helfershelfer! Marsch!
HUTZIBUTZ.

Ich gehe, aber nur dort sperren Euer Gnaden auf! Zeigt dringend bittend nach der Seitentüre und geht zur Mitte ab.


Melancholisch.
GLÜCK
zur Mitte eintretend, zu Trüb.

Nun wart', ich werd' dich lehren, nicht zu Hause zu sein, wenn man ankommt! Her da! Handschlag, Umarmung, Bruderkuß! So, jetzt steht die alte Freundschaft jung wieder da!


Phlegmatisch.
STURM.
Wie? Also der Mann wäre –?
FAD.
Mein Stiefelputzer –

Melancholisch.
TRÜB.
Bist du's wirklich? Du bist ganz anders geworden!
GLÜCK
immer sehr jovial.

Von außen nur, Herz und Geist sind jung und frisch geblieben! Gefall' ich dir etwa nicht? Deiner Tochter gefall' ich, und um dich wird gar nicht mehr gefragt!


[118] Phlegmatisch.
FAD.
Und du machst gleich so närrische G'schichten im Haus!
STURM.

Du hast aber auch »Postenträger, Helfershelfer« gesagt, da muß ich ins klare kommen, Licht muß ich haben! Stürzt zur Mitte ab.


Melancholisch.
TRÜB
den Kopf schüttelnd, für sich.
Den haben die Jahre umgewandelt, wie verzaubert!
13. Szene
Dreizehnte Szene

1.2.3.4.

(Bühne frei)Fad,Trüb,(Bühne frei)

dann Schlankel,Irene,

dann Hutzibutz,Glück

dann Cyprian,

dann Robert


Phlegmatisch.

FAD
allein.

Der is allweil oben aus – und der Agnes g'fallt er, ich begreif' nicht, wie eine leibliche Tochter von mir so einen rabiaten Geschmack haben kann.

SCHLANKEL
als Regimentsbandist, durch Bart unkenntlich gemacht, tritt durch die Mitte ein, mit verstelltem Sprachorgan.
Mein Kamerad nicht da?
FAD
erstaunt.
Was geht mich dem Herrn sein Kamerad an?
SCHLANKEL.
Grad so viel wie ich; wir sind alle zwei einquartiert bei Ihnen. Überreicht ihm einen Zettel.
FAD
betroffen.
Einquartierung?

Melancholisch.
GLÜCK.
»Lustig-lebendig!« ist mein Wahlspruch.
TRÜB.
Meine Lust ist bei den Toten.

[119]
Phlegmatisch.
SCHLANKEL.

Sein Sie froh, daß Sie keine groben, rohen Menschen bekommen, ich und mein Kamerad, wir sind einer so gebildet wie der andere. Wirft sich in den Schlafsessel.

FAD
ganz verblüfft.
Einquartierung –? Es is möglich, auf dem Zettel steht's, aber Einquartierung is bei uns so selten –
SCHLANKEL.
Daß Sie sich um so mehr jede Ungelegenheit gefallen lassen müssen!
FAD.
Bedank' mich!

Melancholisch.
GLÜCK.
Alter Freund – Für sich, erstaunt. nein, der hat sich geändert seit seiner Jugend!

Phlegmatisch.
FAD.
Wer ist denn der Herr eigentlich?
SCHLANKEL.

Ich bin Mohr bei der Banda. Der Mohr nämlich von uns, der ein Virtuos auf die Tschinellen war, ist des Todes verblichen, da hat man an mir das Tschinellentalent entdeckt, und jetzt bin ich der Mohr beim Regiment.


Melancholisch.
GLÜCK
für sich.

Ich will mich lieber an die Braut halten. Läßt sich mit Irenen in ein Gespräch ein, währenddem Trüb wehmütig im Anschaun des Bildes verloren bleibt.


Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ
ebenfalls als Regimentsbandist verkleidet, karikiert und sehr dick gemacht, tritt zur Mitte ein.
Ah, du bist schon da, Kamerad? Wo ist denn der Seehund, bei dem wir einquartiert sind?
SCHLANKEL
zu Fad.

Machen Sie sich nichts daraus, das sagt er nur so unbekannterweis'! Leise zu Hutzibutz. Stell' dich betrunken!

[120]
HUTZIBUTZ
leise zu Schlankel.
Wenn ich's nur triff!
SCHLANKEL
wie oben.
Denk' dir, es is halber zehne auf d' Nacht, und es kann dir gar nicht fehlschlagen.
HUTZIBUTZ
schreiend.

Hollaho! Wein her! Wein!Zu Fad. Man laufe in den Keller und bringe den besten herauf, wenn man anders auf diskrete Behandlung rechnen will!

SCHLANKEL
zu Fad.
Hurtig, schnell, sollte schon da sein!
FAD
ängstlich für sich.
Das sind schreckliche Leut'!In die Seitentüre rufend. Agnes, ein Wein!
SCHLANKEL
zu Hutzibutz.
Sind unsere Waffen da?
HUTZIBUTZ.
Draußt hab' ich s' liegen lassen im Vorzimmer.
FAD.
Waffen?
SCHLANKEL.
Besorgen Sie nichts, hier wird nicht gehauen, nicht geschossen, wir sind von der Banda.
HUTZIBUTZ.

Unsere Waffen sind die musikalischen Instrumente. Aber Übung haben wir nötig, viel Übung und Exerciz.

SCHLANKEL.

Ja, ja! Ruft zur Mitteltüre hinaus. Unsere Sachen! Zu Fad. Der neue Marsch, den wir einstudieren, ist schwierig. Wirft zwei Notenblätter auf den Tisch.


Melancholisch.
GLÜCK
zu Irenen, welche ihm das Tagebuch gezeigt.
Ich werd' wohl unter heutigem Dato auch notiert werden in das Tagebuch?

Phlegmatisch.
CYPRIAN
kommt keuchend mit einer sehr großen türkischen Trommel, dem dazugehörigen Schlegel und zwei Tschinellen herein.
FAD.
Die werden doch nicht gar –?
HUTZIBUTZ.
Aha, mein Holz- und Lederinstrument.
SCHLANKEL
zu Fad.
Sie können die Noten halten, und Auf Cyprian deutend. der auch.
[121]
FAD.

Meine Herrn, das geht nicht so, das Benehmen – ich werd' klagen beim Stab, und dann kriegen S' was mit 'm Staberl. Zeigt Schläge.

SCHLANKEL.
Himmel –
HUTZIBUTZ.
Tausend –
SCHLANKEL.
Mord –
HUTZIBUTZ.
Donnerwetter –
SCHLANKEL.

Hinein! Man will uns drohen? Klagen Sie, wo Sie wollen, aber nicht eher, als bis Sie uns bei unserer Musikübung den nötigen Dienst erwiesen, sonst kommen Sie nicht als a Ganzer zum Zimmer hinaus. Himmel –

HUTZIBUTZ.
Tausend –
SCHLANKEL.
Mord –
HUTZIBUTZ.
Donnerwetter –
SCHLANKEL.
Hinein!
CYPRIAN
zu Fad.

Tun wir's gutwillig, Euer Gnaden, sonst sind wir des Todes! Fad nimmt ein Notenblatt, Cyprian das andere, der eine stellt sich vor Hutzibutz, der andere vor Schlankel; Hutzibutz schlägt türkische Trommel und Schlankel klirrt dazu auf den Tschinellen.

FAD
desperat.
Den Lärm halt' ich nicht aus!
HUTZIBUTZ
Fad im musikalischen Eifer anfahrend.

Jetzt haben Sie mich irr' gemacht! Das letzte Bumbumbum ist so schwierig, und Sie reden mir drein! Noch einmal! Macht wieder einige Schläge auf der Trommelt Schlankel dazu auf den Tschinellen.

SCHLANKEL.
Verdammt! Mir mißlingt jede Passage!
HUTZIBUTZ.
Ich bring' keine halben Töne heraus.

Melancholisch.
GLÜCK
zu Trüb.
Was sollen die Seufzer?

Phlegmatisch.
SCHLANKEL
zu Fad.

Das macht, weil wir uns geärgert haben über Sie. Glauben Sie, wir sind da, um uns von Ihnen Grobheiten sagen zu lassen?

