Wilhelmine Schröder-Devrient
Aus den Memoiren einer Sängerin

1.

[5] I

Warum sollte ich Ihnen etwas verhehlen, Sie haben sich in sehr schwierigen Lagen meines Lebens als ein so wahrer und uneigennütziger Freund erwiesen, haben mir so wesentliche Dienste erwiesen, daß ich Ihnen wohl mein vollständiges Vertrauen schenken kann. Ihr Wunsch überrascht mich übrigens nicht. Schon in unsern früheren Gesprächen bemerkte ich, daß Sie eine Neigung und Vorliebe haben, die geheimen Triebfedern zu erforschen, welche bei uns Frauen die Ursache so mancher Handlungen werden, für welche auch die geistreichsten Männer häufig um die Erklärung verlegen sind. Obgleich uns die Verhältnisse jetzt weit auseinandergeführt und wir uns aller Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen werden, so denke ich doch stets mit Dankbarkeit an die Zeit, wo Sie mir in meinem großen Unglück beigestanden und in allem, was Sie mir getan, verschafft und abgewehrt, nie an sich gedacht, sondern nur mein Wohl gewollt. Das werde ich Ihnen nie vergessen! Es hat nur von Ihnen abgehangen, jede Gunstbezeugung von mir zu erhalten, die ein Mann nur wünschen kann, denn Sie kannten mein Temperament und ich war Ihnen sehr gut. An Gelegenheit hat es uns auch nicht gefehlt und ich habe Sie oft bewundert, welche Gewalt Sie sich angetan; denn daß auch Sie in dem fraglichen Punkte außerordentlich reizbar und ebenso reizbar wie ich waren, habe ich mehr als einmal bemerkt, und Sie haben mir schon selbst oft gesagt, daß ich einen sehr scharfen Blick und sehr viel mehr Verstand als viele andere Frauen habe. Wenn Sie ein so sonderbares Verlangen an mich nicht gestellt haben, Ihnen aufrichtig und vor allen Dingen ohne weibliche Zurückhaltung – die ich Ihnen ja selbst oft genug Ziererei genannt habe – meine Erfahrungen und Anschauungen über das Fühlen und Denken [5] der Frauen mit Bezug auf den wichtigsten Moment ihres Daseins, die liebe und die Vereinigung mit dem Manne, mitzuteilen. Anfangs setzte mich Ihr Wunsch in Verlegenheit, denn – lassen Sie mich mein Bekenntnis gleich mit einem entscheidenden Charakterzuge aller Frauen ohne Ausnahme beginnen, – nichts wird uns schwerer als eine vollkommene Aufrichtigkeit gegen den Mann; denn die Sitte und die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Zwanges legt uns von frühester Jugend an so viele Rücksichten auf, daß wir ohne Gefahr nicht aufrichtig sein können. Als ich aber über das nachdachte, was Sie eigentlich von mir verlangen, und vor allen Dingen, als ich mich der Eigenschaften des Mannes erinnerte, der es vor mir verlangte, da fing mir an, Ihre Idee Vergnügen zu machen. Ich versuchte es, einige meiner Erfahrungen zu Papier zu bringen, stockte zwar, als ich an Dinge kam, die wirklich eine vollkommene Aufrichtigkeit verlangen und die man eben nicht niederzuschreiben pflegt, aber ich zwang mich, dachte daran, daß ich Ihnen eine Freude damit mache und überließ mich nun ganz der Erinnerung an die vielen glücklichen Augenblicke, die ich genossen und von denen ich nur einen bereue, denselben, über dessen traurige Folgen Ihre aufopfernde Freundschaft mir hinweggeholfen. Als ich erst die anfängliche Scheu besiegt, empfand ich bei der Schilderung dessen, was ich von anderen Frauen erfahren, ein ganz entschiedenes Vergnügen. Je ausführlicher ich wurde, je mehr kam mein Blut auf die angenehmste Art in Wallung. Es war mir wie ein Nachgeschmack der Freuden, die ich genossen und deren ich mich nicht schäme, wie Sie wissen. – Wir sind durch die sonderbarsten Verhältnisse so vertraut miteinander geworden, daß es mir übel anstehen würde, mich Ihnen in einem anderen Lichte zu schildern, als ich wirklich bin, wofür ich aber, – Dank sei es meiner [6] von früher Jugend an bewiesener Lebensklugheit – Niemandem außer Ihnen und dem unglückseligen Menschen, der mich so schmählich betrogen, Rechtfertigung schuldig bin. Es ist jedoch mehr eine Verkettung von ungewöhnlichen Umständen, als mein eignes Verschulden, daß ich in dem ganzen Kreise meiner Bekanntschaft als ein vollkommen tugendhaftes und sogenanntes kaltes Mädchen gelte, während selten ein Mädchen mehr genossen und mehr erfahren haben dürfte, als ich bis zu meinem 36. Lebensjahre. Indessen, was halte ich mich bei der Vorrede so lange auf? Ich sende Ihnen, was ich seit einigen Tagen niedergeschrieben, und Sie mögen dann selbst beurteilen, ob ich aufrichtig bin oder nicht. Ich habe versucht, die erste Ihrer Fragen zu beantworten und ich habe mich überzeugt, wie recht Sie hatten, als Sie mir einmal sagten, der geschlechtliche und sittliche Charakter bildet sich nach denjenigen Umständen, unter denen er in die sorgfältig verschleierten Geheimnisse der Liebe eingeweiht wird. Ich finde jetzt allerdings, daß dies auch bei mir der Fall gewesen ist!

Obgleich ich fleißig fortfahren werde, aufzuzeichnen, was ich erlebt und erfahren, so erhalten Sie doch nicht eher einen zweiten Brief von mir, bis Sie den ersten beantwortet. Vor der Hand macht mir die sonderbare Schriftstellerei Vergnügen, sogar mehr Vergnügen, als ich für möglich gehalten. – Daß Sie mein unbegrenztes Vertrauen nicht mißbrauchen werden, dafür bürgt mir Ihr edler Charakter, von dem ich ja die glänzendsten Beweise habe. Was wäre ich ohne Sie? Ihre aufopfernde Freundeshilfe? Ihren Rat? Ein elendes, verlassenes und von der Welt entehrtes Geschöpf! Ich weiß aber auch, daß Sie mich trotz Ihrer anscheinenden Kälte und Entsagung lieb haben. Ich riskiere also in Ihren Händen nichts. – Grüßen Sie, usw.


D., den 7. Februar 1851.

2.

[7] II

Meine Eltern, wohlhabende, aber keineswegs reiche Leute, hatten mir eine musterhafte Erziehung gegeben. Mein lebhafter Charakter – das Talent, alles spielend zu erlernen und namentlich mein schon früh ausgebildetes Talent für Musik, machte mich zum Lieblinge nicht allein meiner Eltern, sondern aller, die unser Haus besuchten. Bis zum 13. Jahre hatte mein Temperament vollständig geschwiegen. Andere junge Mädchen hatten mir zwar erzählt, was es namentlich für eine Bewandtnis mit dem Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte habe, daß es eine Fabel sei, wenn man uns weiß machen wolle, der Storch bringe die Kinder und daß doch gewiß recht sonderbare und geheimnisvolle Dinge vorgehen müßten, wenn man sich verheirate. Mein Interesse an solchen Gesprächen war immer nur das der Neugierde gewesen. Meine Sinne sprachen dabei noch in keiner Weise mit. Erst als sich an meinem Körper die ersten Spuren der Mannbarkeit zeigten, als ein leichter Anflug gekräuselter Haare sich da bemerkbar machte, wo die Mutter nie selbst beim Anziehen und Waschen eine vollständige Entblößung litt, da gesellte sich zu der Neugierde auch noch das Wohlgefallen. Wenn ich allein war, untersuchte ich die mir unerklärliche Erscheinung des krausen Haarwuchses an jener Stelle, die doch eine große Bedeutung und Wichtigkeit haben mußte, da alle Welt sie so sorgfältig hütete und den Blicken entzog. Beim Aufstehen, wenn ich mich bei verschlossenen Türen allein wußte, nahm ich einen Spiegel von der Wand, stellte ihn davor und rückte ihn solange schräg, bis ich alles genau sehen konnte, öffnete mit den Fingern, was die Natur so sorgfältig verschlossen halt, begriff dann aber um so weniger, was meine Gespielinnen von der Art und Weise erzählten, [8] wie die innigste Vereinigung zwischen Mann und Frau stattfinde. Der Augenschein überzeugte mich, daß das gar nicht möglich sei. An Bildsäulen hatte ich ja gesehen, wie anders der Mann von der Natur ausgestattet ist als das Mädchen. Da ich diese Untersuchung immer beim Waschen mit kaltem Wasser vornahm, wobei ich an den Wochentagen allein und ganz nackt war, während ich Sonntags in Gegenwart der Mutter die Hüfte bis zum Knie bedeckt halten mußte, so konnte es nicht fehlen, daß ich auch bald auf die immer mehr runden Formen der Hüften und Schenkel aufmerksam werden mußte. Das machte mir ein unerklärliches Vergnügen. Meine Gedanken schweiften ins Weite. Ich versuchte mir auf alle mögliche Weise zu erklären, was ich doch nicht begreifen konnte, erinnere mich aber genau, daß damals meine Eitelkeit begann. Um diese Zeit war es auch, wo ich mich selbst wunderte, wie abends beim Zubettgehen meine Hand unwillkürlich auf meinen Unterleib fiel und mit den eben aufkeimenden Haaren spielte. Das Kräuseln zwischen den Fingern, die Wärme der Hand machte mir Vergnügen, ohne daß ich damals schon ahnte, wie viel mehr dort schlummere. Ich preßte dann die Schenkel über der Hand zusammen und schlief regelmäßig in dieser Lage ein.

Mein Vater war ein sehr ernster Mann und meine Mutter ein Muster weiblicher Sitte und des feinsten Anstandes, so daß ich vor beiden einen außerordentlichen Respekt, gerade deswegen aber auch die größte Liebe für sie fühlte. Höchst selten kam ein Scherzwort über die Lippen meines Vaters und eben so selten sah ich von ihm eine Zärtlichkeit für meine Mutter. Dabei waren beide sehr schöne Leute. Der Vater war damals ungefähr 40, die Mutter 34 Jahre alt.

Nie war mir der geringste Gedanke gekommen, [9] daß unter dieser ernsten und in jeder Beziehung gemessenen Außenseite so viel Sinnlichkeit und Lebensgenuß verborgen sei, als ich durch einen sonderbaren Zufall von ihnen erfahren sollte. Ich war 14 Jahre alt geworden und ging in den Konfirmationsunterricht bei einem Prediger, der, nebenbei gesagt, meine erste schwärmerische Liebe war, und nicht die meinige allein, sondern die aller seiner Schülerinnen, obgleich er nichts weniger als jung und schön war. Ich habe vielfach beobachtet, daß Lehrer, und vorzüglich Religionslehrer, den ersten nachhaltigen Eindruck auf das Gemüt junger Mädchen machen. Ist der Prediger ein guter Kanzelredner, – ein in der Gemeinde beliebter Mann, so schwärmen alle jungen Mädchen für ihn. Später komme ich vielleicht auf diesen Gegenstand zurück, der ja auch zur Beantwortung Ihrer Frage gehört.

Ich war also schon 14 Jahre und körperlich vollkommen ausgebildet, bis auf das eigentliche Zeichen der ganzen Weiblichkeit, die periodische Blume. Da kam der Geburtstag des Vaters heran und die Mutter traf mit der liebevollsten Geschäftigkeit alle Vorbereitungen dazu. Ich hatte ein Gedicht gemacht, – Sie kennen ja mein kleines poetisches Talent (unter uns gesagt, mit dem Wunsche, daß es unser Prediger korrigieren möge und ich dann einen Vorwand hatte, zu ihm zu gehen), – einen großen Blumenstrauß gewunden und war schon früh morgens festlich angezogen, weil der Vater schöne Toilette sehr liebte. Meine Eltern schliefen nicht zusammen, weil der Vater oft sehr spät arbeitete und dann die Mutter nicht stören wollte, – so sagten sie wenigstens; später habe ich auch darin ihren Lebensgenuß erkannt. Alle die Dinge, die vor dem Zubettgehen und nach dem Aufstehen nötig sind, die Zwanglosigkeit, welche sich mit der Bequemlichkeit verbindet, die nachlässige, oft lächerliche Toilette des Nachtanzuges, [10] kurz, die zu genaue Bekanntschaft sollten Eheleute von sich fern halten, damit sie sich immer neu und reizend bleiben. Mein Vater schlief also nicht in dem Schlafzimmer meiner Mutter. Gewöhnlich stand er um 7 Uhr auf. An seinem Geburtstage war die Mutter schon um 6 Uhr auf und im Hause tätig, um die Geschenke zu ordnen und des Vaters Bild zu bekränzen. Gegen 7 Uhr sagte sie: das frühe Aufstehen mache doch recht müde und sie wolle sich noch einen Augenblick aufs Bett legen, bis der Vater herüberkäme. Weiß der Himmel, wie mir die Idee kam, aber ich dachte, es müsse doch gar zu hübsch sein, wenn ich dem Vater gleichzeitig mit der Mutter gratulieren könne, denn ich hatte ihn schon in seinem Zimmer husten hören. Er war also auf und mußte bald herüberkommen. Während die Mutter noch mit dem Dienstmädchen sprach, schlüpfte ich in das Schlafzimmer, welches einen Alkoven mit einer Glastüre hatte, in welchem die sämtlichen Garderobenschränke standen. Dort wollte ich versteckt stehen bleiben, bis die Mutter dem Vater gratulierte, und dann durch mein Erscheinen die geliebten Eltern überraschen. Ganz stolz und glücklich über meinen Plan stand ich mäuschenstill hinter der Glastür des Alkovens, als meine Mutter hereintrat, sich schnell bis auf das Hemd entkleidete, sich auf ein bereitstehendes Bidet setzte und sich sorgfältig wusch. Ich sah dabei zum ersten Male, welch einen wunderschönen Körper meine Mutter hatte; dann stellte sie einen großen Stehspiegel, der am Fußende ihres Bettes neben ihrer Toilette stand, schräg gegen ihr Gesicht und legte sich dann ins Bett, die Augen aufmerksam nach der Tür gerichtet. Jetzt erst kam mir der Gedanke, daß ich wohl eine Ungeschicklichkeit begangen haben könne und wäre gern so weit wie möglich aus dem Alkoven weggewesen. Ein dunkles Gefühl sagte mir, daß vor meinen Augen etwas geschehen [11] würde, was ein junges Mädchen nicht sehen dürfe. Ich hielt ängstlich meinen Atem an und zitterte an allen Gliedern. Da öffnete sich die Tür und der Vater trat ein, wie gewöhnlich des Morgens mit einem eleganten Schlafrocke bekleidet. In dem Augenblick, wo die Tür sich bewegte, hatte meine Mutter die Augen geschlossen und stellte sich fest schlafend. Der Vater trat an das Bett, betrachtete mit dem Ausdruck der größten liebe die Schlafende, ging dann zur Türe zurück und schob den Riegel vor. Mir wurde immer banger und es war mir zu Mute, als sollte ich in die Erde sinken, als mein Vater nun leise die Beinkleider abstreifte, so daß er unter dem Schlafrocke noch das Hemd hatte, sich dem Bette wieder näherte und vorsichtig die leichte Couvertüre abhob. Damals hielt ich es für Zufall, jetzt weiß ich es besser, daß die Mutter mit geöffneten Schenkeln, – das eine Bein angezogen, das andere ausgestreckt – dalag. Ich sah zum ersten Male einen anderen weiblichen Körper, aber ausgewachsen und in vollster Blüte, und dachte mit Beschämung an die Unreife des meinigen. Das Hemd war ganz heraufgeschlagen, so daß nichts verdeckt blieb, und auf der Brust war es so weit offen, daß der linke Busen in seiner ganzen Weiße hervorquoll. Wie wenige Frauen habe ich nachher kennengelernt, die es wagen durften, sich ihren Männern oder Liebhabern so zu zeigen, denn die bei weitem größere Zahl der Frauen hat über 20 Jahre hinaus keinen schönen Körper. Mein Vater schien den Anblick mit seinen Augen zu verschlingen, dann aber beugte er sich vorsichtig über die Schlafende, benetzte im Munde seinen Finger und führte ihn dahin, wo seine Augen sich noch nicht weggewandt hatten. Zart fuhr er auf und nieder und kaum war es einige Male geschehen, als meine Mutter seufzte und das andere Bein wie im Schlaf anzog und sich auf sonderbare Weise mit [12] den Hüften bewegte. Ich fühlte mich wie mit Blut übergössen, schämte mich, wollte wegsehen und konnte nicht. Als die Bewegung der Hüften stärker wurde, benetzte der Vater noch einmal seinen Finger und ließ ihn dann so tief hineingleiten, daß seine ganze Hand von den reizenden krausen Haaren bedeckt war. In diesem Augenblicke öffnete meine Mutter die Augen, als ob sie eben erst erwacht wäre, schloß aber gleichzeitig die Schenkel, so daß sie die Hand meines Vaters gefangen hielt, und rief mit einem lauten Seufzer:

»Bist du es, geliebter Mann? Eben träumte ich von dir. Wie schön weckst du mich! Tausend und abertausend Glückwünsche zu deinem Geburtstage!«

»Den schönsten bringst du mir damit, daß ich dich überraschen konnte. Wie reizend du heute wieder bist! Du hättest dich nur sehen sollen!«

»Mich aber auch so zu überraschen! Du hast doch die Tür verriegelt?«

»Sei unbesorgt. Willst du mir aber wirklich gratulieren, so öffne deine Schenkel wieder. Du bist ja so frisch und duftig wie eine Rose!«

»Alles, was du willst, du Engel von einem Mann. Aber willst du nicht lieber bis Abend warten?«

»Da hättest du nicht so einladend daliegen müssen. Fühle nur her, so wirst du dich überzeugen, daß ich nicht warten kann. Heute müssen wir alles genießen!«

Nun sank er auf ihr Gesicht nieder und die Küsse wollten gar kein Ende nehmen. Dabei blieb seine Hand in spielender liebkosender Bewegung an dem Orte, wo sie gewesen, und ich sah die Hand meiner Mutter sich unter den Schlafrock ihres Mannes stehlen, wo sie ebenso geschäftig schien, während die Küsse immer glühender wurden. Dann küßte mein Vater den Hals, den Busen, saugte an den Rosenknospen desselben, ging dann noch weiter herunter [13] und heftete seine Lippen auf den Mittelpunkt aller weiblichen Reize. Kaum hatte der Vater ihn mit dem Munde berührt, so schob die Mutter sich herum, so daß sie quer über dem Bette lag. Der Vater kniete nieder und hielt mit den Händen ihre weit geöffneten Schenkel hoch aufwärts, ließ aber keinen Augenblick den Mund von der Quelle seines Vergnügens. Da er mir den Rücken zukehrte, so konnte ich nicht sehen, was er machte, schloß es aber aus den leisen Ausrufen meiner Mutter, welche ganz außerordentliches Vergnügen zu empfinden schien, denn die Augen verschwammen ihr, die Brust zitterte, die Schenkel bewegten sich hin und her. Seufzend und abgebrochen rief sie:

»Ach wie schön! Mehr oben! Wie liebenswürdig du heute bist! Ah, ah! Jetzt saugen! So! nicht auch küssen! – Himmlisch! – Etwas tiefer mit der Zunge! Nun rascher! Ach! ah – Ich spritze. – Es kommt gleich! Ach, warum kann ich dich dabei Ich – Ah! – Halt, nicht mehr! Das ist Überreiz! Ah! – h!«

Jedes dieser Worte ist mir unvergeßlich. Wie oft habe ich mir sie nachher in Gedanken wiederholt! Wieviel darüber nachgedacht und gegrübelt! Ist es mir doch, als tönten sie noch jetzt in meinen Ohren.

Es trat jetzt eine Pause ein. Die Mutter lag mit geschlossenen Augen regungslos; der ganze Körper schien seine Spannkraft verloren zu haben und die hochgehobenen Schenkel sanken auf den Rand des Bettes herab. Ich war erschrocken über den Ausdruck, den das Gesicht beider angenommen. Das war nicht mehr mein sanfter, ernster Vater, das war nicht mehr meine keusche, sittliche Mutter. Das waren ein paar Wesen, die keine Rücksicht mehr kannten, die glühend und wonnetrunken sich gegenseitig in einem mir unbekannten Genüsse überboten. Der Vater hielt sich einige Augenblicke ganz ruhig, setzte sich auf den Rand des Bettes und betrachtete nur mit brennenden,[14] fast wilden Blicken den Punkt, dessen Liebkosungen meine Mutter zu so wollüstigen Ausrufungen veranlaßt. Mir war der Atem so vollständig bei dem Anblick vergangen, daß der heftige Herzschlag mich fast zu ersticken drohte. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber noch war die Besorgnis, wie ich unbemerkt aus dem Verstecke wieder herauskommen sollte, die Besorgnis, von meinen Eltern entdeckt zu werden, die Hauptsache. Lange sollte ich indessen in diesem Zustande nicht bleiben, denn was bis jetzt geschehen, war nur das Vorspiel gewesen. Ich sollte das erste Mal so viel lernen, daß ich keiner weiteren Belehrung mehr bedurfte.

Wie gesagt, hatte sich der Vater neben die noch immer unbeweglich daliegende Mutter auf den Rand des Bettes gesetzt, so daß er mir das Gesicht zukehrte. Es schien ihm heiß zu werden, denn plötzlich warf er seinen Schlafrock und Hemd ab, zog aber dann den Schlafrock allein wieder an. Nun sah ich mit einem Male, worüber ich mir nach den Erzählungen meiner Gespielinnen schon oft den Kopf zerbrochen. Mir gingen geradezu die Augen über, so starrte ich vor Neugier und Aufregung darauf hin. Wie anders war das, als ich es bei Statuen und bei kleinen Knaben gesehen! Ich erinnere mich deutlich, daß ich mich davor fürchtete und doch einen angenehmen Schauder über meinen Körper herabrieseln fühlte. Der Vater sah gar nicht darauf hin, sondern hielt die Augen immer auf den Körper meiner Mutter geheftet. Mit der Hand schien er das rebellische Glied bändigen zu wollen, denn er fuhr immer leise darüber hin, und ich sah, wie er plötzlich die Spitze desselben entblößte. Mir wurde immer ängstlicher zu Mute. Als ob mir etwas geschehen sollte, kniff ich unwillkürlich die Schenkel zusammen, denn so viel hatte ich im Umgange mit anderen Mädchen schon erfahren, daß die beiden Teile, die ich da zum [15] ersten Male entblößt vor mir sah, zusammengehörten. Wie das aber möglich sei, da ihre Größe so verschieden war, konnte ich nicht begreifen. Nachdem diese Ruhe einige Minuten gedauert hatte, nahm mein Vater die kraftlos herabhängende Hand meiner Mutter und führte sie dahin, von wo ich meine Augen nicht abwenden konnte. Sowie sie fühlte, was er ihr in die Hand gab, schlug sie die Augen auf und lächelte unbeschreiblich holdselig, richtete sich auf und hing mit so leidenschaftlichen Küssen an seinem Munde, daß ich mir selbst sagte, alles Bisherige sei nur die Einleitung gewesen zu dem, was noch geschehen sollte. Beide sprachen kein Wort, aber nachdem sie einige Minuten die heißesten Küsse gewechselt, wobei seine Hand zwischen ihren und ihre Hand zwischen seinen Schenkeln beschäftigt war, warf sie das Hemd, er den Schlafrock ab. Meine Mutter legte sich dann so auf das Bett, daß sie eine Unterlage von Kissen gerade unter der Mitte des Körpers hatte, und ich bemerkte deutlich, daß sie sich so lange hin und her schob, bis sie in ihrer liegenden Stellung bequem in den Spiegel sehen konnte, den sie sich zurecht gerückt, ehe sie sich vor dem Eintritt meines Vaters schlafend gestellt. Mein Vater konnte das nicht bemerken, denn er sah weniger in das schöne freudenstrahlende Gesicht meiner Mutter, als zwischen ihre Schenkel, die sie jetzt weit auseinander legte, so daß mein Vater dazwischen knien konnte. Ich sah so angestrengt auf beide hin, daß mir die Augen fast aus dem Kopfe springen wollten. Ihre Lage war so, daß ich alles ganz genau sehen konnte. Meine Mutter nahm den stolzen Speer ihres Mannes in die Hand, führte ihn zu jener wunderbaren Spalte, benetzte den Kopf mit Speichel und wischte dann einige Male damit auf und nieder, wobei sie in eine Art von girrendem Seufzer ausbrach. Dann sagte sie:

[16] »Jetzt! lieber Mann, aber langsam, damit wir zusammen genießen. Der erste Erguß war so reizend, daß ich fürchte, der zweite werde nicht so rasch kommen. Laß mich nur nicht im Stich!«

Ich armes, unwissendes Mädchen! Was verstand ich damals von dem, was meine Mutter sagte? Ich sah nur, daß, sowie meine Mutter »Jetzt!« gesagt hatte, das Glied meines Vaters langsam in ihrem Schöße versank. Weit entfernt, Schmerz darüber zu empfinden, wie ich erwartet hatte, leuchteten ihre Augen vor Vergnügen. Sie schlang beide Füße um die Hüften meines Vaters zusammen, als wollte sie ihn noch tiefer in sich hineindrücken; dabei waren ihre halbgeschlossenen Augen immer auf den Spiegel gerichtet, in dem sie genau alle Bewegungen meines Vaters sehen konnte und sich mit größter Begier an dem Bild im Spiegel ergötzte. Die tausend Gefühle, welche mich damals bewegten, ließen mich gar nicht daran denken, daß eigentlich beide Körper wunderschön waren. Jetzt weiß ich freilich, daß solche Schönheit zu den größten Seltenheiten gehört. Ich sah nur erstaunt die Sache, ohne an Nebendinge zu denken. Als der Vater mit dem ersten Eindringen ganz in ihr versunken und regungslos schien, öffnete sie nach einigen Minuten ihre pressenden Schenkel. Er hob sich und hob dadurch den glühend roten Pfeil aus der Spalte heraus, um gleich wieder bis an die Wurzel in ihr zu versinken. Bei jedem Stoße bewegte sie entgegenkommend die Hüften, und ich konnte deutlich sehen, wie ihr Vergnügen mit jeder Bewegung stieg. Das Gesicht des Vaters konnte ich leider nicht sehen; aus dem Zittern der so angenehm beschäftigten Teile und aus seinen immer lebhafter werdenden Bewegungen konnte ich aber schließen, daß ihn die Wollust übermannte. Er sprach kein Wort, sondern handelte nur. Die Mutter stieß dagegen einzelne Worte aus – manchmal unverständlich, [17] als raubte das Vergnügen ihr die Besinnung, – aus denen ich mir zusammenreimen konnte, was zwischen beiden vorging.

»So recht tief, du einziger Mann! Halte recht lange an! Nun – langsam. Ah! – Wie stark du heute bist! Ist dir wohl? Ich denke, so feucht und schlüpfrig, wie von dem ersten Male, müßte sie dir Vergnügen machen! – Jetzt – et – was schnel – ler! So – Ach, wie schön! Es kommt doch noch nicht bei dir? – Halte so lange als mög – lich an! – Ah! – ah! O, wie schade. Nun hast du schon gespritzt – und ich bin noch nicht so weit! War das ein Strom! Bis zum Herzen habe ich den heißen Strahl gefühlt!«

Der Vater hatte noch immer kein Wort gesprochen. Von dem Augenblicke an, wo seine Bewegungen schneller geworden waren, schien er alle Besinnung verloren gehabt zu haben. Zwischen dem Herausziehen und wieder Hineinstürmen blieb auch nicht ein Augenblick Zwischenraum. Dann schienen sich Konvulsionen seines Körpers zu bemächtigen. Er zitterte und bebte, die Schenkel zuckten und endlich schien er sich so tief in meine Mutter hineinzubohren, daß er wie leblos liegenblieb, den Kopf auf ihren wogenden Busen sinken ließ und sich dann erschöpft auf die Seite legte. Während die Mutter nach einem Handtuch griff und erst sich und dann den Vater abtrocknete, hatte ich Gelegenheit, die Veränderung zu bemerken, die unterdessen bei beiden vorgegangen. Was bei meinem Vater groß, rot und drohend gewesen war, lag jetzt klein und matt da, und ich bemerkte nur einen weißen Schaum, mit dem die Spitze überzogen war, bis das Handtuch die Spuren desselben wegnahm. Was dagegen bei meiner Mutter eng geschlossen und kaum bemerkbar gewesen war, stand auseinander und erschien glühend rot. Sie öffnete die Schenkel und ließ ebenfalls einen weißen Schaum herausfließen, der die [18] ganze Höhlung zu füllen schien und von dem ich dummes Ding nicht begriff, wo er hergekommen war. Dann holte sie Wasser, wusch erst den Vater auf das Zärtlichste und füllte dann eine Spritze, die eine krumme Röhre hatte, führte sie bei sich ein und reinigte sich gründlich, worauf sie sich an das Bett setzte, auf dem der Vater noch immer ausgestreckt und wie träumend lag. In seinem Gesichte lag die vollständige Befriedigung, in dem ihrigen nicht. Sie war offenbar in eben solcher Aufregung, als der Vater vorhin gewesen war, nachdem er sie so lange zwischen den Schenkeln geküßt. Bei dem Abtrocknen hatte sie auch wie zufällig dem Spiegel eine andere Richtung gegeben, so daß mein Vater, dessen Kopf jetzt an derselben Stelle lag, wo vorhin der ihrige ruhte, nicht dasselbe Bild in ihm sah, das sie mit solcher Gier genossen. Ich war in solcher Spannung, daß ich auch diese kleine, anscheinend unwillkürliche Bewegung bemerkte, aber freilich erst später die Erklärung dafür fand. Nun glaubte ich, es sei alles vorbei, und obgleich meine Sinne in einer unglaublichen, fast schmerzhaften Aufregung waren, so dachte ich doch nun daran, wie ich, ohne mich zu verraten, aus dem Schlafzimmer herauskommen könnte. Ich hatte mich aber geirrt und sollte noch mehr zu sehen bekommen. Vor dem Bette sitzend, beugte sich meine Mutter über den Liegenden und küßte ihn auf das Zärtlichste.

»Warst du glücklich?« frug sie schmeichelnd.

»Über alle Beschreibung, du herrliches Weib; aber es tut mir nur leid, daß du nicht mit mir zusammen fertig geworden bist. Ich war zu aufgeregt und konnte mich nicht mehr halten. Es schoß wie eine Fontäne heraus!«

»Das tut ja nichts! Ich will ja deinem heutigen Geburtstage nur die Freude machen und habe ja schon vorhin einen himmlischen Genuß gehabt.«

[19] Dabei beugte sie sich auf ihn herab und küßte dieselbe Stelle bei ihm, die er vorhin bei ihr geküßt hatte. Diesmal konnte ich besser sehen, was geschah, als vorher, wo der Vater mir den Rücken zugedreht hatte. Erst küßte, streichelte und liebkoste sie sein Glied, dann nahm sie die Spitze in den Mund.

Mit der rechten Hand griff er der so wollüstig Beschäftigten erst an den Busen, dann zwischen die Schenkel, die sie auch sogleich öffnete, um ihm die vollste Freiheit zu gestatten. Ich sah, wie der Finger erst ganz oben in der Spalte spielte, dann tiefer ging und endlich ganz eindrang, während sie mit dem Munde immer rascher saugte, bis zu meiner größten Verwunderung unter ihren Liebkosungen das wunderbare Wesen sich wieder aufrichtete und dieselbe Gestalt annahm, wie ich es zuerst gesehen. – Offenbar hatte meine Mutter das gewollt, denn ihre Augen strahlten vor Vergnügen, und da mein Vater keine Bewegung machte, sondern zufrieden schien, daß seine Hand eine so angenehme Beschäftigung gefunden, so schwang sich meine Mutter unter einer Flut von Küssen über ihn her, so daß sein ganzer Körper zwischen ihren Schenkeln lag. Der Zufall hatte gewollt, daß ich das, was jetzt geschah, doppelt sehen konnte; einmal von der Seite, weil die Langseite des Bettes mir gerade gegenüber stand, das anderemal von hinten in dem Spiegelbilde. Was ich bis dahin immer nur teilweise hatte sehen können, je nachdem die Körper sich näherten oder von einander entfernten, das konnte ich nun im Spiegel so deutlich beobachten, als ob ich dicht dabei gestanden, und nie werde ich dies Schauspiel vergessen! Es war das Schönste, was man nur sehen konnte, und schöner, als ich es je erlebt. Beide Gatten waren aber auch in vollster Gesundheit, Kraft und Aufregung. Die Mutter war diesmal der eigentlich geschäftige Teil, während der Vater viel ruhiger schien [20] als vorher. Er faßte sie zwar um die runden schneeweißen Hüften, nahm die Knospen ihres Busens zwischen seine Lippen und saugte daran, wenn sie sich vornüberbeugte, bewegte aber den Unterkörper fast gar nicht, während sie Feuer und Flamme schien und eine außerordentliche Lebendigkeit entwickelte. Sie führte mit der Hand die wieder drohend aufrecht stehende Lanze an die Öffnung und senkte sich dann soweit herab, daß sie ganz eindrang. Hatte ich alles vorhergehende mit Angst und Bestürzung angesehen, so kamen jetzt ganz andere Gefühle über mich. Wallungen, von denen ich mir keine Rechenschaft zu geben wußte, die aber unbeschreiblich süß waren. Hätte ich nicht das Rauschen und Knittern meiner Kleider gefürchtet, so würde ich mit meiner Hand dahin gefaßt haben, wo meine Mutter eine so überwältigende Wollust zu empfinden schien, daß sie alles um sich vergaß und aus einer stillen, höchst ruhigen Frau eine glühend Genießende wurde. Der Anblick war über alle Beschreibung schön! Die kräftigen Glieder meines Vaters, die blendend weißen, runden Formen und jene Teile in engster Verbindung und Bewegung, in welche sich das ganze Leben und Sein zweier glücklicher Menschen konzentriert zu haben schien! Wenn sie sich hob, sah ich, wie die roten Lippen ihrer Spalte sich nur ungern von dem Zeichen männlicher Kraft trennten, welches zwischen ihnen und eng von ihnen umschlossen, bald bis in das Innerste drang, bald ganz entblößt war, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Diesmal sagte meine Mutter gar nichts, aber beide schienen in gleicher Steigerung zu genießen. Die Bewegungen wurden von beiden gleichmäßig schneller, beiden brachen die Augen gleichzeitig, und als die höchste Ekstase eintrat, stieß mein Vater plötzlich von unten herauf, als ob er ganz in das reizende Geheimnis hinein wollte, während meine Mutter ihre Schenkel so weit [21] als möglich spreizte und von oben herab drückte, als ob sie alles hineinpressen wollte. Dann sagte der Vater: »Jetzt! Jetzt! Ich spritze! Himmlisch!« Und gleichzeitig meine Mutter: »Es kommt! Ach, welch ein süßer Strom!« Eine Sekunde wohl dauerte diese höchste Entzückung, dann sanken beide Arm in Arm auf das Bett nieder, zogen aber nun die leichte Decke über sich, um sich nicht zu erkälten, so daß mir der Anblick ihrer Körper entzogen wurde.

Ich stand wie versteinert! Die beiden Wesen, für welche ich bis jetzt die meiste Ehrfurcht und Liebe gefühlt, hatten mich über Dinge aufgeklärt, über welche sich junge Mädchen so wunderbar verkehrte Gedanken machen; hatten allen Schein und Vorstellung beiseite geworfen, durch welche sie mir bisher als ganz rein, leidenschaftslos und Ehrfurcht gebietend erschienen waren; hatten mir gezeigt, daß die Welt unter der äußeren Form der Sitte und des Anstandes den Genuß und die Wollust verbirgt. Aber ich will jetzt noch nicht philosophieren, sondern ich will erst erzählen. –

Zehn Minuten ungefähr mochten beide wie leblos unter der Decke gelegen haben, dann standen sie auf, wuschen sich, zogen sich an und verließen das Zimmer. Ich wußte, daß meine Mutter den Vater zunächst in das Zimmer führen würde, wo die Geburtstagsgeschenke aufgestellt waren, und dieses lag an dem Balkon, der in den Garten führte. Ich schlich mich daher einige Minuten nachher aus dem Schlafzimmer und lief so rasch als möglich in den Garten, von wo aus ich die Eltern begrüßte. Wie ich dann mein Gratulationsgedicht hergesagt habe, weiß ich nicht. Mein Vater hielt meine Verwirrung für Rührung. Konnte ich doch meine Eltern nicht ansehen, weil ich den Gedanken nicht los werden konnte, wie ich sie vor wenig Minuten in einer ganz anderen Beschäftigung gesehen hatte. Der Vater küßte mich [22] und die Mutter; aber welch eine andere Art von Kuß war das! So kalt, so förmlich! Auch die Mutter küßte den Vater. Aber wie hatte ich sie vorher küssen sehen? Ich war so verwirrt und verlegen, daß es meinen Eltern endlich auffiel. Ich schützte Kopfweh vor, weil ich mich nur danach sehnte, auf mein Zimmer zu kommen und allein zu sein, denn ich vermochte keinen anderen Gedanken zu fassen, als das so unerwartet Gesehene zu ergründen und womöglich selbst Versuche anzustellen. Der Kopf brannte mir wie Feuer und das Blut jagte mir durch die Adern.

Die Mutter meinte, ich sei wohl zu fest geschnürt. Das war eine willkommene Gelegenheit, mich in meinem Zimmer auskleiden zu können, und das tat ich auch mit einer Eile, daß ich fast alles zerriß. Wie war aber mein unreifer Körper so wenig schön im Vergleich zu der vollendeten Schönheit meiner Mutter! Kaum rundete sich bei mir, was bei ihr schon die üppigsten Formen angenommen hatte. Das vollste Gebüsch bei ihr war bei mir kaum ein leichtes Moos. Sofort versuchte ich mit der Hand an mir selbst, was ich den Vater hatte tun sehen. Ich rieb hin und her, auf und nieder, öffnete die Lippen des Einganges so weit als möglich, aber den Finger tiefer hinein zu bringen war nicht möglich, ohne Schmerzen zu empfinden. Es war wohl ein angenehmes Gefühl, wenn ich ganz oben am Eingang, wo ich zwischen den Lippen einen kleinen hervorragenden Fleck fühlen konnte, sanft und besonders mit warmem Speichel benetzt, rieb; aber daß man davon so außer sich geraten, so alle Besinnung verlieren könne, wie ich es bei meiner Mutter gesehen, das konnte ich nicht begreifen. Ich schloß daraus, daß zu solcher Wollust ein Mann gehöre und verglich in Gedanken den Prediger mit meinem Vater. Ob der sich wohl auch mit seinem ersten Wesen nur so verstellte, wie sich offenbar mein Vater gegen uns verstellt? Ob er [23] wohl auch so feurig, so wollüstig, so besinnungslos wird, wenn er sich mit seiner Frau allein befindet? Ob er es wohl auch mit mir tun würde, wenn ich das täte, was die Mutter getan? Namentlich konnte ich das Bild nicht vergessen, wie sie jenes wunderbare Glied geküßt, daran gesaugt, seinen Kopf in den Mund genommen und so lange geliebkost, bis es sich aufgerichtet, um sich aufs neue in sie zu versenken.

In einer Stunde war ich zehn Jahre älter geworden. Als meine eigenen Versuche nichts helfen wollten und ich ermattet davon ablassen mußte, überlegte ich hin und her, was ich nun tun müsse? Schon damals war ich in allen Dingen ungemein systematisch, ich führte ein Tagebuch, hielt Rechnung über meine kleinen Einnahmen und Ausgaben und schrieb alles Mögliche auf. So kam ich denn auf den Gedanken, mir erst alle Worte aufzuschreiben, die ich gehört, aber vorsichtig auf einzelne Papierschnitzel, damit niemand daraus klug werden konnte. Dann dachte ich über alles Gehörte und Gesehene nach und baute mir ein Phantasieschloß zurecht.

Erstens: hatte die Mutter sich schlafend gestellt und sich so zurecht gelegt, daß der Vater das tun mußte, was sie wünschte. Sie war also die Verlangende, wollte aber nur als die Gewährende erscheinen. Sie hatte sich ferner den Spiegel so zurecht gerückt, daß sie durch den Anblick doppeltes Vergnügen haben mußte. Hatte mir der Anblick im Spiegel doch auch mehr Vergnügen gemacht als die Wirklichkeit, weil ich die Dinge ganz deutlich sah, die ich sonst nicht hätte sehen können. Aber auch das hatte sie vor dem Vater versteckt. Sie hatte ihm also nicht eingestehen wollen, daß sie noch mehr genösse als er. Endlich hatte sie ihn gefragt, ob er nicht bis heute abend warten wolle, während sie doch alles vorbereitet hatte, um gleich morgens zu genießen, was sie wünschte.

[24] Zweitens hatten beide mehrmals ausgerufen: »Es kommt!« Es war von einem »Erguß« die Rede gewesen, und als das höchste Vergnügen eintrat, hatten beide gesagt: »Ich spritze!« Was war das? Vergebens zerbrach ich mir den Kopf, was das wohl bedeuten könnte? Ich mag gar nicht niederschreiben, welche widersinnige Erklärung ich mir damals erfand. Bei aller gewöhnlichen Schlauheit junger Mädchen ist es erstaunlich, wie lange sie über alle Dinge im Dunkeln tappen und wie selten sie gerade auf die einfachste und natürlichste Erklärung kommen.

Das Küssen und Saugen war jedenfalls nicht die Hauptsache, sondern nur eine Vorbereitung gewesen, obgleich die Mutter offenbar gerade dabei das meiste Vergnügen gehabt hatte, sowohl als der Vater ihr an der Spalte saugte und wahrscheinlich mit der Zunge spielte, denn sie hatte ja dabei gesagt: »Jetzt tiefer!« und nachher, daß das ein »himmlischer Genuß« gewesen sei – als auch, wie sie dem Vater dasselbe tat.

Kurz, es gab so viel zu denken und zu erklären, daß ich den ganzen Tag nicht zur Ruhe kam. Fragen wollte ich niemand, denn da die Eltern das alles so vorsichtig verborgen hatten, so mußte es wohl etwas Unschickliches sein. Wir bekamen viel Besuch den Tag über, und des Nachmittags kam auch der Onkel mit seiner Familie nach der Stadt. Er brachte seine Frau, meine Cousine, ein zehnjähriges Mädchen, meinen Cousin von 16 Jahren und eine französische Gouvernante aus der Schweiz mit. Da der Onkel am anderen Tage noch Geschäfte in der Stadt hatte, so blieben sie die Nacht bei uns, und die Cousine mit ihrer Gouvernante mußten in meinem Zimmer schlafen. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich im Bette der Gouvernante hätte schlafen können, denn sie war ein sehr lebhaftes Frauenzimmer, 28 Jahre alt, nie um eine Antwort verlegen, und von ihr hätte [25] ich vielleicht Belehrung erhalten können, obgleich ich nicht wußte, wie ich das anfangen sollte, da sie doch eine Erzieherin war und meine kleine Cousine sehr strenge hielt. Aber ich dachte mir, die Vertraulichkeit des Zusammenliegens im Bette würde schon eine Gelegenheit herbeiführen, und machte tausend Pläne. Als die Zeit zum Zubettegehen herangekommen war, fand ich Marguerite schon in unserem Schlafzimmer. Sie hatte eine spanische Wand zwischen die Betten geschoben, so daß die Schlafenden vollständig von einander getrennt waren. Sorgfältig brachte sie uns beide zu Bett, ließ uns unser Abendgebet hersagen, nahm dann die Lampe auf ihre Seite mit herüber, wünschte uns gute Nacht und ermahnte uns, bald einzuschlafen. Das hätte sie bei meiner Cousine kaum nötig gehabt, denn kaum unter der Decke, war sie auch schon eingeschlafen; bei mir aber war vom Schlafen keine Rede. Allerlei Gedanken gingen mir im Kopfe herum. Ich hörte Marguerite noch einige Zeit herumwirtschaften, sich dann ausziehen und das Nachtkleid anlegen. Ein schwacher Lichtschein durch die spanische Wand zeigte mir eine kleine, kaum einen Stecknadelkopf große Öffnung, und schnell hatte ich eine Haarnadel zur Hand, um das Loch unbemerkt größer zu machen, so daß ich mich im Bette nur etwas herabzuschieben brauchte, um ganz bequem zu Margueriten hinüber zu sehen. Sie hatte eben das Hemd ausgezogen, um das Nachtkleid anzuziehen.

Ich sah freilich keinen so schönen Körper wie den meiner Mutter, aber doch runde, reife Formen, eine kleine, aber wohlgeformte Brust und geschlossene Schenkel. Ich hatte kaum eine Sekunde Zeit für das Beschauen, denn rasch warf sie das Nachthemd über, setzte eine Haube auf und holte dann aus einem Reisesack ein Buch, mit dem sie sich an einen Tisch, dem Bette gegenüber, setzte und zu lesen begann.

[26] Kaum aber hatte sie einige Minuten gelesen, als sie aufstand, die Lampe nahm und auf unsere Seite kam, um nachzusehen, ob wir auch schliefen. Natürlich schloß ich die Augen so fest als möglich und öffnete sie erst wieder, als ich hörte, daß sich die Erzieherin auf ihrer Seite auf den Stuhl setzte. Gleich war mein Auge auch wieder an der Öffnung. Marguerite las mit größter Aufmerksamkeit in dem Buche, und sein Inhalt mußte etwas ganz Besonderes sein, denn ihre Wangen röteten sich und ihre Augen glänzten, die Brust hob sich unruhig und plötzlich ließ sie die rechte Hand unter das Hemd sinken, setzte den einen Fuß auf die Bettstelle und schien noch eifriger, – mit noch größerem Vergnügen zu lesen. Was ihre Hand unter dem Hemde machte, konnte ich freilich nicht erkennen, da sie bedeckt war; aber ich reimte mir das heute Morgen Gesehene zusammen. Manchmal schien sie nur mit den Fingerspitzen in den Haaren zu spielen, dann drückte sie wieder die Schenkel zusammen und bewegte sich mit dem Unterkörper hin und her. Vor lauter Aufmerksamkeit auf die Hauptsache hatte ich gar nicht bemerkt, daß neben ihr auf dem Tische ein kleines Blechgefäß auf einer Spirituslampe stand, dessen Inhalt bald anfing zu dampfen. Wahrscheinlich hatte sie die Flamme schon vor dem Entkleiden angezündet, denn ich hatte es nicht gesehen. Plötzlich legte sie das Buch weg, faßte in das dampfende Gefäß, und als sie den Finger herauszog, sah ich, daß Milch darin erwärmt worden war. Sie schien sich nur überzeugt zu haben, ob die Milch heiß genug sei. Denn nun holte sie aus ihrer Reisetasche ein Paket Wäsche hervor, wickelte es auf und hatte plötzlich ein sonderbares, mir unerklärliches Instrument in der Hand. Es war schwarz und hatte genau dieselbe Form wie das, was ich heute früh bei meinem Vater gesehen. Ich armes Kind, was wußte ich damals von einem [27] Godemiche! Sie senkte ihn in die heiße Milch, ließ ihn eine Zeitlang darin, legte ihn dann an ihre Backe, als wollte sie prüfen, ob das Instrument die rechte Wärme habe. Kaum hatte sie sich davon überzeugt, als sie die Spitze desselben wieder in die Milch legte, die beiden Kugeln am anderen Ende zusammen drückte und beim Loslassen das Innere der Kugeln mit der warmen Milch füllte. Nun setzte sie sich wieder, stellte beide Füße hoch auf das Bett, und zwar meinen Augen gerade gegenüber, so daß ich zwischen ihre ausgebreiteten Schenkel sehen konnte, da sie das Hemd hoch herauf geschlagen und unter dem Gürtel des Kamisols befestigt hatte. Mir quollen vom angestrengten Sehen fast die Augen aus dem Kopf. Nun nahm Marguerite das Buch wieder in die linke Hand, – ich hatte beim Aufnehmen bunte Bilder darin bemerkt, ohne erkennen zu können, was sie darstellten – jenes Instrument in die rechte Hand und führte dessen Spitze an den wunderbaren Teil, den ich eben auch bei mir selbst in der Hand hatte. Ganz langsam fuhr sie erst auf und nieder, von oben bis unten, rieb leise eine gewisse Stelle, wobei ihre Augen immer sonderbarer glänzten und das Buch mit seinen Bildern fast zu verschlingen schienen; dann leitete sie die Spritze zu der eigentlichen Öffnung und drängte langsam den ganzen Schaft hinein, wobei sie die Schenkel noch mehr auseinander spreizte, den Unterkörper entgegenschob und einen leisen Seufzer ausstieß. Sie schob so lange, bis der Schaft nicht weiter eindringen konnte und die Kugeln sich fast mit den Haaren vereinigten. Ebenso langsam, wie er eingedrungen war, zog sie ihn auch wieder heraus und nun wiederholte sich das Spiel nach und nach immer schneller, bis Sie das Buch fallen ließ, die Augen schloß, die linke Hand im Munde befeuchtete und sich – während das Instrument unten immer rascher eindrang – [28] oben in der Spalte kitzelte und rieb. Ihr Körper schien in Konvulsionen zu geraten. Sie kniff die Lippen gewaltsam aufeinander, als fürchte sie sich durch einen Seufzer zu verraten; endlich schien der höchste Moment bei ihr gekommen; mit beiden Händen preßte sie die Kugeln, daß die Milch gewaltsam in ihr Innerstes spritzen mußte, schloß dann die Schenkel über dem noch immer tief eingedrungenen Instrumente und lag regungslos, aber tief atmend still auf dem Stuhle. Ich rührte mich immer noch nicht. Endlich öffnete sie die Schenkel wieder, zog das Instrument, das ganz mit Schaum bedeckt schien, heraus und fing den nachstürzenden Milchstrom in einem Tuche auf. Dann trocknete sie alles, – packte Buch und Instrument sorgfältig ein, kam darauf noch einmal mit der Lampe an unser Bett, um zu sehen, ob wir schliefen, und legte sich dann selbst zur Ruhe, mit so ruhigem, glücklichem Gesichte, als sei sie nun vollständig befriedigt. Während sie in das Bett stieg, schob auch ich mich zurecht und freute mich, nun eine Gelegenheit gefunden zu haben, die mir Lösung aller Rätsel verhieß, welche sich unruhig in meinem kleinen Kopfe umhertummelten.

Ich war außer mir! Aber auch fest entschlossen, daß Marguerite mir beichten, mich aufklären, mir helfen sollte! Tausend Pläne durchkreuzten meinen Kopf. Wie ich sie ausführte, soll mein zweiter Brief Ihnen sagen.

War ich aufrichtig?

Marguerite war also meine Hoffnung. Gern wäre ich gleich zu ihr hinübergeeilt, hätte mich zu ihr ins Bett gedrängt, hätte gebeten oder gedroht, bis sie mich vollständig über alle die seltsamen, verbotenen und aufregenden Dinge aufgeklärt, die ich heute gesehen, bis sie mich gelehrt, das nachzuahmen, was mich so unbeschreiblich lüstern gemacht. Aber so [29] jung ich war, hatte ich doch denselben Verstand und dieselbe vorsichtige Berechnung, die mich später vor so vielen Unannehmlichkeiten bewahrt hat. – Konnte ich nicht durch irgendeinen Zufall ebenso belauscht werden, wie ich sie belauscht hatte, wie ich meine Eltern gesehen? Ich fühlte, daß es sich um Unerlaubtes handelte, und wollte ganz sicher sein. Obgleich ich ganz in Feuer war und das rebellische Fleckchen da unten prickelte und juckte, so verhielt ich mich doch ganz ruhig, preßte die Schenkel zusammen, und als ich mit meinem Plane fertig war, den Onkel auf das Land zu begleiten, weil sich dort Gelegenheit finden mußte, mit Marguerite ganz allein und unbelauscht zu sein, – schlief ich spät ein.

Es wurde mir nicht schwer, beim Onkel und bei meinen Eltern meinen Plan durchzusetzen, und ich erhielt die Erlaubnis, acht Tage auf dem Lande zuzubringen. Das Gut meines Onkels lag nur wenige Meilen von der Stadt, und nach dem Mittagessen wurde hinausgefahren. Den ganzen Tag über war ich so liebenswürdig und zuvorkommend als möglich gewesen, und auch Marguerite schien großen Gefallen an mir zu finden. Meine kleine Cousine war mir ganz gleichgültig und vor meinem Cousin fühlte ich eine unerklärliche Scheu. Da ich sonst keinen jungen Mann kannte, mit dem ich so nahe und so unverdächtig hätte zusammenkommen können als mit ihm, so war er mein erster Gedanke gewesen, um über all die Rätsel aufgeklärt zu werden, die mich seit meinem Versteck im Alkoven quälten. Ich war so freundlich und auffordernd als möglich gegen ihn gewesen, er war mir aber immer scheu ausgewichen. – Bleich und mager, hatte sein Auge einen ganz sonderbaren unsteten und trüben Ausdruck, und wenn ich ihn neckend berührte, schien es ihm entschieden unangenehm zu sein. Ich sollte bald den Grund dieser auffallenden Erscheinung kennenlernen, [30] die ich um so weniger begriff, als ich immer gesehen, daß Jünglinge seines Alters sich in Gesellschaft junger Mädchen drängen. Es war gegen acht Uhr abends, als wir auf dem Gut ankamen, hoher Sommer und sehr heiß. Von der Fahrt ermüdet, eilte alles, sich bequemer zu kleiden. Es wurde Tee getrunken, und ganz unbefangen scheinend, sorgte ich dafür, daß ich in das Schlafzimmer der Gouvernante gebettet wurde, weil ich vorgab, mich zu fürchten, wenn ich in einem fremden Zimmer allein schlafen solle. Man fand das ganz natürlich und so hatte ich meinen Willen durchgesetzt, so daß ich getrost das Übrige meiner Schlauheit überlassen konnte. Ich sollte indessen nicht zu Bette kommen, ehe ich nicht noch eine andere Erfahrung gemacht, an die ich indessen erst jetzt beim Niederschreiben mit Widerwillen zurückdenke, wenn sie auch damals einen Eindruck ganz anderer Art auf mich machte. Nach dem Tee fühlte ich die Notwendigkeit, ein natürliches Bedürfnis zu befriedigen, und die Gouvernante wies mich an den dafür bestimmten Ort.

Es waren zwei Türen nebeneinander, die beiden Gemächer aber nur durch eine Bretterwand getrennt, die von der Hitze so ausgetrocknet war, daß einige Fugen auseinander standen. Eben wollte ich wieder gehen, als ich jemand kommen hörte, der die Tür neben mir aufmachte und sogleich hinter sich verriegelte. Ich hielt mich mäuschenstill, um nicht bemerkt zu werden, und wollte meinen unbekannten Nachbar erst wieder fortgehen lassen, ehe ich mich entfernte. Nur aus ganz gewöhnlicher Neugier, ohne alle Nebengedanken, lauschte ich durch eine Spalte und sah meinen Cousin, der sich entblößt hatte, aber sehr viel an ders beschäftigt war, als ich erwartet hatte. Er saß, hatte die Füße ausgestreckt und hatte beide Hände da, wo sie mein Vater gehabt, als er meine Mutter nach den ersten Küssen betrachtete. [31] Eifrig war er bemüht, etwas aus seiner Lethargie zu wecken, was nicht von selbst dazu bereitwillig schien, und ich sah es endlich in seiner Hand eine andere Gestalt annehmen. So wenig mein unreifer Körper eines Vergleiches mit meiner Mutter würdig war, so wenig war es der meines Cousins mit meinem Vater. Wiederholt benetzte er das Wachsende und Schwellende mit Speichel, wobei seine matten Augen nach und nach einen merkwürdigen Glanz annahmen, dann sah ich ihn in Zuckungen geraten, mit den Lippen beben und endlich einen Strahl weißen Schaumes aus jenem rätselhaften Teile hervor spritzen, der anfangs weitab auf den Boden fiel, dann aber träge aus einer kleinen Öffnung nachquoll und den Schaft hinab auf die Hand lief, welche aufgehört hatte sich zu bewegen und matt daneben niedergesunken war. Obgleich ich durch dieses sonderbare Schauspiel über vieles aufgeklärt worden war, – namentlich reimte ich nun alles zusammen, was meine Eltern von jenem Erguß gesprochen hatten und was Marguerite sich gestern Abend künstlich durch Milch ersetzt hatte, – so war mir doch das, was ich hatte sehen müssen, unbeschreiblich widerwärtig, – nicht während seines Verlaufs, denn da war Neugier und erwachende Sinnlichkeit mit im Spiele gewesen; aber jetzt, wo ich diese vollkommene Schlaffheit und Entkräftung eines noch so jungen Mannes sah, wo ich Zeuge sein mußte, daß er die Spuren seiner heimlichen Sünde abwischte und wo er dabei so stier und gläsern aus den Augen blickte. Mein Vater und meine Mutter waren schön geworden, als sie riefen: Es kommt! Ich spritze! mein Cousin aber häßlich, fahl und zerknickt. Daß Marguerite so etwas trieb, begriff ich, denn ein Mädchen ist überall auf Heimlichkeit angewiesen, wenn es sich um Gefühl und Genuß handelt. Und dann hatte sie es mit einer wahren Begeisterung, mit äußerster Heftigkeit und[32] vollster Hingebung getrieben. Mein Cousin hingegen maschinenmäßig, ohne alle Poesie, matt und tierisch. Was konnte einen kräftigen jungen Mann dazu veranlassen, ein so elendes Vergnügen zu genießen, wenn er es bei Frauen und Mädchen besser haben konnte?

Ich fühlte mich förmlich beleidigt von ihm. Hätte er sich mir genähert und es nur ein wenig klug angefangen, so hätte ich es ihm vielleicht gemacht, wie es meine Mutter dem Vater gemacht, und wobei er so überselig zu sein schien.

Ich wußte nun so vieles und schloß daraus so richtig auf anderes, daß ich nur noch der Bestätigung durch Marguerite bedurfte, um ganz aufgeklärt zu sein. Diese mußte und wollte ich haben, wollte wissen, warum man diese Dinge so sorgfältig verbirgt, wollte erfahren, was davon gefährlich, was erlaubt sei, und wollte an mir selbst erfahren, worin diese Entzückungen beständen, von denen ich so verschiedene Ausbrüche gesehen hatte.

Der Abend kam und mit ihm zog ein schweres Gewitter herauf. Gegen 10 Uhr, als eben die ersten Blitze leuchteten, gingen wir zu Bett. Meine kleine Cousine war in das Schlafzimmer ihrer Eltern gebettet worden und ich war so mit Marguerite ganz allein. Mit größter Aufmerksamkeit beobachtete ich alles, was sie tat. Als sie die Tür verriegelt hatte, machte sie es sich erst bequem und packte dann die sämtlichen Sachen aus ihrer verschlossenen Reisetasche in Kommoden und Schränke. Auch das Bündel Wäsche sah ich zum Vorschein kommen, und sie packte es sorgfältig unter einen Stoß Wäsche. Auch das Buch, in dem sie gelesen, verbarg sie dort. Gleich war ich entschlossen, während der Zeit, die ich auf dem Gute bleiben würde, dieser Sachen habhaft zu werden und sie mir so aufmerksam als möglich zu besehen. Beichten sollte mir Marguerite aber auch, [33] ohne daß ich ihr mit der Entdeckung ihrer heimlichen Freuden drohte. Meine natürliche Schlauheit gefiel sich in dem Gedanken, sie durch Überraschung, Bitten und Überreden so zu bestricken, daß sich alles wie zufällig und von selbst machte. Ich weiß nicht warum, aber so schien es mir hübscher und versprach meiner Neugier ein größeres Vergnügen.

Das Gewitter war unterdessen immer mehr zum Ausbruch gekommen und der Donner rollte fast unaufhörlich. Ich stellte mich sehr ängstlich, und kaum hatte sich Marguerite ins Bett gelegt, als ich bei einem heftigen Donnerschlage aus dem meinigen sprang und unter Ausrufen der größten Furcht mich zu ihr flüchtete. Ich bat sie, mich doch bei ihr aufzunehmen, weil meine Mutter das auch bei jedem Gewitter getan hätte. Mit allerlei Trost und beruhigendem Zuspruch nahm sie mich neben sich, ich umklammerte sie und drückte mich so fest als möglich an sie, als wollte ich mich bei jedem Blitze in sie hinein verstecken. Alles Mögliche zu meiner Beruhigung anwendend, küßte, streichelte und drückte sie mich an sich, aber so gleichgültig und gar nicht, wie ich es eigentlich wünschte, daß ich nun doch nicht recht wußte, wie ich es eigentlich anfangen sollte, um mehr von ihr zu erlangen.

Die Wärme ihres Körpers machte mir ein unbeschreibliches Vergnügen und ich drückte mein Gesicht fortwährend zwischen ihren Busen, wobei ich jedesmal einen eigentümlichen Schauder herabrieseln fühlte. Dahin zu fühlen, wo ich eigentlich hin wollte, getraute ich mich aber nicht, und so fest ich auch zu allem Möglichen entschlossen gewesen war, so hatte ich doch jetzt, wo ich der Erfüllung so nahe war, gar keinen Mut. Plötzlich kam mir ein Einfall, über einen Schmerz zwischen meinen Schenkeln zu klagen. Ich wimmerte förmlich und wußte gar nicht, was das sein könne, bis Marguerite dahin fühlte und [34] ich ihre Hand bald hier-, bald dahin lockte. Ich versicherte, der Schmerz ließe nach, sobald ich nur die Wärme ihrer Hand fühlte, und wenn sie hin und her riebe, höre das schmerzliche Gefühl ganz auf. Ich sagte das so unbefangen, daß sie damals gewiß noch nichts von meiner Absicht gemerkt hat. Ihre Berührungen waren auch nur noch dienstfertig, ohne irgendein Mitgefühl zu verraten. Als ich sie aber vor Dankbarkeit küßte und mich immer enger an sie anschmiegte und ihre Hand zwischen meine Schenkel drückte, merkte ich doch, daß in ihr ganz andere Gefühle sich zu regen begannen.

Während sie mit der ganzen Hand das Moos an der entscheidenden Stelle drückte, fühlte ich, wie ihre Finger behutsam die jungen Lippen öffneten und einen Eingang suchten, der leider noch nicht da war. Das tat sie aber so vorsichtig, daß ich merkte, sie sei ebenso ängstlich, weiter zu gehen, als ich es eben noch gewesen war. Dieses gegenseitige Tappen und Suchen machte mir ganz außerordentliches Vergnügen. Ich empfand ganz deutlich, daß bei ihr dieselben Begierden erwachten, die mich zu ihr geführt hatten; hütete mich aber sehr wohl, zu erkennen zu geben, daß mir ihre Hand ganz andere Empfindungen bereitete, als die Linderungen eines vorgeblichen Schmerzes. Und wirklich war es etwas ganz anderes, dort eine fremde Hand zu fühlen, als die eigene. Eine wundersame Wärme ergoß sich über meinen Körper, und als sie mit dem Finger jenen kleinen Teil berührte, durchzuckte es mich so angenehm, daß ich sofort erklärte, da sitze der Schmerz und da müsse ich mich wohl erkältet haben, daß es mir so weh tue. Offenbar machte es ihr Vergnügen, einen Vorwand zu haben, daß sie mit der Hand die Erkältung vertreiben konnte. Außerordentlich sanft rieb sie hin und her, herauf und herunter und versuchte dabei immer wieder hineinzukommen. Das tat mir aber [35] wirklich weh, und wenn sie das an meinem Zucken merkte, kehrte sie jedesmal wieder zu dem wohltuenden Punkte zurück. Unzweifelhaft regte sie das auf, und ich merkte an ihrer wachsenden Zärtlichkeit, an der Art, wie sie mich an sich preßte und das Hemd soweit als möglich hinauf schob, um die nackten Körper recht nahe aneinander zu bringen, – daß ich meinen Zweck erreicht hatte. So wenig geistreich das Mittel auch war, so klagte sie plötzlich an derselben Stelle über Schmerz. Wahrscheinlich hatte sie sich ebenso erkältet wie ich, und was war natürlicher, als daß ich ihr ganz treuherzig anbot, den schmerzhaften Fleck ebenfalls zu wärmen, da mir das so vollkommen geholfen. Wie der Blitz öffnete sie schnell die Schenkel und machte mir freie Bahn. Triumphierend, daß meine List erreicht, was ich gewünscht, faßte ich schüchtern und ungeschickt, um mich nicht zu verraten, an den Gegenstand meiner Neugier und fand schon bei der ersten Berührung einen gewaltigen Unterschied gegen mich selbst. Absichtlich hielt ich anfangs die Hand still und überzeugte mich nur, daß alles viel größer, weiter und reifer sei als bei mir.

Marguerite hielt auch die Ruhe meiner Hand nicht aus, sondern hob und drehte sich ihr entgegen; die Schenkel kamen in eine eigentümlich zitternde und bohrende Bewegung, und nun erklärte sie mir, daß der Schmerz bei ihr mehr unten, mehr im Innern sei. Gefällig, aber keineswegs übereilt oder mich verratend, suchte ich ihr den unglücklichen Schmerz zu lindern und ließ den Zeigefinger so tief als möglich die schmerzhafte Stelle suchen. Es machte mir ein ganz unbeschreibliches Vergnügen, den wunderbaren Bau dieser Öffnung auf das genaueste zu untersuchen, aber immer noch so plump und anscheinend unwissend, daß sie sich bewegen mußte, wenn sie die Frucht ihrer Verstellung ernten wollte. Das tat [36] sie denn auch, und meine Hand spielte nun dieselbe Rolle, die mein Vater gespielt, als meine Mutter sich über ihn gesetzt. Meine Hand verhielt sich still und Marguerite kam seufzend, küssend und zitternd in eine so heftige Bewegung, stieß so leidenschaftlich von unten herauf gegen meine Hand, daß meine Finger bis an die Wurzel in ihr versinken mußten. Anfangs war es feucht und schlüpfrig gewesen, bald aber heiß und trocken geworden, und nun fühlte ich plötzlich, während sie seufzende und unartikulierte Töne ausstieß, meine Hand über und über mit einer heißen Flüssigkeit benetzt, von der ich schloß, daß sie wohl dasselbe sein müsse, was ich bei meinem Cousin gesehen. – Gleich darauf hörte ihre Bewegung auf, und sie lag schwer atmend ganz still neben mir.

Es war mir gelungen! Zufall und Schlauheit hatten mir geholfen, eine Vertraulichkeit herzustellen, die nun jedenfalls weiterführen mußte. Als sie wieder zu sich kam, war sie offenbar verlegen, wie sie mir ihr Benehmen erklären, ihre Wollust verbergen sollte, denn nach meiner Regungslosigkeit mußte sie schließen, daß ich noch ganz unwissend sei. Unzweifelhaft überlegte sie, was sie tun und sagen solle, um den Vorgang unschädlich für ihre Stellung im Hause des Onkels zu machen und mich über den eigentlichen Charakter des Schmerzes zu täuschen, den sie gefühlt. Auch ich überlegte, was nun das Beste sei, ob ich mich ganz unwissend stellen sollte oder nur die Neugierde meine Entschuldigung übernehmen lassen sollte. Tat ich das erstere, so konnte sie mir Falsches er zählen, mir irgend etwas aufbinden, was ich dann glauben mußte, wenn ich mich nicht verraten wollte, noch mehr Lust als Neugier für die Sache zu haben. So entschloß ich mich, offen zu sein und nur zu verheimlichen, daß keineswegs der Zufall, sondern meine Berechnung die neue Lage [37] herbeigeführt, in der wir uns befanden. Als Marguerite wieder ganz zu sich gekommen war, schien sie zu bereuen, daß sie sich so ganz ihrem Temperamente überlassen und daß ich sie verraten könnte. Ich beruhigte sie aber bald darüber, indem ich ihr nach und nach alles erzählte, was ich seit dem Tage vorher alles gesehen, und sie bat, mir zu erklären, was das eigentlich sei, da auch ihr Seufzen, ihre Bewegungen und die sonderbare Feuchtigkeit, mit der sie meine Hand überströmt, mir bewiesen, daß sie wohl damit bekannt sei. Nur verschwieg ich ihr, daß ich auch sie belauscht und recht gut wisse, was sie im Stillen treibe, weil ich mich überzeugen wollte, ob sie ganz aufrichtig gegen mich sein würde. Meine neugierigen Fragen schienen ihr eine schwere Last vom Herzen zu nehmen. Sie fühlte sich wieder in ihrem richtigen Verhältnisse als älteres Mädchen gegen eine Unerfahrene, und als ich ihr alles gestand und umständlich erzählte, mit welcher Leidenschaft sich meine Mutter benommen, so schämte sie sich auch nicht mehr vor mir und gestand mir ein, daß sie nächst ihrer Religion nichts Wichtigeres und Schöneres kenne auf Erden als den Genuß, mit welchem die Natur alles ausgestattet und umgeben, was Bezug auf die sinnliche Liebe hat. Ich erfuhr nun alles, und wenn Sie in meinen späteren Schilderungen und Betrachtungen einige Philosophie und Menschenkenntnis finden, so verdanke ich die erste Grundlage dazu der Belehrung meiner lieben Marguerite, die gerade in dieser Beziehung reiche Erfahrungen gemacht hatte.

Ich erfuhr genau, wie die Natur beide Geschlechter gestaltet, wie die Vereinigung geschieht, durch welche kostbaren Säfte der Zweck der Natur – die Fortpflanzung des Menschengeschlechts – und der Zweck der meisten Menschen – das höchste irdische Vergnügen – erreicht wird; – warum die menschlichen [38] Einrichtungen alle diese Dinge mit einem sorgfältig bewachten Geheimnisse umgeben; – wie bei der Gefahr, die in der unbeschränkten Vereinigung liegt, bei der Geschlechter sich wenigstens eine annähernde Befriedigung ihres natürlichen Triebes verschaffen können, und welche Folgen es hat, wenn ein Mädchen sich rücksichtslos diesem Trieb überlassen wollte. Wozu ich ihr eben noch durch meine unerfahrene Hand verholfen und was ich bei meinem Cousin belauscht, sei eine solche annähernde Befriedigung gewesen, und obgleich sie die vollen Freuden der Liebe in den Armen eines jungen und schönen Mannes in ihrer ganzen Stärke kennengelernt, so sei sie doch mit dem beschränkten Genüsse durch sich selbst zufrieden, da sie durch die Geburt eines Kindes auch die für eine Unverheiratete traurigen Folgen der ganzen Hingebung an einen Mann erkannt. Auch mich warnte sie auf das Eindringlichste davor. Mit Vorsicht und Selbstbeherrschung könne man vieler Freuden teilhaftig werden, das bewies sie mir durch die Erzählung dessen, was sie selbst erlebt und erfahren, und es war so interessant, zugleich aber auch so belehrend und maßgebend bis zu meinem dreißigsten Jahre, daß ihre Erzählungen in meinem nächsten Briefe eine ausführliche Stelle finden sollen. In vielen Dingen sagte Marguerite mir nur, was ich mir selbst schon kombiniert; in andern aber doch Neues und Überraschendes.

