2.

Sitz' ich dann vor meinem Hause,
munter, wie ein Vollmond glänzend,
neben mir ein holdes Mädchen,
meinen Scherbet mir kredenzend:
Nun, wenn Allah so gewollt hat,
kann es wohl einmal geschehen,
daß der Sultan, Sohn der Sonne,
wird an mir vorübergehn.
[38]
Hurtig vor dem Herrn der Erde
in den Staub werd' ich mich bücken,
seines Fußes heil'ge Spuren
werd' ich küssen voll Entzücken:
Dann vielleicht auf meinem Schmerbauch,
auf den Wangen ohne Runzeln
läßt er dann sein Auge ruhen,
und er spricht zu mir mit Schmunzeln:
»Wie so glatt sind deine Wangen,
und dein Bauch, was der so rund ist!
Daraus seh' ich, Knecht der Knechte,
daß dein Beutel sehr gesund ist.
Also gleich von allem sollst du
mir die Hälfte wiedergeben!
Schenken werd' ich dir die andre
und zum Vezier dich erheben.«
Also wird der Sultan sprechen;
und mit gnädigem Behagen
(wenn dies nicht zuviel ist) gibt er
einen Tritt mir auf den Magen.
Selig werd' ich mich erheben,
meine Schätze flink zu teilen,
dann als Vezier an die goldnen
Stufen seines Thrones eilen.
Fragt ihr nun, wie ich es fürder
als Minister werde treiben?
Nun, versteht sich: als Minister!
Alles wird beim alten bleiben:
Nur die Steuern werden steigen,
nur die Galgen sich vermehren,
um Verweichlichung und Luxus
von den Bürgern abzuwehren.
[39]
Tag für Tag, mit ernster Miene,
in dem Divan werd' ich sitzen,
alle, die mein Antlitz schauen,
sollen vor Bewundrung schwitzen.
Sollten mal Parteien kommen,
wo ich nicht weiß zu entscheiden:
Hundert Prügel dann diktier' ich
salomonisch allen beiden. –
Käme dann vor meine Stufen
ein europamüder Dichter,
so ein Dingelstedt und Herwegh,
oder ähnliches Gelichter,
die mit ihren frechen Liedern,
Freiheitjubel, Freiheitschmerzen,
wahre Drachenzähne streuen
in der Bürger treue Herzen:
Nun, nicht wahr? Ihr meint, ich ließe
ohne weiteres sie säcken?
Weit gefehlt! In meinen Harem
ließ ich diese Burschen stecken,
zu der allerschönsten Sklavin
mit den schwärzsten Augensternen –
und ich wette drauf, sie würden
ihre Poesie verlernen!
Aber will auch das nicht helfen,
wider menschliches Vermuten:
Sei's darum! In Gottes Namen
singen ließ' ich dann die Guten.
Bin ich doch kein deutscher König!
Und so will ich's ihnen gönnen,
da ich weiß, daß meinen Türken
sie ja doch nicht schaden können.
[40]
Übrigens um die Regierung
würd' ich mich nur wenig grämen:
Wenn kein Geld im Schatze wäre,
würd' ich borgen oder nehmen.
Und wenn etwa der Ägypter
unsre Truppen sollte schlagen –
Gott ist groß! Er wird die Feinde,
wenn es Zeit ist, schon verjagen.
Zwar der Sultan wird mir zürnen,
und dann wird das Schauspiel enden.
Eine Schnur, recht eine hübsche
seidne Schnur wird er mir senden –
Wohl zu merken: Ein Verfahren,
das man auch Europas Kronen
ernst und dringend soll empfehlen;
denn es spart die Pensionen –
Doch mit der gewohnten Demut
seinen Willen würd' ich ehren,
ließ' den Bart noch einmal salben,
einmal noch den Schopf mir scheren:
Dann die allerliebste Schlinge
um die fette Kehle knüpft' ich –
ein Moment! Und ohne weitres
in den Garten Gottes schlüpft' ich.
Ha, was dort für eine Pracht ist!
Was für Essen, was für Trinken!
Die uns der Prophet verheißen,
süße Huris seh' ich winken –
O verdammt, daß ich als Deutscher,
nicht als Türke bin geboren!
Denn so geht zusamt der Erde
auch der Himmel mir verloren.

1842

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Prutz, Robert Eduard. Gedichte. Gedichte. »Wär' ich im Bann vor Mekkas Toren«. 2. [Sitz' ich dann vor meinem Hause]. 2. [Sitz' ich dann vor meinem Hause]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8A38-E