[122]
HUTZIBUTZ.
Ein Bandist ist so viel als irgendein anderer Bandist!
SCHLANKEL.
Die Affäre vor zehn Jahren haben wir entschieden!

Melancholisch.
GLÜCK
zu Trüb, welcher ihm das Bild zeigt.
Deine Gattin?

Phlegmatisch.
HUTZIBUTZ.
Die Bestürmung der steinernen Schiffbrücke.
SCHLANKEL.

So stand die Brücke – Wirft den Lehnstuhl um, so daß die Lehne nach vorne auf den Boden kommt. Kartätschen flogen, daß sie die Sonne verfinsterten. Die Mannschaft wird verzagt, da heißt es: Banda vor an den Brückenkopf, einen lustigen Marsch gespielt! Die Mannschaft defiliert mit neuem Mut im Quintduplierschritt durch den Kugelregen und die Banda im Triumph nach. Hutzibutz schlägt gewaltig in die Trommel, Schlankel in die Teller, und sie marschieren an dem schrägliegenden Lehnstuhl hinan, Schlankel vorn auf der umgestürzten Stuhllehne hinauf, so daß der Lehnstuhl krachend zerbricht.

FAD
händeringend.
Mein Schlafsessel! – Das is meine letzte Stund'!
ROBERT
zur Mitte eintretend.
Höllenelement, was ist das für ein Spektakel!?
FAD.
Ach, Sie glauben nicht –
ROBERT.
Der Stuhl zertrümmert –? Hier ist Gewalttat geschehn!
SCHLANKEL
sich erschrocken stellend, für sich, jedoch so, daß es Fad hören muß.

O weh, das ist ein Freund von unserm Kapellmeister – Leise zu Hutzibutz. stell' dich nur recht ängstlich!

ROBERT
mit verstellter Wichtigkeit.
Ich kenne Ihren Vorgesetzten und werde sogleich die Anzeige tun.
HUTZIBUTZ
sich ängstlich stellend.
Schonen Sie uns, wir könnten Unannehmlichkeiten haben.

[123] Melancholisch.
GLÜCK
Trüb tröstend.
Über so was muß man sich wieder trösten!

Phlegmatisch.
FAD
wieder aufatmend, zu Robert.
Sie sind ein wahrer Retter in der Not.
SCHLANKEL
leise zu Hutzibutz.
Sitzt prächtig auf, der Alte!
ROBERT.
Nichts als nachbarliche Schuldigkeit!

Melancholisch.
GLÜCK
zu Trüb.
Bei dir hat sich der Gram zu stark einquartiert.

Phlegmatisch.
ROBERT.
Dieser Einquartierung wollen wir Meister werden. Zur Mitte ab.
SCHLANKEL.
Erlauben Sie –
HUTZIBUTZ.
Haben Sie die Güte –!

Beide folgen eilig und ängstlich Robert nach.
14. Szene
Vierzehnte Szene

1.2.3.4.

Herr vonFad,Die Vorigen;(Bühne frei)

SchlafAgnesdann Schlankel,

dann Hutzibutz


Phlegmatisch.

AGNES
aus der Seitentüre mit einer Bouteille und Gläsern.
Da is der Wein, Vater!
FAD.
Das is aber wahr, du kommst g'schwind, wenn man dich ruft!

Melancholisch.
GLÜCK
zu Trüb.

Geh, geh, laß mich aus mit deiner Malerei! In einem Trauergemälde die Hauptfigur in einem weißen Ballkleide zu malen! Laß du's lieber sein!

[124]
TRÜB.

Ballkleid – Ball – für mich ein schauderhaftes Wort! Du hast recht, in schwarzen Trauerflor gehüllt, so hatt' ich sie malen sollen!


Cholerisch.
SCHLAF
aus der Seite kommend.

Es wohnt ein Klampferer vis-à-vis, ich hab' hier weit mehr Ruhe gehabt. Setzt sich auf den Stuhl und schläft wieder ein.


Melancholisch.
TRÜB.
Das ganze Gemälde, meine letzte Freude, ist jetzt für mich so viel als vernichtet!

Phlegmatisch.
FAD
hat seiner Tochter den Vorfall erzählt.

Mein Freund und werdensollender künftiger Schwiegersohn hat mir nicht g'holfen, der rast immer in seine Eifersuchtsangelegenheiten herum.

AGNES.
Ein Zeichen, daß ihm an mir mehr liegt als an allem übrigen.

Melancholisch.
GLÜCK
zu Trüb.
Du bist wirklich ein schrecklicher Mensch!
TRÜB
sehr kleinlaut.

Überlasse mich meinem Schmerze! Du hattest recht mit deiner Bemerkung über das Bild, ich hab's verpfuscht, aber daß es mir weh tut, durch eigene Ungeschicklichkeit mir selbst den letzten Trost verdorben zu haben, das kannst du mir nicht verdenken. Komm, Irene, komm! Geht mit Irenen in die Seitentüre ab.

GLÜCK
allein.
Diese Gemütsart! So was ist mir noch nicht untergekommen!

Phlegmatisch.
FAD.
Ich weiß nicht, wie du mir vorkommst!

[125] Melancholisch.
GLÜCK.

Damit er mir nicht gar so verstimmt bleibt, muß ich ihm schon den albernen Wunsch erfüllen und muß ihm als heimliche Freude –

SCHLANKEL
tritt in seiner gewöhnlichen Gestalt zur Mitte ein.
GLÜCK.

Ah, gut, daß ich Sie wiedersehe, Freund! Könnten Sie mir nicht in der Geschwindigkeit einen Maler verschaffen? Er hat nichts zu tun als das Kleid hier schwarz zu malen.

SCHLANKEL.
Einen Maler?
HUTZIBUTZ
tritt in seiner gewöhnlichen Gestalt zur Mitte ein.
SCHLANKEL
auf Hutzibutz zeigend.
Hier ist einer!Beiseite. Auf diese Art kann ich vielleicht dem Hutzibutz Schläg' zuschanzen.
GLÜCK
zu Hutzibutz.
Ach, den Herrn hab' ich ja auch schon gesehn. Also Sie sind Maler?
HUTZIBUTZ
etwas verblüfft.

Ich –? Ja, ich bin Maler. Sich fassend. Aber nur in dunklen Gegenständen. Auf das Stiefelputzen anspielend.

GLÜCK.
Gerade das ist's, was ich brauche.

Phlegmatisch.
AGNES.

Nein, das is der Müh' wert, ich glaub', dem Vater ist's nicht recht, daß ich eine folgsame Tochter bin! Haben Sie mir nicht selbst den, über den S' jetzt räsonieren, zum Bräutigam bestimmt?

FAD.

Red' nicht so viel, du machst mich wahnsinnig! Ich bin heut' ohnedem zu sehr in der Exaltation und Aufregung. Geht zur Seite ab.


Melancholisch.
GLÜCK
zu Hutzibutz.

Hier, mein Herr, für Ihre Bemühung! Gibt ihm Geld. Malen Sie nur Auf das Bild zeigend. das Kleid ganz schwarz.

[126]
HUTZIBUTZ.
Zu Befehl; ganz dunkel-glänzend- schwarz.
GLÜCK.
Aber schnell, bitt' ich, schnell! Zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
AGNES
lachend.
Der Papa is schon über die Hälfte für 'n Robert g'stimmt. Zur Seite ab.

Melancholisch.
HUTZIBUTZ
noch nicht wissend, wie er dran ist.
Ich weiß jetzt nicht –
SCHLANKEL.
Hol' dir um zwei Gulden eine Farb' und mal' das Kleid da schwarz, und damit Punktum!
HUTZIBUTZ.
Mir is's recht, einen Stiefelputzer von Beruf setzt das in keine Verlegenheit. Zur Mitte ab.
15. Szene
Fünfzehnte Szene

1.2.3.4.

Schlaf (allein,(Bühne frei)Schlankel(Bühne frei)

schläft ruhig fort)(allein)


Melancholisch.

SCHLANKEL
allein.

Jetzt hat nur ein Haar g'fehlt, so wär' ich in allem Ernst melancholisch worden, und das is das Temperament, was ich am allerwenigsten leiden kann, es hat mich aber doch auch schon a paarmal g'habt! – Überhaupt, wer kann bei einem Temperament bleiben, die Umstände bringen's ja mit sich, daß der Mensch in alle vier Temperamente herumkugeln muß.