Das war nun alles recht schön und gut, aber es war doch immer nicht die Sache selbst. Ich brannte nun auch, selbst die Empfindungen kennenzulernen und zu teilen, von denen ich jetzt schon vier so ganz verschiedene Menschen bis zur Ohnmacht berauscht gesehen. Während Marguerite sprach, hatte ich keinen Augenblick die Hand von der Stelle fortgelassen, die bei ihr so überaus wollüstig war. Ich hatte in den krausen Haaren gespielt, so oft sie recht lebhaft [39] schilderte, die Lefzen zärtlich gedrückt und ihr deutlich genug zu verstehen gegeben, daß zur vollständigen Belehrung mir nun auch noch die Praxis fehle. Als sie mir schilderte, was sie empfunden, als sie sich zum ersten Male dem jungen Manne hingegeben, der sie später durch fortgesetzten Umgang zur Mutter gemacht, als sie mir deutlich machen wollte, welch ein himmlisches Gefühl es sei, wenn man jenes wunderbare Glied in seiner ganzen Kraft und seinem Feuer nach und nach in sich eindringen fühle, wenn man fast in einander verschmelze, wenn endlich jener so beruhigende Balsam gleichzeitig aus dem tiefsten Innern beider Liebenden hervorsprudelt, – da fühlte ich recht gut, wie sie wieder warm dabei wurde, wie es in meiner Hand zuckte und schwoll, wie sie unwillkürlich ihre Schenkel über meiner Hand zusammendrückte. Nun dachte ich, wäre es Zeit, ihr die Erinnerung daran noch lebhafter zu vergegenwärtigen, und als sie eben sagte: »Das muß man selbst gefühlt haben, um es zu verstehen!« fuhr ich mit dem Finger so tief ich konnte in die ganz offenstehende und erwartende Spalte, worauf ein tiefer Seufzer augenblicklich ihr Sprechen unterbrach. – Einige Male rieb ich mit größter Heftigkeit die aufgequollenen und sich fast an meine Hände ansaugenden Lefzen auf und nieder, dann aber hielt ich plötzlich inne und sagte: »Wenn ich aber fortfahren soll, dann müssen Sie mir auch einen Vorgeschmack von dem verschaffen, was ich einst zu erwarten habe und was Sie so schön beschreiben!« Wie der Blitz war ihr Finger an meiner kleinen aufrührerischen Öffnung, und aus dem Feuer ihrer Küsse, die mir den Mund verstopften, merkte ich, daß ich ihr mit meinem Verlangen die größte Freude gemacht hatte. Sie zog meinen Finger aus ihrem Körper, fuhr tief mit dem ihrigen hinein, um ihn anzufeuchten und kam dann wieder zu mir, wo sie nun [40] einzudringen versuchte. Das ging aber nicht; so weit ich auch meine Schenkel auseinanderspreizte, so sehr ich ihr auch durch Entgegendrängen zu Hilfe kam. Ganz traurig sagte sie: »Es geht nicht, mein liebes hübsches Paulinchen! Dein Schoß ist noch verschlossen! Aber ganz leer sollst du doch nicht ausgehen. Komm', setze dich über mich, so daß mein Mund gerade an deine wunderniedliche Liebesmuschel kommt. Ich werde versuchen, ob dir meine Zunge das ersetzen kann, was deine Jungfernschaft dir noch versagt.« Das hatte mein Vater der Mutter auch getan. Ich ließ mich also nicht lange bitten, setzte mich rittlings über sie, so daß ihr Kopf gerade zwischen meine Schenkel zu liegen kam. Kaum konnte sie mich erreichen, so fühlte ich die Spitze ihrer Zunge auch schon an der Stelle, wo mir das versuchte Eindringen ihres Fingers wehe getan hatte. Aber welch eine andere Empfindung war das gegen alles, was ich bisher versucht hatte! Mit den ersten Berührungen der schlüpfrigen, gespitzten und dadurch harten Zunge Margueritens kam ein so wonnevolles Gefühl über mich, daß ich gar nicht wußte, wie mir geschah. Wegen der Hitze hatten wir längst die Decken abgeworfen und unsere nackten Körper lagen dicht übereinander. Ich stützte mich vornübergebeugt auf die linke Hand, während die rechte anfing, ihr vorhin so plötzlich unterbrochenes Spiel tief in ihrer Muschel – so hatte sie es ja genannt – fortzusetzen. Schon die erste unvollkommene Ahnung der Wollust, die mich in reiferen Jahren erwartete, erfüllte mich mit ganz unnennbaren Gefühlen. Sie fuhr mit der Zunge auf und nieder, kitzelte oben, saugte unten, lutschte an den Lippen, schlürfte an jedem kleinen Fältchen, küßte dann feurig das Ganze, benetzte das Innere mit Speichel und war dann gleich mit der Zunge wieder an dem eigentlichen Eingange, wo sie mir einen unbeschreiblich heftigen, [41] aber auch süßen Kitzel verursachte. Ich fühlte, daß etwas Wunderbares, nie Gekanntes in mir vorging, daß meine Säfte einer Entladung entgegendrängten, daß ich trotz meiner Jugend auch schon zu den höchsten Empfindungen berechtigt sei. Was ich empfand, wollte ich wiedergeben und der Freudenbringerin unter mir vergelten, was sie mir tat. Mit einer förmlichen Wut stieß ich erst zwei, dann drei Finger, dann die ganze, damals noch so schmale Hand tief in die feuchte Grotte, welche jedem Stoße nachgab, ja ihn verschlang. Wir gerieten beide ganz außer uns, alle Sinne waren nur auf einen Moment gedrängt und – wie selten hatte ich das später erlebt! – in demselben Augenblicke, wo ich fühlte, daß mein Inneres von einer warmen Feuchtigkeit überströmt wurde, schoß ein solcher Strahl ihres Lebenssaftes über meine Hand, daß ich alle Besinnung verlor, auf das bebende Mädchen niedersank und gar nicht wußte, was mit mir vorging.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich vorsichtig zugedeckt neben Margueriten, die mich mit rührender Zärtlichkeit liebkoste. Bis dahin nur Feuer und Sehnsucht, war ich mir plötzlich bewußt, doch wohl etwas Unrechtes getan zu haben. Eine außerordentliche Mattigkeit lag in allen meinen Gliedern, und obgleich ich fühlte, daß eine lindernde Feuchtigkeit herabfloß, empfand ich doch ein heftiges Brennen an den Teilen, die Marguerite vorhin so reizend geliebkost. Mir war zu Mute, als habe ich ein Verbrechen begangen, und ohne daß ich es wollte, fing ich bitterlich zu weinen an. Marguerite mochte wohl wissen, daß in solchen Fällen nicht viel mit einem jungen, unerfahrenen Dinge anzufangen sei, sagte kein Wort, drückte mein Gesicht auf ihren Busen, ließ mich ruhig ausweinen und dann einschlafen.

Durch diese für mein ganzes Leben entscheidende Nacht war mein ganzes Wesen verändert worden, so[42] daß es meinen Eltern bei meiner Rückkehr in die Stadt auffiel und dieselben verwundert nach der Veranlassung fragten. Mein Verhältnis zu Margueriten war ebenfalls ein eigentümliches geworden. Bei Tage fremd, so daß wir uns kaum gegenseitig ansehen konnten, bei Nacht die ausgelassenste Vertraulichkeit, die lüsternsten Gespräche, die wollüstigen Liebkosungen. Ich versprach ihr eben so hoch und teuer, mich nie dazu verführen lassen zu wollen, daß ein Mann jenen gefährlichen Saft in mich ausgieße, als ich ihr erklärte, ich wolle alles genießen, was sich ohne Gefahr genießen ließe. Wenige Tage hatten hingereicht, mich zu dem zu machen, was ich noch jetzt bin und was Sie so oft an mir bewundert haben. Ich hatte gesehen, daß alle Welt um mich her sich verstellte, auch die besten, achtungswertesten Menschen, und daß sogar Marguerite, die sich doch ganz in meine Hände gegeben, mir nichts von jenem Instrumente erzählte, oder es mir zeigte, welches doch noch mehr Vergnügen machen mußte, als Zunge oder Hand, da es ja die Hauptsache, jenen Erguß, nach dem meine ganze Seele verlangte, verschaffen konnte. Teils weil ich Margueriten nicht in Verlegenheit setzen wollte, teils weil mich der Gedanke reizte, meiner Schlauheit mehr als dem guten Willen anderer zu verdanken, ließ mich meine unbezähmbare Neugier auf die Idee kommen, den Schlüssel zu dem Schranke in meine Gewalt zu bekommen, ehe ich nach der Stadt zurück mußte. Fünf Tage lang war alle meine List vergebens, dann aber gelang es mir, den Schlüssel zu erhaschen, und ich benutzte die Stunde, wo Marguerite meiner Cousine unten in Gegenwart der Mutter Unterricht geben mußte, um meine Neugierde zu befriedigen. Da hatte ich nun das seltsame Ding in der Hand, besah und befühlte es von allen Seiten, prüfte seine Elastizität; aber es war so kalt, so hart. Ich versuchte mit seiner Spitze [43] an die Stelle zu dringen, wo ich es bei Margueriten fast ganz hatte versinken sehen. Aber vergebens. Davon hatte ich kein Vergnügen, sondern nur Schmerz zu erwarten. Warme Milch konnte ich ohne Aufsehen zu erregen in jener Stunde nicht bekommen; ich mußte mich also begnügen, das Instrument in meinen Händen zu erwärmen. Fest war ich entschlossen, mir den Eingang zu den Freuden zu eröffnen, die ich bis jetzt nur bei anderen in so überwältigender Kraft gesehen, selbst aber nur erst ahnen gelernt. Marguerite hatte mich ja so vollständig unterrichtet, daß die Eröffnung jener geheimnisvollen Bahn zu den höchsten Entzückungen auch in den Armen eines Mannes mit Schmerz verbunden wäre und daß sich bei vielen Frauen erst nach jahrelang fortgesetzter Hingabe an die Zärtlichkeit eines Mannes die volle Empfindung für diese Genüsse einzustellen pflegt. Ich wußte nicht, aber ich konnte mir denken, was ich entbehren mußte, weil ich nicht eindringen konnte, wohin ich mich sehnte und dachte, wenn doch der Schmerz nicht zu ersparen ist, so wollte ich ihn lieber jetzt als später ausstehen. So versuchte ich es denn. Während ich das Instrument noch immer in meinem Busen wärmte, bereitete ich durch die benetzten Finger mein Spältchen auf den unbescheidenen Gast vor und überzeugte mich, daß die vier Nächte, die ich mit meiner Lehrerin zugebracht, schon eine wesentliche Veränderung bewirkt. Ich konnte mit dem kleinen Finger beinahe bis zur Hälfte hinein, fühlte aber deutlich, wie ein Muskel sich fest um den Finger schloß. Diesen mußte ich zur Nachgiebigkeit zwingen, das war mir klar. Marguerite hatte Öl angewendet, also ließ auch ich es daran nicht fehlen, setzte die Spitze genau auf die noch kaum bemerkbare Öffnung, drückte, bohrte und drehte so lange, bis daß der sonderbar geformte Kopf hinein war. Wirklich tat es mir sehr weh! Die Lippen [44] brannten wie Feuer, aber meine Phantasie war nun nachgerade zu solcher Spannung hinaufgeschraubt, daß ich den Schmerz verbiß und niederdrückte. Endlich fühlte ich deutlich, daß etwas zerriß und daß etwas Heißes herausspritzte. Wie ich hinsah, bemerkte ich zu meinem größten Schrecken Blut und daß wirklich das Instrument wenigsten einen Finger lang in der Öffnung steckte. Aber keine Spur von einem so angenehmen Gefühl, wie Marguerite es mir verschafft. Auch das Herausziehen des bösen Gastes war schmerzlich und ich war ganz trostlos über das Erfahrene. Sorgfältig wischte ich das Blut ab, wusch mich wiederholt, fühlte aber den ganzen Tag noch das Brennen und den Schmerz einer Verwundung. Vollkommen enttäuscht schloß ich das Instrument wieder in seinem Versteck ein und war unzufrieden mit mir und Marguerite, daß sie mir nicht geholfen, daß ich etwas hinter ihrem Rücken getan.

Nach so vielen angenehmen Erfahrungen war dies auch wieder einmal eine angenehme. Ich fürchtete mich vor der nächsten Nacht, Margueritens Zärtlichkeit und der Entdeckung, die sie dann machen mußte. Hatte ich sie schon einmal getäuscht, so kostete mich das zweite Mal um so weniger Überwindung. Rasch war ich mit einem Vorwande bei der Hand. Nach Tische vertraute ich ihr, daß ich im Garten von einer Leiter gefallen sei, mir beim Ausgleiten des einen Beins sehr wehe getan, sogar geblutet habe. Beim zu Bette gehen untersuchte sie, und weit entfernt, die Veranlassung zu ahnen, bestätigte sie mir, daß jener unglückliche Fall mich um meine Jungfrauenschaft gebracht, bedauerte aber nicht mich, sondern meinen künftigen Mann, der dadurch um den Genuß meiner Erstlinge gebracht sei. Das war mir damals sehr gleichgültig und ist mir auch später sehr gleichgültig geblieben! Aus Schonung für mich [45] litt Marguerite es nicht, daß ich in dieser Nacht zu ihr in das Bett kam, was mir auch sehr willkommen war. Sie legte mir Goldcreme auf, was mir so wohl tat, daß ich schon am andern Morgen nichts mehr fühlte. Für die kurze Entbehrung entschädigten mich aber die beiden letzten Nächte, die ich auf dem Gute meines Onkels zubrachte, desto vollständiger. Zum ersten Male lernte ich die ganze Gewalt der Wollust kennen, die das Eindringen eines fremden, warmen, lebendigen Körpers in das Innere eines Weibes hervorbringt. Zum ersten Male ergossen sich die Quellen des Vergnügens so erschöpfend, daß mir kein Wunsch mehr übrig blieb und die Befriedigung in einem langen, unbeschreiblich süßen Ermatten und Hinbrüten kund gab.

Und das alles schon mit 14 Jahren, bei noch nicht vollkommen reifem Körper! Ja, und was noch mehr ist, es hat mir weder an der Gesundheit geschadet, noch meinem späteren recht genußreichen Leben irgendeinen Reiz verkümmert. Dazu gehört nun allerdings ein so früh entwickelter fester Charakter, wie der meinige. An meinem Cousin hatte ich die Erschlaffung kennen und fürchten gelernt, die einem zu häufigen Selbstgenusse folgt. Mein scharfer Verstand ließ mich jedes Übermaß vermeiden. Immer berechnete ich die Folgen, die entstehen können, und nur einmal in meinem Leben hat mich die Besinnung und Überlegung verlassen. Schon früh wurde mir die Erkenntnis, daß es nach den Gesetzen, welche die menschliche Gesellschaft sich nun einmal gegeben, nur darauf ankommt, mit Vorsicht zu genießen, wenn man ohne Nachteil für sich und andere genießen will. Wer mit starrem Kopfe gegen diese notwendigen Gesetze anstürmen will, zerschellt an ihnen und erntet lange Reue für kurze Befriedigung. Das Glück führte mich allerdings bei meinen ersten Schritten in die Hände eines erfahrenen und gebildeten [46] Mädchens. Hätte ein junger Mann in meiner Nähe gelebt, der sich um mich bemüht, so würde ich bei meinem Temperament und meiner Neugier wahrscheinlich sehr bald ein verlorenes Geschöpf gewesen sein. Daß ich es nicht wurde, verdanke ich den Umständen, unter denen ich die erste Belehrung über Dinge empfing, die sehr viel weniger reizend wären, wenn sie nicht verschleiert würden. Und doch sind sie der Mittelpunkt alles menschlichen Strebens und Seins. Das weiß ich jetzt, während ich es damals nur fühlte und mit dem Takte, den wir Frauen nun einmal vor den Männern voraushaben, ganz richtig ahnte.

Ehe ich in meinem nächsten Briefe weiter gehe, bemerke ich nur noch, daß ich wenige Wochen nach meiner Bekanntschaft mit Marguerite zum ersten Male die Zeichen eines vollständig entwickelten Körpers an mir sah.

3.

[47] III

Selten mögen zwei weibliche Wesen in ihrer Entwicklung, in ihren Neigungen und sogar in ihren Schicksalen sich so ähnlich gewesen sein, als Marguerite und ich! Als sie mich damals vor der unbegrenzten Hingabe an einen Mann, anders als in der Ehe, warnte, und mir eindringlich die Folgen vorstellte, die ein solches Vergessen der allerersten Lebensregel oft für das ganze Lebensglück eines Mädchens haben, dachte ich freilich nicht, daß auch für mich einst ein solcher Augenblick des Vergessens kommen würde. Ehe ich aber fortfahre, muß ich zusammenstellen, was ich sowohl in jenen ersten Nächten auf dem Gute meines Onkels, als späterhin im vertrauten Umgange mit Marguerite erfahren. Es erklärt vielleicht besser, als ich es selbst vermag, so manche Erscheinung – vielleicht Verirrung meines späteren Lebens.

In Lausanne geboren und sehr gut erzogen, verwaiste Marguerite schon im 17. Jahre. Im Besitze eines kleinen Vermögens glaubte sie sich bei mäßigen Ansprüchen gesichert, hatte aber das Unglück, in die Hände eines gewissenlosen Vormundes zu fallen, der sie nicht nur allzu sehr mit der größten Strenge behandelte, sondern sie später auch um ihr kleines Kapital brachte. – Bald nach dem Tode ihrer Eltern brachte der Vormund sie in den Dienst einer sehr reichen Baronin aus Wien, die auf einem schönen Landgute bei Morges am Genfer See lebte. – Ihr Dienst beschränkte sich fast ausschließlich auf die Toilette der Baronin, die sie mir als die eleganteste und raffinierteste schilderte. Stundenlang brachte ihre ungefähr dreißigjährige Herrin damit zu. In den ersten Tagen ihres Dienstes fühlte sich Marguerite etwas fremd behandelt; nach und nach gestaltete sich aber das Verhältnis sehr angenehm. Die Baronin [48] fragte sie nach allen Richtungen hin aus. Ob sie schon einen Liebhaber gehabt? und als sie sich überzeugt, daß Marguerite noch ganz unschuldig sei, wurde sie viel zutraulicher und nach ungefähr vierzehn Tagen fragte sie, ob Marguerite sich auch auf die Toilette »de la Motte« verstünde? Da Marguerite recht gut verstand, was in der französischen Schweiz »la Motte« genannt wird, so sagte sie errötend: »Nein!« Nun meinte die Baronin, daß sie das notwendig in ihrem Dienst erlernen müsse, wenn sie ihre Vorgängerin ersetzen und auf die Dauer ihr Vertrauen gewinnen wolle; setzte sich auf das Kanapee, die Füße auf zwei Stuhllehnen, so daß die Schenkel ganz geöffnet waren, gab ihr einen Kamm von Schildpatt, der eben so weich als fein war, und zeigte ihr, wie sie frisiert sein wollte.

Marguerite sah hier zum ersten Male ganz unverhüllt vor sich, was sie an sich noch nicht so deutlich gesehen hatte. Mit einem seltsamen Gemisch von Gefühlen begann sie das Kämmen, anfangs ungeschickt, bald aber nach Anweisung der Baronin immer geschickter. Da die Baronin eine sehr hübsche Frau, eine Blondine und von sehr schönem Teint war, auch kurz vorher auf dem Bidet den ganzen Unterleib auf das sorgfältigste gebadet hatte, so bot diese eigentümliche Toilette »de la Motte« weder einen unangenehmen Anblick, noch war sie widrig. Marguerite beschrieb mir auf das Ausführlichste und mit einer gewissen Verliebtheit den Bau ihrer Baronin und gestand mir, daß sie anfangs zwar sehr verschämt dabei gewesen sei, bei einigen Wiederholungen sich aber schon darauf gefreut, namentlich als sie bemerkt, daß das Kämmen weniger eine Toilette, als ein Vergnügen für die Baronin sei, da sie manchmal dabei seufzte, die Schenkel und Hüften bewegte und die anfangs gewöhnlich ganz geschlossene Öffnung sich spaltete, die Lippen sich röteten [49] und der etwas hervorstehende, wie ein Ohrläppchen geformte Teil in eine zitternde Bewegung geriet. Natürlich versuchte Marguerite, als sie auf ihrem Zimmer allein war, an sich selbst das Gesehene. Noch ganz unerfahren, fühlte sie doch, daß die Natur in diesem Fleck des weiblichen Körpers eine Quelle unerschöpflichen Vergnügens versenkt und bald mußte die Hand vollenden, was der Schildpatt-Kamm begonnen. Schlau, wie jedes Mädchen in diesen Jahren und in diesem Punkte, berechnete sie, daß wohl auch die Baronin mehr wünsche, als die bloße Einleitung, aber es nicht von ihr verlangen wolle. Sie sollte sich sehr bald überzeugen, daß wo Lust von beiden Seiten vorhanden und die Gelegenheit günstig ist, die Verständigung endlich erfolgen muß.

Und doch fand mehrere Wochen lang ein gegenseitiges Täuschen und Verheimlichen des Wunsches statt. Jede wollte, saß die andere den ersten Schritt tun sollte, jede wollte die Überredete, die Nachgebende sein. Endlich trat der Kamm seine Herrschaft an die Hand ab und kaum war die erste Probe gemacht, so warf die Baronin jede Maske der Zurückhaltung ab und zeigte sich ganz als das, was sie war, ein lüsternes, begehrliches, wollüstiges Weib, von quälenden Fesseln eingeengt, aber entschlossen, sich auf jede mögliche Art des Zwanges zu entledigen. Sie war an einen Mann verheiratet, der früh vom Leben entnervt, nur in den ersten Jahren der Ehe ihr gegenüber ein wirklicher Mann gewesen war. Aber selbst in dieser Zeit hatte er wohl Begierden erwecken, sie aber nicht befriedigen können. Wie bei vielen, vielleicht bei den meisten Frauen, hatte sich das Mitgefühl bei den Freuden der Liebe erst spät eingefunden. War es körperliche Schwäche oder Folge des früheren ausschweifenden Genusses bei ihm, kurz, er hatte gewöhnlich geendet, ehe sie noch begonnen, so daß eine verzehrende Sehnsucht bei [50] ihr an die Stelle der natürlichen Befriedigung trat. Schon seit zwei Jahren lebte er in einer diplomatischen Stellung in Paris, und hatte seine Frau, wahrscheinlich in dem Gefühl der endlich eingetretenen vollständigen Unfähigkeit, an den Genfer See gebracht, wo sie höchst elegant und glänzend, aber sehr einsam lebte. – Marguerite bemerkte sehr wohl, daß eine Art von Haushofmeister, ein alter, verdrießlicher Mann als Aufpasser angestellt sei, der alles, was er sah und hörte, nach Paris berichten mußte. In den Familienverhältnissen der Baronin mußte es wohl liegen, daß sie mit äußerster Sorgfalt jeden männlichen Umgang vermied, so daß niemand im Hause oder in der Nachbarschaft etwas von dem ahnte, was Marguerite später von den geheimen Genüssen ihrer Herrin erfuhr. Anfangs schien es, als ließe sie sich an den Vertraulichkeiten mit ihrer Gesellschafterin vollkommen genügen. Als beide erst keine Scheu vor einander mehr hatten, fanden entweder morgens beim Aufstehen oder abends beim zu Bette gehen die ausgelassensten Szenen zwischen der Herrin und Dienerin statt, ohne daß während des Tages die erstere das geringste in ihrer Stellung gegen die letztere vergab.

Waren die Spielereien zuerst nur einseitig gewesen, so wurden sie bald gegenseitig; Marguerite mußte völlig entkleidet zu ihr in das Bett kommen und Marguerite brauchte mir nicht zu erzählen, was sie zusammen trieben, hatte ich es doch selbst an mir erfahren. Nur hatte sie dort meine Rolle gespielt. Die Baronin soll ganz unerschöpflich in neuen Erfindungen gewesen sein und wußte den Berührungen zweier weiblicher Körper immer neue Reize abzugewinnen. Marguerite schilderte mir diese Zeit als die glücklichste, sorgloseste und genußreichste ihres Lebens.

Allwöchentlich fuhr die Baronin nach Genf, um dort Besuche und Einkäufe zu machen usw. Jedesmal[51] ging der Haushofmeister mit und auch Marguerite wurde, als jenes vertrauliche Verhältnis sich erst befestigt hatte, mitgenommen. – In einem der ersten Hotels hatte der Haushofmeister ein Abkommen mit dem Wirte treffen müssen, so daß die Baronin immer dieselben Zimmer bekam. Ein Schlaf- und Wohnzimmer für sie, daneben ein kleines Zimmer für Marguerite und neben diesem eines für den Haushofmeister. Aus jedem dieser Zimmer ging eine Tür auf den Korridor, die Verbindungstüren zwischen den Zimmern selbst waren verschlossen und Möbel davorgestellt. Kaum hatte Marguerite nur einige Male diese Reisen nach Genf mitgemacht, so bemerkte sie auch, daß etwas dort vorgehe, was die Baronin ihr verheimliche. Erstens fand weder abends noch morgens eine Toilette in gewohnter Art, noch irgendeine weibliche Vertraulichkeit statt; zweitens war die Baronin sonderbar ängstlich und unruhig, und drittens bemerkte sie an dem Bett und an dem Nachtkleide der Baronin deutliche Zeichen, daß sie in der Nacht nicht allein gewesen sei, nicht geschlafen haben konnte. Das Bett war in ganz ungewöhnlicher Unordnung. Stühle standen anders, als sie am Abend vorher gestanden hatten, und noch viel unzweideutigere Spuren fanden sich in der Nachtkleidung der Baronin. Mit einer Art von Eifersucht bewachte sie jeden Schritt, den die Baronin tat, jeden Brief, der ankam, jede Botschaft, die gebracht wurde, jede Visite, die empfangen wurde. Aber es war nichts zu entdecken! Und doch mehrten sich mit jeder Reise die Anzeichen, daß die Baronin in der Nacht nicht allein war. Vergebens horchte sie von ihrem Zimmer aus, ob sie etwas wahrnehmen könne. Die Baronin verschloß nicht allein die Tür des Wohnzimmers nach dem Korridor, sondern auch die Tür, welche aus dem Wohnzimmer in das Schlafzimmer führte. Ein Lauschen an der verschlossenen Tür, welche von [52] dem Schlafzimmer auf den Korridor führte, wäre gar nicht möglich gewesen, weil fortwährend Reisende und Dienerschaft in dem Korridor verkehrten. Ebenfalls vergebens blieb Marguerite die halbe Nacht an ihrer offenen Tür stehen, um zu sehen, ob jemand vom Korridor aus in die Zimmer der Baronin träte. Diese Ungewißheit und dieses Lauschen dauerte mehrere Monate, bis endlich der Zufall eine Aufklärung brachte. – In einer Nacht entstand plötzlich Feuer, ganz in der Nähe des Hotels. Der Wirt ließ an alle Türen anpochen, um seine Gäste zu wecken und von der nahen Gefahr in Kenntnis zu setzen, und Marguerite eilte so rasch als möglich an die Tür der Baronin, pochte heftig an und wurde von der zu Tode erschrockenen Baronin eingelassen. Der Feuerschein, welcher in die Fenster schlug, hatte die Baronin so aller Fassung beraubt, daß sie am ganzen Körper zitterte und nur unzusammenhängende Worte sprechen konnte. – Mit einem Blicke übersah Marguerite das Schlafzimmer und hatte nun die langgesuchte Erklärung gefunden. Der Schrank, welcher vor der Türe stand, die in das danebenliegende Gastzimmer führte, war abgerückt, so daß jemand hatte bequem hindurch gehen können. Vor dem Bett lag auf einem Stuhl eine Weste, auf dem Nachttische eine Uhr mit Berloques, so daß kein Zweifel übrig blieb. – Die Baronin sah recht gut, daß Marguerite das alles bemerkte, war aber so erschrocken, daß sie nichts sagte. Schnell packte Marguerite alle Toilettengegenstände zusammen, um schnell fliehen zu können und bemerkte bei dieser Gelegenheit auch eine kleine, sonderbar geformte Blase, die offenbar schon gebraucht war. Als die Baronin etwas Fassung gewonnen, nahm sie gleich jenen Gegenstand aus dem Bette fort, wickelte ihn in ihr Schnupftuch und wollte also ersichtlich etwas vor ihrer Vertrauten verbergen. – Das Feuer wurde gelöscht und der [53] Vorgang brachte vor der Hand keine Veränderung in den Verhältnissen Margueritens zur Baronin hervor. Noch ehe sie aber am andern Morgen Genf verlassen hatten, wußte Marguerite bereits von der Hoteldienerschaft, daß in dem Zimmer neben der Baronin ein junger, russischer Graf wohne. Die Zimmer lagen gerade da, wo der Korridor eine Biegung machte, so daß der Graf bei sich aus-und eingehen konnte, ohne an den Türen zu den Zimmern der Baronin bemerkt zu werden, weil er eine Treppe im Seitenflügel benutzen konnte. Jetzt war ihr alles klar. Zwischen dem russischen Grafen und ihrer Baronin bestand ein so vertrautes Verhältnis, und es kränkte sie, daß ihr das bisher verborgen geblieben war. Desto fester stand aber der Entschluß bei ihr, Mitwisserin des Geheimnisses zu werden. Auf der Rückfahrt nach Morges bemerkte sie auch, daß die Baronin an einer einsamen Stelle des Weges etwas aus ihrem Schnupftuche nahm und verstohlen aus dem Wagen warf. – Nach Morges zurückgekommen, trat das gewöhnliche Verhältnis wieder ein, obgleich die Baronin ersichtlich mit sich kämpfte, ob sie Margueriten in ihr Vertrauen ziehen solle, denn daß diese schon mehr wußte, als ihr lieb war, hatte sie sehr bald erkannt. – Es kam aber zu keinem Aussprechen zwischen den beiden Frauen. Bei der nächsten Fahrt nach Genf brachte Marguerite jede Minute, die sie frei hatte, auf dem Korridor des Hotels zu und begegnete mehrere Male dem jungen Russen, einem sehr hübschen, eleganten Mann, der sie schon beim zweiten Begegnen auf der Seitentreppe besonders freundlich ansah und beim dritten sich in ein Gespräch mit ihr einließ. Als er erfuhr daß sie die Kammerjungfer einer im Hotel wohnenden Dame sei – Marguerite hütete sich wohl, den Namen derselben zu nennen – machte er nicht viel Umstände und fragte, ob sie ihn wohl besuchen wolle? [54] – Nur aus Neugier und ohne alle anderen Absichten – so hat sie mir wenigstens wiederholt auf das treuherzigste versichert – sagte sie nach einigen Weigerungen und kaum die Folgen bedenkend zu! Da gerade niemand auf dem Korridor war, so zog er sie auf sein Zimmer, küßte sie, befühlte ihren Busen und wußte trotz ihres Sträubens sich auch anderwärts zu überzeugen, daß er ein blühendes, wohlgebautes Mädchen in seinen Armen hielt. Während seine Hand auf das angenehmste beschäftigt war, sah sich Marguerite überall nach der Gelegenheit um, bemerkte im zweiten Zimmer die Tür, welche zum Schlafzimmer der Baronin führte, und hatte nun auch ihren Plan fertig. Der Graf wollte zwar sofort Ernst machen, stieß aber auf Widerstand und schien auch ganz zufrieden, als sie versprach, in der Nacht, wenn ihre Herrschaft schliefe, zu ihm kommen zu wollen. Das könne aber erst nach Mitternacht sein, wenn auf dem Korridor alles dunkel wäre. Er schien zu überlegen – und Marguerite freute sich nicht wenig, daß sie wußte, was er überlegte – die neue Bekanntschaft schien aber doch das Bedenken zu besiegen und sie wurden einig, daß sie nur um 1 Uhr kommen solle, er wolle dann seine Tür offen halten. Damit wäre ihr aber nicht gedient gewesen. Sie verlangte daher den Schlüssel, damit sie den rechten Augenblick abpassen könne, und erhielt ihn. Sie triumphierte nicht wenig über ihre Schlauheit und überdachte nun ihren Plan nach allen Seiten. Schon um 10 Uhr hatte die Baronin Nachttoilette gemacht, Marguerite entlassen und wieder vorsichtig hinter ihr beide Türen verschlossen. Statt aber in ihr Zimmer zu gehen, stellte sie sich auf dem Korridor an die Tür zum Schlafzimmer der Baronin und horchte aufmerksam auf alles, was darin vorging. Es dauerte denn auch nicht lange, so hörte sie die Baronin ein Liedchen trillern, was sie sonst nicht[55] tat, dann ein leises Pochen, Abrücken eines schweren Möbels und das kaum hörbare öffnen einer Tür. Nun wußte sie, daß er bei ihr war und eilte zur Tür in die Biegung des Korridors, die zu dem Zimmer führte, in dem sie heute schon gewesen war, überzeugte sich, daß niemand sie sehen konnte, schloß so leise als möglich auf und befand sich am Ziele ihrer Wünsche. Im zweiten Zimmer sah sie einen Lichtschein auf den Boden fallen. Er kam aus der Verbindungstür, die so weit offen stand, als es der halb zurückgeschobene Schrank erlaubte. Rasch zog sie die Schuhe aus und schlich sich an die Tür, von wo sie alles mit der größten Bequemlichkeit übersehen konnte, was im Schlafzimmer der Baronin vorging. Halb lag, halb saß sie auf ihrem Bett in den Armen des Grafen, der ihren Mund mit Küssen bedeckte, während die Hand bald auf den Hüften und Schenkeln, endlich aber zwischen diesen ruhte und von der Baronin jedes Entgegenkommen und Erwidern fand. Eine so hübsche Frau die Baronin auch war, so hatten ihre Reize doch diesmal keinen Reiz für sie, dagegen war Marguerite desto gespannter auf das, was sie noch nicht kannte. Auch damit sollte es nicht lange dauern. Der Graf entkleidete sich rasch und nicht zu seinem Nachteil, denn er war ebenso schön als kräftig gebaut. Hier sah Marguerite zuerst, was wir Frauen wohl fühlen, aber nicht aussprechen sollen. Wie erstaunte sie aber, als die Baronin den stolzen Feind nach vielem Küssen und Liebkosen in ein Etwas einsperrte, das sie aus einem Etwas auf dem Nachttische nahm. Es war eine weiche, weiße, mit einem roten Bändchen verzierte Blase – jene Erfindung des berühmten französischen Arztes Condom – welche sie mit tausend Liebkosungen und Zärtlichkeiten über den Gegenstand ihrer Wünsche zog, so daß er ganz dadurch verhüllt wurde. Als sie seine Toilette gemacht und ihn von außen noch [56] mit einem »l'huile parfumée« gesalbt hatte, legte sie sich zurecht, der Graf bestieg das Bett, kniete zwischen ihre Schenkel, senkte seine Lanze, während die Baronin mit beiden Händen die Lippen ihres Eingangs öffnete, mit der Spitze in die rechte Bahn. Mit einem Stoße verschwand sie im Innern und beide Körper vereinigten sich auf das innigste. Marguerite sollte es aber nicht so gut haben, als ich es in jenem Alkoven gehabt; denn als der Graf sich nach dem ersten Eindringen zu bewegen begann, zog die Baronin die Couvertüre über ihn her, so daß nichts mehr zu sehen war, als die beiden Köpfe, zärtlich Mund auf Mund gedrückt, Küsse trinkend, bis die Augen sich schlössen, der Graf nach der heftigsten Bewegung tief aufseufzte und dann wie ohnmächtig auf sie niedersank. Fest umarmt lagen alle beide wohl eine Viertelstunde nebeneinander, ohne daß sie die über ihn geschlungenen Schenkel losgelassen hätte, und Marguerite gestand mir, daß sie sich nun nicht mehr halten konnte, weil sie einen außerordentlichen Reiz im Innersten ihrer noch unerfahrenen jugendlichen Reize empfand und ihn durch die Hand zu beruhigen versuchte. Ebenso gestand sie mir aber auch, daß es damit nicht habe gehen wollen und daß sie nach dem, was vor ihren Augen vorgegangen, eine andere Befriedigung herbeisehnte. – Marguerite belehrte mich nun über den Zweck und Gebrauch jener Vorsichtsmaßregel, die so viel Unglück und Schande in der Welt verhütet hat. Sie erklärte sich den Zusammenhang damals zwar nur auf eigene Hand, besonders als sie sah, daß die Baronin, nachdem beide wieder zu sich gekommen, sich aufrichtete und jene Blase, die an der Spitze mit einer Feuchtigkeit gefüllt war, zwischen den Lippen ihres weiblichen Kleinods herauszog und neben sich auf den Tisch legte. Das war also der Blitzableiter gegen die Folgen eines Genusses, der mit Recht nur in der [57] Ehe mit ganzer Fülle und Unbeschränktheit gestattet ist und dem Mädchen, der Witwe, der Frau an der Seite eines verlebten Mannes, Schutz vor den Folgen der Liebe gewährt! – Marguerite überlegte nun, was zu tun sei. Sie hatte vor der Hand genug gesehen, um die Baronin zu einem Geständnis zu zwingen, und obgleich sie ganz in Feuer war, entsagte sie doch für diese Nacht der näheren Bekanntschaft mit dem Grafen, weil sie erst Gewißheit haben wollte, ob er auch bei ihr sich eine solche Vorsichtsmaßregel gefallen lassen würde, denn ohne dieselbe hätte sie zuviel gewagt; dann aber gestand sie mir, daß ihr der Gedanke unangenehm gewesen wäre, die Zweite sein zu müssen. Vorsichtig schlich sie in das andere Zimmer zurück, schloß diesmal aber bemerklich laut mit dem Schlüssel auf, warf diesen in das Zimmer zurück und ging dann aufgeregt und im Triumphe über das Gelingen ihrer List auf ihr Zimmer. Die Überzeugung, daß der Graf sie um 1 Uhr erwarte und vergebens harre, machte ihr unbeschreibliches Vergnügen; hatte sie ja doch nun alle Fäden in der Hand, um sich zum Mittelpunkte und vor allen Dingen zur Teilnehmerin des ganzen Verhältnisses zu machen. Da die Baronin sie nicht zur Vertrauten gemacht, so wollte sie eine kleine Rache an ihr nehmen und überlegte die ganze Nacht, wie sie das am besten und namentlich zu ihrem eigenen Vorteil erreichen könne. Sie werden über die Schlauheit erstaunen, mit welcher Marguerite ihren Plan entwarf und mit welcher Konsequenz sie ihn durchführte. Das ist auch eine Eigenschaft des weiblichen Geschlechts, von der ich an mir selbst und an anderen die wunderbarsten Beispiele erfahren! In allem, was den himmlischen Genuß betrifft oder ihn herbeiführt, steigert sich der Scharfsinn oder die Verstellungskunst des Weibes auf einen fast unglaublichen Grad. Auch die Beschränktheit wird erfinderisch und gleichviel, ob [58] Laune, Wollust oder Liebe die Triebfeder ist – in den Mitteln, die endliche Vereinigung zu bewerkstelligen, sind Mädchen und Frauen gleich unerschöpflich! Noch ehe die Baronin aufgestanden sein konnte, klopfte sie am Morgen an die Korridortür des Grafen. Da er glauben mochte, es sei sein Diener oder ein Kellner des Hotels, so öffnete er selbst im tiefsten Negligée und war nicht wenig erstaunt, die nach Mitternacht so lange vergebens Erwartete eintreten zu sehen. Er wollte ihr Vorwürfe machen, sie zu sich auf das Bett ziehen und sofort das Versäumte nachholen, ließ aber sehr bald von seinem Stürmen ab, als sie das Blatt umkehrte und ihm Vorwürfe machte, ihm sagte, sie wäre allerdings etwas früher als verabredet gekommen, habe aber durch die offene Türe sehen müssen, was er mit der Baronin – ihrer Herrschaft gemacht. – Wenn sie dem Baron entdecke, was sie gesehen, so könne sie eine große Belohnung erwarten und die Folgen davon möge er sich selbst ausmalen. Das wolle sie aber nicht, sondern nur Teilnehmerin des Verhältnisses sein, unter der Bedingung, daß er sich bei ihr zu denselben Vorsichtsmaßregeln verstehe, die er bei der Baronin angewandt. Ebenso wenig wolle sie Heimlichkeit für die Zukunft, sondern im Gegenteil seine Wünsche bei der Baronin befördern, wenn sie Teil an ihren geheimen Vergnügungen nehmen könne. – Der Graf sah sie sprachlos vor Erstaunen über diese Erklärung an, war aber zu allem bereit, wenn sie nur schweigen wolle, da in der Tat aus der Entdeckung des Verhältnisses zur Baronin ein großes Unglück für die Familien entstehen konnte. – So teilte sie ihm den Plan mit und verlangte die Ausführung noch vor der Abreise der Baronin nach Morges, die schon nach dem Déjeuner erfolgen sollte. Entzückt über die Aussicht, die sich ihm für ein ganz besonderes Verhältnis bot, ging der Graf auf alles ein, und [59] als Marguerite nun seiner Hand die vollste Freiheit gestattete, war er fast noch erstaunter, daß das eben so unternehmende wie listige Mädchen noch unberührt von einem Manne sei. So unerwartet ihm das alles war, so bereitwillig machte es ihn, alles zu tun, was sie haben wollte, denn eine liebenswürdigere Teilnehmerin an seinen Genüssen mit der Baronin konnte er sich nicht denken. Er wollte ihr sofort den Beweis geben, daß er entzückt von seiner neuen Bekanntschaft sei, Marguerite widerstand aber so entschieden, daß er zu nichts gelangte und seine Leidenschaft dadurch nur noch heftiger angeregt wurde. Doch hatte sie bei diesem Versuche genug gefühlt und gesehen, um sie nur noch fester in ihrem Entschlüsse zu machen, ihrer mißtrauischen Baronin den Besitz, und zwar den gefahrlosen Besitz des schönen jungen Mannes nicht allein zu gönnen. Alles, was kaum eine Stunde nachher geschah, wurde noch einmal verabredet, und nachdem sie dem Grafen alles mögliche, nur nicht das Eine und Letzte, was er verlangte, gewährt und ihn dadurch ganz in Feuer und Flammen gesetzt hatte, entfernte sie sich, ging in ihr Zimmer zurück und erwartete dort die Klingel der Baronin, welche gegen 9 Uhr aufstand, die Tür ihres Vorderzimmers aufschloß, dann klingelte und sich wieder aufs Bett legte, wie sie gewöhnlich zu tun pflegte, während Marguerite alles zur Toilette Nötige im Schlafzimmer ordnete und dann im Vorderzimmer die Sachen zur Rückreise packte, endlich aber das Déjeuner servierte. Das war alles ganz genau verabredet und im Nebenzimmer erwartete der Graf die versprochenen Zeichen, wenn sich Marguerite im Vorderzimmer befinden würde. Es erfolgte, indem Marguerite die Tür zwischen dem Schlaf- und Wohnzimmer geräuschvoll schloß. Zum größten Schrecken der Baronin öffnete sich nun plötzlich die Tür des Grafen, er schob den Schrank zurück, kam in das [60] Schlafzimmer, stürzte auf das Bett zu und bedeckte die Baronin mit seinen Küssen. Keines Wortes mächtig zeigte sie nur zitternd auf die Tür nach dem Vorzimmer, in welchem Marguerite eben mit Geräusch die Sachen packte. Den Wink verstehend, eilte der Graf zur Tür und schob scheinbar den Riegel vor, kam dann zur Baronin zurück und beschwor sie, leise flüsternd, ihm vor ihrer Abreise noch einmal die höchste Gunst zu gestatten. Sie wäre in der letzten Nacht so hinreißend liebenswürdig gewesen, daß er sich gar nicht mehr halten könne und fürchte krank zu werden, wenn sie ihm den Genuß ihrer Reize versagte. Dabei war er so geschäftig, hatte jenes Sicherungsmittel zu ihrer Beruhigung schon übergezogen mitgebracht, daß die Baronin – vielleicht nur, um den unbesonnenen Stürmer rasch wieder los zu werden – die Schenkel öffnete und den Unbändigen in die ersehnte Bahn führte. Anfangs so leise als möglich, wurde bald der verabredete Seufzer ausgestoßen und in diesem Augenblicke trat Marguerite ins Zimmer, denn die Tür war nicht verriegelt worden. Anscheinend vor Schreck über den Anblick keines Wortes mächtig, ließ sie die Toilettengegenstände, die sie in der Hand trug, fallen und starrte auf das Bett, wo die Baronin mit hochschwebenden Schenkeln lag, während der Graf unzweifelhaft im vollsten Besitze des entscheidenden Punktes war. Sie konnte sich unmöglich so erschrocken stellen, als die Baronin es wirklich war, denn ihre Ehre, ihr Vermögen, ihre ganze Stellung in der Gesellschaft stand auf dem Spiele. Mit einem unverständlichen russischen Fluche sprang der Graf zurück, blickte die Eingetretene wütend an und sagte zur Baronin: »Wir sind verloren, wenn ich diese Verräterin nicht ermorde und auf ewig stumm mache! Sie darf dieses Zimmer nicht verlassen, ohne daß wir sicher sind.« Marguerite tat, als wenn sie entsetzt [61] vor dem Wütenden fliehen wollte. Der Graf aber stellte sich mit dem Rücken gegen die Tür und maß sie mit drohenden Blicken, als führe er etwas Schreckliches gegen sie im Schilde. Die Baronin war bei dem allen mehr tot als lebendig. Plötzlich rief der Graf, als habe er einen Gedanken bekommen: »Es gibt nur ein Mittel, dieses Mädchen zum Schweigen zu bringen. Sie muß unsere Mitschuldige werden. Verzeihen Sie mir, geliebte Baronin, was ich tue, tue ich für Sie.«

Mit diesen Worten ergriff er die in anscheinender Todesangst zitternde Marguerite, trug sie auf das Bett, wo die totenbleiche Baronin noch unbedeckt lag, legte sie nieder, warf ihr die Kleider herauf und drängte sich mit der größten Gewalt zwischen ihre Schenkel. Durch alle möglichen Windungen suchte sie ihm anscheinend das Ziel zu verrücken und brachte es ihm doch immer näher. Das Eindringen gestattete sie ihm aber nicht eher, bis sie sich mit den scheinbar abwehrenden Händen überzeugt hatte, daß der Domino noch an seiner rechten Stelle saß und keine Gefahr zu fürchten war. – Als sie Gewißheit hatte, öffnete sie ihm den Eingang, indem sie tat, als ob sie von der Kraft eines starken Mannes überwältigt, keinen Widerstand mehr leisten könne und wimmerte nur leise, die Baronin möge ihr beistehen und sie vor der Wut dieses Fürchterlichen schützen, während schon ganz andere Empfindungen ihren Schoß durchdrangen und sie ein unbeschreibliches Behagen empfand. Geistig, weil sie die Baronin getäuscht, weil sie nun ein Übergewicht über sie erhalten und neben ihr, ja auf ihrem eigenen Bette, vor ihren Augen von dem schönen Manne das erhielt, was ihr bestimmt war; körperlich, weil der Graf, trotz seiner verstellten Heftigkeit und Härte, so zart mit ihr umging, so langsam ihre edelsten Säfte zum Erguß reizte und sie so ganz und doch gefahrlos ausfüllte. Aber nicht genug, daß die Baronin dem ganzen [62] Vorgange zusehen mußte, – nein, sie mußte die wimmernde Marguerite auch noch beschwichtigen, ihr zureden und bitten, sie möge doch nicht so schreien; ja, als der Graf fühlte, daß der Augenblick der Krisis herannahte, rief er: »Wenn Sie mir nicht helfen, Frau Baronin, dieses Mädchen ganz zu unserer Mitschuldigen zu machen, so sind wir verloren. Nur wenn ich sie ganz überwältige, können wir auf ihr Schweigen rechnen.« Als das die Baronin hörte, hielt sie ihr selbst die Schenkel auseinander, so daß der Graf bis an die Wurzel in sie eindringen konnte. Marguerite suchte die Schenkel zu schließen, als verteidigte sie sich gegen die Hilfe der Baronin und durch diesen Kampf entstand eine Bewegung, ein Entgegenheben, öffnen, Schließen, Wenden und Wogen, daß bei beiden Handelnden der Moment des höchsten Vergnügens zugleich erfolgte und Marguerite ein vollkommenes Recht hatte, wie ohnmächtig zurückzusinken, die Augen zu schließen und bewegungslos dazuliegen. Trotzdem hörte sie und sah verstohlen alles, was um sie her vorging. Nachdem der Graf sich zurückgezogen und rasch seine Kleider wieder in Ordnung gebracht hatte, sank er vor der verstörten Baronin auf die Knie und beschwor sie, sich zu beruhigen, ihm zu verzeihen, daß er in der Not dieses Mittel angewandt, um sie beide vor Entdeckung zu sichern. Er stellte ihr vor, daß nun erst, da sie eine Vertraute gewonnen hätten, ihr Verhältnis vor jeder Entdeckung gesichert sei, daß beide dem Mädchen Geld geben und sie vollständig in ihr Vertrauen ziehen müßten, – tat, als wenn er der Baronin ein außerordentliches Opfer gebracht, daß er sich zur Berührung mit einer Kammerjungfer herabgelassen und bat, daß die Baronin nun alles Mögliche tun sollte, um Marguerite, wenn sie aus ihrer Ohnmacht erwache, zu trösten und zu gewinnen. – – Nun machte Marguerite eine Bewegung, als ob sie [63] erwache, und die Baronin, welche zwischen den noch geöffneten, aber schlaff herabhängenden Schenkeln ihrer Nebenbuhlerin das rote Bändchen jenes Domino noch aus dem nach ihrer Meinung so sehr übel behandelten Fleckchen heraushängen sah, zog es rasch selbst heraus und verbarg es unter dem Bettzeuge. Es war kein kleiner Triumph für Marguerite, daß die Baronin ihr selbst diesen Dienst leisten mußte! Der Graf verließ nun unter Bitten, Beteuerungen und Verabredungen ihres künftigen Verhaltens das Schlafzimmer und zog sich hinter dem Schranke in seine Wohnung zurück. Jetzt waren beide Frauen allein! Die Baronin vollständig getäuscht und im höchsten Grade ängstlich, suchte die anscheinend Untröstliche zu beruhigen, vertraute ihr das ganze Verhältnis, in dem sie zu dem Grafen und zu ihrem abwesenden Gatten stehe, versprach für sie zu sorgen, bat sie um ihren Beistand, um Verzeihung für das Ungestüm des Grafen und malte ihr die Zukunft in so rosigen Farben, daß Marguerite nach und nach von ihrem Schmerze über die erlittene Mißhandlung abstand und erklärte, daß nun, da es einmal gegen ihren Willen so gekommen sei, sie das geheime Liebesverhältnis so viel als möglich begünstigen wolle. – Damit war der Bann gebrochen und es stellte sich, als erst Beruhigung und Nachdenken eingetreten war, ein höchst eigentümliches Verhältnis zwischen diesen drei Personen heraus. Der Graf hatte keine Ahnung von der zwischen den beiden Frauen bestehenden Vertraulichkeit, hatte aber an dem frischen jugendlichen Körper und dem noch so wenig betretenen Pfade Margueritens so viel Vergnügen gefunden, daß er ihren Genuß dem bei der Baronin vorzog und ihr, wenn sie allein waren, die vollgültigsten Beweise seiner Zuneigung und Befriedigung bei ihr gab. Marguerite stellte sich bei der Baronin kalt gegen den Grafen und erklärte, wenn sie an den [64] wollüstigen Genüssen beider teilnahm, daß sie das nur tue, um ihrer geliebten Herrin ein größeres Vergnügen zu bereiten. Die Baronin ahnte ihrerseits nichts von dem Verständnis, welches zwischen ihrem Geliebten und ihrer Kammerjungfer stattfand, überhäufte Marguerite mit Geschenken und behandelte sie von diesem Augenblicke an als vertraute Freundin. Schon bei dem nächsten Besuche in Genf war Marguerite gegenwärtig, als der Graf nun schon früh am Abend zur Baronin kam, nachdem sie selbst vorher schon bei ihm gewesen und sich die Erstlinge seiner Kraft geholt, denn immer bekam die Baronin nur das Nachessen. Nicht genug konnte mir Marguerite von den Genüssen erzählen, die eine solche Vertraulichkeit zwischen mehr als zwei Personen bereitet, namentlich, wenn ein kleiner Roman, eine Intrigue dabei im Spiel ist. – Marguerite erzählte mir nun, daß sie bei diesen Zusammenkünften immer nur die Leidende oder Helfende spielte und daß ihr das über jeden Verdacht bei der Baronin weghalf. Der Graf und sie wußten ja recht gut, wie sie miteinander standen. So oft die Baronin nach Genf kam, so oft besuchte Marguerite den Grafen, welcher immer mehr Gefallen an ihr fand und ein ebenso zärtlicher wie feuriger Liebhaber für sie wurde, weil er sich überzeugt hatte, daß er wirklich der erste gewesen, der ihren jungfräulichen Thron bestiegen. Er suchte zwar Marguerite zu überreden, daß sie ihm gestatte, unverhüllt und ganz sein Glück zu genießen, stellte ihr vor, wie es noch etwas ganz anderes sei, wenn er seine ganze Manneskraft im Augenblicke der höchsten Entzückung in ihren Schoß ausströmen dürfe, wie eben das gleichzeitige Ergießen und Ineinanderfließen der feinsten Säfte des männlichen und weiblichen Körpers, jener unbeschreiblich reizende Duft aus den edelsten Teilen in seiner gleichzeitigen Entladung der Wille der Natur [65] und zugleich ein Vorgeschmack der Seligkeit sei, versprach auch, für sie zu sorgen, wenn sie empfangen und einem Kinde das Leben geben sollte. Dem allen widerstand Marguerite aber auf das Bestimmteste und begnügte sich, daß sie jenen wunderbaren Strom zwar mit unglaublicher Gewalt hervorschießen, aber nicht seine Benetzung, seine balsamische Befruchtung fühlte. Hatten sie dann ungestört genossen, was man in dieser Beschränkung nur genießen kann, so begann am Abend und einem Teil der Nacht das Spiel bei der Baronin, die gleich nach den ersten, von dem erfinderischen Grafen gemachten Versuchen sehr zufrieden war, drei Personen zu gemeinschaftlichem Genüsse vereinigt zu sehen. Man versuchte es auf die verschiedenste Weise. Marguerite mußte sich über die liegende Baronin so legen, daß der Mund des Grafen sie an dem nach hinten gedrängten Mittelpunkt des Genusses erreichen und küssen konnte, so daß er, während er mit seinem Szepter in die unten liegende Baronin eindrang, mit der Zunge so tief wie möglich in Margueriten eindringen und die Baronin ihr unterdessen an den Knospen des reizend geformten Busens saugen konnte. Am lebendigsten schilderte sie aber die Empfindungen, die sie gehabt, wenn der Graf nach langen Vorspielen zur Entscheidung drängte und sie dann beiden Genießenden durch kitzelnde Berührungen die Wollust auf den höchsten Grad steigerte. Die Baronin legte sich dann so auf das Bett, daß der Graf vor ihr stand oder sich mit dem Oberkörper auf sie niederbeugte, währenddem Marguerite auf einem niedrigen Schemel saß, so daß ihr Auge sich gerade in der Höhe der so angenehm beschäftigten Teile befand. Nun spielte sie mit einer oder mit beiden Händen bald an der so köstlich ausgefüllten Spalte der Baronin, bald an dem Szepter und den Weltkugeln des Angreifenden. Mit dem Finger die Lefzen öffnend, daß das sammetweiche [66] Fleisch mit seinen tausend Fältchen den ungestümen Gast nur noch enger und saugender umschloß, dann sie über der glühenden Spitze zusammendrängend, daß sie kaum hinein konnte. Mit der anderen Hand bald am Schafte spielend und ihn umfassend, daß er nicht ganz hinein konnte und dann loslassend, daß er im Moment in der Tiefe verschwand, oder die Behälter jenes Wunderbalsams kitzelnd, daß jede Faser zum Erguß drängte. – Das beschrieb sie mir als das größte Vergnügen! – Die blendend weißen Schenkel der Baronin, aus zwei schwellend runden Alabaster-Hemisphären hervorgehend, das blonde Haar ihres Tempels, die Röte des Priesters, der in ihm opfern wollte, die schönen Formen des Mannes in seiner höchsten Kraftentwicklung, das schwarze Haar, das sich hin und wieder mit jenem blonden vereinigte – und daran teilzunehmen, es mit den Augen in der nächsten Nähe zu verschlingen, im Geiste die steigende Empfindung beider mitzugenießen, alles das entzückte sie noch in der Erinnerung, als sie mir es erzählte, – und da ich dabei in der behaglichen Wärme des lauschigen Bettes meine Hand nicht zügelte, so bemerkte ich, daß diese Bilder sie auch jetzt noch in Feuer setzten.

Es muß in der Tat ein sonderbares Verhältnis zwischen diesen drei Personen gewesen sein. Trotz der höchsten Vertraulichkeit gegenseitiges Mißtrauen, – trotz gemeinschaftlichen Genusses Täuschung und Verstellung! Wie gesagt, die Phantasie läßt mich gern solchen Bildern folgen, der Verstand rät mir ab, ihnen nachzuahmen; denn solchem Raffinement muß Abspannung folgen und Unannehmlichkeiten sind immer Folgen eines Geheimnisses, um welches mehr als zwei wissen. Da der junge Graf eben alles genießen konnte, was ihm einfiel, so wurde er endlich des Verhältnisses überdrüssig, ersichtlich kälter, wohl auch erschöpft bei zwei so verlangenden Frauen. [67] Kurz, er verließ Genf nach ziemlich kaltem Abschiede. Von diesem Augenblicke an suchte die Baronin Marguerite los zu werden und bald genug war eine Entzweiung herbeigeführt. Marguerite hatte von der Baronin und dem Grafen in kurzer Zeit über 3000 Franks geschenkt bekommen, beging aber die Torheit, auch dieses Geld dem Vormunde zur Verwaltung für sie zu übergeben. Einige Zeit lebte sie unabhängig bei einer Freundin, die früher Erzieherin gewesen war und erhielt von dieser Unterricht, weil sie die Idee hatte, nach Rußland zu gehen, wo Schweizer Gouvernanten schon oft ihr Glück gemacht haben. Die Veränderung ihrer Verhältnisse war aber zu plötzlich gewesen, als daß sie sich in dem stillen Hause ihrer Verwandten unter ernsten Studien hätte vollkommen glücklich fühlen können. – Sie hatte dort bei der Baronin alles gehabt, was sie in ihrer Lebensstellung irgend wünschen konnte. Ja, sie hatte sehr vieles mehr gehabt, als Mädchen überhaupt gefahrlos haben können und das hatte sie verwöhnt! Gewisse Dinge waren ihrem Körper zur Notwendigkeit geworden und sie entbehrte nicht allein den Umgang mit dem jungen, schönen Grafen, sondern auch die vertraulichen Spielereien mit der Baronin. Das machte ihr in den ersten Monaten viele unruhige Nächte und aufregende Träume. Das Hilfsmittel, welches ihr die eigene Hand bot, gewährte nur schwachen Ersatz, und vergebens sah sie sich nach einer Bekanntschaft um, von der sie nichts zu fürchten gehabt hätte, denn sie konnte doch die Bedingungen, welche sie dem Grafen gestellt und durch ganz besondere Verhältnisse begünstigt, stellen durfte, keinem anderen Manne stellen. Nie gesteht ein Mädchen ihre Bekanntschaft mit Dingen ein, die sie bei Männern herabsetzen könnten. Unter Büchern und Karten verlebte sie fast ein Jahr lang ein sehr einsames und freudloses Leben. Es war [68] in ihrem Innern etwas lebendig und verlangend geworden, was sich nicht mehr abweisen ließ und manchmal so gebieterisch auftrat, daß es sich namentlich in der Nacht in unruhigen und wollüstigen Träumen sehr bemerklich machte. – Endlich machte sie in einer Badeanstalt die Bekanntschaft einiger junger Mädchen, mit denen sich bald ein ähnliches vertrauliches Verhältnis entwickelte, als sie es mit der Baronin gehabt. Allerlei Neckereien, neugieriges Plaudern und Belehren über verborgene Dinge und Versuche führten bald zwischen zweien, dann zwischen mehreren die lüsternsten Vergnügungen herbei. Jede ließ sich belehren und stellte sich so unwissend als möglich, wenn sie es auch selbst schon oft genug versucht und Ursache wie Wirkung ganz genau kannte. So glaubten die anderen, Marguerite belehrt zu haben, während diese sie stufenweise zu allem führte, was sie so genau kennengelernt. Je unbelauschter, verschwiegener und vergnügender diese Zusammenkünfte und Vertraulichkeiten unter den Mädchen aber waren, je wacher riefen sie das Begehren der so verwöhnten Marguerite. Da machte sie die Bekanntschaft des Bruders einer ihrer Freundinnen, eines ebenso schönen als gebildeten und in jeder Beziehung liebenswürdigen jungen Mannes. Vom ersten Augenblicke an zeigte er das Bestreben, ihr zu gefallen. Mit der ganzen Scheu und Unbeholfenheit eines jungen Mannes, der sich zum ersten Male zu einem Mädchen hingezogen fühlte und dem dunkeln, aber mächtigen Naturtrieb folgen muß, näherte er sich Margueriten, die genug zu tun hatte, um nur die Ungeschicklichkeiten dieser Annäherung weniger auffallend zu machen. Wie gern wäre sie seinen letzten, ihm noch ganz unbewußten Wünschen entgegengekommen, wenn sie nur ein Mittel hätte erdenken können, ihn zu einer ähnlichen Verpflichtung unaufgefordert zu bestimmen, wie der [69] Graf seinen beiden Geliebten gegenüber sie eingehen mußte. Charles war auf dem Lande erzogen, vollkommen unwissend in allen solchen Dingen und eine hohe Sittlichkeit lag in allem, was er sprach und tat. Marguerite lernte nun auch die Liebe kennen und kämpfte vergebens gegen die Macht derselben an. Sie hatte geglaubt, schon alles zu wissen, schon alles kennengelernt zu haben und daher gegen ihre Herrschaft gewaffnet zu sein! Wie sanken alle Vorsätze, alle Klugheiten vor der Gewalt des ersten Kusses zusammen! Wie wehrlos fühlte sie sich den anfangs schüchternen Berührungen des Geliebten gegenüber! Sie waren so schüchtern, daß sie ihm entgegenkommen mußte, ohne merken zu lassen, daß sie das tat. Aber wie schnell treibt die Natur auch den Unwissendsten, den Tugendhaftesten auf dem gefährlichen Pfade weiter, wenn er einmal betreten ist! – Es machte der erfahrenen Marguerite ein ganz unbeschreibliches Vergnügen, wie sie sah, was der so liebenswürdige, unerfahrene junge Mann alles tat, um zu dem ihm noch unbekannten Ziele zu kommen. Sie fühlte sich diesen oft ungeschickten Anstrengungen gegenüber so überlegen, daß sie glaubte, sie würde im Momente der wirklichen Gefahr die Kraft haben, den schon bei der nur äußeren Berührung zwischen den beiden entscheidenden Punkten halb sinnlosen Geliebten an der Vollendung, dem Ausströmen des Samens in ihren Schoß zu hindern, und gestattete endlich das Eindringen der Spitze. Aber sie hatte nicht bedacht, wie nun auch bei ihr jeder Nerv, jedes Fältchen ihres Innern der Vereinigung entgegendrängte und wie schwach das Weib gegen einen wirklich geliebten Mann ist, wenn er erst mit dem Inbegriff seiner Kraft ihr Inneres erwärmt. In übermäßiger Wollust vergaß sie jeden Widerstand, jeden Vorsatz und plötzlich fühlte sie den elektrischen Schlag des Hineinströmens eines heißen [70] Strahls, der ihr ganzes Innere ausfüllte. Es war geschehen! Vergebens versagte sie jede Wiederholung, vergebens hoffte sie, daß dieser eine unbewachte Augenblick nicht geschadet haben würde. Das Ausbleiben ihrer Regel zeigte ihr, daß das Unglück geschehen, ihre Ehre verloren, ihre Zukunft vernichtet sei. Von dem Augenblicke an, wo sie Gewißheit über ihren Zustand hatte, gewährte sie dem Geliebten zwar wieder alle Rechte eines Gatten und genoß drei Monate lang ungestört das höchste irdische Glück; dann aber traten die Schläge des Schicksals in wahrhaft betäubender Folge über sie herein. Der Vormund machte bankerott und floh mit ihrem ganzen Vermögen nach Amerika; ihr Geliebter erkrankte und starb; sie wurde in Schimpf und Schande aus dem Hause gejagt, kam in Schimpf und Schande in einem Dorfe nieder und verlor nach zwei Jahren der schwersten Leiden und Entbehrungen auch ihr Kind durch den Tod, bis sie schließlich in Deutschland ein Unterkommen als Gouvernante fand.

Wie eindringlich warnte sie mich vor jenem einen unbewachten Augenblick!

Alles hatte Marguerite mir aufrichtig und wahr erzählt. Mit welchem Instrument sie aber noch jetzt die Erinnerung an jene Zeit wachrief, das hatte sie mir doch verschwiegen.

4.

[71] IV

Wenige Mädchen werden in so kurzer Zeit so rasch hintereinander, so vollständig und vor allen Dingen so gefahrlos über diese wichtigsten Momente des ganzen weiblichen Lebens aufgeklärt worden sein, als ich es durch Zufall und durch die Mitteilungen Margueritens wurde. Ich hatte bis dahin nicht mehr – wahrscheinlich auch nicht weniger gedacht und versucht, als die meisten Mädchen meines Alters, obgleich ich jetzt weiß, daß ich ein ungleich sinnlicheres Temperament hatte und habe, als es bei Mädchen und jungen Frauen gewöhnlich der Fall ist. Die Männer irren sich, wenn sie glauben, daß das ganze weibliche Geschlecht von der Natur ebenso sinnlich geschaffen ist als sie. Wenn sie nach den Frauen urteilen, die ihnen alles leicht gewähren, so urteilen sie falsch. Ehemänner wissen das und klagen oft genug darüber. Auch ich wollte das lange nicht glauben, hielt alles für Prüderie und Verstellungen, wenn ich auf Kälte, Gleichgültigkeit, ja Abneigung gegen Dinge stieß, die mich interessierten und erregten. Nichtsdestoweniger ist es wahr, daß eine früh erwachte und sich leicht ausbildende Sinnlichkeit bei einem Mädchen zu den Seltenheiten gehört, und mit aller Offenheit bekenne ich Ihnen gegenüber, daß ich zu diesen Ausnahmen gehöre. Sie wer den mir erwidern, wie es denn möglich sei, daß so viele Mädchen verführt werden, wenn sie nicht selbst den Wünschen des Mannes entgegen kämen, wenn Trieb und Wollust nicht ebenso heftig bei ihnen wie bei den Männern wäre, und leider muß ich Ihnen die Antwort auf diese nur zu wahre Anschauung schuldig bleiben. Je fester ich durch meine Beobachtungen und Erfahrungen davon überzeugt bin, daß eine bewußte Sinnlichkeit beim weiblichen Geschlecht ursprünglich nicht so vorhanden ist, wie bei den Männern; [72] daß sie bei den meisten Frauen erst geweckt und gebildet werden muß, dann aber namentlich zwischen dem 30. und 40. Lebensjahre ebenso vollständig und gebieterisch vorhanden ist wie bei den Männern – je unerklärlicher ist mir die unbestreitbare Erfahrung, daß so viele Mädchen zu Falle kommen und unglücklich werden, bei denen der Mann keinen Verbündeten, keinen Helfer in ihrem Innern zu erwarten hat. Vergeblich habe ich mich bemüht, eine Erklärung für diesen Widerspruch zu finden. Alles ist dem Manne ungünstig, wenn er ein noch unschuldiges Mädchen dazu bringen will, sich ihm ganz und rückhaltlos zu ergeben; denn der ganz entschiedene körperliche Schmerz, den eine erste Vereinigung verursacht, und welcher jedenfalls selbst mitten im Taumel zum Nachdenken und Anhalten auf der gefährlichen, rasch abschüssigen Bahn geeignet ist, endlich die Kenntnis der unausbleiblichen Folgen sich zu vergegenwärtigen; denn so unwissend ist wohl höchst selten ein junges Mädchen, daß es die Folgen vertrauten Umganges mit dem Manne nicht kennen sollte. Statuen, Gemälde, das Schauspiel der Begattung bei den Tieren, Schul- und Pensionat-Gespräche, ganz unvermeidliche Lektüre und anderes mehr, klären auch die beschränktesten, die mit Argusaugen Bewachten, auf. Und doch muß ich zugestehen, und finde keine andere Erklärung, als die Neugier und das weiche Gefühl der Hingebung für das Ungestüm eines Mannes, den man liebt. Aber wie viele ergeben sich ohne Liebe? Wie viele weinen und wimmern, wehren sich aber nicht! Es ist dies eines der wunderbarsten Geheimnisse der so allgütigen Natur; ein Beweis der unwiderstehlichen Macht und Anziehungskraft, welche sie dem verschwiegensten Innern eingeflößt hat.

Das ganze Katzengeschlecht, vom Löwen bis zum Haustiere, empfängt mit Schmerz und gebärt mit[73] Wollust, gerade das Gegenteil zur ganzen übrigen Schöpfung! Und doch gibt das Weibchen sich dem Schmerze des Empfangens hin. Wer erklärt dieses Rätsel? Wie oft haben Mädchen mir weinend gestanden, sie wüßten nicht, wie sie dazu gekommen wären. »Er habe so süß gebeten.« – »Es sei ihnen so warm, so wunderbar geworden.« – »Sie hatten sich so geschämt!« Wie wenig reicht dies alles für die Erklärung aus! Und so sonderbar, daß gerade mir, die ich mein feuriges Temperament gar nicht verhehle – das heißt, Ihnen nicht verhehle, weil Sie keinen Vorteil aus diesem Bekenntnis ziehen wollen, – daß die Natur gerade mir, sage ich, einen so scharfen Verstand verliehen hat, um lange, lange der Gefahr zu entgehen. Ich kann nur schildern, was ich empfunden, was ich gedacht, als endlich auch meine Stunde geschlagen hatte, und ich werde es mit vollkommener Aufrichtigkeit tun, wenn ich an die Schilderungen meiner eigenen Erfahrungen komme. Für andere vermag ich keine Erklärung zu geben. Keine wenigstens, die mir gegeben wurde, reicht aus, und so wird das vieltausendjährige Rätsel wohl ungelöst bleiben müssen. Nicht umsonst beginnt die Weltgeschichte mit Evas Neugier und dem Genüsse einer verbotenen Frucht. Die weisen Männer, welche gerade diese Mythe an den Beginn der Geschichte des Menschengeschlechtes gestellt haben, haben recht wohl gewußt, daß dies der Mittelpunkt, der Hebel, das Geheimnis der ganzen Weltgeschichte ist, nur mit dem Unterschiede, daß der Genuß der verbotenen Frucht nicht aus dem Paradiese vertreibt, sondern das Paradies öffnet.

Sie werden mir ohne besondere Versicherung glauben, daß ich nicht damals, als ich so vollständig belehrt von dem Gute meines Onkels zurückkehrte, dergleichen Betrachtungen anstellte. Sie sind die Frucht meiner späteren Erfahrungen. Als Kind war [74] ich in den Alkoven des Schlafzimmers meiner Eltern gelaufen. Als Jungfrau, freilich nicht mehr in der rein körperlichen Bedeutung eines unverletzten Hymen, kam ich von dem Gute des Onkels zurück. Ich war eine andere, die Welt um mich her war eine andere geworden. Ein Schleier war mir von den Augen gefallen. Alles, Personen und Dinge erschienen mir in einem ganz neuen Lichte. Ich hatte Verständnis für Dinge gewonnen, die ich früher nie bemerkt, nie beachtet und viel weniger begriffen hatte. Wie der Zufall mir dieses Verständnis verschafft, so hatte er mich auch belehrt, den Mißbrauch dieser köstlichen Gaben zu vermeiden. Was ich von meinem Cousin gesehen, bewahrte mich für mein ganzes bisheriges Leben vor dem Übermaße. Ich hatte in den fahlen erloschenen Augen, in der Hinfälligkeit des jungen Sünders das Los derer erkannt, die sich zu heftig diesen Genüssen hingeben. Ich habe mich nicht gescheut, meine Zuflucht zu ihnen zu nehmen, aber ich habe es nicht auf Kosten meiner Gesundheit und meines Frohsinns getan. Ja, wäre ich ein Mann gewesen, ich würde vielleicht dies nie getan haben, denn die Männer haben nicht dieselbe Entschuldigung für ihr heimliches Treiben, als Mädchen, Frauen und Witwen. Sie sind nicht so eingepreßt, so dicht von Fesseln umgeben wie Frauen, die keinen Schritt tun, keinen Blick tauschen, und kein offenes Wohlgefallen zeigen können, ohne sofort von bösen Zungen begeifert zu werden und dadurch ihren guten Ruf auf das Spiel setzen. Wir müssen heucheln und gleichgültig tun, wo wir gern entgegenkommen möchten, – wir müssen im Geheimen tun, was uns unglücklich machen würde, wenn wir zugestehen wollten, daß wir nichts weniger als gleichgültig sind. Der Mann hat nicht nötig, diese Rücksichten zu nehmen. Ihn erwartet nur Vergnügen und Lust, wo wir Schmerzen zu ertragen haben. Er [75] fühlt Triumph, wo wir Reue haben. Weshalb sollte er also im Stillen und über die kalte Hand ausströmen, wofür ihm wahrlich Gelegenheit nicht fehlt? Ich sagte mir also, daß das Übermaß wie in allen Dingen, so auch in diesen gefährlich sei, und diese durch Zufall erlangte Erfahrung hat mich bis jetzt gesund und fröhlich erhalten. Vor allen Dingen brachte ich eine Erkenntnis in das Haus meiner Eltern zurück. Es gibt zweierlei Sittlichkeiten in der Welt: Eine öffentliche, deren Formen die bürgerliche Gesellschaft zusammenhalten und die niemand ungestraft verletzt, und eine natürliche zwischen den beiden Geschlechtern, deren mächtigste Triebfeder das Vergnügen ist. Natürlich hatte ich damals diese Begriffe nur dunkel, gewissermaßen instinktartig, und hätte es wohl noch kaum in Worte zu fassen gewußt. Seitdem habe ich oft und viel darüber nachgedacht und immer wieder diese Doppelnatur der Sittlichkeit bestätigt gefunden. Was in mohammedanischen Ländern sittlich ist, erscheint in christlichen Ländern unsittlich! Die Sittlichkeit des Altertums ist eine durchaus andere, als die des Mittelalters, und was im Mittelalter erlaubt war, würde jetzt das Gefühl verletzen. Naturgesetz ist die innigste Vereinigung des Mannes mit dem Weibe; die Form, wie sie erreicht wird, ist Sache des Klimas, der religiösen Überzeugung und der geselligen Formen. Niemand darf und kann sich ungestraft über das ihn umgebende Maß von Sittlichkeiten hinwegsetzen, und gerade der Zwang, den dieses örtliche Sittengesetz allen ohne Unterschied auferlegt, erhöht die Freude des Genusses in der Verborgenheit.

