Neuer Anhang einiger Gedichte des seligen Immanuel Jacob Pyra

[53] [69]Ode auf Ihro Majestät Friedrich den Andern König in Preussen und Chur-Fürst zu Brandenburg, bey dem Antrit der Regierung von Immanuel Jacob Pyra, aus Cotbus

Was vor ein neuer Jubeltag
Gläntzt von der Ostsee Purpurwogen,
Verklärt der trüben Lüfte Bogen,
Zerstreut die Nacht, so auf der Erden lag:
Ich seh die Wolcken sich zertrennen!
O welch ein Licht bricht durch ihr helles Thor?
Wer kommt von den beglückten Brennen
Mit einem neuen Glantz in unsern Kreis hervor?
Des Aufzugs Pracht, mit Lust und Glück vereinet,
Ist würdig, daß ein Gott erscheinet.
Wer ist der junge hohe Held?
Wen bringt der fliegend-stoltze Wagen
[69]
Erhöht in Herrlichkeit getragen,
Die alles rings um ihn herum erhellt?
Wen führt das jauchzende Gedrenge?
Es walt mein Blut, es springt mein Hertz vor Lust.
Mein König ist in ihrer Menge.
Ja Seine Göttlichkeit würckt schon in meine Brust.
Um wem ist sonst der Himmel auf der Erden?
Wer macht, daß Länder glücklich werden?
Das Volck strömt überall herzu.
Es sieht Ihn jauchzend zu sich eilen
Und sucht vol Lieb Ihn zu verweilen,
Entzückt und froh durch Seine Eil und Ruh.
Seht das Gewimmel in der Fernen!
O hört und seht! sie heben Stimm und Hand
Mit Danck und Freuden zu den Sternen.
Die Wälder stimmen ein, es jauchtzt das gantze Land.
Er blickt umher, und Seine Strahlen machen,
Daß Feld und Thal und Hügel lachen.
Wie eine Braut sonst unverweilt
Auf ihres Liebsten blossen Namen,
Ihm ungeschmückt von ihren Ramen
Mit ofnem Arm entzückt entgegen eilt.
Sie kommt in ihrem leichten Kleide.
Es schüttert itzt zwar nicht auf Haar und Brust
Mit Kunst geordnetes Geschmeide:
Doch ihr Verlobter sieht mit inniglicher Lust
Der Wangen Glut, die Unordnung der Triebe,
Und die Nachläßigkeit der Liebe.
So kommt Dir auch Dein gantzes Reich
Voll Ungeduld auf allen Wegen
Gantz unbesorgt aus Lieb entgegen.
Sie sehen Dich, und alle lassen gleich
Die Wercke ihrer Arme liegen.
[70]
Sie sorgen nicht um ihr versäumtes Korn.
Sie denken nur an ihr Vergnügen,
Denn es umschließt Dein Arm des Ueberflusses Horn.
Ja! kommst Du nur, o bester Fürst, zurücke,
So kommt mit Dir auch alles Glücke.
Er kommt zu dir, beglücktes Land,
Von dem durch Ihn erhöhten Throne,
Im Glantz der selbst verdienten Krone,
Und wiegt das Gold des Zepters in der Hand.
Er, die Bewunderung der Erden,
Des Höchsten Lust, des Landes Wunsch und Glück.
Vor Ihm fliehn Schrecken und Beschwerden,
Und hinter Ihm läßt er ein selig Reich zurück.
Wo Friedrich geht, muß unter seinen Füssen
Nur Ueberfluß und Wonne spriessen.
Nur Heil und Pracht ist Seine Spur.
Und wo das Land den Zoll versaget,
Gehorcht, so bald Sein Blick nur taget,
Die willige, verschönerte Natur.
Der Himmel ehrt fast Sein Gesetze.
Und Regen, Thau, und Luft und Sonnenschein
Vermehren schon der Furchen Schätze.
Die Tage scheinen selbst weit heiterer zu seyn.
Man siehet sich das reife Feld vergulden,
Und Tellus zahlet ihre Schulden.
So fuhr der Sohn der Semelen,
Der schönste unter allen Göttern,
Bekräntzt mit breiten Rebenblättern,
Mit zahmen Tygern in Sicilien
Durchs hohe Korn der reifen gelben Fluren,
Die seine Gottheit segnete,
Das Volck folgt jauchzend seinen Spuren,
Und Honig, Milch und Wein strömt von der Hügel Höh.
Er sieht voll Lust statt Wüsten, wilder Wälder,
Itzt lauter Elisäer Felder.
[71]
Du Tag der Krone! goldner Schein!
Du König Deiner frohen Brüder,
Du wirst beym Schall der Freudenlieder
Das schönste Fest der späten Nachwelt seyn.
Du wirst sie in den heitren Reihen
Der Tage, so die Sonne selber führt,
Durch Dein geweihtes Licht erfreuen
Das ihr stets wechselnd Chor, vor allen gläntzend, ziert.
Du öfnetest das goldne Thor der Zeiten
Die Bahn dem Heile zu bereiten.
Kaum liessest Du Dich sehn, sogleich
Verkündigten es die Metalle
Mit ihrer Donner frohem Schalle.
Die Nacht entflieht. Das gantze weite Reich
Erwachet unter Danckgesängen.
Nun siehet man in Feyerkleidern schon
Das Volck sich in die Tempel drengen.
Ihr heiliges Gewölb erschalt vom Jubelton.
Der Weihrauch steigt, vermischt durch Danck und Lieder.
Und Gott sieht voller Gnaden nieder.
Die Andacht dringt zum Himmel auf,
Und schallet aus dem regen Lande
Von dem beblümten nahen Strande,
Und eilt zugleich schnell mit der Wasser Lauf
Der jauchzenden vergnügten Pregel
Bis zu dem Belt, der mitten aus der Pracht
Der stoltzen aufgespanten Segel,
Die ein weitläuftiges Amphitheater macht,
Sein Haupt erhebt. Sein Winck gebeut den Fluthen,
Und die bezähmten Wellen ruhten.
In einer stillen Majestät,
Und in gedanckenvollen Schweigen
[72]
Hört er das stete Jauchtzen steigen,
Das weit umher in sein Gebiet ergeht,
Bewundert seiner Nachbarn Glücke,
Und heftet stets nachsinnend unverwand
Der großen Augen starre Blicke
Auf den durch seinen Schatz gezierten stoltzen Strand,
Und ruft zuletzt mit halb verstörten Mienen:
Ja Zeit du bist nunmehr erschienen.
Es zitterte das gantze Meer
Vor seines strengen Herrschers Munde.
Sogleich verbarg sich in dem Grunde
Der sprudelnden Meerwunder schrecklich Heer.
Kein Zephyr waget, sich zu rühren,
Es läst sich nichts, so weit sein Reich sich streckt,
Als eine tiefe Stille spüren,
Die fürchterlich umher die nasse Fläche deckt.
Drauf höret man von seiner Stimme tönen
Der Meere öde Wüste drönen.
Ich seh, ruft er, es ist anitzt
Die goldne Zeit schon angebrochen,
Die einst des Himmels Huld versprochen.
Ich seh, wie dort ihr Morgenroth schon blitzt.
Ich seh den jungen Adler steigen,
Und sich gekrönt mit seiner Väter Muth
In seiner hohen Herrschaft zeigen,
Die Klauen glühen schon von seines Donners Gluth.
Er schützet schon die Völcker, Thäler, Hügel
Im Schatten der gestreckten Flügel.
Er schwung sich von dem höchsten Strich
Der Himmel aus dem Glantz der Sonne,
Wo er gereitzt von ihrer Wonne
In seinem Flug nie ihrem Feuer wich,
Und in dem Lichte, das er liebte,
[73]
Des kühnen Blicks stets mehr gestärckte Kraft
Und die begläntzten Schwingen übte.
Er kommt herab von dem, der alles ordnet, schaft,
Von dem die Macht und wahre Weisheit stammen,
Als der Bewahrer seiner Flammen.
Hier sieht man sich ein frohes Chor
In Feldern voller Ernten schwingen,
Und dort in sichern Büschen singen.
Erstaunungsvoll sieht alle Welt empor,
Und Ihn auf starcken Flügeln schweben,
Worunter Er Sein lachend Reich beschützt:
Wohin seh ich Ihn sich erheben,
Seht, wie in ferner Luft Sein siegreich Feuer blitzt.
Ein neu Geschrey erschalt von allen Orten,
Und stöhrt den Lauf von Seinen Worten.
Die grosse Sonne voller Glut
Hebt sich beym jauchtzenden Getümmel,
Zerstreut ihr Licht im gantzen Himmel,
Und trift die blanck und marmorglatte Fluth.
Sie eilt den Gipfel zu gewinnen,
Und siehet stets von ihrer blauen Bahn
Auf Königsbergs erhabne Zinnen.
Es scheint, sie stutzt, sie hält am Himmel schwebend an,
O Fürst des Lichts! was hat dein Aug erblicket
Und dich bezaubert und entzücket.
Du siehst, was sich dir nirgends zeigt,
Das gröste Wunder dieser Erden,
Wodurch die Völcker glücklich werden,
Wenn Gottes Huld zum höchsten Gipfel steigt.
Das, was die Weisen und Poeten,
Wenn sie den Held, den nur ihr Geist gebar,
Bis zur Vollkommenheit erhöhten,
Gedacht, doch nicht gesehn. Was sonst unglaublich war,
Ein weises Haupt auf einem Königs-Throne.
Kurtz, unsern Friedrich in der Krone.
[74]
Sprich! und sprich ohne Schmeicheley,
Ob wol in den bewohnten Reichen,
Die du pflegst täglich zu bestreichen,
Ein bessres Haupt als unser König sey?
Und wer will unser Zeugniß schelten.
Was wir gehoft, trift mehr als völlig ein.
Soll die Erfahrung selbst nicht gelten?
Und was ist Friedrichs Pflicht? der beste Fürst zu seyn.
Er suchet auch allein um unsert willen,
Die Königspflicht gantz zu erfüllen.
Das tausendzüngige Gerücht,
Die Heroldin wahrhafter Helden,
Erhebt sich, Ihn der Welt zu melden.
Die Sonne rolt, sie überholt ihr Licht
Vor dem sie ihr Gefieder schwinget,
So weit als es der Länder Rand begläntzt,
Und stets die Tage mit sich bringet.
Ihr Haupt ist durch die Hand der Billigkeit bekräntzt,
Sie ruft, daß Luft, und Erd und Meer ertönet:
Der beste König ist gekrönet.
Hier, wo das blasse Licht der Nacht
Die schimmernden beschneiten Matten,
In den gefrornen langen Schatten
Der grossen Nacht, bescheint und helle macht;
Und dort, wo in der heissen Zonen
Der Tage Glut verbrannte Felder drückt,
So weit, als rechte Menschen wohnen,
Schalt ihr Geschrey zurück, sie stutzt und bleibt entzückt,
Denn sie hat mehr zu hören als zu sagen,
Und muß fast selber Fremde fragen.
Ja, König, alles sieht auf Dich,
Da sich Dein Fuß zum Throne schwinget,
Wo Dich die Majestät umringet.
Herr, schau zurück, doch nein, geh! Sicherlich
Must Du die Hofnung übersteigen.
[75]
Du must der Welt, wer du, o König! bist,
Und wie glückselig wir sind, zeigen.
Was ist so groß, daß nicht von Dir gleich glaublich ist,
Ja! ja! Du dringst auf Herculs steilen Wegen
Mit Macht der Ewigkeit entgegen.
Du, dessen Huld die Welt umarmt,
Du höchster Vater aller Dinge,
Vor dessen Vorsicht nichts geringe,
Du, dessen Sinn sich aller gleich erbarmt,
Sind wir das bessere Geschlechte,
Daß du auf uns läßt allen Segen ruhn?
Gott! wir bewundern deine Rechte.
Was sollen wir, o Herr! und unser König thun?
Er, daß du Ihn so groß gewolt erheben,
Wir, daß du Ihn uns hast gegeben.
Ihr Völker, die der Wächter Schluß
Dem weisen Zepter längst bestimmet,
Den des Gesalbten Arm itzt nimmet,
Begleitet Ihn. Entzieht nie euren Fuß
Der Bahn, wo Seine Spur euch führet.
Seyd weis und fromm, kurtz, so, wie Er, gesinnt,
Und würdig, daß Er euch regieret.
Verkündigt stets, so lang ein Tropfen Blut noch rinnt,
Mit heiligem und danckbarem Gemüthe
Die Mildigkeit der höchsten Güte.
Blick auf, o König! Menschen, schaut!
Sieh da in jenem heilgen Lichte,
Wohin kein lasterhaft Gesichte
Den schnöden Blick getrost zu werfen traut.
Sieh da die ewge Liebe selber,
Der sanfte Glantz der Güt und Majestät
Durchstrahlt die himmlischen Gewölber
So weit, als ihr Bezirck ins Reich des Nichtes geht.
[76]
Es fält ihr Licht auf Deinen Thron hernieder,
Und strahlet von der Erden wieder.
Er ist es, dessen Almachtsarm
Die Welten und die Sonnen lencket,
Und allem Seyn und Wesen schencket.
Beb und verstum du toller Lästrerschwarm!
Gott fordert, König! Deine Liebe!
Du giebst sie ihm, bereit und überzeugt,
Aus reinem ungezwungnem Triebe.
Wie anders: Denn Sein Hertz, zur Liebe nur geneigt,
Liebt das, wodurch wir glücklich werden können,
Wie solt es gegen Gott nicht brennen.
Du betest seine Hoheit an,
Die Hoheit ohne Gräntz und Ende.
Du hebst zu ihm die heilgen Hände
Für Deines Landes Wohl hinan.
Seht da den Mann nach Gottes Hertzen.
Verdammte Spötter, wagt ihr euch,
Mit Gott und Königen zu schertzen!
Herrscht dann die Gottesfurcht nicht in der Tugend Reich?
Ihr Rasenden, ist sie für einen König
Selbst zu verächtlich und zu wenig.
Was macht denn unsern König gros,
Als daß Er uns sein Hertze giebet,
Und dennoch sind wir, die Er liebet,
Wir, Seine Lust, die Kinder Seiner Schoos,
Nur Menschen, Söhne dieser Erden.
Gott ist vollkommen, Gott ist gut.
Wie groß muß unser König werden,
Da Seine Liebe selbst im Allerhöchsten ruht.
Bis dahin kan nur wahre Weisheit streben.
Wer aber kan Ihn gnug erheben?
Und ist uns denn von Gottes Hand
Nicht diese Wohlfart wiederfahren?
[77]
Wie? oder habt ihr Undanckbaren
Noch, mit Bedacht, nie Friedrichs Werth erkannt?
Wer anders, als das höchste Wesen,
Der Gütigste, die Weisheit nur allein,
Konnt uns ein solches Haupt erlesen.
Der theure Friederich, soll der nicht göttlich seyn?
Nein, Friederich weiß, wem Er angehöret,
Er zeiget es. Seht, wen Er ehret.
Ihr, die ihr euch auch ohne Gott
Die Welt getrauet zu regieren,
Und seine Zügel selbst zu führen,
Ihr, die ihr euch, doch eurem Stoltz zu Spott,
Weit über seinen Thron erhebet;
Bis ihr zuletzt durch den verlachten Fall
Der Thorheit eure Namen gebet,
Was weiß mein König, nicht? Er hat auch überall
Des Gantzen Höh, das Gott auf Nichts gebauet,
Und sein Gesetze durchgeschauet.
Besuchte sein durchlauchter Fuß
Nicht auch die ungeheuren Gräntzen
Der grossen Welten, die dort gläntzen,
Trug ihn denn nicht auch seiner Flügel Schuß
Dort hin, wo sich die Sonnen drehen?
Hat Er denn nicht wol näher noch als ihr
Die grossen Triebwerck angesehen?
Verbarg denn die Natur der weisern Lehrbegier
Der Räder Gang, die Ketten, Ordnung, Weise?
Folgt Er nicht auch der Sternen Reise?
Was machst Du, Königlicher Geist,
In jenen unbetretnen Sphären,
Dort mitten in der Geister Chören,
Wo alles nur den grösten Herrscher preißt?
Die Himmel, seiner Hände Wercke
Erzählen Dir des höchsten Schöpfers Preis,
Die Veste seiner Hände Stärcke.
[78]
Dein prüfend Aug erforscht den ungeheuren Kreis,
Die Schaugerüst und Welten ohne Fehler,
Erstaunliche Gedächtnißmähler.
Der hohen Einsicht längst gewohnt,
Bewunderst Du mit heilgem Schauer,
Wie in unendlich stiller Dauer
Der ewige Monarch erhaben thront,
Und auf einmal mit einem Blicke
Sein ungemeßnes Reich entdeckt, durchsieht,
Und seiner Unterthanen Glücke,
So weit sich ihre Reih durch beyde Pole zieht,
Und tief und hoch durch Erd und Himmel klimmet,
Nach seiner Weisheit Rechten stimmet.
In seiner heilgen Gegenwart,
Vor seinem hohen Angesichte
Nährt sich Dein Geist von einem Lichte,
Das er allein den Weisen vorgespart.
Und reiner als das Licht der Sonne,
Ergötzend, starck, wahrhaftig, ewig, klar
Füllt es Dein Hertz mit einer Wonne,
Die stets der wahre Lohn der Weisen Mühe war.
O welch ein Schatz von göttlichen Gedancken,
Zum Lauf in den durchlauchten Schrancken.
Der Geist des Herrn kommt über Dich,
Du beugest Dich vor seinem Throne.
Der Vater nebst dem ewgen Sohne
Gewähren Dir den Beystand mächtiglich.
Ihr Völcker, nehmet es zu Ohren!
Mein Friedrich ists, den Gottes Schutz erhebt,
Der grosse Bund ist dort beschworen.
Ihr Unterthanen jauchtzt, ihr Feinde hört und bebt!
Mein König steht mit Gott, mit Gott im Bunde,
Wohl uns; ihr aber stürtzt zu Grunde.
[79]
Wohl uns, Er herrscht! Er herrschet nun,
Der dort die allerhöchsten Lehren
Gewürdigt wurde anzuhören.
Auf Ihn wird stets der Geist der Weisheit ruhn.
Wer ist, der nicht sein Glücke schauet?
Er selbst hat dort den Grundris abgesehn,
Worauf er unsre Wohlfart bauet.
Er führt nach dem Entwurf, wornach die Sterne gehn,
Jedwedes Wohl aus dem gemeinen Heile,
Und stimmt das Gantze und die Theile.
Ermesset Seinen grossen Geist,
Der stets, weil Er stets an uns dencket,
Sein gantzes Reich in sich umschrencket,
Und so sich fast allgegenwärtig weist,
Wie GOTT, in dessen Platz und Namen
Er diese Last auf sich genommen hat,
Den Er auch stets sucht nachzuahmen.
Ja, Er der König ist auch sein geheimster Rath,
Und wem kan man wohl sicher Gut und Leben,
Als dir, o Vater! übergeben.
Ja, Herr, Du bleibst auch, wie Du bist.
Seyd sicher, ihr geliebten Heerden,
Nein! Friedrich kan kein Nero werden,
Weil GOTT der Grund von seiner Tugend ist.
Der falsche Wütrich sah betrübet
Der Bösen Blut, und Güter voller Lust,
Weil er die Bosheit schon geliebet.
Doch Du gewöhnetest längst die gerechte Brust
Der Bösen Blut mit Weisheit anzuwenden,
Und Dich für unsres zu verpfänden.
Wir sind ja auch Dein Fleisch und Blut.
Der HERR hat, da er Dich erwählet,
Dir jeden Tropfen zugezählet,
[80]
Dis schützest Du mit väterlichem Muth
Im Schatten Deiner stoltzen Fahnen.
Gerechtigkeit und Rache wird vor Dir
Den Weg stets zu dem Siege bahnen.
Dein wohlgeübtes Heer ist so zum Schutz als Zier,
Und was man noch muß vor ein Wunder schätzen,
Kan auch so leicht in Schrecken setzen.
Man siehet, wenn die Lüfte glühn,
Des Abends in den heissen Zeiten
Am Himmel oft von beyden Seiten
Das blaue Heer der Wolcken aufwerts ziehn,
Da es im Ost der Mond bestrahlet,
Und in dem West der Sonnen sinckend Licht
Ihr brennend purpurn Lager mahlet.
Ihr stoltzer Aufzug ziert des Himmels Angesicht;
Da unterdes, die Hitze abzukühlen,
Unschädlich helle Blitze spielen.
Des Himmels Freund und Feinde sehn
Der Lüfte Strahlen in dem Dunckeln
Mit untermischten Wittern funkeln.
Was sonsten schreckt, scheint ietzo schön:
Und weil ihr Feuer nicht versehret,
Bewundern sie vergnügt des Himmels Pracht;
Doch ein geheimer Schauer lehret,
Daß der, so diese Glut zur Lust hervor gebracht,
Im Zorn auch leicht den Donner finden könne,
Der von gerechter Rache brenne.
Doch Mavors rauchend, blutigs Feld,
Der Sieger Schreyn, Besiegter Klage,
Ist nicht ein Schauspiel dieser Tage;
Da Friedrich sich als König dargestelt.
Schaut dort die segensvollen Grentzen,
Und hier durchs Feld die blancken Pflüge nur,
Nebst den geschwungnen Sensen gläntzen.
Seht! hört! wie dort vor euch in jenes Thales Flur,
[81]
Das überall die weissen Heerden füllen,
Die fetten Rinder irrend brüllen.
Der König winckt, sogleich sieht man
Die Künst und Wissenschaften kommen.
Ihr Tempel ist schon eingenommen,
Die Tugenden ziehn allesammt hinan.
Der gantze Himmel kommt hernieder.
Wer aber ist die schöne Führerin?
Der majestätsche Glantz der Glieder,
Ihr Wesen, Blick und Gang verräth die Königin.
Man höret sie, wer will sie nicht erkennen?
Von allen freudig Mutter nennen.
Die Juno schien den Göttern nicht
So schön, so würdig der Altäre;
Da sie in der Göttinnen Heere
Als Königin nunmehr, nach dem Gedicht,
Im Himmel in der Kron erschienen,
Als Du, o Frau uns, die wir durch Dich sehn
Das Land in vollem Segen grünen.
Die Nachwelt, die gewiß kaum glaubt, was hier geschehn,
Wird Deiner Zeit, Herr! wie Augustus Leben,
Des goldnen Alters Namen geben.
Wo sind der Musen neue Höhn?
Herr! Deine Liebe giebt mir Feuer!
O Maro! stimme mir die Leyer,
Mit Ihm den Weg der Ewigkeit zu gehn.
Was hör ich schon vor sanfte Flöten
Auf jener Höh in jenen Lorberwald.
Fahrt fort, ihr feurigen Poeten!
Ihr thut, was euch geziemt, wenn Friedrichs Lob erschalt;
Wir werden stets in Friederich dem Weisen
Die Tugend und die Weisheit preisen.