1.


Wenn man auch festen Charakter hat im Ehestand,
Kriegt man leicht alle vier Temp'rament' nacheinand'.
's gibt die Kaswochen-Seligkeit, die ei'm da blüht,
Ein' sanguinischen Frohsinn dem ganzen Gemüt;
Doch's dauert nicht lang, man erwacht aus dem Rausch,
Da halt't d' Überzeugung mit 'm Herzen ein' Plausch,
[127] Zeigt auf d' Wirklichkeit, wie s' absticht geg'n d' Phantasie,
Da kriegt man ein' Anfall von Melancholie;
Die Gattin is schön, 's steig'n ihr d' Anbeter nach,
Viele hab'n ja nix anders zu tun den ganzen Tag,
Die keckesten drängen sich gar bis ins Haus,
Da wird man cholerisch und wirft a paar h'naus;
's Weib begehrt viel auf Putz, so daß d' Kassa wird hin,
Man sagt ihr: Mein Engel, das schlagst dir aus 'm Sinn,
Da kriegt s' Ohnmächten und Krämpf', 's Tags dreimal auf ein' Sitz,
Da wird man phlegmatisch, nimmt gar kein' Notiz.

2.


So oft ich auf ein' Saal geh', ich bin's schon gewöhnt,
Krieg' i in einer Nacht alle vier Temp'rament'.
Wenn ich d' Madeln siech in Klüfteln von Bettiné,
Da werd' ich sanguinisch, die Wahl tut mir weh;
Ich verlieb' mich in eine, auf die hab' ich ein' Zahnd,
Ab'r ihr Tänzer, der Lackel, gibt s' nicht aus der Hand,
Da verdrießt mich die Musi, ich geh' ins Speiszimmer h'nein
Und sag' melancholisch: He, Kellner, ein' Wein!
Ich trink' a neun Seitein, ganz richtig gezählt,
Sagt der Kellner: »'s waren elfe« – so wird man geprellt,
Da muß ich acht geben, daß ich nicht z' aufbrausend wir,
Denn cholerische Schopfbeutler zucken in mir,
Ich schau' wieder in Saal, fast zu End' is der Ball,
Da hupft noch mit z'raftem Haar mein Ideal,
Ganz schachmatt und verwoiselt, wie schaut die jetzt aus?
Da geh' ich als reiner Phlegmatiker z' Haus.

3.


Die Frauenzimmer hab'n, wenn man s' recht genau kennt,
Über hundert verschiedene Temperament',
Doch heiter sanguinisch gescherzt und gelacht
Wird nur, solang d' Schönheit Eroberung macht.
[128] Die Jahreln vergehn, und es kommt keine Partie,
Auch d' Lorgnetten werden nicht mehr gerichtet auf sie,
Jetzt g'spannen s' schon was wegen Stephansturm reib'n,
Da werd'n s' melancholisch, 's ist gar nicht zum b'schreib'n,
Von jeher hab'n d' Frauenzimmer das nit vertrag'n,
Wenn man a andere g'lobt hat, o, das hab'n s' im Mag'n,
Sag'n: »A andere ist schön«, ist die Gnad' schon verlor'n,
Da werd'n s' cholerisch, da fippern s' vor Zorn;
's Frappanteste ist, wenn s' glaub'n, man hat viel Geld,
Und hör'n dann, daß 's nicht wahr ist, o je, da ist's g'fehlt,
Da sag'n s' nicht mehr feurig: Mein Herz, du mein Leb'n!
Da tun s' ganz phlegmatisch den Laufpaß ei'm geb'n.

4.


Auch a Dichter kriegt allerhand Temperament',
Nur eins nimm ich aus, was er durchaus nicht kennt.
Wenn man a Stück gibt und manch's drin auf schwächerm Grund steht,
Mit sanguinischem Leichtsinn erwart't man, wie's geht,
Jetzt wenn man aber dann g'wisse Töne vernimmt,
Sind's Schlüssel oder Pfeifen, man weiß 's nicht bestimmt,
Da steig'n ei'm die Grausbirn' auf über die G'schicht',
Da macht man ein ganz melancholisch Gesicht.
Den andern Tag sag'n nachher d' Freund: Mir is leid,
Daß d' Malör hast g'habt! Aber die heimliche Freud',
Die ihnen dabei aus die Augen 'rausschaut,
Die macht ein' cholerisch, man fahrt aus der Haut.
Doch wenn's gelingt, und 's fallt alles gut aus,
So daß gütiger Beifall erschallt in dem Haus,
Da erglüht ei'm das Innre von Dankgefühl nur,
Und da sollt' man phlegmatisch bleib'n? Gar keine Spur!

Ab.
16. Szene
[129] Sechzehnte Szene

1.2.3.4.

Herr von(BühneHutzibutz,Marie, Isabella,

Schlaffrei)danndann Frau von

(allein, schläftWalburga,Korbheim, Guido,

ruhig fort)dann Irenespäter Froh


Sanguinisch.

MARIE
kommt mit Isabella eilig aus der Seitentüre.
Die Frau von Korbheim kommt und der Guido mit ihr.
ISABELLA.
Das ist schon Schlankels Werk.
FRAU VON KORBHEIM
mit Guido zur Mitte eintretend.
Liebe Marie –!
MARIE
ihr entgegeneilend und ihre Hand küssend.
O, gnädige Frau, Sie sind also wirklich so gütig –?
FRAU VON KORBHEIM.

Und warum sollt' ich es nicht sein, warum sollt' ich mich nicht um die Herzensangelegenheiten meiner künftigen Stieftochter annehmen? Nur früher hätte man schon zu mir Vertrauen haben sollen!

MARIE.

Ich hab' ja heut' erst durch einen Zufall Ihr Verhältnis zum Papa erfahren, er war da so geheimnisvoll!

FRAU VON KORBHEIM
zu Guido.
Machen Sie mir nur auf Tod und Leben die Cour, Herr von Trüb. Schlankels Idee ist gut.
GUIDO.

Ich fürchte, ich fürchte – Spricht mit Frau von Korbheim im stillen weiter, dann mit Marie, während Frau von Korbheim mit Isabella sich in ein Gespräch einläßt.


Melancholisch.
HUTZIBUTZ
tritt zur Mitte ein, er trägt ein Wichshäferl und Pinsel.

Um zwei Gulden, meint der Schlankel, soll ich mir eine schwarze Farb' kaufen – das wär' doch ein hinausgeworfenes Geld, ich hab' ja mein Wichshäferl da! Also ans Kunstwerk! Es kommt bei allem drauf an, daß man's probiert. Wer weiß, ob ich [130] nicht ein heimlicher Maler bin.Hat sich gesetzt und fängt an, das Kleid schwarz zu malen. Es geht ja wie g'schmiert!


Sanguinisch.
FROH
zur Mitte eintretend.

Untertänigster, meine Gnädige! Küßt ihr die Hand und konversiert mit vieler Galanterie fort; bis er Guido erblickt, stutzt er.


Melancholisch.
HUTZIBUTZ
fleißig fortmalend.

Das Kolorit wird äußerst lebhaft, es geht halt nix über Kienruß und Frankfurter Schwärz'! Ist fertig geworden und betrachtet es mit Wohlgefallen. Wirklich, es is über die Erwartung gelungen!


Sanguinisch.
FRAU VON KORBHEIM
zu Froh.

Ich weiß, welches Mißverhältnis zwischen Ihnen und dem jungen Herrn von Trüb obwaltete, doch das ist jetzt vorbei, er entsagt Ihrer Tochter, wird aber fernerhin der Freund des Hauses bleiben.

FROH
in unmutiger Verlegenheit.
Gehorsamer Diener –!

Melancholisch.
HUTZIBUTZ.

Wie wär's, wenn ich ihr übers G'sicht ein' schwarzen Schleier machet? – Ja, ich will ganz den Eingebungen meiner Phantasie gehorchen.Malt über das Gesicht schwarz weg, so daß das Bild gar nicht mehr zu erkennen ist.


Sanguinisch.
FRAU VON KORBHEIM.