Meine Eltern waren Muster in Beobachtung dieser äußeren Formen der notwendigen Sitte und gerade deswegen doppelt glücklich in ihren vertrauten Stunden. Wenn ich es nicht selbst gesehen, würde ich nie geglaubt haben, welche Verwandlung jene Momente[76] ungestörten und unbelauscht geglaubten Genusses bei ihnen hervorgebracht. Mein Glaube ist also wenigstens entschuldigt, wenn ich so leicht einem Außenseiter, einem Schein mehr traue. – Ebenso falsch, ebenso täuschend ist aber auch ein sogenanntes feuriges Auge, offenbare Gefallsucht und anscheinend leichtes Benehmen bei Frauen. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, daß gerade solche Frauen, die viel zu versprechen scheinen, kalt und teilnahmslos sind, wenn sie das Versprechen auch halten sollen. »Stille Wasser gründen tief.« Die Wahrheit dieses Sprichwortes zeigt sich am schlagendsten im Charakter des Weibes; ja, wir sind imstande, uns selbst im Augenblicke vollkommener Besinnungslosigkeit zu verstellen. Nicht allein an meiner vortrefflichen, tugendhaften und sittlich musterhaften Mutter habe ich das gesehen, sondern von anderen und sogar an mir selbst. Es wird dem Weibe außerordentlich schwer, einzugestehen, daß es genießt. Wir sind glücklich, wenn wir Genuß bereiten und geben deutlich zu erkennen, daß uns das glücklich macht; aber ein unerklärliches Etwas hält uns zurück, einzugestehen oder zu zeigen, in welchem Grade wir selbst genießen. Ich finde keinen anderen Grund dafür, als das Bestreben oder das dunkle Gefühl, dem Manne, selbst dem geliebten Manne, nicht noch größere Rechte und noch mehr Gewalt über uns einzuräumen, als er schon hat. Die Natur weist den Mann auf Kampf, Besiegen aller Schwierigkeiten und immer neues Streben nach Höherem und Besserem hin. Die vollständige Befriedigung macht den Mann gleichgültig, träge und ruhig und vollständige Befriedigung würde es für ihn sein, wenn auch das Weib äußerlich erkennbar genießen und ihrem Gefühle den vollen, wahren und lauten Ausdruck geben wollte. Dem Manne muß immer etwas zu bekämpfen, zu erringen übrig bleiben, das Weib [77] muß immer noch etwas zu gewähren haben, wenn es auch schon das Höchste gewährt hat. Ist der körperliche Sieg auch schon längst errungen, ein geistiger Sieg muß zu erringen übrigbleiben, und das ist nicht etwa Berechnung bei unserem Geschlecht, das ist Instinkt. Wie oft habe ich Tieren zugesehen, diesen großen Lehrmeistern der Menschen in allen Dingen. Das Weibchen sträubt sich, weicht aus, versagt. Das Männchen drängt, verfolgt, bezwingt; hat das Männchen aber seinen Zweck erreicht, allen Widerstand besiegt, entfernt es sich; dann aber folgt ihm das Weibchen und verlangt Schutz und Unterhalt vom Sieger. Nur bei sehr wenigen Tierarten zeigt das Weibchen Lust zur Begattung, aber den Trieb dazu kann es nicht verhehlen, denn ganz unvermerkt stellt es sich dem Männchen in den Weg, lockt und reizt. Ist das Männchen dann im Feuer, so findet es Weigerung und Kampf. Ist es doch, als wollte die Natur durch die Erregung des Kampfes jene feinsten Säfte des tierischen Körpers, deren Erguß und Vermischung für die Fortpflanzung ihr höchster Zweck ist, noch mehr vergeistigen, noch mehr verflüchtigen, seine Quellen nervös noch weiter anspannen, um die Vereinigung noch wirksamer zu machen. Wohl nur aus diesem Grunde sind Kinder der Liebe meist stärker als Kinder, wie Shakespeares sagt: »In langweiliger Ehe, halb zwischen Schlafen und Wachen erzeugt.« Der Kampf und das Sträuben sind also Naturgesetze, ebenso die Begierde des Mannes nach vollständiger Unterwerfung und der Instinkt, das Bekenntnis dieser vollständigen Unterwerfung zu verweigern für das Weib. Wenn Frauen über die Kälte der Männer klagen, so sind sie gewöhnlich zu aufrichtig, zu ehrlich in den Augenblicken des höchsten Genusses gewesen und haben dem Manne keinen Wunsch mehr übrig gelassen.

[78] Meine Mutter hatte meinem Vater ihre Lust an dem Bilde im Spiegel verhehlt, Marguerite hatte mir jenes Instrument nicht gezeigt und doch wußte ich von beiden, daß sie im höchsten Grade sinnlich waren. Die Lehre ging mir nicht verloren, und in dem, was ich Ihnen noch von mir selbst zu erzählen haben werde, möge sich der Beweis dafür finden.

Bis auf das widrige Schauspiel mit meinem Cousin, hatte ich das, was meine Phantasie erfüllte, nur von seiner poetischen Seite kennengelernt. Zwei gebildete, liebenswürdige und tugendhafte Menschen, die keine Ahnung davon haben konnten, daß jemand sie belauscht, bei denen die Freude an dem festlichen Tag und die Freude am gegenseitigen Besitze der Befriedigung eine höhere Weihe gegeben. – Bei Margueriten hingegen war immer noch ein Wunsch, eine Sehnsucht, ein Ideal übriggeblieben, und ich hatte mir denken können, daß etwas Vollkommeneres mich noch erwartete; das ganz Materielle, das Tierische des Genusses war mir noch fremd geblieben. Selbst in der heimlichen Sinnlichkeit meines Cousins lag noch Poesie. Wußte ich denn, was ihn dazu trieb? Was mich daran beleidigte, war eigentlich nur die Gleichgültigkeit gegen mich, das Vermeiden und Übergehen eines jungen frischen Mädchens, das ihm entgegenkam. In der Sache selbst war Marguerite, war ich ebenso schuldig als er. Ja, hätte Marguerite mich nicht so eindringlich gewarnt, so wäre ich bei meinem Temperament und meiner Unerfahrenheit vielleicht auch in den Fehler des Übermaßes verfallen, hätte vielleicht auch meine Gesundheit zerstört, wie Millionen bleichsüchtiger, hohläugiger Mädchen, die jeden Augenblick des Alleinseins benützen, um sich einen Vorgeschmack der Freuden zu bereiten, die ihnen Gesetz und Sitten versagen.

Daß ich nach so rasch aufeinander folgenden Erfahrungen viel aufmerksamer als vorher auf alles [79] um mich her wurde, Leute und Dinge mit ganz anderen Augen betrachtete, werden Sie wohl glauben. Überall vermutete ich Heimlichkeit und Verständnis, Intrigue zwischen den Personen, unter denen ich lebte und mich bewegte. Meist mit Unrecht, wie ich mich nachher überzeugte. Ich lauschte und horchte, um zu erfahren, was man mir verbergen wollte und bis dahin verborgen hatte. Mit der größten Sehnsucht wünschte ich, meine Eltern noch einmal belauschen zu können, überlegte, machte unaufhörlich Pläne dafür, immer hielt mich aber eine tiefe Scheu von der Ausführung meiner Pläne zurück, und bot sich selbst eine Gelegenheit dazu, so wagte ich es doch nicht, sie zu ergreifen, und ich freue mich noch heute darüber, daß eine innere Stimme mich davon zurückgehalten. Absichtlich zu belauschen, wäre eine Entweihung der stillen Freuden zweier guter Menschen gewesen. Für den Zufall brauchte ich mir keinen Vorwurf zu machen, ebenso wenig, wenn ich Lüsternes erspäht hatte, wenigstens bereute ich keinen Augenblick, Marguerite überlistet zu haben. Mir war also alles noch Poesie, aber ich sollte auch die Prosa kennenlernen. – Ich habe Ihnen schon erzählt, daß ich bald nach der Rückkehr vom Gute meines Onkels zur vollkommenen Jungfrau geworden war. Erschreckt sah ich die ersten Zeichen der weiblichen Reife hervortreten und wollte sie vor meiner Mutter verbergen, da ich das Blut anfangs für eine Folge meiner Unterhaltungen mit Margueriten hielt. Die Wäsche verriet aber, was ich verbergen wollte, und zum ersten Male sprach nun meine Mutter belehrend über solche Dinge mit mir, aber doch nur so viel, als durchaus nötig war, um mich ganz im allgemeinen aufzuklären. Sie ahnte freilich nicht, daß ihr eigenes Beispiel mich schon viel vollständiger belehrt hatte. Bald nachher wurde ich gefirmelt und von nun an – ich war noch nicht ganz 16 Jahre – nahmen mich [80] die Eltern in Gesellschaften mit; man wurde aufmerksam auf mich, besonders weil meine Stimme sich immer klangvoller entwickelte und mein Gesangstalent damals die ersten Blüten trieb. Fast jedesmal, wenn ich in Gesellschaft etwas gesungen hatte, ertönte es von allen Seiten: »Sie müssen zum Theater gehen, müssen eine Catalani, eine Sonntag werden!«

Was man immer und immer wieder hört, das prägt sich endlich unwillkürlich ein, und obgleich mein Vater nichts davon wissen wollte, fand ich doch in der Mutter eine Verbündete für meine ohne mein Zutun erwachten Wünsche, und es war endlich beschlossen, ich sollte eine Künstlerin werden. Meine Studien und Beschäftigungen waren von nun an ausschließlich auf dieses Ziel gerichtet und ich hatte von meinem 16. Jahre an größere Freiheit und Selbständigkeit, als sonst Mädchen meines Alters zu haben pflegen. Eine weitläufige Verwandte ziemlich reifen Alters, häßlich und ängstlich bei der größten Kleinigkeit, wurde bewogen, mich nach Wien zu begleiten, wo ich bei einem damals berühmten Gesanglehrer ausgebildet werden sollte. Mein Vater hatte getan, was seine Mittel nur irgend erlaubten, und Sie wissen ja, wie ich ihm durch die Tat dafür gedankt. – Bis zu meiner Abreise nach Wien sah ich Margueriten noch mehrere Male. Sie blieb meine vertraute Freundin und Lehrerin in Dingen, für die es für junge Mädchen eigentlich keine Lehrmeisterin gibt und Lehrer teuer zu stehen kommen. Ganz erstaunt war ich, als ich bald merkte, daß sie mit meinem Cousin in einem sehr vertraulichen Verhältnisse stand. Ich hatte ihr nämlich erzählt, was ich von meinem Cousin gesehen, und das scheint sie zu dem Versuche veranlaßt zu haben, ob sie ihm die böse, seine Gesundheit zerstörende Angewöhnung nicht abgewöhnen könne. Es war ihr zwar ersichtlich unangenehm, [81] als ich ihr sagte, was ich bemerkt, aber sie gestand mir doch ein, daß meine Mitteilung damals ihre Phantasie aufgeregt und daß sie die Gelegenheit geschickt herbeigeführt habe, seine Scheu vor dem weiblichen Geschlechte zu besiegen. Sie schien sich zu schämen, daß sie über zehn Jahre älter als mein Cousin, ihn gewissermaßen verführt habe, schwor mir aber auf das Heiligste, daß sie ihm weder mehr gestatte noch tue, als was sie mit mir getan; denn ein gebranntes Kind scheut das Feuer, und so schwach, wie sie gegen ihren Charles gewesen, würde sie nie wieder sein. Ob das die volle Wahrheit gewesen, habe ich nie erfahren, daß mein Cousin aber sehr viel gesünder, lebenslustiger aussah als früher, sah ich mit Vergnügen und bemerkte auch, daß er weder mich noch andere Mädchen vermied, ja mich manchmal mit ganz besonderen Augen ansah. Ich hatte aber nicht die geringste Lust, als Aushilfe für Marguerite zu dienen, und trieb meinen Scherz mit ihm. Hätte ich von ihm nichts gesehen, so will ich nicht leugnen, daß sich wahrscheinlich zwischen meinem Cousin und mir eine Liebelei angesponnen haben würde, denn die Gelegenheit zu vertraulicher Annäherung, die hauptsächlichste Bedingung aller Liebesverhältnisse, war bei uns vorhanden. Auch meine entsetzliche Furcht vor den Folgen hielt mich zurück. – In meinen Unterhaltungen mit Marguerite blieb fast nichts übrig, worüber sie mir nicht vollständige Belehrung gegeben, so daß ich klüger und ausgerüsteter in die Welt trat, wie selten ein Mädchen, und weit entfernt, daß mir das schädlich gewesen wäre, hat es mich vor unglücklichen Erfahrungen bewahrt, denn ich wußte nun genau, um was es sich handelte und konnte mich in acht nehmen. Man hielt mich für kalt und tugendhaft, ich war doch bloß unterrichtet und vorsichtig. Wollte man überhaupt die sogenannte Tugend der bei weitem meisten [82] Frauen ergründen, so würden sich wunderbare Resultate ergeben. Ich habe mir nun einmal Aufrichtigkeit gegen Sie zur Pflicht gemacht, glaube aber, daß nur sehr wenige Frauen zu einer vollständigen Aufrichtigkeit zu bewegen sein würden, denn Verstecken und Täuschen liegt nun einmal in unserer Natur. Könnte man die Gefahr der Folgen hinwegzaubern, so gäbe es kein tugendhaftes Mädchen mehr. Alle versuchten aus Neugierde und genössen sowohl aus dem eigenen Triebe zur Wollust, als aus Freude an der Wollust des Mannes.

Ehe ich das Haus meiner Eltern verließ, um die zwar dornenvolle, aber auch freudenreiche Laufbahn einer Künstlerin zu betreten, hatte ich noch Gelegenheit, die Rückseite der Medaille kennenzulernen. Meine Eltern hatten eine große, fast ländliche Wirtschaft, Kühe, einen ganzen Hof voll Federvieh und einen großen Garten. Die Hühner und Tauben waren meine Domäne und ihre Fütterung und Pflege ließ ich mir nicht nehmen. Der Hühnerstall stieß dicht an den Kuhstall und war nur durch eine dünne Wand, von einem Verschlage getrennt, wo das Futter für die Kühe aufbewahrt wurde. Dort befand ich mich eines Tages, als der Kutscher, den wir erst seit kaum 14 Tagen in Diensten hatten, in den Kuhstall kam und die Viehmagd, ein Scheusal von Schmutz und Häßlichkeit, vierschrötig und plump, in den Verschlag zerrte. Sie kicherte, wehrte sich so viel als nötig war, ergab sich aber sehr bald, und als er sie ohne Umstände auf das Heu niederwarf, konnte ich doch der Neugierde nicht widerstehen, stieg auf einen Schemel und sah durch eine Luke in den Verschlag. Ich wollte, ich hätte es nicht getan, denn einen häßlicheren Kontrast gegen alles, was ich bis dahin kennengelernt, kann man sich nicht denken! Ohne alle Zärtlichkeit, ohne sich auch nur im allergeringsten bei den Einleitungen aufzuhalten, warf er dem [83] Mädchen die Röcke in die Höhe, wühlte mit der einen Hand in ihrer Brust, mit der anderen an dem Gegenstande seiner rohen Begierde, stürzte dann über sie hin und machte alles, was ich bei meinem Vater in höchster Zartheit und Süßigkeit gesehen hatte, so plump, daß ich mich immer abwenden wollte und noch nicht begreife, daß ich es nicht getan. Das Widerwärtigste aber waren die Ausdrücke, welche beide dabei gebrauchten. Alles wurde mit Namen genannt, die ich bis dahin nicht gekannt. Zuerst er, dann als die Krisis sich bei ihr näherte, in den gemeinsten Worten auch sie; bis endlich die Ermattung eintrat und wenigstens die ekelhaften Worte aufhörten. Ich war wie in einem Banne gewesen, hatte unverrückt die Augen auf den unbeschreiblich häßlichen Vorgang richten müssen und fühlte mich wahrhaft erleichtert, als er aufhörte. Das Knarren des Schemels fürchtend, stieg ich noch nicht gleich herab und mußte nun hören, daß das Mädchen ihrerseits den Kutscher zu einer Wiederholung animierte, nicht allein mit Worten und zwar den abscheulichsten, sondern auch durch die unweiblichsten Gebärden. Er schien vollkommen genug zu haben und zeigte keine besondere Bereitwilligkeit, auf ihre Wünsche einzugehen, bis sie endlich ihren Willen durchsetzte und ihn zu einer Wiederholung zwang. Es dauerte diesmal sehr viel länger als das erste Mal und war noch widriger, da sie jeden Stoß mit Ausrufen begleitete, die zwar keinen Zweifel an ihrem Vergnügen ließen, aber auch die schamloseste Gemeinheit atmeten.

Ich war um eine häßliche Erfahrung reicher geworden und hatte eine Sache von ihrer nackten, unanständigen Seite kennengelernt, die meine Phantasie bis dahin nur mit dem höchsten poetischen Reize bekleidet hatte. Wie so ganz anders war diese Befriedigung des rohen Bedürfnisses, als die zärtliche, [84] innige Vereinigung zweier gebildeter Menschen! Was blieb an der Sache, wenn man ihr die Zartheit, Scheu und Seelenhaftigkeit nahm? Von Liebe oder auch nur von Neigung konnte doch zwischen diesen beiden Wesen nicht die Rede sein. Er war erst seit 14 Tagen im Hause, und was der Zufall mich sehen ließ, war gewiß nicht das erste Mal gewesen. Wahrscheinlich hatte sie dem Neuangekommenen nur die Rechte seines Vorgängers eingeräumt und fand darin gar nichts Besonderes. Aber wie machte sie es nur, daß sie den Folgen eines solchen Umganges entging? Denn schwerlich war der Kutscher der einzige, der sich ihres Schmutzes erfreuen durfte. Ihre Ausrufe bewiesen wenigstens, daß sie eben alles und bis zum letzten Tropfen in sich aufnahm und keinen Begriff von Inachtnehmen oder irgendeiner Vorsichtsmaßregel hatte. Das gab mir viel, aber nicht angenehm zu denken. Freilich konnte es einer Viehmagd ziemlich gleichgültig sein, ob ihr Ruf litt, oder ob sie einem jener unglücklichen Geschöpfe das Leben gab, die bestimmt zu sein scheinen, den Fehltritt der Eltern abzubüßen. Kurz, ich hatte auch erfahren, welchen Vorzug geistige Bildung, Sitte und Ideal vor der großen Masse der Menschen zu verleihen vermag. Es ist auch keineswegs der körperliche Genuß, der physische Nervenreiz allein, welcher die innigste Vereinigung der Geschlechter zu einem Abglanz überirdischer Seligkeit macht. Nein, es ist die geistige Erregung, das Anspannen aller Seelenkräfte, das Hingeben des Verstandes an das Gefühl gleichzeitig mit zauberhaft unerklärlicher Wonne, die jede Faser des menschlichen Körpers über ihre nur irdische Tätigkeit hinaushebt. Damals konnte ich mir davon keine Rechenschaft geben. Ich fühlte nur die ganze Widerwärtigkeit roher, plumper und durch Gemeinheit entweihter Sinnlichkeit, ohne zu wissen, daß auch hier [85] der Adel in der Art und Weise liegt, wie der Genießende die Sache behandelt. Hätte ich dieses Paar eher gesehen, als jene unbeschreiblich genußreiche Szene zwischen meinem Vater und meiner Mutter, so wären meine Neigungen und durch sie meine Erfahrungen wahrscheinlich ganz andere geworden. Deutlich erkannte ich, daß wir ein Spielball des Zufalls, unsere Tugenden und Laster Folgen der Eindrücke sind, die wir empfangen. Ohne die Bekanntschaft Margueritens würde ich wahrscheinlich sehr bald geheiratet haben, ohne jenen Zufall im Alkoven gewiß als ein vollkommen unschuldiges Mädchen in die Ehe getreten sein. – Diese Überzeugung, daß wir nur zu sehr von äußeren Eindrücken abhängen, deren Herbeiführung oder Vermeidung nicht in unserer Gewalt liegen, hat mich stets sehr nachsichtig und milde gegen andere gemacht. Was auf den ersten Anblick verwerflich scheint, ist es oft nicht, wenn man sich die Mühe gibt, die Umstände zu erforschen, unter denen es geschah.

Die erste Zeit meines Aufenthaltes in Wien war ziemlich freudlos. Wir hatten fast gar keine Bekanntschaft und ich besuchte mit großem Fleiße die Gesangstunden meines vortrefflichen Lehrers. Nur der Besuch des Theaters, wenn Opern gegeben wurden, war eine angenehme Unterbrechung in unserem eintönigen Leben. Oft genug hätten sich Gelegenheiten zu Bekanntschaften geboten, und da ich eben in jener schönsten Blüte des Mädchens stand, die man sich richtig: la beauté du diable nennt, so fehlte es auch mir nicht an jungen Männern, die mir die Cour machen wollten. Mein kleiner Verstand hatte sich aber alles zurecht gelegt. Erst wollte ich eine bewunderte Künstlerin werden, – dann wollte ich genießen! – Nichts sollte mich stören in meinen Studien und sie hemmen. Ich wies daher alle Bewerbungen so spröde ab, daß man mich bald meinen [86] eigenen Weg gehen ließ, so daß meine alte Verwandte entzückt über meine Sittsamkeit und Tugend war. Freilich hatte sie keine Ahnung von meinen heimlichen Freuden, die ich indessen, ebenfalls aus Berechnung, nur sehr mäßig genoß.

Nun komme ich zu einem Teile meiner Geständnisse, der mir schwerer wird, als alles bisher Gesagte. Ich habe mir aber einmal vorgenommen, ganz aufrichtig gegen Sie zu sein, und so möge denn auch das gesagt werden. Ich habe vergessen, Ihnen zu erzählen, daß Marguerite mir das Buch geschenkt, in welchem sie an jenem Abend gelesen, als ich sie zuerst belauschte. Es war das ebenso reizend als wollüstig geschriebene Werk: Félicia ou mes fredaines mit vielen kolorierten Kupfern, die mich vollständig belehrt haben würden, was der Mittelpunkt des ganzen menschlichen Lebens ist, wenn ich nicht schon darüber belehrt gewesen wäre. Seine Lektüre machte mir ein unaussprechliches Vergnügen. Aber ich erlaubte sie mir nur alle acht Tage einmal, und zwar am Sonnabende, wo ich jedesmal ein warmes Bad nahm. Dabei durfte mich die Tante nicht stören, das Badezimmer war abgelegen und hatte nur eine Türe, die ich zum Überflusse noch mit einer Decke verhängte. Nirgends eine Ritze, durch welche ich hätte belauscht werden können! So war ich ganz sicher.

Während des Bades las ich in jenem Buche und fühlte an mir dieselben Wirkungen, die ich bei Margueriten beobachtet hatte. Wer könnte aber auch diese glühende Schilderung lesen, ohne selbst dabei in Feuer und Flammen zu geraten? Hatte ich mich dann abgetrocknet und einige Zeit in einem leichten Peignoir geruht, dann begann mein damaliges Paradies. Der große Stehspiegel wurde so gestellt, daß ich mich ganz darin sehen konnte. Mit dem Beschauen meines Körpers in allen Lagen begann mein verschwiegenes Vergnügen. Ich drückte und preßte [87] meine runden, jungen Brüste, spielte an den Knospen derselben und führte dann den Finger an den Urquell aller weiblichen Seligkeit.

Seit meiner ersten Bekanntschaft mit Marguerite hatte meine Sinnlichkeit rasch Fortschritte gemacht und namentlich hatte sich bei mir eine überaus reichliche Entladung jenes süß-berauschenden Balsams eingestellt, der im Augenblicke der höchsten Entzückung aus den innersten Falten des weiblichen Körpers hervorbricht. Die Männer, mit denen ich mich später dem Genuß der Liebe überlassen, waren alle entzückt über die besonders glückliche Eigenschaft und konnten nicht genug ihre Empfindungen schildern, wenn mein Erguß sie überströmte. Damals glaubte ich natürlich, es sei bei allen Frauen so, aber es ist in der Tat eine seltene Begabung, wie ich mich später überzeugte. Geriet doch während meines Aufenthaltes in Paris einer meiner liebenswürdigen Verehrer so außer sich darüber, als er den heißen Strom über sich hinrieseln fühlte, daß er das erste Mal fast die Besinnung darüber verlor, dann aber jedesmal, wenn ich ihm die höchste Gunst gewährte, im Augenblicke meiner Entladung seinen Speer aus der Wunde zog, blitzschnell mit dem Munde meine Quelle bedeckte und den hervorschießenden Lebenssaft bis auf den letzten Tropfen aufsaugte, dann aber mit um so größerer Kraft wieder in mich eindrang und nun seinerseits entlud, aber freilich mit jener Vorsichtsmaßregel, die Marguerite bei ihrem jungen Russen kennengelernt. Hat doch diese Phantasie meines Pariser Freundes mich zu dem Versuche gebracht, ebenfalls jenen wunderbaren Strahl in meinem Mund aufzunehmen, der mit elektrischer Kraft im Moment höchster Wollust aus dem Baume des Lebens hervorschießt. Das gehört aber zu meinen späteren Bekenntnissen und ich kehre daher zu meinen Wiener Sonnabenden zurück. – Es machte[88] mir ein außerordentliches Vergnügen, im Spiegel dem lüsternen Spiele der Hand zu folgen. Der Mittelpunkt des Sinnenreizes lag jedem Angriff offen dar, denn ich hatte die Schenkel so weit als möglich auseinander gespreizt. Geschäftig spielte, rieb und kitzelte ich, drang dann tiefer mit dem Finger ein und fühlte, wie brünstig mein Inneres dem Wohltäter entgegenkam. Lassen sich denn diese himmlischen Gefühle beschreiben? Wie das Blut durch die Adern jagt, wie jeder Nerv bebt, der Atem stockt und endlich der befruchtende, heiße und doch lindernde Lebenstau hervorbricht, um die glühenden Lippen des Liebesmundes zu befeuchten und zu kühlen! Im Niederschreiben entzückt mich die Erinnerung an jene glücklichen Stunden in Wien noch so sehr, daß meine linke Hand unwillkürlich den Weg dahin sucht, wo diese Erinnerungen den lebendigsten Eindruck gemacht. Aus meiner schlecht werdenden Schrift werden Sie sehen, daß mich das Gefühl übermannt. Mein ganzer Körper zittert vor Sehnsucht und Vergnügen. Weg mit der Feder! und – –

5.

[89] V

Über die etwas zu lebhaft gewordene Schilderung am Ende meines vorigen Briefes bin ich nicht zu dem gekommen, was ich eigentlich für Sie aufzeichnen wollte. Die Erinnerung an die geheimen Freuden, welche ich mir damals in der Blüte meines Mädchenlebens zu verschaffen wußte, wand mir die Feder aus der Hand und wies dieser eine ganz andere Beschäftigung an, die auch spät, in meinen reiferen Jahren, ihren Reiz für mich noch nicht verloren hat und zu der ich bei meinem leider gerechtfertigten Mißtrauen gegen alle Männer, hin und wieder meine Zuflucht nehmen muß. Ich sagte Ihnen, daß mein nächstes Geständnis mir schwer fallen würde, und obgleich ich Ihnen schon das so ziemlich auf das Entschiedenste gestanden, so gehört doch wirklich ein Entschluß dazu, auch in dem Folgenden aufrichtig zu sein. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich von allem, was ich zur Befriedigung meiner Sinnlichkeit getan, nichts bereue – ausgenommen meine zu vertrauende Hingebung an jenen gewissenlosen Menschen, der mich, ohne Ihren Beistand, ganz unglücklich gemacht haben würde. – Und so bereue ich es denn auch nicht, was ich damals in Wien gegen Ende meiner Gesangstunden getan.

Als ich nämlich so weit vorgeschritten war, daß ich Rollen einstudierte, bedurfte ich dazu eines Accompagnateurs, der am Klavier saß, während ich im Zimmer umhergehend und den Gesang mit Gesten begleitend, studierte. Mein Lehrer empfahl mir einen jungen Musiker, der in einem geistlichen Institute erzogen, vorzugsweise sich nur mit Kirchenmusik beschäftigte und nebenbei seinen Lebensunterhalt mit Stundengeben erwarb. Er war ein außerordentlich schüchterner junger Mann, nicht besonders hübsch, aber wohl gebildet, sehr reinlich und sauber [90] in seiner Toilette, wahrscheinlich eine Folge seiner Erziehung im geistlichen Institute. Da er der einzige junge Mann war, der unser Haus regelmäßig, allerdings nur während der Studierstunden besuchen durfte, so war es sehr natürlich, daß sich bald eine gewisse Vertraulichkeit zwischen uns herausstellte, die aber mehr von seiner Seite, als von der meinigen im Anfange vermieden wurde, denn er blieb schüchtern und ängstlich und getraute sich fast nie mich anzusehen. Sie kennen meinen Mutwillen und Unternehmungsgeist, und schon damals besaß ich denselben in hohem Grade. Es machte mir Spaß, ihn in mich verliebt zu machen, und das wurde mir nicht schwer. Es gibt keine bessere Verführerin und Gelegenheitsmacherin als die Musik, und da mein Talent bei diesen Studien mit merkwürdiger Kraft hervorbrach, so bemerkte ich recht gut, wie er nach und nach Feuer und Flamme wurde. Da ich ihn nicht liebte, – o nein! dieses mächtige Gefühl sollte ich erst später kennenlernen, – so hatte ich ein besonderes Vergnügen daran, zu beobachten, welche Wirkung es auf einen durchaus noch unverdorbenen, moralisch wie physisch unschuldigen Menschen hervorbrachte. Es war ein grausames Spiel von meiner Seite, und eben weil ich jetzt einsehe, daß es dies war, wird es mir schwer, zu erzählen, was daraus wurde. Ich war nun nach und nach durch alles, was ich gesehen, erfahren und selbst versucht, so neugierig geworden, auch mehr zu erfahren, daß ich mit meinem kleinen Frauenzimmerverstande zu Rate ging, wie ich den Franzl – so war der Name des jungen Musikers – zu mehr und Entscheidenderem bei meinen Koloraturen bringen könne als Seufzen und Schmachten. Wenn aber ein Frauenzimmer erst nach Mitteln sucht, so sind sie auch bald gefunden. An zwei Tagen in der Woche besuchte meine alte Verwandte vormittags den Markt, um selbst Einkaufe [91] für die Wirtschaft zu machen, und zwar zu jener Zeit, wo ich meine Gesangsstudien machte. Die Aufwärterin öffnete dann, meldete ihn aber nicht an, denn sie wußte ja, daß sein Kommen verabredet war. Darauf wurde nun mein Plan gebaut. Wie zufällig erzählte ich dem schüchternen Franzl, wie ich oft so wenig Schlaf des Nachts hätte, daß ich morgens nach dem Frühstück manchmal vom Schlafe überwältigt würde und dann so fest einschliefe, daß nur heftiges Rütteln mich aufzuwecken imstande sei. Als er dies wußte, lag ich das nächste Mal in gut gewählter Stellung auf dem Sofa und schlief, als Franzl pünktlich wie immer mit dem Glockenschlage 10 Uhr eintrat. Den einen Fuß hatte ich so hoch angezogen, das Fichu war mir, wie sich das von selbst versteht, von Nacken und Busen gefallen und den Arm hatte ich so über die Augen gelegt, daß ich unter ihm hinweg alles sehen konnte, was Franzl alles machen würde. Mit klopfendem Herzen, aber auch einem inneren Vergnügen über meine so gut angelegte List, hörte ich ihn kommen; die Küchentür schloß sich und gleich darauf trat er ins Zimmer. Erstarrt und wie versteinert blieb er an der Türe stehen, sein Gesicht rötete sich, seine Augen bekamen einen wunderbaren Glanz und er verschlang mich fast mit seinen Blicken. An der eigentlich kritischen Stelle zeigte sich die Wirkung dieses unvermuteten Anblickes in so unzweideutiger Weise, selbst unter den Beinkleidern, daß mir fast Angst wurde, nun doch ganz allein mit ihm und also gewissermaßen seiner Willkür preisgegeben zu sein. Erst räusperte er sich leise, dann etwas lauter, um mich zu erwecken, als das nichts half, und ich erschrecklich fest weiter schlief, näherte er sich dem Sofa und versuchte, in dem er sich so tief als möglich niederbückte, mir unter den Rock zu sehen. Ich hatte mir zwar vorher alles sorgfältig zurechtgelegt, damit er auch [92] wirklich sehen könnte, aber es mußte sich doch wohl etwas an den Beinkleidern verschoben haben, denn später hat mir Franzl oft genug gesagt, daß er wohl die Schenkel, aber nichts weiter habe sehen können. Ich sah jede seiner Bewegungen und war fest entschlossen, so lange als möglich weiter zu schlafen. Wieder räusperte er sich, hustete und schurrte mit dem Stuhle, – ich schlief! Dann sah er mir so tief als möglich in den Busen, versuchte wieder unter den Rock zu sehen, – ich schlief! Plötzlich ging er aus dem Zimmer, entweder um fortzugehen oder mich durch die Aufwärterin wecken zu lassen. Der dumme, unentschlossene Mensch! dachte ich bei mir und ärgerte mich, daß all meine List vergebens gewesen sein sollte. Nachher erfuhr ich, daß er wirklich die Aufwärterin hatte herbeiholen wollen, sie aber nicht gefunden hatte. Nach einigen Minuten kam er wieder herein und stand nun noch unentschlossener vor meinem Sofa als vorher. Noch einmal versuchte er durch alle möglichen Geräusche, mich zu erwecken, natürlich vergebens, denn nun wollte ich einmal meinen Willen haben. Er war offenbar in einer fieberhaften Aufregung und kämpfte mit sich, was er tun solle. Ich hätte aber nicht Margueritens Unterricht genossen und nicht die »Félicie« gelesen haben müssen, um nicht zu wissen, daß solchem Anblick und solcher Gelegenheit kein Mann auf die Dauer widerstehen kann. So unschuldig und wenig welterfahren Franzl auch war, so hatte er doch Sinne und hätte von Stein sein müssen, um solcher Versuchung zu widerstehen. Wirklich faßte er denn auch endlich den Mut, erst meine Wade, dann meine Knie und meine nackten Schenkel zu berühren. Überlief es mich schon in diesem Augenblicke heiß, wie muß dem armen Jungen erst zu Mute gewesen sein! Immer seine Augen ängstlich auf mein Gesicht geheftet, ob ich auch nicht aufwache, wagte er es endlich, [93] den Fleck zu berühren, der ihn mit zauberhafter Gewalt anzog. Ein wollüstiger Schauder überlief mich, als ich zum ersten Male die Hand eines Mannes an diesem Brennpunkt alles irdischen Vergnügens empfand. Das war doch etwas anderes, als ich bis dahin gekannt! Es war nun keine Verstellung mehr, daß ich tief seufzte und dabei meine Lage veränderte, aber nicht zum Nachteil meines zaghaften Liebhabers, der an allen Gliedern zitterte, daß ich wohl aufwachen könne. Sehr bald überzeugte er sich aber, daß ich einen wahren Totenschlaf haben müsse, und so begann er sein Spiel aufs neue. Durch meine veränderte Lage hatte ich seiner Hand noch freiere Bahn gemacht, und nun begnügte er sich nicht mehr mit der Berührung, sondern hob so leise als möglich meine Kleider auf, um auch zu sehen. Sie selbst haben mir gesagt, als sie mich wegen jener abscheulichen Krankheit untersucht, daß ich sehr reizend gebaut, und trotz der Verwüstung, die damals jene Krankheit angerichtet, gerade in diesem Punkte selten schöne Formen besitze. Also werden Sie mir glauben, daß nun mein Franzl ganz außer sich geriet und selbst seine unglaubliche Schüchternheit der Versuchung nicht mehr widerstand. Er berührte so vorsichtig und sanft den Gegenstand seiner – und ich gestehe es, auch meiner Wünsche, daß ich nur zu deutlich den Unterschied zwischen der Hand eines Mannes, Margueritens und meiner eigenen erkannte. Immer noch schlafend, dehnte und streckte ich mich, hütete mich aber wohl, die Schenkel zu schließen, was bei einer wirklich Schlafenden wohl das Natürlichste gewesen wäre. Nun schien es Franzl aber auch nicht mehr aushalten zu können. Wie besinnungslos öffnete er die Beinkleider, entblößte den Opferstahl, der mich zuverlässig besiegt hätte, wenn Margueritens Warnungen nicht zu lebendig vor meiner Seele gestanden hätten. Ich wollte eine große Künstlerin [94] werden, das war mein fester Entschluß; ebenso entschlossen war ich, zu genießen, was mein Geschlecht ohne Gefahr genießen kann, aber mich einem jungen unerfahrenen Menschen hingeben, das wollte ich nicht! So erwachte ich in dem Augenblicke, wo er auf dem Sofa zwischen meinen Schenkeln niedergekniet war, starrte den Erschrockenen an und warf mich mit einem Schwünge auf die Seite, so daß er augenblicklich jeden Vorteil seiner schon erlangten Stellung verlor und er nicht weiter kommen konnte. Sie haben ja immer mein entschiedenes Talent zur Schauspielkunst gerühmt. Nun, hier wurde eine Szene aufgeführt, bei der Sie die Wahrheit meines Spieles gewiß bewundert hätten. Vorwürfe, Entrüstung, Tränen von der einen, Angst, Verwirrung und Scham auf der anderen Seite – solche Verwirrung, daß er vergaß, den eigentlichen Verräter der Situation wieder wegzuknöpfen, was mir gar nicht unlieb war, denn ich konnte mitten unter Tränen und Schluchzen meine Neugier vollständig befriedigen und ich hatte Ursache, mir Glück zu wünschen, daß meine List mich an einen so jugendkräftigen Mann geführt. Die Explikation war einfach. Ich bewies ihm, daß er von allen Menschen geflohen werden würde, wenn ich mich über sein unwürdiges Betragen beklagen wollte usw. Damit hätte ich ihn aber zur Tür hinausgetrieben und ihn schwerlich je wieder gesehen, wenn ich ihm nicht gestanden, daß ich ihm eigentlich recht gut sei, daß ich schon längst seine Liebe zu mir bemerkt und es daher dem Übermaße dieser Liebe verzeihen wolle, was er an mir gesündigt. Ich muß das alles sehr natürlich und überzeugend gesagt haben, denn er glaubte es unbedingt, wurde endlich Herr seiner Verwirrung, räumte beschämt beiseite, was zu deutlich sein Verbrechen verriet, und das Ende war ein Kuß, der kein Ende nehmen wollte.

[95] Meine Hingebung, ja selbst meine Erwiderung führte aber zu nichts weiter. Er blieb schüchtern wie zuvor und wagte nicht das Geringste. Nach wiederholten Vorwürfen, Beteuerungen, Verzeihungen blieb es eben, wie es war und als wäre nichts vorgefallen. Aus den Gesangsstudien wurde nicht viel, und als mein Ehrenhüter vom Markteinkaufe nach Hause kam, verließ mich Franzl verlegen und scheu, so daß ich mir mit aller meiner List und meinem fein angelegten Plane recht dumm vorkam. Gewiß kam er vor lauter Angst gar nicht wieder; das wurde mir jetzt erst klar. Aber so verrechnet wollte ich mich doch nicht haben! Ich war unruhig und zerstreut und zerbrach mir den Kopf, wie ich, ohne meiner weiblichen Würde etwas zu vergeben, meinen Willen haben konnte. Vor allen Dingen mußte ich wieder allein mit ihm zusammenkommen, denn wie er mir später gestand, hatte ich ganz richtig vermutet. Er war entschlossen gewesen, nie wieder unsere Schwelle zu betreten. Es war nicht leicht, das Richtige zu treffen, denn ich war ja nicht verliebt, sondern nur neugierig, wollte ihm ja keine Rechte einräumen, sondern nur meinen Willen mit ihm haben. Mein Gesanglehrer mußte endlich den Vermittler abgeben. Ich bat ihn, er möge einmal prüfen, ob ich in meinen Selbststudien mit dem von ihm empfohlenen Accompagnateur auch den richtigen Weg gehe? Dazu brauchte der Accompagnateur nur zu ihm bestellt zu werden. Das geschah denn auch ohne weiteres und Franzl war nicht wenig in Verlegenheit, als er plötzlich und unerwartet mit mir zusammentraf. Meine künstliche und seine natürliche Bestürzung und Verlegenheit mußten für denjenigen, welcher das zwischen uns Vorgefallene gekannt hätte, sehr komisch gewesen sein. Alles ging nach Wunsch. Ich flüsterte ihm zu, daß ich ihn notwendig sprechen müßte, denn die Aufwärterin oder die Tante schienen [96] etwas gemerkt zu haben. In der Todesangst war er zu allem bereit, und beim Fortgehen verabredeten wir ein Zusammentreffen am Abende im Theater. Nun war das Eis gebrochen, denn wenn zwischen zwei jungen Leuten erst Heimlichkeit und Verabredung stattfindet, so findet sich ganz von selbst mehr. Am Abende verließ ich früher als gewöhnlich die Loge und fand meinen schüchternen Franzl schon auf dem verabredeten Posten. Ich sagte ihm, daß mir aus den sonderbaren Mienen und Worten der Tante schiene, als habe sie oder die Aufwärterin uns belauscht. Ich wäre in Verzweiflung, da ich nicht wisse, was er während meines unglückseligen Schlafes mit mir angefangen und wieweit er seine schamlose Frechheit getrieben. Ich befände mich seit jener Zeit unwohl und in der fieberhaftesten Aufregung und müßte ja fürchten, daß das Schrecklichste mit mir geschehen sei. Das nahm Franzl alles für bare Münze und wußte gar nicht, wie er mich beruhigen und trösten sollte. Bei alledem kamen wir meiner Wohnung immer näher, und wenn es fortging mit Vorwürfen und Entschuldigungen, so trennten wir uns wahrscheinlich auch heute, ohne daß unser Verhältnis ein anderes geworden. In höchster Aufregung wurde ich daher plötzlich unwohl und konnte nicht mehr gehen, so daß Franzl einen Fiaker holen mußte, und wahrscheinlich, hätte ich ihn nicht halb und halb mit hineingezogen, ich glaube, er hätte mich allein nach Hause fahren lassen. In der traulichen Enge und dem Dunkel des Wagens konnte er mir aber nicht entgehen, nur war meine Sorge, daß wir in wenigen Minuten vor meinem Hause sein mußten. Ich sagte ihm daher, so verweint und aufgelöst könne ich mich nicht vor meiner Tante sehen lassen, er solle dem Kutscher sagen, daß er uns wenigstens einige Zeit auf dem Glacis umherfahre, damit ich nur erst wieder zu mir käme. Es geschah, und nun [97] ging alles nach Wunsch. Aus Tränen wurden Küsse, – aus den Vorwürfen Liebkosungen. Ich empfand zum ersten Male den ganzen Reiz der Umarmung eines Mannes, sträubte mich zwar, aber doch nicht so entschieden, daß seine Schüchternheit ihn hätte aufhören lassen, ich wollte immer wissen, was er eigentlich während meines Schlafes mit mir gemacht habe.

Als alle Erklärungen und Beteuerungen nicht aus reichten, versuchte er endlich praktisch mir zu beweisen, daß er sich wirklich mit wenigem begnügt. Seine Hand suchte den Ort, der sie längst erwartete und wagte die erste Berührung, die eine ganz andere Wirkung auf mich machte, als jene in meinem Scheinschlafe, denn er verschloß dabei meinen Mund mit Küssen. Anfangs schloß ich die Schenkel so eng wie möglich, öffnete sie nur nach und nach, wie von seinen Liebkosungen überwältigt, seufzte, ließ die Vorwürfe in dem kürzer werdenden Atem ersticken und genoß nun mit unbeschreiblichem Vergnügen die Zärtlichkeiten seiner Hand. Er benahm sich freilich ungeschickt und unerfahren dabei. Ich verstand es besser, den rechten Punkt und den rechten Augenblick zu treffen, aber eben diese Unerfahrenheit übte einen außerordentlichen Reiz auf mich aus und ich dachte dabei mehr an die Genüsse, die bei vertrauterer Bekanntschaft mit ihm meiner harrten, als an die Gegenwart. Daß bei dem Weib der größere Reiz im Vorhofe liegt, davon hatte Franzl keine Ahnung. Sein Streben war nur, so tief als möglich mit dem Finger hineinzukommen, und je mehr ihm das gelang, je feuriger wurde er, je mehr geriet er außer sich. Ich fühlte deutlich, wie mächtig die Natur ihn zu mehr, zu einer vollkommenen Vereinigung mit mir drängte; aber davon war keine Rede und sollte nie zwischen uns die Rede sein, das war ich fest entschlossen! Sowie er sich daher zu sehr auf mich [98] drängte und zwischen meine Schenkel zu kommen versuchte, warf ich ihn heftig zurück, drohte um Hilfe zu schreien, war aber gleich wieder nachgebend und versöhnt, wenn er erschrocken zurückwich und sich dann mit der Hand begnügte. So sehr ich meine Freude an dem Gelingen des Planes hatte, so unvollkommen war doch der eigentliche Genuß, und obgleich ich mich in den Wagen gesetzt hatte, um mich angeblich zu erholen, so war unsere Unterhaltung doch nicht besonders dazu geeignet. Die Zeit verflog aber so rasch, daß ich endlich eilen mußte, nach Hause zu kommen.

Diesmal trennte ich mich mit der Gewißheit von dem armen Franzl, daß er wiederkommen würde, und ich täuschte mich auch nicht. Er kam und es begann eine Reihe von glücklichen und genußreichen Stunden, die mir jetzt noch eine angenehme Erinnerung gewähren, obgleich ich das Leben seitdem sehr viel voller und reicher kennengelernt. Ehe ich Ihnen aber weiter davon erzähle, muß ich einschalten, daß ich gerade an diesem mir unvergeßlichen Abende noch eine andere Erfahrung machte, die mich wieder einen unerwartet tiefen Blick in die Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft werfen ließ und mir aufs Neue bewies, wie alles täuscht, was von ihr zur Schau getragen wird. Meine Tante – sie war es nicht, sondern weitläufig mit mir verwandt, ich nannte sie aber der Kürze wegen so – war schon über vierzig Jahre alt und in jeder Beziehung ein Muster von Häuslichkeit, strenger Sitte, Ordnung und Sparsamkeit. Die einzigen Wesen, für die sie sich interessierte, waren ein Kanarienvogel und ein fetter, schwerfälliger Mops, den sie fast nie aus ihrem Zimmer ließ und alle Tage einmal spazieren führte.

Es war in der Tat später geworden, als ich gedacht, wie ich nach Hause kam, und die Aufwärterin sagte mir, daß die Tante schon in ihr Schlafzimmer [99] gegangen sei. Nachdem ich mich ausgezogen hatte, damit sie meiner allerdings etwas in Unordnung gekommenen Toilette nichts anmerken sollte, wollte ich ihr gute Nacht sagen und ihr irgendeine Geschichte für mein spätes Nachhausekommen erzählen. Da ich aber nicht stören wollte, wenn sie vielleicht schon schliefe, so sah ich durch das Schlüsselloch, ob sie noch Licht in ihrer Kammer habe. Ich hätte auch alles andere erwartet als den Anblick, den ich hier so zufällig hatte. Meine Tante lag wirklich bereits im Bette, hatte aber die Decke zurückgeschlagen und zwischen den Schenkeln den Mops, welcher aufs Eifrigste beschäftigt war, die ehemaligen Reize meiner alten Sittenrichterin zu lecken. Ich kann nicht sagen, daß dieser Anblick besonders appetitlich gewesen wäre. Der ganze Oberkörper war mit der Nachttoilette verhüllt, nur der Unterkörper entblößt. Die Schenkel mager und unschön geformt, waren so weit, als es irgend ging, auseinander geworfen, wahrscheinlich, um dem lüsternen Tiere die Sache bequem zu machen. Der Wald von Haaren, der diese mystische Grotte umwucherte, war so dicht und struppig, daß die Schnauze des Hundes ganz darin versank und man eben nur aus seinen Bewegungen erriet, womit er sich und seine Herrin erfreute. Also auch die Tante! – Auf die hätte ich doch geschworen, und nun kam ich dahinter, daß auch sie keineswegs gegen den Mittelpunkt alles irdischen Lebens und Strebens gleichgültig war. Freilich begnügte sie sich nun mit einem geringen Grade und wahrscheinlich aus Furcht, sich in eines Menschen Hand zu geben, da sie auf Liebe und Zärtlichkeit doch keinen Anspruch mehr machen konnte. Die Sache selbst war mir neu, und ich wollte doch sehen, wie lange das dauern und wie das endigen würde, verhielt mich also still und lauschte nur um so aufmerksamer durch das Schlüsselloch. Meine Tante hatte die Augen [100] geschlossen, ich konnte also an dem Ausdrucke ihres Gesichts nicht erkennen, welche Wirkung das heimliche Vergnügen auf sie machte, dagegen sprachen die Bewegungen des Unterkörpers desto deutlicher dafür, daß ihr sehr wohl sein mußte, denn sie hob sich der geschäftigen Zunge des Hundes entgegen, wendete die Hüften bald rechts und bald links und schien ihm helfen zu wollen. Manchmal schloß sie auch die Schenkel, als wollte sie den Hund damit umhalsen. Offenbar war Tantchen wohlerfahren, denn als der Hund ermüdet nachließ, fuhr sie blitzschnell mit der Hand herab und setzte in heftiger Bewegung fort, was ihr Liebling aufgegeben hatte. Nun folgte aber ein ungemein komisches Schauspiel. Der Mops, dessen tierische Begierden wohl aufgeregt sein mochten, klammerte sich in der angeborenen Art an der einen Wade fest, während Tantchen immer lebendiger wurde, um die wohltätige Krisis herbeizuführen, war ihr Partner ebenso eifrig, dies auf seine Art zu erreichen. Aber es sollte ihm nicht so gut wie seiner Herrin gelingen. Während sie den Moment der Entzückung beeilte, ließ sie sich keine Zeit, den Hund abzustreifen. Kaum verkündete aber ein wollüstiger Schauer, der über ihren ganzen Körper flog, und ein Strecken ihrer Glieder, daß die Quelle in ihrem Innern sich geöffnet haben mußte, als sie mit einem so heftigen Stoße das Tier von ihrem Beine fortschleuderte, daß es winselnd vom Bette sprang und sich auf sein Lager verkroch. Sie blieb noch einige Minuten wie nachgießend liegen, zog dann die Decke über sich und löschte das Licht.

So war das wahrlich unerwartete Schauspiel für mich vorüber und ich hütete mich wohl, meine Anwesenheit an der Türe zu verraten. Also wiederum um eine Erfahrung reicher und zwar in einem Augenblicke, wo ich mich fast schämte, die strenge, unempfindliche Sittenrichterin durch eine Lüge hintergehen [101] zu wollen. Jetzt wußte ich, woran ich mit ihr war und wollte mich nun nicht mehr täuschen lassen. Aber versuchen mußte ich das auch, was ich sie hatte treiben sehen; das stand sofort bei mir fest! Mußte es doch in jeder Beziehung gefahrlos sein, da eine so männerscheue Jungfrau sich damit ergötzt und – da ich doch nun einmal recht aufrichtig sein soll – so gestehe ich, daß mir der sonst unausstehliche Mops leid tat, weil er durch das Wegschleudern nicht auch seinen Willen gehabt. – Wunderbar von all dem heut Erlebten erregt, schlief ich erst spät ein und träumte unglaubliche Dinge, bei denen Franzl und der Mops sonderbar durcheinander gemengt waren. Am anderen Tage hatte ich nichts Eiligeres zu tun, als die Tante zu einem Besuche bei einer befreundeten Familie in der Wieden-Vorstadt zu treiben, und als ich allein in der Wohnung war – wurde der Versuch vorgenommen.

Jetzt begriff ich übrigens, weshalb die Tante den Hund nie aus ihrem Zimmer ließ, denn kaum hatte ich ihn in mein Zimmer geholt, so fing er auch schon an, unter meinen Rock zu schnüffeln. Das hatte ich auch wohl früher schon bemerkt, aber keine Ahnung davon gehabt, was das bedeuten könne. Die Tante hatte ihn auch jedesmal zu sich gerufen und auf den Schoß genommen, wenn sie so etwas bemerkte. Das alles war mir seit gestern erklärt und verständlich. Es bedurfte auch gar keiner besonderen Vorbereitung, um zu erreichen, was ich eigentlich wollte. Kaum hatte ich mich auf das Sofa gelegt und ihm freie Bahn gemacht, so leistete er mir auch schon dieselben Dienste wie der Tante. Anfangs schien ihm Form und Schmuck ungewohnt; ich mußte erst mit den Fingern den Eingang öffnen, ehe er sich so eifrig zeigte, wie ich ihn gestern abend bei seiner Herrin gesehen. Dann aber hatte ich alle Ursache, mich der neuen Entdeckung zu freuen. Ich habe alle Arten [102] des heimlichen Vergnügens kennengelernt, aber ich leugne nicht, daß dies Lecken eines Hundes, wenn es nicht ungestüm wird, eigentlich die behaglichste, aber allerdings auch unvollständigste ist. Behaglich, weil man selbst ganz untätig dabei ist, sich ganz seiner Phantasie überlassen kann, als bei irgendeiner anderen Art möglich. Unvollständig, weil nie eine Befriedigung eintreten kann. Die Zunge eines Tieres wird nicht schneller, nicht nachdrücklicher, nicht belebter, sie bleibt gleichmäßig angenehm, warm und feucht. Ich war neugierig, wie lange ich diesen sanften Reiz ertragen würde, und siehe da, ich konnte es über eine Viertelstunde. Grund genug, um mir zu meiner Entdeckung Glück zu wünschen.

Habe ich meine Scheu so weit besiegt, so muß ich hier gleich noch ein Geständnis hinzufügen, das ich nicht gedacht hätte, jemals irgendeinem Menschen so machen zu können. Sie haben aber einmal mein Wort und so will ich Ihnen auch nichts verhehlen. Wie bei der Tante, fing der Hund auch bei mir an, sich an meinem Beine festzuklammern und seinem Naturtrieb zu folgen. Mutwillig, wie ich bin, machten mir die vergeblichen Anstrengungen des Tieres Spaß und ich ließ ihn ungestört sein Wesen treiben. Endlich fing er an, mir leid zu tun und ich suchte ihm zu helfen. Der Eifer, mit dem nun das Tier der Gewalt seines Triebes folgte, machte durchaus keinen unangenehmen Eindruck auf mich. Was ich sah, machte mich neugierig, denn die Formen waren ja so durchaus anders, als ich sie bis dahin bei Menschen gesehen, daß sich mein Verstand alles so zurechtlegte und erklärte, was ich immer nur mit Verwunderung angesehen, wenn dergleichen auf der Straße geschah. Ich gestehe Ihnen also, daß ich dem armen gequälten Tiere half, ihm mit der Hand wenigstens eine Täuschung bereitete und mit Vergnügen sah, daß er endlich den für die Fortpflanzung [103] bestimmten Saft mit ebenso großer Heftigkeit ausströmte, als ich es bei meinem Cousin gesehen.

Weit entfernt, Reue über eine anscheinende Verirrung der Weiblichkeit zu empfinden, füge ich gleich hinzu, daß es mir auch später immer großes Vergnügen gemacht hat, Tieren bei ihrer Begattung zuzusehen, ja ihnen dazu zu verhelfen. Ich muß es mir allerdings gefallen lassen, wenn Sie das eine Verirrung, eine Schrankenlosigkeit in der Sinnlichkeit nennen und kann Ihnen nur darauf erwidern, daß Sie mich bis dahin, wo ich Ihnen nicht allein meine Schwangerschaft, sondern auch meine Ansteckung gestand, für ein sehr sittliches Mädchen gehalten, daß ich also niemanden durch meinen geheimen Geschmack beleidigt oder niemanden gekränkt oder wehe getan. Alles, was das geheimnisvolle Werk der innigsten Vereinigung zweier geschaffener Wesen anging, hatte von dem Tage an, wo ich durch meine Eltern plötzlich und unveranlaßt in die verborgenen Genüsse der Liebe und der Wollust eingeweiht wurde, einen unbeschreiblichen und unwiderstehlichen Reiz für mich, ohne daß er mich je zu Unbesonnenheiten hingerissen hätte. Ich tat so ziemlich alles, aber ich sprach nie davon und zeigte nur im vertrautesten Umgange, was mich erfüllte. – Später mit der Familie eines Gutsbesitzers genau befreundet, der eine bedeutende Pferdezucht hatte und die schönsten englischen und arabischen Hengste hielt, wußte ich es zu machen, daß ich während einer Badereise jener Familie 3 Wochen allein auf dem Gute derselben zubrachte und dort fast täglich das Decken der Stuten durch diese wunderschönen Hengste mit ansah. Ganz zufällig hatte ich nämlich einmal bei einem Spaziergange einen Hengst belauscht, der eine Stute zu seinem Willen zwang. Der Anblick war mir unvergeßlich gewesen und mit meiner ungewöhnlichen Schlauheit wußte ich mir dies Vergnügen [104] drei Wochen hintereinander zu verschaffen. Niemand ahnte, daß ich, hinter einer Gardine verborgen, den Hengsten zusah; denn meine Zimmer lagen weit von dem Beschäl-Platze ab und ich mußte immer einen gewissen Ort besuchen, um das Schauspiel zu haben; aber ich kann versichern, daß ich nichts Schöneres kenne, als einen Hengst in dem Moment seiner Vereinigung mit der Stute. Diese schönen Formen, diese Gewalt und Kraft, diese Glut in den Augen, diese sichtbare Spannung aller Nerven und Muskeln und endlich dieses bis zur Sinnlosigkeit und Wut gesteigerte Genießen! – das alles hat für mich einen großen Zauber gehabt. Man mag darüber kalt und spröde sprechen, ja wirkliche Abneigung dagegen fühlen, immer wird man zugeben müssen, daß die Begattung der wichtigste Moment des ganzen tierischen Lebens ist und daß die Natur in den meisten Fällen mit besonderem Reize und besonderer Schönheit auch für die menschlichen Sinne ausgestattet. – Die Vögel singen am süßesten, wenn sie sich begatten wollen, die Hirsche kämpfen; jedes Wesen steigert sich in der Äußerung seiner Kraft und seiner Schönheit. Beides im vollkommensten Maße kommt bei einem schönen Pferde edelster Rasse zur Erscheinung. Ebenfalls einem Naturgesetze folgend, weigert sich anfangs die Stute, und der Hengst muß sich ihr vorsichtig nähern, will er nicht Gefahr laufen, geschlagen zu werden. Erst nach und nach gelingt es ihm, ihren Widerstand zu besiegen, indem er um sie her jagt, ihr die Weichen mit seinen Nüstern berührt, wiehert und sich im Übermaße seiner Kraft kaum zu fassen weiß. Man sieht unter seinem sammetglatten Fell Adern und Muskeln anschwellen und das Zeichen seiner Männlichkeit erscheint in einer Größe und Nervigkeit, daß man fast nicht begreift, wohin es sich zu versenken bestimmt ist. Endlich nimmt die Stute die Liebkosungen an und stellt sich [105] begehrend ihm entgegen. Im Augenblick hat er auch den Thron bestiegen und läuft nun Sturm auf den Hafen seiner Lust, aber wie oft und wie lange vergebens? Das Ziel ist zu klein für die Stöße eines solchen Speeres. Man möchte dem armen Tiere helfen und erfahrene Gestütsknechte tun dies auch. Hat er aber auch nur den Rand berührt, nimmt sie nur erst die Spitze an, so erfolgt ein Stoß, der in seiner Heftigkeit und seinem vollständigen Erfolge gar nicht zu beschreiben ist. Die Augen wollen fast aus dem Kopfe. Dampf geht aus seinen Nüstern und der ganze Körper gerät in Aufruhr. Wer das mit geistigem und sinnlichem Auge sieht, der hat einen großen Genuß. Ich leugne nicht, daß ich mich gar nicht satt daran sehen konnte, ja, daß es mich jedesmal in hohem Grade aufregte. Wie mir das Schauspiel der heimlichen Vergnügungen meiner Tante ganz unerwartet und zufällig ward, so habe ich auch diese Geständnisse hier nur zufällig eingeschaltet und ich kehre daher zur Hauptsache zurück.

Nach jenen Erklärungen und Vertraulichkeiten im Fiaker wurde das Verhältnis zwischen Franzl und mir ein sehr eigentümliches. Da ich ihn nicht liebte – dieses wunderbar mächtige Gefühl sollte ich erst später und zu meinem Unglück kennenlernen – so hatte ich fest beschlossen, daß ich ihm nie das ganze Recht eines Mannes gestatten wollte. Er sollte mir zum Amüsement dienen und ich wollte mit ihm erfahren und kennenlernen, was sich ohne Gefahr erfahren ließ. Natürlich wurde er nach und nach dreister, aber eben, weil ich ihm nie die letzte Gunst gestattete, behielt ich stets die Gewalt über ihn und konnte ihn mit einem Worte leiten. – So oft ich mit ihm allein war, – und ich war auch darauf bedacht, daß dies nicht zu oft geschah, hatte ich die reizendsten Augenblicke mit ihm. Seiner Hand gestattete ich die vollste Freiheit und er war bald genug weniger [106] ungeschickt und ungestüm, als in jenem Fiaker. Er durfte jeden Teil meines Körpers küssen, liebkosen! Aber freilich hatte ich immer genug zu tun und aufzupassen, um ihn von mehr abzuhalten. So wie er sich zwischen meine Schenkel drängte, – sich unbemerkt zu entblößen versuchte und dem Hauptziele zustrebte, warf ich ihn mit einer geschickten Wendung zurück und wurde erst wieder nachgiebig, wenn er versprach, bescheiden zu sein. Das wurde dem armen Jungen freilich herzlich sauer und ich bemerkte einige Male, daß er in der höchsten Aufregung nicht mehr Herr über sich blieb und ihm seine Kraft ausströmte. Entsetzlich neugierig war ich schon längst gewesen, jenes wunderbare, von der Natur so sinnreich ausgestattete Werkzeug näher kennen zu lernen, mit dem der Mann uns so unbeschreiblich glücklich, aber auch so namenlos unglücklich machen kann. Ich müßte weniger weiblichen Mutterwitz besessen haben, wenn ich nicht auch darin bald meinen Willen gehabt hätte. Natürlich durfte er nicht merken, was ich eigentlich wünschte, im Gegenteil sollte er glauben müssen, daß er mich zu jedem Schritt auf dieser abschüssigen Bahn verführt. Das beste Mittel war, ihn selbst dasjenige bei mir tun zu lassen, was ich eigentlich bei ihm tun wollte und Tantchens Mops hatte mich belehrt, daß, wenn man nicht alles gewähren will und kann, doch Entschädigung dafür möglich ist. Es war auch nicht schwer, meinen Franzl dahin zu bringen, daß er nicht allein den Mund und Busen küßte, sondern sich ein entscheidenderes Ziel für seine Küsse aufsuchte. Kann aber die Zunge beim Kusse des Mundes nicht lange untätig bleiben, so kann sie es noch weniger beim Berühren des Mittelpunktes aller unserer Reize, und als erst meine Seufzer, mein Dehnen und Beben ihm verrieten, daß ich dieser Liebkosung gegenüber schwach würde, da wurde er sogar sinnreich und bereitete [107] mir ein unbeschreibliches Vergnügen. Manchmal schien er es benutzen zu wollen, wenn mich nach einem Ergüsse meines Innern vollkommene Kraftlosigkeit und Hingebung zu überkommen schien. Er schob sich dann herauf und wollte meinen unbewachten Augenblick benutzen, fand sich aber jedesmal getäuscht, denn auch in den Augenblicken höchsten Vergnügens verließ mich das Bewußtsein nicht, was alles auf dem Spiele stand, wenn ich mich in dem Hauptpunkte nachgiebig zeigte. Ganz bescheiden mußte er von seinem vermeintlich schon eroberten Throne wieder herabsteigen und sich dorthin wenden, wo er ohne Gefahr Vergnügen genießen konnte. Was Marguerite mir von ihren heimlichen Spielen mit ihrer Herrin erzählt, das erfuhr ich jetzt an mir selbst. Wenn Franzl mit seinem Lockenkopf zwischen meinen Schenkeln lag, den Mund fest auf dem Gegenstande seiner Sehnsucht und wenn er dann seiner Zunge das freieste, lüsternste Spiel ließ, kitzelte, saugte, so tief als möglich einzudringen suchte und ich ganz sorglos und ruhig genießend daliegen konnte, dann verglich ich im Stillen, wie viel glücklicher ich war, als die Baronin. Bei mir war es ein junger, hübscher, kräftiger Mann, bei ihr war es nur Marguerite gewesen. Ich konnte sehen, welche mächtige Wirkung meine Hingebung auf ihn machte. Es war unbeschreiblich reizend, besonders wenn es im Moment des höchsten Entzückens warm aus meinem Innern hervorschoß und er deswegen die Lippen nicht wegnahm, sondern sie nur um so fester ansaugte und schlürfte, als ob er mein ganzes Leben in sich hineintrinken wollte. – Ich leugne keinen Augenblick, daß diese Art des Genusses stets einen außerordentlichen Reiz für mich gehabt hat. Es liegt teilweise in der eignen, vollkommenen Untätigkeit, mit der das Weib die Liebkosungen des Mannes genießt, teils aber auch in der Ungewöhnlichkeit [108] der Huldigung, die dadurch ihren Reizen dargebracht wird; denn wie gesagt, sie ist selten und namentlich dann, wenn der Mann ein Recht hat, mehr zu verlangen. – Schon in der ganz äußerlichen Berührung mit dem Munde, in dem ganz einfachen Kusse zeigt sich eine berauschende Wirkung, versteht aber die Zunge ihre Aufgabe, oder lernt sie ihre Aufgabe durch die Bewegungen des geschmeichelten Teiles verstehen, so weiß ich in der Tat nicht, ob ich diesem Genüsse nicht den Vorzug vor jedem anderen geben soll, schon weil er so viel länger dauert und immer noch ein Sehnen nach mehr übrig läßt.

Es war mir in der Tat leichter geworden, Ihnen alles Bisherige einzugestehen, als dasjenige, was nun folgt. Ich entsage dadurch dem schönen Vorrechte des Weibes, immer nur die Gewährende, halb Gezwungene zu sein. Aber es soll nun einmal Wahrheit zwischen uns sein, und was ich kaum den Mut haben würde, Ihnen mündlich zu sagen, soll deswegen nicht ungesagt bleiben. – Es war wohl nur natürlich, daß sich für so viel Liebenswürdigkeit und Hingebung meines Franzl mit der Zeit auch die Gegenseitigkeit einfand. Längst hatte ich gewünscht, dasselbe zu tun, was ich an jenem unvergeßlichen Tage von meiner Mutter gesehen, als sie meinen Vater zu wiederholtem Genüsse aufforderte und siehe da, die Sache machte sich wie von selbst. Erst die Hand mit schamhaft weggewendetem Auge, dann den Mund, erst nur oberflächlich küssend, dann nach und nach mehr, endlich das volle von Scheu und Schamhaftigkeit nicht mehr beschränkte Vergnügen. Ich weiß freilich nicht, was Männer fühlen, wenn sie jenen Gegenstand ihrer Begier liebkosen können. Darf ich aber nach dem schließen, was ich empfand, als ich jenes wunderbar gestaltete Werkzeug männlicher Kraft betrachten, liebkosen, drücken, es küssen, [109] an ihm saugen und endlich zu überreichlichem Herausschießen des Lebenssaftes reizen konnte, so ist allerdings die Wollust des Mannes mächtig. Ich hatte nun schon bei meinem Vater, bei meinem Cousin und dem Kutscher meiner Eltern gesehen, was ich jetzt berühren und betrachten konnte. Nun aber sollte ich seine ganze Kraft und Schönheit im vollsten Maße kennenlernen! Franzl war jünger als mein Vater, gesünder und kräftiger als mein Cousin und endlich zarter und zierlicher als jener rohe Bursche im Stalle, so also des Betrachtens und Versuchens kein Ende. Gewiß gibt es viele Frauen, die entweder aus wirklicher Schamhaftigkeit oder aus Ziererei nie das Vergnügen ganz kennenlernen. Viele Gründe wirken darauf ein. Vor allem der Charakter des Weibes, dann aber auch das Ungestüm des Mannes, das sich nicht gern mit den doch so süßen Vorspielen aufhält, sondern sofort zum höchsten Genüsse drängt. Es gehören eben günstige Umstände dazu; ein gegenseitiges Übereinstimmen, vollkommenes Ungestörtsein und tausend andere Dinge, die sich nicht lehren, sondern erfahren lassen. Mit meinem Franzl war es gewiß nur eine billige Entschädigung dafür, daß ich ihm standhaft den Eintritt versagte, daß ich ihm aus Berechnung das verschloß, was er sein Paradies nannte. Er geriet gewöhnlich so außer sich, wenn er mich da geküßt, gesaugt und geschlürft hatte, wo er sich nie eines vollständigen Sieges erfreuen sollte, daß ich schon aus Mitleid hätte tun müssen, was ich aus Vergnügen tat. Es war aber weniger Genuß für mich, wenn ich ihn in höchster Aufregung durch wenige Bewegungen mit der Hand von der Fülle seiner Kraft durch Übersprudeln befreite, sondern, wenn ich ihn nach kurzer Erholung und sorgfältiger Abwaschung zum zweitenmale, nach und nach zu neuem Leben erwachen ließ, wenn ich dies Meisterstück der Natur aus vollständiger [110] Kraftlosigkeit wieder erstarken sah. Wie das schwoll! Wie es sich färbte! Wie es drohte und doch mir nicht gefährlich war! Wie weich und willenlos gleich nach der Befriedigung! Wie starr und unbeugsam bei wiedererwachender Begierde! Wie entzückend endlich im Augenblicke des Überströmens! Sollte ich hier, wo ich alles sage, leugnen, daß ich endlich in einem wahren Taumel von Vergnügungen, wie von selbst den wunderbaren Nerv mit meinem Munde bedeckte, mich mit den Lippen fest an seine sammetne Spitze saugte und den ganzen Erguß im Innern meines Mundes aufnahm, ja nicht eher mit Saugen und Schlürfen aufhörte, bis ich fühlte, daß zuckend und bebend der letzte Tropfen dieses himmlischen Balsams herausgespritzt war. Noch jetzt jagt mir das Blut durch die Adern, wenn ich daran denke und wahrlich, ich bereue auch noch jetzt nichts von alledem, was ich damals getan. Nur was ich später getan, hat mir Reue, bittere Reue eingetragen, obgleich ich es Ihrer uneigennützigen Freundschaft verdanke, daß diese Reue nicht mein ganzes übriges Leben vergiftete. An mir selbst habe ich es erlebt, daß man nicht immer ungestraft mit dem Feuer spielen darf und daß auch der festeste Vorsatz endlich von einem verräterischen Zucken der Nerven, einem geheimnisvollen Drange in unserem Innern überwältigt wird. Es wäre traurig, wenn irgendein junges Mädchen bei dem Lesen dieser Briefe – denn ich kann ja nicht wissen, welchen Gebrauch Sie davon machen werden, obgleich ich die feste Überzeugung habe, daß es kein für mich unedler sein wird, – sich verführen ließe, in allen Stücken ebenso handeln zu wollen, alle Versuche ebenso zu wagen, wie ich es, von den Umständen begünstigt, getan habe. Wenn sie z.B. den Selbstgenuß öfters als höchstens einmal in der Woche treiben wollte, so wollüstig er auch ist, – körperliche Schwäche und Krankheiten würden unvermeidliche[111] Folgen sein. Wenn sie sich dem vertrauten Umgang mit einer Freundin überließe, ohne vorher ihrer Verschwiegenheit und der Verhältnisse sicher zu sein, würde Plauderhaftigkeit die unangenehmsten Folgen herbeiführen können. Wenn sie einem jungen Manne, der sie nicht heiraten kann, Vertraulichkeiten gestattet und nicht genau wüßte, daß sie Herrin ihrer Sinne bleiben kann, so würde sie durch nur einen unbewachten Augenblick ihr ganzes übriges Leben vergiften! Deshalb ist auch die Lektüre wollüstiger oder schlüpfriger Bücher und das Beschauen obscöner Bilder so außerordentlich gefährlich für jedes junge Frauenzimmer! Ich habe später durch Zufall eine ganze Sammlung solcher Bilder und Bücher kennen gelernt und kenne den Eindruck, den sie machen, genugsam aus Erfahrung. – Die »Denkwürdigkeiten des Herrn von H ...«, »Pfaffengalanterien« und die »Verschwörung in Berlin«, Althings »Kleine Erzählungen« und die »Priapischen Romane« in deutscher Sprache, den »Portier des Chartreux«, »Faublas«, »Félicia ou mes fredaines«, »Les confessions érotiques de l'abbé Pineraide« usw. in französischer Sprache sind in der Tat ein wahres Gift für unverheiratete Frauen. Sie alle schildern die Sache selbst in den reizendsten, aufregendsten Formen, aber keine spricht von den Folgen, keine zeigt, was ein Mädchen alles auf das Spiel setzt, wenn es sich rücksichtslos einem Manne hingibt; keine malt die Reue, dieSchande, den Verlust des guten Rufes, selbst die körperlichen Leiden, welche es treffen können. Deshalb ist die Ehe ein so vortreffliches, gar nicht genug zu verehrendes Institut, darum muß jeder vernünftige Mensch alles tun, um sie aufrecht zu erhalten, sie mit jeder Art von Achtung und Sicherheit zu umgeben. Ohne sie würde Sinnenlust die Menschheit zu wilden Tieren machen. Das ist meine feste Überzeugung, obgleich ich mich selbst [112] noch nicht vermählt habe. Eine Künstlerin darf sich eben nicht binden. Sie kann nicht zugleich Hausfrau, Familienmutter und der Liebling des Publikums sein und ich fühle, daß ich eine gewissenhafte Gattin und eine zärtliche Mutter sein würde, – vorausgesetzt, daß mein Gatte mich so glücklich macht, wie ich es dann um ihn verdienen würde. Eben, weil ich weiß, von welcher außerordentlichen Wichtigkeit der geschlechtliche Lebensgenuß für alle menschlichen Verhältnisse ist, – weil ich mich durch Erfahrung und aufmerksame Beobachtung überzeugt habe, daß in diesem zarten und von jedem achtbaren Menschen geheim gehaltenen Mittelpunkte das ganze menschliche Leben zusammenläuft, – würde ich meinem Gatten in jeder Beziehung eine liebenswürdige und musterhafte Lebensgefährtin sein. Ich würde handeln, wie meine Mutter gehandelt hat, ich würde mich bestreben, meinem Gatten immer neu zu sein, ich würde auf alle seine Phantasien eingehen und doch ihm immer noch etwas zu wünschen übrig lassen, ich würde alles sein und nichts scheinen, worin ja doch eigentlich das ganze menschliche Leben besteht.

