217. Der Schimmelreiter.

1.

Ein Reiter kam in der Nacht von Northeim und wollte noch nach Salzderhelden. Zwischen 12 und 1 Uhr befand er sich auf der Strecke zwischen Hohnstedt und Salzderhelden. Eben war er um den Ramberg gebogen, als er in der Ferne einen weißen Punct erblickte; wie er näher kam, sah er einen weißen Schimmel, worauf ein Reiter ohne Kopf saß. Indem er an dem Schimmel vorbeiritt, sprach der Mann ohne Kopf zu ihm die Worte: »jeder, der einen erschlagen hat und sich verspätend zu dieser Stunde hier vorbeikommt, der mag nur darauf rechnen, daß ich ihn hier nicht vorbei lasse.« – Er deutete damit an, daß er einem solchen den Hals umdrehen werde. – Dann verfolgte der Mann ohne Kopf auf seinem weißen Schimmel den Reiter noch bis zu den Vogelbecker Pappeln, wo er verschwand.

2.

Zwei Jungen, welche Brüder waren, gingen Nachts um elf Uhr von Avendshausen nach der Neuen Mühle (am Wege von Einbeck nach Markoldendorf), um daselbst zu mahlen. Unterwegs wandte sich der eine, der ein Sonntagskind war, plötzlich zu seinem Bruder und sprach, auf die Seite zeigend: »sieh da!« Doch dieser sah nichts. Da ließ ihn das Sonntagskind über seine rechte Schulter sehen, und nun erblickte er einen weißen Mann ohne Kopf, der auf einem weißen Schimmel neben ihnen ritt. »Nun laß, jetzt sehe ich auch!« sprach er darauf zu seinem Bruder. Dann begleitete der Mann ohne Kopf die beiden noch eine Weile, bis sie an ein dort fließendes Wässerchen kamen; über dieses ritt er hinüber und aufs Feld, wo er verschwand.

3.

Bei Ahrenborn, eine halbe Stunde von Vernewahlshausen und nicht weit von dem Hessischen Dorfe Heisebeck, ist ein hoch gelegener Anger, daneben ein tiefer Graben und eine sumpfige Wiese. Auf dem Anger weideten die Pferde der Bauern; am [199] Morgen steckten sie regelmäßig im Sumpfe, aus dem sie nur mit Mühe wieder herausgebracht wurden. Die Bauern konnten das nicht begreifen und legten sich daher auf die Lauer. Da sahen sie um Mitternacht einen Reiter in strahlender Rüstung mit einem »Flammenschwerte« in der Hand von einem benachbarten Hügel herab durch die Ebene, dann auf dem Graben hinaus und durch die Pferde hindurchsprengen, so daß diese scheu auf die Seite sprangen und in den Sumpf und in den Graben stürzten.

4.

Ein alter Wachtmeister aus Stöckheim ritt bei Nacht am Salzgraben bei Sülbeck hinauf. Als er einmal zur Seite sah, ritt ein Mann ohne Kopf auf einem weißen Schimmel ihm zur Seite. Er fing an zu schimpfen, aber umsonst; der Mann ohne Kopf blieb immer neben ihm, bis sie über die »steinerne Brücke« kommen. Da entstand ein furchtbarer Knall, und der gespenstische Reiter war verschwunden.

5.

Ein aschgrauer Reiter reitet Nachts umher. Einst begegnete ihm ein Mann, der fragte ihn zweimal hinter einander, wer er wäre; doch der Graue antwortete ihm nicht. Als er die Frage zum dritten Male that, antwortete jener: »laß die Todten ruhen.«

6.

Ein alter Mann aus Kreiensen erzählte, wie er in seiner Jugend Nachts mit einem andern Jungen die Pferde gehütet und bei dieser Gelegenheit den gespenstischen Reiter gesehen habe. Schon von weitem hörten sie ihn herankommen und sahen, wie er durch busch un braken jagte. In vollem Jagen kam er an ihnen vorbei. Er trug einen Mantel und dreieckigen Hut, an seiner Seite hing ein gewaltiger Säbel.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 217. Der Schimmelreiter. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B991-7