Er wurde mir Auf Guido. von meiner Tante in Prag so schmeichelhaft empfohlen, daß ich ihn in allen Häusern, die ich besuche, einführen werde.

GUIDO.
Sie sind zu gütig, gnädige Frau!
FROH
für sich.
Ja, das find' ich auch!

[131] Melancholisch.
HUTZIBUTZ
ist fertig geworden.

Superb! Da kann man sehen, was im Menschen oft für Talente stecken! Ich hätt' mir das nicht träumen lassen, daß ich ein Maler bin. Jetzt lehn' ich's an die Wand, daß es ruhig trocknen kann, 's wär' ewig schad', wenn wer anstreifet! Lehnt das Gemälde an die Wand, samt der Staffelei, so daß nur die Rückseite zu sehen ist. Schad', daß man bei so was nicht mit der Bürsten drüber kann.

WALBURGA
kommt eilig zur Mitte herein.
Irene! Irene!
IRENE
durch die Seite.
Wer ruft? – Ah, du bist's?
WALBURGA.
Hast du den Schlankel nicht gesehn?
IRENE.
Nein!
WALBURGA.

Ich bin so in Angst, daß der Vater gleich sehen wird, daß mein Bräutigam nicht der rechte ist, denn ich habe oft von ihm gehört, daß sein Freund Sturm auffallend pockennarbig ist. Der Vater ist zwar sehr kurzsichtig, aber das könnte er doch bemerken! Jetzt möcht' ich Schlankel konsultieren, was da zu tun ist.

HUTZIBUTZ
vortretend.
Wo ist der Bräutigam?
WALBURGA.
Ach, Er ist hier? Der Herr von Schlaf schläft oben.
HUTZIBUTZ
von einer Idee ergriffen.
Wenn er nur fest schlaft!
WALBURGA.
O, den weckt keine Kanone auf.
HUTZIBUTZ.
Und blattermaset soll er sein? Is schon recht, das werd' ich besorgen.
WALBURGA.

Ja, ja, sei Er so gut und frag' Er den Schlankel um Rat! Adieu, Irene, ich muß gehn, ich erwarte den Papa jeden Augenblick. Eilt zur Mitte ab.

IRENE.
Leb' wohl, Walburga! In die Seite ab.

Sanguinisch.
FRAU VON KORBHEIM.
Kommen Sie, Marie! Zu Guido. Herr von Trüb, begleiten Sie mich! Mit Marie und Guido in die Seite ab.

[132] Melancholisch.
HUTZIBUTZ
allein, überlegend.

Er schlaft fest. Zu was brauchen wir da den Schlankel? Wie ich ein Genie bin, brauch' ich a bissel a rote Farb' und weiter nichts. G'schwind noch ein Kunstwerk vollbracht, und mein Renommee als Maler ist gegründet! Läuft zur Mitte ab.

17. Szene
Siebzehnte Szene

1.2.3.4.

Herr von(Bühne frei)TrübFroh, Isabella,

Schlaf,danndann

Walburga,Schlankel,Schlankel,

danndanndann

HutzibutzHutzibutzHutzibutz


Cholerisch.

WALBURGA
tritt zur Mitte ein.
Der Vater noch nicht zu Hause, das ist gut! Eilt in die Seite ab.

Sanguinisch.
FROH
unruhig auf- und niederschreitend.
Bella, was sagt denn Sie dazu?
ISABELLA.
Ich? Ich kann da gar nichts sagen, etwas kurios kommt mir die Sach' vor.
FROH.
Nicht wahr? Etwas sehr kurios von der Frau von Korbheim und diesem Mussi Guido!

Cholerisch.
HUTZIBUTZ
tritt durch die Mitte ein, er hat ein Häferl mit Farbe, einen Pinsel und ein Stück Holz in der Hand, betrachtet Schlaf, welcher fest fortschläft.

Er scheint im tiefen Schlummer zu liegen – der also soll blattermaset sein? – Drunten haben wir g'mal'n und hier oben wird gespritzt! Hält in der linken Hand das Holz, in der rechten den Pinsel und besprengt nach Art der Zimmermaler Schlafs Gesicht mit Farbe.


[133] Melancholisch.
TRÜB
aus der Seite kommend.

Er hat recht – es ist unverzeihlich! Schwarz, ja – ja – schwarz sollte es sein! Wo ist denn –? Sieht das Bild an die Wand gelehnt. Wer hat es denn an die Wand gelehnt?


Cholerisch.
HUTZIBUTZ.
Wenn der jetzt nicht gehörig ausschaut, dann sei meine Schuhbürsten von Samt.Zur Mitte ab.

Melancholisch.
TRÜB
hat das Gemälde umgedreht und sieht, was daran geschehen ist.
Ihr Mächte des Himmels, wer hat mir das getan?
SCHLANKEL
tritt zur Mitte ein.
Was is denn g'schehn, Euer Gnaden?
TRÜB
verzweifelt nach dem Bilde deutend.
Das Entsetzlichste, das Gräßlichste!
SCHLANKEL
sich erstaunt stellend.
Was Teufel –!Tritt dem Bild näher. Das riecht von Stiefelwichs, das rührt vom Hutzibutz her!
TRÜB.
So hat sich denn alles zu meinem Untergang verschworen –?

Sanguinisch.
FROH.
Die Freundlichkeit mit dem jungen Menschen raucht mir in die Nasen.
ISABELLA
für sich.
Zappelt schon an der Leimrute!

Melancholisch.

HUTZIBUTZ tritt unbefangen zur Mitte ein
SCHLANKEL
zu Hutzibutz.
Der Herr von Trüb will was reden mit dir. Zur Mitte ab.

Sanguinisch.
FROH
zu Isabella.
Wenn ich nur wüßt', ob der Schlankel schon bei ihr war, bei der Frau von Korbheim!
SCHLANKEL
zur Mitte eintretend.
Ja.
FROH.
So? Und nix bemerkt?
[134]
SCHLANKEL
verschlagen.

Etwan wegen Guido? Na – jetzt, sie protegiert ihn, übrigens, inwiefern und inwieweit sich diese Protegierung erstrecken wird, das ist Sache der Zukunft.

FROH.

Verfluchte Historie! Geht unruhig auf und nieder, Schlankel und Isabella hussen bisweilen durch kurze Worte und Achselzucken noch mehr an.


Melancholisch.
HUTZIBUTZ
zu Trüb, welcher, in Schmerz versunken, ihn nicht bemerkte.
Was wünschen Euer Gnaden?
TRÜB.
Du nahst dich mir, Elender? Wer hat dir diese schwarze Tat in die Seele gehaucht?
HUTZIBUTZ.
Hat es nicht Dero Beifall?
TRÜB.

Ich möchte dich erwürgen, doch der Schmerz lähmt meine Kraft; ich möchte dich verfluchen, doch Tränen ersticken meine Stimme. –

HUTZIBUTZ.

Ist das der Lohn der Kunst? Da geh' ich lieber, aber ich kann nix davor, ich war nur ein totes Werkzeug, der fremde Bräutigam von Euer Gnaden Ihrer Tochter hat mir fünfundzwanzig Gulden dafür geben.

TRÜB.
Wie!? Der!?
HUTZIBUTZ.

Meine Hände sind rein, das kann ich beschwören. Streckt die rechte Hand aus, die voll schwarzer Farbe ist, und geht zur Mitte ab.


Sanguinisch.
FROH
eilt in die Seitentüre ab.
SCHLANKEL
zu Isabella.
Na, was sagen Sie, machen sich meine Plane?
ISABELLA.
Ah, gehn S', Sie sind gar so ein intriganter Mensch!
SCHLANKEL.
Das muß man sein!
HUTZIBUTZ
tritt zur Mitte ein.
SCHLANKEL
gewahrt ihn, für sich.
So hat der Teuxel schon wieder den Hutzibutz da! Zur Mitte ab.
[135]
HUTZIBUTZ
vortretend, mit einem strafenden Blick.
Er ging abermals von dir.
ISABELLA.
Na ja, is denn das zu verwundern, wenn man in solchen Planen verflochten ist.
HUTZIBUTZ.
Du scheinst zu vergessen, was ich doch so oft gesagt habe: daß ich es nur zum Scherze erlaubt!
ISABELLA.
Ja, aber wie soll ich denn –?
HUTZIBUTZ.
Zweimal hab' ich's schon bemerkt, wenn ich's noch einmal bemerke –
ISABELLA.
Na – was ist's dann –?
HUTZIBUTZ
mit großer Wichtigkeit.
Dann hab' ich es zum drittenmal bemerkt! Zur Mitte ab.
ISABELLA.
Ich muß lachen über den verruckten Hutzibutz. Zur Seite ab.
18. Szene
Achtzehnte Szene

1.2.3.4.

