[142] Liebesflammen eines Pedanten.

Hochzuehrende und wertgeschätzte Jungfrau!


Wenn ich Ihnen sage, daß die Sonne zum Erwärmen, der Vogel zum Fliegen und der Mensch zum Lieben erschaffen ist, so sage ich Ihnen eine Wahrheit, von der der wilde Skythe so sehr, als der vernünftig denkende Grieche überzeugt war. Amor omnibus idem! Die weise Natur hat dem Menschen einen Trieb eingepflanzt, welchen er Liebe nennt, und der auf die Vermehrung seines Geschlechts abzielt. Ohne diesen Trieb würden die großen Absichten der mütterlichen Natur nicht bestehen, und die Welt würde in ihr erstes Chaos zurückfallen, wenn die Menschen nicht liebten.

Ich, hochzuehrende und wertgeschätzte Jungfrau, ich, der ich ein kleiner Teil dieses Ganzen bin, ich fühle diese Triebe der Natur mehr als jemals, da ich das Glück gehabt, Sie kennen zu lernen. Ich halte es für meine Pflicht, dieser Stimme zu folgen. Sie würden rebellisch sein, wenn Sie diesen Trieben der Natur sich widersetzen und nichts fühlen wollten, da Sie doch zu eben diesen großen Absichten so fühlbar geboren sind.

Lassen Sie uns denn, wertgeschätzte Jungfrau, dessen Triebe vereinigen und so viel an uns ist, hindern, daß die Welt nicht zur Wüste werde.

Sie heißen Dorothea, denn Sie sind eine wahre Gottesgabe. Und da ich Theodor heiße, so wird es überflüssig sein zu beweisen, daß wir beide für einander geschaffen zu sein scheinen.

Jener malte eine Sonnenblume mit der Überschrift:


Sequitur suum!


Wie dieser ist die Sonne,

So bist Du meine Wonne –


anzudeuten, daß ein Verliebter niemals seinen geliebten Gegenstand aus den Augen lasse, sondern sich gleich einer Sonnenblume nach derselben beständig wende und kehre. Glauben Sie, hochzuehrende Jungfrau, daß ich niemals meine eheliche Pflicht aus den Augen lassen, sondern mit unverwandten Augen nach Ihnen, wie ein Schiffer nach dem Polarsterne sehen und mir Mühe geben werde, Ihnen durch meinen Wandel ad oculos zu demonstrieren, daß ich bis zu dem letzten [143] Hauche des Lebens, ja womöglich noch länger voll Hochachtung, Liebe und Ergebenheit sei,


Hochzuehrende und wertgeschätzte Jungfrau,
Meiner hochzuehrenden und wertgeschätzten
Jungfrau,
gehorsamster und ehrendienstwilliger
N.

Ehrendienstwillige Antwort.

Mein Herr,


Es ist ein großer Fehler von meinen Eltern, daß sie mich haben Dorothea nennen lassen. Weil ich aber auch Johanna und Sie Kaspar heißen, so mache ich mir ein Gewissen daraus, die Natur in ihrer Ordnung zu stören und mit Ihnen ein Bündnis einzugehen, welches mir nicht den großen Absichten der mütterlichen Natur gemäß zu sein scheint. Ich weiß nicht, was ich thun würde, wenn Sie ein vernünftig denkender Grieche wären und ich eine wilde Skythin. So viel aber weiß ich, daß ich es lieber zufrieden bin, wenn die Welt in ihr erstes Chaos zurückfällt, als wenn ich mich gleich einer Sonnenblume nach Ihnen wenden und kehren soll. Jene malte einen Korb mit der Unterschrift:

Mein Herr,

Ihre Dienerin.


* *


Unter tausend glücklichen Vorzügen, die der Bauer vor vielen Vornehmen genießt, ist auch dieser, daß er meistenteils vernünftig, vorsichtig und uneigennützig liebt. Es ist wahr, er fängt gemeiniglich da in der Liebe an, wo wir aufhören. Aber dies ist ein neuer Vorzug für ihn. Und wenn er weniger seufzt, so ist er auch weniger lächerlich. Er überlebt, ob er eine Frau ernähren kann. Er sucht sich eine Frau, die ihm in seiner Nahrung helfen soll. Er sorgt, daß seine Kinder gesund und arbeitsam erzogen werden. Ein wenig Eifersucht erhält die Liebe neu und lebhaft. Und auch dieses Vergnügen fehlt dem Bauern nicht. Zur Abwechselung will ich ein paar Briefe einrücken, welche zeigen, wie unschuldig man in den Hütten lebt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Rabener, Gottlieb Wilhelm. Satire. Sammlung satirischer Schriften. 2. Satirische Briefe. Liebesflammen eines Pedanten. Liebesflammen eines Pedanten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8B9A-C