6.

[113] VI

Am Schlusse meines letzten Briefes bin ich wider meinen Willen ernsthaft geworden! Das ist nun einmal eine Eigenheit meines Charakters. Immer sehe ich die Folgen der Dinge voraus, immer muß ich mir Rechenschaft von allen Eindrücken, Gefühlen und Erfahrungen geben. Selbst der heftigste Sinnenrausch hat diese Richtung meines Geistes nicht überwältigen können. Gerade heute komme ich zu einem Abschnitte in meinen Geständnissen, der Ihnen das beweisen wird.

Das Verhältnis mit meinem Franzl hatte seinen ungestörten Fortgang. Ich war stets vorsichtig, so daß meine Tante nicht das geringste merkte, ebenso blieben unsere Zusammenkünfte allen ein Geheimnis, die uns kannten und mit denen wir umgingen. Dabei hielt ich mit äußerster Strenge darauf, daß wir uns nie öfter als nur einmal in der Woche allein befanden, weil ich wohl fühlte, daß es sonst der Gesundheit und dem Wohlbefinden schädlich sein könne. Je mehr sich aber der Zeitpunkt näherte, wo ich zum ersten Male auftreten sollte, je zuversichtlicher wurde mein anfangs so ängstlicher Franzl. Er glaubte schon Rechte über mich gewonnen zu haben und wurde herrisch wie alle Männer, die sich ungestörten Besitzes bewußt sind. So hatten wir aber nicht gewettet! Kaum bemerkte ich das wiederholt, so stand auch mein Plan fest. Im Begriff, eine ganz besonders glänzende Karriere zu beginnen, sollte ich mich an einen unbedeutenden Menschen fesseln, den ich in jeder Beziehung übersah? Nimmermehr! Mit ihm brechen und in Unfrieden scheiden, das war gefährlich, denn wer hätte mir für seine Diskretion gestanden? Das mußte geschickt gemacht werden, und es gelang mir, das Verhältnis so zu lösen, daß er noch jetzt glaubt, ich hätte ihn geheiratet, wenn der Zufall [114] uns nicht getrennt hätte. Dieser Zufall war aber eine wohlangelegte, feine Intrigue. Ich ließ meinen Gesanglehrer merken, daß sein Accompagnateur mich mit seinen Liebesanträgen verfolge und daß ich nicht abgeneigt sei, der glänzenden Laufbahn einer Künstlerin zu entsagen, um mich mit »einer Hütte und seinem Herzen« zu begnügen. Das genügte, um meinen Professor – der stolz darauf war, mich ausgebildet zu haben, und großen Vorteil für sich von meinem Auftreten erwartete – in Harnisch zu bringen. Natürlich beschwor ich ihn, meinen guten Franzl wegen seiner Liebe zu mir nicht unglücklich zu machen, weil ich sonst so viel weinen würde, daß gewiß meine Stimme sehr darunter leiden müsse. Auch das verfehlte seine Wirkung nicht; – kurz, Franzl bekam eine gute Anstellung in Pest beim dortigen Theater-Orchester; wir nahmen zärtlichen Abschied voneinander und ich war das Verhältnis mit ihm los, ohne daß ich etwas für meinen Ruf zu fürchten gehabt hätte.

Kurze Zeit nach unserer Trennung hatte ich mein erstes Debüt im Kärntner Thor-Theater. Mit welchem Glück und Erfolg, wissen Sie ja. – Ich schwamm in einem Meer von Wonne. Alle Welt kam mir entgegen, man drängte sich um mich; Applaus, Geld, Berühmtheit jagten sich aufeinander. Natürlich fehlte es auch an Courmachern, Enthusiasten und Liebhabern nicht. Der eine glaubte mit Gedichten, der andere mit kostbaren Geschenken zu seinem Ziele zu kommen, aber ich hatte bisher schon scharf beobachtet und überzeugte mich durch Erfahrung, daß eine Künstlerin weder ihre Eitelkeit, noch ihre Gefühle, am wenigsten aber ihre Sinne sprechen lassen darf, wenn sie nicht alles aufs Spiel setzen will. So blieb ich denn scheinbar kalt und abweisend gegen alles, was sich mir näherte, und kam denn auch bald in den Ruf einer unnahbaren Tugend. Niemand [115] ahnte gewiß, daß ich nach dem Verlust Franzls wieder zu meinen verschwiegenen Freuden am Sonnabend zurückkehrte und den Genuß des warmen Bades mit noch ganz anderen Genüssen würzte. Nie habe ich mich aber verführen lassen, es öfter als einmal in der Woche zu tun, wozu die Sinne mich nur zu lebhaft aufforderten, namentlich wenn ich eine gute Rolle gesungen und die Huldigungen von allen Seiten mich aufgeregt hatten. Da ich jetzt von tausend Augen beobachtet wurde, so war ich außerordentlich vorsichtig in meinem Umgange, die Tante mußte mich auf Schritt und Tritt begleiten und niemand konnte mir das geringste nachsagen.

Das dauerte während des ganzen Winters. Ich war in Gehalt getreten und hatte mich zwar nicht glänzend, aber doch sehr behaglich eingerichtet, wurde in die beste Gesellschaft eingeführt und fühlte mich durchaus glücklich. Nur hin und wieder dachte ich mit Bedauern daran, daß ich meinen Franzl verloren; denn alles, was ich allein genoß, ließ doch immer nur den Wunsch nach einer vollständigeren Befriedigung zurück. Dafür sollte ein glückliches Zusammentreffen von Umständen während des Sommers Entschädigung bringen. Ich war in das Haus eines reichen Wiener Bankiers eingeführt worden und erhielt von der Frau desselben Beweise der aufrichtigsten Freundschaft. Ihr Mann hatte sich mir zu nähern gesucht in der Hoffnung, durch seinen Reichtum leichtes Spiel bei einer Theaterprinzessin zu haben. Als er wie alle anderen kühl abgewiesen wurde, glaubte er vielleicht leichteren, unverdächtigeren Zugang zu gewinnen, wenn er mich in sein Haus einführte. So wurde ich der fast tägliche Gast in jenem Hause, wies die fortgesetzten Nachstellungen des Mannes ab und gewann nach und nach, vielleicht gerade dadurch, die Freundschaft der Frau, die ich auf geschickte Art erkennen ließ, daß er vergebens bei mir schmachte. [116] Rudolphine, so war der Vorname meiner Freundin, war 27 Jahre alt, eine reizende Brünette von den weichsten weiblichen Formen, ungemein lebhaft und feurig in allem, was sie tat, aber kinderlos geblieben und ihrem Manne, von dessen Nebenwegen sie wußte, ziemlich fremd geworden. Beide behandelten sich achtungsvoll, versagten sich auch die ehelichen Freuden nicht, aber die Ehe war dessen ungeachtet keine vertrauliche, gegenseitig hingebende. Wahrscheinlich wußte ihr Mann so wenig als ich, daß sie eine außerordentlich begehrliche Natur hatte, denn mit großer Geschicklichkeit wußte sie das zu verbergen. Ich sollte aber bald genug die überzeugendsten Beweise von ihren Neigungen erhalten. Mit dem Eintritt des warmen Wetters zog sie auf eine reizende Villa in Baden, wo der Mann sie regelmäßig an Sonntagen und sonst wenn es seine Geschäfte erlaubten, besuchte, dann wohl auch einige seiner Freunde mitbrachte. Dahin lud Rudolphine mich ein, als die Opernvorstellungen aufhörten, und die Erholung auf dem Lande war mir sehr willkommen. Bis dahin war zwischen uns von Musik, Toilette und Kunst die Rede gewesen; nun aber gewannen unsere Unterhaltungen sehr bald einen anderen Charakter. – Das Thema der Liebeleien ihres Mannes führte zu solchen Gegenständen überhaupt, und ich merkte rasch genug, daß sie die Flatterhaftigkeiten ihres Mannes nach den Entbehrungen maß, die er ihr dadurch auferlegte. Ihre Klagen wurden so deutlich, und sie machte so wenig Hehl aus dem Gegenstande derselben, daß ich mir sofort vornahm, die Rolle einer ganz Unschuldigen, ja bis zum Exzeß Unerfahrenen bei ihr zu spielen. Ganz richtig hatte ich damit ihre und aller jungen Frauen schwache Seite getroffen. Denn nun fing sie sogleich an, mich zu belehren, und je unwissender ich mich stellte, je unglaublicher mir alles vorkam, was sie mir begreiflich [117] zu machen suchte, je eifriger wurde sie, je mehr gingen die Lippen über, wovon das Herz voll war. Es machte ihr das größte Vergnügen, mich über alle möglichen Dinge aufzuklären, von denen ich schon mehr als zu viel wußte. Ich kam anscheinend aus dem Erstaunen gar nicht heraus, und sie erstaunte wirklich, bei einer jungen Künstlerin, die mit so viel Feuer spielte, eine solche Unwissenheit zu finden. Schon am vierten Tage meines Aufenthaltes dort nahmen wir ein Bad zusammen, und da konnte es denn nicht fehlen, daß der Unterricht auch seine praktische Seite annahm. Je unbehilflicher und schamhafter ich mich stellte, je mehr Vergnügen schien es ihr zu machen, eine Novize einzuweihen. Je mehr ich mich zierte, je mehr kam sie ins Feuer, und da sie bei hellem Tageslichte und im Bade doch zu weiter nichts kam, als zum Kitzeln, Lachen und Scherzen, so sah ich voraus, daß sie ihren ganzen Scharfsinn anwenden würde, um mich eine Nacht mit ihr zubringen zu lassen. Die Erinnerung an jene erste Unterrichtsnacht im Bette Margueritens kam mit solcher Gewalt über mich – denn Rudolphine hatte einen reizenden Körper und schien außerordentlich reizbar – daß ich ihrem Wunsche mit größter Unbefangenheit auf halbem Wege entgegenkam, was sie abermals für vollendete Unschuld nahm. Sie glaubte mich zu unterrichten und ich führte sie am Gängelbande. Ihr Schlafzimmer war das reizendste, was man nur sehen konnte, denn es war mit allem Luxus, den einer der ersten Bankiers von Wien nur erdenken konnte, und mit allem Raffinement eines Bräutigams für die Brautnacht ausgestattet. – Rudolphine war hier zur Frau gemacht worden und erzählte mir, der wißbegierigen Unschuld, haarklein und ausführlich ihre Erfahrungen und Empfindungen, als die Blume ihrer Jungfräulichkeit gebrochen wurde. Da sie gar kein Hehl daraus machte, daß sie [118] jetzt von sehr wollüstigem Temperament sei, so konnte ich ihr glauben, als sie versicherte, bis einige Monate nach ihrer zweiten Entbindung durchaus kein Vergnügen bei den damals sehr häufigen Umarmungen ihres Mannes empfunden zu haben und daß dies erst nach und nach erwacht sei. So unwahrscheinlich mir dies anfangs schien, da ich ja selbst so früh ein außerordentlich reizbares Temperament gehabt, so unbedingt bin ich doch von der Wahrheit überzeugt. Die Schuld soll häufig der Mann tragen, wenn er zu rasch nach dem Eindringen endet und es nicht versteht, die Sinnlichkeit der Frau aufzuregen oder sie auf halbem Wege zurückläßt.

Jedenfalls war Rudolphine für die anfänglichen Entbehrungen entschädigt worden, denn sie war in der Tat ein ebenso reizendes als begehrliches Weib, welches jetzt mit Unwillen die Vernachlässigung ihres Mannes ertrug. Ich erzählte Ihnen nichts von den Scherzen und Vertraulichkeiten, welche wir beide bei unserem Zusammenschlafen in ihrem breiten englischen Bette genossen. Sie waren äußerst schwelgerisch und besonders im Kusse und Aneinanderschmiegen der nackten Körper war Rudolphine unersättlich. Sie konnte beides stundenlang genießen und ahnte nicht, daß mir selbst das noch zu kurz war, weil ich immer nur zu dulden, nachzugeben und schamhaft zu erwidern schien.

Das Verhältnis sollte sich bald noch sehr viel interessanter gestalten, denn Rudolphine wußte sich in der Stille für die Flatterhaftigkeiten ihres Mannes schadlos zu halten. Dicht neben ihrer Villa wohnte ein italienischer Fürst, der in Wien lebte und seine Geldgeschäfte durch den Mann Rudolphinens betreiben ließ. Sein großer Reichtum machte den Bankier zum gehorsamen Diener des Italieners, der schon hoch in den Dreißigern, äußerlich ein sehr ernster, stolzer und wissenschaftlich gebildeter Mann schien, [119] innerlich aber von der heftigsten Sinnlichkeit beherrscht wurde und dafür von der Natur mit einer außerordentlichen Körperkraft ausgerüstet war. Dabei war er der vollendetste Egoist, der mir je vorgekommen. – Er kannte nur ein Ziel: den Genuß in jeder Gestalt, nur ein Gesetz: mit unglaublicher Schlauheit vor den Folgen bei allen seinen Genüssen sich zu bewahren. Ich sollte diesen merkwürdigen Menschen sehr genau kennenlernen, freue mich aber heute noch darüber, daß er an mir seine Meisterin gefunden. Obgleich der Fürst öfter zum Diner oder Tee erschien, wenn Rudolphinens Mann auf der Villa uns besuchte, so hatte ich doch nicht die geringste Ahnung, daß er mit ihr in dem vertrautesten Verhältnis lebte, so vollkommen wußte er sich zu beherrschen. Nur der Zufall machte mich zur Mitwisserin, denn auch Rudolphine hütete sich wohl, mich ins Vertrauen zu ziehen. Die Gärten der beiden Villen stießen ebenso dicht aneinander als die Häuser, und ich bemerkte einst, als ich im Garten hinter einer Hecke Blumen pflückte, daß Rudolphine an einer Ecke des Scheidezaunes ein kleines Papier hervorzog, schnell in ihrem Busen verbarg und dann in ihr Zimmer ging. Da ich eine kleine Intrigue vermutete, schlich ich ihr nach, sah durchs Fenster, daß sie eifrig ein kleines Billet las, es dann sogleich mit einem Schwefelholz verbrannte und sich an den Schreibtisch setzte, um wahrscheinlich eine Antwort zu schreiben. Um sie sicher zu machen, eilte ich in mein Zimmer, sang laut, als ob ich studierte, setzte mich aber so, daß ich durch das Fenster die Stelle beobachten konnte, wo sie das Papier hervorgezogen. Meine Vermutung hatte mich denn auch nicht getäuscht. Bald darauf erschien Rudolphine im Garten, ging möglichst unbefangen am Zaune entlang, spielte mit den Blättern und machte das Verbergen der Antwort so geschickt, daß ich selbst es nicht bemerken[120] konnte, die Stelle aber desto sorgfältiger im Auge behielt, wo sie sich am längsten aufgehalten. Kaum war sie wieder in ihrem Zimmer angelangt und kaum hatte ich die Überzeugung gewonnen, daß ein Besuch aus Wien sie fesselte, als ich auch schon im Garten war und mit leichter Mühe das hinter Blättern in eine Zaunspalte eingeklemmte Papier entdeckte. In meinem Zimmer eingeschlossen las ich:

»Heute nicht, Pauline schläft bei mir. Morgen schaffe ich sie mir vom Halse, weil ich ihr sagen werde, daß ich unwohl bin. Für dich bin ich es aber nicht. Also morgen wie gewöhnlich um 11 Uhr.«

Das Billet war in italienischer Sprache und mit sehr verstellten Schriftzügen geschrieben. Daß ich sofort alles durchschaute, werden Sie mir gewiß glauben. Mein Plan stand bald fest. Ich steckte das Papier nicht wieder an seinen Ort; dann kam der Fürst diese Nacht und überraschte uns beide im Bette. Ich, die Unschuldige, kam so in den Besitz ihres Geheimnisses, und ich sah voraus, daß ich auch nicht leer dabei ausgehen würde.

Wie der Fürst in das Schlafzimmer Rudolphinens gelangen sollte, davon hatte ich allerdings noch keinen Begriff. Wir hatten schon beim Frühstück verabredet, daß wir diese Nacht wieder zusammen schlafen würden, da sie die Zeit ihres Unwohlseins herannahen fühle. Die Schlaue glaubte mich zu täuschen und ich hatte sie längst in meinen Banden. Vor der Hand kam es nur darauf an, sie bis um 11 Uhr zum Einschlafen zu bringen, damit sie nicht im Augenblick seines Erscheinens noch ein Mittel fände, die Überraschung zu verhindern. Ich trieb daher schon früh zum Zubettgehen und war heute so ausgelassen, liebkoste sie so zärtlich und unaufhörlich, daß sie endlich vor Mattigkeit einschlief. Brust an Brust gedrückt, ihre Schenkel zwischen den meinigen, die Hände gegenseitig an der Quelle des [121] Vergnügens, so lag sie schlafend und ich um so wacher und gespannter da. Das Nachtlicht hatte ich ausgelöscht und lauschte nun gespannt, ob meine List auch gelingen würde. Plötzlich hörte ich im Alkoven, der zur Garderobe diente, ein leises Knarren der Dielen, ein Schlurren wie von vorsichtigen Schritten, dann öffnete sich die Tür, ich hörte Atmen, ein Ablegen der Kleider, es näherte sich dem Bette auf der Seite, wo Rudolphine lag, und nun war ich meiner Sache gewiß. Natürlich schlief ich nun anscheinend um so fester. Der Fürst, denn in der Tat war es der Fürst, hob die Decke und legte sich neben Rudolphinen, die augenblicklich erschreckt erwachte und die ich am ganzen Leibe zittern fühlte. Jetzt erfolgte die Katastrophe. Er wollte sofort den oft bestiegenen Thron einnehmen, sie wehrte ihn ab und flüsterte ihm zu, ob er denn ihre Antwort nicht erhalten habe? Da, wo er hin wollte, faßte er meine Hand und meinen Schenkel. Nun schrie ich auf, wußte mich nicht zu fassen, zitterte und bebte, schmiegte mich an Rudolphinen und hatte meine Freude an dem entsetzlichen Schreck, den sie und der Fürst durch meinen Schrei bekommen haben mußten. Der Fürst hatte sich zu einem italienischen Fluche bei der Entdeckung hinreißen lassen und Rudolphine kam übel an, als sie mir beim Erkennen ihrer Lage weiß machen wollte, es wäre ihr Mann, der sie unerwartet besuche. Ganz aufgelöst machte ich ihr Vorwürfe, da ich ja die Stimme des Fürsten erkannt hätte, meine Jugend und meine Schamhaftigkeit einer so fürchterlichen Szene preiszugeben. Rudolphine verlor ihre ganze Geistesgegenwart und wußte nicht, was sie sagen, wie sie sich benehmen sollte. Der Fürst aber, als vollendeter Galanthomme, übersah sehr bald, daß nun nichts mehr zu verlieren, aber jedenfalls ein erhöhter Reiz für ihn zu gewinnen sei. Das hatte ich von ihm erwartet, ja gerade darauf meine Berechnung [122] gegründet. Mit liebenswürdigen Scherzworten, die dem sonderbaren Abenteuer gleich die Spitze abbrachen, eilte er erst zu den Türen des Schlafzimmers, zog die Schlüssel aus und legte sich dann so in das Bett, daß Rudolphine zwischen uns lag. Nun erfolgten Entschuldigungen, Explikationen, Vorwürfe, die indessen zu nichts weiter als der Überzeugung führten, daß sich nun einmal nichts an der Sache ändern lasse und daß wir alle drei verschwiegen sein müßten, wenn nicht jeder von uns die unangenehmsten Folgen von diesem Zusammentreffen unerklärlicher Zufälle haben wolle. Mit jedem Worte des Fürsten wurde Rudolphine zutraulicher und mutiger, und ich führte sie durch abgebrochene Klagen und schluchzende Vorwürfe darauf hin, daß sie eigentlich gar nichts Besseres tun könne, als mich zur Teilnehmerin, also zur Mitschuldigen ihres verbotenen Verhältnisses zu machen. Sie sehen, Marguerite hatte mir nicht umsonst von ihrem Abenteuer in Genf erzählt. In der Hauptsache war es mit mir in Baden dasselbe und doch wie verschieden, da der Fürst ebenso gut wie Rudolphine nicht ahnte, daß sie nur die Marionetten in meiner Hand waren!

Rudolphine machte nunmehr kein Hehl gegen mich mit ihrem schon längst vertrauten Verhältnisse zum Fürsten, sondern weihte ihn auch in alles ein, was sie mit mir getrieben und was ich, die kleine Unschuldige, mit mir hatte treiben lassen, ja wie ich vor Neugierde brenne, über gewisse Dinge recht genau unterrichtet zu werden. Ich merkte, wie diese Schilderung den Fürsten in Feuer und Flammen setzte, und je fester ich Rudolphinen den Mund zuhielt, je lebendiger wurde sie in der Schilderung meiner Neugierde, meiner nur von der Scham zurückgehaltenen Sinnlichkeit und meiner verborgenen Schönheiten. Ich merkte auch, daß der Fürst nicht müßig blieb, denn ich fühlte, wie er seine Schenkel [123] zwischen die Schenkel Rudolphinens drängte und so, ohne sich auf sie zu legen, von der Seite zu seinem Ziele zu kommen suchte, denn seine Beine berührten dabei hin und wieder die meinigen. Während ich schluchzte und dabei vor Neugierde hätte vergehen mögen, sprach Rudolphine immer weiter, aber bei jeder Bewegung, die der Fürst machte, abgebrochener, dann fing auch sie an, sich zu bewegen und suchte in der beginnenden Exstase mit ihrer Hand auch mich an ihrem Vergnügen teilnehmen zu lassen, was ich auch gar nicht hinderte, sondern scheinbar bewußt mir gefallen ließ. Plötzlich bemerkte ich aber, daß sich auch eine andere Hand dahin verirrte, wo Rudolphine schon beschäftigt war. Das durfte ich nicht leiden, wenn ich meiner Rolle treu bleiben wollte. Ich wendete mich daher entrüstet nach der Wand um, und, da auch Rudolphine ihre Hand zurückzog, nachdem sie der Hand ihres Liebhabers auf diesem verbotenen Pfade begegnet war, so war ich mir selbst überlassen und mußte möglichst unbemerkt das selbst erledigen, was meine Bettgenossen bei mir begonnen. – Kaum hatte ich aber den Rücken gewandt, als jene Beiden durch den steigenden Genuß jede Scheu und Rücksicht zu verlieren schienen. Der Fürst stürzte sich unter den zärtlichsten Liebesworten über Rudolphinen hin, die ihre Schenkel weit auseinanderspreizte und vor Wollust tief aufseufzend nun den lieben Gast in einer natürlichen Lage empfing. Ich fühlte jeden Stoß an der Erschütterung des Bettes und war auf jeden neidisch. Obgleich ich nichts sehen konnte, so stand doch das Bild deutlich vor meinen Augen und entflammte mich so heftig, daß in dem Augenblicke, wo beide seufzend, tiefaufatmend und zuckend in einander überflössen, auch bei mir ein brennend heißer Strom in ganz ungewöhnlicher Fülle hervorschoß und mich fast sinnlos machte.

[124] Die Praxis war vorüber, nun sollte nach kurzer Erholung die Theorie folgen. Ich weiß nicht, ob absichtlich oder zufällig, aber der Fürst war so von Rudolphinen herabgesunken, daß er nun in der Mitte zwischen uns beiden lag, doch machte er nicht die geringste Bewegung, welche mich hätte scheu machen oder erschrecken können. Ich wußte recht gut, daß meine Stärke und meine Überlegenheit gegen das überraschte Paar im Schweigen bestand, und wollte abwarten, welche Mittel beide anwenden würden, um die Mitwisserin unschädlich zu machen. Sie versuchten es denn auch abwechselnd auf die verschiedenste Art: Zuerst bewies mir Rudolphine, daß sie bei der offenbaren Vernachlässigung ihres Mannes und bei seinen Versuchen bei anderen Frauen, – von denen ich ja auch belästigt worden sei, vollkommen Recht habe, sich in den Armen eines so liebenswürdigen, gebildeten und vor allen Dingen diskreten Kavaliers schadlos zu halten. In der Blüte ihrer Jahre könne und wolle sie die süßesten Entzückungen auf Erden nicht entbehren, und um so weniger, als auch die Ärzte ihr geraten hätten, ihrem Temperamente keine Gewalt anzutun. Ich wisse ja von ihr, daß sie nun ein lebhaftes Temperament habe, so gut, wie sie von mir wisse, daß ich auch keineswegs gleichgültig für die Liebe sei, obgleich ich mich vor den Folgen fürchtete. Sie wollte mich nur daran erinnern, was wir beide heute Abend schon zusammen getrieben, ehe der Fürst sie auf so unbegreifliche Weise überraschte. Wieder wollte ich ihr den Mund zuhalten, aber das ging nicht über meinen Nachbar hinweg, der nun meine Hand ergriff und zärtlich, aber nicht ungestüm küßte. Nun war die Reihe an ihm. Seine Aufgabe war keine leichte, denn er mußte jedes Wort wägen, um Rudolphinen nicht zu verletzen, aber ich hörte es dem Ton seiner Stimme an, daß ihm doch viel mehr daran lag, mich sobald [125] als möglich zu gewinnen, als Rudolphinen bei guter Laune zu halten, da diese doch in alles willigen mußte, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, das bis dahin so geschickt verhüllte Geheimnis entdeckt zu sehen. Ich weiß nicht mehr, was er alles sprach, um mich zu beruhigen, sich zu entschuldigen, mir zu schildern, daß ich nichts von ihm zu fürchten habe; aber ich weiß genau, daß die Wärme seines nackten Körpers mich berauschte, daß seine Hand erst meine Brust, dann den ganzen Leib und endlich den Mittelpunkt seiner und meiner Wünsche liebkoste, wodurch ich in einen unbeschreiblichen Zustand geriet. Der Fürst ging langsam aber sicher vor. Nur einen Kuß wollte ich nicht, weil er sehr bald gemerkt haben würde, daß ich vor Begierde brannte, ihn zu erwidern. Ich kämpfte mit mir, ob ich nicht lieber der ganzen Komödie ein Ende machen und mich ohne weitere Ziererei den nun einmal mächtigen Umständen ergeben sollte, aber dann gab ich ja meinen Vorteil über die beiden Sünder auf, ließ den Faden für meine Marionetten aus der Hand und wäre ja überdies der Möglichkeit ausgesetzt gewesen, von dem starken, außerordentlich wollüstigen Manne zu empfangen; denn daß der Fürst sich nicht mäßigen würde, wenn er einmal als Sieger eingezogen war, das hatte ich aus der Heftigkeit gemerkt, mit welcher er bei Rudolphinen endigte. Da hätte wahrlich weder Bitten noch Zureden, noch eine zurückhaltende Bewegung von meiner Seite geholfen; und wußte ich denn, daß ich überhaupt fähig sein würde, im Augenblicke der Entscheidung zurückzuhalten? – Meine ganze Karriere stand auf dem Spiele. Ich blieb also fest, ließ mir alles gefallen, aber erwiderte nichts und setzte augenblicklich den ernstesten Widerstand entgegen, wenn der Fürst Miene machte, mehr als Spiel zu verlangen. Rudolphine wußte nicht mehr, was sie mir sagen und was sie mit mir anfangen [126] sollte, aber sie fühlte, daß noch in dieser Nacht mein Widerstand besiegt werden müsse, um am nächsten Tage noch die Augen vor mir aufschlagen zu können. Um mich aufzuregen, – was sie wahrlich nicht mehr nötig hatte, – kam sie mit dem Kopf zu mir herüber, küßte mich, saugte an meinem Busen und warf sich schließlich zwischen meine Schenkel, heftete den Mund auf den Eingang zu dem noch unentweiht geglaubten Tempel und begann ein so reizendes Spiel, daß ich ihr volle Freiheit ließ. Der Fürst war bei ihrer Annäherung beiseite gerückt und ließ Rudolphinen, welche neben mir kniete, gewähren, während er selbst mich mit äußerster Erregung küßte, so daß oben seine und unten Rudolphinens Küsse mich bedeckten. Da ich keinen Widerstand mehr leistete, weil ja der Mittelpunkt geschützt war, so führte er meine Hand an sein Szepter und ich folgte anscheinend willenlos seiner Leitung; dabei mußte ich aber zwischen den Schenkeln der knienden Rudolphine hindurchfassen und merkte recht gut, daß er mit der anderen Hand da beschäftigt war, wo sich vor kurzem das Szepter befunden, welches ich jetzt in der Hand hatte und nach seiner Anleitung streicheln, umschließen und drücken mußte. Das war verwickelt, aber unbeschreiblich reizend, und ich bedauere nur, daß es dunkel war, denn so etwas muß man auch mit den Augen genießen! Aus den zitternden und zuckenden Bewegungen Rudolphinens erkannte ich bald, daß sowohl ihr Küssen und das Saugen bei mir, als die Hand des Fürsten bei ihr neue Begierden erweckt hatte, denn sie dehnte und spreizte sich so heftig, daß der Fürst sich plötzlich erhob und eine mir bis dahin noch unbekannt gebliebene Stellung einnahm. Er beugte sich nämlich von hinten her über sie und drang so in sie ein. Natürlich hatte ich die Hand in dem Augenblicke zurückgezogen, wo sich der Fürst aus seiner liegenden Stellung [127] erhob; er aber ergriff sie wieder und führte sie ungeachtet an den Ort, wo er sich auf das Innigste mit Rudolphinen vereinigte. Dort lehrte er meine Hand eine Beschäftigung, wie ich sie noch nicht geahnt, denn sie kam beiden Genießenden zugute. Bald mußte ich den unteren Teil seines Dolches umfassen, bald die Scheide, die ihn aufnehmen sollte, kitzeln. Anscheinend widerstrebend, war ich doch gelehrig, und da Rudolphine immer leidenschaftlicher saugte und küßte, je höher ihre Wollust stieg, so mußten wir wohl alle drei gleichzeitig die höchste Stufe des Genusses erklimmen. Es war berauschend, schwelgerisch, aber auch so anstrengend, daß wir alle drei wohl eine Viertelstunde wie leblos nebeneinander lagen. Dabei war uns in der warmen Sommernacht so heiß geworden, daß wir es kaum noch unter der leichten Decke aushalten konnten und so weit das Bett nur irgend erlaubte, auseinanderrückten. Endlich hatten wir uns erholt und nun folgte der heißen Tat wieder das kühle Raisonnement. Der Fürst sprach so ruhig über das vom Zufall herbeigeführte Verhältnis, als verabrede er eine Landpartie mit uns. Auf Rudolphinens Plauderhaftigkeit fußend, gab er sich gar keine Mühe, mich überhaupt zu gewinnen, sondern begnügte sich nur, meine Scheu vor den Folgen zu bekämpfen. Aus der Gelehrigkeit meiner Hand und aus dem Vergnügen, das meine hochklopfende Brust, meine zitternden Schenkel über das Zungenspiel Rudolphinens am Mittelpunkt meiner Weiblichkeit verrieten, hatte er sehr wohl erkannt, daß er für die Sache selbst auf keine zu großen Schwierigkeiten stoßen würde; aber er mußte mir die Möglichkeit einer Gefahrlosigkeit beweisen und das versuchte er denn auch mit der ganzen Geschicklichkeit eines vollendeten Welt- und Lebemannes. So überließ er den sicheren Sieg der Zeit und bat nicht einmal um eine Wiederholung dieser schönen [128] Nacht. Gegen 1 Uhr nach Mitternacht mußte er uns verlassen, da es schon sehr früh hell wurde und er der Sicherheit und dem Geheimnisse des Genusses bereitwillig die Dauer und Bequemlichkeit desselben aufopferte. Er hatte aus dem Garderobenzimmer eine kleine Treppe, ein Fenster nach dem Flure, eine Treppe nach dem Boden und dort eine Dachluke zu passieren, ehe er auf den Boden seines Hauses und von dort allerdings unbemerkt in seine Wohnung gelangen konnte. Der Abschied war ein wunderbares Gemisch von Zärtlichkeit und Befangenheit, Scherzen, Abwehr und Vertraulichkeit. Als er glücklich fort war, hatte weder Rudolphine Lust zu weiteren Explikationen, noch ich Lust, mich schon jetzt an sie zu ergeben. Wir waren beide so müde und angegriffen, daß wir bald fest einschliefen und erst spät erwachten. Ich stellte mich trostlos, auf diese Art in die Hände eines Mannes gefallen zu sein und tief gekränkt, daß sie ihn von unseren geheimen Vergnügungen unterrichtet hatte. Sie merkte es gar nicht, wieviel Vergnügen es mir machte, mich von ihr trösten und beruhigen zu lassen.

Natürlich schlug ich es ab, auch in der nächsten Nacht bei ihr zu schlafen, denn so etwas sollte mir nicht wieder passieren, meine Sinne sollten mir gegen meine bessere Überzeugung keinen Streich mehr spielen, ich würde daher allein schlafen und sie sollte nur nicht denken, daß ich je dem Fürsten gestatten würde, was sie ihm gestattet habe, sie sei verheiratet und dürfte also vor aller Welt schwanger sein, ich aber als Künstlerin und von tausend Augen beobachtet, würde mich unglücklich machen.

Wie ich erwartet hatte, kam sie jetzt mit den Sicherungsmitteln heraus, erzählte mir, daß sie die intime Bekanntschaft des Fürsten in einer Zeit gemacht, wo sie ihrem Manne infolge eines Zerwürfnisses wegen einer von ihm begangenen Untreue [129] lange Zeit keine Gunstbezeugung gewährt, also auch nicht schwanger werden durfte, da habe der Fürst ihre Besorgnis durch den Gebrauch eines Domino-Condoms verscheucht, und damit könne ich es ja auch versuchen. Später habe sie sich überzeugt, daß der Fürst trotz seiner außerordentlichen Leidenschaftlichkeit beim Genüsse der Liebe, doch so viel Besonnenheit zu bewahren wisse, um stets Herr seiner Empfindungen zu bleiben. Er verstünde auch noch auf andere Weise den Ruf und die Ehre der Frauen zu schonen, und wenn ich nur hübsch artig sein wolle, würde ich auch das noch erfahren, – kurz, sie redete mir auf alle mögliche Weise zu, mich ganz dem Fürsten zu überlassen, dann stellte sie mir die heitersten und glücklichsten Stunden in Aussicht. Ich ließ sie merken, daß ihre Schilderungen und Verheißungen auf einen wirklich fruchtbaren Boden bei mir fielen, aber ich blieb auch bei meiner Scheu und Ängstlichkeit.

Gegen Mittag machte der Fürst Rudolphinen einen kurzen Besuch, eine Anstandsvisite, die auch mir gelten sollte, aber ich ließ Unwohlsein vorschützen und erschien nicht. Um so gewisser konnte ich erwarten, daß beide Maßregeln verabreden würden, um meinen Widerstand zu überwinden und mich zur vertrauten Genossin ihres geheimen Umganges zu machen. Da ich nicht mehr bei Rudolphinen schlafen wollte, so mußten sie auf ein Mittel sinnen, mich in meinem Schlafzimmer zu überraschen und zwar so bald als möglich, denn sie durften mir keine Zeit lassen, mich zu besinnen und vielleicht gar in die Stadt zurückzukehren. Der Erfolg lehrte, daß ich ganz richtig kalkuliert hatte.

Am Nachmittag und Abend sprach Rudolphine gar nicht mehr von der vergangenen Nacht, aber sie begleitete mich in mein Schlafzimmer, schickte die Kammerjungfer fort, nachdem ich zu Bette gegangen war, schloß selbst die Tür des Vorzimmers hinter [130] ihr ab, so daß niemand von der Dienerschaft in die vorderen Zimmer kommen konnte, setzte sich dann auf mein Bett und begann nun um so eindringlicher auf mich einzureden, – mir alles so schön, so einladend, so gefahrlos als möglich zu schildern. Natürlich tat ich so, als wenn ich gar nicht ahnte, daß der Fürst schon in ihrem Zimmer, vielleicht schon vor der Türe des meinigen sei, und unser Gespräch mit anhörte, um im richtigen Augenblick erscheinen zu können. Und doch sagte mir mein Scharfsinn, daß es gar nicht anders sein könne. Ich mußte also geschickt nachgeben und stufenweise auf ihr Zureden eingehen.

»Aber wer steht mir dafür, daß der Fürst sich wirklich eines Dominos bedient, wie du ihn mir schilderst?«

»Dafür stehe ich dir ein. Glaubst du, ich würde ihm bei dir mehr gestatten, als ich ihm anfangs bei mir gestattet habe? Ich selbst sorge dafür, daß er nicht ohne Domino auf diesem Balle erscheint!«

»Aber es muß ja schrecklich weh tun. Du weißt, er hat mir die Hand geführt und mich gezwungen, zu fühlen, wie stark er ist!«

»Im ersten Augenblicke wird er dir vielleicht etwas weh tun, aber auch dafür gibt es Mittel. Du hast ja Mandelöl und Goldcreame in deiner Toilette; damit salben wir den drohenden Feind, so daß er leicht eindringt.«

»Und du bist überzeugt, daß auch kein Tropfen jenes gefährlichen Saftes durchdringen und mich unglücklich machen kann?«

»Hätte ich mich sonst ihm hingegeben? Damals hätte ich alles Mögliche von einer Unvorsichtigkeit riskiert, weil ich meinem Manne allen Umgang versagte. Erst als ich mich mit ihm versöhnt hatte, gestattete ich dem Fürsten einen unbeschränkten Genuß. Aber auch jetzt sorge ich ein jedes Mal dafür, [131] daß mein Mann zu mir kommt, wenn der Fürst bei mir gewesen ist und zwar nie über acht Tage hinaus, so daß nie eine Entdeckung möglich ist, wenn ich selbst schwanger würde.«

»Das ist ein schrecklicher Gedanke für mich! Und dann die Scham, mich einem Manne hinzugeben! Ich weiß nicht, was ich tun soll. Du schilderst mir das alles so reizend und meine Sinne raten mir so gebieterisch, deinem Rate zu folgen, daß ich um alles in der Welt nicht noch eine Nacht wie die gestrige erleben möchte, denn ich fühle nur zu deutlich, daß ich trotz aller Scham und trotz aller Besorgnis nicht die Kraft haben würde, zu widerstehen. Du hast ganz recht, der Fürst ist ein ebenso schöner als liebenswürdiger Mann und du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Gefühle in mir wach wurden, als ich hörte, wie glücklich ihr beide dicht neben mir wäret.«

»Auch ich hatte ein doppeltes Vergnügen, als ich dir in demselben Augenblick einen – wenn auch noch unvollkommenen Genuß bereitete, wo er bei mir auf das Höchste gestiegen war. Nie hätte ich geglaubt, daß ein Genuß zu dreien so reizend sein könnte, als ich gestern an mir selbst erfahren! Ich hatte zwar schon oft davon gelesen, aber die Schilderungen schienen mir übertrieben. So widerwärtig mir der Gedanke ist, daß sich eine Frau zweien Männern überlassen könnte, so reizend und unwiderstehlich scheint mir das Verhältnis von zwei Frauen – mit einem diskreten und verständigen Manne – wohlverstanden, wenn die beiden Frauen wirkliche Freundinnen sind, wie wir beide, – die eine darf aber auch nicht schamhafter und scheuer sein, als die andere. Und das ist vor der Hand noch dein Fehler, mein süßes Paulinchen.«

»Gut, daß dein Fürst nicht hier ist und unser Gespräch nicht belauschen kann! Ich wüßte gar nicht,[132] wie ich mich gegen ihn verteidigen sollte, wenn er wüßte, daß ich durch deine Gespräche wie von innerem Feuer verzehrt werde. Fühle nur einmal selbst, wie heiß ich hier bin und wie alles an mir zuckt.«

Dabei entblößte ich mich, öffnete die Schenkel und drehte mich so, daß wenn jemand durch das Schlüsselloch sah, ihm auch nicht das Geringste entgehen konnte. War aber der Fürst da, so mußte er jetzt kommen – und er kam!

Wie ein vollkommen erfahrener Weltmann fühlte er sehr wohl, daß jetzt Worte ganz überflüssig waren, daß erst der Sieg errungen werden mußte und dann noch immer Zeit zu Erklärungen wäre. Aus dem Benehmen Rudolphinens sah ich deutlich, daß sie alles so verabredet und vorbereitet hatte. Ich wollte unter die Decke flüchten, Rudolphine hatte sie aber fortgezogen. Ich wollte weinen, Rudolphine erstickte mich lachend mit ihren Küssen. Aber wenn ich erwartete, nun auch meinen längst gehegten Wunsch erfüllt zu sehen, so hatte ich doch eins nicht mitberechnet; die Eifersucht Rudolphinens, die trotz der Notwendigkeit, mich bald zu ihrer Mitschuldigen zu machen, trotz ihrer Besorgnis, doch im Augenblicke des Gelingens, ihren Plan scheitern zu sehen, mir doch nicht die Erstlinge ihres heutigen Genusses gönnte. Mit einer Schlauheit, um die ich sie beneidete, die ich aber nicht durchkreuzen durfte, wenn ich nicht aus der Rolle fallen wollte, sagte sie dem Fürsten, daß ich zwar endlich eingewilligt habe und zu allem bereit sei, daß ich mich aber erst von der vollkommenen Unschädlichkeit des anzuwendenden Mittels überzeugen wolle und daß sie sich daher, aus Freundschaft für mich, zu einer Probe vor meinen Augen hergeben wolle. Ich sah dem Fürsten an, daß er ebenfalls auf ein solches Anerbieten nicht vorbereitet gewesen war und daß ihm der Versuch bei mir wünschenswerter gewesen wäre, als bei Rudolphinen. [133] Rudolphine zog aus der Tasche seines Schlafrockes einige jener Überzüge, blies in einen derselben, um mich zu überzeugen, daß er ganz luftdicht sei, feuchtete ihn an und zog ihn unter Scherzen und Liebkosungen über. Dann warf sie blitzschnell die leichte Kleidung ab, stürzte sich neben mich auf das Bett, zog den Fürsten über sich hin und forderte mich auf, mir nun alles recht genau anzusehen, damit ich meine törichte Ängstlichkeit verlöre.

So sah ich denn nun auch wirklich alles, – sah das Entzücken dieser beiden schönen Menschen, sah seine Kraft und ihr wollüstiges Vergehen, sah ihn eindringen und sie ihm entgegenkommen, sah beide alles um sich her vergessen und mit jedem Stoße die Exstase steigen – und endlich erfolgte unter zitterndem Seufzen der Erguß.

Rudolphine öffnete ihre Schenkel nicht eher, um ihn aus ihrer Umschließung zu entlassen, bis sie wieder ganz zu sich gekommen war, mit freudestrahlendem Gesicht den Domino herauszog und mir triumphierend zeigte, daß auch nicht ein Tropfen übergeflossen sein konnte. Sie gab sich alle mögliche Mühe, mich über dasjenige zu belehren, was ich ja schon längst durch Marguerite wußte, aber mir nicht zu verschaffen verstanden hatte, sonst hätte es Franzl mir gewiß anwenden müssen. Rudolphine war ganz ausgelassen vor Vergnügen, daß es ihr gelungen war, selbst an diesem Abende, wo der Fürst sich offenbar nach ganz anderer Speise sehnte, mir ihre Suprematie zu beweisen und von ihm die Erstlinge seiner Kraft zu erhalten. Aber ich nahm mir vor, späterhin Revanche zu üben. Der Fürst war von außerordentlicher Liebenswürdigkeit. Weit entfernt, seine errungenen Vorteile zu benutzen, behandelte er uns beide mit der größten Zartheit, nahm nichts, was ihm nicht gewährt wurde und sprach mit hinreißendem Feuer von dem Glück, welches ein günstiger [134] Zufall ihm durch die Bekanntschaft mit zwei so reizenden Frauen verschafft und malte das nun zwischen uns beginnende Verhältnis mit den gefälligsten Farben aus. So füllte er die Zeit, die er zu seiner Erholung und zum Wiedererwachen (denn er war kein Jüngling mehr und blieb selbst im verführendsten Genüsse mäßig) seiner Kraft bedurfte, aus.

Endlich war der Augenblick gekommen! Er beschwor mich, ihm ganz zu vertrauen und einen vielleicht eintretenden Schmerz zu ertragen. Rudolphine machte mit der schalkhaftesten Sorgfalt die Toilette des Siegers, der ich natürlich durch die Finger zusah. Wohlriechender Goldcreame wurde weder bei mir noch bei ihm gespart und so war denn endlich der langersehnte Augenblick gekommen, wo ich einen wirklichen Mann in mich aufnehmen sollte. Ich hatte mir schon längst überlegt, wie ich den Fürsten über den Glauben an eine sogenannte Jungfernschaft täuschen sollte, denn jener erste Gebrauch von Margueritens Godemiche hatte mich ja dieses, bei den Männern in so hohem Preise stehenden Vorzuges beraubt, und ich machte in der Tat meiner Überlegung Ehre. Da ich mich einmal hingegeben und mich einverstanden erklärt hatte, die Dritte im Bunde zu sein, so tat ich so, als ob ich alle Ziererei verbannte und ließ mit mir machen, was beide wollten. Rudolphine legte mich nun so auf das Bett, daß mein Kopf an der Wand, die Schenkel auf dem Rande des Bettes und so weit als möglich gespreizt lagen. Um das zu können, stellte sie den einen Fuß auf den vor dem Bette stehenden Nachttisch und den anderen auf die Lehne eines anderen herangerückten Stuhles. Mit flammenden Blicken betrachtete der Fürst die ausgebreitet vor ihm daliegenden Schätze, die ich vergeblich mit der Hand zu bedecken suchte. Mit seinen brennenden Küssen brachte er meine Hand dort fort und senkte dann die Lanze, um den Eingang zu [135] suchen. Ohne alle Heftigkeit, zart und schmeichelnd, strich er erst mit der besalbten Spitze die ganze Öffnung auf und nieder, wobei Rudolphine mit gierigen Augen allen seinen Bewegungen folgte. Nun stellte er aber die Spitze herunter an den eigentlichen Eingang und drückte sie so sanft als möglich hinein. Bis dahin hatte ich wohl ein angenehmes Gefühl gehabt, aber zu einem wollüstigen Gefühl war es nicht gekommen. Nun tat es mir wirklich weh und ich fing an zu wimmern. Rudolphine redete mir zu, saugte an meiner Brust, fühlte selbst dahin, wo der Fürst Einlaß begehrte und riet mir, mich mit den Schenkeln möglichst hoch zu heben. Mechanisch folgte ich dem Rate und nun stieß der Fürst plötzlich mit solcher Kraft zu, daß er zwar über die Hälfte eindrang, ich aber einen lauten Schmerzensruf ausstieß und in allem Ernste an zu weinen fing. Doch lag ich wie ein Opferlamm, weil ich fest entschlossen war, heute endlich zu meinem Ziele zu gelangen. Der Fürst bewegte sich nur langsam hin und her und versuchte, noch tiefer einzudringen, aber ich fühlte deutlich, daß er keinen Raum mehr in mir hatte, daß ein Muskel, ein Häutchen, kurz irgend etwas im Wege sei. Rudolphine hatte mir ein Tuch auf den Mund gelegt, um ein abermaliges Aufschreien zu verhindern; ich biß hinein und duldete, was ich lange ersehnt hatte, fühlte aber, daß mir eine warme Flüssigkeit die Schenkel herabrieselte. Rudolphine sah dorthin und jauchzte plötzlich »Blut! Blut! Lieber Fürst, ich gratuliere zu einer so reizenden Jungfernschaft!« Kaum hörte das der Fürst, der bis dahin so sanft als möglich vorgegangen war, so schien er ganz außer sich zu geraten, vergaß jede Schonung und stieß nun auch so heftig hinein, daß ich seine Haare auf den meinigen fühlte. Diesmal hatte er mir nicht so wehe getan, als bei dem ersten Eindringen, und überhaupt war nun das Schmerzliche der Operation [136] vorüber; aber ich kann nicht sagen, daß meine Erwartungen befriedigt worden wären. Ich sah meinen Besieger leidenschaftlich werden und fühlte auch plötzlich etwas Warmes in meinem Innern, dann die Härte erschlaffen und den Teil herausschlüpfen, aber ich würde eine vollkommene Unwahrheit sagen, wenn ich von einem Vergnügen erzählen wollte. Nach den Erzählungen Margueritens, den eigenen Versuchen und besonders, was ich von meinen Eltern gesehen, hatte ich mir den endlichen Genuß ganz anders vorgestellt! Vergnügen fand ich nur darüber, daß meine List und meine Berechnungen so vollständig gelungen waren. Während ich es für das Beste hielt, in Ohnmacht zu liegen, hörte ich, wie entzückt der Fürst über die unzweifelhaften Zeichen meiner Jungfernschaft war, und in der Tat hatte mein Blut das Bett und seinen Schlafrock bespritzt. Das war mehr, als ich nach den selbstgemachten Versuchen, namentlich mit dem Godemiche, hatte erwarten können. Freilich war doch noch ein Unterschied zwischen jenem und der vollen Mannesstärke des Fürsten! Jedenfalls war es nicht mein Verdienst, sondern ein glücklicher Zufall, wie denn überhaupt das sogenannte Entjungfern ein Hirngespinst ist. Ich habe viel darüber mit Frauen gesprochen, aber das Widersprechendste hören müssen. Viele Mädchen sind von ihrer ersten Entwicklung so weit gebaut, daß von einem Widerstände beim Eindringen gar nicht die Rede ist. Andere bleiben trotz wiederholten Genusses so eng geschlossen, daß jeder Genuß den Reiz eines ersten für den Mann hat. Überdies ist eine Täuschung des Mannes leicht, wenn er nur sonst an die Sittlichkeit eines Mädchens glaubt. Kommt es überhaupt darauf an, zu täuschen, so braucht das Mädchen nur einen gewissen, regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkt zu benutzen. Einiges Zurückziehen, Herumwerfen und Wimmern, so schwört der [137] glückliche Sieger auf die Erstlinge, und Blutspuren aus einer ganz anderen Quelle machen ihn blind.

Aber es ist Zeit, daß ich aus meiner Ohnmacht erwache. Meinen Willen hatte ich nun gehabt; jetzt kam es darauf an, auch zu genießen und doch dabei nicht aus der Rolle einer Verführten zu fallen. Jedenfalls war die Hauptsache geschehen, das Eis gebrochen! Für den Fürsten wie für Rudolphine blieb es ein ganz besonderer Reiz, mich zu trösten und zu belehren, denn sie glaubten ja, eine vollkommene Novize eingeweiht zu haben! Beide entkleideten sich und legten sich zu mir in das Bett; der Fürst in die Mitte. Die schweren Gardinen wurden zugezogen und nun begann ein unglaublich reizendes Spiel. Der Fürst war ehrlich genug, nicht von Liebe und Sehnsucht und von Schmachten zu reden. Er war nur sinnlich, freilich, weil er wußte, daß der Genuß größer ist, wenn delikate Behandlung ihn würzt. Ich spielte zwar noch immer die Betroffene, aber ich begriff doch sehr rasch, was man mich lehrte. Seine beiden Hände waren bei uns, die unsrigen waren bei ihm beschäftigt. Je verwickelter die Küsse, je freier die Hände wurden, je rascher wallte das Blut, je wollüstiger bebten die Nerven. Einen solchen Mann zu küssen ist doch ein außerordentliches Vergnügen! Er hätte von Stein sein müssen, wenn er nicht doch einmal erwärmt wäre. Aber der zweimalige Erguß hatte ihn ruhiger gemacht. Abwechselnd genoß er bei Rudolphinen und bei mir, aber bei mir nicht eher, bis er vollständige Toilette gemacht hatte. Er war zwar seiner Sache so sicher, daß er mir sein Ehrenwort gab, ich könne es auch ohne Domino wagen, da er jetzt ruhiger und vollkommen Herr seiner Kraft sei; aber so rasch konnte ich doch meine bis dahin mit Glück gespielte Rolle nicht aufgeben! So mußte er bei Rudolphinen beginnen und in der Tat schwanden ihm zwei bis dreimal die Sinne, ohne [138] daß ihm die Kraft versagte, dann wurde Toilette gemacht und er drang bei mir ein. Es schmerzte zwar im ersten Augenblicke noch ein wenig, aber dann wuchs mein Wollustgefühl unbeschreiblich und ich empfand zum erstenmal fast eine vollständige Befriedigung. Um mir zu beweisen, daß er ganz Herr über sich sei, endete er nicht bei mir, sondern verließ mich ohne Erguß, während ich halb ohnmächtig vor Entzücken dalag. Wieder riß er den Überzug ab und stürzte sich auf die wollustlechzende Rudolphine, die nun verlangte, ich sollte mich so über ihren Kopf setzen, daß sie mit der Zunge da saugen und schlürfen könne, wo der Fürst eben erst einen solchen Aufruhr angerichtet. Natürlich zierte ich mich erst; ein befeuchtetes Tuch erfrischte indessen bald den Gegenstand ihrer Wünsche und nun entstand eine überaus reizende Gruppe. Während der Fürst bei Rudolphinen einzog, saß ich oder kniete vielmehr mit ausgebreiteten Schenkeln über ihrem Gesicht, so daß ihre Zunge den freiesten Spielraum hatte, denn ihr Kopf lag weit hinten hinüber, ohne Kopfkissen, in gleicher Höhe mit dem übrigen Körper. Ganz nackt – denn der Fürst hatte in seiner verliebten Ungeduld auch mein Hemd abgerissen, – saß ich so dem schönen Manne gegenüber, der meinen Busen an sich drückte und mich fortwährend küßte. So brachten zwei Zungen die kaum erloschene Glut wieder in helle Flammen. In steigender Wollust wurden auch meine Küsse nun so leidenschaftlich und ich gab mich ganz dem Reiz dieses doppelten Genusses hin, daß der Fürst ganz außer sich geriet und beteuerte, noch nie so glücklich gewesen zu sein! Ich war geradezu neidisch, als ich die Krise bei ihm eintreten sah, daß dieser himmlische Strom sich ungehindert in Rudolphinens Schoß ergießen sollte, und tat, als wenn ich vor Wollust ohnmächtig würde, ließ mich mit ganzer Schwere auf die Seite fallen und hatte so [139] richtig gerechnet, daß ich Rudolphinens Ritter wirklich noch vor den letzten Augenblicken aus dem Sattel warf. Im Hinsinken sah ich noch die beiden Teile sich trennen, die eben noch so innig verbunden gewesen waren. Wie flammend rot und wütend bei ihm, wie groß und klaffend bei ihr! Das sah anders aus, als ich es bis jetzt gesehen, aber in der Tat nicht hübscher. Mein Hinsinken hatte beide erschreckt. Wenigstens dachten beide nicht sofort an die Fortsetzung ihres Vergnügens, sondern wollten mir erst beistehen. Ich hatte meinen Zweck erreicht und ließ mich nicht lange bitten, wieder zu mir zu kommen. Ich machte nun kein Hehl daraus, daß ich mich glücklich fühle, auf solche Art in die Mysterien der Liebe eingeweiht worden zu sein, verweigerte aber jeden weiteren Genuß, weil ich es nicht aushalten könne. Der Fürst wollte beweisen, daß er selbst auch dem höchsten Genuß entsagen könne, wenn wir ihn nicht beide teilten und machte den Vorschlag, uns beiden seine Befriedigung zu überlassen. Ich verstand nicht, was er meinte, aber die ausgelassene Rudolphine ging gleich darauf ein. Der Fürst legte sich nackt ausgestreckt auf das Bett und ich mußte Rudolphinen nachahmen, mit den Händen die Wunderfontaine hervorzulocken. Während ich ihn küßte und mit der Hand an dem Behälter des Wunderbalsams spielte, nahm Rudolphine die Spitze des Schaftes in ihren Mund. Endlich schoß der schäumende Strahl hervor und benetzte uns alle drei. Gern hätte ich im Augenblick des Sprühens Rudolphinens Rolle übernommen und den blendend weißen, heißen Saft geschlürft, aber ich mußte ja noch unerfahren sein und das alles erst lernen! Daß man aber auch diese unvergleichliche Nacht nicht vergißt, werden Sie begreifen. Lange vor Tagesanbruch nahm der Fürst seinen Abschied und wir beide schliefen in fester Umarmung bis nächsten Mittag.

7.

[140] VII

Nach dem wir auf diese Weise durch einen langen und erquickenden Schlummer uns von den Anstrengungen der verflossenen Nacht glücklich erholt hatten, frühstückten wir, Rudolphine und ich, gemeinschaftlich, und dann mußte Rudolphine mir beichten, das heißt mir die Geschichte ihres Verhältnisses mit dem Fürsten mit all ihren Einzelheiten erzählen.

Die Geschichte war zuletzt nichts weiter als die Geschichte eines jeden für sinnliche Genüsse nicht weniger als unempfindlichen und dabei von ihrem eigenen Manne vernachlässigten Weibes. Der Fürst hatte mit seinem durch Weltkenntnis geschärften Blicke das Geheimnis von Rudolphinens Ehe durchschaut, ihre für sinnliche Genüsse so empfängliche Natur konnte ihm gleichfalls nicht verborgen bleiben.

Unter diesen Umständen hatte er ihr sich in zwar vorsichtiger, doch immerhin nicht zu mißdeutender Weise – der Fürst, eine glühende, leidenschaftliche Sinnlichkeit unter kalter Außenseite verbergend, vermied es sorgfältig, sich zu kompromittieren – genähert und dabei in geschickter Weise die Flatterhaftigkeit ihres eigenen Gatten als vollgültigen Entschuldigungsgrund für eine etwaige Untreue bei Rudolphinen geltend gemacht.

Rudolphine hatte gewährt, hingerissen durch ein feuriges Temperament und begierig, für die Kälte ihres eigenen Gatten in dieser Weise Rache und Entschädigung zu suchen, überhaupt ist der Wunsch nach Rache eines der vorzüglichsten, wenn auch selten eingestandenen Motive, welche eine verheiratete Frau zum Ehebruche treiben.

Rudolphine gestand mir übrigens einmal, daß sie den Fürsten nicht liebe, – gleichwohl war sie, wie ich später zu entdecken Gelegenheit fand, eifersüchtig,[141] wenn auch nicht auf seine Zuneigung, doch wenigstens auf seine Gunstbezeugungen – und zweitens, daß der Fürst der einzige Mann sei, dem sie, ihren Gatten ausgenommen, je sich hingegeben.

Ich glaube ihr; Rudolphine hatte die Eifersucht ihres Gatten und ihren eigenen, in jeder Beziehung noch unbefleckten gesellschaftlichen Ruf zu schonen, und beide Rücksichten legten ihr in der Wahl ihres Umganges eine große Vorsicht auf. Ihr Gatte würde, wenn auch nicht aus Zuneigung für seine Frau – seine Liebe war wohl so ziemlich auf dem Gefrierpunkt angelangt – aus Stolz gewiß ein Benehmen, welches ihn selbst der Lächerlichkeit hätte preisgeben können, seitens seiner Frau nicht ungeahndet gelassen haben.

Unter diesen Umständen zweifle ich auch nicht, daß der Fürst wirklich der einzige Mann war, zwischen welchem und ihrem Gatten Rudolphine je ihre Gunstbezeugungen geteilt, glaube mich hinwiederum aber auch nicht zu täuschen, wenn ich annehme, daß sie auch vor ihrer Bekanntschaft mit dem Fürsten die leichte Beute jeder versuchten Eroberung gewesen sein würde, falls ihr nur die größte Kupplerin der Welt, die Gelegenheit, zu Hilfe gekommen wäre.

Obgleich also Rudolphinens Erzählung nicht gerade bemerkenswerte Dinge darbot, so lauschte ich doch ihren Bekenntnissen mit größtem Vergnügen. Überhaupt haben mich derartige vertrauliche Herzensergüsse meines eigenen Geschlechts stets sehr interessiert, und ich habe nie Gelegenheit, dieselben durch List oder Überraschung hervorzulocken, falls meine Freundinnen nicht freiwillig geneigt waren, mir ihr Herz zu eröffnen und mich in die Geheimnisse ihrer Denk- und Empfindungsweise einzuweihen, vorübergehen lassen.

Solche vertrauliche Mitteilungen interessierten mich psychologisch, sie erweiterten meine Welt- und[142] Menschenkenntnis, indem sie mir oft das Leben unter einem ganz neuen Gesichtspunkte zeigten, und in der Regel meinen bereits wiederholt ausgesprochenen Satz: »Unsere Gesellschaft ist basiert auf den Schein, und gibt eine doppelte Sittlichkeit, eine Sittlichkeit vor der Welt, eine andere unter vier Augen«, bestätigten.

In der Tat, welche Erfahrung hatte ich, trotz meiner Jugend, in dieser Hinsicht schon gemacht! Erstens mein ernster, würdiger Vater, meine keusche Mutter; in welchem Moment glühenden Sinnenrausches, in welchem Augenblicke höchster Wollust hatte ich sie belauscht! Darauf Marguerite, die zwar lebhafte, heitere, aber auch ewig von Anstand und Sittlichkeit schwatzende, ewig moralisierende Gouvernante meiner kleinen Cousine; welche Bekenntnisse hatte sie meinem jugendlichen Ohre vertraut, und hatte ich außerdem nicht mit eigenen Augen gesehen, in welcher Weise sie sich wenigstens ein Surrogat jener Genüsse verschaffte, nach denen sie lechzte! Und dann meine Tante, das Muster einer alten prüden Jungfrau! Und nun Rudolphine, diese elegante junge Frau, die sich aus keinem anderen Grunde einem Manne hingab, der nicht der ihrige war, als um Freude zu genießen, welche ihr zu spärlich für ihren Geschmack zukam! Und nun der Fürst, diese äußerlich so diplomatisch kalte, so durch und durch geschulte Natur, welche Kraft der Sinnlichkeit lebte in ihm! Und hatten diese Persönlichkeiten nicht alle in ihren Kreisen den Ruf größter Sittenstrenge zu behaupten gewußt? Ja, ich hatte wohl Recht: »Die Welt ist auf den Schein basiert.«

Nun, da ich meinen Zweck erreicht, und mich zu Rudolphinens und des Fürsten Vertrauten gemacht, hielt ich es auch für unnötig, meine bisher beobachtete Prüderie beizubehalten, und gestand Rudolphine offen, wenn auch nicht klüglich ohne ein erkünsteltes[143] Erröten, daß mir das Spiel der vergangenen Nacht und die Umarmung des Fürsten viel Vergnügen gemacht, für welches Geständnis Rudolphine mich zärtlich umarmte und an sich drückte. In diesem Augenblick war sie noch ganz entzückt darüber, mir in den Mysterien der Liebe als Lehrmeisterin gedient und mir einen Genuß verschafft zu haben, wie den, den ich zwar in Wirklichkeit weniger ihr selbst, als vielmehr meiner eigenen Schlauheit verdankte.

Am Abend ließ der Fürst nicht auf sich warten und teilte seine Liebkosungen ziemlich gleichmäßig zwischen Rudolphine und mir. Meine Eitelkeit flüsterte mir zu, daß es dem Fürsten, trotz dieser anscheinenden Unparteilichkeit, mehr um mich, als um Rudolphine zu tun sei, wäre es auch nur gewesen, weil Rudolphine ihm eine gewohnte Erscheinung war, während ich für ihn den Reiz der Neuheit besitzen mußte, und Abwechslung, dies brauche ich Ihnen nicht zu sagen, ist die Würze des Vergnügens und dies zwar ebenso bei den Männern, wie bei den Frauen. Meine Revanche nahm ich übrigens auch diesmal noch nicht. Wieder zwang Rudolphine den Fürsten, ihr die Erstlinge seiner Kraft zu opfern, obgleich ich letzterem die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, zu gestehen, daß er mich für diesen Verlust nach besten Kräften zu entschädigen bemüht war. Aber warum soll ich Ihnen diese Nacht in allen Einzelheiten beschreiben, ich müßte einfach zu Wiederholungen meine Zuflucht nehmen, und dies wäre für Sie und für mich ermüdend, ganz abgesehen davon, daß Ihre eigene Phantasie, in Verbindung mit meinen bisherigen Bekenntnissen, Sie schon hinreichend in den Stand setzen wird, sich die Szenen selbst auszumalen.

Unleugbar hat die erste Liebe eines unerfahrenen Jünglings, dessen Lehrerin sie abgeben, den sie allmählich, Schritt für Schritt, in die süßen Geheimnisse [144] des Vergnügens bis zu dessen vollständigster Erschöpfung einweihen kann, für jedes Weib einen unendlichen Reiz. Dieser Charakter der Autorität, den das Weib in einem solchen Falle dem Manne gegenüber behauptet, schmeichelt seiner Eitelkeit, und außerdem liegt in den naiven, wenn auch oft ungeschickten Liebkosungen eines unerfahrenen Mannes für jedes Weib ein unbeschreiblicher Zauber. Die höchste sinnliche Befriedigung aber empfindet ein Weib nur in den Armen eines erfahrenen, mit allen Geheimnissen der Wollust und allen Mitteln, dieselbe aufs höchste zu steigern, vertrauten Mannes. Der Fürst war ein solcher, und wenn Sie dabei bedenken, daß er, trotz der Kraft seiner physischen Natur, eine gewisse Delikatesse nicht verleugnete, das Weib, welches sich ihm hingab, nie brutalisierte, stets mehr auf ihr Vergnügen, als auf das seinige bedacht zu sein schien, und eben darum doppelt genoß, so werden Sie wenigstens eine Ahnung jenes wollüstigen Vergnügens gewinnen, welches er Rudolphinen und mir in jenen verschwiegenen Nächten bereitete.

Am nächsten Sonntag kam Rudolphinens Mann, wie gewöhnlich, zu Besuch. Auf ihres Gatten ausdrücklichen Wunsch lud Rudolphine den Fürsten an diesem Tage zum Mittagessen ein. So oft ich den Fürsten auch früher in Wien im Hause von Rudolphinens Mann gesehen, so pflegte derselbe in Baden Rudolphinens Haus, um ja keinen Verdacht zu erregen, nur äußerst selten am Tage zu betreten. Auch ich hatte ihn seit jener Zeit, die mich in sein und Rudolphinens Geheimnis eingeweiht hatte, nur in der Nacht gesehen, wo er, da die Dinge zwischen uns nun einmal so weit gediehen, in diesem Fall sich natürlich keinen Zwang aufzuerlegen hatte, sondern sich vollkommen gehen lassen konnte.

Trotz meiner eigenen Selbstbeherrschung, auf die[145] ich wohl einigermaßen bauen konnte, sah ich, ich gestehe es, den Fürsten nicht ohne Herzklopfen Rudolphinens Einladung Folge gebend, in den Speisesaal treten, und ich glaube selbst, daß bei seinem Anblicke eine verräterische Röte wider Willen meine Stirn überflog. Aber das Benehmen des Fürsten beruhigte mich schnell genug und half mir bald vollkommen über meine eigene Verlegenheit hinweg.

Der Fürst begrüßte Rudolphinen mit jener feinen Galanterie, zu welcher seine Beziehungen zu ihrem Gatten ihn berechtigen zu schienen, mich selbst zeremoniell und förmlich. Bei Tische wurde er, nachdem er die ersten Gläser Wein glücklich geleert, etwas wärmer, ohne jedoch seine ihm zur zweiten Natur gewordene Zurückhaltung aufzugeben. Kein Mensch, der uns bei Tische gesehen, hätte auch nur im entferntesten die innigen Beziehungen ahnen können, welche zwischen uns stattfanden. Das Benehmen des Fürsten war ausgesucht höflich, aber nichts weiter, und von einer aristokratischen Kälte. Überhaupt war der Fürst eine in seiner Weise wirklich hervorragende Erscheinung. Im Besitze einer bedeutenden Welt- und Lebenskenntnis, verlor er nie die Herrschaft über sich selbst. Nichts setzte ihn in Verlegenheit, und es war schlechterdings unmöglich, in seinem ruhigen, impassablen Gesicht seine Gedanken zu lesen. Kavalier vom Scheitel bis zur Zehe, war er in seinem äußeren Benehmen verbindlich, aber reserviert, und seine hervorragendste Eigenschaft war vor allem eine große Diskretion. Er hatte viele Erfolge bei den Frauen errungen, er war auf das Genaueste mit allen Schwächen des menschlichen Herzens vertraut, sprach zuweilen von seinen Eroberungen, aber nie nannte er einen Namen. Der kalte Egoismus, der den Grundzug seines Charakters bildete, ließ ihn rücksichtslos jede Verbindung aufgeben, sobald ihm dieselbe lästig wurde, aber nie hatte ein Weib, das sich ihm [146] hingegeben, über einen Verrat ihres Vertrauens sich zu beklagen; er konnte selbstsüchtig das Herz eines Weibes brechen, aber er schonte dessen Ehre. Unempfindlich gegen die Liebe und infolgedessen ohne Anspruch auf eine Zärtlichkeit, deren er selbst nicht fähig war, suchte der Fürst nichts als Genuß, und gerade die Verbindung mit einem solchen Manne mußte mir, die ich gleichfalls nach gewissen Genüssen lechzte, ohne jedoch dabei Lust zu haben, mein Herz zu verschenken, von meinem Gesichtspunkte aus doppelt willkommen sein.

Den Kaffee nahmen wir im Garten ein; der Fürst bot Rudolphine den Arm, ihr Gemahl mir den seinigen. Während Rudolphinens Gemahl sich mit dem Fürsten zur Rücksprache über eine Geschäftsoperation einen Augenblick entfernte, drückte mir Rudolphine ihr Bedauern darüber aus, daß die Ankunft ihres Mannes sie und mich unseres nächtlichen Vergnügens beraube.

Allein wenn es Rudolphinens Absicht war, mich heute nacht zur Enthaltsamkeit zu verurteilen, so stimmte dies doch mit meinen eigenen Plänen keineswegs überein. Schon bei der Ankunft von Rudolphinens Gatten war ich entschlossen, den Fürsten diese Nacht für mich allein zu behalten, und war nur in Verlegenheit über die Art und Weise, wie ich ihn benachrichtigen sollte, daß, wenn Rudolphine diese Nacht auf seinen Besuch verzichten müsse, ich darum um so fester auf denselben rechne. Aber der Fürst flüsterte mir zu, daß ich ihn, trotz der Anwesenheit von Rudolphinens Mann, erwarten dürfe, falls ich ihm nur den Schlüssel zu meinem Schlafzimmer zustellen wolle. Eine halbe Stunde später war der Schlüssel in seinen Händen.