Braus, Schlaf,(Bühne frei)TrübFroh

dann Walburga(allein)(allein)

Melancholisch.

TRÜB
allein.

Entsetzlich! Von Freundeshand trifft mich der Schlag! Sinkt, indem er das Gesicht mit beiden Händen bedeckt, in den Stuhl.


Sanguinisch.
FROH
in großer Unruhe aus der Seitentüre kommend.

Meine Auserwählte is völlig versprengt in den jungen Trüb. Wie sie sich von ihm die Cour machen läßt, ich halt's nicht mehr aus drin – ich muß gleich wieder hineinschaun. Eilt in die Seite ab.


Cholerisch.
BRAUS
tritt zur Mitte ein.

Ist schon über alle Berge, der Schurke, der gelacht hat über mich! Aber ich treff' ihn noch –! Gewahrt Schlaf, welcher im Stuhle schläft. Was ist das!? Etwa gar Freund Sturm –? [136] Ohne Zweifel, Sturm! Freund meiner Jugend! Wach' auf! Donnerwetter, der schläft fest! Sturm! Rüttelt ihn. Heda, erwache!

SCHLAF
sich mühsam ermunternd.
Ja, ja, wer ist's denn?
BRAUS.

Dein Freund, der nach einer Reihe von Jahren mit heißem, glühendem Gefühl dich wieder in seine Arme schließt.

SCHLAF.
Ja, ja, ist schon recht, aber ich hab' jetzt gar so gut geschlafen.
BRAUS.
Wie? Dein Schlaf wäre dir lieber als das Erwachen an Freundesbrust?
SCHLAF.
Ich habe die süßesten Träume gehabt.
WALBURGA
aus der Seite.
Ich höre die Stimme meines Verlobten!
SCHLAF.
O, meine Aimabelste!

Melancholisch.
TRÜB.

Luft! Luft! Es preßt mir die Brust zusammen, ich muß ins Freie! Schnell in großer Ekstase zur Mitte ab.


Cholerisch.
SCHLAF
zu Walburga.
Erlauben Sie nur einen Kuß auf diese Hand aller Hände!
BRAUS
beiseite, doch laut.
Von mir nimmt er gar keine Notiz!
SCHLAF
zu Braus.

Wir haben noch Zeit genug zum Diskurieren! Ich muß jetzt schaun, daß mir der zweite Teil träumt von dem, was mir früher geträumt hat. Küßt Walburga die Hand und schläft wieder ein.


Sanguinisch.
FROH
ärgerlich aus der Seite.

Es wird immer ärger – Schlankel –! Wenn nur der Schlankel da wär', ich muß schaun, daß ich ihn find'. Rennt wieder, als ob ihm der Kopf brennte, zur Seite ab.


[137] Cholerisch.
WALBURGA.
Das is ein lieber Mann!
BRAUS
heftig und ärgerlich.
– Ein Murmeltier ist er, ein Klotz, der nichts denkt, nichts empfindet!
WALBURGA.
Etwas empfindet er gewiß, und das ist Liebe zu mir.
BRAUS.
Du wirst doch nicht gar –?
WALBURGA.
Sie werden mir doch erlauben, den zu lieben, den Sie selbst für mich bestimmt.
BRAUS.
Auf dein Zimmer!
WALBURGA.
Ich geh', aber –
BRAUS.
Ohne ein Wort zu erwidern!

Walburga mit verstelltem Unwillen zur Seite ab.
BRAUS.
Es ist zum Rasendwerden! Auf Schlaf. Das Seekalb, das! Zur Seite ab.
19. Szene
Neunzehnte Szene

1.2.3.4.

Schlaf,Cyprian,Hutzibutz,Froh, Herr

dannspäterHerr vonvon Schmerz,

NanetteHerr vonGlück, danndann Herr von

SturmLisette, dannFinster, Frau

Gesellschaft,von Nachtschatten,

dann Irene,Schlankel

dann Trüb


Melancholisch.

HUTZIBUTZ
mit Glück durch die Mitte eintretend.
Sie haben mich schön in die Verlegenheit gebracht.
GLÜCK
eilig.

Ich habe jetzt keine Zeit, Sie anzuhören, lieber Maler! Wenn nur jemand bei der Hand wäre – die Gäste kommen schon! Zu Hutzibutz. Helfen Sie mir bei Arrangierung des Balles, ich werde erkenntlich sein. Nehmen Sie die Wachskerzen >Gibt ihm ein Paket. stecken Sie sie auf die Girandolen und zünden Sie auf, nur schnell! He! Lichter! Lichter herein! Läuft zur Mitte ab.

[138]
HUTZIBUTZ.
Mir is's recht! Tut, wie ihm Glück befohlen.
LISETTE
kommt zur Mitte mit vier Lichtern, stellt zwei auf den Tisch und trägt die andern zwei in die Seitentüre ab.

Cholerisch.
NANETTE
kommt mit vier Lichtern zur Mitte herein, stellt zwei auf den Tisch und sagt zu Schlaf, welcher ruhig fortschläft.

Glückseligen Abend wünsch' ich! Trägt die anderen zwei Lichter in die Seitentüre ab, kehrt etwas später zurück und geht zur Mitteltüre hinaus.


Sanguinisch.
SCHMERZ
kommt mit Froh durch die Seite.
Ich wollte dir's drinnen nicht sagen, du sprichst immer vom Ball – ich hab' ihn abgesagt.
FROH.
Was? Meinen Ball, auf den ich mich so g'freut hab', den hast du abg'sagt?
SCHMERZ.
Ich liebe das Einsame, Stille, Düstere!

Melancholisch.
HUTZIBUTZ
mit der Anzündung der Wachskerzen beschäftigt.

Die Illumination wird gleich fertig sein! Zu der zurückkehrenden Lisette. Hilf mir die Jungfer aufzünden! Lisette nimmt ein Licht und hilft ihm; noch ehe sie fertig sind, tritt Glück mit der Gesellschaft ein.


Phlegmatisch.
CYPRIAN
kommt mit vier Lichtern, setzt zwei auf den Tisch und trägt die andern zwei in die Seitentüre.

Der Dienst ist zu stark! Seite ab. Nach einer Weile, wenn schon die folgende Musik begonnen, kehrt Cyprian aus der Seite zurück und geht zur Mitte ab.


Sanguinisch.
FROH
sehr mißmutig.
Ich hab' mir so lustige, unterhaltliche Gäst' eingeladen –
[139]
SCHMERZ.

Ist allen abgesagt. Du sollst eine andere Bekanntschaft machen, die dir reichlichen Ersatz bieten wird für das lärmende Vergnügen.


Melancholisch.
Die Gesellschaft tritt während dem Ritornell mit Glück auf.
Chor mit Solo.
CHOR
zu Glück.
Auf Ihren Ruf erscheinen wir geschwind,
Nun fragt sich's, ob wir auch willkommen sind.

Irene tritt durch die Seite und bewillkommt mit großer Befangenheit die ihr von Glück vorgestellten Gäste.
Sanguinisch.
Stummes Gespräch zwischen Froh und Schmerz.
ISABELLA
kommt mit Lichtern zur Mitte und trägt sie in das Nebenzimmer.
SEPHERL
kommt ebenfalls zur Mitte und setzt zwei Lichter auf den Tisch, dann ab.

Die Musik nimmt einen sehr traurigen Charakter an und Herr von Finster und Frau von Nachtschatten treten durch die Mitte ein, beide in Trauerkleidern, werden von Schmerz dem Froh vorgestellt und bekomplimentieren diesen im folgenden traurigen Duo.
FINSTER UND FRAU VON NACHTSCHATTEN.
Es freut uns, daß das Ohngefähr einmal
Uns Sie begegnen läßt in diesem Jammertal.