[82] Der Tempel der wahren Dichtkunst

M. Hier. Vida hymn. I. Deo. v. 30-35.

Carmina nunc mutanda, novo nunc ore canendum

Iamque alias sylvas, alios accedere fontes

Edico. Iam nunc polluto calle relicto

Hac iter esto: huc musarum revocantor alumni.

Hac casti vates in relligione manento.


Odi profanvm vulgvs et arceo.


An Hrn. S.G. Langen.

Der erste Gesang

Den Tempel und dein Reich laß mich, o Königin
Der wahren Poesie, durch deinen Trieb besingen.
Komm! führe mich, daß itzt mein Fesselfreyer Fuß
Auf dieser neuen Bahn nicht gleitet oder irret.
Ja gieb, daß sich mein Vers in wahrer Schönheit zeigt,
[83]
Da der vermeinte Schmuck der leeren Reime fehlet;
Damit ein kluger Geist dennoch Vergnügen fühlt,
Ob ein verwehntes Ohr der Ausgang gleich nicht kützelt.
Ihr, die ihr nur allein den Reim zu loben wißt,
Ihr mögt mein Lied und mich nur immerhin verachten.
Solch Tadeln bringt mir Ruhm, wann sonst nur nichts gebricht.
Ja weicht! ihr solt mich auch nicht hören oder loben.
Du aber hörst mir doch, mein Freund! mein Lange! zu?
Ich weiß es, du entziehst dein Ohr den Hochzeitliedern,
Und gönnst es deinem Freund. So komm, ich will mit dir
Durch jenen schweren Weg zur Dichtkunst Tempel steigen.
Die Nacht war da. Die Ruh zog durch die stille Stadt.
Der Träume leichtes Volck flog hin und her im Schatten,
Es gaukelte und schwung die braunen Fittige
Um manches Bett und Haupt und äfte viele Seelen.
Es strahlte schon der Mond dort unter dem Gestirn,
Das schnell, doch unvermerckt, am hellen Himmel rollte,
Sein stilles Silberlicht drang in mein Schlafgemach,
Und dadurch mahlten sich die Scheiben an den Boden.
Die Lampen schliefen ein, die Fenster wurden schwartz,
Da denen, die noch spät der Weisheit Opfer brachten,
Das Buch aus ihrer Hand, der Leib aufs Lager sanck,
Weil der verwachte Fleiß vom Schlaf gefesselt worden.
Die Stille herrschte nun; man hörte nur allein
[84]
Bey jedem Glockenschlag die muntern Wächter rufen:
Als meine Wohnung noch von meiner Sayten Ton
Und nächtlichen Gesang bey später Andacht schalte.
Ich sang, fast gantz entzückt, in dunckler Einsamkeit
Zu meinem Saytenspiel des grossen Davids Psalmen,
Der sich den Dichterkrantz um sein gesalbtes Haar
Und königliches Gold durch seine Lieder flochte.
Ich sang, was dort von ihm der Jordan oft gehört,
Als er noch Blumen laß und seine junge Locken
In bunte Kräntze schloß; wenn er so Tasch als Stab
Ins feuchte Gras gelegt, worauf die Schaafe schweiften.
Die Engel stimmten selbst in seine Lieder ein,
Wenn er die Harfe schlug, daß Wald und Thal erklungen;
Wenn er voll Lust erzählt, wie sein Jehova ihn
An einen frischen Quell auf süsse Weide leite.
Bald dringt sein hoher Geist lobsingend Himmel an,
Und siehet Gott in Pracht und Herrlichkeit und Ehre;
Sein Kleid ist Licht und Glantz, die Winde tragen ihn
Auf ihren Flügeln fort, die Wolcken sind sein Wagen.
Wie des Gefieders Fürst, den dort Arabien
Auf hohen Felsen zeugt, um die bemoßten Klippen
Sich an der Fische Reich, an Bäch und Seen nährt,
Auf ihren Wassern schwebt, der Federn Spitzen netzet,
Und bald durch starcken Flug weit über Hermons Haupt
Und alle Wolcken steigt, und in den lichten Tempel
Der hohen Sonne dringt, wo er in Glut und Glantz
Die goldne Majestät mit starcken Augen schauet.
Oft brennt sein tapfrer Muth. Er bricht mit seinem Gott
Durch Waffen, Heer und Streit, springt über alle Mauren,
Und stürtzet sie, und geht durch Leichen, Schutt und Grauß;
Und so thut er mit Gott die grösten Wunderthaten.
Itzt schreyt er in der Noth der trüben Zeit zum Herrn,
Doch bald wird er getrost und führt mit seiner Harfe
Des Höchsten heiligs Volck, das freye Israel,
Vom Götzenvollen Nil durch die zertheilten Wasser.
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Die Fluth erschrickt und tobt, der Blitz fährt durch die Welt,
Des Himmels Donner kracht, der Grund der Erden bebet,
Da der erzürnte Gott durch grosse Wasser geht
Und Wagen, Roß und Mann in tiefer Fluth vertilget.
Bald leitet er die Braut zu ihrem Könige
Aus einem prächtigen Pallast von Elfenbeine;
Ihr Kleid strahlt gantz von Gold und streut der Myrrhen Duft;
Der Fürsten Töchter gehn in stoltzem Schmuck zur Seiten.
Er sieht und prophezeyt den Heiland aller Welt,
Er bricht mit ihm durchs Thor, zerstört der Höllen Kerker;
Er folgt mit Jauchzen ihm an seinem Wagen nach
Und zieht im Siegsgepräng mit hundert tausend Schaaren.
Dieß sang ich nach. Gleich ward auf einmal alles hell,
Die Wände zitterten; schnell stand vor meinen Augen
Ein göttlich schönes Bild in vollem Lichte da.
Ein kalter Schauer lief durch die erschrocknen Glieder.
Voll Ehrfurcht sah ich hier die heilge Poesie,
Um ihren Scheitel brennt ein Krantz von lichten Sternen,
Und eine himmlische und ewge Jugend lacht,
So wie die Morgenröth aus ihrem Angesichte.
Sie war sehr prächtig, groß, und so, wie sie sich sonst
Den Söhnen jenes Lichts, den Engeln, pflegt zu zeigen.
Ein perlenweisses Kleid floß von den Schultern ab,
Und ihre Rechte trug die hochgestimmte Harfe;
Die Tugend und Natur und Anmuth folgten ihr,
Als wie drey Gratien, mit fest verschlungnen Händen;
Das reinste Sylbenmaß rauscht, wie ein sanfter Bach,
Mit schönster Harmonie von den beredten Lippen.
Sie selber blickte mich mit heiterm Lächeln an,
Und öfnete den Mund mit diesen Anmuthsworten:
Ich weiß, mein Sohn, ich weiß, daß du die hohe Bahn
Der wahren Dichtkunst suchst. Du hörst des Flaccus Lehren,
Und steigst mit munterm Fuß zu ihrem Heiligthum,
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Das er mit kluger Hand den Dichtern aufgeschlossen.
Du siehst dem Römschen Schwan mit starren Augen nach,
Wenn er die Welt verläßt, und sein erhabner Scheitel
An das Gestirne stößt. Dein Trieb reißt öfters dich
Durch Waffen, Mann und Streit in Marons blutge Felder;
Du wendest in der Hand das Buch des Scaligers,
Du fliehst des Pöbels Staub und gehst des Vida Wegen
Zum höchsten Gipfel nach. Ich tadle dis zwar nicht;
Doch meide nur den Tand verworfner Götzenfabeln:
Itzt aber folge mir, vergiß nun auf einmal
Den lorberreichen Sitz des fabelhaften Pindus,
Wo Phöbus, wie man träumt, sich in der Castalis
Die goldnen Locken wäscht, wo die Camönen tantzen.
Zwar Sion ist entweiht, worauf ich sonst gespielt;
An dessen grünem Fuß Siloens Wasser rieselt,
Um den der Barbar schweift, und ihn zu trüben pflegt.
Doch komm durch jenes Reich zu meinem neuen Tempel.
Sie reichte mir die Hand, ich folgte, doch mit Furcht,
Und nicht mit gleichem Schritt; doch gleich drung Muth und Feuer
In die erschrockne Brust; sie aber ging voran,
Und mischte bey dem Gehn die Stimme in die Sayten.
Bald flog ihr hohes Lied an den bestirnten Sitz
Und prieß der Seelgen Ruh; bald wältzte sie die Worte
Durch das verdammte Reich, wo um die blasse Schaar
Die Bäche Belials mit Schwefel Fluthen brausen.
Und also schreiten wir mit dicker Luft umhült,
Die doch ihr reiner Schein rings um uns her erhellet:
Die Blumen sprossen vor und schmücken ihre Bahn,
Wo ihre Solen nur die Erde sanft berühren.
Das Federvolck sang sie wie ihren Phönix an,
Die Bäume neigten sich mit den belaubten Häuptern,
Und hielten einen Tantz, das Wild verließ den Wald,
Die Löwen strichen sie, der Bär vergaß sein Wüten,
Die Tyger folgten zahm und hörten ruhig zu.
[87]
Die Hirten sprungen auf und meinten noch im Traume
Ein nächtliches Gesicht, halb voller Schlaf, zu sehn,
Der wache Wiederschall sang spielend alle Sylben.
Nun führte uns der Weg in einen Fichten-Wald,
Wo fast um jeden Stamm ein Schwarm mit rauher Kehlen
Nur Hochzeitreime jauchtzt und todte Lieder heult.
O! rief sie, hasse stets den Pöbel toller Reimer.
Wie, wenn die Nacht die Welt in feuchte Schatten hült,
Ein später Wandersmann bey halben Monden Scheine
In finstern Büschen irrt und Raben, Eule, Krähn
Erbärmlich krächzen hört, so war mir hier zu Muthe.
Zwey Wege zeigten sich da, wo der Wald sich schloß,
Der eine war umpflantzt mit Myrthen und mit Lorbeern,
An seinem Eintritt stand die falsche Poesie
Die in dem eitlen Schmuck unechter Steine prahlte,
Das dünn gewebte Zeug des weiten Kleides schwoll
In tausend Falten auf. Mit übermahlten Rosen
War ihr Gesicht geschmückt, die Glieder schienen starck,
Doch war es lauter Schwulst und ein verstelltes Wesen.
Zu ihrer Lincken war ein prächtig Opernhaus,
Und mitten drauf ein Thron auf einer stoltzen Bühne.
Die Wollust brüstet sich darauf in geilem Schmuck
Und ein verführtes Volck trinckt ihren Zauberbecher.
Zu ihrer Rechten zog ein buntes Pfauenpaar
Die Ehrsucht voller Stoltz auf einem goldnen Wagen
Und breitete den Schweif wie ein beaugtes Rad.
Sie rief und suchte mich durch falschen Ruhm zu locken.
Der reiche Geitz schloß selbst die vollen Schätze auf,
Er zeigte mir sein Gold, mich dadurch anzureitzen,
Daß ich der Laster Brut mein Spiel verkaufen soll.
Die falsche Dichtkunst fing mich also an zu locken:
Komm, lerne hier die Kunst, wie man recht hurtig reimt,
Es soll mein Gnadenwind in deines Geistes Segel
Auf allen Meeren wehn, die Gift und Neid beschäumt,
Jedwede Zeile soll nach Mosch und Ambra riechen.
[88]
Dein Reim wird lauter Gold und Diamanten streun,
Mein grosser Anhang wird dein goldnes Lied bewundern.
Komm zu mir in mein Reich, es soll dich nicht gereun.
Du solst in einem Thal bey schönen Nymphen spielen.
Laß die bedornte Bahn: denn, glaub, es wird so seyn,
Daß du oft weinen mußt, eh du wirst singen können.
Darauf erschalte gleich die weichlichste Music,
Gleich tantzt und sang in Creiß ein reitzend Chor Syrenen;
Doch meine Führerinn entriß ihr allen Schmuck,
Und rief: weich, Lasterbrut! so gleich verschwand auch alles.
Nicht anders, als wenn sonst der Sonnen sinckend Licht
Die Abendwolcken mahlt, woran man sich Palläste,
Und Schlösser, Thürme, Thier und Menschen bilden schaut,
Da, eh man sichs versieht, schnell alles wieder schwindet.
Der andre Weg war da, wo sich der Berg entzog,
Und nach dem Thale sanft und Stufenweise senckte.
Hier schwärmten manchmal auch noch Lüste, Reizungen
Und der Begierden Schwarm in mancherley Gestalten;
Fast alle Augenblick sah ich ein neues Bild,
Das immer schöner ward, vor meinen Augen flattern.
Ich hörte manchen Ruf und manche Lockungen
Und viel Syrenen hier betrügrisch reitzend singen;
Jedoch der Dichtkunst Lied besiegte diese Brut,
Und dämpft in meiner Brust die Kraft der Zauber-Lieder.
Indessen kamen wir bis an des Berges Grund,
Doch kont ich meinen Schritt nicht sicher weiter setzen,
Denn alles lag vor mir in Wolcken eingehüllt,
Die aber liessen nichts, so nah es war, erkennen;
Wie, wenn den Creiß der Luft ein Nebel trübe macht,
Man kaum den nächsten Baum und Thurm kan dunkel schauen.
Und gleich vor meinem Fuß sah ich mit Furcht und Graun,
Wie eine tiefe Kluft den ungeheuren Rachen
Entsetzlich aufgesperrt, ihr grauser Abgrund sanck
Voll Rauch und Dampf hinab bis an das Thor der Höllen.
[89]
Viel schwartze schroffe Stein und Felsen hingen hier
An den abschüßigen und aufgeborstnen Seiten,
Kaum fiel mein Blick hinab, so stieg mein Haar empor;
Die Zunge klebte mir vor Schrecken an den Gaumen,
Ein Schwindel fing mein Haupt mit Sausen an zu drehn.
Die gantze Gegend schien mit mir herum zu gehen,
Ich taumelte, und schnell verging Gefühl und Sinn,
Und eine schwartze Nacht zog über meine Augen.
Ich weiß nicht, wie mir ward und was mir da geschah.