Der Fürst ließ nicht lange auf sich warten; kurz nach Mitternacht trat er in mein Zimmer – und ich verlebte in seinen Armen entzückende Stunden. Er[147] versicherte mir, daß er mir in allen Beziehungen vor Rudolphine den Vorzug gebe und die Glut seiner Küsse und die energische Kraft seiner Liebkosungen zeigte mir zur Genüge, daß er bei dieser Versicherung nicht bloß die Absicht gehabt, meiner weiblichen Eitelkeit zu schmeicheln. Der Fürst zeigte sich in dieser Nacht so aufgeregt, er war so unersättlich in seinen Liebkosungen, daß er mich trotz alles Vergnügens, welches er mir verschaffte, doch zuletzt dermaßen ermüdete, daß ich gleich, nachdem er mich verlassen, in einen tiefen Schlummer versank und nicht früher erwachte, bis Rudolphine selbst mich weckte.

Mein erster Blick auf meinen Toilettentisch zeigte mir die Uhr des Fürsten, die derselbe dort vergessen hatte. Auch Rudolphine hatte sie bemerkt und dieser Anblick verriet ihr zur Genüge, in welcher Gesellschaft ich die Nacht verbracht und erklärte ihr zugleich das Geheimnis meines tiefen Schlummers. Sie machte mir heftige Vorwürfe über meine Unvorsichtigkeit, die sie in den Augen ihres Mannes so leicht zu kompromittieren vermöge. Ich erklärte ihr jedoch ruhig, daß ich nicht begreife, wie ich sie zu kompromittieren vermöge, da ihr Mann, der mir ja selbst seine Huldigung dargebracht, doch kein Recht habe, mich zu tadeln, wenn ich für meine Person dem Fürsten Zutritt zu mir gewähre. Aber meine Vernunftgründe taten bei Rudolphinen nicht die gewünschte Wirkung und beseitigten keineswegs ihren Unwillen, der weniger aus der Furcht, durch mich kompromittiert zu werden, entsprang, als vielmehr seinen Grund in ihrer Eifersucht hatte. Sie beneidete mich um die feurigen Liebkosungen, für welche ihre begehrliche Natur in der kalten Umarmung ihres Gatten keinen genügenden Ersatz fand.

Wie sehr ich mit meiner Vermutung Recht hatte, zeigte sich am folgenden Abend, wo wir hinwiederum [148] zu dreien genossen. Rudolphine bot alles auf, um mich auszustechen, den Vorrang über mich zu behaupten und den Fürsten womöglich für sich allein in Beschlag zu nehmen. Ich nahm und fand meine Revanche, als bei Rudolphinen jener periodisch wiederkehrende Zustand eintrat, der schon nach jüdischem Gesetz jeden Umgang mit einem Manne untersagt haben würde. Der Fürst widmete sich mir ausschließlich, und zwar in Rudolphinens Gegenwart und dieser Umstand fachte ihre Eifersucht rasch genug zur Flamme an.

Wenn sie den Fürsten auch nicht liebte, so verwundete doch der augenblickliche Vorzug, den mir derselbe angedeihen ließ, ihre Eitelkeit. Unter diesen Umständen konnte es mich allerdings nicht überraschen, daß Rudolphine in ihrem Benehmen allmählich kälter gegen mich wurde und endlich eröffnete sie mir, daß häusliche Verhältnisse sie nötigten, Baden früher zu verlassen, als sie beabsichtigt. Durch diese Erklärung machte sie zwar meiner Liaison mit dem Fürsten ein Ende, beraubte sich jedoch gleichzeitig seines Umganges, da sie den Fürsten in ihrem Hause in Wien zu empfangen nicht wagen konnte. So wahr ist es, daß die Eifersucht, eine Rivalin auszustechen, sich gern und freudig selbst einer Entbehrung unterwirft.

Zwischen Frauen der sogenannten guten Gesellschaft findet bei solch delikaten Dingen, wie denen, welche zwischen mir und Rudolphine vorlagen, keine Erklärung statt und auch zwischen mir und Rudolphine kam es nicht zu einer solchen. Nichtsdestoweniger ließ ich Rudolphine merken, daß ich den Grund ihres geänderten Benehmens in ihrer Eifersucht finde und diese Hindeutung trug nicht gerade dazu bei, ihre freundschaftlichen Gefühle für mich neu zu beleben und wir, die wir so lange fast unzertrennlich gewesen, trennten uns zuletzt mit einer [149] nur schlecht verhehlten eisigen Kälte. Aber ist dies bei zwischen Frauen und Mädchen geschlossenen Bündnissen nicht immer der Fall? Weibliche Freundschaft, so innig, so aufopfernd sie auch sein mag, widersteht selten dem ersten Frosthauche der Eifersucht!

Ich kehrte also mit Rudolphinen nach Wien zurück und da ich dort ihr Haus nur selten besuchte, so hatte ich auch nur selten Gelegenheit, den Fürsten zu sehen. Zwar hatte derselbe sich mir zu nähern gesucht, bat mich auch, ihm Zutritt zu mir zu gestatten, allein dies mußte ich ihm abschlagen. Ich war doch zu ängstlich auf meinen Ruf bedacht, als daß ich Lust gehabt hätte, mich in dieser Weise zu kompromittieren, ganz abgesehen davon, daß es mir, selbst wenn ich es hätte wagen wollen, unmöglich gewesen sein würde, ihm ein Rendezvous, wie er es wünschte, zu bewilligen. Im Hause hatte ich an meiner Tante eine sehr strenge Keuschheitswächterin, und selbst wenn diese zu düpieren, so ist doch eine Künstlerin, die durch ihr Auftreten zu einem quasi öffentlichen Charakter wird, zu sehr der Beobachtung von tausend Augen ausgesetzt, als daß nicht die leiseste Unvorsichtigkeit ihren Ruf auf immer ruinieren sollte. Wenn man einer Bühnenkünstlerin auf der einen Seite eine gewisse Freiheit des Benehmens verzeiht, so bilden auf der anderen Seite die tausend Augen des Publikums eine fast undurchdringliche Schutzwehr für die Tugend, so daß es einem Weibe in solcher Stellung unendlich schwerer fällt, im Geheimen gewisse Freuden zu genießen, als jemand anderem.

So löste meine Verbindung mit dem Fürsten sich auf. Noch heute denke ich mit Vergnügen an den schönen und geistreichen Mann zurück, der mich zuerst nicht die Liebe, sondern die Wollust lehrte, welche ein Weib in der Umarmung eines Mannes empfindet.

[150] Brauche ich Ihnen, so wie Sie mich kennen, erst zu sagen, daß mir der durch Rudolphine herbeigeführte Bruch meiner Liaison mit dem Fürsten ein aufrichtiges Bedauern einflößte? Fortan war ich ja, da für den Fürsten ein Ersatz sich nicht so leicht finden ließ, in Bezug auf gewisse Freuden wieder auf das so unvollkommene Werk meiner eigenen Hand hingewiesen.

Sie kennen das Bühnenleben gut genug, um zu wissen, daß es mir weder an Huldigungen, noch an Herrenbekanntschaften fehlen konnte. Kein Weib befindet sich, wenn es sich um die Gelegenheit, Eroberungen zu machen, handelt, in günstigerer Position, als gerade die Bühnenkünstlerin, die ihre Schönheit, ihr Talent von der Bühne herab vor den Augen von Tausenden entfaltet, während ein anderes Weib meist mir Gelegenheit findet, sich innerhalb eines zuweilen sehr eng begrenzten Familienkreises geltend zu machen. Außerdem ist eine Bühnenkünstlerin ein öffentlicher Charakter, eine Celebrität und die Eitelkeit der Männer findet eine Befriedigung darin, mit einer Celebrität auf vertrautem Fuße zu stehen, damit vom Glänze ihres Ruhmes wenigstens ein Reflex auf sie zurückfalle. Kein Wunder daher, wenn jede bekannte Künstlerin sich von Männern mit altadeligem Wappen und Matadoren der Börse bis zu dem jüngsten Lyriker herab, der ihr schüchtern die Erstlinge seiner Muse zu Füßen legt, von Anbetern aller Stände, aller Klassen umringt sieht, die alle nach einem Blick, nach einer Gunstbezeugung dürsten. Aber wo sollte ich unter allen diesen Männern denjenigen finden, dessen ich bedurfte, der bereit war, meine Wünsche zu befriedigen, der, ohne sich eine Herrschaft über mich anzumaßen, vielmehr insoweit mein Sklave blieb, daß ich jeden Augenblick meine Beziehungen zu ihm lösen konnte, ohne seinerseits eine Indiskretion fürchten zu müssen. Zu [151] einer solchen Entdeckung aber konnte nur der Zufall mich führen, und der Zufall war mir vorerst ungünstig. Auf Grund meines Debüts war ich am Kärntner Thor-Theater auf ein Jahr engagiert. Mein Kontrakt lief zu Ende und als es sich um Erneuerung desselben handelte, machte man mir gleichzeitig von Pest und Frankfurt aus Offerten. Ich liebe, als geborene Österreicherin, Wien, die schöne, glänzende Kaiserstadt und würde es wahrscheinlich vorgezogen haben, daselbst, wenn auch mit geringer Gage, zu verbleiben, wenn ich nicht um diese Zeit einen Brief meines Vaters empfangen hätte, der mich von einem bedeutenden Vermögensverluste unterrichtete, den er erlitten. Seit einem Jahre bedurfte ich zwar der Unterstützung meines Vaters nicht mehr, allein mein Herz trieb mich an, ihm durch die Tat zu danken für die bedeutenden Opfer, welche er meiner Ausbildung gebracht und ihm meinerseits die schweren Sorgen, in welche sein Verlust ihn momentan versetzte, nach Kräften zu erleichtern und dieser Umstand ließ mich die mir von Frankfurt aus gemachte Offerte, als die pekuniär vorteilhafteste, akzeptieren und somit sage ich Wien auf Jahre Lebewohl.

Von Rudolphine verabschiedete ich mich in einem kurzen Besuche, so vollkommen hatte die Zeit und ihre Eifersucht unsere früher so innige Freundschaft ertötet.

8.

[152] VIII

Wenn Sie, teurer Freund, darüber staunen sollten, daß meine Briefe, die Sie fortan lesen werden, von jenen, die ich bis jetzt geschrieben, im Stil, in der Fassung, in der Philosophie und in den Ansichten sowie auch in der Mannigfaltigkeit des Stoffes ganz verschieden sind, so glauben Sie doch nicht, daß ich, müde des Schreibens, jemand zu meinem Vertrauten gemacht und ihn betraut habe, meine Memoiren fortzusetzen. Ich müßte dann außer Ihnen noch einen Menschen kennen, dem ich mich ebenso rückhaltlos anvertrauen dürfte wie Ihnen. Dies ist aber nicht der Fall. Man muß nur die Menschen so genau kennen, um ihnen alles, was man denkt, was man gedacht und gefühlt, vertrauen zu dürfen, und bis jetzt habe ich noch keinen gefunden unter denen, welchen ich mich körperlich ganz hingegeben, am allerwenigsten. Die Verschiedenheit und der ganze Wechsel rührt lediglich daher, daß meine Anschauungsweise in der Aufzeichnung meiner Erlebnisse diesen selbst angepaßt ist, weil ich mich hineindenke in die Lagen, in denen ich mich jedesmal befand, und vielleicht ist es eben kein Fehler, wenn ich auch meine Schreibart diesen verschiedenartigen Situationen anpasse.

Ich erinnere mich, in einem Prolog Goethes zu sei nem Drama »Faust« den Satz gelesen zu haben, den ich als Axiom betrachte: »So schnell wie der Übergang vom Guten zum Bösen.« Sie werden es also nicht für unerklärlich halten, wenn sich auch meine Anschauungsweise über den Genuß verändert hat, um so mehr müssen Sie dies natürlich finden, weil seit jenem Tage, an welchem ich meinen letzten Brief geschrieben, 15 Monate verstrichen sind.

Doch ich will Sie nicht mit einer langen Vorrede zu dem zweiten Teile meiner Enthüllungen langweilen, ich weiß es von mir selbst, daß die Vorreden [153] nicht unterhaltend sind, und daß ich sie am meisten zu überschlagen pflege. Demnach gehe ich über zu Tatsachen, wie die Engländer sagen: »stick to facts«.

In meinem letzten Briefe habe ich erwähnt, daß ich ein Engagement in Frankfurt angenommen, welches mir unter den beiden Anträgen, die mir gemacht wurden, das vorteilhaftere schien. Zum Glück ließ ich mich auf keine längere Zeit als zwei Jahre bürden, und ich halte diese in meinem Leben für verloren und zwar in jeder Beziehung.

Obschon zu jener Zeit, als ich nach Frankfurt kam, von jener Wagnermanie, welche jetzt in Deutschland grassiert, keine Rede sein konnte, denn damals war Richard Wagner eine unbekannte Größe in der Musikwelt, so hatten wir doch im Repertoire unschmackvolle Sachen genug. Der Kampf zwischen der italienischen und deutschen Musik hatte bereits begonnen, und die letztere fing hier am ehesten an das Übergewicht zu erhalten.

Eine Sängerin mag ihre Heimat noch so sehr lieben, an der Sprache, an den Sitten und an den Erinnerungen ihrer Kindheit noch so sehr hängen, sie hat doch nur ein wirkliches Vaterland und das ist die Musik. Die italienische hat mich immer mehr angesprochen als jede andere, weil ich sie den Empfindungen unserer Seele mehr angepaßt, die Gefühle unseres Herzens deutlicher ausdrückend und leidenschaftlicher, schmelzender, süßer fand als unsere gelehrte deutsche und der leichte Tand der französischen, welche mir immer vorkam, als müßte man dabei eine Quadrille tanzen. Die italienischen Opernkomponisten bieten auch den Sängern mehr Gelegenheit, sich auszuzeichnen, denn sie schreiben für uns, während die Deutschen alles Gewicht auf Instrumentalmusik legen; wir müssen uns dabei nur dem Orchester als Opfer bringen und abplagen.

Doch auch abgesehen von den Nachteilen, die ich[154] als Sängerin erfahren, war für mich Frankfurt der widerwärtigste Ort, den ich mit einer Diogeneslaterne nur finden konnte, eine Stadt, wo die Geldaristokratie und das Judentum den Ton angeben, wo man von der Kunst wenig versteht, wo die Leute Logen nehmen, um damit zu paradieren, wo jeder dritte Satz ein »wie heißt« ist, wo die Menschen nach dem Gewichte ihres Geldes gewogen werden. Wie soll da die Kunst blühen? Selbst die sengendste Leidenschaft erkaltet hier, der Liebesgenuß ist hier nichts als natürliches Bedürfnis, eine »Kühlung für die Hitze der Leber«, wie Shakespeare sagt. –

Es mangelte mir nicht an Courmachern, namentlich aus der Nation, deren Vorfahren das rote Meer passiert hatten. Sie nahten mir mit Achtung, während ich nach Genuß lechzte. Es gab unter der großen Schar von Anbetern keinen einzigen, den ich für würdig hielt, daß ich ihm meine Liebe schenkte und den Schatz, den ich beständig an mir trug, preisgeben wollte. Unter meinen Kollegen gab es zwar ein paar hübsche und galante Männer, doch habe ich es mir zur Maxime gemacht, wen immer eher zu wählen, als einen Mitschauspieler, Sänger oder Musiker. Diese Leute sind gar zu indiskret, man riskiert seinen Ruf, mithin auch seine Stellung zu sehr, und ich habe stets darauf ein großes Gewicht gelegt, den Nimbus der Tugendhaftigkeit zu bewahren.

Hätte ich wenigstens ein Mädchen oder eine Frau gefunden, der ich mich geistig und körperlich mitteilen durfte, wie es Marguerite gewesen, ich würde keine Mühe gescheut haben, sie in die süßen Mysterien des Genusses einzuweihen, diese Personen waren aber teils unnahbar spröde Geschöpfe, oder zu wenig hübsch, einige aber hatten eine so ausgedehnte Praxis, daß sie ganz verbuhlt aussahen und mir Ekel einflößten, so daß ich lediglich auf mich selber beschränkt blieb.

[155] »Wie wenn ich die zwei Jahre meines Hierverweilens dazu benützen wollte, um mich für einen reichhaltigeren Genuß in der Zukunft zu stärken«, dachte ich mir. »Wäre ich imstande dies auszuführen? Würde die Wollust der späteren Jahre ein Ersatz für meine Kasteiung sein? Wir wollen es versuchen.« Man sagt, der menschliche Wille sei das stärkste, was es gibt. Ich unterwarf mich dieser Selbstprüfung.

In den ersten vierzehn Tagen kostete es mich eine, beinahe möchte ich sagen, übermenschliche Selbstbeherrschung, um meine Finger nicht an eine gewisse Stelle meines Körpers zu legen, später ward mir dies leichter, und wenn mich wollüstige Träume oder die Hitze meines Blutes in schwachem Zustand zu stacheln begannen, sprang ich aus dem Bette und nahm schnell ein Sitzbad vom kältesten Wasser, daß ich die Zähne aneinander schlug, oder ich nahm ein Zeitungsblatt zur Hand und las einige Artikel über Politik. Nichts kühlt so sehr ab als politische Lektüre.

Im zweiten Monat meiner mir selber auferlegten Kasteiung waren die Anfechtungen weniger häufig, und wenn sie auch manchmal mich überraschten, so waren sie nicht so hartnäckig und anhaltend. Ich glaube, ich hätte dem Liebesgenusse ganz entsagen können, wenn ich es durchaus tun wollte. Dies ist aber ein Wahnsinn, ich sehe nicht ein, weshalb ich es tun sollte. Man kann enthaltsam sein, um nachher eine größere Wollust zu fühlen, weil dann die Enthaltsamkeit ein Mittel zur Steigerung des Genusses wird. Gerade so, wenn man auf einen Ball gehen will und sich nicht durch Spaziergänge oder eine andere körperliche Anstrengung ermüdet; wenn man zu einem köstlichen Diner eingeladen wird, so wird man auch nicht auf den Gedanken geraten, vor dem Mittagessen sich den Magen zu überladen. Ebenso ist es mit den Genüssen der Liebe.

[156] Dennoch weiß ich nicht, ob ich es zwei Jahre hätte aushalten können, und ich danke es nur dem Zufalle, daß ich diese schwere Probezeit durchzumachen im Stande war.

Ich sehe Sie, wie Sie lächeln und ungläubig Ihren Kopf schütteln. Dennoch versichere ich, daß das, was ich Ihnen jetzt schreibe, die lauterste Wahrheit ist.

Eine meiner Kolleginnen, Madame Denise A ..., eine geborene Französin, doch der deutschen Sprache vollkommen mächtig, war unter den übrigen Sängerinnen die einzige, mit welcher man rückhaltlos über alles sprechen durfte, ohne eine Indiskretion ihrerseits zu riskieren oder von ihrer Prüderie zurückgestoßen zu werden. Sie hatte schon alles durchgemacht, kannte den Genuß bis zur höchsten Potenzierung und war bereits in jenes Stadium getreten, in welchem die Blasiertheit für den geschlechtlichen Kitzel eintritt. Sie war noch nicht so alt und auch nicht häßlich, daß sie nicht Männer gefunden hätte, um ihr einen Liebesdienst zu erweisen, sie kokettierte zuweilen mit diesem oder jenem, es geschah aber nur, um sie zu plündern, wie es die Marmordamen in Paris zu tun pflegen.

Es gab unter denen, die ihr bizarrer Geschmack zu Denise hinzog, einige, die meine Vermittlung bei ihr erflehten, und ich war gutherzig genug, das Plädoyer für sie bei Denise auf mich zu nehmen. Dies führte zu Erörterungen und Erklärungen.

»In mir ist jede Lust nach Genuß ausgestorben, nicht infolge einer frühzeitigen Übersättigung, sondern aus Ekel und Abscheu«, sagte sie. »Wenn man hört oder liest, wie weit einen diese Gattung von Genuß bringen kann, dann vergeht einem jede Lust dazu. Man kommt aus frischem in laues, dann in abbrühendes Wasser, dann in Pfützen, zuletzt in stinkende Kloaken mit ekelhaftem Gewürm gefüllt. Sie würden dies erfahren, wenn Sie sich auf diese [157] Bahn wagten. Ich war verheiratet, mein Gatte war der größte Wüstling, den es nur geben konnte, seine Ausschweifungen haben ihn frühzeitig getötet. Es war eine gräßliche Krankheit, an welcher er gestorben; was sage ich, eine Krankheit! Es waren mehrere Übel, die ihn bei lebendigem Leibe zersetzten, er starb an der Rückenmarkschwindsucht, war nebenbei syphilitisch, sein ganzer Leib glich einer riesigen Krätze, und er verlor auch sein Augenlicht. Alles dies, ehe er sein 33. Lebensjahr erreicht. Ich betete ihn an und war verzweifelt über seinen Verlust. Alle die genannten Krankheiten rafften ihn galoppierend hinweg. Innerhalb sechs Monaten war er anscheinend so gesund, daß er täglich nach dem Boulogner Gehölz ritt, und dann so hinfällig, daß er sich nicht bewegen konnte. Ich und eine Freundin mußten ihn futtern wie einen Säugling. Wissen Sie, wem er dieses schreckliche Ende zu verdanken hatte? Einem verruchten Menschen, der sich sein Freund nannte, und der ihm das imfamste Buch, welches jemals geschrieben worden, zum Lesen gab: des Marquis de Sade ›Justine und Juliette oder die Gefahren der Tugend und die Wonnen des Lasters‹. Der Verfasser, heißt es, soll infolge seiner Ausschweifungen wahnsinnig geworden und im Irrenhause gestorben sein. Monsieur Duvalin, der Freund meines Mannes, derselbe, der ihm jenes fluchwürdige Buch zum Lesen gegeben, behauptete zwar, Sade sei nicht wahnsinnig geworden, sondern, um noch mehr genießen zu können, unter die Jesuiten gegangen, in ein Kloster in der Nähe von Paris, in Noisy de Sec. Als ich Duvalin mit Vorwürfen überhäufte, ihn den Mörder meines Gatten nannte, zuckte er die Achseln und sagte, es sei nicht seine Absicht gewesen, meinen Mann zu Grunde zu richten, sondern ihn von seinem Hange zu Ausschweifungen zu heilen; daß sein Mittel fehlgeschlagen, dafür könne er nicht. ›Was wollen Sie, [158] Madame‹, schloß er, ›auch ich wurde vom Teufel des Fleisches geplagt, mich hat das Lesen dieses Buches, welches Ihren Gatten nur noch tiefer hineinriß, geheilt von allen unnatürlichen Gelüsten. Ich sage nicht, daß ich ein Asket geworden, doch gehöre ich nicht zu den unflätigen Schweinen Epikurs, die aus den geschlechtlichen Genüssen eine Kloake machen. Mich hat der Ekel ernüchtert, ihn hat er angezogen. Wer kann dafür!‹ In meiner Verzweiflung über den Tod meines Mannes wollte ich mich töten und zwar in raffiniertester Weise. Ich war eine Phantastin. Mein Gatte hatte während unseres ehelichen Beisammenseins jede Gattung tierischer Genüsse, die man mit einer einzelnen Frau durchmachen kann, erschöpft. Als ich das Buch des Marquis de Sade, welches mit hundert Kupferstichen illustriert ist, zum ersten Male in meine Hände nahm, erkannte ich, daß er vieles davon mit mir durchgemacht hatte. Ich ward zu einer Bacchantin in meinen Gedanken und wollte alles dies ebenfalls versuchen, mich Exzessen hingeben, die in dem Buche enthalten waren, um mich ebenso zu töten, wie es mein Mann getan. Die Hinduweiber besteigen nach dem Tode ihres Gatten den Scheiterhaufen, um sich lebendig zu verbrennen.

Meine Liebe für meinen Mann war unbegrenzt und die Todesart, die ich mir wählte, sollte die seinige sein, folglich eine viel qualvollere, als Selbstverbrennung. Ich wollte die tierische Wollust in der Theorie durchstudieren, um sie dann in der Praxis auszuüben. Mein Mann hatte mir einige Bücher ähnlichen Inhalts, namentlich die ›Memoiren einer Engländerin Fanny Hill‹, die ›petites fredaines‹, die Geschichte ›Dom Bougres‹, das ›Cabinet d'Amour et de Venus‹, ›les bijoux indiscrets‹, die ›Pucelle‹ von Voltaire, die ›Abenteuer einer Couchoise‹ teils vorgelesen, teils zum Lesen gegeben.

Er wollte sich und mich dadurch zum Genuß stimmen. [159] Er verfehlte seinen Zweck nicht und fand mich zu allen Cochonnierien, die wir miteinander begingen, geneigt, allein das Buch Sades hielt er zurück, weil er es für mich zu gefährlich hielt; ich fand es erst nach seinem Tode sorgfältig versteckt in einem Schranke, welcher einen doppelten Boden hatte. Ich machte mich daran, das Buch zu lesen. Meine Ungeduld trieb mich, die Bedeutung der Illustrationen zu kennen, und ich schlug es am allerehesten dort auf, wo sich die scheußlichsten Szenen befanden, z.B. die Folterungen der Frauen, die Szene im Tierzwinger, das Abenteuer auf dem Ätna, die Geißelungen, die Orgien, die Knabenschändungen, die Szenen in Rom, den Auftritt, wo der Marquis im Panterfell erscheint zwischen drei nackten Weibern und zwei Kindern, von welch letzteren er bereits eines zu Tode gebissen, endlich auch die Beschreibung der Orgie mit den beiden geköpften Weibern, die Bestialitäten usw.

Jetzt fing ich erst an, Duvalin zu begreifen. Dieses Buch hatte zweierlei Wirkungen, je nach dem Naturell des Lesers oder der Leserin, je nach der Empfänglichkeit und Auffassungsgabe derselben. So wie es Duvalin halb blasiert gemacht hatte, so fühlte ich einen solchen Ekel vor diesen Abscheulichkeiten, die zu lesen mich viel Überwindung kostete, daß ich, ehe ich dahin kommen konnte, auch nur etwas davon, was ich in diesem Buche fand, in der Praxis auszuüben, schon abgestumpft war. Ich konnte mich berühren, soviel ich wollte, ich zog meine Finger zurück, ich fand dieses Gefühl schal und leer. Der Stachel war durch den Überreiz abgebrochen in mir, und niemals wiederum fiel ich zurück. Ich war radikal geheilt von allen wollüstigen Trieben, die im menschlichen Körper stecken. Ich fing an zu begreifen, wie es männlichen Kastraten zu Mute sein muß.«

Denise sprach noch viel über dieses Thema und [160] ich verstellte mich vor ihr so gut, daß sie mich in der Praxis für sehr unerfahren hielt. Sie mochte wohl ahnen, daß ich den gewissen eigenhändigen Genuß, jenen mittels der Godemiches und selbst mit Personen meines eigenen Geschlechts kannte, doch nicht den in seinen Folgen gefährlichsten, den mit Männern. Das Verstellen ist, glaube ich, uns Frauen ebenso angeboren, wie den Männern das Prahlen mit ihrem Mut. Sie fragte mich, ob ich noch keines jener Bücher gelesen, die sie erwähnt. Auf meine verneinende Antwort schlug sie mir vor, ich sollte es gleich mit Sades Justine und Juliette versuchen.

»Einige Ärzte behaupten«, sagte sie, »der Kampher besitze die Eigenschaft, den geschlechtlichen Kitzel bei vielen Frauen zu ertöten. Ich weiß nicht, ob dies wahr ist, doch daß das Buch Sades bei mir auf mehrere Monate jeden Gedanken, jede Sehnsucht zu geschlechtlichen Ausschweifungen erstickte, ist gewiß. Welch eine Phantasie! Und ist es möglich, daß solche Dinge geschehen können? Die Männer darin sind Tiger und Hyänen, die Weiber Boas und Alligatoren. Das wenigste darin sind natürliche geschlechtliche Genüsse, meist sind es Weiber mit Weibern. Männer mit Knaben und mit Tieren. Es ist grauenhaft! Ich dachte darüber nach, ob der Mensch sich wirklich mit der gewöhnlichen Wollust der Begattung so sättigen könne, daß diese zuletzt für ihn gar keinen Reiz mehr hat, daß er anstatt weiße Leiber geschundene, verbrannte, zerfleischte Körper zu sehen wünscht. Ich er schrak über den Mann, der dies geschrieben hatte. Ob er wohl auch alles mitgemacht, oder ob ihn seine ausschweifende Phantasie verführt hatte, solche Dinge aufs Papier zu bringen? An einer Stelle erzählt er, daß dies unter den Kavalieren der damaligen Zeit gang und gebe gewesen, und daß im Hirschparke ähnliche Szenen ausgeführt worden seien.

[161] Er spricht von der Wollust, Menschen sterben zu sehen, spricht, daß auch die berüchtigte Marquise von Brinvilliers einige ihrer Opfer nackt entkleidete und sich an den Todeszuckungen in den Gesichtern und den Körpern der Unglücklichen weidete.«

Während der ganzen Zeit, während welcher ich dieses Buch las, was mehrere Monate währte, dachte ich kein einziges Mal daran, das zu tun, was ich allein, mit Marguerite und mit Rudolphine getan. Zehn Bände, jeden zu mehr als 300 Seiten, durchzulesen, dazu braucht man Zeit, und zwar um so mehr, da ich nicht ausschließlich dieser Lektüre nachhängen konnte, denn ich mußte neue Partien einstudieren, die Theaterdirektion schonte mich auch nicht, alle Tage gab es entweder Theaterproben oder Vorstellungen, ferner empfing ich viele Besuche, teils von meinen Kollegen und Kolleginnen, teils von Freunden, ich erhielt Einladungen zu Soireen, Bällen, Landpartien usw. Endlich aber war ich damals noch nicht fest in der französischen Sprache, um alles genau zu verstehen, was Sade schrieb, und manche Stelle erriet ich nur, da es viele Wörter gab, die man in keinem Wörterbuch findet.

So geschah es denn, daß ich zwei Jahre so keusch lebte, wie die heilige Magdalena, die in ihrer Jugend ein ziemlich stürmisches und bewegtes Leben geführt.

Im zweiten Jahre meines Theaterengagements zu Frankfurt erhielt ich wiederholt Zuschriften aus verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs und Ungarns. Mir fiel die Wahl schwer, bis endlich Herr R. ..., zu jener Zeit Theater-Intendant der ungarischen Oper, selber nach Frankfurt kam und mir die bisher schriftlich gemachten Anträge mündlich wiederholte.

Zwei Herren begleiteten ihn hierbei, der eine, ein reicher ungarischer Kavalier, Baron Felix von O ...,[162] selber ein Musikdilettant, ein sehr liebenswürdiger Mensch, sehr schön und nebenbei auch sehr reich. Er machte mir bei seinem letzten Besuche schon den Hof und solche Anträge, die mir ein viel reicheres Einkommen in Aussicht stellten, als jenes, welches ich von der Theater-Intendantur erhalten sollte. Mir widerstrebte aber der Gedanke, meine Gunstbezeugungen für schnöden Mammon zu verkaufen. Ich würde mich dadurch in meinen eigenen Augen sehr tief gestellt haben, und ich wies alle seine Anträge von mir.

Der andere Herr, welcher den Intendanten begleitete, war dessen Neffe, ein Jüngling von kaum mehr als 18 Jahren, ein so schönes Bürschchen, wie mir bis dahin noch keines vorgekommen, dabei schüchtern und verschämt, wie eine ländliche Unschuld. Er wagte es kaum, seine Augen zu mir aufzuschlagen. Und wenn ich ihn anredete, wurde er feuerrot. Der Baron O ... sagte über ihn viel Schönes, daß er ein Genie sei, der noch einst eine große Rolle in seinem Vaterlande zu spielen berufen sei. Eines solchen Jünglings Erstlinge der Liebe zu erhalten, war wohl der Mühe wert. Wenn es jemals einen jungen Mann gab, der weder in der Theorie noch viel weniger in der Praxis die süßen Geheimnisse Cytherens kannte, so war es der junge Arpad von H ..., der Sohn einer Schwester des ungarischen Theaterintendanten.

Die Herren Ungarn hielten sich nur 2 Tage in Frankfurt auf, sie reisten nach London und Paris, um hier einige Partituren zu erwerben, von solchen Opern, die dort am meisten beliebt waren.

Herr von R ... drängte mich sehr zur Entscheidung, der Baron von O ... verband seine Bitten mit jenen des Theaterintendanten, und selbst in den Augen Arpads las ich den Wunsch, ich möchte nachgeben. Dieser Blick entschied, und ich gab meine Zustimmung. Der Intendant holte sofort einen geschriebenen [163] Kontrakt in zwei Exemplaren aus seiner Brusttasche hervor, las mir das Ganze vor, wir hielten die beiden Schriften zusammen, und ich unterzeichnete sie.

In diesem Dokumente war bestimmt, daß ich mein Engagement sofort, nachdem mein Kontrakt mit der Frankfurter Theater-Direktion zu Ende wäre und ich noch sechs Gastspiele in Wien gehabt hatte, antreten sollte. Dies war gerade in einer etwas ungünstigen Zeit, in der sogenannten toten Saison.

Damals aber herrschte in Ungarn noch das sogenannte Provisorium, es wurden noch keine Reichstage gehalten, wiewohl man schon davon sprach, daß einer im nächstfolgenden Jahre einberufen werden sollte.

Die österreichische Regierung fing an einzusehen, daß das System der Knechtung in einem Lande wie Ungarn doch zu nichts führte, und hielt es für zweckmäßiger, nachzugeben.

Oh, mein Gott, ich glaube gar, ich ließ mich hinreißen, auch über Politik zu sprechen, von welcher ich niemals etwas verstanden.

Im Juli verließ ich Frankfurt. Ehe ich hierher gekommen war, hatte ich mich noch in Wien bei Angerer photographieren lassen. Ich sah dem Porträt durchaus nicht mehr gleich. Meine Gesichtszüge waren ausgebildeter, nicht eine Spur eines solchen Backfischleinausdrucks, wie ich noch besaß, als ich nach Frankfurt gekommen, war an mir mehr wahrzunehmen. Man hatte mich überhaupt nicht für so alt gehalten, wie ich war, und mehrere Ärzte und auch andere männliche und weibliche Bekannte meinten, ich sei körperlich zu wenig entfaltet für mein Alter. Ich erinnere mich noch meiner Mutter, wie sie ausgesehen, als ich sie am Geburtstage Papas nackt im Bette liegen sah. Welch ein Unterschied zwischen ihr und mir, selbst als ich schon in Wien war. Meine[164] Schenkel waren nicht so stark und fleischig wie ihre Arme, dort konnte man nirgends unter dem Fleische die Anwesenheit eines Knochens auch nur ahnen, während bei mir die Schultern, die Schlüsselbeine, die Rippen und die Hüften ganz deutlich und scharf hervortraten. Während der letzten zwei Jahre aber, seitdem ich das Leben einer Vestalin lebte, hatte ich sehr zugenommen, es war beinahe auffallend. Meine Schenkel und die beiden Venussphären, auf die wir Frauen soviel halten, daß wir stets nur darauf bedacht sind, die Welt zu täuschen, indem wir zu unsern Kleidern einen Zusatz geben, waren bereits so rund, so fest und doch dabei so elastisch, daß ich nicht müde ward, mich in meiner Doppelpsyche zu betrachten, und hätte ich ein so elastisches Rückgrat gehabt, wie die gewissen Akrobaten, die man Kautschukmänner nennt, ich würde mich wie eine Schlange zusammengeringelt haben, um diese schönen Kugeln zu küssen.

Die Beschreibungen der Geißelungen in Sades Buch brachten mich zuweilen auf den Gedanken, es zu versuchen, welche Wollust dabei sein könne, wenn man sich mit Ruten den Hintern zerhaute. Ich hatte einmal eine dünne Rute aus Weidenzweigen gebunden, entkleidete mich und stand so vor dem Spiegel, um zu versuchen, doch schon der erste Streich verursachte mir einen schneidenden Schmerz, so daß ich es aufgab. Ich kannte damals diese Art Wollust nicht, wußte nicht, daß man mit schwachen Hieben beginnen müsse, wie die Badewärterinnen in den Dampfbädern; erst im höchsten Momente des Genusses wendet man alle Kraft des Armes an. Es vergingen Jahre, ehe ich diese Wollust kennenlernte und finden sollte, daß sie den Genuß wirklich erhöht. Es war übrigens ganz gut, daß mich damals der Schmerz abhielt, die Exekution an mir selbst fortzusetzen, ich würde trotz des löblichen Vorsatzes der Enthaltsamkeit [165] wiederum darauf gekommen sein, die geschlechtliche Befriedigung durch das schale Fingerspiel an meiner Wollustgrotte zu ersetzen.

Auch wenn ich, was alle Woche einmal, im Sommer sogar drei- bis viermal geschah, ein Bad nahm, war ich noch den Versuchungen des Fleisches ausgesetzt, und Sie werden es vielleicht nicht glauben, obwohl es so ist, es war die Lektüre, die mir Denise anempfohlen, die mich abkühlte.

Als ich wiederum nach Wien kam, waren meine Bekannten sehr erstaunt über die Veränderung in meinem Äußeren. Ich hatte hier mit meiner Mutter ein Stelldichein verabredet, und sie war Zeugin der Triumphe, die ich hier auf der Bühne feierte. Gleich bei unserem ersten Zusammentreffen, als mich meine Mutter erblickte und in ihre Arme schloß, war ihr erster Ausruf: »Ach, mein süßes Kind, wie schön Du geworden bist, wie gesund und frisch Du aussiehst.«

Ich traf einmal mit Rudolphine bei Dommaier in Hitzing zusammen. Sie fixierte mich ein paar Sekunden, ehe sie auf mich zukam und sagte, sie habe mich nicht gleich erkannt. Auch sie hatte sich verändert, doch nicht zu ihrem Vorteil, sie war gezwungen, die natürlichen Rosen ihrer Wangen durch Schminke zu ersetzen, es gelang ihr aber nicht, die bläulichen Ringe, die ihre Augen einfaßten, zu vertilgen, diese waren nur zu auffallend.

»Solltest Du, seit Du Wien verlassen, den Genüssen der Liebe entsagt haben?« fragte sie mich. »Das ist unmöglich, wer einmal diese Ambrosia genossen, der kann sie niemals wieder entbehren. Es gibt aber Menschen von unverwüstlicher Gesundheit, die der Liebesgenuß kräftigt, anstatt sie zu schwächen, und Du gehörst wahrscheinlich zu diesen.«

Ich versicherte ihr vergebens, daß ich während der zwei Jahre meiner Abwesenheit ein keusches Leben geführt und mich dabei um so wohler befunden.

[166] Sie wollte mir nicht glauben, sie fand das so absurd.

»Wen hätte ich in Frankfurt finden können?« sagte ich. »Die Geldprotzen? Ach, die sind wahre Antipoden gegen die Liebe, sie verstehen von Galanterie nichts, und mich einem Manne hingeben, der nicht auch ein wenig mein Herz füllt, das halte ich für unwürdig meines Geschlechts. Ich kenne nichts Abscheulicheres, als eine Messaline, die nur tierische Wollust sucht.«

Rudolphine errötete unter der Schminke, sie mochte sich vielleicht getroffen gefühlt haben; wenn dies der Fall war, so geschah es meinerseits nicht absichtlich.

Wir unterhielten uns nicht lange miteinander.

Ich erblickte zwei Kavaliere, die uns sehr lorgnettierten, und der eine grüßte meine ehemalige Freundin; worauf ich mich verlor und einer anderen Dame zueilte, die die Allee heraufkam.

Während meines vierzehntägigen Aufenthalts in Wien erfuhr ich, daß Rudolphine bereits im Rufe stand, eine der ausschweifendsten Frauen zu sein. Sie zählte ihre Geliebten zu Dutzenden. Auch die beiden Herren, die ich in Hitzing gesehen, gehörten zu ihren Geliebten; es waren zwei Kavaliere, bei der brasilianischen Gesandtschaft attachiert, die größten Roués in Wien. Einen derselben stellte mir Rudolphine sogar vor, den Grafen von A ... Sie war jetzt nicht mehr eifersüchtig, im Gegenteil, sie trat ihre Geliebten an jede ihrer Bekannten ab. Wie sie mir selber er zählte, machte es ihr beinahe ebenso großes Vergnügen, den Sinnesgenuß anderer zu sehen, als selber zu genießen. Sie erinnerte mich an die in Sades Justine beschriebenen Szenen, in welchen ähnliches geschah.

Höflichkeitshalber mußte ich Rudolphine eine Gegenvisite machen. Ich fand sie ganz allein, es war [167] bei Tage, nachmittags um halb vier Uhr. Sie zeigte mir eine Menge Photographien, die sie erst kürzlich aus Paris erhalten.

Es waren nur erotische Szenen, nackte Weiber und Männer. Die interessantesten darunter waren diejenigen, die Alfred de Musset über Madame Du-devand unter seinen Freunden zirkulieren ließ.

Es waren 6 Blatt Obscönitäten, die Sand meistens mit andern Frauen und unmündigen Mädchen, die die berühmte Schriftstellerin in die Geheimnisse des paphischen Dienstes eingeweiht; auf einem dieser Bilder begeht sie auch Unzucht mit einem riesigen Gorilla, auf einem anderen mit einem Neufundländer Hund, auf einem dritten mit einem Hengste, den zwei nackte Mädchen an der Leine halten, sie selbst ist kniend abgebildet, man erblickt also die Hinterbacken in ihrer ganzen Pracht und darunter die Wollustgrotte, die aber sehr ausgedehnt sein muß, da der Hengst seinen furchtbaren Speer ohne Mühe in dieselbe stößt. Ich kann es kaum glauben, daß eine Frau dies auszuhalten im Stande ist; es müßten die Schmerzen bei weitem die Wollust überwiegen.

Rudolphine hat mir die Veranlassung und Geschichte dieser Bilder erzählt.

Sie werden sie vielleicht nicht kennen, und ich halte sie für interessant genug, um sie Ihnen mitzuteilen:

George Sand lebte viele Jahre hindurch in einem intimen Verhältnis mit Alfred de Musset; sie bereisten miteinander Italien und kamen so nach Rom, hier gab es zwischen ihnen einen fürchterlichen Zank, welchem ein totaler Bruch folgte. Musset war anfangs sehr diskret und schonte seine Geliebte, nicht so die Dame. Als man sie um die Ursache des Bruches fragte, sprengte sie aus, sie habe den Dichter seiner Schwäche halber in den Liebestournieren verabschiedet, da er gänzlich impotent geworden.

[168] Das Gerücht kam Musset zu Ohren, er mußte sich in seiner Eitelkeit gekränkt fühlen, da so etwas ihn bei allen Frauen, denen er den Hof machte, in einen schlimmen Ruf bringen mußte, und er nahm sich vor, sich an Madame Dudevant zu rächen. Diese Bilder, zu welchen er einen passenden, ebenso skandalösen Text in Versen schrieb und die durch Photographien vervielfältigt wurden, da es doch schwer gewesen wäre, einen Drucker zu finden, der sie herausgegeben hätte, waren die Rache, die er an ihr übte. –

Es freute mich, daß zwischen mir und Rudolphine eine Aussöhnung stattfand, andererseits genierten mich ihre Besuche, da sie wirklich schon sehr verrufen war.

Ich konnte es kaum erwarten, daß meine Gastspiele zu Ende waren, dann aber blieb ich keinen Tag länger in Wien, sondern reiste sofort nach Pest.

Hier kam ich eben zurecht zum großen Jahrmarkt, der einzigen Zeit während der toten Saison, in welcher es hier etwas lebhafter aussieht; der Jahrmarkt währt hier etwas über 10 Tage, man nennt ihn den Johannes-Enthauptungs- oder den Melonenmarkt, weil zu dieser Zeit sehr viel von diesem schmackhaften, erfrischenden Obste hierher gebracht wird.

Ich hatte mir schon in Frankfurt ein deutsch-ungarisches Wörterbuch und eine Sprachlehre gekauft.

Als ich in Pest anlangte, sandte ich Herrn von R ... sogleich meine Karte zu, und er war höflich genug, mich sofort zu besuchen; er brachte auch seinen Neffen Arpad mit sich. Des Jünglings Augen strahlten vor Freude, als er mich wiederum erblickte.

Ich erstaunte nicht wenig darüber, als ich beide Herren in ungarischer Galauniform bei mir eintreten sah, später erfuhr ich, daß dies jetzt plötzlich Mode in Ungarn geworden sei, und daß man jetzt allgemein ungarische Kleider trage.

[169] Herr von R ... sagte, daß ich mir ebenfalls einige Kleider von ungarischem Schnitt anschaffen müßte, weil der Fanatismus hier soweit ginge, dies von Männern und Frauen zu fordern, daß mehrere Personen, die sich dieser Bewegung widersetzten und dieser Mode nicht huldigten, von der Pester Jugend insultiert worden seien. Von mir, als einem Mitgliede des Nationaltheaters, forderte man dies noch mehr als von irgendeiner anderen Dame. Ich fand das aber sehr tyrannisch, es stand auch in meinem Kontrakte mit der Theaterintendantur kein Wort davon, doch da dieses Kostüm zugleich hübsch war, bequemte ich mich dazu, es zu tragen; ich fand auch, daß es mir sehr gut stand, und ich darin viel besser aussah, als in den Kleidern, die ich bis dahin getragen, obschon es sehr auffallend ist. Ich ließ mir mehrere Anzüge verfertigen und trug sie mit viel Vorliebe.

Herr von R ... fragte mich, ob ich mit italienischem oder deutschem Texte meine Partien singen würde. Ich sah es ihm am Gesichte an, daß er gern noch eine Frage getan hätte, und ich wußte auch, welche es sein könnte, daher antwortete ich, daß ich trachten werde, wenigstens soviel ungarisch zu lernen, um meine Partien in dieser Sprache zu singen. Da es wenig Opern gibt, in welchen auch gesprochen wird, und die wenigsten Zuhörer auch nur ein Wort verstehen, so glaubte ich, daß dies nicht gar so schwer sein würde. Übrigens, setzte ich hinzu, würde ich mir einen Sprachlehrer halten.

Herr von R ... empfahl mir eine Dame vom Theater, die nebenbei auch gut genug deutsch spräche, um mir Unterricht zu geben, und ich sagte, ich wollte sehen.

In Ungarn ist es Sitte, die Besuchenden in jeder Stunde des Tages zu bewirten, wie hier überhaupt das Essen im Leben eine Hauptrolle spielt.

[170] Die Ungarn sind sehr große Sybariten.

Auch ich lud die beiden Herren zu einer Nachmittagskollation ein, Herr von R ... entschuldigte sich mit Überhäufung an Geschäften und stand auf. »Wenn Du Lust hast zu bleiben«, sprach er zu seinem Neffen, »so gestatte ich Dir, von der gütigen Einladung des Fräuleins Gebrauch zu machen. Du kannst sie dann in der Stadt herumführen und ihr als Cicerone dienen. Sie besuchen doch auch unser Theater, mein Fräulein?« fuhr er zu mir gewendet fort. »Es wird Sie zwar nicht sehr unterhalten, weil es ein Trauerspiel ist und Sie davon nichts verstehen können. Benützen Sie Ihre Zeit nach Ihrer Lust. Morgen wollen wir dann das weitere besprechen.«

Ich war froh, mit Arpad allein sein zu können; ich hatte mir vorgenommen, seine Lehrmeisterin in der Liebe zu sein und ihn gleich von vornherein daran zu gewöhnen, daß er sich allein meinen Launen füge.

9.

[171] IX

Ich hatte mir vorgenommen, Arpad zu erobern, ohne daran zu denken, wie ich dies anstellen sollte.

Wenn es nichts Anderes gewesen wäre, als ihn zu verführen, so lag darin keine Schwierigkeit, doch gab es hierbei so manches zu berücksichtigen, und ich sah die Gefahr erst, als Herr von R ... uns allein ließ. Bei Arpad war es noch gefährlicher und schwieriger als bei jedem andern, denn ich konnte mir denken, daß bei einem so jungen Burschen, wenn einmal seine Begierden aufgestachelt wären und ich ihm den Eingang zum Besitz des allerhöchsten Gutes, welches eine Frau einem Manne gewähren und dieser sich wünschen kann, zeigte, es unmöglich sein würde, seine Leidenschaft zu zügeln, ja für mich Herrin meiner selbst zu bleiben. Dieser junge Mann, das sah ich, war nicht so wie mein Begleiter beim Gesang, Franzl, es gewesen, bei dem ich stets sagen durfte, bis hierher und nicht weiter, ein Mensch zur Untätigkeit und zum Gehorsam dressiert, wie der Mops meiner Tante. Wie leicht konnte da ein Unglück geschehen, und wieviel riskierte ich, wenn ich gleich im ersten Jahr meines Engagements einen Schritt tat, der für meine ganze theatralische Karriere von unabsehbarer Tragweite gewesen wäre. Außerdem kannte ich Arpad noch viel zu wenig, um von seiner Diskretion überzeugt zu sein.

Solche jungen Menschen prahlen gern mit ihren Eroberungen, ja selbst, wenn sie dies nicht tun, war es zu verhindern, daß eins von uns sich verriet, durch Blicke, ein voreilig ausgesprochenes Wort, oder daß uns jemand bespähete?

Hätte ich die Ungarn und Ungarinnen so gekannt, wie ich sie später kennenlernte, meine Bedenken wären vielleicht nicht so groß gewesen, ich kam aber aus Frankfurt, wo man viel strenger in der Beurteilung [172] der Aufführung einer Frau ist, als hier in Ungarn, wo es zum bon Ton gehört, etwas leichtfertig zu sein, zumal unter den Schauspielerinnen.

Mein Herz pochte so gewaltig, als mich Herr von R ... allein mit seinem Neffen ließ, daß ich kaum sprechen konnte, so schnürten die Empfindungen, die mein Inneres durchwühlten, meine Kehle zusammen. Ich war, das fühlte ich, in Arpad verliebt. Ach, hätte ich ihm die Gefühle einflößen können, die ich für ihn empfand! Es waren nicht nur Begierden, es war das, worüber ich gelesen, die reine ätherische Liebe, Ich hätte stundenlang an seiner Seite sitzen und ihn betrachten, seine Stimme hören wollen; schon das würde mich unaussprechlich glücklich gemacht haben.

Ich will aber nicht bei der Beschreibung meiner Empfindungen verweilen, ich fühle nicht die Kraft in mir, dies zu tun; dazu gehört eine geübtere Feder, und ich war niemals so anmaßend, mich für eine große Schriftstellerin zu halten; ich habe es nicht weiter gebracht, als zu einer orthographischen und grammatischen Schreibweise, der Stil und die Regeln der Rhetorik blieben für mich immer etwas, was als Fata Morgana vor mir glänzte, ohne daß ich sie erreichen konnte.

Nachdem sich der Oheim Arpads entfernt, brachte mir der Aufwärter im Hotel zur »Königin von England«, wo ich einstweilen abgestiegen war, ehe ich die Jahreswohnung mietete, die Nachmittagskollation, bestehend aus Kaffee mit Schlagsahne und in Eis gekühlt, eine Haselnußtorte, Obst, nämlich Wasser- und Zuckermelonen, und Eispunsch. Ich hatte es dem Oberkellner überlassen, und wir erhielten nur kühlende Speisen. Wenn man in Ungarn so lebt, dann ist es kein Wunder, daß man so leicht krank wird, dachte ich mir. Ich ließ Arpad sich an meine Seite setzen, und da es gar so heiß war, trotzdem [173] die Jalousien alle geschlossen waren, so hatte ich sogar das leichte Seidenhalstuch, welches meinen Nacken und meine Brust bedeckte, fallen gelassen, und Arpad gewann dadurch Einsicht auf die Rundung meiner beiden Milchhügel, die er anfangs nur verstohlenerweise aus den Winkeln seiner Augen zu betrachten wagte; als er aber wahrnahm, daß ich ihm diese Wollust nicht verwehrte, neigte er sich zuweilen auch näher zu mir, und seine Augen blieben fest darauf gebannt. Er seufzte und seine Stimme zitterte. Als ich ihm das Glas mit dem Eiskaffee reichte, berührten meine Finger die seinigen, und wir beide hielten das Glas einige Sekunden, ohne es niederzustellen. Ich fing an, das Nahen meiner Niederlage zu fühlen und sträubte mich nur noch schwach dagegen. Auch meinen Körper durchrieselte ein schwaches Frösteln, ich versank in träumerisches Hinbrüten, und unsere Unterhaltung geriet ins Stocken. Ich lehnte mich im Kanapee zurück, meine Lider fielen zu, meine Sinne trübten sich, und ich glaubte in Ohnmacht fallen zu müssen. Ich mußte die Farbe geändert haben, denn Arpad fragte mich im Tone der Besorgnis, ob ich mich auch wohl befinde. Ich raffte mich wieder auf und dankte ihm mit einem Händedruck, den wir dadurch verlängerten, daß ich ihm meine Linke ganz überließ, er erfaßte sie mit beiden Händen und blickte mich an. Sein Gesicht glühte, und ich glaubte, alle Knöpfe seiner Weste müßten aufspringen, so sehr blähte sich seine Brust.

Sollten die Präliminarien noch lange währen? Er war viel zu schüchtern, um die Vorteile zu benutzen, die er nicht einmal erkannte; ein Roué würde sie ganz anders benützt haben, wer weiß aber, ob ein Roué es bei mir bis dahin gebracht hätte? Vor einem solchen würde ich mich gehütet haben, meine Gefühle zu verraten.

Diese Lage war mir aber peinlich, und ich nahm[174] mir vor, mich aus derselben herauszureißen. Ich erinnerte Arpad daran, was sein Oheim ihm aufgetragen, daß er mich in der Stadt herumführen sollte. Ich schellte, und der Lohnbediente trat ins Zimmer. Ich befahl ihm, er möchte eine Mietskutsche holen.

»Die Equipage des Barons v. D. ... steht unten vor dem Tore«, entgegnete der Lohndiener. »Er hat sie hierher geschickt, sie steht zu Ihren Diensten.«

Das war galant. Ich hatte den Baron seit meiner Ankunft noch nicht gesehen, ich hatte vergessen, ihm meine Karte zu schicken und dennoch diese Aufmerksamkeit. Ich fühlte mich beschämt und nahm mir vor, zuerst nach seiner Wohnung zu fahren und meine Karte dort zu lassen. Arpad sagte mir, ich würde ihn jetzt ohnehin nicht zu Hause antreffen. Wir fuhren dahin, dann hinüber nach Ofen und wieder zurück nach dem Stadtwäldchen, einer Art Park, ziemlich geschmacklos angelegt, mit einem Teiche, auf welchem es einige Kähne gibt. Ich fragte Arpad, ob es von hier sehr weit nach dem Hotel der »Königin von England« sei. Er antwortete: »Etwa eine halbe Stunde.«

»Ich will den Wagen zurückschicken, und wir lustwandeln hier, solange es uns gefällig ist. Werden Sie nicht ermüden?« fragte ich Arpad.

»Wenn es bis morgen früh sein sollte, so würde ich auch nicht ermüden.«

Ich lächelte und dachte an eine andere Art von Ermüdung.

Die Pester besuchen diesen Platz nur bei Tageszeit, sobald die Sonne untergeht, strömt wieder alles der Stadt zu. Ich hatte von dieser nur zu viel gehabt, denn ich schluckte eine große Menge Staub, da Pest die staubigste Stadt ist, die ich je gesehen, weil der Boden rund um Pest eine ungeheure Sandwüste ist, so daß der geringste Wind solche Staubwolken in [175] die Stadt bringt, wie diejenigen in der Bucharei oder in Afrika. Es tat mir wohl, einen Platz gefunden zu haben, wo es davon weniger gab, da mußten wir uns aber immer auf den Rasenplätzen herumtummeln oder nach einer Insel gehen, auf welche eine schmale Drahtbrücke, bloß für Fußgänger eingerichtet, führte. Ich hing mich an Arpads Arm, und er führte mich nach einer Restauration, wo es noch offen war. Ich fragte, wie lange es hier offen bliebe, und erhielt zur Antwort, daß man um 9 Uhr schlösse und um 4 Uhr des Morgens wiederum öffnete. Arpad riet mir, ich sollte mich auf den Rückweg machen, denn das Stadtwäldchen sei bei Nacht ein Ort, wo es nicht ganz sicher ist, man hätte hier erst kürzlich jemand umgebracht.

»Sie haben doch keine Furcht, lieber Arpad?« fragte ich ihn. Ich nannte ihn bereits beim Taufnamen, so wie er mich auch so nannte, weil wir schon ziemlich vertraut miteinander waren. Ich hatte ihn beichten lassen, nötigte ihn zu Geständnissen, und er schwur mir bei den Sternen und dem dunkelblauen Himmel, daß er sich schon in Frankfurt in mich verliebt. Er schwärmte und phantasierte, wie ein Jüngling von poetischem Gemüt es nur tun konnte. Er drückte und küßte meine Hände, und als wir auf die Insel kamen, fiel er mir zu Füßen und sagte, er betete den Boden an, den ich beträte, und flehte mich an, ihm zu erlauben, daß er meine Füße küssen dürfte. Ich bog mich zu ihm herab, küßte seine Locken, seine Stirn und Augen, er faßte mich um den Leib und barg seinen Kopf – erraten Sie wohin? – in die Nähe des Punktes, nach welchem alle Männer streben; obschon von einer neidischen Hülle von Mousselin, von Röcken und der Leinwand des Hemdes bedeckt, schien er ihn zu berauschen, er ergriff meine Rechte und führte sie unter seine Weste in die Gegend seines Herzens. Es pochte und [176] hämmerte ebenso stark wie das meinige, mein rechtes Knie aber kam mit einem Teile seines Beinkleides in Berührung, wo ich auf etwas Hartes stieß, was bei der Berührung mit meinem Knie noch steifer und größer wurde, so daß ich glaubte, es müßte sein ohnehin enges Beinkleid sprengen.

Es war 11 Uhr, als wir noch immer auf der Insel uns befanden, wir hielten uns umarmt, ich legte mei nen rechten Schenkel über seine Knie. Er wagte es endlich, seine Rechte bis an den Saum meines Kleides hinabgleiten zu lassen, spielte anfangs an den Schnüren meiner Stiefelchen, glitt etwas weiter hinauf, bis an das Strumpfband, bis er endlich mit seiner unbehandschuhten Hand meinen nackten Schenkel berührte. Ich war bei der ersten Berührung schon wie außer mir. Unsere Lippen klebten aneinander, ich sog an den seinigen und fuhr mit meiner Zunge zwischen seine Zähne, bis ich auch seiner Zunge begegnete. Es schien, als wollte er sie schlucken, so sehr schlürfte er daran.

Ich weiß nicht einmal, wie es kam, daß ich plötzlich seinen Szepter in der Hand hielt und so fest zusammendrückte, als wollte ich ihn brechen; er war mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand ebenfalls an meine Lippenspalte gekommen, die vorstehende kleine Erhöhung ganz oben war sehr feucht, und er spielte daran, was mich beinahe bis zur Raserei brachte.

Es war nicht Übung in solchem Minnespiel, denn er gestand mir später, den Unterschied zwischen dem Liebesköcher und dem Amorpfeil – unseren Geschlechtsteilen – nicht gekannt zu haben, sondern Instinkt, der ihn leitete. Während sein Daumen und Zeigefinger oben am Kitzler spielte, waren seine drei anderen Finger weiter hinabgekommen und hatten den Eingang offen gefunden, das Innere heiß, als wenn glühende Lava darin brannte.

[177] Mir vergingen die Sinne, der Kitzel war zu stark, ich mußte meine Lider senken. Da erblickte ich die herrlich geschwungene Rute, gleich dem Horn eines Stiers sich bäumend. Ich bewegte die Haut nicht, dennoch drang das stolze, purpurfarbige Haupt heraus. Ich spürte, wie es zuckte, und einen elektrischen Schlag in meiner hohlen Hand, die den Kanal berührte, durch welchen der Lebenssaft dringt. Wie der Strahl eines Springbrunnens, so spritzte der milchweiße Saft in die Höhe, mein Mund war offen, da ich nach Luft schnappte, so daß ich alles erhielt, was sich aus seinen Nieren ergossen. In eben diesem Augenblicke fühlte ich, daß es auch bei mir übersprudelte, und es war ein solcher Erguß, daß er seine ganze hohle Hand füllte, als hätte er damit aus einer Quelle Wasser geschöpft. Rasch zog er sie unter den Röcken hervor und verschluckte alles, was darin war, ja, er leckte noch die Ränder seiner Hand und zwischen seinen Fingern mit der Zunge ab. Wie erwähnt, hatte ihn das niemand gelehrt, die Natur war seine alleinige Lehrmeisterin, und er folgte ihren Eingebungen.

Diesem ersten beiderseitigen Ergüsse folgte seinerseits keine Erschlaffung, so wie auch in mir ein verzehrendes Feuer brannte, welches mich zu weiteren Genüssen trieb. Wir beide schienen darüber nachzudenken, wie wir es anstellen sollten. Die Vernunft hatte über mich jede Macht verloren. Ich bedachte nichts mehr. Hätte mir jemand gesagt, welche Schande meiner harrte, daß ich schwanger werden, entbinden und bei der Entbindung sterben würde, wären Menschen dazu gekommen und hätte ich gesehen, daß sie uns betrachteten, ich würde weiter fortgefahren sein im Liebesspiel, ich hätte mein Glück ausgeschrien, ich würde keine Scham empfunden haben, so sehr war ich zur Sklavin meiner Begierden geworden.

[178] Diese Exstase währte einige Minuten nach dem Höhepunkt der Wollust, die uns das beiderseitige Ausspritzen unseres Nektars verursacht hatte. Auch später wurden die Begierden bei uns nicht gedämpft, bei mir nahmen sie noch von Sekunde zu Sekunde zu. Und bei ihm war es ebenso.

Meine Augen schweiften herum, von seinem Gesichte auf seinen sich immer noch stolz blähenden Speer, von diesem weiter nach den umherstehenden leblosen Gegenständen, bis an den glatten Wasserspiegel, der nur stellenweise von den Gesträuchern gleichwie gesprenkelt aussah. Das Licht des Mondes spiegelte sich im Wasser, welches hier und da, wenn ein Fischlein aufsprang, an einzelnen Punkten sich zu kräuseln schien. Wie erfrischend und gleichzeitig wollüstig müßte ein Bad sein an der Seite Arpads. Ich war eine gute Schwimmerin, ich hatte in Frankfurt Unterricht darin genommen und wäre imstande gewesen, den Main oder selbst die Donau ihrer Breite nach durchzuschwimmen.

Arpad erriet meine Gedanken und flüsterte mir in die Ohren: »Wolltest Du mit mir in diesem Teiche baden? Es ist keine Gefahr dabei. Jetzt kommt niemand hierher. Die Leute in der Restauration schlafen schon seit Stunden.«

»Du hast mir aber davon gesprochen, daß es hier so unsicher ist«, sagte ich, »daß man erst kürzlich jemand hier umgebracht. Sonst möchte ich wohl.«

»Ängstige Dich nicht, geliebter Engel. Dies ist noch der sicherste Platz«, entgegnete er, »weiter nach der Stadt zu, in der Platanenallee, welche nach der Königsgasse führt, zwischen den einzelnen Villen, dort ist es nur gefährlich.«

»Was wird man aber im Hotel sagen, wenn wir so spät zurückkehren?«

»Die Tore des Hotels bleiben die ganze Nacht offen, der Portier schläft in seiner Loge. Du weißt[179] doch, welche Nummer Du bewohnst. Möglich, daß das Stubenmädchen den Zimmerschlüssel stecken gelassen, dies geschieht öfters. Wir wollen schon sehen, und eine Ausrede für ein spätes Nachhausekommen ist bald gefunden. Ich selbst nehme mir sehr oft ein Zimmer in diesem Hotel, wenn ich den Hausmeister meines Onkels nicht wecken will. Ich nehme den nächsten besten Schlüssel und tue, als wäre ich zu Hause, Dein Zimmernachbar ist heute ohnehin abgereist, seine Stube ist leer, dort quartiere ich mich ein.«

»Da Du mich beruhigst, so wollen wir es versuchen. Hilf mir beim Auskleiden, so wie ich es Dir tun will«, sagte ich. Er warf sogleich seine ungarische Mütze, seinen Schnürpelz und seine Weste von sich und half mir beim Aufnesteln meines Schnürleibes. Es währte keine drei Minuten und wir standen beide nackt im Mondenscheine.

Arpad mochte niemals ein nacktes Weib gesehen haben, das konnte man an allem sehen. Er zitterte am ganzen Leibe, kniete vor mir hin und fing an, jeden Fleck an meinem Körper zu küssen, von unten bis hinauf, vorn und von hinten, er sog an meinen Milchknöspchen, an dem Wollusttempel, er steckte die Zunge zwischen die Schamlefzen und kitzelte sie oben, soweit sie hineindringen konnte. Endlich riß ich mich von ihm los und sprang ins Wasser. Ich ging immer tiefer, bis ich endlich keinen Grund unter mir fühlte und schwimmen mußte. Arpad schwamm nur mit einer Hand, indem er auf der Seite lag, mit der anderen drückte er mich an sich, er tauchte manchmal unter, und ich fühlte seinen Lockenkopf, wie er herabglitt von meinen Brüsten bis an meinen Bauch und er berührte bald mit den Fingern, bald mit der Zunge den Sitz der Wollust. Wir kamen dann wiederum auf eine etwas seichtere Stelle, die Begierden trieben uns zur Vollendung [180] des höchsten Genusses, und ich empfing resigniert in meinem Innern den Freudengeber, der aber manchmal zum Vernichter wird. Ich dachte einen Augenblick an die möglichen Folgen meiner Hingebung, ich hätte einen Dolch in seinen Händen sehen können und hätte ihm die Brust zum Durchbohren dargeboten. Seine Unerfahrenheit im Liebesgenuß machte es, daß er, noch ehe seine Keule in mich hineindrang, schon an die Krise gekommen war und sein Füllhorn sich entleerte, so daß der Saft an meinen Schenkeln herabfloß. Dies entmutigte ihn aber nicht, er drückte mich fester an sich, sein Atem ward kürzer, seine Finger drangen krampfhaft in mein Fleisch, seine Rute pausierte ein paar Augenblicke und zuckte zuweilen, dann aber fühlte ich, wie sie wiederum heißer, härter und größer wurde und mit einem energischen Stoß bis in die Tiefe drang, so daß ihr Kopf an den Muttermund stieß. Es wäre beinahe schmerzhaft gewesen, wenn es nicht gleichzeitig gar so wonnevoll war.

Diesmal dachte ich, müßte ich empfangen, der wollüstige Schauer durchzitterte alle meine Glieder ich fühlte ihn namentlich in den Hinterbacken, dann hinab bis in die Zehen. Bei mir öffneten sich die Schleusen und meine Quelle überfloß so reichlich, daß er – wie er mir später gestand – glaubte, es sei etwas anderes – daß ich ihn anspritzte. Eben dies reizte auch bei ihm den gleichen Kanal, und ich fühlte, wie ein heißer Strahl in mich drang und beinahe kein Ende nehmen wollte. Das konnte nicht eine Entleerung des Nierensaftes sein, um so weniger, weil er, nachdem dieser heiße Regen aufgehört, noch einige Minuten fortfuhr, mit seinem Amorszepter in meinem Innern zu rasen, während sich bei mir die Wollustquellen schlössen. Endlich brach auch bei ihm der elektrische Strom durch, und wir standen fest aneinander gepreßt auf einer Stelle, keines [181] Wortes mächtig, gedankenlos in wollüstiges Hinbrüten versunken. Wenn es je einen Gedanken gab, der mir durch das Gehirn fuhr, so war es der, daß wir ewig so bleiben könnten, daß uns der Tod so überraschte. Dann wäre Sterben die höchste Seligkeit.

Der Wind trug die einzelnen Schläge vom Turm der Theresienkirche bis zu uns, es schlug Mitternacht, und ich mahnte Arpad, daß es die höchste Zeit sei, nach der Stadt zu gehen, wir könnten das Liebesspiel dort fortsetzen. Er gehorchte aufs erste Wort. Er war nicht so, wie Männer im allgemeinen sind, daß sie, wenn sie über uns gesiegt, keinen anderen als ihren Willen gelten lassen, er bat mich nur, ich möchte ihm erlauben, daß er mich wie ein Kind auf seinen Armen an das Ufer tragen dürfe. Er faßte mich unter das Gesäß, ich umschlang ihn mit meinen Armen, und er trug mich, als wäre ich noch so leicht gewesen, aus dem Teiche auf eine Holzbank, wo unsere Kleider lagen. Hier zog ich zuerst meine Strümpfe an, er aber schnürte meine Stiefletten unter fortwährendem Küssen meiner Knie und Waden zusammen, dann kleideten wir uns vollends an und gingen nach der Rondelle. Vor der bürgerlichen Schießstätte, gleich am Ausgange des Stadtwäldchens, stand eine Mietskutsche, der Kutscher saß auf dem Bock; Arpad fragte ihn, ob er uns für ein gutes Trinkgeld nach der Stadt fahren wolle. Er nannte ihm den Josefsplatz, denn er wollte nicht haben, daß der Fiaker wisse, wer ich sei und wo ich wohne, auch war ich vorsichtig genug, meinen Schleier über das Gesicht zu schlagen. Der Mann sagte, er wolle uns für einen Gulden in Silbermünze dahin bringen. Wir setzten uns in den Wagen, und der Kutscher trieb seine Pferde zum schnellsten Trabe an. Er hatte eine Partie junger Leute zur Schießstätte gebracht. Dort gab es ein Trinkgelage, man [182] hatte den Fiaker auf Mitternacht bestellt, und er mußte sich sputen, um bald wiederum an Ort und Stelle zu sein.

Auf dem Josefsplatz hielten wir. Von hier war es schon sehr nahe bis zur »Königin von England«. Arpad ließ mich vorausgehen, bis er die Schlüssel holen würde. Ich ging hinauf und wartete vor meiner Zimmertür. Er war in wenigen Minuten bei mir, brachte aber nur einen Schlüssel, der Portier schlief nicht. Arpad hatte ihm gesagt, er habe mich nach Ofen geführt, wo er seine Tante angetroffen, der er mich vorgestellt, wir seien alle in den Horvathschen Garten gegangen und erst spät aufgebrochen. Nachdem er mich eingelassen, sagte er, er müßte jetzt wiederum fort, um den Portier zu täuschen, würde aber bei dem anderen Tor oder durch das Kaffeehaus, welches während der Marktzeit offen stand, heraufkommen, ohne daß es jemand merkte.

Ich fühlte etwas Müdigkeit. Die Stellung, die wir eingenommen, indem wir stehend den Liebeskampf durchfochten, hatte meine Beine ein wenig hergenommen, und ich sehnte mich nach Ruhe, doch wenn Arpad auf einem weiteren Liebesgenuß bestand, so wollte ich ihn ihm dennoch nicht versagen, dazu liebte ich ihn zu sehr, und ich war ihm dankbar für seine Liebe und jenes Vergnügen, welches er mir verschaffte.

Er kam, als ich schon im Bette lag. Auch er mußte schon ermattet sein, war es doch drei Mal geschehen, daß sein Springbrunnen sich ergoß, und ich riet ihm, seine Kräfte für das nächste Mal zu sparen. Ich sah es an seinem Gesichte, wie gern er geblieben wäre, doch war er delikat genug, nicht in mich zu dringen, und verließ mich, nachdem wir uns noch einmal herzlich umarmt und er noch einen Kuß auf die Lippen jenes Mundes gedrückt, der ihm so viel Vergnügen gemacht.

[183] Ich will Ihnen alle die Liebeskämpfe – den Feldzug im Reiche Cytherens – nicht beschreiben, ich müßte zu sehr mein eigener Plagiator sein und in Wiederholungen verfallen, die Sie vielleicht langweilen könnten.

Arpad gestand mir, er habe in Frankfurt bei einem Antiquariatbuchhändler ein Buch gekauft: »Denkwürdigkeiten des Herrn von H ...«, aus welchem er die Theorie der Liebesgenüsse gelernt. Es ist ein großes Glück für ihn, setzte er hinzu, daß ich nach Ungarn kam, denn er stand schon mehrere Male auf dem Punkte, die Erstlinge seiner Manneskraft im Schöße einer Hetäre zu verlieren, nur die Furcht vor Ansteckung habe ihn abgehalten, daß er es noch nicht getan. Einer seiner Freunde soll sich in einem solchen Hause, wo der Göttin Venus die unsaubersten Opfer gebracht werden, eine schändliche Krankheit geholt haben, die er nicht los werden konnte.