Froh ist ganz verblüfft und weiß nicht, wie er sein Mißfallen an der unbehaglichen Gesellschaft verbergen soll. Gegen das Ende der Musik tritt Schlankel durch die Mitte ein.
[140] Melancholisch.
Die Musik im vorigen heiteren Charakter.
CHOR.
So lasset dem Frohsinn die Stunden uns weihn
Und höchlich der neuen Bekanntschaft uns freun!

Die Musik endet im Orchester.
GLÜCK
nach der Musik.

Musikanten herein! Möbeln hinaus! Es treten vier Musici ein, und Lisette und Margareth räumen etwas von Möbeln ab.


Sanguinisch.
SCHLANKEL
leise zu Froh.
Was Teufel haben Euer Gnaden da für eine Gesellschaft?
FROH
leise zu ihm.

Solche Trauerg'stalten bringt mir mein Jugendfreund ins Haus, der einstens der fidelste Kerl war! Ich weiß gar nicht, was ich anfang'.

SCHLANKEL
wie oben.
Für'n Augenblick läßt sich das nicht ändern.

Melancholisch.
GLÜCK.

Aufgespielt, wir fangen gleich zum Tanzen an! Nur g'schwind rangiert – ich will Küche und Keller untereinander treiben! Eilt zur Mitte ab, Hutzibutz folgt ihm.

IRENE
für sich.
Ich zittre, wenn der Vater zurückkommt.

Sanguinisch.
SCHMERZ.
Wir wollen den Abend der Lektüre widmen. Ich habe hier ein treffliches Buch.
FINSTER.
Schade, daß ich meine Brillen nicht bei mir hab', sonst würde ich lesen.
SCHMERZ.
Mir schwimmen die Augen gleich in Tränen, ich kann nicht. Zu Froh. Du, Freund, könntest –
[141]
FROH.
Mit so was laßt's mich aus!
SCHMERZ
auf Schlankel.
Hier steht ja noch ein überflüssiger Mensch. Gibt ihm das Buch.
SCHLANKEL.
Wenn es gefällig ist –? Alle setzen sich zum Tisch.

Melancholisch.
Es wird ein Walzer gespielt und getanzt. Die Tanzmusik währt durch die ganze Szene fort.
Sanguinisch.
SCHLANKEL
liest.
»Traueralmanach für Schwermütige oder Sammlung trüber Gedanken.«
FROH
für sich.
So ein Buch könnt' mir g'stohl'n werden.
SCHLANKEL
liest.

»Die Hoffnung ist das Licht, das in des Lebens Waldesnacht dem Wanderer die ersehnte Herberge verheißt, doch sie ist nur ein Irrlicht, das in den Sumpf des Elends leitet und höhnend dann verschwindet.« – Das is schön.

FINSTER UND FRAU VON NACHTSCHATTEN.
Herrlich! Herrlich!
FROH
beiseite.
Mir fangt an übel z'wer'n.

Melancholisch.
HUTZIBUTZ
mit einer Tasse Refreskaden zur Mitte eintretend, spricht im Ton des Theaternumeros.
Lemonadi, G'frorn's, Mandelmilch, Barbaras, Glas Punsch! Serviert den Nichttanzenden.

Sanguinisch.
SCHLANKEL
liest.
»Sooft du ein schönes Mädchen küssest, vergiß nie, daß hinter den Rosenwangen Falschheit lauert.«
FINSTER UND FRAU VON NACHTSCHATTEN.
Wahr, sehr wahr!
[142]
SCHLANKEL.
Und so lieblich!
FROH
beiseite.
Das wird mir zu arg!

Melancholisch.
GLÜCK
der schon früher durch die Mitte eingetreten, sieht Hutzibutz müßig stehen.
Aber warum tanzt denn der Maler nicht?
HUTZIBUTZ
für sich.

Es ist keine einzige Kundschaft von mir unter die Gäst', gut, ich will als Maler figurieren. Zu Glück. Wenn Sie erlauben!Bittet ein Fräulein zum Tanze und walzt sehr ungeschickt; indem er eben nach dem Vordergrunde walzt: Ich bin auch Tänzer, ohne daß ich es gewußt! Wirklich, ich übertriff mich selbst.

TRÜB
tritt zur Mitte ein.
Was ist das? Ist wie vom Donner gerührt, die Musik hört auf.
GLÜCK
zu Trüb.
Das sind lauter Bekannte von mir, ich hab' sie eingeladen.
TRÜB
mit großer Gewalt sein empörtes Gefühl unterdrückend.
Diener! Ihr Diener! Sie erlauben – Durch die Seite ab. Irene folgt.

Sanguinisch.
SCHLANKEL
weiterlesend.

»Vor Erfindung des Weines hat die Menschheit ein weit höheres Alter erreicht; denke daher, sooft du ein Glas Wein trinkest, daß du einen Zug aus dem Becher des Todes tust.«

FROH
beiseite.
Das halt' ich nicht aus, ich geh' auf und davon. Geht zur Seite ab.

Phlegmatisch.
STURM
tritt mit Cyprian zur Mitte ein.
Mein Diener noch nicht hier aus dem Gasthof?
CYPRIAN.
Nein!

[143] Melancholisch.
GLÜCK
zur Gesellschaft.
Nur zu! Er scheniert uns gar nicht! Zu den Musikanten. Galopp! Galopp!
HUTZIBUTZ.
Galopp oder Trab, mir is alles eins!Man tanzt Galopp, die Musik beginnt wieder.

Phlegmatisch.
STURM
Cyprian anfahrend.
Warum kommt der Schlingel nicht?
CYPRIAN
erschrocken.
Ich kann nix davor! Zur Mitte ab.
STURM
geht ungeduldig auf und nieder.

Sanguinisch.
FINSTER.

Wo ist denn der Herr vom Hause hingegangen? Wir wollen ihm folgen. Finster, Nachtschatten, Schmerz und Schlankel durch die Seite ab.


Melancholisch.
GLÜCK
während dem Galopp.

Das Zimmer drin ist größer! Nach der Seite zeigend. Allons, frisch hineingetanzt! Alle tanzen in die Seitentüre ab. Musikanten nach! Die Musici folgen, immer Galopp spielend, der Gesellschaft nach.

20. Szene
Zwanzigste Szene

1.2.3.4.

Herr vonHerr vonTrübFroh,

Schlaf,Sturm,Herr vonHerr von

Walburga,Fad, Agnes,GlückSchmerz

Brausdann Jakob

dazu Jakobund Cyprian


Phlegmatisch.

FAD
mit Agnes aus der Seitentüre tretend, zu Sturm.
Du bist mir ein sauberer guter Freund! Erzählt ihm im stillen Gespräch, was vorgegangen ist.

[144] Cholerisch.
BRAUS
mit Walburga aus der Seitentüre eintretend, will zur Mitte ab.
Wenigstens weiche ich jeder Konversation aus mit dem –
JAKOB
tritt zur Mitte ein.
Hier wohnt der Herr von Braus?
BRAUS.
Der bin ich, was will Er?
JAKOB.
Meinen Herrn, den Herrn von Sturm.
BRAUS.
Hier ist er! Auf Schlaf zeigend.
JAKOB
den Schlafenden betrachtend.
Der? Hahahaha! Warum nicht gar, ich seh' schon, ich bin fehlgegangen. Zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
STURM
bei Fads Erzählung.
Höll' und Teufel!

Cholerisch.
BRAUS
Schlaf rüttelnd.
Heda! Mein Herr, auf! Auf!Schlaf erwacht. Aufklärung im stillen Gespräch.

Phlegmatisch.
JAKOB
tritt mit Cyprian, der ihm den Eingang verweigern will, zur Mitte ein.
Es ist seine Stimme, sag' Er, was Er will!
CYPRIAN.
Das is ja nicht der Herr von Sturm.
STURM.
Freilich bin ich's.
JAKOB.
Ich werd' doch meinen Herrn kennen!
FAD
erstaunt.
Sturm, Herr von Sturm?

Cholerisch.
BRAUS
nachdem ihm durch Schlafs Worte der Irrtum klar wird.
Herr von Schlaf sind Sie?