Der andre Gesang

Noch wust ich nichts von mir, ich lag dahin; doch endlich
Erholte sich mein Geist. Ich fühlte wieder Kraft,
Ich blickte wider auf, ich sah; allein, o Wunder!
Der reinste Sonnen-Glantz erhellt mein Auge schnell.
Ein andres Paradies, ein himmlisches Gefilde
Wies mir sich unverhoft. Ich starrt und zweifelte,
Ob ich noch auf der Welt, ob ich im Himmel wäre:
So wie der erste Mensch, als seines Schöpfers Hauch
Den rohen Leib beseelt, auf einmal Sonn und Himmel
Und Berg und Thäler sah, da er noch nichts gesehn
Und sich erstaunt befrug, wer, wie und wo er wäre.
Die Dichterin, die sich nun wieder sehen ließ
Hob mich leutselig auf von dem begrünten Hügel,
Der meinen Körper trug. Sie sprach mir freundlich zu:
Verbanne alle Furcht, du bist in meinem Reiche.
Aus Liebe trug ich dich dort über Tief und Kluft,
Die meines Reiches Rand von jenen Gräntzen scheidet.
Hier siehst du das Revier, wo Gottes Garten war,
Das zwar der Vorwitz längst jedoch umsonst gesuchet.
Drauf wies mir ihre Hand das prächtig schöne Land
Und meiner Augen Strahl bestrich die gantze Gegend.
Gleich vor uns breitete ein anmuths volles Thal
Die grüne Fläche aus. In seiner Mitten schimmert
[90]
Ein kleiner klarer Teich, auf dessen gleicher Fluth
Der Winde Fauch nicht streicht, noch grosse Wellen jaget.
Sein nasser Schoß zeigt uns er Sonnen Wallen-Bild
Man sieht auch in der Fluth den unbewölckten Himmel.
Die Blumen spiegeln sich um seinen feuchten Rand.
Ein schattenreicher Kreis von Bäumen schließt ihn ein
Und hengen über ihn die blüthenvollen Zweige,
Die auch zugleich die Last der goldnen Früchte drückt,
Die sich im Wasser schön; doch umgekehret zeigten.
Ein schöner Schwanenflug schwimt um das schwancke Rohr
Und spielet ungestört mit flatternden Gefieder.
Manchmal bespielen sie den weissen Federleib
In seinem reinen Naß, oft tauchen sie sich unter.
Manch Flüßgen rinnt hier aus und schlängelt rieselnd sich
Durch diese Wiese hin. Theils sind mit Rosenbüschen,
Narcissen, Lilien und Nelcken eingefaßt,
Wobey die Nachtigall sich Nester baut und schläget.
Es steiget hier und da manch prächtig Ehrenmal
Und manche Säul empor, von Palmen überschattet.
Hier, sprach sie, findest du der wahren Tugend Lohn.
Und edler Thaten Ruhm zum Beyspiel eingeätzet.
Die Nachwelt siehet hier, was Klugheit und Verstand
Lobwürdiges gethan an hundert Ehrenbogen.
Auch selbst die Tugenden besuchen dis Revier.
Wie oft ergötzen sie sich hier in schönen Tagen?
Selbst die Gerechtigkeit, wenn sie den Stuhl verläßt,
Legt in das feuchte Gras so Schwerdt als Wage nieder.
Die Tapferkeit lößt hier auch Helm und Küraß auf,
Sie hengt sie mit dem Schild an jener Palmen Aeste
Und beyde führen denn die Großmuth, Gütigkeit,
Die Keuschheit, Lieb und Treu am Reihn in einem Circel,
Drauf tantzt und singt das Chor um einen hohen Baum,
Die Füsse rühren stets die Erde wechselsweise;
[91]
Oft setzet es sich auch an jenes Brunnen Rand,
Bey dem die Eiche steht, woran sie Kräntze hengen,
Und da sein schwätzig Naß durch glatte Kiesel schlurft,
So füllt es Thal und Wald mit lehrenvollen Liedern.
Zuweilen ruhen sie in kluger Einsamkeit,
Benebst den Künsten hier in ihren kühlen Grotten,
Die man mit Moß geziert in jenen Hügeln siehet,
Die als ein grüner Wall den krummen Thal beschützen.
Wenn nasse Perlen noch früh auf den Rosen stehn,
Ergehen sie sich bald in den bemahlten Matten,
Und bald beraubt die Hand den Thal der bunten Zier
Und windet einen Krantz zum Schmuck der weissen Schläfe:
Wie, wenn der Morgenstern das Feld mit Thau besprengt,
Der Bienen fleißigs Volck sein wächsern Lager lässet
Und durch die Blumen hin auf Hyblens Fluren fliegt,
Wo es mit Summen sich die süsse Beute sammlet.
Die Baukunst, Mahlerey, und die aus Holtz und Stein
Durch ihres Meissels Kunst so Thier als Menschen schaffet,
Bedienet hier mein Volck, und eine jede hat
Die Werkstatt und ihr Zeug in dem gewölbten Felsen.
Bald formt der einen Hand aus glatten Marmorstein
Durch den geschärften Stahl viel Säulen, Bogen, Bilder;
Die andre ordnet denn den königlichen Bau,
Woran der Pinsel noch die grösten Thaten schildert.
Und dis mein untres Reich, in dem der junge Lentz
Sich mit dem Herbst umarmt den Frücht und Weinlaub kräntzen,
Und als Gefehrte ihm beständig tantzend folgt,
Ist der beglückte Sitz der tugendhaften Dichter.
Die so die Laster nicht aus lasterhaftem Neid
Nein durch der Tugend Trieb mit ihrer Geissel strafen,
Die Tugenden davor aus der Verachtung Staub
Auf den verdienten Thron erheben und bekrönen;
Die, so die goldne Zeit und Unschuld wiederum
In Wald und Wiesen sich bemühen einzuführen,
[92]
Die auf dem Haberrohr vom Feld und Ackerbau
Von der unschuldigen und keuschen Liebe spielen:
Die, so die Weisheit auch in meiner Sprache selbst
Die wild und rohe Welt zu unterrichten lehrten;
Die, die den Bau der Welt, des Tages lichte Zier,
Der Himmelskugeln Lauf und ihr Gesetz besungen,
Die das verdiente Lob der weisen Könige
Durch ihren hohen Flug bis zu den Sternen führten,
Und ihre Sayten nie durch Schmeicheley befleckt;
Die nur beherschet hier ein ewig froher Friede;
Doch kein gewisser Ort schließt ihre Freude ein,
Weil ihnen alles frey. Bald nimmt sie jenes Wäldgen
In seinen Schatten auf, bald sehn sie von der Höh
Des Berges durch das Feld und singen an den Flüssen.
Hier geht ein Paar vertraut, zwey andre streiten dort
Um den gesetzten Preis. Schau zwischen diesen Hügeln
Die schönen Thäler dort, die nach einander hin
Uns weit und breit gestreckt in dem Gesichte liegen:
Die erste hat ein Strich von Büschen eingefaßt,
Aus denen nach der Reih viel hohe Bäume steigen,
Worunter Heerden gehn und mancher Hirte pfeift.
Die nähsten hält ein Wald in seinem Schoß umschlossen.
Und jene hat ein Fluß, der wie das Silber gläntzt,
Recht mitten durch getheilt. Die scheinen immer kleiner,
Die weiter von uns seyn; bis du die hintersten,
So ein Gebürg umgrentzt, fast nicht kanst unterscheiden,
Sie bilden sich so klein in unsern Augen ab,
Wie eine Landschaft ist, die man mit blauer Farbe
Durch eines Künstlers Hand gantz klein getuschet sieht,
Und die, so nah sie ist, doch weit entfernet scheinet.
In diesen irren sie, wohin die Lust sie führt
In ungestöhrter Ruh. Und hinter jenen Bergen,
Da hat die Sonne auch, nah an des Meeres Rand,
Nebst ihrer Heroldin der Morgenröth ihr Lager.
Und diese sammlet sich alhier die Rosen ein,
[93]
Womit sie sich bekräntzt, wenn sie mit Purpurflügeln
Sich vor der Sonnen schwingt, die durch das goldne Thor
Wie eine Fürstin zieht, der Welt den Tag zu schencken.
Dort aber lincker Hand, wo du das dunkle Thal
An jenem Felsen schaust, dort ist das Haus der Träume,
Die auch im Wachen oft die klugen Dichter sehn,
Und die sich, wie sie nur und wo sie wollen, zeigen.
Zwey Höhlen gehn daselbst von Steinen überwölbt
Tief in den holen Berg, doch an verschiednen Orten;
Die eine Grotte schließt ein Christallienen-Thor,
Das hell und rein pollirt dem besten Spiegel gleichet.
Es schimmert durch sein Glas die schönste Demmerung,
Und macht das frohe Haus der holden Träume kenntlich.
So bricht zur Morgenszeit das ungewisse Licht
Sonst in ein Schlafgemach durch die halb ofnen Fenster.
Die Grotte selbsten ist mit bunten Steinen, Mos
Und Muscheln ausgelegt und seltsam mit Figuren
Sehr wunderlich geziert; aus seinen Wänden springt
Ein sprudelnd heller Quell, der zu dem Schlafe ladet.
In dieser Höle spielt der schönen Träume Chor.
Ein Theil sind Jünglingen, theils Jungfern, theils den Kindern,
Doch alle, auch verstellt, der Wahrheit immer gleich.
Die Flügel ändern stets, so wie ihr Kleid die Farbe,
Bald flattern sie herum, bald tantzen sie verschrenckt.
Bald springen sie verwirrt mit Schertzen durch einander,
Und hüpfen hin und her, bald jagen sie sich rum;
Doch eh man sich versieht, so sind sie schnell verändert.
Zwey Täubchen schnäbeln sich, wo man den Augenblick
Zwey Kinder spielen sah. Ein Jüngling wird zum Rosse,
Das muhtig braust und springt; der andre gar ein Baum.
Die Jungfer wird zum Schwan; die zum gemahlten Pfauen.
Ein Theil verwandelt sich in Säule einer Burg,
Die schnell vor Augen steht. Der wird zu einem König;
[94]
Der einem Todten gar; der einem fremden gleich,
Den man sonst nie gesehn, doch itzo gleich erkennet.
Vor ihre Schwellen hengt der Mohn sein Purpurhaupt,
Er düftet trägen Dunst nebst vielen andern Kräutern,
Und füllt damit den Hain, der dieses Thal beschwärtzt
Und dessen grüne Nacht, der Mittag nie verjaget.
Der grausen Träume Sitz ist eine finstre Kluft.
Ein schwartz und eisern Thor knarrt heulend in den Angeln
So oft es diesen Schwarm aus seinem Rachen speit;
Sonst aber steht sie stets mit Schlössern starck versperret.
Inwendig hausen sie und sehn so schrecklich aus,
Als wie die Drohung selbst. Ihr Arm schwinckt schwartze Fackeln.
Die Schlangen winden sich um ihren wilden Schlaf,
Die sie im Lauf und Streit auf ihren Rücken schmeissen.
Ein Theil kämpft gantz erhitzt, theils ringen voller Wuth
Und die verfolgen sich, die streiten mit den Fackeln,
Daß man um ihren Kopf die Funcken fliegen sieht;
Doch mitten in dem Kampf erscheinen Ungeheuer,
Ein fleckigt Tieger droht mit ofnen Rachen hier,
Dort ein ergrimter Löw, der seine Mahne schüttelt,
Und fält denn reissend an. Ein Drache schlingt und streckt
Den scheuslich blauen Schwantz und sprühet Gluth und Flammen.
An ihre Wohnung stößt ein schlackricht wüstes Feld.
Ein schädlich fauler Dunst fült die verstockte Luft,
In welchen sich die Last der Donner Wolcken wältzt,
Die sonst durch Gluth und Knall den bangen Schlaf zerstöhrn.
Den Schlüssel aber trägt als ihre Hüterinn
Die leichte Phantasie, die um die beyden Thore
Gantz ausgelassen schertzt und hin und wieder fliegt,
Und stets bald die bald die pflegt da heraus zu ruffen;
Doch die Vernunft sitzt dort auf der erhabnen Burg
Als ihr gestrenger Fürst, sie trägt den weisen Zepter
Und herschet über sie, ob sie gleich Unmuths voll
[95]
In der verschloßnen Kluft um ihre Riegel hausen;
Geschehe dieses nicht, so würde sie verwirrt
Der Menschen Seelen stets betriegen und erschrecken,
Wie in dem Reiche dort, wo meine Feindin herscht,
Da sie unordentlich wie bey Beseßnen schwärmen.
Deswegen sind sie hier in Hölen eingespert,
Und sie ist Königin, damit sie ihre Zügel
Nach den Gesetzen stets bald diesen schiessen läst,
Bald die zurücke zieht und wieder unterdrücket.
In jenen Feldern dort ist alles das geschehn,
Was kluge Dichter euch in Liedern hinterlassen.
Ach! alles trotzte da und grif ergrimt zum Schwerdt,
Als Ajamemnons Stoltz die schöne Sclavin raubte.
Die Zwietracht wütete und dieses Helden Zorn
Ließ manchen tapfern Geist zur schwartzen Höllen fahren.
Er sah und weidete sein rachbegierig Hertz;
Da Hund und Geier sich mit ihren Därmen schlepten.
Hier hat Penelope durch ihre keusche List
Der Freyer Ungestüm zehn Jahre aufgehalten;
Hier hat die Dido sich nach des Aeneens Flucht
In Schwerdt und Gluth gestürtzt, ihr Laster zu bestrafen.
Anchisens Sohn, der viel zu Land und auf der See
Und in den Streit erlitt, hat hier die Stadt gegründet;
Hier stieß er seinen Stahl erhitzt in Thurnus Brust,
Und dessen Seele floh mit Achtzen zu den Schatten:
Der freche Ajax fiel aus rasend stoltzem Scham
Selbst in sein eigen Schwerdt, und mit ihm Trotz und Hochmuth
In Blut besprützten Sand; des Ajamemnons Sohn
Hat durch den Mutter-Mord des Vaters Mord gerochen,
Orest hat hier getobt; als ihn der Mutter Geist
Zur Strafe für ihr Blut verfolget und gequälet.
Wie rasend floh er hier die Töchter jener Nacht,
Die mit den Schlangen sich zu seiner Qual bewafnet;
[96]
Hier forschte Oedippus selbst sein Verbrechen aus,
Und ächtzte, da er sich die Augen ausgerissen,
Woran man noch das Blut geronnen kleben sah,
Als ihn die Rache spät, doch desto härter stürtzte.
Der klugen Dichtergeist ruft dort durch seltne Macht
Ein längst verwestes Volck aus den vermorschten Urnen,
Und stellet sie aufs neu der bösen Welt belebt
Zum Abscheu, oder auch zum Beyspiel vor die Augen;
Wiewohl sie setzen sie in einen andern Stand;
Allein sie lassen sie nicht anders thun und reden,
Als was sie selber wohl in solchem Stand gethan,
Und wie es die Natur und Kunst und Tugend heisset.
Und jetzo hat mein Arm die schnöde Götzenbrut
Aus meinen Gegenden getrieben und verbannet.
Durch diesen Abgang wird mein Reich nicht arm noch leer;
Die Dichter sollen es mit Tugendbildern füllen.
Ich faßte jedes Wort mit muntern Ohren auf,
Und als ihr Mund sich schloß, so fing ich an zu fragen:
Wo, grosse Dichterin! ist denn dein Heiligthum?
O! führe mich doch hin zu den geweihten Quellen.
Sie drehete hierauf den hohen Blick auf mich,
Der, was er trift, erhellt und allen Dunst durchdringet,
Und wandte ernsthaft ein: ich will zwar deinen Fuß,
So wie ich dir verhieß, in meinen Tempel leiten;
Allein wen Sünd und Tod mit Höllenbanden drückt,
Der darf mit frechem Schritt nicht meine Höh entweihen;
Doch wilst du künftig stets die Bahn der Bösen fliehn;
So will ich dir den Weg zu meinem Sitz eröfnen.
Und den trägt jener Berg, der über Wolck und Luft
Sein palmenreiches Haupt biß zu den Sternen strecket.
Kein Blick erreichet ihn, kein Vogel schwingt sich hin.
Er hört sehr fern und tief die Donner dumpfig schüttern.
Sein breiter Rücken liegt voll Felsen, die sehr steil
[97]
Und gantz unwegbar sind, doch tritt in meine Spuren,
So wird der rauhe Weg leicht zu besiegen seyn.
Drauf ging sie vor mir hin, wir sahen unterwegens
Der grösten Männersitz. Zur Rechten strecket erst
Ein Schloß nach Süd und Nord zwey wohlgebaute Flügel.
Hier, sprach sie, wohnt Homer und dorten dein Virgil,
Da siehst du, wie Horatz die edle Leyer stimmt,
Und wie Theocritus in grüner Hirten Tracht
Vor jener Hütten sitzt, die Zweig und Blumen schmücken.
Sie haben zwar ihr Lied durch Götzentand entweiht;
Doch diesen Fehler deckt die grosse Tugend-Liebe,
So sich sonst überall in ihren Liedern zeigt,
Die manches Christenlied an Reinigkeit beschämen.
Und dort in jenem Bau, der einem Schauplatz gleicht,
Thront der Euripides, und Sophocles zur Seiten.
Es ist bedaurenswerth, daß diese Dichter noch
Auch in der blinden Nacht des Aberglaubens irrten.
Wie lehrreich ist nicht schon ihr edles Trauerspiel
In dem die Wollust nicht, wie bey dem neuern herschet.
Den edlen Tyberschwan schließt diese Laube ein,
Die hier ein Lorberbaum mit Schatten überwölbet.
Du trifst in diesem Wald auch andre Dichter an.
Allein die so zwar wohl noch nach den Regeln singen;
Doch zu den Lastern nur mit Liedern opfern gehn,
Trennt jener tiefe Fluß von diesem selgen Reiche.
Da sind sie allezeit der Leidenschaft Raub.
Dort singt Ovidius, Catullus und Tibullus,
Nebst dem Propertius manch geiles Bulerlied.
Die Sappho sitzt und klagt auf ihrem weisen Felsen.
Viel andre jauchzeten mit trunckenem Geschrey,
Sie taumeln hin und her: so schwermten die Bacchanten
Auf des Cytherons Höh, wenn man sie bey der Nacht
[98]
Lyäens nasses Fest mit Brüllen feyern hörte.
Es rauscht in einem Thal ein kleiner Palmenwald,
Wodurch ein Flüßgen lief. Hier sah ich dich, mein Lange,
Wie du an einem Stamm in grünem Schatten ruhst,
Und nun dein tönend Spiel mit neuen Sayten rüstest.
Sogleich beflügelte die Freundschaft meinen Fuß.
Ich riß mich zu ihm hin, nachdem wir uns umfangen,
Und ich mich schon mit ihm zum Singen zugeschickt,
Sah ich ein heilig Kleid ihm seine Schultern decken.
Ich fragte gleich, woher die fromme Zierde sey;
Als meine Führerin sich zu ihm naht, und sagte:
Da dich des Höchsten Arm zu seinen Altar führt;
So will ich dich nun auch zu meinen Priester weihn.
Sie nahm ihn bey der Hand, und ich begleite sie;
Doch fast erschreckte mich des Berges grause Höhe,
Den ich nur halb gesehn. Um seine Schultern war
Ein himmelblau Gewölck mit Gold durchwürckt gegossen.
Es hatte unser Schritt den Berg nunmehr erreicht.
Ein schwartzer fauler Fluß schleicht langsam an den Wurtzeln
Mit trägen Beugungen stillschweigend ruhig fort
Und wältzet Purpur, Kron und Zepter an dem Grunde.
Seht! sprach sie, dieser Strom heißt die Vergessenheit.
Der muß, was eitel ist, in seine Fluth versencken,
Wer auf die Höh verlangt. Wir warffen alles hin.
Alsbald erblickten wir gleich vor uns eine Brücke,
Dieselbe führte uns auf einen schmalen Steg,
Und der durch einen Wald von traurigen Cypressen.
Den Fortgang machten uns viel scharffe Steine schwer,
Worüber Dornen sich dicht durch einander flochten.
Es kostet, sagte sie, viel Schweiß; doch unverzagt:
Die Müh belohnt sich selbst. Wir kletterten mit Seufzen
Und grosser Arbeit fort, und hörten überall
Nur ächtzen, winseln, flehn, und Buß und Klagelieder.
[99]
Das Ende war nun da, der saure Gang vollbracht;
Sie aber zeigte uns noch einen Brun zum Waschen.
Nach diesen gingen wir auf einen Blumensteg
Durch das Gewölcke hin, das uns umher bedeckte.
Wir wurden überall von Feuchtigkeiten naß,
Die Tropfen blieben uns an Haar und Kleidern hengen.
Ich glaubte, daß ich gar des Himmels Lieder hörte,
Und seht! Ihr Tempel lag in vollem Glantze da,
So wie die Sonne sich früh auf den Bergen zeiget,
Rund um den gantzen Berg zog sich auf beyden Seiten
Zuerst ein Tannenhain, darauf ein Lorberbusch,
Und denn ein holder Wald von zackicht breiten Palmen,
Sie stiegen nach und nach und stufenweis hinan.
Des Berges Haupt umzirckt ein Krantz von hohen Cedern,
Es ist an Quellen reich. Hier rauscht ein Fluß von Most
Und springt von Stein auf Stein: dort irret um die Stämme
Ein süsser Honigquell. Hier schäumt ein Bach von Milch,
Und jeder Zweig ertönt von singendem Gefieder.
Der laue West spielt hier mit frischen Blumen stets,
Kein Sturm bringt Wolcken her, und schwärtzt die hellen Lüfte,
Der Himmel lachet stets mit immer heiterm Schein,
Hier küst sich Fried und Lust. Die Bürger jenes Reiches
Der selgen Ewigkeit, wo ihr geschwinder Fuß
Die Sterngewölber tritt, besuchen diese Spitze.
Sie lassen um den Quell die Feuerrosse oft
Mit ihren Wagen stehn; wenn sie hier auf der Erden
Entweder den Befehl des Höchsten ausgericht,
Und, oder aus der Höh von ihren Schlössern kommen.
Sie lehnen ihren Spieß und Schild an einen Baum,
Und pflegen ihren Schlaf mit Blumen zu bekrönen,
Ein Chor singt wechselsweis, und sitzt um einen Bach,
Theils schweben in der Luft im Cirkel an den Federn,
Theils aber mischen sich mit ihren Harfen oft
Auch in der Dichter Chor. Fahrt fort ihr Himmelssöhne!
[100]
An deren Liedern Gott selbst ein Gefallen trägt,
Wenn ihr um seinen Thron mit Lobgesängen dienet;
Vergönnet, daß ich mich an eurer Harmonie
Entzückt ergötzen mag; da ich, vom Steigen müde,
An einem kühlen Quell auf feuchten Blumen ruh,
Und durch sein labend Naß mich wiederum erfrische.