Obschon ich am ersten Abend alle Vorsichtsmaßregeln, die ich sonst anzuwenden pflegte, vernachlässigt hatte, so nahm ich mir vor, hinfort mich gegen solche Fälle, die einem Liebesgenuß folgen könnten, zu verwahren. Ich nahm wiederum zu der gewissen Gefahrversicherung meine Zuflucht, doch ereignete es sich zuweilen, daß ich dies unterließ, und dennoch hatte unser vertrauter Umgang keine schlimmen Folgen. Sie als Arzt werden sich diese Phänomene besser erklären können, als ich es vermöchte.

Indessen sollte mein Glück nicht von langer Dauer sein. Schon im Oktober erhielt Arpad eine Stellung, weit entfernt von Pest und mußte abreisen. Seine Eltern wohnten ebenfalls in jener Gegend, und sein Vater war ein so strenger Mann, daß es Arpad nicht einfallen durfte, seinem Befehle nicht zu gehorchen.

Im September bezog ich meine Wohnung in der Hatvanergasse im Horvathschen Hause. Ich menagierte [184] nicht zu Hause, sondern ließ mir die Speisen aus dem Casino holen. Ich kam so besser aus, und es war auch viel bequemer für mich. Dies diente mir gleichzeitig zur Entschuldigung, daß ich keine meiner Kolleginnen zu Tische bat: wenn ich zu Hause eine Wirtschaft gehabt hätte, würden sie es beinahe gefordert haben, daß ich Gastereien gebe, denn das ist in Ungarn Mode. In früheren Zeiten soll es noch mehr so gewesen sein. Die Schauspieler, Sänger, Schauspielerinnen und Sängerinnen sind an das Schmarotzen gewöhnt.

Ich nahm mir eine ungarische Lehrmeisterin, die mir der Herr Baron O ... anempfohlen. Er widerriet mir diejenige anzustellen, die mir Herr von R ... vorgeschlagen, da diese Person in Pest in einem sehr schlimmen Rufe stand. Sie hatte schon mehrere Kavaliere zu Bettlern gemacht, denn sie war die unverschämteste Plünderin, die man sich nur vorstellen konnte.

Frau von B ..., meine ungarische Lehrmeisterin, mußte in ihrer Jugend sehr schön gewesen sein; sie hatte auch so manches durchgemacht. Ihr Gatte war ein Trunkenbold, und sie ließ sich von ihm später gerichtlich scheiden. Sie sprach sehr gut deutsch, sie hatte die ungarische Sprache erst gelernt, als sie zum Theater kam. Ihr Vater war Beamter, und sie hatte eine gute Erziehung erhalten, so daß sie in jedem Salon sich zu Hause fühlte. Sie machte mir das Kompliment, daß sie noch niemals eine Person gekannt, die so schnell Ungarisch lernte wie ich, besonders auffallend war es ihr, daß ich mir die Aussprache, die so ganz verschieden von der deutschen Sprache war, so gut zu eigen machte.

Wir waren bald so intim miteinander, als wenn wir in einem Alter gewesen wären. Sie machte kein Geheimnis aus ihren früheren Abenteuern und unterhielt mich sehr oft damit, daß sie sie mir erzählte. [185] Die Zahl ihrer Geliebten war eine ziemlich beschränkte, dennoch kannte sie alle Nüanzierungen des Liebesgenusses so genau, als wäre sie die größte Messaline gewesen. Ich konnte mein Erstaunen darüber nicht verhehlen.

»Das kommt daher«, erklärte sie, »weil ich Freundinnen gehabt, die sich so wenig genierten, vor mir alle Cochonnierien aufzuführen, daß ich das meiste aus Anschauung lernte, ohne es selber zu tun. Frau von L ..., dieselbe, die Ihnen Herr von R ... als ungarische Lehrerin anempfohlen, war das ausgelassenste Frauenzimmer in ihrer Jugend, sie würde es noch jetzt sein, doch ist sie schon zu alt dazu, dennoch hält sie sich ein paar Männer, die ihr diesen Liebesdienst erweisen. Ich habe von Messalina, von Agrippina, von Cleopatra und anderen geilen Weibern gelesen. Ich würde den Büchern nicht glauben, wenn ich die L ... nicht kennte. Sie sollten mit ihr bekannt werden, sie ist eine interessante Person, ein wahres Weltwunder in ihrer Art. Sie ist mit allen Kupplerinnen in Pest bekannt und mit den Freudenmädchen befreundet. Sie würden durch sie Dinge kennenlernen, die die wenigsten Frauen kennen.«

Ich muß bemerken, daß ich mit Frau von B ... über das Buch Sades gesprochen und ihr die Bilder gezeigt hatte. Sie hatte diese Bilder niemals gesehen, sagte aber, sie glaubte, Frau von L ... müsse diese Bilder kennen, sie selbst, Frau von B ..., habe einige der Szenen durch Frau von L ... ausführen sehen.

»Was kann es Ihnen schaden, alles dies zu sehen?« fuhr Frau von B ... fort. »Niemand wird es erfahren, denn das muß ich zum Lobe Annas (sie nannte Frau von L ... gewöhnlich bei ihrem Vornamen) gestehen, daß sie sehr diskret ist. Man fühlt eine eigene Art von Aufregung dabei, wenn man solche Szenen sieht. Sie dienen uns dazu, die Menschen in ihrer moralischen Nacktheit kennenzulernen. Wie [186] viele Damen aus hohen Häusern gibt es in Pest, von denen niemand vermutete, daß sie es ärger treiben als die verworfensten Bordellheldinnen; Anna kennt sie alle, sie hat sie alle gesehen, wenn sie sich unbespäht glaubten, nicht mit einem Mann, sondern mit einem halben Dutzend derselben.«

Frau von B ... hatte meine Neugierde aufgestachelt. So sehr ich auch vor den Szenen in Sades Justine und Juliette einen Ekel empfand und mich niemals entschlossen hätte, solchen Auftritten wie jenen im Bande VIII, Seite 2 oder Band X, Seite 90 beizuwohnen, so gab es doch einiges, was ich ertragen haben würde.

Sie kennen gewiß dieses Buch und werden wissen, was die beiden erwähnten Bilder vorstellen, sollten Sie sich aber nicht daran erinnern, so rufe ich es Ihnen ins Gedächtnis zurück. Das Erstere stellt einen Tierzwinger vor. Oben an einem Fenster erblickt man einen ältlichen bärtigen Mann, es ist der Menageriebesitzer, dann einen jungen Menschen, ein Mädchen im Alter einer mannbaren Jungfrau, doch erst unlängst aus dem eines Backfischleins hervorgeschossen und einen Knaben.

Aus dem Fenster wird eben ein nacktes Mädchen kopfüber in den Zwinger gestürzt, ein Panter, eine Hyäne und ein Wolf springen an der Mauer heran, um sie zu zerreißen, ein Löwe zerreißt eben ein anderes Mädchen, man sieht, wie ihr die Eingeweide aus dem Leibe hängen, ein riesiger Bär beschnüffelt ein drittes Mädchen. Selbst Sie als Arzt, der Sie doch gewöhnt sein müssen, in der Klinik die gräßlichsten Operationen und Amputationen zu sehen, müßten sich entsetzen, wenn sich Ihnen ein solches Schauspiel darböte; um wie viel mehr ich.

Das andere Bild stellt den Marquis de Sade in Panterhaut vor; er überfällt drei nackte Weiber, die eine hat er bereits gepackt und beißt in ihre Brust, [187] daß das Blut hervorspritzt, während er mit seiner Rechten ihre linke Brust zerfleischt; auf dem Boden aber liegt ein nacktes Kind, ganz zerbissen und tot.

Ich weiß nicht, welches von den beiden Bildern das gräßlichere ist. So etwas wollte ich nicht sehen. Es sind aber andere Auftritte, Orgien, Geißelungen, Folterungen und Unzucht zwischen Personen desselben Geschlechts, in allen diesen übrigen ist kein Mord, diese könnte man allenfalls ansehen.

Sie werden vielleicht sagen, daß die weniger gräßlichen einen zu den grausamsten bringen könnten. Ich will nicht behaupten, daß es Naturen gibt, die darin keine Grenze kennen, doch ich bin überzeugt, daß es bei mir niemals der Fall sein wird. Man könnte ebenso gut behaupten, daß alle Menschen, – und es ist bekannt, daß die Zahl der Frauen dabei noch größer ist als die der Männer –, die zu Hinrichtungen gehen oder Bestrafungen mit Stock, Ruten und Peitschen beiwohnen, auch selber imstande seien, ihre Mitmenschen zu ermorden, wenn sie dies ungestraft tun könnten, um ihre krankhaften Gelüste zu befriedigen; daß es aber nicht so ist, dies weiß ich gewiß. Eine meiner Bekannten, ebenfalls eine Ungarin, deren Vater Offizier gewesen und samt seiner Familie in Wien in der Alfer Kaserne wohnte, hat beinahe täglich körperlichen Exekutionen beigewohnt, sie hat aus ihrem Fenster gesehen, wie die Soldaten Spießruten liefen und Stockstreiche erhielten, dennoch ist es ihr niemals eingefallen, so etwas selber tun zu wollen, sie war nicht einmal imstande, einem Huhne den Hals abzuschneiden. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Tun und dem Zusehen.

Frau von L ... kommt in Pest in die ersten Häuser, die Magnatinnen sind mit ihr intim. Wahrscheinlich gibt sie ihnen Unterricht in der Kunst, die sie so trefflich versteht, um die Männer zu fesseln. [188] Es ist durchaus nicht kompromittierend, mit ihr bekannt zu sein. In Deutschland wäre es das sehr. Ich willigte ein, sie bei mir zu empfangen, und Frau von B ... führte sie bei mir ein. Einzig der Baron O ... rümpfte darüber die Nase und meinte, es sei keine Bekanntschaft für mich. Ich weiß nicht, warum er so aufgebracht gegen sie war. Mir gefiel sie sehr gut, sie ist durchaus nicht so frech, wie ich sie mir vorgestellt; erst als ich näher mit ihr bekannt wurde und sie selber aufforderte, mit mir über alles zu sprechen, legte sie jeden Zwang ab, und ich erkannte, daß dieses Weib ganz anders war, als sie sich in größeren Gesellschaften zeigte. Sie besaß eine eigentümliche Philosophie, die sich um nichts anderes drehte, als den Sinnen stets neue Nahrung zu verschaffen. Sie war ein weiblicher Sade, sie wäre imstande gewesen, das zu tun, was in diesem Buche stand. Sie gab mir bald Proben davon, wie ich Ihnen das gleich erzählen werde.

Wir sprachen davon, auf welche Weise der Genuß, dessen Endziel die geschlechtliche Vereinigung des Mannes mit dem Weibe ist, erhöht werden könnte, sie erkannte es an, daß das Gefühl in den Geschlechtsteilen durch häufigen Genuß abgestumpft wird, und daß man künstliche Mittel anwenden muß, um es wieder herzustellen.

»Ich würde es einem Manne nicht raten«, sagte sie, »alles das zu versuchen, was ich durchgemacht, obschon es viele von ihnen tun wollten. Bei einem Manne gibt es nichts Schlimmeres als den Überreiz; er entnervt und macht impotent, die Phantasie hilft ihm nur selten und im kleinen Maßstabe das ersetzen, was er leicht verschwendet, bei einer Frau hingegen erhöht die Phantasie den Reiz immerfort.

Haben Sie es jemals versucht, sich bei der Begattung mit Ruten streichen zu lassen?« fragte sie mich mit frohlocken.

[189] Ich muß bemerken, daß es bei Frau von L ... vergebens gewesen wäre zu leugnen. Sie erkannte es gleich bei ihrem ersten Besuch, wie weit ich in die Mysterien des Genusses eingeweiht war, es war aber nicht zu befürchten, daß sie mich verriete, denn auch sie teilte meine Ansichten über das Geheimhalten und die Verstellung der Weiber. Als ich ihr sagte, ich habe es einmal versucht, doch wäre mir der Schmerz zu groß gewesen, als daß ich es fortgesetzt hätte, lachte sie aus vollem Halse.

»Es gibt wenig Weiber, die die Wollust des Schmerzes kennen, nämlich der Ruten und der Peitsche«, sagte sie. »Unter den unzähligen weiblichen Gefangenen, die vor den Komitats- und Stadthäusern (Rathäusern) oder in den Dörfern Karbatschenhiebe erhalten, gibt es kaum eine, die sich vor dieser Strafe nicht fürchtete.

Ich habe bis jetzt nur zwei Frauenzimmer gefunden, die die Wollust erkannt hatten. Die eine war eine Lustdirne in Raab, die mehrere Diebstähle beging einzig und allein darum, damit sie Karbatschenhiebe erhielt. Bei dieser war sogar die Öffentlichkeit und die damit verbundene Schande eine Wollust. Sie war stolz darauf, eine Hure genannt zu werden. Dennoch kreischte und jammerte sie, wenn sie die Hiebe erhielt, dann aber, als sie in ihre Zelle zurückgebracht oder ganz entlassen wurde, was zumal bei kleineren Diebstählen, wenn das gestohlene Gut wiedergefunden wird, immer der Fall ist, entkleidete sie sich und betrachtete im Spiegel die fürchterlich geschundenen Hinterbacken, sie spielte dabei mit den Fingern an ihrer Muschel und während der Exekution inmitten des schneidendsten Schmerzes hatte sie die wonnigsten Entleerungen. Auch hier in Pest hatte ich ein solches Mädchen entdeckt, sie befindet sich auf dem Stadthause und erhält vierteljährlich 30 Karbatschenhiebe. Sie kreischt aber niemals [190] dabei und ihr Gesicht drückt mehr Wollust als Schmerz aus. Hätten Sie Lust, dieses Mädchen zu sehen, während sie ihre Strafe erhält?«

Ich zögerte. Meine Bedenklichkeiten rührten daher, weil ich glaubte, der Stadthauptmann Herr von T ... würde es erfahren, daß ich an solchen Schauspielen Vergnügen fand. Ich kannte diesen Herrn, und er gehörte zu meinen Courmachern. Anna – ich nenne sie so, weil sie so von Frau von B ... genannt wurde, – sagte, es sei nicht notwendig, daß ich mich Herrn von T ... zeigte, Frau von B ... und noch einige Damen, einige sogar von der Aristokratie, wie die Gräfinnen C ..., K ..., O ... und V ... würden gewiß dabei sein, da könnte ich unbemerkt durchrutschen, und wer hinderte mich daran, mich so zu verschleiern, daß mich niemand erkannte. Endlich willigte ich ein, und da der Tag, an welchem die Arrestantin ihre Strafe erhielt, nicht ferne war, so brauchte ich nicht lange darauf zu warten.

An dem Morgen, an welchem die Exekution vollzogen werden sollte, gab es ein anderes Schauspiel, welches die Magnatinnen davon abhielt, nach dem Rathause zu gehen. Es war ein großer Empfangstag bei einer Herzogin, die eben aus Wien nach Pest gekommen war. Anna hatte es verstanden, daß wir drei, die Frau von B ... und ich, ungesehen nach dem Zimmer kamen, welches im Erdgeschosse für die Erstere und für uns bereit gehalten wurde. Wir nahmen am Fenster Platz und sehr bald erschienen drei Männer, der Stadthauptmann, der Gefängniswärter und ein Stadttrabant, dann aber die Delinquentin, ein Mädchen, kaum 16–18 Jahre alt, ein Gesichtchen wie eine junge Göttin, zart von Wuchs, mit dem Ausdruck der Unschuld im Gesicht. Sie zeigte keine Furcht, doch schlug sie die Augen zu Boden, als schämte sie sich. Anna sagte mir, dies sei nur Verstellung, die sie niemals verließ, ich würde mich [191] davon später noch mehr überzeugen. Der Gefängniswärter schnallte sie an die Bank, und der Stadttrabant fing an mit seinen Karbatschenhieben, die auf sie nur so herabregneten. Sie hatte nur ein dünnes Röckchen und das Hemd am Leibe. Beide Kleidungsstücke waren angespannt, so daß man die Formen des Hinteren genau sehen konnte. Unter jedem Hieb erzitterten die Backen ihres Popos und behielten eine oscillierende Bewegung. Ihr Gesicht zeigte etwas verbissenen Schmerz, doch auch Wollust an, welch letzteres Gefühl sich bei dem 20. Hiebe so steigerte, daß sich ihre Augen verdrehten – ihr Mund öffnete sich, sie seufzte und hatte ganz das Aussehen, wie wenn sie in der höchsten Exstase sich befände.

»Es hätte entweder viel früher oder erst gegen das Ende so kommen sollen«, flüsterte mir Anna zu. »Ich glaube nicht, daß sie zum zweiten Male Wollust genießen wird, oder wir müssen ihr später dazu helfen, wenn sie nach der Exekution hereinkommt. Ich habe dem Gefängniswärter 5 Gulden gegeben, damit er sie hereinschickt. Ich tat es Ihnen zuliebe.«

Ich wußte, was dies bedeuten sollte, und nahm aus meiner Brieftasche 10 Gulden, die ich Anna gab, damit sie die übrigen Auslagen bestritte. Ich nahm mir vor, auch die Patientin zu beschenken, wenn sie herein käme.

Die Exekution währte eine halbe Stunde. Für jeden Hieb eine Minute. Herr von T ... entfernte sich, der Stadttrabant trug die Bank nach einem Zimmer, die Geprügelte trat bei uns ein. Anna ging nach einem anderen Zimmer mit uns, wo die Fensterscheiben von mattem Glas waren, so daß man nicht hineinblicken konnte. Anna gebot ihr, sich ganz zu entkleiden, sie gehorchte, doch verstellte sie sich auch jetzt noch, sie tat, als ob sie sich noch so schämte. Ihr Hinterer war fürchterlich geschwollen, man konnte die Striemen zählen, und an manchen Stellen [192] sickerte das Blut durch die Haut. Dennoch war er schön.

»Du hast nur einmal Wollust gefühlt?« fragte Anna das Mädchen.

»Nur einmal«, sagte die Arrestantin mit so schwacher Stimme, daß man sie kaum vernahm. Ihre Beine zitterten, und es kam mir vor, als ob sie nach einem zweiten Genuß lechzte. Anna rückte einen Stuhl hervor und gebot ihr, einen Fuß auf denselben zu stellen. Als sie dies getan, kniete Anna vor ihr nieder und fing an, an des Mädchens Wollustgrotte zu spielen, mit den Fingern und der Zunge; den Zeigefinger zwängte sie zwischen die Schamlefzen und bewegte ihn schnell hinein und hinaus, mit der Zunge aber kitzelte sie oben an der Spalte. Das Mädchen ächzte und stöhnte vor Wollust, sie hielt sich mit beiden Händen an Annas Haaren, die sie vor Übermaß der Wonne zu reißen und zu zerzausen begann. »Tut's Dir wohl?« fragte Anna sie. »Ach ja, sehr, nur nicht endigen. O, wie gut – oh – oh – noch nicht endigen, langsam mit dem Finger – ach – ach – oh – jetzt – schne – schne – schneller – nein – noch nicht. Ach, wenn Sie mich beißen, kratzen könnten.«

Das Schauspiel hatte mich so aufgeregt, daß ich Anna um den Platz, den sie bei dem Mädchen einnahm, beneidete, und die mußte das in meinen Zügen gelesen haben. Sie hörte auf mit dem Finger- und Zungenspiel und fragte:

»Wollten Sie es versuchen, und Du, Nina (dies sagte sie zu Frau von B ...), solltest auch nicht untätig dort sitzen wie ein Klotz. Hilf dem Fräulein.«

Frau von B ... lachte, sie entkleidete mich und sich und nur Anna blieb, wie sie gewesen. Sie wußte wohl, warum sie unserem Beispiele nicht folgen durfte; ein so verwüsteter Körper wie der ihrige würde uns jede Lust zum Genuß verdorben haben.

Nina (Frau von B ...) hatte noch einen sehr schönen [193] Körper, sie war sogar schöner als meine Mutter. Da sie niemals Kinder gehabt, so war ihr Bauch nicht runzlig und ihre Brüste nicht schlaff, man konnte ihr Alter nur in ihrem Gesicht lesen. Sie zählte bereits 50 Jahre. Dennoch hatte sie bei der Männerwelt weniger Glück, als die an Schönheit ihr bei weitem nachstehende Anna; denn Nina war gar nicht geil, sie glich einer Marmorstatue ohne Leben. Auch jetzt war sie ganz kalt geblieben.

Ich lief keine Gefahr, mich bloßzustellen, die Arrestantin, die noch ein Vierteljahr Gefängnisstrafe auszustehen hatte und, wie mir Anna versicherte, höchstens eine Woche nach ihrer Freilassung wiederum etwas begehen würde, um der Wollust des Karbatschtwerdens nicht beraubt zu werden, brauchte ich nicht wieder zu sehen, außer es gefiel mir, sie hier aufzusuchen.

Ich nahm also Annas Stelle bei dem Mädchen ein.

Dadurch, daß Anna aufgehört hatte, sie mit dem Finger und mit der Zunge zu kitzeln, war der beinahe hervorbrechende Quell in sein Bett zurückgeflossen, und ich mußte von neuem anfangen, das Mädchen ins Feuer zu bringen, während Nina, die ebenfalls an meiner Seite niedergekniet war, mich mit ihrer Linken umschlang und mit der Rechten an meiner Wollustgrotte, die ganz feucht und schlüpfrig war und so brannte, als enthielte sie nichts wie Feuerstoffe, zu spielen begann. Der Geruch der Grotte dieses Mädchens war unendlich wollüstig, mir roch es besser als die feinsten Blumen. Es war ein berauschender Duft.

Anna hatte sich hinten hingekniet, sie spielte mit ihrer Zunge an einer anderen kleinen Öffnung, die in der unmittelbaren Nähe der Wollustgrotte gelegen war, und von welcher Grecourt die Ausstellung bei der Erschaffung des Weibes macht, daß der Abort zu nahe dem Lustpavillon sei. Dies muß die Kleine [194] sehr gekitzelt haben, denn sie bewegte sich immer heftiger und die Krise wurde dadurch beschleunigt. Anna zerkratzte dabei des Mädchens ohnehin schon wunden Hintern, sie biß und sog das Blut aus den Wunden.

»Ach, mein Gott!« rief das wollüstige Mädchen, »das ist zu stark, ich halte es nicht aus, ich werde mich bep bepis-pis-pissen!«

Ich fühlte jetzt, wie ein heißer, etwas salziger Strahl in meinen Mund spritzte, das Mädchen wollte zurückweichen, ich aber preßte sie fester an mich und rief ihr zu: »Alles, gib mir alles!« so daß sie sich nicht mehr zurückhielt. Wenn es Champagner gewesen wäre, so hätte ich ihn nicht mit größerer Wollust geschluckt, und ich hätte, ich weiß nicht was, darum gegeben, wenn es noch einmal soviel gewesen wäre. Bald darauf entströmte auch der andere Saft aus dem Wollustborn, und zwar so reichlich, daß nicht einmal Arpad von mir soviel erhalten hatte, wie ich von der Kleinen.

Damit endete dieses herrliche, mir unvergeßliche Spiel. Wir kleideten uns an. Ich schenkte dem Mädchen 20 Gulden, küßte und umarmte sie und sagte ihr, sie brauchte nun nicht wieder zu stehlen, denn ich wollte sie zu mir nehmen.

10.

[195] X

Sie haben es selber gefordert, daß ich nichts von meinen Erlebnissen und Empfindungen verschweige, und ich habe, als ich die Abnormitäten in den Gelüsten, die über mich kamen, niederschrieb, keinen Augenblick gezaudert, sie Ihnen ohne Auslassungen mitzuteilen, weil ich überzeugt war und bin, daß Sie im Stande sein werden, sich alles zu erklären, da Sie ein ebenso tiefdenkender Psychologe wie Physiologe sind. Möglich, daß Sie noch von keiner Frau solche Geständnisse empfangen, doch ich bin überzeugt, daß Sie solche Fälle studiert und eine Lösung derselben gefunden. Ich bin ein Laie in diesen beiden Wissenschaften, ich bin nur dem Augenblick gefolgt, ohne damals daran zu denken, ob das, was ich tue, wirklich etwas ist, wogegen sich unser besseres Gefühl empört und Ekel empfindet. Ich würde im Zustande der Sinnesnüchternheit vor dem Gedanken geschaudert haben, solche Unflätigkeiten zu begehen, jetzt aber, nachdem ich es getan, bin ich einer anderen Ansicht geworden, denn ich sehe nicht ein, was daran unflätig ist.

Sie würden mich vielleicht berichtigen, wenn ich das, was ich schreibe, Ihnen mündlich sagte, möglich ist es aber auch, daß Sie es nicht täten. Sie kennen die organische Beschaffenheit des Menschen besser und werden den Schlüssel zu diesem Phänomen im Gehirn haben. Ich räsoniere nach meiner eigenen Anschauungsweise, ohne Bürgschaft dafür zu übernehmen, daß sie richtig ist.

Vor allem wirft sich mir die Frage auf, was man eigentlich eine Unflätigkeit nennen kann. Wenn wir bedenken, daß wir alle Tage schon dadurch, daß wir uns mit Stoffen nähren, die, wenn wir sie genau analysieren wollten, im Zustande der Fäulnis sich befinden – wir mögen uns noch so sehr überreden [196] wollen, daß die Nahrungsmittel durch Wasser oder Feuer geläutert werden – so begehen wir doch eine Unflätigkeit. Es gibt sogar einige Nahrungsmittel, die in der Fäulnis sehr weit gekommen sein müssen, damit sie uns munden. Ist der Wein und das Bier nicht durch den Gärungsprozeß gegangen, ehe wir sie trinken? Und was ist Gärung sonst als Fäulnis in einem gewissen Stadium? Ist nicht das Verfaulteste in einigen Vögeln, namentlich Schnepfen und Krammetsvögeln, eine haut-gôut-Delikatesse, und sind es nicht die abscheulichsten Tiere, Insekten, womit sich Schnepfen nähren? Gehen nicht die Nahrungsmittel aller Tiere in ihr Blut und werden sie nicht zu ihrem Fleische? Bedenken wir nur, womit sich Schweine und Enten nähren. Untersuchen wir den Käse, und wir werden in demselben garstige Maden finden. Erinnern wir uns daran, wie man die Heringe einsalzt. Ich habe es in Venedig gesehen. Ich will es gar nicht sagen, wie es geschah. Wenn die Leute wüßten, welche Zugabe das Seesalz von den Leuten erhält, sie würden niemals wieder Heringe essen. Mit einem Worte, die Unflätigkeit ist etwas sehr Relatives, und wer wird daran denken, wenn er genießt, welche Stoffe das Ding in sich enthält? Das wäre ebenso, als wenn jemand sich in ein Mädchen verliebte und sich durch den Gedanken, daß seine Geliebte gewisse Naturbedürfnisse täglich verrichtet, aus seiner poetischen Sphäre herausreißen ließe. Ich halte gerade das Gegenteil. Ein Mensch, der jemand liebt oder dem ein Gegenstand gefällt, findet nichts Obscönes, nichts Ekelhaftes im Gegenstand seines Gefallens.

Diese Ansichten mögen mit zur Rechtfertigung dessen dienen, wozu ich mich von meinen Begierden hinreißen ließ, wie ich dies zu Ende des vorhergehenden Briefes beschrieben habe. Ich glaube, daß Ihnen das genügen wird.

[197] Etwas anderes und vielleicht seltsameres war, was ich später im Herzen empfand. Hier werden Sie ein Thema finden, welches Sie als Psychologe analysieren müssen, denn es ist, obschon nicht ganz ungewöhnlich, dennoch eine Abnormität.

Ich habe in letzter Zeit mehrere Bücher über die sogenannte griechische oder platonische Liebe gelesen, namentlich die Werke eines gewissen Ulbrichs, ehemaligen Assessors, gegenwärtig in Würzburg zu Hause. In diesem wird aber nur von der Liebe der Männer zu den Männern gesprochen, von der Liebe der Frauen unter sich ist keine Rede. Was sagen Sie dazu, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich niemals in einen Mann so verliebt war, wie in meine liebe Rosa, das Mädchen, welches ich Ihnen zu Ende des vorhergehenden Briefes vorgeführt? Es war sinnliche Liebe allerdings, die mich zu ihr zog, doch es war auch eine im Herzen, eine Sehnsucht, wie ich niemals für einen Mann gefühlt. Es war eine so unausschließliche reine Liebe, daß mich alle anderen Weiber anekelten, und die Männer noch viel mehr. Ich dachte an niemand als an Rosa, ich träumte von ihr, ich drückte die Kissen an mich, küßte und liebkoste sie, in der Einbildung, es sei Rosa, die ich umarmte, ich weinte, daß ich sie nicht sehen konnte, ich war ganz außer mir, wie eine Rasende.

Ich wußte nicht, welcher von meinen beiden Freundinnen ich mich vertrauen sollte, ob Nina oder Anna? Oder sollte ich Herrn von T ... bitten, er möge ihr den Rest der Strafe erlassen? Er würde mich fragen, woher ich sie kenne und ich würde nicht gewußt haben, was ich ihm antworten sollte. Endlich entschloß ich mich doch dazu, mit Anna darüber zu sprechen. Sie besuchte mich am Abend desselben Tages, an welchem wir der Exekution beigewohnt. Sie ersparte mir die Mühe einer Einleitung zu dem Gespräche, indem sie selber darüber zu reden anfing, [198] daß sie einen solchen Genuß wie den heutigen allen anderen vorziehe.

»Dies ist das Einzige, was mich noch ein wenig aufregt«, sagte sie, »und ich habe doch heute nicht alles genossen. Das Beste habe ich Ihnen überlassen. Sind Sie nicht ein klein wenig verliebt in die kleine Rosa? Leugnen Sie es nicht, ich habe gesehen, mit welcher Wollust Sie an ihrem Vötzchen (das sind ihre Worte, ich ändere nichts daran, obschon ich sie bisher noch nicht gebraucht) gesogen haben. Oh, das ist ein köstlicher Geruch und noch köstlicherer Geschmack.«

Ich war noch so sehr von alten Vorurteilen befangen, daß ich errötete.

»Hahahaha!« lachte Anna, »Sie erröten? Das ist ein sicheres Zeichen, daß Sie in das Mädchen verliebt sind. Wenn ich ihr Gesicht auch nicht gesehen hätte, würde ich es erraten haben, als Sie ihr das Geld gaben und ihr sagten, Sie wollten sie zu sich nehmen. Nun ein Vierteljahr ist bald vorbei, und ich hoffe, das Mädchen wird es doch vorziehen, zu Ihnen zu kommen, als ins Stadthausgefängnis. Ihre Lust, sich mit Karbatschen prügeln zu lassen, können auch Sie befriedigen. Vielleicht wird sie Rutenhiebe vorziehen, und das wird auch Ihnen viel Vergnügen machen. Es ist ein sehr schöner Anblick, dessen kann ich Sie versichern.«

»Wäre es nicht möglich, sie eher frei zu machen«, fragte ich Anna.

»Das glaube ich kaum. Sie muß ihre Strafzeit aushalten. Es hängt nicht vom Stadthauptmann ab, sie zu entlassen, obwohl diese Herren vieles tun, was sehr nach Willkür schmeckt. Indessen will ich es versuchen, mit ihm zu sprechen.«

»Nennen Sie mich aber nicht. Er könnte etwas vermuten«, bat ich sie.

»Seien Sie unbesorgt. Es wird ihn nicht befremden, [199] wenn ich eine solche Bitte an ihn stelle. Es gibt hier genug Damen, die es wie die Männer machen und Geliebte beiderlei Geschlechts haben. Selbst wenn ich ihm sage, daß ich sie zu mir nehmen wollte. – Nein, das wird nichts taugen. Ich werde sagen, es sei eine Fremde, die ein Mädchen sucht, welches sich derlei Martern freiwillig unterwirft, und ich kennte keine andere als Rosa. Sie müssen sie aber wenigstens 14 Tage nicht im Hause selbst haben. Ich werde später sagen, die Dame sei abgereist und Rosa wollte Pest nicht verlassen, daß ich sie Ihnen als Stubenmädchen empfohlen, aus purer Humanität, um sie zu bessern.«

»Wird er Ihnen auch glauben, wenn Sie ihm so etwas sagen?« fragte ich.

»Warum nicht? Ich habe ein gutes Mundwerk. Die Hauptsache ist, daß ich viel Geld haben müßte, um ihn zu bestechen,« setzte sie hinzu.

»Viel Geld?« rief ich etwas erschrocken aus, denn Nina hatte mir Anna als eine schreckliche Plünderin geschildert. »Wie viel glauben Sie?«

»Hm, vielleicht 100 Gulden, vielleicht auch mehr, ich weiß nicht.«

»Mehr als 100 Gulden wollte ich doch nicht daran verwenden«, erklärte ich. Wenn sie aber das Doppelte, das Dreifache verlangte, würde ich es auch gegeben haben.

»Wohlan, dann geben Sie mir jetzt die 100 Gulden, wenn er es für diese Summe tut, sollen Sie das Mädchen womöglich schon morgen bei sich haben, wenn nicht, so bringe ich Ihnen das Geld zurück. Ich muß gleich zu ihm gehen, ehe er sich nach dem Kasino begibt. Doch habe ich kein Kleingeld bei mir, um einen Fiaker zu nehmen. Geben Sie mir doch einen Gulden. Für meine Gänge und Bemühungen nehme ich nichts. Ihre Freundschaft genügt mir.«

Nina hatte recht. Dieses Weib würde mich geplündert [200] haben, wenn ich nicht vorsichtig gewesen wäre. Ich war überzeugt davon, daß sie zu Fuß gehen würde.

In weniger als einer Stunde war sie wieder zurück und sagte, T ... machte Schwierigkeiten, sie habe noch 50 Gulden zugelegt, und erst dann habe er sich erweichen lassen. Er tat es nur aus alter Freundschaft für sie. Er fragte gar nicht um die Ursache, noch darum, wer sie frei machen wollte, er glaubte wahrscheinlich, es sei ein Kavalier, welcher aber inkognito bleiben wollte. Ich war gezwungen, ihr noch 50 Gulden zu geben. Außerdem aber klagte sie über schwere Zeiten und schlechte Zahler, sie zeigte mir eine Menge Leihhausscheine und sagte, wenn sie die Zinsen morgen nicht bezahlen könnte, würden sie verfallen. Das riß noch 50 Gulden aus meiner Tasche, sie sagte zwar, sie betrachte diese Summe als Darlehen, ich hingegen erwiderte, sie brauchte sie mir nicht zurückzugeben. Ich wollte mir hierdurch ihre Verschwiegenheit und spätere Dienste sichern.

Ich erzählte am nächsten Tage alles Nina, und die meinte, T ... erhielte höchstens 30 Gulden, das übrige würde Anna selbst einstecken, außerdem aber erwarte sie, daß ich zur Feier des Tages sie mit einem guten Souper bewirte.

»Es ist möglich«, sagte Nina, »daß Sie ein verlorenes Geschöpf vom Untergang retten, und Gott wird diese gute Handlung lohnen. Es wird Sie aber etwas kosten, denn dieses Mädchen wird Kleidung brauchen. Auch wäre es gut, wenn Sie sie ein Bad nehmen ließen. Diese unglücklichen Personen bekommen im Gefängnis so leicht Ungeziefer. Ich habe ein Mädchen bei mir gehabt, welches ganz denselben Wuchs und die Größe Rosas hatte. Sie ist mir durchgegangen und hat ihre Kleider zurückgelassen. Sie konnte es tun, da sie die meinigen stahl. Für den [201] Anfang wird dies für sie gut sein. Taxieren Sie selber die Kleider, und geben Sie mir dafür, was Sie glauben, daß sie wert sind.«

Frau von B ... war in Geldangelegenheiten ganz der Gegensatz Annas. Ich schätzte die Kleider, die sie mir brachte, auf 45 Gulden. Sie berechnete dafür nicht mehr als 36, und es kostete mich einige Überredung, daß sie von mir eine Brosche als Andenken annahm. Sie war sehr uninteressiert.

Obschon es nahe an 8 Uhr abends war, als Rosa zu mir kam, fuhr ich doch mit ihr nach Ofen ins Kaiserbad und ließ mir eins der Türkenbäder aufschließen. Es war im Monat Oktober, und diese Bäder sind bei zunehmender äußerer Kälte immer wärmer. Das arme Kind fühlte erst jetzt die Nachwehen der gestrigen Exekution. Ich durfte die wunden Teile kaum berühren, doch tat es ihr wohl, als ich mit meiner warmen Zunge darüberfuhr, sie langsam leckte, das Wasser des Bades aber belebte sie noch mehr. Sie war nicht mehr so scheu und verschämt wie gestern vormittag, sie fiel mir um den Hals und klammerte sich mit ihren Beinen an meinen Hüften an, dann sog sie an den Rosenknospen meiner Brüste oder an meiner Zunge und an meinen Lippen. Sie schwor mir, niemals einen Mann zu lieben, wenn ich sie so lieben wollte, wie ich es ihr gestern vormittag gezeigt. Sie war ganz schwärmerisch und sagte, es würde für sie eine Wollust sein, von mir erwürgt oder erstochen zu werden. Was ich aber nicht geglaubt oder gehofft hatte, war, daß das Mädchen noch eine Jungfrau war. Ich vermochte es nicht, meinen Mittelfinger in ihren Liebeszwinger ganz hineinzubringen. Ich stieß auf ein Hindernis, durch welches ich nur mit einem kleinen Finger zu dringen vermochte. Es war das bis jetzt noch unaufgerissene Jungfernhäutlein.

»Zerreißen Sie's«, sagte Rosa. »Ich mache mir[202] nichts daraus. Ich will es lieber durch Sie als durch einen Mann verlieren.«

Ich erinnerte mich, in Wien von Rudolphine eine Godemichette erhalten zu haben, welche ich noch nicht versucht. Sie war von neuerer Konstruktion und so eingerichtet, um zwei Frauen zugleich zu dienen. Der Beutel, welcher mit heißer Milch gefüllt werden sollte, hing in der Mitte und aus ihm liefen zwei Verlängerungen heraus, eine nach rechts, die andere nach links, so daß die Genießenden gleichzeitig einen Mann und ein Weib vorstellten. Beide waren aktiv. Diese Godemichette wollte ich bei Rosa versuchen, und ich zog meinen Finger zurück und sagte ihr, wir wollten das Beste für den Abend und die Nacht aufsparen.

Nachdem wir uns im Bade erfrischt, wo wir uns nur mit kleinen Tändeleien die Zeit vertrieben, fuhren wir nach Hause. Anna und Nina erwarteten uns bereits, und die erstere hatte – freilich auf meine Rechnung – ein köstliches Souper, mit Champagner in Eis gekühlt, auftischen lassen. Sie hatte eine große Rute mitgebracht und sagte, ich möchte auch diese Wollust versuchen.

Das Zimmer war so gut geheizt, daß wir nichts zu befürchten hatten, wenn wir uns entkleideten. Diesmal tat es auch Anna. Ich sah aber nicht viel von ihren verblühten Reizen, denn sie kroch unter den Tisch und sagte, sie wollte die Rolle eines Hundes spielen. Sie kniete zwischen meinen Beinen, ich mußte meine Schenkel auseinander spreizen und lehnte mich etwas zurück, worauf sie meine Beine auf ihre Achseln legte und mit ihrer Zunge bald an meiner Wollustgrotte, bald hinten an der gewissen kleinen Öffnung spielte, die – wie ich erwähnt – Grecourt den Abort nennt. Obschon meine Lage etwas unbequem war, da ich mich ein wenig entfernt vom Tische halten mußte und die Speisen mit meinen [203] Händen nicht erreichen konnte, so war dieses Zungenspiel Annas an den beiden Öffnungen doch sehr angenehm und wollüstig. Sie spielte auch mit beiden Händen daran, mit der rechten oben am Kitzler, mit der linken hinten, sie steckte sogar einen Finger, den sie mit ihrem Speichel benetzte, hinein und stieß, so weit sie reichen konnte, in meinen Mastdarm, wodurch der Kitzel so vergrößert wurde, daß ich wie rasend war, und meiner Wollustgrotte ein Strahl entfuhr, als ob er nicht versiegen wollte. Nina half mir beim Essen, indem sie mich fütterte und mir das Glas an den Mund hielt, daß ich trinken konnte. Wir aßen viel und tranken noch mehr, so daß auch die sonst so kalte Nina in Feuer geriet. Anna reichte ich vom Tische einige Bissen. Sie aß von den Bisquits und anderen Süßigkeiten erst, nachdem sie die härteren Stücke, sogar ein Würstchen, in meine Wollustgrotte gesteckt. Sie sagte, diese verlieh den Speisen ein eigenes Aroma.

Nach dem Souper suchte ich meine Doppel-Godemichette hervor, um mit Rosa die Wollust des Hermaphroditismus zu genießen. Das Mädchen ging eben dem Bette zu und suchte das Nachtgeschirr, der Champagner wollte hinaus.

»Oh, so haben wir nicht gewettet«, rief ich ihr zu, »Du böses Kind, Du willst mir das Beste entziehen. Ich sage Dir, daß Du nicht einen Tropfen zurückbehältst, sonst werde ich böse auf Dich. Schnell den rechten Fuß auf den Stuhl gestellt.«

Ich kniete nieder und hielt meinen Mund an ihre Muschel, den filtrierten Champagner erwartend. Bald sprudelte er heraus in meinen Mund, ich preßte ihren Hintern mit beiden Händen und schluckte. Der Wein hatte von seinem Geschmacke nicht nur nichts verloren, sondern sogar gewonnen. Anna hatte sich mit dem Rücken auf den Teppich gelegt, so daß ihr Kopf zwischen meinen Beinen und ihr geöffneter [204] Mund unter meiner Muschel lag. Da ich selber viel getrunken und jetzt von Rosa noch mehr erhielt, so konnte ich das Wasser auch nicht zurückhalten, und Anna erhielt eine doppelte Portion.

Dies waren nur Präliminarien, freilich ebenso angenehm und wollüstig wie die Hauptaktion. Ich brannte. Alles Gefühl war auf einen Punkt konzentriert. Ich zitterte vor Begierde so sehr, daß ich nicht im Stande war, die Godemichette anzuschnallen, Nina half mir dabei und Anna steckte den größeren der beiden Speere in meine Muschel, so daß er bis zur Hälfte darin war. Dann ließ ich Rosa sich ins Bett legen, sie spreizte ihre Schenkel auseinander. Ich übernahm die Rolle des Mannes, umarmte und küßte sie, stieß blindlings mit der Godemichette herum, ohne sie in Rosas Wollusttempel bringen zu können.

Nina bemächtigte sich endlich ihrer und steckte sie so, daß ich mit ihr nach einem herzhaften Stoß das Jungfernhäutlein sprengte und ganz ins Innere Rosas drang. Sie stieß einen schwachen Schrei aus, und Anna bog ihren Kopf herab und leckte das Jungfernblut auf. Durch die starken Stöße drang auch auf meiner Seite die Godemichette tiefer in mich, gleichzeitig hörte ich ein Sausen über mir und spürte auf meinen Hinterbacken einen wollüstigen Schmerz, es war die Rute Annas. Sie gab mir kaum mehr als drei leichte Schläge, als sich sowohl Rosas wie meine Schleusen öffneten und wir beide in den seligsten Taumel fielen.

»Schade, daß Sie keine einfache Godemichette haben«, sagte Nina. »Ich werde mir mit meinen Fingern etwas Wollust verschaffen können, und Du Anna, reize mich mit Rutenschlägen. Man kann unter Euch nicht kalt bleiben.«

Ich sagte Nina, sie würde in einer der Schubladen meiner Kommode auch eine einfache Godemichette[205] finden. Es war die alte, welche ich von Marguerite erhalten.

Jetzt folgte erst die Hauptszene, eine Gruppe, wie sie nur die Römer auf ihren Basreliefs darstellten. Nina legte sich über mich, doch so, daß mein Hinterer für die Hiebe Annas frei blieb, sie drückte mich mit ihrer Last tiefer in Rosa hinein. Das Angenehme des heißen, nackten, glatten Körpers verursachte mir ein äußerst wonniges Gefühl, und wir begannen von Neuem das Liebesturnier. Diesmal währte es etwas länger bei uns beiden. Nina half meinen Stößen Nachdruck zu geben. Anna aber hieb abwechselnd bald auf Ninas, bald auf meinen Hinteren; je näher ich der Krisis kam, desto stärker wurden ihre Hiebe, doch auch dies war noch zu gering; ich bat Rosa, sie möge in meine Achseln und Arme beißen und mich nicht schonen, denn sie tat es anfangs nur sehr schwach; ich rief ihr zu: beiße bis das Blut herausspritzt, und sie tat es auch. Endlich fühlte ich die Annäherung des höchsten Wollusttaumels. Ich verlor die Besinnung. Überall Wollust – in allen meinen Gliedern prickelte es, und wir beide, Nina und ich, hätten Rosa mit unserer doppelten Last beinahe erdrückt. Es war ein Erguß, der nicht enden zu wollen schien.

Wie lange ich in dieser Extase gelegen, die ich eine Ohnmacht nennen kann, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, waren bereits Anna und Nina fortgegangen, die beiden Godemichettes lagen auf dem Stuhle neben dem Bette, die einzige Lampe, die die beiden Frauen brennen gelassen, war eingedreht, und verbreitete nur ein schwaches Licht in meinem Schlafkabinett. Rosa lag neben mir mit geschlossenen Lidern im tiefsten Schlaf, ihr linkes Bein über meiner rechten Hüfte, ihr Fuß, die Fersen auf meinem Hintern; sie seufzte manchmal wollüstig und drückte mich mit dem linken Arme an sich, während [206] der rechte zum Bett hinaushing. Wir waren zugedeckt, und da ich sie nicht aus ihren wollüstigen Träumen wecken wollte, legte ich meinen Kopf zurück auf das Kissen und schlief wieder ein, um erst nach 10 Uhr des Morgens zu erwachen.

Ich werde Ihnen fortan die Szenen, bei denen ich teils aktiv, teils passiv teilgenommen, nicht mehr so umständlich erzählen, da dies ohnehin nur eine Wiederholung wäre. Sie werden an dem Übrigen schon genug zu lesen haben, und auch das wird Sie vielleicht nur zu sehr aufregen, wie es der Fall bei mir ist, wenn ich diese Blätter zur Hand nehme und lese, denn beiläufig sei es erwähnt, ich habe die Abschrift für mich behalten, sie dient mir als aufregendes Mittel, wenn meine Gefühle schlaf! geworden.

Ein paar Tage später kam Anna wiederum zu mir; Nina war jeden Tag gekommen, um den Unterricht mit mir in der ungarischen Sprache fortzusetzen; mit meiner geliebten Rosa aber genoß ich, so oft wir ungestört sein konnten, jede Gattung Wollust, und wir gingen alle Tage nach Ofen ins Kaiserbad. Sie war mir so anhänglich, als wäre ich ein Mann. Auch jetzt noch, nach vielen Jahren, ist sie mir das geblieben, was sie mir damals gewesen, und obschon sie auch die Liebe mit dem männlichen Geschlecht kennengelernt, so schwört sie mir doch, daß sie den Genuß in meinen Armen jedem mit dem stärkeren Geschlechte vorziehe. Ich selbst fühle es manchmal so und glaube, daß wir Weiber, wenn es nicht unsere Bestimmung wäre, das Menschengeschlecht fortzupflanzen, recht gut ohne Männer leben könnten, denn die Wollust unter uns ist ebenso groß.

Anna machte mir den Vorschlag, einer großartigen Orgie in einem Bordelle beizuwohnen, eine solche finde jeden Karneval statt. Sie sagte, es nähmen daran auch Damen der hohen Aristokratie teil, sie seien zwar alle maskiert, so daß sie niemand zu erkennen[207] im Stande sei, aber eben nur durch ihre Masken unterschieden sie sich von den übrigen Venuspriesterinnen. Es herrschte dort der größte Luxus, und die Herren erhielten Gratisentree, während die Aktien der Damen sehr teuer seien, jede derselben koste 60 Gulden.

»So etwas«, sagte sie, »werden Sie nicht einmal in Paris sehen. Die Zahl der Aktionärinnen ist eine beschränkte, es sind nicht mehr als 30. Die hübschesten Huren (Frau von L ... war sehr gemein in ihren Ausdrücken, ich tue nichts anderes, als ihre Worte zu wiederholen, – Empört Sie das?) werden in Pest eingeladen und etwa 80 Herren. Sie sehen also, daß der Preis der Aktien kein übertriebener ist, denn die Zahl der versammelten Personen ist doch etwa 150; somit kommt auf eine Person nicht mehr als 12 Gulden. Die Kupplerin (wiederum ein gemeiner Ausdruck) will entschädigt werden für den Verlust eines Abends, die Herren ebenfalls. Dazu die Beleuchtung und die Musik, endlich das Souper. Im vorigen Jahre haben die Gräfinnen Julie A ... und Bella A ... aus eigenem Beutel noch 1200 Gulden zusetzen müssen. Es ist auch höchst wahrscheinlich, daß der Preis der Aktien, in diesem Jahre erhöht wird. Ich werde für mich von einer der Damen ein Gratisbillet erhalten, wie das bis jetzt immer geschehen. Doch wenn Sie daran teilnehmen wollen, müßten Sie mir das noch im Laufe dieser Woche zu wissen geben, damit ich für Sie eine Aktie reservieren kann.«

Ich wollte anfangs nicht. Schon das, was ich bis jetzt ausgegeben, war mir zuviel. Der Erwerb Rosas kostete mich allein schon 200 Gulden, und obschon ich eine ziemlich hohe Gage als Prima Donna erhielt, so würde ich es doch gefühlt haben, wenn ich noch 80, wenn nicht gar 100 Gulden zulegte, denn ich mußte auch auf Extraauslagen rechnen. Anna drang aber so sehr in mich, daß ich endlich einwilligte, [208] und in ein paar Tagen erhielt ich von ihr eine Art Einladungskarte, lithographiert, mit einer Vignette, welche ich schon in einem französischen Buch gesehen. Ein prachtvoller weiblicher Wollusttempel mit halb geschlossenen Lefzen und oben stark behaart auf einem Altar; zu beiden Seiten ein Spalier von stehenden männlichen Ruten und im Hintergrunde ähnlich den Grenadiermützen weibliche Venushaare. Unterzeichnet waren die Karten alle von der Gräfin Julie A ... und von Luft Resi – der Name einer der berüchtigtsten Bordellbesitzerinnen von Pest und wie ich später erfuhr, von dem Stadthauptmann T ... sehr begünstigt.

Anna sagte mir, es würde ein Maskenball sein. Die Damen, die im Domino erschienen, hätten unter dem selben keine andern Kleider. Die besonderes Kostümierten blieben in den betreffenden Anzügen, doch würde bei allen Damen darauf Rücksicht genommen werden, daß sie jene Körperteile, die bei Liebesgenüssen am notwendigsten sind, leicht entblößen könnten, und das malerische theatralische Kostüm würde noch ihre Reize hervorheben. Mit einem Worte, sie gab mir von dem Feste ein so reizendes Bild, daß es mir nicht leid tat, soviel ausgegeben zu haben, ja, ich nahm mir vor, selber eine Charaktermaske für mich anfertigen zu lassen. Doch handelte es sich darum, daß es niemand erfahre, diese Maske sei für mich. Frau von B ... hatte beinahe denselben Wuchs wie ich. Ich ließ sie einige meiner Kleider anprobieren und fand, daß sie genau paßten. Ich gab ihr demnach den Auftrag, die Maskenkleider für diese Gelegenheit nach ihrem Maße anfertigen zu lassen.

Eines Abends drang Anna in mich, ich möchte mit ihr das Bordell der Person besuchen, wo die Orgie im Karneval stattfinden sollte. Sie wollte mir Männerkleider verschaffen, so daß niemand mein Geschlecht[209] erriete. Sie würde mich für einen jungen Studenten ausgeben. Sie verstand es so gut, mir zuzureden und mich zu allem zu bewegen, daß ich ihr auch diesmal nachgab. Ich war bald in einen Jüngling metamorphosiert, meine Haare waren so geschickt gesteckt, daß man es nicht erkennen konnte, wie lang sie waren. Da ich in einigen Opern Pagenrollen gegeben, namentlich in den Hugenotten und in Aubers Ballnacht, so waren meine Bewegungen in Männerkleidern nicht linkisch, sondern ungezwungen. Das Wetter war schön genug, das Pflaster trocken, daß wir keinen Mietswagen zu nehmen brauchten. Es hätte mich geniert, wenn es durch den Fiaker herausgekommen wäre, daß ich als Mann verkleidet auf Abenteuer ausgegangen. Es war nicht einmal sehr weit von meiner Wohnung, wir gingen über den Franziskanerplatz, die nächste Straße von dort war die Goldstickergasse. Es war ein ziemlich großes Haus, das Eigentum dieser Oberpriesterin der Venus. Es war noch nicht so spät, daß wir hier bei unserer Ankunft Gäste antrafen, man kam gewöhnlich nach den Theatervorstellungen hierher. Das Hetärenpensionat war also ganz leer von Gästen. Die Vorsteherin dieses sauberen Instituts war eine große dicke Person mit sehr brauner Gesichtsfarbe, so daß ich sie für eine Zigeunerin hätte halten können; der Ausdruck ihres Gesichts war gemein und hart, das Gewerbe, welches sie betrieb, brachte dies mit sich. Als Anna mich ihr vorstellte, blickte sie mich mit ihren durchbohrenden Augen an und lächelte. Ich sah es im ersten Augenblicke, daß sie mein Geschlecht erraten, und es tat mir leid hierher gekommen zu sein.

»Sie wollen meine Mädchen sehen, junger Herr? Na, wären's gestern kommen, so hätten's nix besonders zu sehen gehabt, i hab heut zwei neue Menscher kriegt, die eine aus Raschau, die andere aus Deutschland, [210] von der Madame Randt in Hamburg. Die können's Ihna anschauen. Jetzt hab i das ganze Dutzend voll. Wissen's, wenn d'Herren z' viel auf einmal bekommen, schick i zu der Hauptmann Julie oder zu Rajdan, die sein froh, wenn's ihre verlegene Ware bei mir anbringen können. Hat der junge Herr schon g'fispelt (ein gemeiner Ausdruck für das wollüstige Spiel)? Oder vielleicht noch a Jungfer, und Euer Gnaden (so nannte sie Anna) wollen ihn hier steigen lassen? Da rekommandiert i ihm die Leonie, das is a Frischling, rothaarig, sie hat's Handwerk erst seit 2 Monaten ang'fangen und is erst 14 Jahre alt, darum versteht' es doch wie die älteste Hur'.«

Sie ging uns voran und führte uns nach einem ziemlich elegant möblierten Saal, mit einem Piano an einer der Wände, welche ringsherum mit großen Spiegeln behangen waren. Auf den Sofas saßen die Odalisken dieses öffentlichen Harems. Eine war schöner als die andere, es war schwer, eine Wahl zu treffen, und trotz ihrer Verworfenheit schienen sie mehr verschämt und scheu als frech. Nur die Leonie, ein wunderschönes junges Mädchen mit brennroten Haaren, die sie aber gepudert trug, und aus denen sie eine Rokokofigur machte, hatte etwas Herausforderndes, Kokettes in ihren Zügen. Sie war sehr hoch von Gestalt, ihre Züge fein und regelmäßig, ihr Wuchs wie der einer Sylphide, ihr Kleid so weit ausgeschnitten, daß man die Brüste, welche ihr Leibchen beinahe sprengten, bis an die Knöspchen sehen konnte; da sie einen sehr schönen kleinen Fuß hatte, steckte sie ihn vor. Ich nahm Platz an ihrer Seite, Anna setzte sich uns gegenüber. Leonie kneifte mich in die Schenkel und Hinterbacken und wollte noch handgreiflicher werden, doch Anna klopfte ihr mit einem Fächer auf die Finger.

Ich reichte der Haremsbesitzerin eine Zehn-Gulden-Banknote, damit sie uns Wein und etwas zu [211] Naschen holen ließ. Sie besah die Banknote mit verächtlichem Blick und sagte: »Ist dies alles?« Ihre Worte ärgerten mich, und ich sagte, ich würde ihr zahlen, was sie verlangte, doch hätte ich nur eine Hundert-Gulden-Note bei mir, diese Versicherung machte sie gleich freundlicher, und sie sagte, sie würde mich später etwas sehen lassen, was ich gewiß noch niemals gesehen, worauf sie den Salon verließ. Anna folgte ihr auf dem Fuße, und ich blieb mit diesen Weibern allein.

Ich fand hier einiges, was ich nicht gesucht hatte: Bildung, einen feinen Ton, ja sogar solche Kenntnisse, um die manche Aristokratin diese Personen beneiden könnte. Eine dieser Dirnen spielte sehr gut Piano, die andere sang dazu, sie hatte eine schöne Stimme, obschon wenig Schule, doch ein gutes Gehör; sie sang einige Arietten aus den Operetten Offenbachs. Die Dritte zeigte mir ein sehr schönes Album mit Handzeichnungen, die sie in ihren Mußestunden verfertigt. Ein Teil dieser Weiber beklagte sich über das Schicksal, dem sie die Schuld beimaßen, daß sie hierher gekommen. Andere hingegen sagten, sie fühlten sich hier ganz glücklich. Die Kavaliere behandelten sie sehr zart, und nur die Studenten seien roh und ungebildet, doch dafür genössen sie in ihren Armen das meiste Vergnügen, da diese jungen Leute ihre besten Lebenssäfte vergeuden.

»Was wollen Sie«, sagte eine schöne Polin, die man Wladislawa nannte, »da gibt es einen jungen Herrn, einen wunderhübschen Burschen, er ist aber stolz wie ein Pfau, und alle Damen sind in ihn verliebt. Er schlief eine Nacht bei mir und machte seine Sache bis zum nächsten Morgen neun Mal. Das ist sehr viel, um es mit einem Mädchen zu tun. Es ist leichter, mit einem Dutzend Frauenzimmern loszulassen, als es mit einem und demselben Mädchen fünfmal zu tun. Ich kenne außer ihm nur Einen, den [212] ich einer solchen Manneskraft fähig halte. Dieser aber ließ sich niemals dazu bewegen, mit einer von uns Liebe zu genießen. Er muß wahrscheinlich eine Geliebte haben, vielleicht eine Magnatin, die ihn aushält.« Diese letzten Worte sprach sie im Zorn.

»Du meinst den Neffen des ungarischen Theaterintendanten«, sagte Olga, eine muntere Ungarin aus der Theisgegend, »Arpad H ...?«

Als Olga diesen Namen nannte, fuhr es mir durch alle Nerven.

»Es ist gewiß keine Magnatin, die ihn aushält«, fuhr Olga fort. »Er braucht das nicht, er hat Vermögen genug, um sich eine Geliebte zu wählen.«

»Ich weiß sogar, daß ihm von der Gräfin Bella R ... die glänzendsten Anträge gemacht wurden, und er nahm sie nicht an«, sagte eine andere.

Das Wiedereintreten Annas und der Hauswirtin machte unserem Gespräche ein Ende. Alle verstummten, als sie die letztere gewahr wurden.

»Wenn's g'fällig ist, junger Herr, so will i Ihnen etwas zeigen, worüber Sie die schönen Augen aufreißen werden. Ist dös a Schatz!« setzte die Vettel hinzu, indem sie mich in den Hintern kniff.

»Gehen Sie«, flüsterte mir Anna zu, »es wird Sie unterhalten.«

Ich folgte der dicken Wirtin. Sie führte mich über einen Korridor, dann durch mehrere Zimmer. Als sie an eine Tür kam, legte sie einen Finger auf den Mund, und öffnete so geräuschlos, daß man es unmöglich hören konnte. Die Stube war ganz finster, nur aus den gegenüberliegenden Fenstern drang ein schwaches Dämmerlicht durch die mit weißen Vorhängen verdeckten Glastafeln. Sie ergriff mich an der Hand und führte mich an ein Sofa, welches knapp an einer Glastür stand.

Dann hörte ich ein unbedeutendes Geräusch, welches aus dem Nebenzimmer herübertönte, und sah[213] über dem Sofa einen Lichtschein. Es war ein Fenster. Ich stieg auf das Sofa, so daß ich durch dieses Fenster, welches über der Tür angebracht war, hindurchblicken konnte. Obschon ich in das erleuchtete Zimmer sehen konnte, so war ich nicht auch so von dort herüber zu sehen, denn von den zwei Mädchen, welche in das Zimmer kamen, stellte die eine das Licht knapp an die Tür, jenseits auf einen Tisch, so daß die gegenüberstehende Wand erleuchtet war, nicht aber das Fenster über der Tür.

Es waren zwei Mädchen und ein Herr in vorgerücktem Alter, kahlköpfig, mit einem Faunengesicht, ziemlich hoch von Gestalt, doch klapperdürr. Man konnte jeden Laut wahrnehmen. Die zweite Odaliske hatte eine ungeheure Rute mitgebracht, und beide fingen an, sich sogleich zu entkleiden, so wie sie auch dem Seladon, der ganz das Konterfei des Ritters von der traurigen Gestalt war, dabei halfen. Bald standen alle drei splitternackt vor mir. Der Mann war so häßlich, was seinen Körper betraf, daß er darin noch sein Faunengesicht an Häßlichkeit übertraf; gelbes Leder über einem klappernden Knochengerippe, von struppigem, langem Haar überwuchert. Er stand mir gerade gegenüber. Sein Speer war so klein und zusammengeschrumpft, daß ich ihn anfangs gar nicht sah. Ich wußte nicht gleich, ob er zwei Nabel oder zwei Amorpfeile hatte, denn der Letztere war nicht größer als eine Bohne. Die beiden Mädchen machten allerlei wollüstige Stellungen, um ihn zu reizen; es wollte aber nicht fruchten; da legte er sich auf drei nebeneinander stehende Stühle. Die eine band seine Hand- und Fußgelenke zusammen und ergriff die Rute, um ihn damit zu peitschen, während die andere ihm bald den Hintern, bald die Muschel zu riechen gab. Die Hiebe folgten minutenweise nacheinander, und schon beim dritten Streich sah ich einzelne kleine Blutstropfen durch die Striemen sickern. Beim [214] zehnten Hieb waren die beiden hageren, durch einen weiten Schlund getrennten Flächen, denen ich nicht die Ehre antun darf, sie Backen zu nennen, schon so zerschunden, daß man nur eine große blutende Masse sehen konnte, wie bei einem geschlachteten Tiere; dennoch bat er das Mädchen, welches ihn so grausam zerfleischte, schneller und stärker zu schlagen, und roch und leckte die beiden Öffnungen der anderen. Ich hörte auch von Zeit zu Zeit einen gewissen trompetenden oder fagottartigen Ton, der seinen Ursprung in den Eingeweiden des von diesem geilen Satyr beschnüffelten Mädchens hatte, und er schien diese Düfte mit beiden Nasenlöchern aufzufangen.

»So wird's nicht gehen«, sagte er endlich stöhnend, »aber wenn Du mir ein Würstel gibst, dann wird's gleich kommen. Krieg' ich heute ein oder zwei Würsterl, Luiserl? Nicht wahr, zwei Würstel, zwei Würsterl? Bitte, bitte.«

Er legte sich auf den Rücken, und das Mädchen, welches er berochen, setzte sich so, daß es mit ihrem Hintern gerade über seinem offenen Munde sich befand, während die andere sein sich nur schwach hebendes Szepter in ihre Wollustgrotte zu zwängen sich bemühte, indem sie sich auf ihn setzte. Wiederum hörte ich die Fagott-Töne und sah, was er so gewünscht, aus ihr in seinen Mund plumpsen; er fletschte und biß daran und stöhnte dabei. Erst diese unflätige Operation brachte sein Glied in die nötige Verfassung, der auch nach langem Herumzappeln eine Samenentleerung folgte.

11.

[215] XI

Es reute mich in mancherlei Hinsicht, nach dem Bordelle gegangen zu sein: Erstens fühlte ich den Riß, den dieser Abend in meinem Beutel gemacht, zweitens konnte ich den Ekel, den mir die letzte Szene zwischen dem Faun und den beiden Dirnen eingeflößt, nicht sobald überwinden; dieses scheußliche Tableau erinnerte mich auch daran, was ich selber mit Rosa getan. Ich dachte darüber nach, ob ich nicht einst auch so abgestumpft werden könnte und es notwendig haben würde, zu solchen außerordentlichen Reizmitteln meine Zuflucht zu nehmen? Ich begriff es wohl, daß liebenden Personen von dem Gegenstande ihrer Liebe nichts ekelhaft sei; das sieht man doch täglich bei Gattinnen und Müttern, denen so manche Gelegenheit geboten wird, es zu beweisen. Doch konnte auch bei einem solchen Menschen, wie jenem alten entnervten Wüstling, von Liebe die Rede sein? Da war doch das, was ich für Rosa fühlte, was einige Männer zu schönen Knaben hinzieht, ein viel natürlicheres Gefühl, es war doch die Schönheit der Frau – ob es jetzt die eines Mädchens oder eines Mannes ist, dies ist gleichviel – die meine Sinne angenehm berührte. Wo aber war das bei dem alten Manne zu suchen? Das, was ihm einen Genuß verschaffte, das Streichen mit der Rute und was er aß, war doch, ästhetisch betrachtet, abscheulich, und dennoch hatte ich mich zu ähnlichen Abnormitäten hinreißen lassen. Ich kann es nur einer Art Bewußtlosigkeit und einem Rausch zuschreiben, der mich damals gepackt hat, als ich zuerst Rosas Hinterbacken erblickte, wie dieselben von den Karbatschenhieben zerschunden waren, als ich aus ihrer Muschel den durch ihre Urinblase filtrierten Champagner trank und meinen Hintern selbst von Anna zerfleischen ließ und Rasa bat, sie möge mich beißen. Damals [216] schloß ich so, jetzt wiederum anders, Sie wissen doch, was ich alles anführte, um diese gewisse Unflätigkeiten und abnormen Gelüste zu rechtfertigen. Jetzt hingegen, nach dem Anblick des alten Menschen im Bordelle, kam mir nicht nur die höchste Potenzierung der Begierden und krankhaften Gelüste abscheulich vor, ja sogar der natürliche Genuß mit Rosa oder mit einem Manne. Ich würde Arpad abgewiesen haben, wenn er gekommen wäre und mich gebeten hätte, mit ihm Liebe zu genießen, so wie ich diese Nacht Rosa nicht mit mir schlafen ließ. Sie glaubte, sie habe irgend etwas gegen mich verschuldet, und blickte mich so traurig an, daß es mir leid um sie tat. Ich sagte, ich fühlte mich nicht wohl, deshalb wünsche ich allein in meinem Bette zu bleiben.

Ich konnte das abscheuliche Bild, welches ich gesehen, nicht loswerden und träumte die ganze Nacht davon – und noch ärgere Infamien, so daß mich das für den ganzen nächsten Tag verstimmte.

Das Schlimmste dabei war, daß ich um 10 Uhr vormittags zur Generalprobe gehen mußte, und zwar in einer Oper, in welcher ich beinahe stets auf der Bühne zu tun hatte. Dennoch war es diese Probe, die mich meiner üblen Stimmung entriß und die scheußlichen Bilder verscheuchte.

Außer den bei der Oper beteiligten Personen und dem Herrn Intendanten, der die Proben sehr fleißig besuchte, erblickte ich einen Herrn, der mir im ersten Augenblick auffiel. Es war ein schöner Mann, mit einem außerordentlich geistreichen Gesicht, sehr elegant gekleidet. Einer meiner Kollegen hatte ihn hierher gebracht. Er war ein Kunstkenner und Kunstliebhaber. Als unser Tenorist eine Stelle mit einem etwas falschen Vortrag sang, trat dieser Herr hervor und sang die Stelle mit soviel Feuer, mit solchem Ausdruck und Vortrag, daß es uns alle entzückte. Er [217] hatte eine Stimme, wie ich sie noch nie gehört, sie drang mir durch alle Nerven. Alle applaudierten und der Tenorist rief aus: »Ach, nach Ihnen ist es eine wahre Profanation des Gesanges, wenn ich noch sänge«, und er markierte den Rest seiner Partie, sowie auch ich und die übrigen Sänger und Sängerinnen.

Ich erkundigte mich bei Herrn von R ... nach dem Namen des fremden Herrn und fragte ihn, ob er ein Ungar sei.

»Sie fragen mich mehr, als ich zu beantworten im Stande bin. Auf seiner Visitenkarte steht Ferry, Ferry. Das kann ein Ungar, ein Engländer, ein Italiener oder ein Spanier sein, vielleicht auch ein Deutscher, Franzose oder Russe. Er spricht alle Sprachen gleich gut. Ich habe seine Legitimationspapiere nicht gelesen, weiß nur soviel, daß er aus Wien kommt, daß er bei Hofe empfangen und vom englischen Gesandten an den hiesigen englischen Geschäftsträger empfohlen worden, daß er hier beim königlichen Statthalter gespeist hat, und daß man sich glücklich schätzt, ihn in allen Magnatensoireen empfangen zu können. Ich glaube, er befindet sich hier in einer diplomatischen Mission. Er wohnt im Hotel zur Königin von England.«

Ferry blieb bis ans Ende der Probe und ließ sich mir ebenfalls vorstellen. Er war ein sehr feiner Kavalier, und ich mußte mich sehr zusammennehmen in meinem Gespräche mit ihm; er war so freundlich, mich bis an den Mietswagen zu begleiten nach beendeter Probe.

An den Tagen, an welchen eine Generalprobe stattfand, hatte ich den Abend frei. Man hatte mir sehr empfohlen, Konversationsstücke zu besuchen, um mir die richtige Aussprache im Ungarischen anzueignen, somit begab ich mich nach der Theaterloge. Frau von B. war meine einzige Gesellschaft. Im ersten [218] Zwischenakte erhielt ich einen unerwarteten Besuch, Herrn von Ferry. Er entschuldigte sich, daß er es wagte, mich hier zu besuchen, und ich lud ihn ein zu bleiben. Er machte mir den Hof, d.h. er lobte meine Stimme, sagte, ich habe eine sehr schöne Theaterfigur, daß meine Toilette sehr geschmackvoll sei und dergleichen, ohne aber von Liebe zu sprechen. Er war einfach höflich, ohne Zudringlichkeit und ohne Gemeinplätze. Ich nahm mir vor, seine Eroberung zu machen, ehe eine der hiesigen verbuhlten Magnatinnen ihn mir entriß. Ich versäumte es nicht, alle Künste der Koketterie bei ihm anzuwenden, und glaubte, daß mir seine Eroberung nicht schwer werden würde. Da er sich das Glück erbeten, mich in meiner Wohnung besuchen zu dürfen, so glaubte ich ihn schon fest zu halten, jedoch war das eine Täuschung.

Wir sprachen auch von Liebe, doch nur im Allgemeinen. Wenn seine Blicke noch so beredt waren, blieb doch seine Zunge stumm. Wenn er mir auch mit Worten zu verstehen gab, daß ich ihm sehr gut gefiel, so bat er mich doch niemals um die geringste Gunstbezeugung. Wenn er mir bei seiner Ankunft oder bei seinem Abschied die Hand drückte, so geschah das in einer Weise, daß ich daraus nichts folgern durfte; ohne Nachdruck, ohne Bedeutung.

Endlich brachte ich ihn doch dahin, daß er von seinen bisher gehabten Liebschaften zu sprechen anfing, denn ich fragte ihn, ob er schon viele Eroberungen gemacht und schon ernstlich verliebt gewesen.