Phlegmatisch.
STURM.
Nun ja!
FAD.
Also nicht mein Freund Schlaf? Stumme Erklärung.

[145] Cholerisch.
SCHLAF.

Also da daneben? Tut nichts, gewisse Sachen bleiben die alten! Mit einem zärtlichen Blick auf Walburga. Ich weiß, was ich zu tun habe. Zur Mitte ab.


Konversation über das Geschehene mit der Tochter.
Phlegmatisch.
STURM.

Das ist ja ein verteufelter Irrtum. Übrigens hat dieser Zufall zwei Herzen zusammengeführt, die nichts mehr scheidet. Ich hätte da nebenan heiraten sollen, wird abgesagt, augenblicklich abgesagt! Zur Mitte ab.


Konversation über das Geschehene mit der Tochter.
Sanguinisch.
FROH
unwillig aus der Seitentüre tretend, zu Schmerz, welcher ihm folgt.
Nein, nein, nimm mir's nicht übel, aber du vertreibst mich, mein lieber Glück!
SCHMERZ
erstaunt.
Lieber Glück? Du spottest, ich heiße Schmerz.
FROH
erstaunt.
Was?

Aufklärung im stillen Gespräch.
Melancholisch.
GLÜCK
zu Trüb, welcher aus der Seitentüre tritt.
Sei nur nicht gar so bös!
TRÜB.
Das war zu viel, der Freundschaftsbund ist zerrissen, mein Herr von Schmerz.
GLÜCK
erstaunt.
Was? Herr von Schmerz?!

Aufklärung im stillen Gespräch.
21. Szene
[146] Einundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

Herr vonDie Vorigen;TrübFroh,

Sturm,dannHerr vonHerr von

Braus,Herr vonGlückSchmerz

WalburgaSchlaf


Cholerisch.

STURM
rasch zur Mitte eintretend.
Erkennst du deinen Sturm?
BRAUS.
Er ist's! In meine Arme! Beide umarmen sich heftig.

Phlegmatisch.
SCHLAF
tritt langsam zur Mitte ein.
Freund Fad!
FAD.
Was seh' ich!
SCHLAF.
Ich bin der Rechte, der alte Schlaf ist da!
FAD.
Eile in meine Arme!

Beide gehen langsam aufeinander zu und umarmen sich sehr gelassen.
Melancholisch.
GLÜCK
über den Irrtum aufgeklärt, lacht laut auf.
Hahahaha! Da bitt' ich um Verzeihung!

Sanguinisch.
SCHMERZ
über den Irrtum aufgeklärt, mit finsterem Erstaunen.

Gräßlicher Irrtum! Zweifach gräßlich, wenn Sie mir jetzt die Hand Ihrer Tochter verweigerten! Doch das werden Sie nicht! Sie liebt mich!

FROH.
Hören Sie –
SCHMERZ.
Nichts, kein Wort, bis ich da drüben entsagt! Zur Mitte ab.
FROH
ihm nachrufend.
Erlauben Sie –!

[147] Melancholisch.
GLÜCK.

Übrigens, mit der Tochter bin ich einig, da hilft Ihnen nichts! Wird gleich drüben alles rückgängig gemacht! Eine Braut aus Irrtum – scharmant! Eilt lachend zur Mitte ab.

TRÜB
ihm nachrufend.
Mein Herr!
22. Szene
Zweiundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

Braus,Fad,TrübFroh,

Walburga,Agnes,Herr vonHerr von

Herr vonHerr vonSchmerzGlück

SturmSchlaf


Cholerisch.

STURM
zu Braus.

Die Folgen dieses Irrtums weißt du noch nicht, möglich, daß sie dir unangenehm sind, ich kann's nicht ändern. Ich habe mich in die Tochter des Herrn von Fad, als ich sie noch für deine Tochter hielt, verliebt. Sie wird jetzt trotzdem meine Frau, mit deiner Tochter ist es daher nichts!

BRAUS
entrüstet.
Wie? Was?

Phlegmatisch.
SCHLAF
in Folge des früheren stummen Gesprächs.
Mir ist leid, aber ich bin drüben schon fest, wie ich ein rascher Kerl bin.

Melancholisch.
SCHMERZ
mit unterdrückten Tränen zur Mitte eintretend.
Dein Freund Schmerz steht vor dir.
TRÜB.
Ist's möglich? Beide stürzen sich weinend in die Arme.

Konversation über den geschehenen Irrtum, worin am Ende Schmerz der Hand von Trübs Tochter entsagt.

[148] Sanguinisch.
GLÜCK
zur Mitte eintretend.
Froh!
FROH.
Der ist's! Glück! Kamerad! Beide umarmen sich freudig.

Konversation über den geschehenen Irrtum, worin am Ende Glück der Hand von Frohs Tochter entsagt.
Cholerisch.
STURM
zu Braus.

Forderst du Genugtuung, so findest du mich morgen bereit. Jetzt eile ich, mir einen Notarius zu holen. Zur Mitte ab.


Phlegmatisch.
SCHLAF.
Ich muß g'schwind um einen Notarius laufen. Zur Mitte ab.

Sanguinisch.
FROH.
Was wär' das? Mein Mädl willst du plantieren?
GLÜCK.
Mir is leid, wenn du bös wirst, aber ich kann nicht anders.

Phlegmatisch.
FAD
zu Agnes.
Tochter, mir scheint, der verschmäht dich!

Melancholisch.
TRÜB
tief ergriffen.
Du schlägst die Hand meiner Tochter aus? Himmel, auch diese Demütigung muß ich erleben?
SCHMERZ.
Das Schicksal wollt' es so. Zur Mitte ab.

Trüb wirft sich, den Kopf auf die Lehne stützend, in den Stuhl.
[149] Phlegmatisch.
AGNES.
Was schad't das? Ich hab' ja den Herrn von Sturm.
FAD
etwas ärgerlich.
Wenn ich'n aber nicht mag, den' Sturm!

Sanguinisch.
FROH.
Und die Trauerweiden da drüben?
GLÜCK.

Freund, de gustibus – mit einem Wort, es muß heut' noch alles in Ordnung kommen! Adieu, Freund, auf Wiedersehen! Zur Mitte ab.


Cholerisch.
BRAUS
in heftigem Gespräch mit Walburga.
Und das Murmeltier will ich nicht!
WALBURGA.
Wen soll ich also hernach heiraten?
23. Szene
Dreiundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

Braus,Fad,Trüb,Froh,

Walburga,Agnes,Irene,dann

danndanndann Felix,Schlankel,

EdmundRobertdannGuido,

HutzibutzIsabella,

Marie,

Frau von

Korbheim


Sanguinisch.

SCHLANKEL
aus der Seite kommend.
Was der Musje Guido mit der Frau von Korbheim immer z' wispeln hat, nur das möcht' ich wissen!
FROH.
Ah, da werden wir ein' Riegel vorschieben! Ich weiß schon, wie! Spricht leise mit Schlankel.

[150] Cholerisch.
EDMUND
tritt zur Mitte ein, die Kappe in der Hand, welche Schlankel als Bramarbas aufhatte.
Herr von Braus, Ihr Gegner ist überwunden!
BRAUS
erfreut.
Wär's möglich?
EDMUND.
Hier ist die Mütze des Riesen, die ich als Siegeszeichen ihm abgenommen. Überreicht ihm selbe.

Sanguinisch.
SCHLANKEL
in folge des Gesprächs.

Den Schmerz wollen Sie nicht, und den Glück will die Tochter nicht, unter diesen Verhältnissen is das das Gescheiteste, was Sie tun können. Ruft schnell in die Seitentüre. Herr von Trüb!


Cholerisch.
BRAUS.
Also haben Sie ihn –?
EDMUND.
Durch den rechten Arm geschossen.

Sanguinisch.
GUIDO
kommt aus der Seite.
FROH
zu Guido.
Ich muß Ihnen sagen, und das frisch von der Leber weg –
ISABELLA
aus der Seite kommend, zu Guido.
Herr von Trüb, Sie möchten zur Frau von Korbheim kommen!
FROH.
Sei Sie still!

Cholerisch.
BRAUS.
Diese ritterliche Tat verdient ritterlichen Lohn. Walburga! Führt seine Tochter Edmund zu.

Sanguinisch.
FROH
zu Guido.