Der dritte Gesang

Den Tempel selber schließt ein grosser Vorhof ein,
Und zieht sich um ihn her in einem weiten Cirkel.
Es ist der stoltze Bau von Säulen aufgeführt,
Die ein Gesimse drückt, das Marmorbilder krönen.
Fast jede Wissenschaft, und jede freye Kunst
Hat unter ihren Schutz auch seine eigne Halle.
Die Sprachkunst sitzet erst mit ihren Kindern hier;
Dann die Philosophie, nebst ihren weisen Töchtern,
Die sich um ihren Thron in einen Kreis gesetzt.
Drauf führt uns ihre Hand durch der Mathesis Halle,
Wo wir viel Cirkel, Stäb und Ketten liegen sehn.
Die Wände waren voll von Ziffern und Figuren,
Von da gelangen wir, zu der Astronomie,
Das gantze Himmelsheer blitzt hier an dem Gewölbe,
Wodurch der Thierkreis sich mit seinen Zeichen zieht.
Zu ihren Füssen stehn viel grosse Himmelskugeln,
Hier liegen Perspectiv, und Coniglobien.
Auch die Geographie sitzt unter den Atlanten,
Des Zimmers Seiten sind mit Mappen überdeckt,
Worauf der Erdbau sich in kleinen Rissen zeiget.
Dann machte sie das Thor zu der Historie auf.
Hier zeigte sie uns erst die diamantnen Flügel.
Da wieß ein rundes Feld die wüste leere Last.
Man glaubte fast zu sehn, wie hier das Licht entstünde.
In einem andern sind die Wasser schon getrennt,
[101]
Und oben ausgespannt, ja von der Erden Rücken
Strömt die beschäumte Fluth am dritten schon herab;
Das Trockne kommt hervor, es wältzen nur die Winde
Die Wogen um den Strand. Dort lacht der Blumen Heer,
Da streckten Bäume schon die Fruchterfülten Wipfel
Fast überall hervor. Im vierten sahen wir
Die Sonne und den Mond, umringt mit tausend Sternen,
Und in dem folgenden das starck bewegte Meer.
Das gantze Wasserreich schäumt von den regen Fischen,
Der Walfisch sprudelt hier die Fluthen in die Höh.
Dort schwingt das Federvolck die triefenden Gefieder.
Im sechsten schien es fast, daß sich die Erd erhub.
Hier sprung sie auf, und da erblickte man schon Hörner;
Hier kamen Köpf hervor, und da ein halber Leib,
Dort schüttelte ein Leu den Staub von seinen Locken:
Da stampft ein muthig Roß, hier stößt ein wildes Rind.
Darunter nun erschien das erste Paar der Menschen;
Der Mann war angenehm, doch ernsthaft auch dabey.
Das Weib sehr reitzend schön, mit unschuldsvollen Minen.
Ihr lang und freyes Haar verbarg des Leibes Pracht.
Doch in der Halle selbst sah man die Welt im Wasser,
Worauf die Arche fuhr; Hier schwommen Mensch und Vieh,
Dort suchten viele Schutz, auf Bäumen, Felsen, Bergen.
Zur Seiten konten wir des Höchsten Kriege sehn.
Dort saß Sardanapal, so wie ein Weib bey Weibern,
Wo seine Männer Hand stat Spiessen Spindeln dreht.
Dort aber kämpft das Weib Semiramis mit Männern.
Gleichüber wieß sich uns des Xerxes schrecklichs Heer
Und seine Brück im Meer. Es stürtzten theils die Balken,
So wie es schien, hinein, theils riß die Fluth schon fort.
Da, sprach sie, findet ihr den grossen Alexander,
Hier kämpft und sieget er, dort fliehn die Perser hin,
Da stehn von Rom nur erst die halberbauten Mauren,
[102]
Hier klettert Annibal. Es übersteigt sein Heer
Der Alpen grause Höh, die ewigs Eiß bedecket.
Dort herscht August und trägt als Käyser Kron und Stab.
Dem folgen nach der Reih hier alle andre Käyser,
Wir sahn, was unser Carl, der grosse Carl gethan
Und wie, Eugen! O Held! Dein Arm sich Lorbern pflantzet.
Indem wir dis besahn, kam die Historie,
Und führte uns mit sich zu einem grossen Felde.
Lenckt, rief sie, euren Blick auf dis Gemählde her,
Seht hier den Friederich, den ersten dieses Namens:
Er setzte Brandenburg aus der Verwirrung Wust
In einen bessern Stand. Der zweyte steht darneben.
Der noch ein Beywort sonst von eisern Zähnen führt.
Albertus setzet hier auf seinen Fuß den Degen,
Den er mit Ruhm und Sieg achtmal hat eingesteckt.
Der deutsche Cicero, Albert, steht ihm zur Seiten.
Noch itzo sieht man ihn nicht ohne Ehrfurcht an,
Und o! wenn er erst sprach, wer kont ihm widerstehen?
Seht ihr den Joachim, der an der Oder Strand
Der Weisheit Sitz gegründt. Der zweyte dieses Namens
Erkante in der Nacht des wahren Glaubens Licht,
Und folgte ihm auch nach. Von dem Johann Georgen
Sproßt deines Königs Stamm. Und der hat auch zuerst
Den Fuß in Preussens Reich mit auf den Thron gesetzet.
Zu seiner Linken ist Johannes Siegismund.
George Willhelm steht hier in dem Herzogshute.
Erkennet ihr den Held, den Friedrich Wilhelm nicht,
Vor dem der Pohlen Heer einst mit gesenckten Fahnen
In Warschaus Feldern floh? Sein Donner stürtzete
Stettin in Asch und Graus. Dort zeigt sich Friederich
In seiner Königs Kron. Und o wer kan dich wohl,
Du weiser Friedrich, sehn, und deinen Ruhm nicht preisen?
Du hast dein würdig Haupt, mit eigner Hand gekrönt.
Du rißst den Mörder Stahl dem Zweykampf aus den Händen
[103]
Und warfst der blutgen Wuth die strengsten Zügel an.
Hier, wo die Saltzfluth quilt, und in berauchten Hütten
In flachen Pfannen schäumt, hast du der Weisheit Thron,
Wie deinen, aufgericht. Ihr kennt schon diesen Helden,
Vor dem ihr euer Haupt in tiefer Ehrfurcht neigt,
Der itzt gerecht und klug des Brennus Zepter führt,
Und durch das Heer sein Land, vor Krieg in Frieden schützet,
Doch hat nicht längst Strahlsund sein Feuer brennen sehn,
Wo er in Glut und Dampf vor dessen Mauren fochte.
Seht, seinen Helden Sohn, der schon dem Vater gleich,
Wie ihn der Weisheit Hand in blanckem Ertze führet:
Es sahe ihn der Rhein, so wie des Adlers Zucht
Der stürmisch hohen Spur des Vaters muthig folgen,
Wenn sein erhabner Trieb sie aus dem Neste reißt,
Und durch des Donners Reich mit unerschrocknen Flügeln
Der Sonn entgegen führt. Er sah es, und erstaunt.
Ich brauch es nicht, daß ich euch erst die Namen nenne,
Weil sie ein jeder weiß, inzwischen freu ich mich,
Daß dieser treue Kiel derselben Thaten meldet.
Und ihr, bestrebet euch, daß ihr der Ewigkeit
Ihr Lorberreiches Lob in Liedern übergebet.
O! hätt ich Geist und Kraft. O! wär es mir erlaubt.
Doch, arme Dichtkunst, bleib von der verbotnen Höhe.
Die Tonkunst lockte uns durch ihrer Sayten Klang,
Trompeten, Zithern, Flöt und Lauten hingen, klungen
Und schwebten an der Wand. Der schnellen Fingerkunst
Belebt das todte Holtz, auf zitternd hellen Säyten.
So sehr ihr Lied auch gleich die Töne wechseln ließ;
So musten sie doch stets genau zusammen stimmen,
Und auch in Eil und Flucht dem Tackt gehorsam seyn.
Indem erblicken wir ein prächtiges Gebäude,
Den Ehrenpforten gleich. Auf jeder Seiten trägt
Ein Riesenbild gebückt den Bogen auf den Schultern,
Als sey die Last zu schwer. Zwo Säulen stützen noch
[104]
Nebst ihnen das Gesims, auf dem an jeder Ecken
Zwey Marmorbilder stehn. In seiner Mitten ligt
Ein Muschel gleicher Helm auf zwölf corinthschen Säulen.
Auf einer jeglichen prangt eine Statue.
Die Baukunst saß alhier auf ausgehaunen Stücken,
Und zeichnete ein Schloß nebst seinem Grundriß ab.
Indessen hörten wir der Meissel Schläge klingen,
Und sahen in der Näh die Kunst, so Bilder haut,
Hier lag ein halbes Stück, jedoch noch unpoliret!
Dort stand ein Engelsbild, das fast zu leben schien,
Und dem es sonst an nichts als an der Sprache fehlte;
Und da ein Kriegesmann: Ihn rüstet Helm und Schild,
Er drohet, wie es scheint, und lehnt sich auf den Spieß.
Die Mahlerey wohnt gleich zur Seiten neben ihr,
Die kunstreich rechte Hand regiert den regen Pinsel;
Die Lincke das Ballet. Der Stein und Läufer steht
Voll Farben neben ihr. Auf eines Bretes Fläche
Kan man so Berg als Thal und Städt und Felder sehn,
Auf jener Leinwand ist ein Mensch so wohl getroffen,
Als wär er selber da. Dort kämpft ein gantzes Heer:
Man sieht im blauen Dampf, wie der sein Eisen schwinget,
Und der es fallen läst, da er sein Blut verspritzt.
Auf den Gesichtern stehn, Zorn, Rach und Leid gemahlt.
Der folgt die Webekunst. Sie wirckt mit fleißger Hand:
Der reiche Aufzug ist, mit Purpur übergossen,
Am Baume aufgespannt, und gehet durch den Kamm.
Sie treibt den Schützen schnell durch die getheilten Faden,
Und schläget Seid und Gold in das Gewebe ein.
Ein köstlicher Damast wächst unter ihren Händen,
Auf den der Blumen Gold in rothem Grunde brennt.
Die Nähkunst war bey ihr, sie mahlte mit der Nadel,
In ein gespantes Tuch, was kaum der Pinsel kan.
Sie hebt und senckt die Hand, und zieht den feinen Faden.
Dort donnert in der Kluft der Hammer schwerer Knall,
[105]
Zwey machen einen Schild, erheben wechselsweise
Und fällen ihren Arm. Man sieht die Funcken sprühn,
Der harte Ambos selbst seufzt unter ihren Schlagen.
Da stehen Egg und Pflug. Hier hengt ein blitzend Schwerdt,
Dort Küraß, Helm und Spieß aus blanck geschlagnem Ertze,
Hier floß zerschmoltznes Gold, das wie die Sonne strahlt,
In nette Formen ein. Der Meister bildet Schaalen
Und Kelch und Becher draus. Und ihr polirter Bauch
Gläntzt mit den zierlichsten erhabenen Figuren.
Als sie uns überall mit sich herum geführt;
So sprach sie: seht, dies ist der Vorhof meines Tempels,
Wer den erhabnen Fuß in solchen stellen will,
Muß durch der Künste Sitz, der Wissenschaften Wohnung
Mit muntrer Achtsamkeit und scharffen Augen gehn.
Wer in der Poesie ein Meister denckt zu werden,
Muß hier erst Schüler seyn, sonst bringt er es nicht hoch.
Indessen waren wir bis an das Thor gelanget.
An allen Säulen sind viel Tafeln aufgehengt,
Sie wies uns selbst daran die ewigen Gesetze,
Die keines Dichters Lied mit Recht verletzen darf.
Es kostet freylich wohl, sprach sie, viel Zeit und Mühe,
Doch wer sich auf der Bahn nicht leiten lassen will,
Und nur sich selber folgt, kan leicht sich selbst verführen.
Wir traten in den Hof. Wir sahn den Wunderplatz,
Wo die Natur und Kunst, wie zwey vertraute Schwestern,
Im Siegsgepränge ziehn. Der jungen Dichter Hand
Pflantzt hier auf jedes Beet die farbenreiche Zierde,
So wunder schön ist nicht der Bogen in der Luft,
Der aus dem Sonnenschein die hellen Farben ziehet.
Hingegen ordnet dort der ältern kluge Hand
Die Bäume nach der Reih zu schattenreichen Gängen:
Manch holdes Frühlings-Lied schallt durch das dicke Laub,
Das lieblich tönt und rauscht, wenn es der West beweget,
[106]
Und manche Harfe beugt die starcken Zweig herab,
Worunter Dichter sich bald setzen, bald im Grünen
Sich mit Gesang und Spiel in Einsamkeit ergehn.
Vier Quellen springen hier. Der ersten klares Wasser
Ist ungetrübt und rein. Kein schwerer Stein, kein Holtz
Verhindert ihren Lauf. Sie fliest auf reinem Sande.
Viel Kinder baden sich, und spielen um den Rand.
Die Dichter pflegen sie die Reinigkeit zu nennen.
Die andre heissen sie den Sprung der Flüßigkeit.
Es rinnt ihr sanfter Bach fast sonder einigs Rauschen
Durch Blumen, Bäum und Stein ohn allem Anstoß fort.
Die Schönheit sieht man hier benebst der Anmuth schwimmen.
Der dritten geben sie den Namen Lieblichkeit.
Ihr Wasser ist sehr süß und strömt mit holdem Rauschen.
Vergnügen, Lieb und Lust tantzt um den bunten Strand,
Sie pflegen mit dem Naß sich schertzend zu bespritzen.
Die vierte Quelle heißt sonst die Nachdrücklichkeit,
Sie treibt die schwere Fluth bald schnell mit starckem Rauschen,
Bald majestätisch fort. So Ernst als Grosmuth geht
Am Wasser hin und her. Zwar jede Quelle springet
Weit von der ander vor, und irret hin und her
Mit angenehmen Spiel in dem beblümten Garten;
Doch endlich giessen sie ihr Wasser insgesammt
In einen grossen Fluß, der Gold und Perlen rollet,
Und der, obgleich die Fluth mit lauten Schallen fließt;
Doch stets so lauter ist, daß man an seinem Grunde
Die Steinchen sehen kan. Auch der umschliesset hier
Mit seinem nassem Arm den Fuß des grünen Hügels,
Auf welchem sich die Last des hohen Tempels thürmt.
Die blumenreiche Höh erhebt sich stufenweise
Und jeder Absatz läuft im Cirkel um ihn her.
Die unterste ist nur mit frischem Grase, Veilchen
Und dem gemeinem Schmuck der Wiesen ausgeziert,
An ihren Enden steigt manch spitzer Tannenbaum
[107]
Aus kleinen Büschen auf. Die folgende bemahlet
Der Gärten bunter Schmuck, Narcissen, Lilien,
Und ihre Ränder sind mit Rosen eingefaßet,
Darzwischen breiten sich die Lorbeern nach der Reihe.
Die höchste schmücket sich mit Käyser-Kronen aus.
Auf ihren Umfang stehn viel seltne Blumentöpfe,
Nebst Cedern, so die Kunst zu Pyramiden macht.
Die Dichtkunst ließ uns hier nach unserm Willen wandeln.
Wir wandelten, bis sie uns zu dem Pallast rief.