»Ich liebe das Schöne, wo ich es finde«, sagte er. »Ich halte es für unrecht, mich an eine einzelne Person zu fesseln, so wie ich die Ehe in der Theorie für die tyrannischste Institution der Menschheit halte. Wie darf ein Mensch, der auf Ehre hält, ein Versprechen über etwas geben, was nicht von seinem Willen[219] abhängt? Man sollte eigentlich niemals was versprechen. Sie werden auch Niemanden finden, der mir nachsagen dürfte, er habe gehört, daß ich Jemandem etwas versprochen. Nicht einmal, wenn ich zu einem Diner oder einer Abendunterhaltung eingeladen werde, gebe ich meine Zusage, ich bestätige bloß den Empfang der Einladung. Ich wette niemals und spiele kein Hazardspiel. Eben weil ich die Macht des Zufalls kenne, weil ich ihm die wenigsten Chancen über mich einräume. Deshalb werde ich auch niemals einer Dame, die mir gefällt, Treue versprechen. Sie mag mich nehmen, wie ich bin, wenn sie sich herabläßt, mein Herz mit anderen zu teilen, so findet sie darin Platz genug. Dies ist auch die Ursache davon, daß ich noch keiner Dame eine Liebeserklärung gemacht, sondern darauf gewartet habe, daß sie mir es offen und unverhohlen sagte, saß ich ihr so gefiele, um mir nichts zu verweigern.«

»Ich glaube, daß Sie solche Personen gefunden haben«, entgegnete ich, »doch begreife ich nicht, daß Sie sie lieben konnten, denn, vergeben Sie mir, es müssen sehr freche Weiber sein, die einem Manne eine Liebeserklärung machen, ohne es abzuwarten, daß die Initiative von ihm ergriffen werde.«

»Ich sehe das nicht ein. Muß einem Manne ein Weib, welches ihn so sehr liebt, daß es alle konventionellen Gesetze bei Seite setzt, nicht viel lieber sein, als eines, welches nur Komödie mit ihm spielt? Auch jene Damen, die sich bitten lassen, tun es nur mit dem festen Vorsatz, daß sie endlich nachgeben werden. Wird ein Mann das Weib, welches seine eigene Eitelkeit der seinigen untergeordnet, eben dieser Opferwilligkeit zufolge nicht mehr und länger lieben können, als eine Frau, die ihn mit ihrer Koketterie lange hinhält? Schon die Erbitterung treibt die meisten Männer zur Rache an den Weibern, die sie lange haben schmachten lassen, sie vergelten es ihnen [220] dadurch, wenn sie sie erobert, daß sie ihnen untreu werden und sie verlassen.«

»Und jene unglücklichen Mädchen, die sich dem Manne ihres Herzens beim ersten Sturm ergeben, verdienen sie auch, daß die Männer sich an ihnen rächen?«

»Ich habe die Rache nur auf kokette Frauen angewendet gemeint. Ich würde niemals ein unschuldiges Mädchen überreden wollen, daß es sich mir ergebe. Ich habe es niemals getan, dennoch mangelte es mir nicht an solchen. Jede von ihnen hat sich mir selber angeboten, jede von ihnen hat mich gebeten, sie von ihrer Jungfräulichkeit zu befreien, weil sie ihr zur Last war, jede wußte, daß dies ihre Bestimmung ist. Es stand ihnen frei, eine Wahl zu treffen, sie dachten sich: soll ich mir einen wählen, der mir nachgeht und mir weniger gefällt als jener, der es mir wohl zu verstehen gibt, daß ich ihm gefalle, ohne aber mir zuzurufen, ich möge mich ihm erklären? Bei einer solchen Logik fiel ihre Wahl auf mich, sie überwanden jene lächerlichen Skrupel, die ihnen von Kindesbeinen an von ihren Müttern und Tanten und anderen prüden und lebenssatten Menschen über Schamhaftigkeit eingedrehorgelt wurden, und spielten offenes Spiel mir gegenüber. Keine hat es bereut. Einer jeden hielt ich die Folgen, die ihr Schritt nach sich ziehen könnte, vor die Augen, einer jeden sagte ich, daß sie Mutter werden könnte, daß ich sie nicht heiraten, daß ich auch andere Frauen lieben würde, daß sie mich niemals wieder sehen würden. Sagen Sie mir, war dies nicht ehrlich gehandelt.«

Ich konnte es nicht leugnen, doch sagte ich ihm, daß ich mich niemals entschließen könnte, einem Manne mit einer Liebeserklärung zuvor zu kommen.

»Dann werden Sie auch niemals einen Mann lieben. Denn die Liebe eines Weibes besteht nur in ihrer [221] Opferwilligkeit. Und ich würde ein Weib, welches mir keine Beweise einer solchen Liebe gibt, auch nicht mit einer ephemeren Gunst beglücken.«

Er hatte auf alle meine Entwürfe eine Antwort, und ich wußte, daß er mir niemals eine Liebeserklärung machen würde, so wie auch, daß ihn die vielen Messalinen unter den Magnatinnen mir abwendig machten, wenn ich nicht täte, was er mir angedeutet. Es war offenbar, daß ich ihm gefiel. Weshalb wären seine Besuche so häufig gewesen? Er zog es vor, die Abende bei mir zuzubringen, als die Soireen zu besuchen. Zwar zögerte ich noch, ich wartete auf eine Gelegenheit, die mir die Schamröte ersparen sollte, ich hoffte eine solche während des Karnevals zu finden. Ich weiß nicht, ob er mich für ganz unerfahren in der Liebe hielt. Die Jungfräulichkeit hatte aber nach allen seinen Äußerungen keinen besonderen Reiz für ihn. Er würde eine Jungfrau geliebt haben, wenn sie gleichzeitig alle Künste einer Messaline gekannt hätte. Solche Jungfrauen aber gibt es nicht. Das Liebesspiel muß erst gelernt werden.

Ich sann darüber nach, ob ich mich einer meiner Freundinnen mitteilen und sie als Vermittlerin verwenden sollte, und erwähnte vor Anna alles, was ich mit ihm gesprochen. Sie schien nachdenklich und meinte dann, sie glaubte, Ferry sei bereits in die Netze einer der Magnatinnen gefallen, doch versprach sie mir, ihn auszuholen, um zu erfahren, ob er ebenfalls an der Orgie, die im Bordelle bei der Luft Resi gehalten werden sollte, teilnähme.

Einige Tage darauf brachte sie mir nicht ganz tröstliche Nachrichten. Die Fürstin O ... sei, sagte sie, jetzt Favoritin Ferrys. Das Kammermädchen dieser Dame habe ihr Gespräch mit dem schönen und mysteriösen Fremden belauscht. Er habe der Fürstin dasselbe gesagt wie mir, und die Fürstin habe weniger Bedenklichkeiten gehabt als ich. Außer den beiden [222] Forderungen, die er an mich gestellt, nämlich, daß ich keine Treue von ihm fordern und mich ihm selber anbieten sollte, gab es noch eine dritte, von welcher er mir nichts gesagt, nämlich, daß die Dame, die sich ihm hingab, gleich das erstemal ihn ganz nackt empfangen sollte. »Wenn eine Frau einem Manne die Hauptsache gewährt, dann ist keine Ursache vorhanden, daß sie es nicht vollkommen und in voller Parade – d.h. nackt tue.« Und die Fürstin ging auch darauf ein.

Ich weiß nicht, ob ich mich hergegeben hätte, auch dies zu tun, wenn ich noch so verliebt in ihn gewesen wäre. Ich mag noch so freie Ansichten über diesen Punkt haben, so kann ich immer noch das Schamgefühl nicht niederkämpfen, welches, mochte es mir angeboren oder angeeignet sein, mich beherrschte. Ich weiß wirklich nicht, ob dies Gefühl uns Frauen angeboren ist, oder ob wir es durch die Erziehung von Kindesbeinen an erhalten. Was die Erscheinung Ferrys auf dem Maskenball oder die Orgie bei der Luft Resi betreffe, so würde er gewiß dahin kommen, er hätte eine Einlasung dahin von drei Damen erhalten, doch nicht bestimmt versprochen, zu kommen, weil das seinen Prinzipien zuwider wäre.

Der Abend, an welchem die Orgie stattfinden sollte, rückte immer näher heran. Anna, Nina und Rosa halfen mir, meinen Anzug verfertigen. Derselbe war von himmelblauem schweren Seidenstoff mit eingelegten weißen Streifen von Seidengaze, alles mit Goldblumen gestickt. Am Hintern, dann vorn an den Brüsten und vom Nabel abwärts bis auf 3 Zoll unter der Wollustgrotte war das Kleid zum öffnen. Für meine Füße hatte ich sehr niedliche Sandalen von scharlachrotem Sammet, ebenfalls mit Goldblumen gestickt. Halskrause von Blondspitzen, doch gesteift, wie sie die Damen im XVI. Jahrhundert trugen, und wie man Maria Stuart gemalt sieht. Die [223] Ärmel reichten nicht ganz bis zum Ellenbogen und waren zugespitzt geschnitten mit goldenen Quasten. Um den Leib sollte das Kleid von einem goldgewirkten indischen Shawl zusammengehalten werden. Mein Kopfschmuck bestand aus einem Maraboutfederschmuck von verschiedenen Farben.

Ich wollte meine eigenen Juwelen nicht tragen, damit man mich daran nicht erkenne, sondern deponierte sie bei einer Jüdin und erhielt von ihr für diesen Abend andere Preziosen in demselben Wert, die ich dann zurückgeben und dafür die eigenen wieder erhalten sollte. Endlich aber hatte ich einen langen vergoldeten Stab, etwas höher als ich, mit einem stehenden männlichen Glied, einem Amorpfeil in der Hand. Das Kostüm war geschmackvoll und originell. Hierzu sollte ich eine Taffetmaske über dem Gesichte tragen, so daß nur die Augen und der Mund sichtbar blieben. An den Ohren war eine elastische Vorrichtung angebracht, damit ich das Kinn bewegen konnte. Die Farbe meiner Haare war nicht so auffallend, daß sie mich verriet, obschon ich wenig Frauen kannte, die einen so üppigen Haarwuchs besaßen.

Am 23. Januar, abends 7 Uhr, fuhren wir, Anna und ich, nach der Goldstickergasse. Ich hatte über meinen Maskenanzug einen sehr warmen Pelz genommen und Anna verließ mich auf dem Vorplatze, wo ich meine Eintrittskarte ablieferte. Resi Luft nahm sie selber in Empfang. Es waren schon viele Damen und Herren hier, und ich hörte die Töne des Orchesters. Die ersten Herren, die ich erblickte, waren der Stadthauptmann T ... und der Baron von O ... Sie waren nicht maskiert und ganz nackt mit Ausnahme einer Art von Badehose aus Seidenstoff. Mein Erscheinen erregte Aufsehen im Saale, ich hörte, wie die Damen unter sich flüsterten: »Die wird uns alle schlagen«. – »Ach, ist sie doch schön.« – [224] »Sie ist wie von Zucker, zum Dreinbeißen« usw. – Die Herren waren noch mehr entzückt. Die schönsten Teile meines Körpers, meine Brüste, Arme, Waden, mein Hinterer und meine Muschel waren entweder ganz entblößt oder nur von einem diaphanen Stoff verschleiert, so daß man sie gut sehen konnte. Ich blickte um mich, um Ferry unter den Herren zu entdecken. Er stand an der Seite einer Dame, die einen ganz weißen Anzug von Tüllanglais an hatte; das Schilf und die Lilien als Aufputz sollten sie als Wassernymphe charakterisieren. Ihr Körper war ziemlich schön, doch bei weitem weniger als der meinige. Eine andere Dame, deren ganze Bekleidung aus einem Goldgürtel mit Diamanten und einem Diadem aus gleichen Steinen in den rabenschwarzen Haaren bestand, die die Venus vorstellen sollte, hatte ihren Arm um Ferrys Nacken geschlungen und hielt seinen Amorszepter in der Hand, welcher sich unter ihren Fingern bäumte; der entblößte Kopf desselben glänzte, als wäre er in Öl getaucht worden; er war dunkelrot, von ungewöhnlicher Größe, niemals habe ich einen so großen und schönen männlichen Speer gesehen. Ferry war ganz nackt, nur seine Füße steckten in Sandalen von kirschrotem Marokin. Weder Apollo von Belvedere, noch Antonius waren so ebenmäßig und schön wie er. Sein Körper war blendend weiß, mit einem rosigen Schimmer an den Konturen. Mein ganzer Körper zitterte bei seinem Anblick, ich verschlang ihn beinahe mit meinen Augen und hielt unwillkürlich vor dieser Gruppe. Venus hatte einen sehr schönen Körper, doch waren ihre Brüste etwas schlaff, ihre Muschel zu sehr geöffnet und die Lefzen an derselben spielten ins Violette, man sah es ihr an, daß sie sehr eifrig im Dienste der Göttin sein mußte, die sie vorstellte.

Auch Ferrys Augen verweilten auf mir, seine Lippen [225] verzogen sich zu einem Lächeln, und er sagte: »Ah, dies ist die beste Methode, um die Initiative zu ergreifen.« Dann wandte er sich zu den beiden Damen, verbeugte sich vor ihnen, und nachdem er sie verlassen, kam er geradewegs auf mich zu. Er flüsterte mir meinen Namen ins Ohr, ich errötete unter der Larve.

Die Musik schlug einen Walzer ein. Man konnte das Orchester nicht erblicken, eine spanische Wand trennte es von den Bacchan und Bacchantinnen, Ferry faßte mich um die Taille, und wir wirbelten dahin, von unzähligen anderen Tänzerinnen und Tänzern gefolgt. Die momentane Berührung so vieler heißer, glatter, nackter männlicher und weiblicher Körper während des Walzers, die alle untereinander herumtaumelten, der Anblick der vielen schwellenden männlichen Ruten, wie jede derselben während des Tanzes nach dem gewissen Ziele stieß, das Schnalzen der Küsse, der wollüstige Duft dieser geilen Weiber und Männer, der immer stärker wurde, betäubte mich beinahe. Auch Ferrys Pfeil berührte mit seinem Kopfe meine Grotte, zumal oben am Kitzler; ich stieß sie ihm entgegen und spreizte mich, damit er weiter unten hineinstoße. Er tat es aber nicht, sondern sagte: »Bist Du eifersüchtig?«

»Nein«, antwortete ich, »ich wollte Dich als Mars mit Venus sehen.«

Er ließ mich los und entriß einem Herrn die Dame, welche die Venus vorstellte.

Ein paar Mädchen aus dem Pensionate der Hauswirtin holten ein rot überzogenes Tabouret hervor, stellten es in die Mitte des Saales. Venus lehnte sich mit ihren Armen daran, und Ferry griff sie von hinten an, Wladislawa und Leonie setzen sich den beiden Kämpfenden zu Füßen, die erstere spreizte der Göttin Wollustlefzen auseinander mit ihren Fingern und spielte auch mit der Zunge daran, während Leonie [226] seinen Samenbehälter kitzelte und mit ihrer Zunge an seiner Hinterspalte spielte. Ferry gab Venus mehrere herzhafte Stöße, so daß sie stöhnte, ich aber entledigte mich auch der wenigen Kleider, die ich auf mir hatte und stellte mich ihm ganz nackt hin. »Auch die Maske?« fragte ich ihn. »Behalte sie auf dem Gesichte«, entgegnete er, zog seine Rute aus der Muschel seiner Göttin, gab ihr mit der flachen Hand einen Schlag auf die Hinterbacken, und sie trat mir ihre Stelle ab. Meine Knie schnappten zusammen, als ich ihre Stelle einnahm. Ferry kniete hinter mir und steckte seine Zunge zuerst hinten, dann vorn hinein, womit er mich so geil machte, daß ich jeden Augenblick glaubte, mein Brünnlein müßte überströmen. Ich blickte hinüber und sah den herrlichen roten Kopf seines Speeres, wie einen Rubinknopf an der Spitze eines Szepters.

Das war zuviel für mich. Venus und noch eine Dame sogen an meinen Brüsten, eine dritte umarmte mich, steckte ihre Zunge zwischen meine Lippen und biß oder sog an den meinigen, Leonie kniete ebenfalls zwischen meinen Beinen und kitzelte oben an der Spalte, daß mir die Sinne vergingen, mein Atem ward immer kürzer; ich spürte ein Zucken im Zwerchfell, in den Hüften, Schenkeln, Armen und in den Hinterbacken; die Krise kam heran, und heraus sprudelte wie Schlagsahne der milchweiße Saft aus der Grotte in den Mund Ferrys, und ich hörte ihn schlucken, bis er den letzten Tropfen herausgesogen. Dann sprang er auf und stieß sein heißes, knotiges Szepter bis an die Wurzel in mein Inneres, so daß mir ein girrender, wollüstiger Laut entfuhr. Alle meine Nerven, die noch vor ein paar Sekunden schlaff geworden, wurden wie der gespannt, in meinem Wollusttempel brannte es, und sein steinharter Pfeil schien mir wie ein glühender Stahl. O, wie trefflich verstand er das Liebesspiel. Er zog zuweilen seinen [227] Amor ganz aus der Grotte, und sein Kopf streifte an den Lefzen auf- und abwärts, dann folgte ein starker Stoß. Ich fühlte, wie die Öffnung meines Hymens den Kopf seines Amors in sich hineinsaugen wollte und krampfhaft festhielt, bis er ihn wieder losließ. So machte er es noch ein paarmal, als seine Bewegungen noch stärker und schneller wurden, und die Rute noch mehr anschwoll. Jetzt war auch er nicht mehr Herr seiner Begierden, er beugte sich über mich, und während mich seine Finger in den Achseln blutig kniffen, sog er das Blut mit seinen Lippen und seiner Zunge auf. Auch bei ihm folgte die Krise, und der Erguß war so stark, daß er meine ganze Grotte füllte. Ich fürchtete schon, daß es jetzt vorüber sein und ich ihn verlieren müßte, doch er hielt mich noch immer fest, und sein Amor blieb in meinem Liebeszwinger, welcher nach ihm schnappte und ihn fester drückte. Trotz der starken Entleerung war es in weniger als einer Minute wieder ganz trocken in meinem Innern, die Hitze zog die Säfte ein. Da fühlte ich, wie sein Szepter wieder härter wurde und er mir ein paar Stöße gab, die ich schnell erwiderte. Von neuem fingen wir unter dem Beifallsklatschen aller Anwesenden das Liebesspiel an, diesmal mit mehr Überlegung und in langen, abgemessenen Stößen. Diesmal war die Entleerung zu gleicher Zeit, ich fühlte gleichsam einen elektrischen Schlag, der mich durchdrang und in meinem Herzen festgebannt wurde. Ohne seine Geistesgegenwart und Herrschaft über seine Nerven würde ich diesmal Mutter geworden sein, doch gleich drang ein zweiter länger währender noch heißerer Strahl dem ersten nach, und die Wirkung desselben war paralisiert.

Auch diesmal hörte er mit den Beweisen seiner Liebe und seiner Manneskraft nicht auf. Die Zuschauer klatschten in die Hände, als sie sahen, daß [228] er zum dritten Male, ohne seinen Amorpfeil aus der Scheide zu ziehen, den Liebeskampf begann. Alles rief: »Aller guten Dinge sind drei!«, und obwohl das Spiel jetzt länger als eine Viertelstunde währte, waren sie doch aus unserer Nähe nicht wegzubringen. Ich weiß, daß Wetten gemacht wurden darauf, Ferry würde das Spiel nicht bis zu Ende führen und sich ermattet zurückziehen müssen. Dem war aber nicht so. Dieser Mann war unerschöpflich, und die Krise, obschon sie lange währte, und obwohl die Wollust von seiner ebenso wie von meiner Seite eine längere war, kam doch endlich. Er überschwemmte mein Inneres mit dem Safte, der seinen Ursprung in seinem Rückgrat hatte. Das gewisse wollüstige Hinbrüten nach geschehener Entleerung war auch viel länger als nach dem zweiten Akt dieses herrlichen Liebesdramas. Ich stand nicht mehr auf meinen Füßen, denn mehrere Pensionärinnen unserer Hauswirtin hielten meine Beine umschlungen, ich spürte unter meinen Füßen, an meinen Seiten und vorn nichts als nacktes Fleisch. Die Damen überschütteten mich mit Küssen, sie sogen an den Knospen meiner Brüste, und Ferry drückte mich noch immer hinter mir stehend an sich.

Endlich fühlte ich, wie sein Pfeil in meiner Wollustgrotte von seiner Steifheit zu verlieren anfing und endlich aus seinem Bauer schlüpfte, dem er eine solche unsägliche Wonne verschafft, und in dem er selber genossen hatte. Man ließ uns los. Ferry umarmte mich und hielt mich noch lange fest umschlungen. Dann hing er meinen Arm in den seinigen und wollte mich hinwegführen. »Auf den Thron, auf den Thron!« riefen mehrere männliche und weibliche Stimmen. Man hatte am Ende des Saales eine Art Tribüne errichtet, auf welcher eine Ottomane mit rotem Sammet überzogen stand, über der ebenfalls rote Vorhänge in der Art eines Baldachins angebracht [229] waren. Dahin wollte man uns geleiten, um damit anzuzeigen, daß wir den ersten Rang unter den Liebeskämpfern und -kämpferinnen verdienten. Ferry lehnte in seinem und meinem Namen diese Ehre ab und sagte, er ziehe es vor, wenn man ihm gestatte, sich mit irgendeinem kühlenden Getränke zu erfrischen, worauf uns die Dame, die als Venus maskiert war, nach dem Bankettsaal geleitete. Der Tisch war noch nicht gedeckt, es war noch zu früh zum Souper, doch fanden wir am Büffet alles, was wir vorläufig brauchten.

»Schade, daß hier kein dunkles Kabinett sich befindet, wo meine schöne Titania (er nannte mich so, weil er mein Kostüm demjenigen der Elfenkönigin würdig fand) ein wenig ausruhen könnte«, dabei gab er mir wieder einen Kuß.

»Resi Luft hat gewiß mehrere Kabinette, wo dies geschehen kann«, entgegnete Venus. »Ich will es ihr gleich sagen, damit sie Euch eines öffne.« Sie entfernte sich und erschien bald wieder mit der Hauswirtin, bei deren Anblick wir in ein helles Gelächter ausbrachen. Auch diese alte, dicke Person hatte alle Kleider abgelegt und erschien ganz nackt vor uns, ganz das Ebenbild der Königin einer der Südseeinseln, der berühmten Nomahana. Oh, diese Massen dunklen rötlichen Fleisches, dieser Urwald unter dem Bauch. Doch war das alles nicht unappetitlich, und ich begriff, daß es noch Männer gab, denen diese massigen Reize Gelüste einflößten; es mußte gar nicht unangenehm sein, sich in ein solches Meer von Fleisch zu versenken.

Sie öffnete uns eins der Kabinette, ganz nahe am Tanzsaal, so daß ich durch die geöffnete Tür hindurchblicken und das wollüstige Bacchanal mit den Blicken verfolgen konnte. Nur wenige Paare tanzten noch, die meisten zogen eine ernstere Unterhaltung vor. Wir hörten Gekicher, Küsse, die gewissen abgemessenen [230] Stöße der Männer und noch viele andere wollüstige Laute. Dieser Anblick regte mich auf. Ich saß, meinen Arm um den Nacken meines Geliebten geschlungen, in seinem Schöße und fühlte, wie etwas Warmes und Hartes an meine Hinterbacken schlug. Es war sein unermüdlicher Amor.

»Du wirst doch nicht wieder?« fragte ich, ihn mit meinen Küssen beinahe erstickend.

»Warum nicht?« sprach er lächelnd. »Doch möchte ich die Türe schließen und verriegeln. Du aber nimmst Deine Maske ab, damit ich die Wollust in jedem Deiner Züge lesen kann. Wärest Du im Stande, mir dies abzuschlagen?«

Er war nicht der Despot, der Sultan, wie er sich mir vorstellen wollte, sondern der schmeichelndste, süßeste Schäfer, den ich mir nur wünschen konnte. Ich sprang auf, schloß und verriegelte die Tür und warf mich ins weiche Federbett. Nur eine einzige Alabasterlampe, welche vom Plafond herabhing, beleuchtete das Gemach, alles Licht fiel auf das Bett. Ich spreizte meine beiden Schenkel weit auseinander, stützte mich auf meine Ellenbogen und erwartete meinen Ritter, der auch nicht einen Augenblick säumte, um seine Lanze einzulegen. Diesmal zerstreute uns nichts außerhalb unserer Personen, ich sah nur ihn und er nur mich.

Wäre ich im Stande zu beschreiben, was ich fühlte? Nein! Ich kann nur soviel davon sagen, daß die hintereinander genossenen drei Libationen, die wir den Liebesgöttern dargebracht hatten, nichts waren im Vergleich mit der Wollust, als ich ihn so ganz allein für mich hatte. Und erst als die Krise nahte, als seine Augen starr wurden und einen gewissen Ausdruck wollüstiger Wildheit annahmen, als seine Lippen sich öffneten und er schnaubte, und auch meine Augen sich zu trüben anfingen, als wir im Wollusttaumel hinsanken, Brust an Brust, Bauch an [231] Bauch, einander mit Armen und Beinen umschlungen haltend wie ein paar Schlangen! Wir lagen so etwa eine halbe Stunde, er hatte sich ein wenig nach der Wand hin gedreht und wendete sich so, daß ich auf ihm lag; er nahm sein Szepter nicht heraus aus seinem Futteral, unsere Lider schlössen sich und wir blieben so schlummernd, bis uns ein Jauchzen, Jubeln und ein Gejohle, welches aus dem Saale kam, aus unserer Extase rüttelte. Er selber suchte mir die Maske, die ich in der Zerstreuung vielleicht vergessen hätte, und half sie fest machen, auch meine Kleider lagen auf dem Stuhle, ich bemerkte es nicht einmal, daß man sie mir nachgebracht. Ich kleidete mich an, und Ferry selbst nahm seinen dunkelblauen Domino, in welchen er nun schlüpfte, worauf wir in den Saal traten.

Hier hatte die Orgie angefangen, sich auf ihren Höhepunkt zu schwingen. Man sah nichts als wollüstige Gruppen in allen möglichen Stellungen paarweise, zu dreien, vieren, ja sogar zwei aus noch mehr Personen bestehende.

Von diesen Gruppen waren es nur namentlich drei, die komplizierter waren, als die übrigen. Die eine bestand aus einem Herrn mit sechs Damen; die eine hatte er mit seinem Speere gespießt. Er lag auf dem Rücken, auf einem schmalen Brett, welches auf zwei Stühle gelegt war; auf seiner Brust saß eine zweite Dame, an deren Wollustgrotte er mit seiner Zunge spielte, mit jeder seiner Hände kitzelte er zweier anderer Muscheln und mit den großen Zehen noch zwei; die beiden letzten werden wahrscheinlich am wenigsten Wollust empfunden haben, es geschah nur, um die Gruppe zu vervollständigen, dennoch taten sie so, als ob sie sie gefühlt hätten.

Die zweite Gruppe bildete unsere Venus, sie lag auf einem Herrn, der sie gespießt hatte, während ein anderer sie von hinten bestürmte und seine Rute [232] bereits in die viel engere Öffnung gezwängt hatte, in jeder Hand hielt sie einen Amorpfeil zweier Herren; der Fünfte endlich stand wie ein Koloß von Rhodus auf zwei niederen Stühlen mit ausgespreizten Beinen über dem Kopfe des Ersteren, und sie sog an seinem Amor.

Bei allen fünf Herren, sowie auch bei ihr, geschahen die Entleerungen beinahe gleichzeitig. Es war unter den drei Hauptgruppen die schönste.

Die dritte Gruppe bildeten zwei Damen und ein Herr. Die erste der Damen lag oder saß halb angelehnt an eine Ottomane auf dem Rücken; eine zweite lag an ihrer Brust, die Beine um die Hüften der ersteren geschlungen. Beide hielten einander in wollüstiger Umarmung, sie küßten sich und züngelten. Die zweite hielt ihre Hinterbacken etwas gehoben. Der Herr, ein herkulisch gewachsener Mann, stieß abwechselnd seinen Speer bald in die Wollustgrotte der unten Liegenden, bald in diejenige der Oberen. Ich war neugierig zu sehen, wie er es machen würde, wenn die Krisis über ihn kam. Er war bei dem süßen Spiel sehr besonnen und gerecht. Keine der beiden Frauen erhielt nur einen Stoß mehr als die andere. Endlich nahm ich aus seinem Schnauben wahr, daß der entscheidende Augenblick bei ihm gekommen war, doch auch da verlor er die Besinnung noch nicht und gab der Einen von seinem Nektar so viel wie der Andern. Doch war der erste schnelle Strahl in die Muschel der Oberen gedrungen.

Von den Herren und Damen, die bei diesem allgemeinen Liebeskonzerte mitgewirkt hatten, war keine leer ausgegangen, wiewohl einige eher zum Ziele gelangten als die anderen. Auch hatte keine der Personen weniger als zweimal Liebe genossen. Ferry und ich waren unter den Herren und Damen diejenigen, die sich noch am kräftigsten fühlten.

Von den Frauen waren wir, Venus, ich und die[233] Gräfin Bella, die einzigen, die sich nicht demaskiert hatten.

Ich erfuhr später, wer es gewesen, die die Rolle der Göttin gespielt. Es war eine durch die galanten Abenteuer berühmte Dame, doch selbst sie hatte sich geniert, ihre Maske abzulegen, während Bella ein weiblicher Dämon der Frechheit war. Sie schrie laut: »Kommt her, vögelt mich, seht ihr nicht, daß ich eine Hure bin? Eine gevögelte Hure!« Sie ging zu allen Pensionärinnen unserer Hauswirtin und steckte ihre Zunge in ihre Muscheln oder ließ sich von ihnen in den Mund pissen. Während des Soupers trank sie ein Glas voll davon aus, was ihr ein Herr in dasselbe gepißt hatte. Sie war volltrunken und wälzte sich auf dem Boden. Resi Luft mußte sie endlich nach einem Kabinett und zu Bette bringen lassen, damit sie sich ausschlafen könne. Sie schloß die Tür mit dem Schlüssel hinter ihr ab. Bella aber polterte an der Tür noch lange mit den Füßen, bis sie endlich zu Boden fiel und einschlummerte. Später schickte man ein paar der Pensionärinnen hin, um nachzusehen; sie fanden sie in einer Lache, die sich bei ihr von allen Seiten und durch alle Öffnungen ergossen, und brachten sie zu Bette, wo sie bis nachmittags 4 Uhr schlief.

Das Souper war ziemlich ausgelassen und der vorhergehenden Orgie angemessen. Nach demselben stellten sich noch einige Paare zusammen, um Liebe zu genießen, doch außer Ferry und drei Herren, die in dieser Beziehung noch etwas zu leisten im Stande waren, ließen die übrigen die Köpfe ihrer Ruten hängen und man schritt zur Preisverteilung. Ferry ward zum König der Liebe ausgerufen, nächst ihm kam der Herr, der mit zwei Damen gleichzeitig das Liebesspiel ausgeführt, dann einer, welcher dreimal Wollust genossen und gespendet. Meine Rivalin, die Fürstin O ..., in deren Gesellschaft ich Ferry angetroffen, [234] hatte diesen ganz und für immer verloren. Ich redete ihm zu, wenigstens einmal mit ihr zu machen, was er mich so oft genießen ließ, er wollte aber nicht; doch bewog ich ihn zu einem Liebesspiel mit Venus.

Um 4 Uhr morgens war die Orgie zu Ende. Außer uns beiden, Ferry und mir, Venus und noch ein paar Damen blieben die übrigen im Hause der Madame Luft; sie waren zu betrunken, um sich auf die Straße zu wagen.

Im allgemeinen hatte ich die Bemerkung gemacht, daß die Pensionärinnen unserer Hauswirtin unter all den Bacchantinnen sich noch am anständigsten benahmen, sie ließen sich zu allem, was getan wurde, von den Herren bitten. Vielleicht machte nur Leonie davon eine Ausnahme, und es ging von ihr das Gerücht herum, daß auch sie zur betitelten Aristokratie gehörte, daß sie aus Wien von ihren Eltern durchgegangen war und geradewegs zu Madame Luft kam, um dieses unsichere Metier zu treiben.

Ich fuhr mit Ferry nach meiner Wohnung. Rosa war noch immer munter und ging erst schlafen, als ich sie fortschickte. Ist es notwendig, Ihnen zu sagen, daß für uns beide, für Ferry und mich, der Liebeskrieg damit noch nicht zu Ende war?

12.

[235] XII

Sie werden mir vielleicht zürnen, daß ich in der Erzählung der Abenteuer, die ich in Pest erlebt, zu weitschweifig bin, und mich einer Eingenommenheit für die Ungarn beschuldigen. Wenn Sie aber bedenken wollen, daß es gewisse Dinge gibt, die zu allgemein sind, als daß wir sie auf ein Land oder eine Nation beschränkten, wie die Künste überhaupt – und ich zähle die Liebe, so wie ich sie betrieben, auch zu den freien Künsten – so werden Sie mich vielleicht lossprechen. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß es gegenwärtig in der Welt kein Land gibt, wo man die Kunst zu lieben so versteht, wie in Ungarn. Dieses Land und seine Bewohner mögen in mancherlei Beziehungen hinter den übrigen zurückgeblieben sein, nur in der Kunst das Leben zu genießen – und die Wollust des geschlechtlichen Genusses ist doch das Höchste – halten sie nicht nur Schritt mit Franzosen und Italienern, den größten Meistern darin, sondern sie übertreffen sie sogar.

Sie werden mich auffordern, Ihnen das, was ich hier sage, zu beweisen. Wohlan, ich will es tun, und Sie werden die Segel auch streichen müssen.

Ich machte kurze Zeit, ehe ich diese Briefe an Sie soweit geschrieben, wie sie es sind, die Bekanntschaft eines Herrn, eines Engländers, der die ganze Welt bereist; er machte nämlich seit Jahren nichts anderes als Reisen. Sie mögen sich vorstellen, wie viele Länder man bereisen kann, besonders wenn man nirgends zu lange sich aufhält. Rechnen wir für jedes Land 2–3 Jahre, für die interessanteren mehr, für die übrigen weniger, so werden wir 18 Länder herausbringen, z.B. Österreich, Ungarn, die europäische Türkei, Italien, Spanien, Frankreich, Britannien, Rußland, die skandinavische Halbinsel, [236] Deutschland, den Orient, die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, die Schweiz, Süd-Amerika und Belgien mit den Niederlanden. Ist das genug? Ich glaube ja.

Mein Freund, ich will ihn so nennen, hat sich dort überall herumgetrieben, die zivilisierten Länder besuchte er zweimal. Er kam eben aus Italien und gab mir die Beschreibung eines Pensionates von Venuspriesterinnen in Florenz. Unter den Damen dieser Anstalt gab es drei Ungarinnen. Sie waren unter allen die gesuchtesten, man steigerte ihre Preise von 100 bis zu 500 Francs. Die Vorsteherin der Anstalt sagte, sie wollte diese reformieren, und wenigstens zwei Drittel ihrer Elevinnen müßten Ungarinnen sein. So gab es einige Spanierinnen, Holländerinnen, je eine Serbin und Engländerin, die viel schöner waren, doch keine verstand es, die Männer so zu fesseln wie die Ungarinnen. Ähnlich war es in Paris, in London, in St. Petersburg, in Konstantinopel, in mehreren Residenzen und größeren Städten Deutschlands, überall waren die Ungarinnen am meisten beliebt.

Doch nicht allein die Weiber sind es, die in der Kunst der Liebe die Palme errungen, sondern auch die Jünglinge dieses Landes, denn erstens sind es zumeist Leute von sehr anziehendem Äußeren, zweitens ist ihr Benehmen bei den Damen sehr gewinnend, weil sie so ganz verschieden von allen übrigen Nationalitäten sind, und das Originelle ist es eben, was uns Weiber anzieht, endlich aber sind sie im Liebesspiel unermüdlich und kennen alle Feinheiten desselben, sie lassen alles weg, was übertrieben ist, und eine Frau hat es bei ihnen nicht nötig, sie durch außerordentliche Reizmittel dazu zu bringen.

Glauben Sie aber trotz allem, was ich bis jetzt über die Ungarn und Ungarinnen gesagt, ja nicht, daß ich in meiner Vorliebe für sie ausschließlich bin, [237] ich werde Ihnen auch meine Erlebnisse anderwärts erzählen mit dem Unterschiede, daß die Abenteuer, welche ich eben erlebt habe, mit der Beschreibung ganz neuer Empfindungen zusammenhängen, und so auch eine größere Ausführlichkeit verlangen als die späteren, da sie mir nicht mehr neu waren, und ich also in Wiederholungen mich ergehen müßte, was Sie nur langweilen würde.

Ich kehre jetzt zurück dahin, wo ich geblieben war, zur Erzählung selbst.

Ich teilte meine Genüsse mit zwei Personen; mit Ferry, der mein erklärter Liebhaber wurde, und mit Rosa, die mir eine Abwechslung im Genuß verschaffte, oder, wie sich manche Gelehrte in diesem Fache ausdrücken würden, ich wechselte zwischen homosexuellem und heterosexuellem Genuß.

Ferry gestand mir, daß er die wirkliche Liebe erst bei mir kennengelernt, und daß diese ihn in seinen Ansichten und Grundsätzen wankend gemacht. Er glaubte auch an die Möglichkeit der Treue. Wenn ich ihm ein Wort gesagt hätte, so würde er mich geheiratet haben, ja, er spielte sogar darauf an, daß wir uns ehelich miteinander verbinden sollten. Dies wollte ich aber nicht. Ich fürchtete mich, seine Liebe zu verlieren, wenn ich ihn auch mit anderen Banden als jenen der Liebe fesselte. Ich hielt die Ehe für das Grab der Liebe, obschon ich das Beispiel meiner Eltern vor den Augen hatte, die in ihrer Ehe sehr glücklich waren und meine Vorurteile gegen die Ehe widerlegten, dennoch glaubte ich, ihn länger zu besitzen, wenn die Liebe von gesetzlichen und kirchlichen Bindemitteln nicht profaniert wurde. Ja, ich sagte es heraus, ich hielt die Trauungszeremonie, die Öffentlichkeit, für nichts als eine Profanation. Auch war ich verliebt, mir machte die Verheimlichung ein Vergnügen und erhöhte den Genuß. Ich betrachtete alles, was nicht absolut zur Liebe und zum Genuß [238] gehörte, als störend, und hierin teilte auch Ferry meine Ansichten, trotz dem einmal ausgesprochenen Wunsche, mich auch gesetzlich zu besitzen.

Nur etwas gab es, was mir Angst einflößte, daß ich Mutter werden könnte, weil ich dadurch meine Stellung gefährdet sah. Ich teilte Ferry meine Befürchtungen und meine Verwunderung darüber mit, daß es noch nicht geschehen, da ich bei meiner Liaison mit ihm versäumt hatte, die Vorsichtsmaßregeln zu gebrauchen, die ich bei Marguerite würdigen gelernt, die ich auch während meines Verhältnisses mit dem Fürsten stets angewendet.

»Es gibt auch noch andere Mittel«, sagte Ferry, »obschon es wenig Männer und Frauen gibt, die sie kennen. Eines derselben habe ich zuweilen angewendet, ohne daß Du es gewußt. Nur ein einziges Mal habe ich es nicht getan, damals aber war es nicht mehr notwendig. Wenn Du die verschiedenen Mittel kennen willst, so lies das Buch ›de l'art de faire amour sans crainte‹. (Über die Kunst, die Liebe ohne Furcht zu genießen.) Ich will es Dir geben. Auch Dein Mittel, die Blase Condoms, gehört dazu, doch eben dieses ist nicht immer zuverlässig, sie kann in der Hitze der Aktion durch zu starke Ausdehnung und Reibung platzen, ohne daß es der Mann oder die Frau bemerkt. Beide überlassen sich im Bewußtsein der Sicherheit ihren Empfindungen, und ehe sie sichs versehen, folgt die Empfängnis.«

Er gab mir das Buch und ich las es mit viel Eifer und Aufmerksamkeit. Es war von einem Arzte geschrieben, und da dieses Werk noch viel seltener ist, als alle priapischen Romanzen, sogar seltener als Sades Justine, die sogar zu Robespierres Zeiten von Henkershand verbrannt wurde, doch bald darauf in Holland eine neue Auflage erlebte und neuerdings in Deutschland ebenfalls verlegt wurde, so glaube ich nicht, daß Sie dieses Buch jemals zu Händen [239] bekamen, deswegen will ich Ihnen einige der in demselben angegebenen Mittel nennen.

Der Verfasser verwirft den Gebrauch des Condoms, indem er sagt, daß dabei weder der Mann noch die Frau jenes Vergnügen genössen, wie wenn sie sich in natürlicher Weise begatten. Beide fühlen das Klebrige des Condoms. Selten paßt eine solche Blase genau. Wenn sie zu eng ist, verursacht sie dem Manne einige Schmerzen, zumal oben an der Eichel, wo die männliche Rute am dicksten ist – der Condom aber ist überall von gleicher Breite. Wenn er zu weit ist, so schlottert er und es entstehen Fältchen, die eben so einschneiden, wie wenn ein Haar in die Begattungswerkzeuge gerät. Im ersteren wie im letzteren Falle ist ein Zerplatzen oder Reiben der Blase möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, und der Zweck nicht er reicht; die beiden Liebe genießenden Personen sind vor Empfängnis und vor Ansteckung nicht gesichert. Endlich aber ist das Herausziehen der schleimigen Blase nach stattgefundenem Beischlaf, wenn bei beiden ein nicht so leicht unterdrückbares Gefühl der Abspannung und des Ekels eintritt, eine etwas peinliche und unangenehme Beschäftigung.

Weiter spricht der Verfasser davon, daß unter tausend Fällen es kaum einen gibt, daß eine Frau empfange, wenn der Mann von hinten und stehend sie begatte, weil der Kopf der Rute nicht genau gegenüber dem Hintermunde sich befindet, mithin ergießt sich der Samen in die Scheide, nicht aber in die kleine Öffnung des Muttermundes, welcher, wenn dem Weibe der Wollustsaft entströmt, sich ausdehnt.

Als ich auf diese Stelle kam, erinnerte ich mich eines Umstandes, der mir sonst nicht aufgefallen wäre, daß ich mit Ferry gewöhnlich, ja ich möchte sagen immer, in dieser Stellung Liebe genossen. Tat er es vorsätzlich?

Wenn es auch geschah, daß er sich auf mich setzte[240] und mich von vorn bestürmte, so geschah dies erst, nachdem wir ein- oder zweimal von hinten das Spiel begonnen. Auch das bewies mir, wie sehr er für mich von Anfang an besorgt war.

Daß die Entströmung des männlichen Samens dadurch, daß der Mann gleich darauf die Säfte seiner Urinblase folgen läßt, keine Empfängnis bei der Frau gestattet, das ahnte ich wohl. Ich erinnerte mich auch daran, daß Ferry, obschon er mich zum ersten Male von hinten mit seinem Freudengeber besuchte, der Stellung doch nicht so ganz unbedingt Zutrauen schenkte, denn er wandte auch dieses andere Mittel an, welches aber bei mir den Reiz erhöhte, er tat es nicht nur damals, sondern auch sonst öfter.

Ferner spricht der Verfasser davon, daß zur Bereitung des Samens eine gewisse Zeit gehört, damit er befruchtend wirke, es könne in seltenen Fällen geschehen, daß die Befruchtung bei der zweiten Samenentleerung des Mannes stattfindet, doch bei dem dritten oder gar vierten Wollustspiel nie mehr.

Er unterscheidet das Sperma des Mannes vom Samen und behauptet, daß es zwischen dem Sperma des Mannes und des Weibes keinen Unterschied gibt, daß es nicht der Samen ist, der die Wollust verursacht, sondern das Sperma, denn wenn es anders wäre, so würde das Weib, welches keinen Samen besitzt, nicht eine ebenso große Wollust empfinden wie der Mann, was aber durchaus nicht so ist, ja, es wird behauptet, daß die Wollust des Weibes diejenige des Mannes bei weitem übertrifft, und daß sie auch eine öftere ist, weil sie keinen Samen hat. Die weitere Erklärung war aber so gelehrt gehalten, daß sie mir auch nicht ganz verständlich war. Sie erinnern sich viel leicht, daß ich mit Ihnen schon einmal darüber gesprochen, obschon ich damals von diesem Buche nichts erwähnt (ich hatte später mehrere ähnliche, namentlich Klinkosch und Benette, gelesen [241] und erinnerte mich vielleicht nicht, welcher der drei Autoren über dieses Thema spricht, weil es vielerlei gab, in welchem alle übereinstimmen, und ich mochte es vergessen haben); doch auch aus Ihren Antworten entnahm ich soviel, daß der Mann bei mehreren nach einander folgenden Begattungen keinen Samen mehr besitzt, daher käme es, daß bei Völkern, welche weniger feurig und geil sind, die Vermehrung größer ist, wie bei hitzigeren – die Ungarn, Franzosen, Italiener, Spanier, Orientalen und Südslaven vermehren sich nicht so schnell und in so großer Zahl, wie die nüchternen Nordländer, namentlich unsere Landleute – und daß die Vermehrung sich im ehelichen Leben viel mehr zeigt, namentlich unter den ärmeren Volksklassen, als in sogenannter wilder Ehe oder im Konkubinat und unter der Aristokratie.

Unter den Mitteln, die der Verfasser des Buches als die sichersten erwähnte, befand sich auch eins, von welchem er sagt, daß es nichts anderes sei, als inwendig kochen und auswendig anrichten, daß nämlich der Mann, wenn er die Krisis kommen fühlt, seinen Pfeil aus dem Köcher herauszieht und seinen Samen auf dem Bauche oder auf den Schenkeln der Frau verspritze. Ich glaube kaum, daß ein Mann seiner so sehr Herr sein könnte, um dies immer auszuführen. Außerdem fällt dabei der höchste Genuß sowohl bei dem einen wie bei der anderen weg. Ist nicht eben jener freilich gefährliche, doch äußerst wollüstig elektrische Funke, welcher während der Samenentleerung ins Innere bis ans Herz der Frau dringt, das Ziel, wonach die Liebenden streben? Ich würde einen Mann, der mir dies angetan hätte, gehaßt haben.

Ich erinnere mich noch zweier Vorbeugungsmittel, die sehr einfach waren, und die ich anstatt der Condoms, welche ich niemals wieder anwendete, weil ich wirklich fand, daß der Genuß durch sie einen [242] Abbruch erlitt, stets anzuwenden für gut fand, das eine war die silberne Kugel, das andere der Badeschwamm.

Eine silberne Kugel, nicht hohl, sondern massiv, mit einem kleinen angelöteten Ringe versehen, durch welchen ein Kautschukfädchen gezogen werden kann; die Kugel selbst von der Größe einer sehr großen Haselnuß, wird in die Liebesgrotte gesteckt, so daß sie durch ihre Schwere gerade hinabfällt und den Muttermund bedeckt, so daß der männliche Samen nicht in diese Öffnung dringen kann. Dieses Präservativmittel ist bei weitem weniger ungelegen als der Condom, ja, es steigert zuweilen die Wollust, denn wenn er sich so wendet, daß der Ring, durch welchen die Kautschukschnur gezogen ist, den Muttermund berührt und vom Amorpfeil gestoßen wird, so ist der Kitzel sehr angenehm; es ist freilich möglich, daß diese Kugel gerade im Augenblick der Samenentleerung vom Amorpfeil verrückt wird, dann nützt es freilich nichts; je schwerer und glatter aber die Kugel ist, desto geringer ist die Gefahr des Verrückens; das Schnürchen hängt weit genug heraus, daß man die Kugel leicht herausziehen und abtrocknen kann.

Ähnlich diesem Mittel ist die Anwendung eines Badeschwammes. Derselbe muß groß genug sein, um alle Räume des weiblichen Wollusttempels ganz auszufüllen, damit er nicht verschoben werden könne, er braucht aber auch nicht sehr dick zu sein, deshalb schneidet man ihn der Breite nach entzwei, so daß er nicht dicker ist als etwa ein Drittel- oder ein Viertelzoll. Hierbei ist keine Befruchtung der Frau möglich, weil der Schwamm den männlichen Samen gleich einsaugt, so daß der Muttermund höchstens etwas angefeuchtet wird, doch nichts in den Empfängniskanal spritzen kann.

Diese beiden Mittel sind namentlich dann gut,[243] wenn die Rute des Mannes nicht lang genug ist, um an den Muttermund zu stoßen, und das weibliche Innere träge im Hintergrunde bleibt, denn da der Schwamm durch die Stöße des männlichen Gliedes jedenfalls berührt wird, so teilt sich diese Berührung den empfindlichsten Teilen im Innern der Wollustgrotte mit, und man kann überdies die Fläche des Schwammes, welche an den Muttermund anliegt, etwas rauh machen durch getrockneten Leim oder Siegellack.

Das erinnerte mich an eine Dame, die keinen Mann finden konnte, der sie vollkommen befriedigte. Ein Offizier hatte sich einen Kranz aus hartem Kautschuk mit einer Menge Einschnitte gemacht, den er um die Eichel seines Amorpfeiles steckte, so daß der Kranz von der Vorhaut so bedeckt war, daß es die Dame nicht sehen konnte, außer sie streifte die Haut ganz hinab. Sie war aber keine Frau, die viel Umstände machte; die vorläufigen Tändeleien hatten für sie keinen Wert, sie verlangte gleich nach der Hauptsache. Der Offizier drang mit seinem verpalissadierten Amor in ihre Höhle, und die zu Stacheln geschnittenen Rauhheiten des Kautschukkranzes rieben sie inwendig so auf, daß sie davon blutete, doch war auch der Genuß, wenngleich etwas schmerzhaft, so groß, daß sie die Schmerzen nicht beachtete. Doch konnte sie dieses Mittel nur selten benutzen, denn sie mußte Charpie auflegen, um die aufgeriebenen Teile zu heilen.

Nach diesen Präservativmitteln gab es in dem Buche eine Menge Mittel zur Abtreibung der Frucht, wenn entweder die Präservativmittel versäumt wurden oder nicht genützt hatten, was bei einigen, namentlich dem Condom, bei der Begattung von hinten oder durch das Verrücken der silbernen Kugel, geschehen konnte; diese werden Sie aber wahrscheinlich alle kennen. In Ungarn ist unter diesen Mitteln das [244] bekannteste und am öftesten angewandte: das Decoct der Nadeln des Säbenbaumes (ich glaube es heißt juniperes sabin). Es gibt keine Bäuerin, die es nicht kennt. Es soll aber äußerst schädlich sein, ja wie man mir erzählte, sollen damit Vergiftungen geschehen sein.

Ich kehre jetzt nach diesen Abschweifungen zu meinen Erlebnissen zurück. Durch die Anwendung der beiden zuletzt genannten Präservativmittel kühn gemacht, ergab ich mich den Genüssen der Liebe; doch da ich keinen Mann fand, den ich so liebte wie Ferry, so blieb mein guter Ruf ungefährdet, da Ferry sehr vorsichtig war, so daß unser Liebesverhältnis vor aller Welt ein Geheimnis blieb.

Am schlimmsten fuhr dabei Rosa, denn Ferry ließ ihr von mir nichts übrig, nur sehr selten geschah es, daß er eine Nacht wegblieb und ich das arme Mädchen zu mir nahm. Ich fühlte Mitleid für sie. Da ich niemals eifersüchtig gewesen, denn ich fing ja die Liebesgenüsse mit Männern so an, daß ich sie teilen mußte, so war mir das Gefühl der Eifersucht ganz fremd geblieben. Ich dachte darüber nach, ob es mir nicht viel Genuß verschaffte, wenn ich sie in den Armen Ferrys Liebe genießen sehe. Die Entjungferung durch das Godemichette war eigentlich keine vollständige. Es geschah bei ihr sogar das Wunder, daß das Jungfernhäutchen neu entstand. Sie werden das als Arzt leugnen und mir sagen, es sei unmöglich. Ich kann Ihnen darauf nichts anderes antworten, als daß ich, einige Monate nach Beginn meines Liebesverhältnisses mit Ferry, Rosa eines Abends an der gewissen Stelle, dem Sitze der Wollust, berührte, und als ich meinen Finger zwischen die Lefzen in ihre Muschel steckte, auf Widerstand stieß. Ich ließ sie sich niederlegen, ihre Liebesgrotte dem Lichte zugewandt; sie spreizte ihre Schenkel weit auseinander, und ich untersuchte den Eingang. Ich sah nur [245] eine ganz runde Öffnung, an den Wänden wenig elastisch, ganz so wie ich das Jungfernhäutchen im anatomischen Museum, welches während des Josephinenmarktes zu Pest aufgestellt worden war, gesehen hatte. Als Laie will ich nicht behaupten, was ich nicht im Stande bin unumstößlich zu beweisen.

Ich fragte Rosa, ob sie zufrieden wäre mit solch einem Geliebten wie Ferry; sie entgegnete, sie wünschte niemals einen Mann zu besitzen, so lange sie mich habe. Endlich sagte sie, wenn sie sich jetzt entschlösse ihre Jungfernschaft einem Manne zum Opfer zu bringen, so täte sie es nur, wenn ich darauf bestände. Ferry wäre ihr auch nicht lieber als jeder andere, den ich ihr aufoktroyierte.

Sehr wenige Weiber gibt es, die den Genuß kennen, ein Liebespaar in vollem Genuß der Begattung anzusehen, so wie es unter den Männern nur einige gibt, die nicht einen Ekel vor einer Frau fühlen, die sie geliebt, und von der sie betrogen wurden. Zu diesen seltenen Ausnahmen gehörten wir, Ferry und ich.

Er hatte mir sehr oft zugeredet, in seiner Gegenwart mit einem anderen Manne Wollust zu genießen, ich wollte es die längste Zeit nicht tun. Ich muß gestehen, daß ich anfangs dem unwürdigen Verdachte Raum gab, Ferry forderte es, um einen Vorwand zu haben, mich im Stiche zu lassen; es schien mir gar unnatürlich, daß er davon ein Vergnügen haben sollte. Er berief sich auf mehrere historische Beispiele, namentlich auf jenes des berühmten venezianischen Kriegshelden Gatta Melatta, der mit seiner Gattin nur dann zum Beischlaf gereizt wurde, wenn sie vorher mit einem anderen Manne Liebe genoß. Endlich schlössen wir miteinander einen Vertrag. Er sollte der Rosa in der Liebe Unterricht geben, und ich würde dann auch dasselbe mit einem jungen Manne tun.

[246] Es war nicht so leicht, wie ich mir anfangs dachte, Rosa dazu zu bringen, daß sie einwilligte. Sie fiel mir um den Hals und weinte; sie sagte, ich liebte sie nicht mehr. Ich griff ihr unter den Rock, spielte an ihrer Spalte, küßte und züngelte sie, sog an den Wärzchen ihrer Brüste, die nicht größer, aber gewiß so hart und elastisch waren wie eine Apfelsine. Endlich brachte ich sie ins Feuer, daß ihr Atem immer kürzer wurde; Ferry half mir, sie zu entkleiden, bis sie ganz nackt vor uns stand. Ferry umarmte sie, sein Amorpfeil stieß an ihre Grotte, und ich sah, wie diese ein wenig zu schäumen anfing. Dies war der günstigste Moment. Ferry trug sie auf das Bett, legte eines der Kissen unter ihren Hintern, sie spreizte unwillkürlich ihre Schenkel auseinander, und er legte sich zwischen dieselben. Alle ihre Muskeln bebten und sie schloß ihre Lider. Die kleine Schelmin, sie wollte es nicht gestehen, wie sehr sie nach Genuß lechzte! Ich kniete auf ihrem Kopfkissen, so daß ihr Kopf gerade unter meinem Bauch und zwischen meinen Beinen lag, sie drückte mich mit der Linken an sich, mit der Rechten umarmte sie Ferry, dem ich meinen Hintern zuwandte, so daß er gleichzeitig auch mit seiner Zunge an meiner Wollustgrotte spielen konnte, ebenso auch Rosa. Es war ein außerordentlich wollüstiges Gefühl für mich, dieses doppelte Zungenspiel, Ferry unten, Rosa am Kitzler. Als er bei ihr das neuangewachsene Jungfernhäutchen sprengte, sog sie eben an meinen Schamlefzen; ich weiß nicht ob es aus Wollust oder Schmerz geschah, aber sie biß darein. Selbst dieser Schmerz war wollüstig, und sowohl Rosa wie ich konnten uns nicht enthalten, in Worten unseren Gefühlen Luft zu machen, nur Ferry blieb stumm. Bei manchem Menschen pressen die Leidenschaften und Gefühle Worte heraus. Andere machen sie stumm.

Rosa bewegte sich unter Ferry so stark, daß er[247] Mühe hatte, sich so zu halten, daß er im Besitz ihrer Wollustgrotte blieb; sie hob ihn beinahe in die Höhe. Anfangs war es ein leises Wimmern, welches sie hören ließ, dann ging es über in wollüstiges Stöhnen und eine Art Girren, wie man es bei den Täubchen hört. Ich glaubte, sie wollte ihn ganz in sich hineinstoßen, so sehr drückte sie ihn an sich. Der doppelte Zungenkitzel an meiner Wollustspalte war so groß, daß er nicht nur auf die Wollustkanäle, sondern auch auf meine Wasserblase wirkte, um so mehr, als ich während des Soupers viel Selterwasser und Champagner getrunken hatte, und daß sie mich übersprudelte. Rosa und Ferry teilten sich in diesen schäumenden Erguß und er wirkte auf beide sympathisch, denn auch ihnen entströmten die heißen Säfte, so daß wir in einer ungeheuren Lache lagen; das Wasser sickerte durch alle Bettücher. Dies steigerte bei uns den Genuß und es erfolgte eine reichliche wollüstige Entleerung unserer Begattungsorgane, die dem ersten Erguß nicht viel nachstand. Wir lagen nun aufeinander und ineinander verschlungen, die duftenden, wollüstig heißen Körper dampften und ich vergrub meine Nase unter den Achseln Rosas, ich war berauschter, als wenn ich noch so viel getrunken hätte. Es war die wollüstige Ohnmacht, welche nicht enden zu wollen schien.

Endlich erholten wir uns und verließen das ganz durchweichte nasse Bett. Ferry hatte mir geraten, ein Bad zu nehmen, und wir gingen nach meinem Badekabinette, wo eine große Kufe stand. Ich hatte mir diesen Luxus in Pest angewöhnt, damit ich zu jeder Stunde des Tages baden konnte. Die Kufe ward erst gefüllt, als wir uns ins Bett legten; das Wasser war also noch ganz warm. Wir stiegen hinein und fühlten uns wie verjüngt durch das Bad.

Ferry war ein Meister im Genuß, er kannte alle Mittel, um denselben zu erhöhen. Als wir das Wasser[248] verließen, wollten Rosa und ich uns abtrocknen, er aber sagte, wir wollten es nicht tun, sondern uns mit Seife einreiben, dann mit Öl, so daß unsere Körper glatt und schlüpfrig waren, wie die der Aale. Er hieß mich, meinen Oberkörper über die Kufe beugen und hob Rosa hinauf auf seine Schultern, so daß sie halb auf ihm saß mit dem Gesichte ihm zu gewendet. Er sog an ihrer Wollustgrotte, während er mich von hinten angriff und zwar in einer Weise, wie es die Päderasten tun, denn er stieß seinen Speer nicht in meine Wollustgrotte, sondern in die hintere nachbarliche Öffnung. Er hatte die Wände derselben so eingeölt, daß er leichter hineinkam, als ich gedacht; doch verursachte er mir anfangs Schmerzen. Ich hatte dies noch niemals versucht und biß meine Zähne zusammen. Während dieser Einnahme der hinteren Befestigung spielte er mit beiden Händen an meiner vorderen Spalte und steckte drei Finger der linken Hand hinein. Ich fühlte, wie seine Finger in meinem Innern herumwühlten, und sein Amorpfeil nur durch eine dünne, schleimige Haut von seinen Fingern getrennt war. Auch ich fühlte diese Berührung, und die Wollust paarte sich bald mit dem Schmerze, so daß auch dieser sehr wonnig war. Er ließ jetzt Rosa hinabgleiten, so daß sie sich nur mit ihren Waden und Füßen, die sie auf ihren Schultern kreuzte, an mir festhielt, während ihr Wollusttempel gerade auf meinen Mund kam. Ich steckte den Finger der linken Hand in ihren Mastdarm; mit dem der rechten Hand spielte ich oben an ihrem Kitzler, während ich meine Zunge, so tief ich es vermochte, in ihre Wollustgrotte steckte. Ich kann dieses Spiel nicht anders als großartig in seiner Art nennen. Die drei geölten, glatten, heißen Körper schienen ineinander verschmelzen zu wollen. Die Krise kam uns gleichzeitig; doch hätte sie viel eher kommen können, wenn Ferry seine Besinnung verloren [249] hätte, er aber wollte den Genuß verlängern und hielt mehrere Male an, zog sogar seinen Pfeil aus dem Köcher und kniete nieder, um mit seiner Zunge dort zu spielen, wo er so grausam gehaust. Bei jedem neuen Angriff fühlte ich anfangs dieselben Schmerzen, und dann auch die gleiche Wonne wie zum ersten Male. So machte er es viermal, bis wir alle drei zitterten und bebten vor Wonne. Bei Rosa war die Wollustquelle zweimal übergesprudelt, und beide Male verschlang ich den milchweißen Saft mit Gier. Ich bedauerte, daß es nicht in ihrer Macht lag, diesen Erguß bis ins Unendliche zu verlängern; ich würde ihn hintergeschlürft haben, wie der Säugling die Milch seiner Mutter. Endlich fühlte ich den heißen Wolluststrom Ferrys, wie er sich in meinem Innern ergoß, gleichzeitig aber durchrieselte es mich kalt wie Aprilschauer, und seine Finger waren gebadet in der Milch, die aus meinem Innern herausströmte in dicken Strahlen; er führte seine Hand an die Lippen und trank, was er gesammelt hatte, so wie ich dasjenige schlürfte, was mir Rosa aus ihrem Wollustbecher reichte.

Nach diesem zweiten Wollustspiele, welches ich bis an mein Lebensende nicht vergessen werde, denn ich erinnere mich, niemals weder früher noch später, eine solche Wollust gefühlt zu haben, legten wir uns zu Bette, und zwar diesmal in dasjenige Rosas, da das meinige ganz naß war. Ferry lag zwischen uns und wir drückten ihn von beiden Seiten an uns.

Ich begreife seit jener Nacht die Eifersucht der Weiber noch viel weniger, als ich sie sonst begriffen, ja, mir erscheint es viel vernunftgemäßer und natürlicher, daß es nicht so sein soll, als es in der zivilisierten Welt geschieht. Der Genuß wird ja dadurch nur erhöht, und man darf doch die Begattung und die Wollust nicht als etwas betrachten, was uns von der Natur zugewiesen, auf daß sich die menschliche[250] Rasse vermehre. Ja, ich glaube, daß der Zweck nicht die Vermehrung, sondern die Wollust ist. Doch, ich will darüber keine Worte verlieren; ich befürchte, mit den Philosophen und Staatsökonomen darüber in Streit zu geraten. Für gewiß aber halte ich es, daß die Natur deshalb diese wollüstigen Empfindungen dem Menschen geschenkt hat, damit das Weib für die vielfältigen Schmerzen, die dem Genüsse folgten, einigermaßen schadlos gehalten werde.

Schon am nächsten Tage mahnte mich Ferry an die Erfüllung meines Versprechens. Er sagte, er bürge mir dafür, daß es niemand erfahren würde; doch ich müßte mich entschließen, eine kleine Reise zu machen. Er sagte nicht wohin.

Es war im Frühjahr; das Wetter konnte nicht schöner sein, als er mir eröffnete, daß wir am nächsten Morgen Pest verlassen würden. Er blieb den ganzen Tag bei mir; er hatte überall seine Abschiedsvisiten gemacht und man glaubte, er habe Pest schon vor drei Tagen verlassen.

Er sagte, dies geschehe, damit niemand wisse, wir seien miteinander fort. Die Zeit meines einmonatigen Urlaubs war gekommen; ich wollte in Preßburg, Prag und auf der Rückreise in Wien einige Gastrollen geben, und im Juli nach Pest zurückkehren.

Wir verließen Pest an einem Sonntage um 2 Uhr nach Mitternacht. Wir benutzten weder das Dampfboot, noch die Eisenbahn, sondern fuhren auf dem Wagen Ferrys mit der Schnell- oder Bauernpost und trafen um 8 Uhr – beinahe zehn Meilen entfernt – in Reßmely ein, kamen nach Igmand und dann immer weiter in südwestlicher Richtung, so daß wir zu Mittag in dem berüchtigten Bakonyerwalde ankamen. Hier kehrten wir in einer Schenke ein, welche inmitten des Waldes liegt. Das Mittagsmahl war für uns schon bestellt. Einige Männer mit verdächtigen Gesichtern befanden sich im Hofe und in der Gaststube; [251] sie waren bewaffnet mit Flinten, Pistolen und Beilstöcken. Ich hielt sie für Räuber, und es war mir ziemlich unheimlich zumute. Ferry unterhielt sich mit ihnen in ungarischer Sprache. Ich fragte ihn, wer diese Leute seien; er sagte mir, es seien arme Kerle, was gleichbedeutend mit Räubern ist. Er fügte hinzu, ich habe nichts von ihnen zu befürchten, ich würde mich sogar mit ihnen befreunden. Nachmittags, als wir in die Kalesche stiegen, ritten fünf dieser Menschen vor und neben uns her, einige von ihnen waren fortgegangen, ehe wir aufbrachen.

13.

[252] XIII

Die Reise im Walde ging nicht mehr so schnell wie bisher. Es gab Stellen, wo die Wege sehr schlecht waren, und ich hielt es für besser, auszusteigen. Endlich hielten wir im dichten Walde. Ferry lud mich zu einem Spaziergange ein, und der Wagen fuhr nach einem Gebäude, welches ganz das Aussehen einer Dorf schenke hatte; auch die Räuber gingen vor uns und bogen die Zweige um, damit wir bequem hindurch kommen konnten. Nach einer Stunde Lustwandelns im duftigen Walde kamen uns zwei Männer entgegen, der eine ein Mann von etwa 32–35 Jahren, eine wahre Herkulesgestalt, mit wildem Ausdruck im Gesichte, doch mit regelmäßigen Zügen, und ein Jüngling von etwa 20 Jahren, ein wahrer Adonis von Schönheit. Beide gehörten zu dieser Räuberbande. Ferry stellte sie mir vor, dann wandte er sich zu mir und sagte, diese beiden würden es sein, mit denen ich Liebe genießen sollte, ich habe nichts zu befürchten, denn diese Leute kennten mich nicht und kämen mit der Außenwelt nur in einer gewissen Weise in Berührung, wenn sie Reisende plünderten. Ich wunderte mich nicht wenig darüber, wie höflich und zart sie mich behandelten. In einer Lichtung hielten wir. Ein ziemlich breiter und tiefer Bach ringelte sich durch den Wald, und Ferry bezeichnete diesen Platz als denjenigen, wo ich mich den Umarmungen der beiden Räuber hingeben sollte. Der Herkules hatte bald seine Kleidung von sich geworfen, der Jüngling errötete und schien ein wenig zu zaudern, doch als ihm Ferry in peremptorischem Tone gesagt hatte, es müßte geschehen, folgte er dem Beispiele seines Kameraden. Während er sich langsam entkleidete, sagte mir Ferry, ich sollte mich meinen Empfindungen und den Eindrücken hingeben, die diese beiden Männer auf mich[253] machten; je ausgelassener ich sein würde, je mehr ich zeigte, daß ich sie liebe, desto angenehmer wäre es ihm, und ich sollte mich entkleiden. Ich kannte seine Gedanken so genau, als ob ich sie gelesen hätte. Ich schloß nach meinen eigenen Gefühlen und fand es natürlich, daß es ihm gefallen würde, wenn ich recht ausgelassen sein wollte. Ich nahm mir also vor, ihn ganz glücklich zu machen durch mein freches Benehmen. Ich rief die beiden nackten Männer herbei und sagte ihnen, sie sollten mich entkleiden. Ich zog sie bei ihren Amorpfeilen zu mir. Derjenige des Jünglings, welcher ganz schlaff herabhing, verwandelte sich in dem Augenblicke, in welchem ich ihn berührte, aus einem unscheinbaren Pilz in einen Eichenast, er bäumte sich bis über seinen Nabel, derjenige des Riesen war schon steif und groß, als er seine Beinkleider von sich warf. Als ich auch nackt war, nahm ich den Speer des Jünglings in meinen Mund und kitzelte an dem kleinen Munde seines Amorkopfes, kaum war ich aber mit meiner Zunge daran gekommen, als eine Entladung erfolgte, die so heiß in meinen Mund spritzte und ihn ganz füllte, daß ich schnell schlucken mußte, damit ich ja keinen Tropfen verlor. Gleich darauf packte mich der Riese an den Hüften, zog mich herauf zu sich, so daß meine Hinterbacken an seinem Bauche lagen, sein Speer fand sich, ohne daß er ihm mit der Hand eine Richtung zu geben brauchte, in meine Muschel, und ich glaubte, er würde mir bis zum Herzen dringen; seine Stöße waren langsam, abgemessen und kräftig, bei jedem glaubte ich ihn Ohnmacht fallen zu müssen. Ich ließ aber den entleerten Pfeil des Jünglings nicht fahren, sondern hielt ihn fest an mich gedrückt und sog an ihm, bis er sich wieder hob.

»Schmeckt es Dir?« fragte mich Ferry, der sich noch nicht entkleidet hatte.

[254] Da ich den Amor Kalmans – so hieß der junge Räuber, im Munde hatte, konnte ich nur mit meinen Augen antworten, und diese waren, ich fühlte es, ganz verdreht vor Wollust, denn schon öffneten sich bei mir die Schleusen, und ich überschwemmte den Riesenpfeil meines Riesen mit dem Nektar aus dem Urquell des höchsten Vergnügens, er aber hielt noch immer nicht an und stieß ohne Ermatten. Unser Wollustspiel währte eine starke halbe Stunde, ehe auch er die Krise bei sich herannahen fühlte.

»Daß Du ihr ja kein Kind machst«, rief ihm Ferry lachend zu.

»Seien Sie unbesorgt, dort, wo ich enden will, empfängt ein Frauenzimmer nicht.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als sein Pfeil aus meiner Muschel herausglitt, und ich glaubte, vor Schmerz zu vergehen, als er in der Nachbarschaft oben in meinen Mastdarm eindrang. Er gab mir aber nur zwei Stöße, und ich fühlte seinen Nierensaft dort hineinspritzen. Es währte beinahe eine Minute, bis der Erguß ein Ende nahm, und er entschädigte sich für seine lange Arbeit reichlich. Dann aber zog er seinen Pfeil heraus, und ich sah, daß dieser ganz blutig war. Es war mein Blut, denn er hatte mich ganz aufgerissen, so daß ich weder sitzen noch stehen, noch viel weniger gehen konnte. Er trug mich nach dem Bach und wusch mit seinen Fingern die Wunde aus. Nach und nach fühlte ich etwas Erleichterung, doch ich war unfähig zu gehen, und es tat mir leid um den schönen, jungen Burschen, dem ich kein Vergnügen gewähren konnte, außer mit der Zunge.

Ich saß über eine Stunde im Wasser, dann hob mich der Riese heraus, und alle drei Männer halfen mir beim Ankleiden. Sie trugen mich dann nach einer Hütte, wo ich mich zu Bette legte und auch meine Mahlzeit erhielt.

[255] Was soll ich Ihnen von den drei Tagen erzählen, die ich im Walde zubrachte? Es war eine Ferienzeit für Ferry. Jeden Tag wechselte ich mit meinen Liebhabern, es waren neun Räuber. Am dritten Tage hielten wir eine große Orgie, mehrere Bäuerinnen, Mädchen und Frauen kamen dahin, und wir feierten solche Saturnalien, daß es Agrippina nicht mehr tun konnte. Diese Bäuerinnen waren in Liebesspielen ebenso geschickt, so erfinderisch, wie die Damen der Pester Aristokratie, und die letzteren hätten von ihnen so manches lernen können.

Während meiner Urlaubszeit war ich im Genuß mäßiger geworden, nur Rosa begleitete mich überall hin. Ferry verließ mich nicht ohne zärtlichen Abschied. Es war die höchste Zeit, daß ich wieder Kräfte sammelte, denn die Ausschweifungen würden mich zugrunde gerichtet haben.

Von den übrigen zwei Jahren, die ich noch in Pest zubrachte, sowie von meinem einjährigen Engagement in Prag will ich Ihnen nichts sagen. Ich lernte die Richtigkeit des französischen Sprichwortes »Ni jamais, ni toujours, c'est la devise des amours« (weder nie, noch immerfort, dies ist der Liebe Losungswort) zu würdigen.

Ich hatte mein 27. Lebensjahr erreicht, meine beiden Eltern, derentwillen ich sparte, waren in einem kurzen Zeitraum von einer Woche dahingerafft worden. Ich stand sozusagen allein auf der Welt, die meisten meiner Verwandten hatte ich verloren, ehe ich zum Theater kam. Die Tante, bei der ich in Wien gewohnt, hielt es noch am längsten aus, sie starb ein Jahr, nachdem ich Pest verlassen, die jüngeren, meistens weitläufigen Verwandten, hatten mich niemals sehr interessiert. Jener Cousin, von dem ich Ihnen einmal gesprochen, war in Militärdienste getreten, er hatte die ehrenhafte Gewohnheit, die ihn als unmündigen Knaben besessen, zwar [256] ganz aufgegeben, ward aber zu einem solchen Wüstling, daß man nicht zweifeln konnte, er würde sich durch seine Ausschweifungen zugrunde richten. Ich selbst hatte einerseits viel Glück, andererseits aber trafen mich viele harte Schläge. Noch während meiner Anwesenheit in Pest verlor ich zwei meiner ersten Liebhaber, Arpad H ..., welcher eine Anstellung bei der Gesellschaft in Konstantinopel erhielt, und Ferry, der nach Amerika auswanderte. Ehe er diesen Schritt tat, der ein gezwungener war, schrieb er mir noch einen langen zärtlichen Brief, in welchem er mich seiner unwandelbaren ewigen Liebe versicherte. Er schrieb mir, wenn ich nach Amerika kommen wollte, würde er mich heiraten, doch dürfte er nicht in Europa bleiben, weil er dabei sein Leben aufs Spiel setzte. Die Räuberbande, deren Mitglieder meine Liebe genossen hatten, wurde gefangen, der Herkules und der schöne Jüngling endeten am Galgen. Mir blieb niemand als Rosa, die mich an die wonnigen Zeiten erinnerte, die ich in Pest zugebracht.