Was haben Sie bei der Frau von Korbheim zu suchen? Diese Galanterien und Courmachereien, das schickt sich nicht für einen Bräutigam.

[151]
GUIDO.
Bräutigam?
FROH.
Und das noch dazu von meiner Tochter!

Marie kommt mit Frau von Korbheim aus der Seitentüre.
Cholerisch.
WALBURGA
mit herzlichem Danke.
Mein Vater –!
BRAUS.

Nichts von Dank, du nimmst ihn, weil ich es will, nicht, weil du es willst. Ich werde dich Gehorsam lehren! In die Seite ab.


Sanguinisch.
GUIDO.
Wär's möglich? Sie wollten ja –
FROH
Marien erblickend.

Nicht viel reden, da haben Sie s'! Ihm Marie zuführend. Da diskurieren S', und sich mit galanter Pikanterie zur Frau von Korbheim wendend. da werd' ich diskurieren.


Melancholisch.
FELIX
öffnet die Mitteltüre, erblickt Trüb, welcher unbeweglich im Stuhle sitzt, winkt zwei Trägern, die ihm folgen und ein großes Bild tragen, leise aufzutreten, nimmt die Staffelei, trägt sie ganz leise nahe zu Trüb und stellt leise und behutsam das neue Bild auf dieselbe, die Träger entfernen sich schnell.

Phlegmatisch.
ROBERT
tritt mit zwei Trägern, die einen großen prächtigen Schlafsessel tragen, durch die Mitte ein, die Träger stellen den Stuhl in den Vordergrund.
FAD.
Ist das ein Traumbild oder ist es Phantasie?

Melancholisch.
TRÜB
wendet sich zufällig und erblickt das neue Bild, welches seine Gattin in Lebensgröße vorstellt.

Täuschen mich meine Sinne? Sie ist's –! Sie – die Unvergeßliche! [152] Ist's ein Zauber – oder Wirklichkeit –!? Wem dank' ich diese Freude?

FELIX
vortretend.
Der Liebe!
IRENE
kommt aus der Seite.
Was ist geschehen, Vater?

Phlegmatisch.
ROBERT
zu Fad.
Sie erlauben, daß ich durch diesen den zertrümmerten ersetze.
FAD.

Ah, ah, das ist zu viel für mein Herz! Setzt sich äußerst behaglich in den neuen Lehnstuhl. Nein, ich sitz' viel, aber so bin ich noch nie g'sessen.


Melancholisch.
TRÜB.
Wie war das möglich?
FELIX.

Auf dem Miniaturbild Ihrer Tochter, welches sie beim Abschied mir mitgegeben, war an der andern Seite das Porträt Ihrer Gattin gefaßt. Ich benützte in freien Stunden mein Malertalent, um dieses Bild zu schaffen, und ich hoffte damals, mir so den Weg zu Ihrem Herzen zu bahnen. Hab' ich vergebens gehofft –?

TRÜB
mit überströmendem Gefühl.
Nein, nein, Sie sind mein Sohn! Führt Irene in seine Arme.
HUTZIBUTZ
tritt durch die Seite und betrachtet das Bild.

Phlegmatisch.
FAD.
Wie kann ich das vergelten? Fordern Sie alles, alles!
ROBERT.
Sie wissen, daß mein einziger Wunsch die Hand Ihrer Tochter ist.
FAD.
Nehmen Sie s', aber 's is viel zu wenig für diesen Genuß! Wiegt sich behaglich im Stuhle.
ROBERT
umarmt Agnes.

Cholerisch.
BRAUS
kommt aus der Seitentüre zurück.

[153] Melancholisch.
HUTZIBUTZ.
Nicht übel, aber gegen dieses! Vergleicht das schwarzbemalte dagegen.
TRÜB.
Hinaus aus dem Heiligtum, profaner Pursche!
HUTZIBUTZ.
Ist das eine Behandlung für einen jungen Künstler?
TRÜB.
Fort!
HUTZIBUTZ
zur Mitte ab.
24. Szene
Vierundzwanzigste Szene

1.2.3.4.

DieDieDieDie

Vorigen;Vorigen;Vorigen;Vorigen;

Herr vonHerr vonHerr vonHerr von

SchlafSturmGlückSchmerz

(mit dem(mit dem(mit dem(mit dem

Notarius)Notarius)Notarius)Notarius)


Cholerisch.
SCHLAF.
Da bring' ich den Notarius!
BRAUS.
Aber nicht für sich, denn Auf Edmund zeigend. hier ist der Bräutigam!
SCHLAF.
Hören Sie auf!
WALBURGA
entschuldigend.
Frühere Verhältnisse –
SCHLAF.
Ich bin der Geprellte!

Phlegmatisch.
STURM.
Da bring' ich den Notarius!
FAD.
Aber nicht für sich, denn Auf Robert zeigend. hier steht der Bräutigam!
STURM.
Höll' und Teufel!
AGNES
entschuldigend.
Frühere Verhältnisse –
STURM.
Ich bin hintergangen!

[154]
Melancholisch.
GLÜCK.
Da bring' ich den Notarius!
TRÜB.
Aber nicht für sich, denn Auf Felix zeigend. hier ist der Bräutigam.
GLÜCK.
Was ist das für eine Historie?
IRENE
entschuldigend.
Frühere Verhältnisse –
GLÜCK.
Ich sitze zwischen zwei Stühlen auf der Erde! Kopfschüttelnd, lachend zur Mitte ab.

Sanguinisch.
SCHMERZ.
Da bring' ich den Notarius!
FROH.
Aber nicht für sich, denn Auf Guido zeigend. hier steht der Bräutigam.
SCHMERZ.
Gräßliches Ereignis!
MARIE
entschuldigend.
Frühere Verhältnisse –
SCHMERZ.
Zweifach gräßliches Ereignis! Geht händeringend zur Mitte ab.

Phlegmatisch.
STURM.
Rache! Grimmige Rache! Geht wütend durch die Mitte ab.

Cholerisch.
SCHLAF.
Hm! Hm! Geht langsam zur Mitte ab.

Sanguinisch.
MARIE
zu Schlankel.
Hier ist Sein Lohn. Gibt ihm eine Dukatenbörse.
SCHLANKEL
nimmt sie.
Küsse die Hand, doch der süßere Lohn steht hier! Auf Isabella zeigend.
HUTZIBUTZ
ist a tempo zur Mitte hereingekommen und tritt dazwischen.
Anpumpt, 's sein andre da!
ISABELLA
zu Schlankel, welcher zu merken anfängt, daß er betrogen ist.
Nicht des Verräters braucht's, ist der Verrat gelungen!
SCHLANKEL
wie aus den Wolken gefallen.
Was seh' ich –?!
[155]
HUTZIBUTZ.
Einen geprellten Fuchs, wenn Er sich im Spiegel schaut.
SCHLANKEL.

Das is arg. Für sich. Aber das sollt ihr mir entgelten. Wenn ich nicht in sechs Wochen aus alle die Mariagen Ehescheidungen herausbring', dann will ich nicht mehr Schlankel heißen und häng's Intrigantfach für zeitlebens auf 'n Nagel. Zur Mitte ab.

FROH
zur Frau von Korbheim, auf Marie und Guido zeigend.
Wenn die zwei Leut' nur nicht gar so ungleich wären! Na – aber 's macht nix!

Melancholisch.
FELIX.
Das Temperament hat vierfach zwar geschieden
Der Menschen Denk- und Sinnesart,
Doch eine Liebe gibt es nur hienieden,
Die alles ausgleicht, alles paart.

Cholerisch, Phlegmatisch, Melancholisch, Sanguinisch.
ALLGEMEINER CHOR.
Was noch so verschieden im Leben erscheint,
Zu einem Glück wird es durch Liebe vereint.

Unter allgemeiner freudiger Gruppe fällt der Vorhang.

Notes
Entstanden 1837. Erstdruck in: »J. Nestroy: Gesammelte Werke«, elfter Band, Herausgegeben von V. Chiavacci und L. Ganghofer, Stuttgart (Bonz), 1890-1891. Uraufführung am 16.11.1837, Theater an der Wien, Wien.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Nestroy, Johann. Das Haus der Temperamente. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FC5-7