Der vierte Gesang

Und mitten aus dem Schoß des blumenreichen Cirkels,
Und der belaubten Nacht der Cedern hebet sich
Der prächtighohe Bau des Tempels zu den Sternen.
Das Grundgebäude streckt vier Aerme dahinaus,
Woher der Winde Macht sonst unten auf der Erden
Die regen Lüfte treibt. Das Thor, so offen steht,
Führt diese Ueberschrift: weicht Eitle! weicht! in Golde.
Ein Flügel geht dahin, woher der dürre Ost
Die Wolcken vor sich jagt, und ruht auf starcken Pfeilern.
Hier steht des Moses Bild, es gläntzt sein Angesicht,
Die eine Hand umfaßt die Tafeln des Gesetzes,
Die andre hält den Stab. Drauf folget Josua.
Er führt das Schwerdt und scheint dem Heer Befehl zu geben.
Am nähsten Pfeiler ist der Richter Namenszug.
Des Simsons starcke Faust zerreisset hier den Löwen,
Der mit den Klauen tobt und in den Marmor kratzt;
Zur Seiten bückt sich Ruth die Aehren aufzulesen.
Da hält der Samuel das Oelglas in der Hand.
Da stehn die Könige, die Israel regierten.
Der Esra ordnet dort den neuen Tempel an.
[108]
Und Nehemia hält in dieser Hand den Hammer,
In jener Schild und Spieß. Die Esther ist noch blaß.
Und Hiob schabet sich die Schweren mit den Scherben.
Der andre Flügel kehrt dem Süd sein Antlitz zu,
Der sonst mit heissem Hauch Laub, Gras und Blumen senget.
Hier zeigt sich David erst. Ihm folgt sein weiser Sohn.
Dem Jesaias nach, und prophezeiht den Völckern.
Dem Jeremias drückt das schwere Joch den Hals
Es schien als ob er jetzt den Topf zerbrechen wolte.
Man sahe schon daran den aufgeborstnen Bruch.
Hesekiel stand noch in heiliger Entzückung.
Zunächst saß Daniel mit ruhigem Gesicht,
Und Löwen um ihn her, die seine Füsse leckten.
Drauf wies die Führerin uns des Hoseas Bild,
Und nach der Reihe hin die übrigen Propheten.
Das dritte Angesicht von diesem Baue sieht
Der Sonnen Untergang, wo von den letzten Strahlen
Das westliche Revier im hohen Purpur glüht.
Matthäus ward daran von uns zuerst erkennet.
Ein Engel reichte ihm den Griffel selber dar.
Nicht weit sitzt Marcus auch, und zeichnet auf den Knien
Die theure Nachricht auf. Ein Rind hebt sich bey ihm
Mit schweren Stämmen auf. Johann sieht nach dem Himmel.
Ein Adler streckt bey ihm die grossen Flügel aus,
Man glaubt stets, daß er sich wird in die Höhe schwingen.
Des Baues letzter Theil beherschet jenen Strich,
Woher der kalte Nord auf den befrornen Flügeln
Der fast erstarrten Welt den weissen Winter bringt.
Hier sahen wir zuerst der Heyden Lehrer stehen.
In seinem Antlitz herscht ein dringend holder Ernst;
Hingegen Reu und Leid auf Petrus Angesichte,
Dem man die Thränen noch sah auf den Wangen stehen.
Johannes zeigt sich nun. Jacobus war gedultig.
[109]
Und Judas stand zuletzt. Ein Weinstock aber schlung
Um alle Pfeiler sich mit sein schlancken Armen,
Die eine süsse Last von Trauben nieder zog.
Drauf leitete Sie uns zu einer hohen Bühne,
Die, wie sie selber sagt, der Uebung heilig ist.
Auf beyden Seiten sind die allerbesten Dichter
Zur Folge aufgestelt. Wir stiegen doch mit Müh
Durch viele Stuffen hin bis zu des Tempels Schwellen.
Hier wich uns alsobald die Wolcke vom Gesicht.
Es war als schauten wir von des Olympus Spitze.
Wir sahn die gantze Welt wie vor uns ausgestrecket,
Wir sahen da das Meer, dort grosse Reiche liegen.
Wir sahn verwundrungsvoll, wie in entfernter Luft
Tief unter unserm Fuß sich Dunst und Wolcken thürmen.
Und wie ihr schwartzer Schoß des Donners Glut gebiert.
Wir schauten von der Höh die allerhöhsten Berge,
Wie Hügel unter uns. Wir sahn manch grosses Volck
Dem Ameishaufen gleich, und bis in ihre Hertzen.
Die Hölle öfnete uns selbst den tiefen Schlund,
Und zeigt ihr blasses Reich mit den verdamten Schaaren.
Wir schauten über uns die ungeheure Bahn
Des ungemeßnen Laufs so vieler tausend Welten.
Hier sehn die Dichter oft in weiser Ruh hinab.
Ihr hohes Aug entdeckt die Eitelkeit der Dinge.
Was ihnen in der näh sehr groß und prächtig schien,
Zeigt ihren Augen sich hier klein und sehr verächtlich.
Und also lernen sie mit himmelhohem Geist
Den Schein des irdischen nur immer mehr verachten.
Wir gingen überall verwundrungsvoll herum,
Und liessen weit umher die freyen Blicke fliegen:
Wie wenn ein junger Hirt dort in Helvetien
Der Alpen steilste Höh, wo nur die Gemsen klettern,
Erstaunt zuerst besteigt, der Schauplatz einer Welt
Sich unversehns entdeckt. Er siehet Berg und Thäler,
[110]
Und schwindelt, wenn sein Blick von dem erhabnen Fels,
Der schrecklich überhengt, in grause Tiefen sincket.
So ging es uns auch hier. Nachdem wir alles dis
Bewundert und besehn: so wandten wir die Lichter
Auf ihr Geheiß herum; doch unser blöder Blick
Vermochte kaum den Glantz des Tempels zu ertragen.
Der königliche Bau erhebt im Cirkel sich.
Sein rundes hohes Dach gräntzt fast mit den Gestirnen,
Und drückt mit seiner Last der goldnen Säulen Haupt,
Um deren gantzen Leib sich Laub und Blumwerck windet.
Die Kunst hat sie zur Zier, und dennoch, wie es scheint,
Aus Noth nur angebracht, durch manches Fruchtgehencke
Und Blumenband verknüpft, die denen ähnlich sind,
Die man zur Frühlingszeit in den bemahlten Wiesen,
Der Schäferinnen Hand, und die Gespielinnen,
Der Blumen Königin, zur Zierde um die Pfosten
Der Tempel flechten sieht. Den gantzen Bau erhellt
Der hohen Fenster Reih. Sie sind mit Palmen-Zweigen
Und Wappen ausgeziert. Ein zierlich Laubwerck zieht
Mit grossen Rancken sich um seine Oberschwellen.
Und auf der Zinnen Rand steht erst der junge Lentz.
Der West spielt, wie es scheint, mit den gelösten Locken,
Auf welchen Blumen sind. Ihm folgt der Märtz, April,
Und der beblümte Mäy. Ein Krantz von gelben Aehren
Umringt des Sommers Haupt, der eine Garbe trägt,
Und seine rechte Hand hält eine krumme Sichel.
Ihm dient der Junius, und reicht dem Julius,
Der dem August die Hand, des Herbstes Stirn beschattet
Das breite Rebenlaub. Er trägt das reiche Horn.
An seiner Seiten steht September und October,
Und des Novembers Bild. Der Winter ist gebückt,
Die Haare sind bereift, der lange Bart befrohren.
Und dem gesellte sich erst der December zu.
Hernach der Januar mit doppelten Gesichte,
[111]
Worauf der Februar die runde Reihe schloß.
Auf dem Gewölbe stand das schwebende Gerüchte,
Und spante, wie es schien, zum Flug die Schwingen aus.
Es hielt die Ewigkeit sich mit ihr bey den Händen,
Und wies das Schlangenbild, das sich im Cirkel krumt.
Die Schwellen sind beblümt, die Pfosten blühn in Kräntzen,
Alhier bewundern wir des Thors getriebne Kunst.
Der junge David stand mit lockenreichem Scheitel
Vor Sauls erhabnen Thron. Es scheint, als ob er spielt,
Und Mund und Finger regt. Die Lippen stehn halb offen.
Sauls wildes Auge wältzt die Aepfel zwar herum,
Und Wuth und Rasen droht noch aus den finstern Minen;
Allein der Harfe Kraft scheint wieder nach und nach
Ihn zu besänftigen. Die wütenden Geberden
Verziehn sich allgemach. So sieht man nach dem Sturm
Das aufgerührte Meer almählig ruhig werden,
Wenn auf der gleichen Fluth der West mit Säuseln schwebt.
Die Pforte öfnete nunmehr die goldnen Flügel.
Auf einmal ließ sich uns der weite Umfang sehn.
Da stand das Heiligthum. Ich blieb voll Scheu am Thore.
Ihr aber gingt hinein. Sie wies, mein Lange, dir
Ihr gantzes Haus, den Thron und ihre liebsten Töchter.
Hier saß die Ecloge auf einer Rasenbanck.
Die Stirn bepurperte ein Krantz von jungen Rosen.
So schön war Rahel nicht. Sie glich der Sulamith,
Und ihr Gesicht belebt die allerschönste Einfalt
Mit reitzender Gewalt. Ihr Kleid ist schlecht und grün.
Die Lincke füllt der Stab, die rechte eine Flöte.
Zu ihren Füssen liegt ein schneeweis junges Lamm.
Sie singt natürlich schön, und sitzt in einer Laube,
Bald tantzen Lieb und Lust und Unschuld um sie her,
Bald aber sitzen sie und winden Blumen Ringe.
Zur Seiten an der Wand stand Jacob abgemahlt,
Wie er die Stäbe schält und seine Heerde träncket.
[112]
Dort der gekrönte Hirt, der um die Bäume singt,
Und hier die Sulamith, die ihren Freund erwecket.
Gleich über aber ist die Elegie gantz traurig,
Und ein betrübter Flor schwärtzt ihren schönen Leib.
Es klagt so Hertz als Mund. Sie ringt die nassen Hände,
Und sitzt bey einem Sarg. An ihrer Seiten stehn
Schmertz, Mitleid, Traurigkeit. Hier sahe man geschildert,
Wie Jeremias weint, in Staub und Asche sitzt
Und Solima zerstöhrt auf seinem Grunde rauchet.
Die Ode aber steht mit hohen Mienen da.
Ein Lorber deckt ihr Haar. Den Rücken aber Flügel,
Mit welchen sie sich oft bis zu den Sternen hebt
Und in der Engel Chor an Gottes Throne singet.
Sie hasset allen Zwang. Es fliegt ihr prächtigs Kleid
Nachläßig um sie her; doch ziert sie das am meisten.
Die hohe Tragödie thront an der andern Wand.
Es glüht ein Purpurkleid auf ihren starcken Schultern.
Ihr Haar drückt eine Cron. Und die Gerechtigkeit
Hat ihr das Schwerdt geschenckt, das ihre Hand bewafnet.
In ihrem Angesicht herrscht Ernst und Majestät.
Zwar etwas schreckliches blitzt aus den großen Augen;
Doch sieht man sie mit Lust. Man zittert, wenn sie spricht,
Und hört sie dennoch gern. Mitleiden, Angst und Rache
Und Schrecken folgen ihr. Sie straft an Königen
Auch die geheimste Schuld, daß sich der Pöbel scheue.
Die Epope umschließt ein prächtiges Gezelt.
Ein unerschrockner Blick brennt in den Helden-Augen;
Ein Helm beschützt das Haupt. Ein schuppig strahlend Gold
Bepantzert ihre Brust. Ein Schild hengt an der Lincken,
Auf welchem Schlachten stehn. Sie hält zugleich den Spieß,
Die Rechte aber führt die krigrische Trompete.
Auf Waffen ruht ihr Fuß. Die Siegeszeichen sind
Zur Seiten aufgericht, an welchen Fahnen flattern.
Man sah den Himmelskrieg und Berge in der Luft
[113]
Statt Pfeil und Spießen drehn. Dort schielt der Even Auge
Schon lüstern nach dem Baum. Die Schlange windt um ihn
Den grünlich bunten Balg in goldbesprengten Ringen.
Die Silberdecke zeigt, gleich Spiegeln, was da war,
Was ist und werden wird, ist in der Mitten offen,
Und läst der Dichter Blick bis in den Himmel gehn.
Kein Nebel, keine Nacht verschlägt den Lauf der Blicke.
Ihr Thron ist an dem Kreutz, das in der Mitten stehet,
Wobey auf dem Altar der muntern Dichter-Hand
Ihr himmlisch Feuer nährt, das aus dem Himmel stammet.
Inzwischen hatte sie dem Ruf Befehl ertheilt,
Die Dichter allesamt vor ihren Thron zu rufen,
Die um den gantzen Berg bald eintzeln, bald gepaart
In Wäldern voll Geruch mit ihren Spielen gingen.
Ihr länglicht holes Ertz beweget kaum die Luft,
So fangen sie sich an im Tempel zu versamlen.

Der fünfte Gesang

Nunmehr erzähle mir, du grosse Dichterin!
Die du dis alles weist, der frommen Dichter Namen,
Die ich damals gehört, als ich sie kommen sah:
Weil doch nicht wenige fast unbekandt geworden.
Ja stimme mir zugleich mit deiner eignen Hand
Mein irdisch Säyten-Spiel, so ich mit Lorbern kröne,
Daß ich dein hohes Lied mit einem edlen Ton,
Der dessen würdig sey, den Menschen wiederhole.
Sprich, wer erschien zuerst? Des Amrams grosser Sohn,
Er sang von Gottes Macht einst an dem rothen Meere,
Als Wagen, Roß und Mann um Schilf und Ufer schwam,
Und Mirjam an dem Reihn die Paucken ließ erschallen.
Drauf folgte Jessens Sohn, der stets auch in der Noth
Die Harfe in der Hand und Gott im Hertzen führte.
[114]
Er blieb im Klagen auch doch immer ein Poet.
Er war der frömste Mann doch auch der gröste Dichter.
Sein Assaph, der vor dem am rauchenden Altar
Von Gottes Ruhm gespielt, ging bey ihm an der Seiten,
Und Salomon, dem Gott im Traum die Weisheit gab,
Die auf des Vaters Thron zugleich mit ihm gesessen.
Er als der Weiseste hat mit dem Hirtenstab
Den Zepter oft vertauscht und sang, o Sulamith!
Von dir und deinem Freund im Thale bey den Heerden.
Lutherus kam nunmehr der David unsrer Zeit.
Die Lieder schallen noch in unsern Tempeln wieder,
Die er voll Feuer sang. Die Hure zitterte,
Die Hölle bebte selbst; wenn er auf seinen Gott
Die feste Burg getrotzt. Mit majestätschen Schritten
Trat Milton nun einher. Er hat die Poesie
Vom heydnischen Parnaß ins Paradies geführet:
Bey ihm ging Vida her, der Jesu blutgen Sieg
Durch seine Laut erhob; nach dem betrat die Schwellen
Der edle Sannazar, der mit der Flöten sich
Zur Wiege hingesetzt, worin der Heyland ruhte,
Nachdem er an der See die Hirten stehen ließ,
Wo sie sein kühner Mund die neuen Lieder lehrte.
Sedulius kam nun nebst dem Prudentius,
Der euch, ihr Märtyrer! mit frommen Palmen krönte;
Marin trat nun hinein, der uns den Kindermord
So kläglich schön beschrieb, und seine geile Zither
Im sterben noch betränt, der Glut geopfert hat.
Der die Geburt der Welt gesehen und besungen,
Sallust erschien nachdem. Und Opitz folgte ihnen,
Der bey der Krippen dich, du süsses Kind, gepriesen;
Und Flemming, der vor dem in einem öden Ort
An einem stillen Bach das Heyl der Welt beklagte.
Der matte Hiacynth, die flüchtige Narcisse
Ging an der Fluth gebückt. Der hohe Dach erschien
[115]
Und trägt stat Lorbern nun geweihte Palmenäste.
Der Francke, dessen Kiel Susannens Keuschheit prieß,
Kam nebst dem Gerhard, Grieph und Risten hergegangen,
Es folgten andre noch. Allein die Dichtkunst winckt,
Sie stieg auf ihren Thron. Drauf schlossen sie die Dichter
In ihre Mitten ein. Sie sang, ein jeder schwieg,
Und hörte aufmercksam ihr himmlisch Lied erklingen:
Ihr Söhn! in deren Geist mein himmlisch Feuer herscht,
Verlaßt die eitle Bahn, verlaßt den Weg der Sünder.
Ihr meine Priester! lehrt der Knaben zarten Mund
Ein neu und hohes Lied nebst keuschen Töchtern singen.
Lehrt das gemeine Volck des ewgen Vaters Ruhm,
Daß der geweihte Bau von seinen Thaten schalle.
Doch laßt es nicht dabey, daß ihr viel Worte nur
Bloß unter das Gesetz des Sylbenmasses zwinget,
Und manche Redensart, die etwa biblisch klingt,
Noch durch die klappernden und schweren Reime fesselt.
Nein es ist nicht genug ein frommer Mann zu seyn,
Es muß ein Dichter seyn, der sich ans Dichten waget.
Ich tadle nicht, daß ihr dem Höchsten singen wolt.
Ich tadle nur, daß ihr wolt andre singen lehren.
Wacht nicht in eurer Brust ein himmlisch hoher Geist,
Und hört man euren Mund nicht schön und prächtig tönen,
Ja ist das Hertz nicht rein, und voll von Gottes Geist;
So tragt ihr unverdient der frommen Dichter Namen.
Euch ziert er nur mit Recht, euch, denen die Natur
Durch diesen seltnen Schatz den edlen Sinn bereichert.
Ihr aber folget stets des hohen Davids Spur,
Der sich aus tieffer Noth bis in den Himmel schwinget,
Des Lied mit heiliger, doch eigner Unordnung
Pflegt aus dem Jammerton in Gottes Lob zu fallen.
Lernt diese Kunst von ihm; doch betet, eh ihr singt,
Und singt, wie er nur bloß von jener Glut entflammet.
[116]
Wer mit dem Geist, der erst ein Quodlibet gereimt,
Auch Lieder dichten will, und, wenn ihn noch zum Himmel
Ein Reim am Ende fehlt, den Todt zum Schimmel macht,
Der spottet nur damit. Doch der im Himmel donnert
Straft frecher Spötter Haupt. Wie! meint ihr denn, daß er
Erst eures Lobes braucht, er, dessen Hand die Kreise
Der ungemeßnen Welt zu seinen Ruhm gebaut.
Und dessen Ehre hier ein jedes Werck erhebet.
Die Gräsgen, welche früh der junge Tag benezt,
Sind Zeugen seiner Macht. Es rauschen alle Blätter
Des Waldes ihm zum Ruhm, wovon das Federheer
In ihren grünen Sitz auf tausend Weisen singet.
Die goldne Sonne ist sein Herold, wie der Mond.
Die Sterne preisen ihn. Es jauchzen alle Himmel.
Und ich und wer mir folgt, muß mit der Gottes Furcht
Bey seinem Altar stets mit Ruhmgesängen wachen.
Eh noch sein Wort die Welt aus Chaos Tyranney
Aus finstern Wassern riß, eh noch die Bäume grünten,
Eh noch ein Sterblicher bey Quell und Flüssen sang,
War meine heilge Kunst in den beflamten Schlössern
Den Söhnen jenes Lichts des Himmels schon bekant.
Der Vater sahe selbst von seinem hellen Sitze.
Als ich sie aufgeführt, da sie mit ihrem Spiel
Und tiefen Beugungen bekräntzt vorüber zogen,
Da ihr gestreckter Zug, der nicht zu übersehn,
Von seiner Herrlichkeit und Macht und Weisheit tönte.
Der Himmel lachte selbst, es schallte ihr Gesang
Durch alle Gegenden der selgen Felder wieder.
Ich zog nach jener Schlacht dem grossen Siegesheld
Auf der bepalmten Bahn voll Jauchzen mit entgegen,
Da er nach Satans Sturtz die Fahne umgewand,
Und rief: Triumph! Triumph! an seinen Siegeswagen.
Und o beglückter Geist, den auf der Welt sein Trieb
Schon zu den Sternen reißt, wo er den Herrn der Himmel,
[117]
Der selbst sein singen hört, in hellem Lichte sieht.
Allein versuchet erst die Kräfte eurer Flügel,
Eh ihr euch alzu kühn aus euren Zirkeln wagt.
Sind Berge euch zu hoch, so bleibet in den Thälern.
Gott hört auch in der Höh, was ihr in Gründen singt.
Doch schliesset allesamt die himmlischen Gedanken
In lieblich klingende gemeßne Sätze ein,
Und schmücket sie zugleich mit wohlgewählten Blumen,
Die Andacht flieht ja selbst so reine Zierde nicht:
Der Heilge wohnet auch in ausgeschmückten Tempeln.
Ja ich erlaub es euch, entreißt mit kluger Hand
Den Dichtern Griechenlands und Latiens ihr Gutes;
Doch eh ihr es dem Herrn auf seinem Altar legt;
So heiligt erst den Raub; damit kein Götzenopfer
Sein Heiligthum entweiht. Vermischt die Engel doch
Nicht mit den Furien. Setzt die verdamte Götzen
Nicht in des Höchsten Sitz. Ich weiß du wirst dis stets,
Mein werther Lange, fliehn. So stimme deine Laute;
Jedoch laß allezeit, so oft du singst und spielst
Den Vater und den Herrn der Engel und der Menschen
Den gantzen Inhalt seyn. Drauf ruft sie ihn zum Thron,
Und hier bedeckten ihm die drey vertrauten Schwestern
Die Gottesfurcht, Natur und Anmuth alsobald
Die Schultern und sein Haupt mit einem weissen Schleyer,
Den dieses Kleeblat selbst mit eigner Hand gewebt.
Sie stieg herab und bog den Krantz um seine Scheitel,
Und sprach: ich weihe dich hiermit zum Priester ein.
Darauf bestreuet ihn der gantze Kreiß mit Blumen,
Und spielt zugleich mit ihm ein Lied im höhern Chor.
So fahre weiter fort, laß deine Laute nicht,
Da du die Bibel nimst, verstimmt und staubig liegen;
Nein sondern, wenn dein Fuß den Lehrerstuhl verläßt;
So steig mit deinem Spiel auf deines Gartens Hügel,
[118]
Wo deine Doris sich denn zu dir setzen wird,
Und, so wie ich manchmal, in deine Seiten singen.
O! glücklich! Wer also dem Höchsten spielen kan.
Was wünscht ein Dichter mehr? Nichts, als ein wenig Acker,
Wobey ein klarer Quell in einem Garten rauscht,
Und einen Wald dabey. Hier solte meine Leyer
Stets mein Gefehrte seyn. Hier wolte ich vergnügt
In grüner Still auch wohl von Mann und Waffen spielen.
Hier solte endlich mich des Lebens blasser Feind
Mit seinem kalten Arm im singen noch umschliessen.

