An Melinden/ auff ihren namens-tag

B.N.


Auff/ schönste/ tauche dich in milch und rosen-blut!
Laß deinen mund-rubin erfrischte strahlen fangen/
Und streich den trüben schaum der herben thränen-flut/
Und das vergiffte saltz von deinen purpur-wangen.
Der himmel stellet sich zu deinen diensten ein/
Die sonne spielet selbst umb deine perlen-glieder.
Und was dir etwan noch kan kummer-dornen streun/
Legt dieser stille tag bey deinem bette nieder.
Du solst (ich rede kurtz) dein namens-fest begehn/
Drum auff/ und rüste dich/ dein glücke zu begrüssen!
Dein glücke/ das dich heißt auff lauter rosen stehn
Und nichts als zucker lässt umb deine lippen fliessen.
Ich weiß zwar allzu wohl/ daß deine trauer-see
Von grosser hertzens-angst die worte wird gebähren:
Ach daß ich ärmste doch noch diesen tag begeh!
Daß doch die morgen mich nicht wie die nacht verzehren!
Wohin treibt wind und sturm doch meinen liebes-kahn?
Ist wohl ein ärmrer mensch auff erden noch zu finden/
[102]
Der komm/ und schaue mich und meine thränen an/
So will ich gerne mich der sorgen-last entbinden.
Ach aber liebes kind! die klagen sind zu groß/
Wer sich aus ungedult zum grabe will verdammen/
Wird endlich durch den tod zwar dieser erden loß/
Stürtzt aber leib und seel in tausend höllen-flammen.
Im glücke lustig seyn ist warlich keine kunst;
Ein kluger aber saugt auch nectar aus den qvitten/
Und folgt der sonne nach/ die durch den nebel-dunst
Zwar öffters finsterniß/ doch keinen bruch erlitten.
Der liebe frucht entspringt aus einer stunde nicht:
Erst trincken wir das gifft aus porcellanen schalen/
Gehn wie die taumelnden/ wenn unser hertze bricht/
Und schätzen ihren dampff vor lauter freuden-strahlen.
Nach diesem greifft der schmertz die glieder besser an/
Das schnelle gifft zerfleust in strome schwartzer sorgen;
Und endlich/ wenn wir so die proben abgethan/
So bringt das ende nichts als süsse frühlings-morgen.
Ach liebste! kanst du nun dem himmel noch vertraun/
So trag das kummer-joch mit unverzagtem rücken;
Denn die ihr glücke nur auff Gottes felsen baun/
Die brechen angst und noth wie schwaches rohr in stücken.
Mein hertze leget sich zu deinen füssen hin/
Ich schencke mich dir selbst zum schemmel deiner plagen/
Und schwere/ wo ich dir nicht gar zuwider bin/
So solst du nur ein loth/ ich aber centner tragen.
Mehr hab ich ärmster nicht/ das weist du selber wohl/
Denn meine schätze sind nur wollen und entschliessen/
Sonst trieb ich deinen ruhm biß an den sternen-pol/
Und liesse nichts als gold aus meiner feder fliessen.
Nun/ allerliebstes kind! erkenne meine treu;
Was dieser schrifft gebricht/ ersetzen meine flammen.
Springt gleich das glücke nicht itzt meiner armuth bey/
So schlägt die liebe doch in frische glut zusammen.
Du solt in kurtzer zeit mit andern augen sehn/
Wie dich dein treuer knecht wird suchen zu bedienen/
[103]
Wenn kummer/ ach und weh zu grabe werden gehn/
Und unsre freude wird in vollen knospen grünen.
Der himmel schencke dir nur ferner sonnenschein/
Und führe deinen fuß von dornen auff narcissen!
Du aber ziehe selbst den strom der thränen ein/
Sonst wird mein leben so wie deine lust zerrissen.

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TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. An Melinden- auff ihren namens-tag. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-60DE-0