Ein Bürger, der reich und vernünftig ist, wirbt um ein adeliges Fräulein.

Gnädiges Fräulein,


Die Gelegenheit, die ich seit zwei Jahren gehabt, Sie kennen zu lernen und durch einen täglichen Umgang Ihre Vorzüge und Tugenden einzusehen, macht mich so dreist, Ihnen eine Erklärung zu thun, die Sie sich vielleicht jetzt am wenigsten vermuten. Sie betrifft die Hochachtung, die ich gegen Sie hege, und das Verlangen, das ich habe, durch die Erlaubnis, Sie zu lieben und ewig der Ihrige zu sein, glücklich zu werden. Ich weiß die Einwürfe, gnädiges Fräulein, die Sie machen können und die ich gewiß befürchten müßte, wenn ich von Ihrer billigen Denkungsart nicht besser überzeugt wäre.

[146] Die Verbindung eines Fräuleins mit einem aus bürgerlichem Stande wird nur denjenigen übereilt vorkommen, welche von meiner zärtlichen Achtung für Ihre Person und von Ihrer Einsicht, die Sie über die kleinen Vorurteile der Welt erhebt, unrechte Begriffe haben. Meine Vorfahren haben immer den Ruhm gehabt, ehrliche Leute zu sein. Sie waren in der Stadt, wo sie wohnten, von einigem Ansehen. Sie sind zwar alle nur Bürger gewesen, aber tugendhafte Männer, und ich darf mich keines einzigen schämen. Das Glück, welches meinem Vater in der Handlung zufiel, brachte ihm die Bekanntschaft und das Vertrauen der größten Familien zuwege. Ich bin der einzige Erbe seines hinterlassenen Vermögens, welches mir überflüssige Gelegenheit verschafft, auf eine bequeme und sehr anständige Art zu leben. Was mir noch an meinem zeitlichen Glücke mangelt, ist der Besitz einer so vernünftigen und tugendhaften Person, als Sie sind, gnädiges Fräulein. Da Sie weder Eltern noch nahe Anverwandte haben, so beruht mein Glück bloß auf Ihrer Wahl und auf Ihrem Ausspruch. Darf ich hoffen? Wird es Ihnen schwer fallen, denjenigen glücklich zu machen, der es ohne Sie nicht sein kann? Verlangen Sie, gnädiges Fräulein, daß ich mir die adeligen Vorzüge, welche die Natur meinen Voreltern versagt hat, durch Geld verschassen soll?! Aber werde ich Sie deswegen aufrichtiger lieben, als es jetzt geschieht? Werde ich, da Sie so billig sind, in Ihren Augen mehr Verdienste erlangen? Ich glaube keines von beidem. Verlangen Sie es schlechterdings, so will ich's thun. Aber ich gestehe es, ich thue es ungern. Nicht darum, daß ich es denjenigen übel auslege, welche es für nötig hielten, sie in den Adel einzukaufen. Keineswegs. Es giebt Fälle, wo der Adel eine Belohnung für bürgerliche Tugenden ist, und sie ist nötig, auch andre aufzumuntern, sich um ihr Vaterland verdient zu machen. Ich, gnädiges Fräulein, ich habe um mein Vaterland keine Verdienste weiter als ein redliches Herz und die Reichtümer meiner Eltern. Auf das erste bin ich stolz; aber eine so allgemeine Pflicht, als diese ist, redlich zu sein, giebt uns noch kein Recht, eine so wichtige Belohnung, als die Erhebung in den Adelstand ist, dafür zu fordern. Auf meinen Reichtum hingegen habe ich gar nicht Ursache, stolz zu sein. Es ist ein Glück, das der nichtswürdigste Mensch erlangt haben würde, wenn er meines Vaters einziger Sohn gewesen wäre. Kann ich's also wohl wagen, mich unter den Adel zu drängen, ohne den Vorwurf zu verdienen, der denen, die zu [147] dieser vorzüglichen Würde gelangen, gemeiniglich gemacht wird. Die vom Adel, welche vernünftig sind, würden mit meiner Eitelkeit Mitleiden haben. Die aber, die nicht vernünftig sind, würden mich für einen lächerlichen Thoren halten und mich verachten. Die vom bürgerlichen Stande würden das sagen, was man in dergleichen Fällen immer sagt: sie werden mich für einen Mann ansehen, der sich ihrer schämte. Ein Bürger, der Vermögen und Ansehen hat, ist zu stolz, als daß ihm die Gesellschaft eines neuen Edelmanns ohne Verdienste erträglich sein sollte. Was für ein unglückseliges Mittelding zwischen Adeligen und Bürgerlichen würde ich alsdann sein! Jene würden mich verachten und diese meiden. Raten Sie mir wohl, gnädiges Fräulein, ob ich mir einen solchen Vorwurf so teuer erkaufen soll. Und dennoch will ich es thun, wenn Sie es mir raten. Die Urteile der ganzen Welt werde ich nicht achten, wenn ich dadurch das Glück erlange, daß Sie mich Ihrer Liebe würdigen. Ich erwarte Ihren Ausspruch mit Ungeduld. Auf diesem beruht meine ganze Zufriedenheit. Lassen Sie mich nicht zu lange in der traurigen Ungewißheit, ob ich es wagen darf zu sagen, ich sei,


Gnädiges Fräulein,

der Ihrige.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Rabener, Gottlieb Wilhelm. Satire. Sammlung satirischer Schriften. 2. Satirische Briefe. Ein Bürger, der reich und vernünftig ist, wirbt um ein adeliges Fräulein. Ein Bürger, der reich und vernünftig ist, wirbt um ein adeliges Fräulein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8B55-4