Auf seine vorgehabte Uebersetzung des Virgils

Unsterblicher Virgil, du Ehre deines Roms,
Du würdiger bekräntzter Folger
Und Nebenbuhler des Homers,
Der du den frommen Held auf seinen starcken Schwingen
Dem Schatten der Vergessenheit
Durch deinen weisen Flug entrissen,
Und ihn der späten Welt dort in dem hellen Tempel
Der Ewigkeit noch zur Bewundrung zeigst.
Ich irr, und singe hier von Waffen, Mann und Streit,
Nach dir, in meine deutschen Sayten,
Ich wiederhole ungehört
Dein feurig edles Lied in Thälern und in Wäldern:
Ich baue dir ein Ehrenmal
Ich kröne dir mit frischen Lorbern
Dein Grab und den Altar, und opfre dir die Reime
So bis hieher der Dichtkunst Feld zerstört.
Dein ewiges Gedicht entriß dort ein August
Aus unverdient gedrohten Flammen,
Wer aber wird in deutsche Luft
Es wieder an das Licht des hellen Tages ruffen,
[119]
Wer ist der Held, der Musen Lust?
O Hofnung, suchst du mich zu täuschen?
Erwach, und schau den Held. Er nur allein ist würdig
Den Ruhm mit dem August zu theilen.

Auf der edlen Chloris Geburtstag, an Ihren Vater

Gebiethe, theurer Mann, gebiete doch auch nun
Durch deines Armes Winck den aufgebrachten Sayten
Nur einen Augenblick zu ruhn;
Bestill ihr freudenvolles Streiten.
Laß zu, daß jetzt bey deiner Lust
Auch meine Mus aus treuer Brust
Allein vor deinen Augen singe:
Zieh deinen aufgeklärten Blick
Nebst deinem Fräulein nicht zurück,
Damit dis Lied nicht mißgelinge.
Weil deine Fräulein uns dein Bildniß völlig zeigt,
Flicht meine Clio ihr die Lorbern um die Haare,
So Phöbus um die Schläffe beugt,
Daß er der Tugend Lob bewahre.
Die edle Chloris selbst erscheint
Mit ihren Freundinnen vereint,
Der hohe Bau der schönen Glieder
Ist recht ein Kunststück der Natur;
Und ihres hohen Geistes Spur
Erscheint in ihrem Antlitz wieder.
Sie gleicht der Cyntie, wenn sie nun einem Ast
Den Köcher anvertraut, der auf den Schultern klinget,
Und sich das Chor der Nymphen angefaßt,
Worinn sie selbst sich tantzend schwinget:
Sie trägt ihr freyes Haupt erhöht,
Das über alle andre geht,
[120]
Und sich gekrönt mit Strahlen zeiget.
Latona sieht mit stiller Brust
Der Tochter Schönheit voller Lust,
Und freut sich, weil sie immer steiget.
Doch, ihre Schönheit ist nicht ihre gröste Zier,
Ihr tugendhafter Geist kan sie weit mehr erheben:
Und wer sie sieht, bewundert denn an ihr
Und muß ihr dieses Zeugniß geben:
Ihr Sinn ist hoch, stets einerley,
Doch gantz vom blinden Hochmuth frey
Vollkommen edel sind die Sitten,
Es thronet selbst die Frömmigkeit
In unverstelter Heiligkeit
In ihres reinen Hertzens Mitten.
Den angebohrnen Witz und herrlichen Verstand
Pflegt sie mit klugem Fleiß durch lesen zu erbauen:
Wie oftmals läßt die wohlbemühte Hand
Ein Buch gleich ihrem Vater schauen,
Und wer giebt ihrer Nadel Fleiß
Nicht der Minerva würdgen Preiß;
Ja wenn sie die geschwinden Finger
Durch die geschlagnen Claves führt,
Wird jedes Hörers Hertz gerührt,
Und auch ihr Ruhm denn nicht geringer.
Dis, theurer Krosigk, ist der schönen Tochter Bild,
Und gleicht es ihr nicht recht, so schau selbst auf ihr Wesen,
So kanst du, gantz mit Lust erfüllt,
Selbst deine Tugend in ihr lesen.
Du aber nimm dis gnädig hin,
Denn mir verbeut ihr stiller Sinn
Ihr selber dieses Lob zu geben.
Was ist, das ich noch wünschen kan?
Nichts als von dir, du theurer Mann,
Mir Gnade, Ihr ein langes Leben.

[121] Ueber der edlen Chloris Schwester Stärcke auf dem Clavier

Wohin bin ich, ihr Musen, jetzt entzückt,
Befind ich mich auf Pindus grünen Spitzen,
Wo ihr im Kreiß oft pflegt zu sitzen,
Und eure Harmonie selbst Phöbus Ohr entzückt.
Hör ich nicht jetzt Polhymnien allein
Die Melodie durch eintzle Töne führen,
Daß Wind und Bäume sich dadurch entzückt nicht rühren;
Hört, jetzo fällt das gantze Chor mit ein.
Die Macht der einigen, doch unterschiednen Sayten,
Ihr heftiges, jedoch einstimmigs Streiten
Bestürmt der Hörer Brust
Mit gantz betäubender, doch ungemeiner Lust.
Still! jetzo spielen zwey zusammen,
Bald setzen sie die Brust in Flammen,
Bald aber starret Blut und Hertz,
Und fühlt den angenehmsten Schmertz,
Wenn sie den Ton gantz traurig langsam ziehn.
Bald höret man sie springend fliehn:
Jetzt rolt der Töne Heer zur Tiefe nieder,
Jetzt fliegen sie zum Himmel wieder,
Jetzt setzen sie den Hörer ausser sich.
Ihr Musen, wo befind ich mich!
O Jovis Töchter höret auf,
Ja, ja, es ruht der starcken Töne Lauf.
Doch wie? Hat mich ein Traum betrogen,
Und vor mein Aug ein Blendwerck vorgezogen?
Wie, kan den dis wohl möglich seyn,
Ist aller Musen Kunst in einer nur allein?
Ist sies, ja, ja es ist die Schöne,
Die Meisterin der reinsten Töne
Des edlen Krosigks Kind allein.

[122] Grundriß eines Gedichtes auf die Sündfluth an Amalien

Was seh ich über mir, die Wolcken fliehen fort,
Die Luft wird klar und schnell voll Strahlen, Blitz und Feuer,
Es donnert, hört! erstaunt! Der Himmel thut sich auf,
Der Ewige erscheint auf seinem grauen Throne:
Ein schreckliches Gewölck, das brennend über ihn,
Sein grauses Richthaus wölbt, steht um ihn her wie Mauren,
Das unzählbare Volck des Reichs der Ewigkeit
Liegt vor dem strengen Stuhl voll Ehrfurcht auf dem Boden,
Die tiefste Stille herrscht. Des Richters Ausspruch schalt,
Der, wenn sein Haupt sich regt, die Feste selbst erschüttert,
Sein Mund verdamt die grund verderbte Welt.
Nunmehr giebt er Befehl den Dienern seiner Rache;
Ein neuer Schlag bestärcket den Befehl,
Und dreymal schläget er mit seinem eisern Scepter
Die gantz verworffne Erd, und ihr zerschelter Grund
Muß bis zum heissen Kern erschüttern und zerbersten.
Des Abgrund Brunnen thun auf sein Geheiß sich auf,
Und stossen überall die tief verborgnen Wasser
Aus ihrem Schlund hervor, Süd, West, Ost, Nord tobt, stürmt
Auf das erregte Meer voll Wuth von allen Seiten,
Rührt aus der Tiefe selbst die stillen Wasser vor,
Wältzt über allen Strand gantz ungeheure Wellen,
Und überschwemt die Welt. Sein donnernd starcker Arm
Führt durch die weite Luft indessen gantze Meere,
Nun stürtzt er sie herab mit Feuer untermengt;
Es braust ein steter Guß durch die pechschwartzen Lüfte,
Die steigend zornge Fluth durchströmet alles Land,
Mord, Zeter, Ach und Weh steigt schon von allen Gräntzen.
Das jammervolle Volck, das heulend Rettung sucht,
Ringt, schlägt die Hände nun verzweiflungsvoll zusammen,
Und läuft, vergeblich doch, auf steile Berge zu:
[123]
Die Fische liegen nun auf hohen Ulmen Bäumen
Wo sonst die Taub allein ihr leichtes Nest gebaut.
Der scheuen Gemsen Heer, das auf Gebürgen klettert,
Schwam in der tiefen Fluth. Die prächtig grossen Städte
Bedeckte jetzt ein Meer, das ohne Ufer war.
Es flogen durch die Welt des Höchsten Zornes Diener
Und stürtzten überall die Völcker in die See;
Kein Retten ist nunmehr, was lebet, muß verderben,
Die Arche nur allein schwimt triumphirend her
Auf schaumerfüllter Fluth. Die schützend guten Geister
Begleiten deren Farth, und schweben rings umher;
Der fromme Noah läßt dem Herrn ein Dancklied schallen.

[124] Das Wort des Höchsten, eine Ode von I.J. Pyra

Claudian de Consul. Manlii Theodori v. I. 7. 8.

Ipsa quidem virtus pretium sibi – – –

Attamen invitam blande vestigat et vltro

Ambit honos – – – – – –


Leser,


Es wird euch befremden, daß ihr hier eine Vorrede sehet. Ihr habt Recht dazu; und sie würde mir selbst überflüßig scheinen: wenn ich es nicht für nöthig hielte, eine Erinnerung wegen der Freiyeit zu thun, die ich mir in den Erdichtungen genommen habe. Boileau und der ältere Gryph sind hierin meine Vorgänger gewesen. Beyde haben über eintzelne Oden sich in den Vorberichten erkläret. Ich stelle ein Chor Engel vor, welches in der Höhe das Wort des Höchsten preiset, und Ihro Hochwürden den Herrn D. Langen in einem andern Kreise, der hier auf Erden Gott für seinen Beystand lobet und dancket. Hierauf erscheinet der Tempel Gottes in den Wolcken; und es wird eine Stimme gehöret, welche den Segen ausspricht. So gleich geschieht ein Donnerschlag; und ich gelange wieder in den angenehmen Ort, wo ich den grösten Theil dieses Gedichts verfertiget habe. Diejenigen werden sich irren, welche nach den altäglichen Oden ihren Spruch hierüber fällen. David und die ältern Lyrischen Poeten sind die Muster, [125] nach welchen man Gesänge beurtheilen soll. Ueberhaupt muß man beobachten, daß die Allegorie der Grund aller Erdichtungen sey. Was ein Redner an schlechten Metaphern sagt, das verwandelt der Dichter in lauter Vorstellungen. Ich irre nicht, wenn ich in ungebundner Rede schreibe, daß der Herr D. Lange Gott für seinen Beystand gedancket, und auch, daß die Engel mit in sein Lob eingestimmet, die sich um die Frommen herlagern und das Lob des ewigen Vaters ihr Werck seyn lassen. Nichts anders wird euch in meiner Erfindung vorgestellet. Wenn ich den Segensspruch aus einem Tempel erschallen lasse; so ist diß eine Nachahmung des 18. Psalms; und ein jeder wird leicht mercken, woher die Auszierung des Tempels genommen sey. Ich gestehe, es ist verwegen, die obern Geister mit in die menschlichen Handlungen einzumischen. Es scheint, daß es unter den christlichen Dichtern noch nicht ausgemacht sey, wie weit wir sie nach der Wahrscheinlichkeit mit hineinflechten dürfen. Diejenigen, so uns in den höhern Arten der Poesie Regeln vorgeschrieben, hätten dieses nach der Schrift und Vernunft fest setzen sollen. Boileau scheint mir in dem 3ten Gesange seiner Dichtkunst gantz dawider zu seyn; der unvergleichliche Criticus Bodmer aber behauptet in dem Character der deutschen Gedichte das Gegentheil. Doch wenn man Fabeln und Lügen wohl unterscheidet, welches nach meiner Einsicht Despreau nicht gethan hat; so dünckt mir, daß es nicht unrecht sey. Es verdient diese Untersuchung die Bemühung der Kunstrichter: weil hierauf das meiste in der heroischen Poesie ankomt. Solte Jemanden die Ordnung nicht anstehen, dem weiß ich nichts entgegen zu setzen, als des Boileau Vers:

»Chez elle un beau desordre est un effet de l' art.«

Wem aber die Wahl der Materien nicht gefällt, dem antworte ich mit dem grossen Haller »Ein Dichter erwählet einen gewissen Vorwurf; nicht eine volständige Abhandlung davon zu machen, sondern einige besondere Gedanken darüber anzubringen; also soll es ihm frey stehen, so weit zu gehen, als er will, und stille zu stehen, wo es ihm gefällt. Er hat sich nicht verbunden alles zu sagen; also soll man von [126] den Ausgebliebenen nicht schliessen, daß er es verachte.« Dieses ist es, was ich anmercken wollen. Es würde zurück geblieben seyn, wenn ich nicht gewust, daß es Leute gebe, die nicht nach der Vernunft und Billigkeit, sondern nach ihren Vorurtheilen und Neigungen zu richten pflegen.


So leg indes den wohlverdienten Kiel
Vor Gottes Thron, Du theurer Vater! nieder.
Die Bahn ist aus; und hier ist Kron und Ziel,
Erhole doch jetzt deine Kräfte wieder:
Und hör indeß in ehrenvoller Ruh,
Der Harmonie von meinen Säyten zu.
Mein Lautenspiel, mein Trost in Einsamkeit,
Geschworner Feind von sclavisch falschen Heucheln,
Du, das noch nie, aus Niederträchtigkeit,
Die Laster-Brut, mit wohlbezahlten Schmeicheln
Und blindem Ruhm, durch einen Reim verehrt;
Und so den Krantz der Tugenden versehrt.
Ich stimmte nur der regen Därme Chor;
So oft als ich des Davids Psalmen hörte.
Mein Geist schwung sich zu Sions Höh empor,
Wo mich der Held die hohen Lieder lehrte,
Die er gekrönt am Quell Silohens sang;
So daß sein Schall durch Solima erklang.
Bald wafnet ich den tönend holen Bauch
Mit kühner Hand durch stärckre hohe Sayten
Und spielt entzückt: wie, unter Dampf und Rauch,
Die Drachen selbst mit Engeln rasend streiten.
Der Himmel bebt, es zitterte die Welt;
Bis daß ihr Schwarm gestürtzt zur Höllen fällt.
Bald folgst du mir in jenen krummen Thal.
Die Dichtkunst lehrt auf den begrünten Höhen
Der Hügel dort der jungen Dichter Zahl,
[127]
Die um sie her voll Lehr-Begierde stehen.
Da irrten wir in jenen frommen Hain,
In welchen ihr die Bäume heilig seyn.
Den tapfern Thon der Barden ahmst du nach,
Mit welchem sie das rauhe Heer erhitzet,
Daß es den Feind dem Tod zu Trotz durchbrach.
Du singst die Höh, wo das Gestirne blitzet,
Und einen Freund und dessen Rohr und Treu.
So dienst du mir; doch ohne Schmeicheley.
Auf, stimme du auch diesesmal mit ein,
Du mein Gefährt! ich will von Langen singen.
Die Misgunst selbst soll unser Richter seyn.
Das reine Lob wird sie zum Beyfall zwingen.
Und wenn sie gleich auch mich zu tadeln weiß:
So giebt sie ihm doch den verdienten Preiß.
Und Er ihn Dir, du Herr der Ewigkeit.
So fall auch ich vor deinen Altar nieder;
Und preise dich gerührt aus Danckbarkeit!
O! heilige, du Geist des Herrn! die Lieder,
Du dessen Macht und Gottheit alles füllt,
Von dem allein die wahre Andacht quillt.
Entdecke mir, was Sein Verstand gethan,
Wie Ihm das Werck durch deine Kraft gelungen.
Du führtest Ihn, daß Er auf deiner Bahn
Ins Heiligthum der Wahrheit eingedrungen.
Mit dir hat er den Anfang nur gemacht,
Mit dir hat er es auch zum Schluß gebracht.
Es führte nie der Morgenröthe Hand
Den Tag so früh aus ihrer Rosenpforte
Und röthete die Berge, Thürm und Land;
Du fandest Ihn doch schon bey deinem Worte,
Er wachte noch, wenn gleich die Finsterniß
Den Sterblichen das späte Licht entriß.
[128]
Der kurtzen Ruh gebraucht Er dazu nur,
Daß Er dadurch zur Arbeit muntrer würde.
Wir schauen zwar des Alters graue Spur;
Doch sinckt die Kraft nicht von der heilgen Bürde.
Wir alle sehn die fromm und grosse Müh;
Doch wer erstaunt, wie viel bewundern sie?
Und so ist Er der schnellen Sonnen gleich,
Die Glantz und Licht, mit dem beflammten Wagen,
Auf ihrer Bahn pflegt durch das blaue Reich
Der höhern Luft um unsern Ball zu tragen:
Sie leuchtet stets; doch fehlt ihrs nie am Schein.
Sie wird zwar alt; doch niemals schwach und klein.
Sie schenckt der Erd ihr fruchtbar reiches Licht,
Vollbringet stets die ungemeßnen Reisen;
Indem das Volck der Welt sein Werck verricht.
Ein jeder siehts und keiner will es preisen;
Allein sie ruht doch nicht von ihrem Lauf,
Und hört darum doch nicht zu scheinen auf.
Was fühle ich? Was kocht? Was rollt mein Blut?
O was durchfeurt die sterblich matten Sinnen,
Wohin reißt mich die göttlich hohe Glut?
Wo hört man mich der Wahrheit Lob beginnen?
Was spüre ich vor einen starcken Geist?
Der aus der Brust die eitlen Triebe reißt.
Wohin? Wohin? durch welchen Thal und Wald?
O welche Höh! zu der mein Flug sich schwinget,
Was ists? das mir von fern entgegen schallt,
So bin ichs nicht? der hier alleine singet.
O welch ein Glantz? Ich seh der Geister Chor,
Sie fliegen her. Ihr Lied entzückt mein Ohr.
Ich singe mit, ihr Kräfte jenes Lichts!
»Ihr Himmel laßt des Vaters Lob erschallen,
Sein göttlich Wort bewegt, erschüttert Nichts;
Und sollte gleich der Bau der Welt zerfallen;
[129]
Und stürtzten gleich die grausen Stück herab;
Und würde gleich ihr wüster Schutt ihr Grab.«
Die Stimmen ruhn und ein Gewölck von Duft
Fängt an den Berg durchbalsamt zu umgeben.
Was höre ich? was will sich durch die Luft
Vor ein Getön dort von der Erd erheben?
Seh ich nicht dort ein himmlisch singend Chor?
Und Lange singt im Mittel kniend vor.
»Du dessen Wort die leere wüste Last
Gehorsam war; das auch die Welt hieß werden,
Der du das Licht hervor gerufen hast,
Dein ewig Wort durchschallt den Kreiß der Erden,
So weit den Rand von der bewohnten Welt
Der goldne Glantz des grossen Lichts erhellt.«
Nun bücket sich und schweigt der fromme Mann;
Doch David rührt mit heilger Kunst die Sayten;
Und fängt alhier die Gegenantwort an:
»Gott redet, hört! ihr unbegräntzten Weiten
Der Ewigkeit, sein Wort dröhnt aus der Nacht
Um seinen Thron mit göttlich starcker Macht.
Der Blitz trägt es durch die erschrockne Welt
Im Donner fort auf reissend glühnden Flügel.
Erschüttert, was sie in den Armen hält,
Zerschmettert selbst des ewgen Abgrunds Riegel.
Es sieht das Volck in tiefer Nacht den Strahl,
Es sieht und bebt im schwartzen Sitz der Qual.
Der Vater spricht. Gleich wird die Welt erfreut.
Es schweigt vor ihm das donnernde Getümmel,
Der Geister Heer preist ihn voll Seligkeit.
Es preisen ihn die hohen Stern und Himmel,
Daß Ruhm und Lob die weite Luft durchschallt,
In deren Kreis der Welten Hauffen wallt.«
Noch thönt der Schluß: und Lange fällt jtzt ein,
Und preiset dich, der von den Donner Höhen
[130]
Des Sinai, bey zornger Blitze Schein
An sein Geschlecht ließ den Befehl ergehen.
Da hielt dein Knecht die Tafeln in der Hand,
Du lehrtest ihn, indem er vor dir stand.
»Propheten sahn das selige Geschick,
Du zogest selbst des finstern Vorhangs Tücher
Von jenem Sitz der späten Zeit zurück,
Du schlossest selbst auch die geheimen Bücher
Der ewigen Fürsehung ihnen auf,
Drauf hört das Volck der fernsten Dinge Lauf.«
Nun regte sich der lehrend wahre Mund.
»Dein Sohn, den du zum Heil der Welt erwählet,
Volbrachte es und that es selber kund.
Sein Geist hat es den Dienern vorgezählet,
Der aus der Brust die eitlen Sinnen stieß,
Und seiner Macht die Menschheit weichen hieß.
O Herr! dein Wort stürtzt zu der Höllen Kluft.
O Herr! dein Wort hebt wieder zu den Sternen.
O preiset ihn, ihr Menschen, Erd und Luft.
O fleht ihn an! es niemals zu entfernen.
Du zeigtest mir auch deinen wahren Sinn,
So nimm den Danck, mich, Kiel und Bücher hin.«
Nunmehr vereint der Thon der Chöre sich,
Die gantze Luft erregt ein Lustgetöne,
Es schüttert selbst der höchsten Wolcken Strich:
»Bringt her dem Herrn, bringt her ihr starcken Söhne
Der Mächtigen, bringt in das Heiligthum
Im reinen Schmuck dem Herrn Preiß, Ehr und Ruhm.«
Sein göttlich Wort, das starcke Cedern fällt,
Saust auf der Fluth; und bleibt der Erden Wonne.
Gott redet selbst vom Himmel zu der Welt,
Vom Aufgang an biß an das Ziel der Sonne.
Er sitzt und ruft von seinem Wolcken Thron
Dem blassen Volck mit allmachtsvollem Thon.
[131]
Es blitzet schnell! werft euren Blick hinauf.
Ich sehe sich die blauen Wolcken theilen.
Auf einmal steigt der heilge Tempel auf.
Ein blinckendes Gewölck deckt halb die Säulen;
Und jede gläntzt gleich einem Edelstein
Wie, Gottes Stadt! dort deine Mauren seyn.
Mit Strahlen ist der ewge Bau umringt,
In welchem sich das Chor der Seraphinen
Mit gläntzenden bewegten Flügeln schwingt,
Die singend stets vor seinem Throne dienen.
Seht, wie das Thor sich in den Angeln dreht,
Woraus ein Strahl auf Langens Scheitel geht.
Was blendet mich vor ein gewaltig Licht!
Wie wird mir, ach! es sincken meine Glieder,
Ein jeder fällt voll Furcht auf sein Gesicht.
O hört! es schallt aus jenem Tempel nieder:
»Heil sey mit Dir, Du dientest wohl und recht:
Dein Lohn ist groß, du frommer treuer Knecht.«
Ein Donnerschlag erschüttert dieses Rund!
Gerechter Gott! was ist dein strenger Wille?
Was droht dein Arm der Erden faulem Grund?
Allein woher entsteht die grosse Stille?
Wie, seh ich recht? was ich bisher erblickt
Wird dort im fliehenden Gewölck entrückt.
Jetzt führet mich schnell, mit gesencktem Schuß
In jenes Thal mein sinckendes Gefieder.
Nun! nun setzt schon mein schwebend leichter Fuß
Den müden Tritt in jene Schatten nieder.
Ich grüße dich, mein stiller Aufenthalt,
Dich grünen Sitz, dich neu belebten Wald.
Du heller Brun! bey dir will ich jetzt ruhn,
Und deinen Rand mit bunten Kräntzen krönen,
Hier setze dich; und laß o Dichtkunst nur
Durch diesen Hain dein göttlich Spiel ertönen.
[132]
Da um uns her die Heerde blöckt und springt,
Und in der Luft das Chor der Lerchen singt.
Ergötze du hier meinen matten Sinn,
Der dort so sehr ist angestrenget worden,
Als ich so hoch entzückt gewesen bin.
Der lichten Spur von jenem heilgen Orden
Dort nachzugehn, ist sehr gefährlich zwar,
Doch ist es auch die herrlichste Gefahr.
Wen rühmest du? von wem ertönt die Luft?
Was vor ein Held? und wessen grossen Namen
Lernt Echo selbst in schallend holer Kluft,
Und jenem Busch so vielfach nachzuahmen.
Ihr Fürsten ruht in stoltzem Marmorstein:
Laß Langen jetzt des Liedes Inhalt seyn.
Nicht bloß ein Held, der Stadt und Land verheert,
Und tapfer raast; noch blutbespritzte Waffen,
Und Kampf und Roß sind deiner Lorbern werth.
Nein, die der Welt gelehrten Vortheil schaffen.
Ein Haupt, so stets bey nutzbarn Wercken schnitzt,
Das stelle hin, wo Mond und Sonne sitzt.
Was ziehet sich jetzt vor ein Nebel gleich
Von jenem Grund der fast verjahrten Zeiten?
Empört der Krieg der Wissenschaften Reich?
Beginnet selbst ihr kluges Volck zu streiten?
So schwinget denn der Zwietracht wilde Hand
Die Fackeln auch um dieses stille Land?
O welch ein Kampf! in jener Wahlstat dort,
In welcher doch Eusebie regieret.
Nun zieht der Streit in jene Felder fort,
Worin den Stab die Weisheit selber führet.
Ich kenne dich, du Rüstiger im Streit,
Der voller Muth auch nicht die stärcksten scheut.
Erhebe du nebst mir im höhern Thon
O Poesie! die Namen dieser Helden;
[133]
Allein sie stürmt auf ihren Sayten schon,
Indem ich will die grossen Thaten melden,
Und ruft mir zu: vertraue deinen Kahn
Und Segel nicht dem stürmschen Ocean.
Doch seht den Held dort von dem Kampfplatz ziehn,
Die Wahrheit selbst führt Ihn auf ihren Wagen.
Der stille Sieg fliegt sicher über Ihn.
Ich sehe ihn errungne Zweige tragen.
Sein Fuß hebt Ihn zum Tempel jetzt hinauf,
Hier henget er die Waffen danckend auf.
Gott schencke dir in stiller Ruh den Lohn;
Doch wie? du übst ja die gelehrte Stärcke
Im Alter selbst aufs neue wieder schon.
Was sehe ich vor grosse Bibel Wercke?
Du zündest uns die hellste Fackel an
Und trägest sie den heilgen Weg voran.
Hier zeigt dein Arm, wo man leicht irrt und fällt,
Dein Fuß durchdringt die ungeheuren Küsten
Der glümigten noch ungebohrnen Welt,
Das Innerste von Chaos Reich und Wissen.
Du scheust den Kampf der Elementen nicht,
Die Gottes Wort mit schnellster Allmacht schlicht.
Gott spricht. Das Licht erhellt die dicke Luft,
Ein lebhaft Feur zieht weiter, und entdecket
Die Heimlichkeit der ungemeßnen Kluft,
So bald die Glut den Todten Zeug erwecket,
Sieht man den Stof zum Mittelpuncte gehn,
Und bald darauf viel neue Welten stehn.
So siehet sonst ein Wanderer vor ihn
In Lybien, durch die Gewalt der Winde,
Das fliegende Revier den Boden fliehn,
Zukünftige Gebürg und ihre Gründe
Durch finstere verdickte Lüfte wehn,
Und brausend sich in grausen Wirbeln drehn.
[134]
Auf einmal stürtzt die Welt voll Staub herab;
Darauf heben sich hoch aufgethürmte Höhen;
Und werden oft der Wandrer sandigs Grab.
Die Luft wird hell, nun kan er wieder sehen.
Er sieht erstaunt jetzt ein gantz neues Land
Und was er sieht, scheint ihm nur unbekannt.
Jetzt zeigst Du uns der Himmelskörper Licht
Und Erd und Meer und Berg und Wald und Felder,
Du lehrest uns Gebrauch und Danck und Pflicht,
Und Gottes Lob schallt durch die neuen Wälder.
Jetzt folgest Du den Vätern hin und her,
Und dir, o Volck des Herrn! durchs rothe Meer.
Nunmehr ziehst du mit fromm und weiser Hand
Die Decke selbst dem Moses vom Gesichte.
Du zeigst uns den, den schon sein Geist erkant
Und vorgesagt, in göttlich klarem Lichte.
Dein reiner Witz entdeckt der Bilder Sinn;
Doch wirfst Du auch die leeren Schalen hin.
Jetzt räumest Du, nicht mit geringerm Ruhm,
Des Spencers Wust, des Nils verlegne Sachen,
Mit starcker Faust aus Gottes Heiligthum.
Die Säulen, die er wolte wanckend machen,
Erhält dein Arm, der den gelehrten Trug
Womit er stritt, so glücklich niederschlug.
Ein hoher Held erscheinet dort von fern,
Er trägt ein Schwerdt, und Josua fällt nieder.
Ist dieser nicht der Fürst des Heers des Herrn?
Ja! dieser Held erlöst die Völcker wieder.
Er giebt Befehl. Jetzt hebt er sich hinauf,
Und Josua beut Gottes Lager auf.
Das Heer zieht aus, und läst die Zelte stehn.
Man sieht des Zugs unübersehnen Bogen
Um Jericho in stillem Pompe gehn.
Der Zirkel hat sich um die Stadt gezogen.
[135]
Der Heyden Volck, das auf den Mauren wacht,
Sieht gantz erstaunt der Reihen lange Pracht.
Hört! jetzo dröhnt der Haupt Posaunen Schall.
Das Kriegsgeschrey des Heeres schlägt den Himmel.
Seht Thurm und Maur wanckt, stürtzt mit grausem Fall
Durch Gottes Macht mit donnerndem Getümmel.
Die Mauer rollt zerschmettert auf den Grund.
O Jericho! dein Schutz liegt, wo er stund.
Nun stürmt das Heer zu allen Seiten ein.
Das blutge Schwerdt raast schon auf allen Gassen
Und überall herrscht Morden, Rach und Pein.
Nunmehr begint die Glut die Stadt zu fassen.
In heisser Luft tobt die erzürnte Glut,
Und Jericho raucht unter Asch und Blut.
Wer machet mir die Deutung doch bekant?
Ja Lange Du wirst mir den Schlüssel geben,
Den dort Johann an Patmos Ufern fand.
Ich sehe schon den grossen Engel schweben.
Er fliegt daher bey der Posaunen Thon.
Es schallt! Sie fällt die grosse Babylon.
Wo ist mein Held? Seht dort den harten Streit,
In dem sein Arm mit Blitz geschwinden Streichen
Der Feinde Schwarm erleget und zerstreut,
Nun jaget er durch Waffen, Blut und Leichen
Den flüchtgen Trup, durch den sein Eisen brach.
Der schnelle Sieg eilt ihm mit Keuchen nach.
Hör auf o Held! es sinckt der Sonnen Lauf.
Allein umsonst! Er ist zu starck erhitzet:
Sein mächtig Wort hält selbst die Sonne auf.
Die Welt erstaunt, die da erschrocken sitzet.
Und siehet wohl, daß sie ein Gott bezwingt,
Die Zügel hält, und sie zum warten dringt.
[136]
Wie? zog der Fürst des Tages sein Gespan
Wohl dort zurück, dem Lauf des Pols entgegen?
Wie? oder hielt der Erdball vor ihm an?
Du Lange weißt den Streit gelehrt zu legen.
Es hat Dein Arm im Mittel unsrer Welt
Den hohen Thron der Sonnen fest gestellt.
Schaut Gideon! den man als Fürst und Held
Und Priester sieht bey dem Altare stehen.
Durch ihn ist uns ein Vorbild dargestellt,
An welchem wir das Mitleramt ersehen.
Des Jephtha Kind führst du vom Opferstein
Und schliessest sie zu steter Keuschheit ein.
Wie komt dort nicht in gräulich wilder Tracht
Ein Zauberweib Thessaliens gegangen?
Das ihre Gründ einst fürchterlich gemacht.
So sah sie aus, wenn scheußlich grüne Schlangen
Ihr Haar geschnürt; wenn sie mit Knochen spielt,
Und in dem Wust der faulen Leichen wühlt.
Um ihren Kopf fliegt das zerstreute Haar,
O was macht sie vor gräßliche Geberden?
Sie murmelt, hört! O sie beschweret gar.
Ein kaltes Hertz soll wohl entflammet werden.
Vielleicht wird jetzt bey hellem Sonnenschein
Ein falscher Blitz und Donner schrecklich seyn.
Soll ihre Faust den Mond selbst aus der Luft
Zur Erd herab von seinem Wagen neigen?
Wie schaut sie schon der Höllen ofne Kluft
Und mit Geheul beschworne Geister steigen,
Ein heilig Grab zerreißt vielleicht ihr Arm,
Wird faulend Blut in morschen Körpern warm.
Es starrt ihr Haar, sie schäumt, sie raast, sie heult,
Ihr grasser Thon schallt durch der Erden Klüfte,
Sie sieht vor sich den bangen Grund zertheilt;
Und Samuel steigt durch die schwartzen Grüfte.
[137]
Sie reist ihn dir aus deiner Macht, o Tod,
Seht, er erscheint, als wenn er Unglück droht.
Hört aus der Gruft ein dumpfiges Gebrüll.
O Saul, du hörst dein traurigs Schicksal schallen.
Der Geist verschwindt. Wie bald wird alles still?
Ja selbst mein Muth erwacht, der mir entfallen:
Denn, Lange, Du entdeckst die Zauberlist
Und machst, daß sie uns nicht mehr schreckbar ist.
Saul flieht und fällt; und der Philister siegt.
Sein eignes Schwert muß rächend ihn ermorden.
Inzwischen ist, da er im Blute liegt,
Ein beßrer Fürst zum Thron erhoben worden.
Auch der wird stoltz. Er zählet; und so gleich
Vermindert er durch zählen Volck und Reich.
Gott siehts und straft zur Besserung mit Macht.
Der Geist, der dort am fruchtbarn Nil geschlagen,
Fliegt von der Höh erschrecklich, wie die Nacht.
Ein giftiges Gewölcke muß ihn tragen;
Und faule Luft durchstreicht vor ihm das Land,
Ein feurig Schwerdt schwingt die erzürnte Hand.
Worüber nur sein Schreck-Gefieder saußt,
Folgt ihm der Tod nebst der ergrimmten Seuche.
Das arme Volck fühlt, wie die Strafe haußt,
Wie tödlich Gift in seinen Adern schleiche,
Der Ackersmann sinckt ausgequält aufs Feld,
Wie sein Gespan, da er das Land bestelt.
Dem Krieger hilft jetzt weder Muth noch Wehr.
Die schnelle Pest ereilt die schnellsten Boten.
Du, Lange, führst uns durch die Leichen her,
Du zählest selbst die eitervollen Todten.
Indem ein Theil sich wältzt, theils quälend streckt;
Und Pest und Tod das weite Land bedeckt.
Ich zittre noch für Eckel, Pest und Grauß;
Doch breitet dort nicht eine neue Bühne,
[138]
Die prächtigen erhabnen Scenen aus?
Ists Solima, das dort vor mir erschiene?
Ja, ja sie ists; doch in weit grösserm Flor.
Stat Hütten stelt sich Schloß und Tempel vor.
Ach lernte jetzt mein lyrisch Rohr von Dir
Und deinem Kiel, o Lange! glücklich schildern;
So zeigte ich den Wunderbau alhier
Der neuern Welt in prächtig gleichen Bildern.
Doch wer Dich ließt, sieht fast, was Du beschreibst;
Indem du es zur grösten Klarheit treibst.
Du leitest uns durch jeden Vorhof hin,
Du zeigest uns, was hier und da geschehen.
Mir dünckt, daß ich selbst gegenwärtig bin,
Und Kunst und Pracht bewundernd kan besehen.
Drauf lehrst Du uns, wie diese Schilderey
Dem Christenthum und Christo ähnlich sey.
Hier sehe ich mit Kron, Helm, Stab und Schwerdt
Der Fürsten Reich den Schauplatz nun bestreiten,
Doch da dein Kiel der Thaten Meng erklärt,
Muß ich indeß bloß mit den Namen streiten;
Weil dieser sich dem Reime wiedersetzt
Und jener Vers und Thon zu hart verletzt.
Wer singet hier? gepriesener Homer!
Bist du es? Nein! ein göttlicher Prophete
Erfüllt, entzückt das menschliche Gehör,
Durch die Gewalt der heiligen Trompete,
Sein prächtiger, sein rührend starcker Thon
Verdient den Krantz vor Dir, o Maons Sohn!
Ich seh durch ihn im Himmel vor dem Herrn
Den Satan selbst mit Gottes Söhnen kommen.
Auf Erden wird in ungemeßner Fern,
Des Höchsten Wort, des Teuffels List vernommen.
Des Vaters Mund preist einen frommen Mann;
Und Satan schwärtzt die weisse Tugend an.
[139]
Der Höllen Fürst fährt von dem Himmel her,
Empört und reitzt die räubrischen Chaldäer,
Die flüchtigen unstäten Araber,
Die specereybereicherten Sabäer
Auf diesen Held und seines Hornviehs Zahl.
Ihr wilder Schwarm beraubt ihn auf einmal.
Nun schleudert er mit der verfluchten Hand
Ein fressend Feur auf seine fetten Heerden.
Der Sturm durchbricht der Riegel Widerstand,
Stürzt sein Geschlecht und Hauß vermengt zur Erden.
Jetzt stürmen bloß auf diesen Held allein
Die keichenden betrübten Boten ein.
Erstaunt! da steht der Held gantz unbewegt:
So wie ein Fels, wenn mit vergebnen Toben
Sturm, Guß und Fluth den starcken Rücken schlägt.
Doch nicht genug! Er trotzt noch härtern Proben.
Sein Höllenfeind setzt der gelaßnen Ruh
Durch Seuchen, Weib und Feinde fruchtloß zu.
Wo bleiben hier, du blinder Dichter! nun
Geduld und Lob des irrenden Ulyssen?
Der fromme Held des Maro mag nur ruhn:
Sie sind zu klein von eurer Hand gerissen:
Weil einer weint, der andre öfters trügt.
Sein wahrer Glantz hat ihren Schein besiegt.
O Poesie, du seyst auch, wer du seyst,
Die du diß Werk dem Dichter eingegeben,
Wenn mich mein Trieb einst Helden singen heißt,
Laß deine Kraft auch meinen Sinn erheben.
Gib, daß mein Held stets diesem Helden gleicht;
Und mein Gesang auch den Gesang erreicht.
Begeistre mich, damit mein Heldenlied
Voll Gottesfurcht und Tugendlehren blitze.
Du weißt es wohl; ich lebe stets bemüht,
Daß einst mein Rohr der Welt ergötzend nütze
[140]
Doch hör ich nicht, daß Lange widerspricht.
Ja er beweißt; und diß ist kein Gedicht.
Indessen sol o Geist! durch deine Kraft,
Doch mein Gedicht stets der Geschichte gleichen.
Und wenn mein Geist gleich neue Bilder schaft,
So laß ihn doch nie von der Tugend weichen.
Ein Dichter weiht der Lügen nie sein Rohr,
Die Wahrheit stralt aus seiner Fabel vor.
Ihr, die ihr nur Homers Gelahrtheit preist,
In ihm allein das gantze Wissen findet:
Kommt her und seht, was unsers Langens Geist
In Hiobs Buch vor Weisheits Schätz ergründet,
Er lehrt aus ihm die Sitten der Natur;
Und zeigt in ihm der wahren Lehre Spur.
Ich höre jetzt! ich hör Isais Sohn!
Mein Ohr erkennt des bessern Pindars Sayten,
Sein Psalm hebt sich mit einem höhern Thon
Und kühnerm Flug ins Reich der Ewigkeiten.
Sein Herr und Sohn muß stets der Inhalt seyn:
Jetzt hör ich ihn begeistert prophezeyn.
Mir dünckt, ich seh in frommer Sänger Schaar,
In Assaphs und in Elams, Ethans Mitte
Den David dort am räuchenden Altar;
Und ihr Gesang schallt aus der heilgen Hütte.
Da Lange nun ihr hohes Lied erhellt,
Wird überall der Heiland dargestellt.
Ihr Menschen schaut ein neues Wunder dort,
Ein König selbst will euer Lehrer werden,
Es führet mich sein prächtig hohes Wort
Weit aus der Luft der scheinerfülten Erden.
Mein Geist, der nun des Körpers Last verschmäht
Schwebt höher noch, als das Gestirn sich dreht.
Mein prüfend Licht kan von den hellen Höhn
Durch allen Dunst der tiefen Heimlichkeiten
[141]
Der Eitelkeit mit freyen Blicken gehn.
Wie klein dünckt mir die gantze Welt von weiten;
Die Erd; ihr Volck und aller Güter Pracht
Verschwindet nun; und wird von mir verlacht.
Jetzt reisset mich ein kühner Oden Schwung!
Welch plötzliches jesseisches Entzücken
Vermag so schnell in freyer Unordnung
Mich von der Höh in Thal und Wald zu rücken?
Dort stellt sich mir ein Feldtheater vor,
Hier singt und spielt der Schäferinnen Chor.
Ich höre schon die braune Sulamith
Und ihren Freund und ihr verliebtes Klagen,
Sie eilt ihm nach, indem er vor ihr flieht.
Sie seufzt, daß sie die Liebe wund geschlagen.
Doch ihre Lieb ist nicht von dieser Welt,
Ein höher Feur wird uns hier aufgestellt.
O Amarill! O Thirsis! weichet nur
Mit eurer Brunst beschämt in dicke Wälder,
Poeten! folgt des weisen Dichters Spur,
Besuchet hier die sonnenreichen Felder
Und das Gebüsch, wo man die Sulamith
Und ihren Freund in Rosen weiden sieht.
Allein indem die Poesie verweilt,
Sich in dem Thal und Garten zu ergehen;
So bist du schon, o Lange, fortgeeilt,
Ich seh um dich die heilgen Seher stehen.
Sie reichen selbst Dir, den sie längst gekannt,
Wie der Prophet von Patmos, Licht und Hand.
Ja! es zergeht die blinde Finsterniß;
Indem durch Dich die Fackel angeglommen.
Mir dünckt, ich seh die Völcker schon gewiß
Aus der Gewalt des Aberglaubens kommen.
O sehet doch! die mehr als güldne Zeit
Steht schon zum Lauf in ihrem Kreis bereit.
[142]
Was schaue ich vor eine weite Bahn
In meiner Fahrt noch vor mir zu vollbringen?
Du kontest zwar durch diesen Ocean
Biß in den Port mit vollen Segeln dringen:
Allein die Od, o Lange, ist zu schwach,
Sie bebt und läßt auf halbem Wege nach.
So wie ein Mensch, der auf die blaue Höh,
Zu kühn sich wagt; nur Wasser Luft und Himmel
Rings um sich sieht; die ungemeßne See
Schreckt ihn benebst dem brausenden Getümmel;
Und auf einmal sinckt Ruder, Muth und Hand:
Drauf spühlt die Fluth den leichten Kahn ans Land.
Die Ode hebt zwar ihren Flug,
Verwegen schnell bis zu des Himmels Zinnen;
Allein sie ist doch noch nicht starck genug,
Solch eine That und Reise zu beginnen.
Der Wunder sind, o Heiland! ihr zu viel.
Die Lehren sind zu wichtig für ihr Spiel.
Sie ruht und legt die schlaffe Sayten hin.
Ihr! höret nun, wie Lange selbst bewähret,
Daß Gottes Geist nach aller Schriften Sinn
Nur einen Geist, der Sünde flieht, verkläret.
Daß unser Thun nie die Gleichgültigkeit
Von dem Gesetz und seinem Zorn befreyt.
Ihr stutzt und fragt, kan eines Menschen Macht
Der Schriften Zahl zu solcher Höhe treiben?
Wer lange viel gelesen und gedacht,
Kan viel, und wohl in kurtzer Zeit auch schreiben.
Wird er jetzt ruhn? Nein, Lange schätzet ruhn
Der Trägheit gleich; weil Er kan gutes thun.
Er rüstet sich schon wieder in das Feld.
Ein Geist vom Herrn bringt Ihm des Glauben Waffen.
Gott stärcket Ihn, durch Ihn in dieser Welt,
Dem grossen Sohn sein heilig Recht zu schaffen.
[143]
Ich seh, wie Er voll frommen Eifer glüht,
Er macht sich auf, ihr Feinde! eilt und flieht.
Glück zu! auf streit für Christus Ehr und Preiß.
Ich sehe schon! ich seh die Ehrenbogen;
Und wenn Du nun voll wohlanständgen Schweiß
Vor Deinem Herrn, dem Sieger, hergezogen;
So will auch ich so dann am Wagen seyn,
Und oft, Triumph, mit froher Zunge schreyn.
Schweigt! Neider schweigt, wem Wilhelm Beyfall giebt
Den bin ich noch zu wenig zu erheben.
Was brauchst Du mehr, da Dich Dein König liebt
Als von dem Herrn ein kraftvoll langes Leben.
Dis wünschen wir von Ihm für Dich sehr oft.
Das übrige wird nur von Dir verhoft.
Mich, der auf Dich nebst tausenden gemerckt,
Mich, soll auch nichts von Deinem Pfade führen.
Wo sich der Geist in höhern Lehren stärckt,
Wo Wahrheit uns durch Dich pflegt zu regieren;
Da findet man bey ihrem Himmelsschein
Durch Dich den Quell der Gottsgelahrtheit rein.
Doch wenn mir Zeit und Glück noch Musse gönnt;
So will ich sie, Dir, fromme Dichtkunst, weihen.
Dir, gegen die mein Hertz ohn Absicht brennt;
Darf ich mich nicht umsonst der Gunst erfreuen,
Mit der Du mir des Tempels Höh gezeigt,
Zu welcher nie des Bavens Anhang steigt.
Dann führe mich, von Deiner Glut entbrannt,
Mit Dir vertraut in die geheimen Grotten
Und lehre mich, was unsers Kaysers Hand
Und Wilhelm that, das Unkraut auszurotten
Das Satans List von Wertheim ausgestreut.
Erzähle mir auch Langens Tapferkeit.
Entdecke mir die Kunst, wodurch Virgil
Mit wechselnden und nachdrucksvollen Thönen
[144]
Den Vers beseelt, der dort gantz Rom gefiel;
Und solte mich der Pöbel gleich verhönen.
Dem leeren Reim und unsrer Verse Zahl,
Die lebloß fließt, entsag ich noch einmal.
Drum laß du mich, nur Dir allein getreu,
Den blöden Schwarm gemeiner Reimer meiden;
So kan mich einst der grossen Dichter Reih,
Dein kühler Wald und Tempel unterscheiden;
So henge ich, nach einen längern Lauf,
Zuletzt mein Spiel dem Herrn zu Ehren auf.

Bibliotartarus

Ein Heldengedichte

Erster Gesang

Ich will des Jünglings Muth, und die verwegnen Reisen,
Durch jene Finsterniß des grausen Tartars preisen,
Der irrend seinen Lauf durch Feld und Lager nahm,
Und in dem Strausse oft in das Gedränge kam,
Ja, als er kühnheitsvoll in jene Kluft gedrungen,
Zuletzt doch wiederum sich an das Licht geschwungen.
Du Göttin, deren Mund die Wahrheit schertzend singt,
Und durch den klugen Hohn der Thoren Stoltz bezwingt,
Thalia! lehre mich, du Meisterin im Schertzen!
Der grossen Thaten Preiß, und was in seinem Hertzen
Solch eine Glut entflammt, daß er des Orcus Nacht,
Mit seinen Furien, ohn alle Furcht verlacht.
Am besten kanst du mir davon die Nachricht geben:
Denn du erdachtest selbst sein Wesen und sein Leben.
Allein, woher erlangt mein schertzender Gesang
In Deutschland seinen Werth und den beliebten Klang?
Vergeblich würd es jetzt auch Maro selber wagen,
Durch sein erhabnes Lied den Preis davon zu tragen.
Wo nicht der Schellenschall des Reims am Ende klingt,
[145]
Wo man nicht die Vernunft in seine Fesseln zwingt;
So ist Geist, Kunst und Fleiß und alles Oel verloren:
Denn der Geschmack sitzt fast den meisten in den Ohren.
So will ich denn, o Reim! zu dir die Händ erhöhn.
Wie, träumt mir? hör ich nicht dein zauberndes Getön?
Wie bist du, tauber Gott! mir jetzt so bald erschienen?
Durch den in Deutschland nur der Dichter Lorbern grünen.
Dein Schellenzepter klingt, und die Begeisterung
Befält jetzt alles Volck, hoch, niedrig alt und jung.
Sie alle sehen dir, bloß deines Klimperns wegen,
Mit Klatschen, Ruhm und Lob und gantz entzückt entgegen:
So freudig können kaum die frommen Kinder seyn;
Wenn sie am Weynachtsfest und bey der Lichter Schein,
Den Engel, der beschert, von ferne klingeln hören,
Und Kleinigkeiten dann noch ihre Freude mehren.
So ausgelassen ist auch nicht der Dörfer Lust,
So hüpfet nicht das Hertz in Hans und Gretens Brust,
Bey eines Leyermanns zweytönig ewgen Leyern,
Wenn sie ihr Kirchweihfest mit Tantz und Jauchzen feyern.
O Reim! wie groß bist du! du hilfst aus aller Noth.
Auf deinem Ruf stehn mir die Sylben zu Gebot.
Die Worte laufen zu. Ich seh auf deinen Willen
Der Verse Schrancken sich, nebst gantzen Seiten, füllen.
Du krönst mein deutsches Spiel. Du schafst, daß es gefällt.
Du machest, daß mein Schlaf den Dichterkrantz erhält.
Wohlan, so will ich denn zu deinen Schellen schweren,
Und künftig deine Macht, mehr als den Phöbus, ehren.
Auf blase, was ich selbst gedencken solte, ein;
So wird mein Held und ich durch dich verewigt seyn.
Zuerst must du den Stand und Namen meines Helden,
Weil ihn kein Mensch sonst weiß, schertzhafte Muse! melden,
Was singst du? Studio. Wer kennt nicht Studion?
Doch sprich, wer ehrte ihn als seinen theuren Sohn?
Der kühne Held entstammt aus eines Küsters Lenden;
Und wuchs, zu seiner Lust, selbst unter seinen Händen
[146]
Und strenger Ruthe auf. Wann Sontags am Altar,
Des letzten Liedes Vers kaum ausgesungen war:
So folgete der Sohn dem Vater in die Schencke.
Hier druckten Schöpp und Schultz und Pachter gleich die Bäncke.
Der alte Stax erklärt, mit viel Gelehrsamkeit,
Die Predigt noch einmal. Führt von dem State Streit,
Braucht sein Latein, das ihm von Wittenberg geblieben,
Und Studio entbrennt von väterlichen Trieben.
Des alten Beyspiel reitzt und spornt des jungen Geist,
Wie einen kleinen Leun, der schon die Zähne weist.
Er brüllt und kratzet schon vor Blutgier in die Erden,
Und wünscht dem Vater gleich, der Thiere Furcht zu werden.
So folgt einst Annibal, Cartagens Kriegesblitz
Amilcarn, noch gantz zart, in Mavors Feld und Sitz,
Bis in Hispanien, wo so viel Blut kaum flosse,
Als man vom Gerstentranck, im Streit, alhier vergosse.
Des jungen Pöners Muth wuchs bey der Waffen Klang.
Hier droht er dir, o Rom! noch schwach, den Untergang;
Wozu des Vaters Sieg ihn stets in Glut gesetzet.
Doch Studio wird mehr als Annibal geschätzet.
Den schreckensvollen Eyd, der jenen Held verband,
That dieser vor sich selbst, mit aufgehabner Hand,
Bey seines Vaters Stock, und fürchterlicher Rute.
Da dieser triumphirt, mit wallend heissem Blute,
Daß er, so lange Puls und Zunge würden gehn,
Trotz dem Verstande! will lateinisch wiederstehn,
So folgete der Sohn des Vaters grossen Schritten,
Wie des Aeneas Kind, doch mit stets stärckern Tritten.
Sein oftrer Sieg ließ ihn so Tag als Nacht nicht ruhn.
Wie vielen Nutzen kan der Väter Beyspiel thun?
Als die drey Lustern nun zu Hause kaum verflossen,
So ward ein höher Thor dem Helden aufgeschlossen.
Voll Lust betrat er hier den so gewünschten Sand,
[147]
Wo er schon würdige und starcke Kämpfer fand.
Hier lernt er vom Orbil, um eines Wortes wegen,
Den allerstrengsten Streit mit jedem zu erregen.
Hier junger Hercules! zogst du die Waffen an.
Dein Streich verschont auch nicht den grauen Priscian.
Und als du überall in allen Birgelagen,
Wie in der Schul auch oft, den Preis davon getragen,
Und alles vor dir wich, und alles vor dir fiel;
So ging dein tapfrer Sinn auf ein erhabner Ziel.
So zeigte sich in dir der Väter ihr Geblüte.
So hebt sich allezeit ein wohlgeschlacht Gemüthe.
Die Zeit erschien nunmehr, da Tellus sich enthüllt,
Und Titan, was da lebt, mit neuer Glut erfüllt.
Mars ließ sein Blutpanir hoch in den Lüften schweben,
Die Lager fingen sich nunmehro an zu heben.
Der blancken Waffen Glantz durchschimmerte das Feld.
Der Wanderburschen Schwarm zog aus in alle Welt.
Und Schüler, die nunmehr ad altiora schreiten,
Sah man den Degen, Kleid und Bücher zubereiten.
Theils aber zogen schon zur hohen Schul hinan,
Und kamen, kaum halb flick, nun mit den Schwalben an.
Auch Studio beginnt den Schulstaub abzuschütteln,
Und fült den hohen Zug. Wie eines Fiebers Rütteln,
Durchlief ein froher Schaur die Glieder, Marck und Bein,
Es nahm ihm Brust und Geist so Lust als Ehrfurcht ein,
Wann, Academia! er deiner nur gedachte,
Und ihm sein neuer Stand die Sinnen schwülstig machte.
Des blossen Namens Kraft verklärete ihn gantz,
Und itzt umstrahlte ihn ein ungewohnter Glantz.
Bey Tage schwebt ihm stets ihr göttlich Bild vor Augen.
Die Nacht selbst konte nicht es zu verdunckeln taugen.
So brante Don Qvichot, er, Manchas gröste Zier,
Und Amadis einst nicht, vor feuriger Begier,
Den hohen Ritterschlag, im Tempel, zu erlangen,
Und von der schönen Hand die Sporen zu empfangen:
[148]
Als Studio, bis ihn die Deposition
Von seinem Staub erlöst, und ihn zum Musen Sohn,
Und der erseufzten Zier des Degens würdig mache.
Und dieser schimmerte nun schon in dem Gemache
An der vom Tobacksdampf beräuchert schwartzen Wand,
Sein Lieschen hatte selbst ein goldgewürcktes Band,
Das Unterpfand der Treu, mit den geküßten Händen
In Schleifen angeknüpft: Du Zierde meiner Lenden!
(Rief er, da er vor ihm entzücket stehen blieb:
Denn die Apostrophe war ihm vor allen lieb;
Wußt er Figuren gleich zu Schocken herzuzählen,
Womit noch die Orbils die leeren Redner quälen.)
Du meiner Lenden Zier! mein blinckend scharfer Schutz!
Und der Verzagten Furcht! und der Verwegnen Trutz!
O du so lange Zeit erseufztes Ehrenzeichen!
Des Stahl, des Rectors Stock, ja alle Zepter weichen.
Ich grüß und ehre dich als mein Palladium.
Du machst mein Glück, mit dir kehrt meine Freyheit um,
Die seinen Bakel floh; und nichts wird sie vertreiben;
So lang du meiner Hand nur wirst getreu verbleiben.
Trotz dem! der sich an mich und deinen Schimmer wagt,
Und des verwegner Mund ein spöttisch Schimpfwort sagt.
Ihn soll – – hiermit nahm er das Eisen in die Hände,
Und bohrte gantz erhitzt auf unbewehrte Wände.
Schlug die durchschnittne Luft mit manchem Kreutzhieb auf,
Fiel aus, sprang hinter sich, steh Hund! Canallie lauf!
So wie ein Leu, (was kan hier sonst ein Gleichniß leihen)
Sich dort in Lybiens verbranten Wüsteneyen
Selbst mit dem Schwantze reitzt, und grimmig, vor dem Streit,
Daß Erd und Himmel schallt, brüllt, tobet, scharrt und schreyt.
Ja wie man in der Brunst, in Polens fetten Auen,
Dem dicksten jungen Stier sich nicht darf nahe trauen;
Wenn durch sein schwartzes Fel der Wespe Stachel dringt,
Und ihn, durch heissen Schmertz, in volles Rasen bringt,
Er springt, er rast herum. Mit Stössen und mit Streichen
Wetzt er sein krummes Horn an wundenvollen Eichen,
Er brült und fordert Luft und Winde brausend raus,
[149]
Und stößt und wirft vor Wuth den Sand, zum Vorspiel, aus.
Der leere Sturm fing sich almälich an zu legen,
Und er betrachtete, gestillt, den neuen Degen,
Vor den des Vaters Huld, mit froher Seel und Hand,
Das Tauf- und Leichengeld voll Hofnung angewandt.
Er bog und übte oft die Stärcke seiner Klingen,
Lies ihr elastisch Stahl oft wieder grade springen.
Und bog es wiederum. Er wird vom sehn nicht sat,
So viel er ihn auch schon herum gedrehet hat.
Bewundert bey sich selbst die silbernen Figuren,
Des Knopfs und Stichblats Gold, wo auf des Hasens Spuren
Die Hunde schiessend ziehn, und eines Jägers Spieß
Hier einen Fuchs durchsticht, der sich belauschen ließ.
Darauf versucht er ihn an seiner lincken Seiten:
Wie herlich werden wir ad altiora schreiten!
So sprach er, und ging erst die Stube auf und ab;
Wobey er, wie er steht, voll Freuden, Achtung gab.
Nachdem spatzirte er die Strassen auf und nieder,
Und vor der Liebsten Haus und Fenster hin und wieder.
Die Leute blieben stehn, die Jungfern gaben acht.
Und bald ward unser Held bewundert, bald verlacht.
Zuletzt must er sich doch nun mit der Sonn entfernen,
Die Valediction zu Hause wohl zu lernen.
[150]

Notes
Der »Neue Anhang« wurde erstmals gedruckt in der zweiten vermehrten Auflage, Halle (Carl Hermann Hemmerde) 1749. »Der Tempel der wahren Dichtkunst« erschien bereits vorher als Einzeldruck: Halle (Fritschische Buchhandlung) 1737.
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TextGrid Repository (2012). Pyra, Jakob Immanuel. Neuer Anhang einiger Gedichte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8ABA-C