Ich will Ihnen von meiner künstlerischen Karriere nicht sprechen, diese wird Sie wohl wenig interessieren; um sie zu kennen, brauchten Sie nur die Journale gelesen zu haben, was Sie gewiß getan.

In einer der kommerziellen Städte Deutschlands wurde ich mit einem italienischen Impresario bekannt, der hier durchreiste und mich in einem Konzerte und in einer Oper singen gehört hatte. Er besuchte mich in meiner Wohnung und machte mir den Vorschlag, ich möchte nach Italien kommen. Ich sprach vollkommen italienisch; er meinte, mir fehlte dazu, daß ich mit den italienischen Sängerinnen um die Palme des Vorranges streiten könnte, nichts anderes als die Praxis, um auf so kolossalen Bühnen wie San Fenice, La Scala und San Charlo aufzutreten, und wenn ich in Italien gefiele, dann wäre mein [257] Glück für immer begründet. Vor allem sollte ich am Pergolatheater in Florenz auftreten, hierdurch würde ich mir den Weg nicht nur zu allen Theatern Italiens, sondern der ganzen Welt bahnen. Ich zögerte nicht lange, sondern schloß mit ihm einen Kontrakt auf zwei Jahre ab und erhielt eine Gage von 30000 Francs und zwei Benefizvorstellungen.

In Italien hatte ich für meinen Ruf weniger zu befürchten, als an den Plätzen, wo ich bis jetzt gesungen. In Italien kümmert sich niemand um die Aufführung einer unverheirateten Frau. Die gewisse Tugend, auf welche man im übrigen Europa so viel hält, hat gar keinen Wert, man fordert sie noch eher von einer verheirateten Person, als von einem Mädchen. Ich finde das sehr vernünftig, und wenn eine Dame, die schon die Liebe in allen Nüancierungen genossen, heiraten will, sind die Italiener nicht so vorurteilsvoll, um ihr Vorleben in Anschlag zu bringen. Es gibt vielleicht keinen einzigen Mann, der darauf zählte, eine Jungfrau zur Gattin zu erhalten, wenn sie mehr als 15 Jahre ist.

In meinem 27. Jahre hatte ich erst den Höhepunkt meiner Schönheit erreicht. Alle diejenigen, die mich gekannt, als ich nach Wien und später nach Frankfurt gekommen, versicherten mir, daß ich unvergleichlich schöner sei, als ich gewesen, und man hielt mich nicht für älter als 20–22 Jahre.

Ich hatte eine kräftige, unverwüstliche Natur. Trotz meines feurigen Temperamentes besaß ich die Kraft, meine Begierden zu zügeln, wenn ich sah, daß meine Gesundheit von den Genüssen der liebe angegriffen wurde. So gut ich in Frankfurt während zweier Jahre vollkommen keusch blieb, so tat ich es auch später, nachdem ich Pest verlassen. Sogar in meinen homosexuellen Genüssen mit Rosa ward ich mäßiger, und sie forderte mich niemals dazu auf. Es schien mir beinahe, als hätten sich meine Gefühle [258] ihr mitgeteilt, etwa so wie es bei dem siamesischen Zwillingspaare der Fall sein soll. Ich führte stets ein Tagebuch. Wie wäre es anders möglich, daß ich Ihnen so genau meine Lebensbeschreibung mitteilen konnte, wenn ich das nicht getan hätte? Indem ich darin nachschlage, finde ich, daß ich nach meiner Liaison mit Ferry, welche nur 10 Monate währte, in den folgenden 5 Jahren mit Rosa nicht öfter als 62 Mal den Genuß des homosexuellen Beischlafes gehabt hatte, so daß auf einen Monat nur ein solcher Exzeß fällt. Sie können doch nicht sagen, daß dies nicht das non plus ultra der Mäßigkeit ist? Und daß ich während der ganzen Zeit keinem einzigen Manne auch nur die geringste Gunst gewährte. Nebenbei lebte ich stets gut, war niemals krank, pflegte meinen Körper in jeder möglichen Weise und beging auch in anderer Beziehung keine Exzesse.

In Florenz machte ich die Bekanntschaft eines sehr interessanten Mannes, jenes Engländers, den ich oben erwähnt. Er war – wie Sie sich denken können, kein Jüngling mehr, denn er zählte bereits 59 Jahre. Mit diesem Herrn konnte ich über alles sprechen. Er war ein vollkommener Epikuräer und studierte die menschliche Natur; seine Ansichten harmonierten mit den meinigen. Erst durch ihn lernte ich mich selbst kennen. Viele Dinge, für die ich keinen Schlüssel bis jetzt gefunden hatte, wurden mir von ihm in der plausibelsten Weise erklärt. Daß die Natur des Weibes von jener des Mannes ganz verschieden ist, das hatte ich schon längst erkannt, ohne zu wissen, weshalb es so ist. Er gab mir die physiologischen und psychologischen Ursachen an. Seine Philosophie war sehr einfach und faßlich, es war unmöglich, seine Vernunftgründe zu entkräften. Er war durchaus nicht Zyniker, und in Gesellschaften hielt man ihn für einen sehr moralischen Menschen, obschon er keine Eigenschaften heuchelte, die er nicht besaß. [259] Er machte mir den Hof, doch nicht, um von mir jene Gunst zu erlangen, nach welcher alle Männer so lüstern sind, sondern weil er in mir eine Person fand, die seine Worte und den Sinn derselben auffaßte. Dennoch nahm ich an ihm wahr, daß er sich für sehr glücklich gehalten hätte, wenn ich mich ihm auch körperlich hingegeben hätte. Dies war natürlich. Ohne ein Narciß zu sein, hatte ich das Bewußtsein meiner körperlichen und geistigen Vorzüge, ich brauchte mich nur im Spiegel zu besehen und anderer Frauen Äußeres mit dem meinigen zu vergleichen. Sie selbst haben mir ja gestanden, daß Sie noch keinen so tadellos geformten weiblichen Körper gesehen, wie den meinigen, und um wie viel Jahre später geschah das nach meiner Bekanntschaft mit Sir Ethelred Merwyn.

Mich pikierte es nicht wenig, von dem Engländer stets mein Lob zu hören, ohne daß er einen Sturm auf mein Herz oder etwas anderes, – denn das Herz ist ja nur eine Redensart; es soll ein Fürsprecher für etwas Süßeres sein, sonst nichts, – zu unternehmen gewagt hätte. Meine Koketterie stieß ihn ab. So wie er mir schon alles, was ich wissen wollte, erklärt hatte, so wollte ich auch eine Erklärung dafür, weshalb er mir gegenüber ein Stoiker blieb.

Ein Sprichwort sagt: »Wenn der Berg nicht zu Mohammed kommt, muß Mohammed zum Berge gehen.« Diesmal war Sir Ethelred der Berg, und ich mußte, wenn ich Erklärungen haben wollte, mich in den großen Propheten verwandeln.

»Ich gestatte Ihnen doch alles, Sir Ethelred«, sagte ich ihm einmal, »wie kommt es, daß Sie in Ihrer Courmacherei die Grenzen der Freundschaft niemals überschreiten? Wie Sie mir selber gestanden, sind Sie doch ein großer Lovelace gewesen, ja, ich weiß sogar, daß Sie auch jetzt noch Liebschaften haben.«

»Sie irren, Madame, ich habe keine Liebschaften«,[260] entgegnete Sir Ethelred. »Sie werden doch nicht von einem Manne meines Alters voraussetzen, daß er jene ephemeren Genüsse, die er für Gold eintauscht, für Liebschaften hält?«

»Ich spreche Ihnen von Loretten und anderen käuflichen Weibern. Sie haben nur den zweiten Teil meiner Frage beantwortet. Halten Sie mich für eine so herzlose Kokette, die damit stolzierte, wenn sie Sie an ihren Triumphwagen schmiedete? Glauben Sie nicht, daß Sie im Stande seien, einem Weibe meines Alters Liebe einzuflößen?«

»Ich glaube, daß das möglich ist. Wenn Sie mir auch die höchste Gunst gewähren, so geschehe dies doch nicht aus Liebe, sondern aus Mitleid. Höchstens könnte es eine krankhafte Begierde sein. Sie haben bis jetzt nur junge Männer gekannt, Sie möchten mich in voller Lächerlichkeit sehen.«

»Sie sind ebenso ungerecht gegen sich, wie gegen mich. Ich habe Ihnen erzählt, daß ich einen Mann gekannt, der mir ins Gesicht sagte, er verschmähte jede Eroberung, die sich ihm nicht freiwillig anböte. Sie sind auch so eitel, daß Sie von einer Frau, die Ihnen gefällt, so etwas fordern? Sie riskieren doch dabei gar nichts. Wenn Sie auch eine abschlägige Antwort erhielten, so dürften Sie es auf Rechnung Ihres Alters schreiben und sich damit trösten, daß Sie nicht abgewiesen worden wären, wenn Sie einige Jahre weniger zählten, wogegen eine Frau sich sehr gedemütigt fühlen müßte, wenn Sie bei ihr den keuschen Joseph spielen wollten. Eine allzu große Bescheidenheit und Schüchternheit kleidet einen Mann nicht gut.«

»Noch weniger kleidet es ihn, wenn man von ihm sagt, er sei ein alter Faun.«

»Sie sind noch ein schöner Mann und besitzen Eigenschaften, die Ihre Jahre vergessen machen. Angenommen, ich setzte mich über die Vorurteile meines[261] Geschlechts hinweg, ich sagte Ihnen, Sie dürfen von mir alles hoffen, alles fordern; würden Sie sich auch dann noch nicht entschließen, die Ihnen angebotene Gunst anzunehmen?«

»Sie setzen einen unmöglichen Fall voraus. Sie würden es niemals tun!«

»Immerhin könnten Sie mir sagen, ob Sie mich zurückstoßen würden oder nicht.«

»Ich wäre ein Wahnsinniger, wenn ich es täte; ich würde zugreifen«, sagte Sir Ethelred.

»Sie würden mich aber im Herzen verachten, mich entweder für eine Hetäre oder für eine Messaline halten?«

»Nichts weniger. Der Geschmack und die Laune einer Frau sind unergründlich. Ich würde Sie lieben, und diese Liebe machte mich zum glücklichsten Sterblichen.«

Das, was er zuletzt sagte, stand in Widerspruch damit, was er vorhin gesagt. Ich war ihm näher gerückt, legte meine Hand auf seinen Arm und blickte ihn so schmachtend an, daß er von Stein hätte sein müssen, wenn er widerstanden hätte. Ich haßte nichts so sehr als die Koketterie, wenn sie nicht als ernste Waffe oder um Rache zu üben angewendet wird. Ich hatte keine Ursache, mich an Sir Ethelred zu rächen, er hatte sich gegen mich stets als Freund benommen. Ich will nicht sagen, ich wäre in ihn verliebt gewesen, doch glaubte ich, es würde möglicherweise bei einem intimeren Verhältnisse vielleicht auch dieses Gefühl bei mir eintreten. Ich setzte ihm also solange zu, bis er alle seine Grundsätze vergessend mir zu Füßen sank, meine Knie umarmte, meine Füße küßte und immer unternehmender ward. Ich leistete gar keinen Widerstand, sondern ließ ihm freies Spiel; er schlang seinen rechten Arm um meinen Leib, griff mit der linken Hand unter meine Röcke und brachte sein Gesicht dem [262] meinigen nahe. Ich wartete nicht erst darauf, daß er mir den ersten Kuß gäbe, ich kam ihm zuvor, und in derselben Zeit hatte ich auch meine Schenkel so auseinander gespreizt, und meinen Bauch etwas vorwärts geschoben, daß er ungehindert bis an den Wollusttempel kam. Mich selber hatten diese Präliminarien auch erhitzt, und er fand meine Grotte ganz feucht und brennend. Er sprach nichts, sondern seufzte, und ich sah, daß eine Träne in seinem Auge glänzte. Es schien, als glaubte er selber nicht an sein Glück. Ich entwand mich dann seinen Armen und ging auf die Tür zu, die ich verriegelte. Ich sagte ihm hierauf, daß wir uns zu Bette legen wollten, daß er sich entkleiden möge, zuvor aber sollte er mir helfen, mich meiner Kleider zu entledigen.

Sie hätten den Engländer sehen sollen, wie er mich anblickte, als ich nackt vor ihm stand. Er glaubte zu träumen, er kniete vor mir und küßte jedes Fleckchen meines Leibes. Es verursachte mir viel Vergnügen, ihn so glücklich zu wissen, und ich schickte mich an, ihn ebenfalls zu entkleiden, was er kaum zulassen wollte; erst als ich ihm sagte, daß ich dies gern täte, gestattete er es mir.

Ich begreife nicht, weshalb er sich mir gegenüber so schüchtern benahm, sein Körper war doch sehr schön, sein Amor hob sich stolz empor, seine Haut war fein, glatt und weiß, ohne den geringsten Anflug von Gelb, im Gegenteil, sie hatte einen rosigen Schimmer. Ich legte mich zu Bette, er kniete noch immer vor mir, küßte jede meiner Zehen, steckte sie einzeln in den Mund und sog an ihnen, dann stand er auf, beugte sich über mich und küßte meine Wollustgrotte, die sich bei der Berührung mit der Zunge wollustlechzend öffnete und ihren Gast zu erwarten schien. Auch Sir Ethelred muß gewußt haben, daß nur die erste Samenentleerung gefährlich ist, denn er war vorsichtig genug, sich zurückzuziehen, ehe sein[263] Samen zu überströmen anfing. Er hielt mich einige Minuten in seinen Armen und lag an meiner Seite.

»Zweifeln Sie noch immer«, fragte ich ihn, als er mich zärtlich anblickte.

»Ich glaube zu träumen. Ich hatte niemals ein solches Glück zu hoffen gewagt. Ich kann es auch jetzt nicht begreifen. Sie können mich als ihren Sklaven benutzen, es gibt nichts, was ich Ihnen verweigern würde, wenn Sie es forderten.«

Sir Ethelred mußte schon manche Feldzüge im Gebiete der Liebesgötter mitgemacht haben. Es währte einige Zeit, ehe er sich soweit erholte, um das Liebesspiel wieder von vorn anzufangen, und ich mußte mit den Fingern und dem Munde nachhelfen, ehe ich seinen Amor wieder zum Stehen brachte. Ich wollte mich versichern, daß er mich nicht auf halbem Wege des Vergnügens im Stiche ließe, und er wollte das Liebesspiel schon beginnen, ich aber hielt noch eine Weile hin. Endlich, als ich wahrzunehmen anfing, daß ihm die Begierden beinahe Schmerzen verursachten, gestattete ich ihm ein neues Opfer. Diesmal legte er sich auf den Rücken, ich hockte über ihm. Indem ich seine beiden Hände faßte, neckte ich seinen Pfeil mit meiner Muschel, weil ich an demselben auf- und niederstreifte, ohne ihm den Eintritt zu gestatten. Der arme Mann schloß seine Augen, seufzte, stöhnte und als er es am wenigsten erwartete, spießte ich mich auf seinen Amor. Augenblicklich öffneten sich seine Augen, ich aber hob mich, daß er wiederum draußen war und nachstoßen mußte. So fuhr ich eine Weile fort, dann aber wurden meine Stöße gleichmäßiger, und ich bemühte mich, die Muskeln meiner Höhlung in Bewegung zu setzen, so daß sie nach seinem Pfeile schnappten, was eine große Seltenheit ist und von den Männern sehr hoch geschätzt wird. Es war gut, daß ich ihn so sehr ins Feuer brachte, ich würde sonst leer ausgegangen [264] sein. Ich spürte schon das Herannahen der Krise bei mir, meine Bewegungen richteten sich danach ein, daß sie auch bei ihm die Öffnung seiner Schleusen beschleunigen sollten, endlich nahm ich an dem Ausdruck seiner Augen, die immer stierer wurden, und auch an den beschleunigten Stößen seines Amors, endlich auch daran, daß er meine Hinterbacken mit krampfhafter Wollust packte, mich in die Achseln biß und zu stöhnen anfing, als wollte er seine Lungen zersprengen, daß der Augenblick erschienen war, in welchem er eine zweite Ergießung folgen ließe. Diese säumte auch nicht mehr, und ich erhielt den Guß, ehe sich noch bei mir das Brünnlein öffnete, doch es vergingen kaum ein paar Sekunden, und er erhielt von mir Revanche. Ich war so ins Feuer geraten, daß ich beinahe ohnmächtig wurde, und nur der Schrecken über die Unbeweglichkeit und Steifheit meines Galans brachte mich zu mir selbst.

Im ersten Augenblicke glaubte ich, der Schlag müßte ihn gerührt haben, denn er gab auf meine Fragen keine Antwort; ich griff, meiner kaum mächtig, an seine Herzgrube und fühlte, wie sein vorzügliches Lebensorgan heftig hämmerte.. Ich machte einen Ruck nach rückwärts, daß sein Amor aus meiner Scheide herausfiel, und ich fühlte, wie aus ihm etwas Nasses an meinen beiden Schenkeln herabrieselte, demnach war er nicht ganz ohne Bewußtsein. Zum Glück stand ein Glas Wasser auf dem Nachttischchen neben dem Bette, im Bereiche meiner Hand; schnell griff ich danach und spritzte ihm einen großen Teil des eisig kalten Wassers ins Gesicht und über den Rücken. Das brachte ihn zu sich. Er erhob sich auf seinen Armen und blickte um sich, dann beugte er sich wieder über mich und gab mir einen Kuß auf dieselbe Stelle meiner Achsel, die er blutig gebissen. Ich sah ihm die Verlegenheit an und beruhigte ihn. Wir verließen das Bett und kleideten uns [265] an. Sein Amor schien sagen zu wollen, er sei noch nicht erschöpft, denn er hob sich unter dem Hemde, und wer weiß, wenn ich ihn gereizt hätte, ob er nicht noch zu einem dritten Kampfspiele bereit gewesen wäre. So etwas aber wollte ich durchaus nicht wagen, es könnte ihm übel bekommen. Ich habe so manches darüber gelesen und gehört, daß Menschen in solchen Momenten vom Schlage gerührt worden, und zwar soll dies öfter bei Männern vorkommen als bei Frauen. Während meines Aufenthaltes in Pest war eine Dame so gestorben. Es müßte etwas Fürchterliches sein, einen Leichnam in den Armen zu halten.

Sir Ethelred mochte meine Gedanken erraten haben, und wir sprachen später, als wir in den Garten gingen, über diesen Gegenstand.

»Mein Gott«, sagte er, »wissen Sie nicht, wie weit einen eine krankhafte Leidenschaft: verleiten kann? Solche Fälle, in welchen Menschen mit Leichnamen Unzucht getrieben, gibt es viele. Die Gesetzgebung würde keine Strafen gegen Leichenschändungen verhängt haben, wenn solche nicht stattgefunden hätten. Ob sie in älteren Zeiten häufiger vorkamen als gegenwärtig, das kann ich nicht behaupten, doch daß viele solche Fälle auch jetzt noch vorkommen, ist gewiß. Während der napoleonischen Kriege ereignete es sich einmal, daß diese krankhafte Leidenschaft bei einer Person, an welcher sie verübt wurde, wohltätige Folgen hatte. Einige Tage vor der Schlacht bei Jena ward ein französischer Offizier im Hause eines evangelischen Pastors einquartiert, dessen Tochter am vorhergehenden Tage gestorben war, d.h. der Arzt, der sie behandelte, stellte ein Todeszeugnis über sie aus. Es war aber nichts als eine Katalepsie in sehr hohem Grade, wiewohl sie am nächsten Tage, nach dem Abmarsch der Franzosen begraben werden sollte. Wie gesagt, war aber das Mädchen nicht tot, und der Offizier, der in ihm einen [266] Leichnam zu sehen glaubte, ließ sich von ihrer Schönheit hinreißen und schändete sie. Sie mochte eben durch die Elektrizität des Beischlafes zum Leben erweckt worden sein. Wer kennt den Galvanismus dieses Aktes? Sie empfing sogar, und am nächsten Morgen wurden ihre Eltern durch ihr Wiedererwachen auf das angenehmste überrascht. Sie wurde Mutter und war nicht imstande, den Urheber der Existenz ihres Kindes zu nennen, welches zu einem gesunden Knaben aufwuchs. Erst viele Jahre darauf, als derselbe Offizier zufälligerweise wiederum nach demselben Dorfe kam, klärte sich die Sache auf. Die Folge davon war, daß, da die Sache ruchbar wurde, die Herren Franzosen sich ähnliche Handlungen zu schulden kommen ließen, und diejenigen, die dabei ertappt wurden, redeten sich damit aus, sie hätten es aus Humanität getan, um verstorbene Mädchen wiederum ins Leben zurückzurufen. Dies gelang nun freilich keinem, denn solche Fälle der Katalepsie sind äußerst selten, und vielleicht schlägt auch das Mittel nicht immer gut an. Dennoch ist es gewiß, daß Leichenschändungen auch jetzt noch vorkommen, und sie werden sogar von Personen höherer Stände, eben zufolge ihrer Abgestumpftheit für natürliche Genüsse, öfter ausgeübt, als von Leuten der niederen Volksklasse. Unter den unzähligen Beispielen dieser Art, von denen ich gehört, will ich Ihnen nur eins nennen: das des österreichischen Ministers Fürsten von S ... Dieser ließ sich weibliche Leichname aus dem Wiener allgemeinen Krankenhause auf seine Wohnung holen, um sie vorgeblich zu anatomisieren, denn er war Dilettant in dieser Wissenschaft. Die Ärzte aber kamen dahinter, daß er einige der Menschenleichname geschändet hatte, da das Jungfernhäutlein, welches noch ganz und unversehrt gewesen, als der Leichnam aus dem Hospital kam, zersprengt wiederum zurückkehrte.

[267] Eine solche Leidenschaft kann für denjenigen, der sich ihr hingibt, sehr gefährlich, ja, sogar tödlich sein, denn die Wirkungen des Leichengiftes sind schrecklich. Es kann sich den Schleimhäuten in einem vorgeschrittenen Stadium der Verwesung mitteilen und wirkt dann in kürzester Zeit. Das männliche Glied braucht nur an einer Stelle aufgerieben zu sein oder eine geringe, kaum merkbare Pustel an sich zu haben, so ist der Leichenschänder dem Tode verfallen. Gewöhnlich aber tritt eine solche Verwesung erst am dritten oder vierten Tage ein, deshalb sind auch die Leichenschänder sehr vorsichtig. Diese Vorsicht ist namentlich in einem heißen Himmelsstriche und zur Sommerzeit noch notwendiger, weil hier der Leichnam eher verwest. Dennoch bin ich überzeugt, daß dieses Laster, namentlich hier in Italien, ein viel verbreiteteres ist, als anderswo, denn hier wirkt das Klima mehr aufregend; deshalb ist dem Italiener alles gut, was ihm in die Hände fällt. Hier herrschen Onanie, Päderastie und Leichenschändung in schreckenerregender Menge. Ja, es werden sogar Mordtaten verübt von solchen Wüstlingen, die dann die kaum erkalteten Opfer für ihre Lüste mißbrauchen. Der Prozeß gegen den Salamifabrikanten in Verona hat in dieser Zeit großes Aufsehen und allgemeine Entrüstung erregt. Er begnügte sich nicht, die Mädchen, die er ins Garn lockte, zu ermorden, sondern er schändete einige sogar vor, andere nach begangener Ermordung. Wenn in Italien ein Frauenzimmer hingerichtet wird, was namentlich im Kirchenstaate eben nicht zu den größten Seltenheiten gehört, so kann man als gewiß annehmen, wenn es noch vor dem Tode eine Jungfrau gewesen, daß das 24 Stunden nach dem Tode sicherlich nicht mehr der Fall ist, und daß Ehemänner, die der Zufall vor Hahnreischaft geschützt hat, wenn ihre Gattinnen jung und schön gewesen, den [268] Hörnerschmuck nach ihrer Weiber Tod erhalten. In Frankreich, ja sogar in England sind solche Fälle ebenfalls vorgekommen; was mag erst in London geschehen, wo die Polizei weniger allwissend und allsehend ist. Das größte Vergehen, welches ein Mensch begehen kann, ist doch philosophisch betrachtet, wenn er eigenhändig seinen Organismus zerstört, und wo werden Sie es jemals hören, daß Selbstbefleckung von den Gesetzen bestraft wird?«

Das, was mir Sir Ethelred erzählte, erfüllte meine Seele mit Entsetzen; ihn selbst ließen alle diese naturwidrigen Verbrechen kalt, ja er stellte sie tief unter viele andere, Seiner Ansicht nach war die Gewohnheit der Selbstbefleckung und Leichenschändung, insofern sie demjenigen, der sie beging, nachteilig waren, die schlimmsten; doch fügte er hinzu, daß, da die Gesetze die Selbstverstümmelung, das Untergraben der eigenen Gesundheit, ja, den Selbstmord oder vielmehr den Versuch des Selbstmordes nicht ahndeten, so mußten die Gesetzgeber nur diejenigen Handlungen als verbrecherisch angenommen haben, die den Willen und das Wohlsein anderer Personen beschränkten und den letzteren nachteilig seien. So werden auch die Völlerei, die Trunkenheit nur in ihren Folgen, nicht aber selber bestraft.

Dennoch waren die Erzählungen Sir Ethelreds so schauerlich, daß ich an der Möglichkeit solcher Handlungen zweifelte und ihm meine Zweifel darüber äußerte.

»Es wäre mir ein leichtes, Sie von der Wahrheit dessen, was ich Ihnen erzählt, zu überzeugen, wenn ich nicht befürchten müßte, Sie durch die Handgreiflichen Beweise derart zu erschüttern, daß sich Ihre mir geschenkte Gunst in Haß verwandelte. Ich brauchte nichts anderes, als Sie auf Plätze zu führen, wo Sie Zeuge solcher Handlungen sein würden.«

»Hier in Florenz?« fragte ich.

[269] »Nein, nicht hier, sondern in Rom«, entgegnete Sir Ethelred. »Sie wollen ohnehin im nächsten Monat in der heiligen Stadt ein paar Gastspiele geben.«

»Wohlan, ich verspreche Ihnen, daß sich meine Liebe für Sie nicht in Haß verwandeln, und daß ich Kräfte genug besitzen werde, um alles ruhig anzusehen, nur dürfen Sie nicht verlangen, daß ich mich an solchen Schändlichkeiten anders wie als Augenzeugin beteilige, noch daß in meiner Gegenwart eine Mordtat und dergleichen Folterungen stattfinden, welche die passiven Mitwirkenden zu Krüppeln machen, daß sich vielmehr diese letzteren freiwillig zu allem hergeben; solche Greueltaten, wie deren mehrere im Buche Sades vorkommen, verbitte ich mir.«

»Sie fordern mich dazu auf, daß ich Sie solche Auftritte sehen lasse?«

»Ich fordere Sie auf, und wenn Sie meine Neugierde befriedigen, verspreche ich Ihnen Treue und Liebe, bis Sie meiner überdrüssig werden.«

»Das wird niemals geschehen, und ich entbinde Sie im voraus dieses Versprechens«, sagte Sir Ethelred, und wir brachen das Gespräch ab.

Auch mich überkam diese gewisse krankhafte Leidenschaft, Aufregungen zu suchen, und wer weiß, wie weit sie mich geführt hätte, wenn ich eben durch das, was ich bald sehen sollte, nicht davon zurückgekommen wäre. Ich will es Ihnen erzählen und hoffe, Sie werden mich deshalb nicht verurteilen. Sie als großer Psychologe werden es gewiß nicht tun, sondern mich, wenn wir in diesem Leben wiederum zusammentreffen sollten, über diese sonderbaren Phänomene der menschlichen Natur aufklären. –

Die Zeit verfloß mir in Gesellschaft eines so liebenswürdigen, hochgebildeten Mannes sehr schnell.

Wir lebten sehr mäßig, was die Genüsse der Liebe betrifft. Ich fand ihn zwar zu jeder Zeit zu neuen Liebespielen bereit, doch bedachte ich, daß seine [270] Quelle nur zu bald versiegen würde, wenn ich zu oft aus derselben schöpfte, und ich liebte ihn trotz seines vorgerückten Alters viel zu sehr, um ihm nicht Demütigung zu ersparen, demnach hielt ich mich nach der goldenen Regel des großen Reformators Martin Luther: Alle Wochen zwier, macht des Jahres hundert und vier, schadet weder mir noch dir! So sehr ich auch nach derartigen Genüssen lechzte, so wenig das brennende Feuer nach Befriedigung in meinem Innern leicht gesättigt werden konnte, so verstand ich es doch durch zeitgemäßen Wechsel in meinen Genüssen mir Genugtuung zu verschaffen. Hatte ich doch meine geliebte Rosa stets an meiner Seite, und je mehr sich ihr Körper entfaltete, denn sie nahm bei der guten Kost, die sie bei mir hatte, bedeutend zu, desto größer war das Vergnügen, welches ich mit ihr genoß. Sie war nicht mehr das schüchterne, furchtsame Mädchen, welches mich als seine Herrin betrachtete, sie war in den Stunden des Genusses eine Evyone, eine Bacchantin, erfinderisch in der Steigerung der Wollust. Oh, ich liebte sie wirklich, und ich bin überzeugt, wenn alle Weiber es wüßten, welche Wonne ein derartiger homosexueller Umgang bietet, so würden sehr viele auf den gefährlicheren mit Männern ganz verzichten. Ich selbst habe mich nur deshalb den Männern hingegeben, um alle Arten des Genusses zu kennen. Den Weibern mangelt nur eins, und zwar – leider! – die Hauptsache, welche ein Godemiche niemals ersetzen kann, denn dieser ist doch im Vergleich mit der männlichen Rute ein kalter, fremder Körper, eine Maschine ohne Ausdehnungsvermögen; niemals dieselbe Größe und Hitze, keine Zu- und Abnahme, keine Anschwellung der Adern, kein Zucken, er taugt ebenso wenig wie der Condom, und ein Liebesspiel mit Godemichette oder Condom ist ein kaltes Vergnügen. Was aber den homosexuellen Genuß am meisten erhöht, ist, daß [271] zwei Frauen in den Äußerungen ihrer Gefühle viel weniger zurückhaltend sind, als eine Frau einem Manne gegenüber, wie ich auch überzeugt glaube, daß nur zwischen zwei wollüstigen Weibern, wenn sie miteinander genießen, eine wahre, wirkliche Geilheit zu finden ist. Ich habe es wenigstens so gefunden.

Wir reisten also nach Rom, und Sir Ethelred löste sein Wort schon in den ersten drei Tagen nach unserer Ankunft daselbst ein. Es kostete ihn eine ungeheure Summe, daß er meine Neugierde befriedigen konnte; doch die Leute, die uns dieses Schauspiel aufführen sollten, waren eben Menschen, die für Geld zu allem bereit sind.

Am Abend vor der Orgie, die wir besuchen sollten, fand eine Doppelhinrichtung durch die Garotta statt. Ein Räuber aus den Abruzzen und sein Weib, ein reizendes Geschöpf, wurden auf der Piazza Nacona erdrosselt. Sir Ethelred mietete für mich ein Fenster, welches ganz nahe dem Schafott lag. Ich konnte mit meinem Opernglas jede Muskelbewegung in den Gesichtern der beiden Unglücklichen genau sehen, und das Gefühl der Aufregung wurde mir beinahe peinlich. Ich litt mit den Elenden; es war mir, als strangulierte man mich mit ihnen gleichzeitig. Die Züge der beiden Hingerichteten schwebten mir stets vor meinen Augen, so daß ich sie kaum loswerden konnte. Sir Ethelred schien in meiner Seele zu lesen, er flüsterte mir die Worte zu: »Sie werden dieselben noch einmal zu sehen bekommen.«

Das Lokal, wohin mich Ethelred führte, war das Kapuzinerkloster della Assunzione. Die Brüder dieses Ordens hatten auch ihre Jesuitenkollegen eingeladen. Die Orgie fand in der Kirche selbst statt, die Marmorplatten des Fußbodens waren mit Binsenteppichen belegt, und da es Hochsommer war, fühlte [272] man selbst bei Nacht nicht die geringste Kälte. Für uns beide war eine Abteilung des Schiffes in eine Loge verwandelt worden. Einige Patres befanden sich oben auf dem Chor und sangen dazu teils Kirchenmusik, teils schmelzende Melodien aus den beliebtesten Opern italienischer Komponisten. Unten befanden sich die Mönche beider Orden, alle nackt, so daß die Kapuziner von den Jesuiten nur durch ihre Bärte sich unterschieden. Es waren auch Frauenzimmer da, Nonnen und weltliche Damen verschiedener Stände, doch so wenige, daß auf eine jede derselben drei Männer kamen, ferner auch wunderschöne Knaben im Alter zwischen 12 und 15 Jahren.

Es gab keinerlei Gattung von Unzucht, die hier nicht begangen wurde. Männer mit Weibern, Männer unter sich, dann auch Weiber unter sich, Männer mit Knaben, auch einige Tiere, ein Kalb, ein paar Hunde und Hündinnen, ferner Affen, Mandrills und Paviane beiderlei Geschlechts, endlich sogar Katzen. Diese werden mit dem Kopf abwärts in den Stiefel gesteckt und in dieser Weise von den Menschen gemißbraucht. Das Miauen der armen Tiere war herzzerreißend, so daß ich mir die Ohren verstopfte und mich nicht überwinden konnte, dahin zu blicken. Den Mönchen machte dies den größten Spaß.

Die letzte Szene dieser Orgie – für mich die letzte, denn ich bat nach derselben Sir Ethelred, er möge mich wegführen, da mich ein namenloser Schauder ergriffen hatte – war eine zweifache Leichnamsschändung. Die beiden garottierten Verbrecher wurden auf Bahren ganz nackt hereingebracht. Die Schändung derselben durch die Mönche war für dieselben ein haut-goût. Es waren reizende Leichname, wenn etwa Leichname reizend genannt werden dürfen. Sie konnten nur von den Männern mißbraucht werden. Wer weiß übrigens, wenn man sich mit dieser Art vertraut machen könnte, ob man einen [273] solchen Abscheu davor fühlte, wie es bei mir der Fall war.

Ich blieb noch 14 Tage in Rom. Das Ende meiner Saison hierselbst ward durch den plötzlichen Tod meines Freundes Sir Ethelred getrübt. Er starb an der Malaria, welcher fürchterlichen Seuche schon so viele zum Opfer geworden. Ich verließ ihn nicht bis zu seinem letzten Atemzuge und drückte ihm die mich noch während seines Todeskampfes zärtlich anblickenden Augen zu. In seinem letzten Willen vermachte er mir ein namhaftes Kapital und sehr viele Preziosen und Antiken, die er überall auf seinen Reisen gesammelt.

Sein Tod verleidete mir den Aufenthalt in Italien, und ich war froh, den Antrag meines Impresario annehmen zu können, der mich nach Paris zur dortigen italienischen Oper nahm.

14.

[274] XIV

Es war ein ganz ungewöhnlicher und außergewöhnlicher Zufall, daß ich bei meiner Ankunft in Paris die Bestätigung dessen erhalten sollte, wovon ich in Rom Zeugin gewesen, und was ich, als es mir Sir Ethelred erzählte, nicht glauben wollte, nämlich, daß das Laster der Leichenschändung in allen Schichten des Volkes verbreitet sei. Die blasierten Wohlhabenden werden durch krankhafte Gelüste zu dieser Sünde getrieben, während die ärmsten Leute darauf verfallen aus Not, weil sie ihre Begierden auf diese Weise gratis befriedigen können, dabei wahrscheinlich auch denken, die Toten verrieten sie nicht, sie hätten also keine schlimmen Folgen zu befürchten. Wenn ich die Wahrheit gestehen soll, so muß ich bekennen, daß ein vollkommen schöner Leichnam sehr oft viel weniger Abscheu und Ekel erregend ist, als so mancher lebende Körper, man muß nur jenes natürliche Grauen überwinden können, welches einem die Berührung eines so kalten, leblosen, steifen Körpers verursacht, so begreife ich wohl, daß auch darin eine Art Wollust liegen kann, erinnere ich mich doch, in einem Theaterstück gelesen zu haben, daß ein Roué jahrelang ein Weib suchte, welches kalt bei seinen Umarmungen bliebe, und als er endlich ein solches fand, sah er, daß es nach geschehenem Beischlaf tot war, es mußte also während des Aktes selbst gestorben sein.

Die beiden Pariser Fälle, welche viel von sich reden machten, werden Ihnen wohl bekannt sein, obschon Sie von den Journalen nur unvollkommen gegeben wurden, weil die Verhandlungen zu skandalös waren, um sie dem Publikum mitzuteilen; dennoch waren die Sitzungen der Assisen öffentlich, und ich habe sowohl Damen der hohen Aristokratie als auch der Demimonde gesehen, die ihnen beiwohnten.

[275] Meine eigenen Abenteuer in Paris waren von jenen in anderen Städten nicht viel verschieden, ich darf es also wagen, einiges darüber zu sagen, was ich von diesen beiden skandalösen Prozessen erfahren und zum Teil als Ohrenzeugin selber gehört habe. Beide waren beinahe gleichzeitig, d.h. obschon die Verbrechen nicht eben zu gleicher Zeit begangen wurden, denn bei dem einen der Verbrecher, einem Aristokraten, hatte die Familie alles angewendet, um die Sache zu vertuschen, und es wäre auch geschehen, wenn nicht neue Zeugen aufgetaucht wären und die Journale einen Lärm geschlagen hätten, namentlich aus Veranlassung des zweiten Falles, wo der Verbrecher, weil er der ärmeren Volksklasse angehörte, sogleich eingezogen und vor Gericht gestellt wurde. Bei dem ersten Falle wurde außer dem Verbrechen der Leichenschändung ein noch viel größeres, nämlich ein Mord, begangen, und es wurde nicht nur eine, sondern mehrere Personen ermordet, der Mörder aber und der Leichenschänder waren zwei verschiedene Individuen, doch standen sie miteinander in Verbindung.

Unter den vielen Zuchtpolizei- und Kriminalfällen in Europa mögen Ihnen, mein teurer Freund, gerade diese beiden entgangen sein, und ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ich mich einer solchen Vernachlässigung Ihnen gegenüber schuldig machte, deshalb will ich Ihnen beide – eigentlich drei dieser Fälle, von welchen der eine rein Kriminalfall, der zweite ebenfalls, der dritte endlich nur ein Zuchtpolizeifall war, erzählen.

Im Fauburg Poisonnière lebte ein Fleischwarenhändler, dessen Fleischpasteten so berühmt waren ihrer Schmackhaftigkeit wegen, daß sein Laden stets überfüllt war von Menschen. Das gemeine Volk sprach über die Zubereitung seiner Waren viel Unsinn, und man brachte ihm auf, er benutze das [276] Fleisch menschlicher Leichname dazu. Eine Untersuchung fand bei ihm statt, und es stellte sich heraus, daß er zwar keine gewöhnlichen Fleischgattungen, doch nur die von Tieren dazu benutzte, und zwar zumeist von Hunden und Katzen, außerdem Eichhörnchen, Sperlinge usw. So oft eines Fleischhändlers Pastetchen in Ruf kamen, erneuerte sich auch das Geschwätz von menschlichen Leichnamen, doch diese unsinnigen Anklagen waren insgesamt unbegründet und wurden zuletzt von den Sanitätskommissionen und von der Polizei unberücksichtigt gelassen, ja selbst das Publikum glaubte nicht mehr daran.

Etwa 18 Monate vor meiner Ankunft in Paris fand die Arretierung eines Barbiers wegen Ermordung eines seiner Kunden statt, dem der Barbier die Kehle abgeschnitten. Die Untersuchung ergab, daß er schon mehrere Mordtaten begangen hatte, um die Leichname an seinen Schwager, einen Fleischwarenhändler, zu verkaufen. Das Fleisch dieser Leichname aber war ganz zerschnitten, so daß die Mitschuld des Schwagers nicht klar erwiesen werden konnte. Im Verhör sagte der Mörder, einer seiner Kollegen täte dasselbe und verfolge dabei allerlei Zwecke, denn erstens gebe er die Leichname junger Mädchen, von welchen viele noch nicht einmal im Alter der Mannbarkeit waren, einem berüchtigten Wüstling preis, dann aber, wenn sie von diesem gemißbraucht waren, verkaufte er ihr Fleisch an Pastetenbäcker. Der Procureur-Général strengte gegen den Angeschuldigten eine Untersuchung an, doch dieser, der zufällig bei dem Verhöre des Barbiers gegenwärtig gewesen, fand Mittel, die Spuren seiner Schandtat zu beseitigen. Man fand zwar einige verdächtige Spuren: Blutspuren, Knochen usw. im Keller des zweiten Barbiers, doch er verstand es so gut, sich aus der Schlinge zu ziehen, daß ihm keine Mordtat [277] nachgewiesen werden konnte, und die Sache schlief wiederum ein.

Kurze Zeit, etwa sechs Wochen vor meiner Ankunft, stand ein Diener der Morgue vor dem Zuchtpolizeigericht, der dabei ertappt wurde, als er den Leichnam eines Mädchens, welches tot aus der Seine gezogen worden, schändete. Der Mann wurde zu einer zehnjährigen Galeerenstrafe verurteilt, welche Strafe vom Publikum und noch mehr von den Journalen für zu hart befunden wurde, weshalb auch die Zeit seiner Strafe vom Cassationshofe auf zweijährige Zuchthausstrafe herabgesetzt wurde, denn sein Vergehen wurde in dieselbe Kategorie gestellt wie Unzucht mit Tieren; ja, es gab einige, die behaupteten, eine einmonatliche Haft wäre auch eine genügende Strafe, nur des Skandals wegen.

Dieser Prozeß zog einen andern nach sich, einen, welcher durch das Geschrei der Zeitungen hervorgerufen worden war, nämlich gegen den Barbier, welcher gleichzeitig Pastetenbäcker war. Dieser Mensch, den seine vorhergehende Straflosigkeit vermessen gemacht hatte, dachte nicht im entferntesten daran, die ehemalige Anklage könnte gegen ihn erneuert werden, um so weniger, da er von seinem Mitschuldigen, dem zuliebe er die Mordtaten beging, geschützt zu sein wähnte. Er wurde also unversehens von der Polizei überfallen, und man fand den Leichnam eines zehnjährigen Mädchens in seinem Keller. Die ärztliche Untersuchung ergab, daß das Kind überdies genotzüchtigt worden war, obschon man nicht genau angeben konnte, ob diese Notzüchtigung noch während ihres Lebens oder nach dem Tode stattgefunden. Ein einziger Arzt meinte, das letztere müsse der Fall gewesen sein.

Der Mörder wurde von den Assisen zum Tode durch die Guillotine verurteilt; bis zur Bestätigung des Todesurteils durch den Cassationshof leugnete [278] der Verbrecher hartnäckig, Mitschuldige seiner Tat gehabt zu haben; er sagte, er habe die Mädchen ermordet, um ihr Fleisch zu Pasteten zu verwenden. Als er aber erfuhr, daß ihn nichts mehr vom Tode retten könnte, gestand er, der Herzog von P ... habe ihm für die Schändung jedes Mädchenleichnams, welchen er durch ihn erhielt, 20 Napoleon-d'or gegeben, für einige noch mehr; ja daß es dieser hohe Kavalier war, der ihn dazu beredete, er möge die Mädchen zu sich locken und dann ermorden. Auch der Herzog wurde nun in Untersuchung genommen: er leugnete standhaft die Mitschuld an dem Verbrechen, doch waren die Anzeigen so erschwerend und die Schändung der Leichname durch ihn ziemlich klar dargelegt, obschon, daß er dem Barbier zugeredet, er möge die Mordtaten begehen, nicht bewiesen werden konnte; immerhin wußte er, daß die Mädchen ermordet worden waren; das mußte er sehen. Sein Anwalt verteidigte ihn so geschickt, daß ihm nur die Leichenschändung zur Last gelegt werden konnte, und seine Bestrafung war im Verhältnis zu seinem Vergehen eine geringe. Der Barbier war ehemals Kammerdiener bei dem Herzog gewesen, und die ganze Welt hatte die moralische Überzeugung seiner Schuld.

Ich habe nirgends ein solches Haschen nach sinnlichen Genüssen gefunden, wie in Paris. Die Leute müssen dort außerordentlich entnervt sein, daß sie an dem eigentlichen, natürlichen Begattungsakt beinahe gar kein Vergnügen finden; die Weiber der Demimonde aber suchen nicht einmal einen Genuß darin.

Der Zufall brachte es mit sich, daß ich eine der unterhaltenden Frauen näher kennenlernte. Sie war die Maitresse des russischen Fürsten M., eine selten schöne Person, und für ihr Alter noch sehr gut erhalten. Sie zählte nicht weniger als 33 Jahre. Ich [279] würde ihr nicht mehr als höchstens 25 zuerkannt haben. Ihr Geliebter, der Fürst, welcher ungeheure Summen auf sie verschwendete, fing an, sich mir zu nähern, und es würde mich nur ein Wort gekostet haben, um ihn ihr abwendig zu machen. Ich sagte ihm rund heraus, daß er jede Hoffnung aufgeben müßte, da ich mich niemandem ohne Liebe hingeben würde. Ich besaß durch die Großmut meines verstorbenen Freundes ein ansehnliches Vermögen. Der Russe mißfiel mir aber sehr. Erstens war er alt und häßlich, denn er mochte bereits die fünfziger Jahre überschritten haben, er trug eine Perücke und färbte seinen Schnurrbart. Ich fühlte seit jeher einen Widerwillen gegen Männer, die ihr Alter verheimlichen wollen. Sir Ethelred hatte ganz graue Haare, aber er würde sich geschämt haben, eine Perücke zu tragen. Des Russen Maitresse, Madame Camilla, mußte es mir danken, daß ich ihn abgewiesen, und stattete mir einen Besuch ab, um mir persönlich ihre Danksagung darzubringen.

»Ich hoffe wohl, daß Sie nicht glauben werden, ich könnte den Fürsten lieben«, sagte sie, »er gibt mir aber jährlich 120000 Francs. Dieses Verhältnis währt seit fünf Jahren, und ich möchte ihn noch ein paar Jahre behalten, damit ich es zu einer Million bringe. Ich besaß, ehe ich ihn kennenlernte, nahe an 200000 Francs; von diesen Einkünften verzehre ich nicht einen Sou. Man findet in Paris Gelegenheit, hinter dem Rücken einfältiger Männer auch andere Liaisons zu haben, wenn man nicht so dumm ist, selber zu lieben, was mir seit meiner Jugend niemals widerfahren. Sie staunen, Madame? Es ist dennoch so! Als Mädchen von 12 Jahren wurde ich von meiner Mutter einem alten Kavalier um 20000 Francs verschachert. Ich war schon in diesem zarten Alter pfiffig genug, um mir meine Unabhängigkeit zu sichern. Ich kannte die Theorie des Genusses, und aus [280] Mitteilungen, die mir meine Mutter machte, das Schicksal meiner Schwestern, von denen die eine im Hospital zugrunde gegangen, die andere, weil sie einen ermordet, der sie zur Mutter machte und dann verließ, war guillotiniert; die dritte würde, wenn ich sie nicht unterstützt und zu meiner Freundin gemacht hätte, ein elendes Leben führen.

Sie sind in meinem Alter, Madame, in welchem man alle diese Dinge kennt, und ich bin überzeugt, daß ich Ihnen nichts Neues sage. Der Selbstgenuß entsprach den Beschreibungen, die man mir davon machte, durchaus nicht. Ich ging hierauf zu jenem über mit Personen meines Geschlechts, und zwar mit solchen, die mir sehr gut gefielen, die ich sogar liebte. Sie wissen, daß wir Personen unseres Geschlechts ebenso lieben können wie Männer. Selbst dies befriedigte mich nicht ganz, und ich mußte denen, die mir sagten, der Genuß mit Männern überwiege alles andere, wohl glauben. Es ist möglich, daß, wenn der Mensch, an den mich meine Mutter verhandelt hatte, nicht so alt und häßlich gewesen wäre, sich in meinem Kinderherzen die wirkliche Geschlechtsliebe entfaltet haben würde. So aber empfand ich gegen ihn aus vielen Ursachen Abscheu und Ekel; diese beiden Gefühle erstreckten sich auf meine Mutter, die mich verkauft hatte. Es langweilt Sie aber, Madame«, unterbrach sich Camilla. »Sie werden ähnliche Geschichten schon gesehen haben.«

»Es langweilt mich durchaus nicht; im Gegenteil, ich finde alles, was Sie mir mitzuteilen die Güte haben, sehr interessant und spannend, und es ist sehr schmeichelhaft für mich, daß Sie mich Ihres Vertrauens würdigen«, entgegnete ich. »Ich bitte, fahren Sie nur fort.«

»Wohlan. Der alte Kavalier brachte mich nach einer Wohnung, die er für uns beide gemietet hatte; er wollte sofort zum Angriff schreiten, ich aber war [281] darauf vorbereitet und holte aus meiner Schürzentasche ein kleines Terzerol hervor, welches ich ihm unter die Nase hielt. Ich eröffnete ihm hierauf, daß ich mich nicht weigern würde, doch müßte er mir eine Verschreibung von 100000 Francs für meine Jungfernschaft geben. Anfangs lachte er mir ins Gesicht. Er versuchte es zuerst mit Drohungen, die ich aber erwiderte, indem ich sagte, ich würde ihn beim Polizeipräfekten verklagen, weil er mich meiner Freiheit beraube; später kam er aufs Feilschen, ich sollte mich mit 20000 Francs begnügen. Nicht einen Heller weniger, sagte ich und blieb dabei. Mit narkotischen Mitteln durfte er mir nicht kommen, weil ich keine andere Nahrung zu mir nahm, als entweder Obst, welches unmöglich mit der narkotischen Substanz versetzt sein konnte, oder ich ließ ihn oder das Mädchen, welches mich bediente, ehe ich etwas zu mir nahm, davon kosten. Der alte Mann ward hierdurch noch mehr auf meine Niederlage erpicht, er war kein Geizhals und dabei außerordentlich reich. 100000 Francs war für ihn kaum mehr als ein Drittel seiner jährlichen Einkünfte, er willigte also ein und gab mir die Verschreibung, die ich zu einem Rechtsgelehrten trug, welchen ich fragte, ob sie auch geltend gemacht werden konnte. Auf die bejahende Antwort erfüllte nun auch ich mein Versprechen. Ich ließ mit mir tun, was meinem Galan in den Sinn kam, und ich gestehe Ihnen, daß es Augenblicke gegeben, in welchen ich bitter bereute, mich selbst für die ungeheure Summe von 100000 Francs an ihn verkauft zu haben. Er richtete mich körperlich und geistig ganz zugrunde. Es wäre unmöglich, Ihnen alles zu erzählen, was er mit mir machte. Ich war in seinen Händen eine Märtyrerin. Wenn Sie das verfluchte Buch des Marquis de Sade ›Justine und Juliette‹ zu Händen bekommen sollten, dann würden Sie erfahren, was ein solcher Wüstling, der [282] sich selbst schont, mit einem armen unmündigen Kinde alles tun kann. Von Zeit zu Zeit empörte ich mich gegen meinen Tyrannen, und es gelang mir auch, einige schreckliche Folterungen, zu welchen er mich bereden wollte, damit ich mich denselben unterwerfe, von mir abzuwehren. Endlich, nach drei Jahren, erlöste mich der Tod von meinem Peiniger. Sie haben wohl Eugen Sues ›Martin der Findling‹ gelesen, Sie wissen also, wie ich mich fühlte, als ich von ihm frei wurde. Jeder Kitzel hatte aufgehört, meine Nerven waren durchaus abgestumpft. Ich ging mit meiner ältesten Schwester, derjenigen, die ich noch unterstütze, nach Montmerency, Aix les Bains, Vichy und Biarritz, um mich zu restaurieren, endlich sogar nach Gräfenberg in Österreich. Das kalte Wasser gab mir zwar meine Kräfte, nicht aber die Reizbarkeit meiner Nerven zurück. Nur sehr selten, und auch nur bei Personen meines eigenen Geschlechts vermag ich noch einen Reiz und Genuß zu fühlen, bei Männern niemals, aber ich mache mir nichts daraus. Eben diese Unempfindlichkeit verleiht mir die Macht, die ich über die Männer besitze; denn ich stellte mich, als wenn ich ganz toll vor Wollust wäre. Bei mir ist das Liebesspiel Kunst, wie bei Ihnen die Mimik, damit ich meinem Kinde ein Vermögen hinterlassen kann. Wenn ich es zu einer Million gebracht haben werde, will ich meinen Körper neuerdings pflegen und schonen, und vielleicht empfange ich noch; wenn nicht, dann werde ich ein Kind adoptieren und erziehen, es soll dann ganz anders und glücklicher werden, als ich es gewesen.«

Da Camilla, so wie die meisten ausgehaltenen Weiber in Paris, eine bedeutende Rolle spielte, die jener der Damen des Foubourg St. Germain in nichts nachsteht – ja, sie geben sogar in mancher Beziehung, namentlich in allem, was Mode betrifft, mehr als diese den Ton an – so durfte ich es wagen, ohne [283] meinem Ruf zu schaden, mit ihr zu verkehren. Camilla führte mich in mehreren Zirkeln der Boheme galante ein. Ich besuchte alle Unterhaltungsplätze; namentlich im Sommer Asnières, wo die Damen in der Seine zu baden pflegen. Ich ging dahin, wie es die Kaiserin Eugenie getan, die es diesem Vergnügen zu danken hat, daß sie den großen Gimpel Napoleon in ihre Netze verstrickte. Sie würde ebenso zu einer unterhaltenden Frau herabgesunken sein, wie viele Damen der hohen Aristokratie, die außer ihrem Titel nichts besitzen.

Auch in Paris fand ich meine gute Meinung, die ich von den Ungarinnen hatte, bestätigt. Es gab hier vier Damen dieser Nation: Mathilde von M ..., ein natürliches Kind des Fürsten D ..., von ihrer Mutter in einer solchen Weise an einen Kavalier verhandelt wie meine Freundin Camilla. Auch sie emanzipierte sich von ihrer Mutter und heiratete einen reichen Bankier in Paris. Sarolta von B ..., meine Kollegin im Theater Lyrique, mit welcher ich mich aufs innigste befreundete. Wir verabredeten unter uns, daß wir miteinander nach London reisen wollten, um dort auf dem Conventgardentheater aufzutreten. Sarolta war nicht meine Rivalin im Gesang, sie trat nur in lyrischen Opern oder als zweite Prima Donna auf. Sie war ein reizendes Wesen und noch nicht verdorben. Sie spielte mit den Männern, ohne ihnen ihre Gunst zu gewähren. Sie fürchtete sich ebenso wie ich vor der Gefahr, Mutter werden zu können. Die dritte war eine gewisse Madame de B ..., die Gattin eines emigrierten ungarischen Obersten, der mit ihr in Bigamie lebte; als seine erste Frau, von welcher er nicht gerichtlich geschieden war, diesem ihre bevorstehende Ankunft zu wissen gab, ergriff er die Flucht, reiste nach Konstantinopel und trat zum Islam über. Estella B ... kam später vor das Zuchtpolizeigericht wegen Verführung eines Minderjährigen [284] zum Schuldenmachen. Sie wurde zu einem Jahre Zuchthaus verurteilt. Sie soll, wie ich später erfuhr, ihrem Gatten nach Kairo gefolgt sein, und dieser verkaufte sie um 5000 Piaster an den Khedive von Ägypten, über den sie eine solche Macht erlangte, wie keines seiner übrigen Weiber. Die vierte Ungarin war eine gewisse Jenny K., die Tochter eines verarmten Advokaten in Pest. Sie und ihre drei Schwestern waren auf das Verkaufen ihrer Reize angewiesen und fingen mit ziemlich niederen Preisen das elende Handwerk an; für einen Silber-Zwanziger (30 oder 40 Pfennig) war sie für den nächsten Besten feil. Später verliebte sich ein armer siebenbürgischer Graf in sie und brachte sie so in Mode. Sowohl Jenny, wie ihre beiden Schwestern – die dritte hatte Pech und ist verschollen – machten ihr Glück und Jenny kam nach Paris, wo sie zu den elegantesten Damen der Boheme gehörte. Ein italienischer Kavalier, der Marchese M ..., heiratete sie dann, ohne sie aber lange zu besitzen, da er zwei Jahre nach seiner Vermählung starb, worauf Jenny ihr Netz auf einen souveränen Fürsten aufwarf, der sie an den Altar führte.

Sie sehen, daß, wenn ich mich auch mit den Eroberungen nicht brüste, die ich in Paris gemacht, so habe ich Ihnen doch genug Interessantes erzählt.

15.

[285] XV

Im vorhergehenden Abschnitte hatte ich erwähnt, daß wir – Sarolta und ich – uns vorgenommen hatten, nach London zu reisen, um dort aufzutreten. Ich hatte in Paris ziemlich mäßig gelebt. Ich war vorsichtig in den Liebesgenüssen und versäumte niemals, eines der Feuerversicherungsmittel zu gebrauchen, von denen ich weiter oben gesprochen habe.

Ehe ich über meinen zweijährigen Aufenthalt in London spreche, darf ich nicht vergessen, den Mann zu erwähnen, der mich ohne Ihren Beistand, mein teurer Freund, beinahe zugrunde gerichtet hätte. Ich habe Ihnen mündlich alles gebeichtet, und es ist vielleicht nicht notwendig, daß ich es auch schriftlich tue. Niemals habe ich einen Menschen von so eiserner Beharrlichkeit gesehen. Etwa drei Monate nach meiner Ankunft in Paris ward ich mit ihm bekannt, er stand im Rufe, der rößte Roué der Seinehauptstadt zu sein, und ich wies ihn stets mit äußerster Kälte zurück. Trotzdem verfolgte er mich überall hin, selbst nach London, wo er stets in der Nähe meiner Wohnung sich einnistete, indem er beinahe immer mir gegenüber sein Logis hatte. Eine solche Beharrlichkeit hielt ich anfangs für Tollheit, später für unbegrenzte Liebe, bis ich zu meinem Unglück zu wissen bekam, daß es nichts als Eitelkeit und Rachegefühl war; da war es aber schon zu spät. Ich will nichts mehr von ihm sagen; sein Andenken ist mir ebenso verhaßt, wie ich ihn sonst liebte, ehe er an mir jene doppelte Treulosigkeit beging, indem er mich gleichzeitig zur Vernachlässigung meiner gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln verführte und mich sogar ansteckte. In London durfte er es nicht wagen, mich auffällig zu verfolgen, dort konnte ich den Beistand der Polizei gegen ihn in Anspruch nehmen, und er [286] wagte es nicht, mich in jener Weise anzugreifen, wie er es später in einem anderen Lande und unter anderen Verhältnissen tat.

Sarolta und ich nahmen eine sehr hübsche Wohnung in Saint Johns Wood, also in unmittelbarer Nähe des Regentsquares. Es war zu Anfang der Londoner Opposition. Das Wetter ist in London im Monat April am schönsten und so beständig, daß man hier lieber einem jeden andern Monat den Vorwurf der Veränderlichkeit machen könnte. Außer dem Regentspark, welcher der ganzen Welt zum Spazierplatze dient, hatte unser Cottage auch noch einen ganz eingeschlossenen Extragarten mit ein paar Obstbäumen, einer Geißblattlaube und sehr gut gehaltenen Kieswegen, wo wir die Morgenstunden zuzubringen pflegten und gewöhnlich auch unser Frühstück, das sogenannte Lunceon, einnahmen. Zuweilen aber blieben wir oben in unserem Hinterzimmer, welches die Aussicht über die Mauer hinaus auf den Regentspark bot. Von meiner Schlafstube hatte ich eine perspektivische Ansicht des ganzen Parkes und eines Teiles von St. Johns Wood.

Eines Morgens war Sarolta zu mir auf meine Schlafstube gekommen; die Fenster standen offen, ein paar Rotkehlchen zwitscherten auf dem Fensterbrette und pickten an dem Kuchen, den ich für sie dahin gelegt hatte. Sie waren so zahm und heimisch geworden, daß sie Sarolta auf den Nacken sprangen und ihr kleine Krümchen Backwerk aus dem Munde nahmen, oder auf meine Kopfkissen flogen und umhersuchten, ob es nicht etwas zum Naschen gäbe. Eine schwache Brise bewegte das Laub und die Bäume, der wollüstige Duft des Flieders drang in mein Gemach. Ich sprang in einem Hemd, nur ein leichtes Tuch über meinen Nacken geworfen, aus dem Bette und lehnte mich an Saroltas Seite zum Fenster hinaus.

[287] »Sieh nur«, rief mir Sarolta zu, »ist das nicht sonderbar, ein so elegant gekleideter Herr mit fünf oder sechs zerlumpten Kindern?«

Damit wies sie mit dem Finger nach einer Baumpartie im Regentsparke.

Ich blickte dahin, und sah einen Herrn auf eine Entfernung von einer englischen Viertelmeile, welcher zwei barfüßige Mädchen an der Hand führte und nach einem Platze ging, der mir sehr bekannt. Es war der verborgenste im ganzen Regentsparke, eine kleine Lichtung, ringsum mit dichtem Gesträuch umgeben. Wie ein Blitzstrahl fuhr es mir durch das Gehirn, es könnte ein alter Wüstling sein, der die Kinder zu unzüchtigen Handlungen verleiten wollte, wie dies hier nichts Seltenes ist.

In diesem Augenblick ging eben ein Polizeimann auf dem Wege hinter unserer Gartenmauer vorüber; ich rief ihm zu und sagte ihm, was ich gesehen; er möchte dahingehen und nachsehen, was der Mensch mit den Kindern vorhabe. Der Polizeimann beschleunigte seine Schritte, und wir erblickten ihn bald am Rande des eingeschlossenen Platzes, und wie er dann im Gebüsch verschwand und einige Minuten dort blieb. Nach einer Weile trat er mit dem Herrn, dessen Toilette etwas in Unordnung war, aus dem Gebüsche. Ich hatte mein Fernrohr hervorgeholt und konnte alles, was dort vorging, genau sehen. Der Polizeimann stritt mit dem Herrn, und rundherum standen die kleinen Mädchen, Kinder von 5–10 Jahren, auch sie sprachen und gestikulierten heftig. Eins von ihnen ging auf das kleinste Mädchen zu, deutete auf den Arrestanten und hob des Kindes Röckchen beinahe bis an den Bauch in die Höhe. Sie würde mit ihren Beweisführungen vielleicht noch deutlicher geworden sein, hätte der Polizeimann nicht gewinkt, daß dies genüge. Mehrere Spaziergänger hielten an und drängten sich näher [288] an die Gruppe, wir vernahmen auch wirre Rufe, wie »take him in charge« (arretiert ihn) u. dergl. Und der elegante Herr mußte dem Polizeimanne folgen. Noch ein zweiter Polizist kam dazu, und man führte ihn nach der Polizeistation, ich glaube irgendwo in Marylebone.

Einige Tage darauf lasen wir die Polizeiberichte in der Times und fanden darunter den Herrn, den wir im Regentsparke gesehen, vor dem Friedensrichter, der ihn vor die Assisen verwies. Der Polizeimann, der ihn arretiert, und die kleinen Mädchen, die er zur Unzucht verführen wollte, traten als Zeugen gegen ihn auf. Der Fall war interessant genug, daß wir uns Plätze sicherten. Es war sehr pikant, was die Mädchen aussagten. Der Kaufmann, denn das war dieser Mensch, hatte nichts anderes getan, als die Mädchen entblößt; er ließ sie sich im Grase niederlegen und leckte an ihren kleinen Muschelchen, eine mußte ihm sogar in den Mund pissen, dafür erhielt sie auch doppelt soviel von ihm als die übrigen, nämlich zwei Schillinge. Obschon die Sache ziemlich klar und erwiesen war, wurde der Angeschuldigte von den Geschworenen dennoch nicht schuldig befunden und kam mit einem derben Verweis des Richters los.

Die englischen Gesetze, die Gerichte und überhaupt das ganze Publikum sind manchmal sehr nachsichtig in solchen Fällen, was sich mit der gerühmten Unparteilichkeit und Gerechtigkeitsliebe dieser Nation kaum reimen läßt. Ein Angeschuldigter wird manchmal wegen einer Kleinigkeit zu einer viel härteren Strafe verurteilt, als wenn ein anderer weiß der Himmel was begangen hätte. Ich entsinne mich mehrerer solcher Fälle, bei welchen ich ganz anders geurteilt haben würde als die englischen Gerichte. Es war einer meiner gewöhnlichen Zeitvertreibe, die Polizeiberichte zu lesen, namentlich die [289] Vergehen gegen die Sittlichkeit. Die Engländer haben eine eigene Manier, sich bei den Frauen einschmeicheln zu wollen, indem sie sich auf unschickliche Weise entblößen und den Frauen ihr Szepter zeigen. Es war manchmal wirklich zum Lachen. Ein junger Engländer stellte sich ganz nackt vor die Tochter seiner Hauswirtin, als sie eben zu ihm hinaufging, um sein Bett zu machen. Ein junger Franzose kam eines Abends etwas benebelt nach Hause und raubte der Tochter seiner Hauswirtin einen Kuß; er wurde dafür auf sechs Wochen nach der Tretmühle geschickt. Eine gar zu harte Strafe für einen Kuß!

Am nachsichtigsten sind aber die Gerichte und das Publikum gegen Geistliche. Ein solcher hatte zwei Mädchen bei sich in Kost und Wohnung. Er verleitete sie dann zu allerhand unzüchtigen Handlungen, nahm sie zu sich ins Bett, spielte an ihren Muscheln, gab ihnen sein Zeugungsglied in die Hand usw. und wurde von den Geschworenen zur Zuchthausstrafe verurteilt. Der Erzbischof von Canterbury und die ganze übrige Geistlichkeit nahmen sich des Verurteilten an, bis sein Prozeß erneuert wurde. Man vernahm die beiden Kinder, die ältere 12, die jüngere 7 Jahre alt. Die ihnen gestellten Fragen verwirrten die armen Geschöpfe derart, daß die ganze Schuld auf sie gewälzt wurde. Als ob es möglich wäre, daß zwei solcher Kinder einen ältlichen Mann zur Unzucht verleiten könnten! Dennoch wurden diese Kinder als dieses Vergehens schuldig nach der Besserungsanstalt zu Holloway abgeführt, der wirklich Schuldige aber, der Reverend Hatchet, von jeder Schuld freigesprochen, ja man betrachtete ihn dafür, daß er einige Wochen im Zuchthaus gesessen, wie einen Märtyrer, man veranstaltete Geldsammlungen für ihn, und er erhielt sogar eine gute Pfründe.

[290] Sie kennen doch meine Ansichten über diesen Punkt, über das, was man Unzucht nennt. Sie wissen, daß ich mit der laut ausgesprochenen Meinung der großen Menge nicht übereinstimme. Ich glaube nämlich, daß es jedermann, Mann oder Weib, freisteht, mit seinem Körper nach Belieben zu verfügen, wenn dies einem andern keinen Schaden verursacht. Gewalt aber oder Verführung durch Versprechen, Aufreizung der Sinne, narkotische oder betäubende Mittel, die den Gegenstand der Verführung zu einer willenlosen Maschine machen, halte ich für sehr strafbar und so sehr und so oft ich Liebe und jede Gattung von Wollust genossen, so kann ich mir doch nicht den Vorwurf machen, daß ich jemals eine Person zu derartigen Handlungen verführt hätte. Ich habe Ihnen die Art und Weise erzählt, wie ich Rosa zu meiner Geliebten machte, sie ist es auch jetzt noch. Ein solcher Umgang wird aber nicht einmal von den Gesetzen geahndet.

Überhaupt sind die Gesetze manchmal nichts anderes, als der Ausfluß der Laune und ein Werkzeug der Willkür und einer gewissen Eingenommenheit für und gegen einen Menschen. Dies hat auch ein anderer Fall bewiesen. Ein Arzt, der ein anatomisches Museum besaß und sich dadurch viel erwarb, ward von einem Groom angeklagt, er hätte ihn verführen wollen. Der Arzt hatte dem Burschen dafür Geld versprochen, und dieser drohte ihm mit einer Anklage; wenn er sich auch eines Vergehens schuldig gemacht hätte, so doch der Arzt ebenso, da er ihn schänden wollte. Dennoch geschah dem letzteren nichts, der Bursche aber wurde zu lebenslänglicher Deportation verureilt.

Während meines dreijährigen Aufenthaltes in London – denn obschon ich mich anfangs nur auf zwei Jahre verpflichtet hatte, so gefiel es mir so gut, daß ich selber Schritte tat, um noch ein Jahr länger [291] hier engagiert zu sein – kamen in den Zeitungen mehrere Fälle vor, die es nur zu klar bewiesen, daß die Menschen sich überall gleich sind, daß die Begierden hier wie überall den Menschen zum Begehen der lasterhaften Handlungen treibe, so daß der gewöhnliche geschlechtliche Genuß, ja selbst derjenige zwischen Personen einerlei Geschlechts im Vergleich mit raffinierten, aus krankhaften Gelüsten entstehenden unzüchtigen Handlungen ganz natürlich und verhältnismäßig unschuldig erscheinen muß.

So wie in Frankreich, in Italien, ja wahrscheinlich auch in Deutschland, so werden in London die größten Verbrechen und Schändlichkeiten aus Wollust verübt. In London stand ein Polizeimann vor Gericht, weil er mit einer Eselin Unzucht getrieben. Er wurde aber nur wegen des Skandals und ziemlich leicht bestraft. Die Bestialität selbst blieb unbestraft.

Der schrecklichste Fall war aber jener eines jungen Italieners namens Lanni mit einer französischen Lustdirne. Er hatte diese während des Beischlafes, und zwar im Momente der höchsten Wollust, während der beiderseitigen Ergießung, mit den Händen erdrosselt, um dann noch mit dem Leichnam die Unzucht fortsetzen zu können. Mir haben einige englische Rechtsgelehrte gesagt, daß, wenn Lanni diese Person nach vollbrachter Tat nicht noch obendrein ausgeraubt hätte – denn er stahl alle ihre Juwelen, ihr Geld und alle ihre Wertsachen, außerdem hatte er aber schon eine Fahrkarte für ein nach Rotterdam fahrendes Dampfboot am vorhergehenden Abend gelöst, so daß der an ihr begangene Raubmord als vorbedacht angenommen werden konnte – so würde er wahrscheinlich nicht als Mörder betrachtet und auch nicht hingerichtet worden sein. Man hätte die Erdrosselung als in höchster Wollust geschehen, für einen Totschlag ansehen können, der nicht mit dem Tode bestraft worden wäre.

[292] Wenn man bedenkt, daß es in den Todesstrafen keine Abstufungen gibt, so muß man sich darüber entsetzen, daß diese noch immer angewendet wird. Darin ist keine Gerechtigkeit. Dieser Lanni war doch gewiß viel schuldiger als einer seiner Landsleute in London, der aus Eifersucht seinen Nebenbuhler, den er im Bette bei der Person fand, in die er bis zur Raserei verliebt war, mit einem Pistolenschuß tötete und sich dann selber entleiben wollte; doch zerschmetterte er mit dem zweiten Schusse nur seine Kinnlade. Man behandelte ihn mit der größten Sorgfalt, um ihn am Leben zu erhalten. Weswegen? Damit er dennoch hingerichtet werden könne. Ich halte es für grausam und barbarisch.

Ich will jetzt diese vielen Kriminalfälle, die ich hier erwähnt, schließen, und auf ein anderes Thema übergehen und Abenteuer erzählen, die ich hier erlebte. Es ist, glaube ich, die höchste Zeit, daß ich das tue.

In London traf ich die Schwester jener Jenny K ..., der Ungarin, von der ich im vorhergehenden Briefe gesprochen, an. Sie war ziemlich schön, doch bei weitem weniger als Jenny. Auch Laura K ... machte später ein riesiges Glück, einer der reichsten Kavaliere Deutschlands, der preußische Graf H ..., verliebte sich in sie, machte sie zu seiner Maitresse und heiratete sie sogar. H ... war nicht mehr jung, er hinterließ ihr nach seinem Tode ein kolossales Vermögen von mehr als einer Million Talern, und sie kaufte eine der größten und schönsten Herrschaften in Ungarn, eine Stunde von Preßburg entfernt. Dies kann man doch Glück nennen.

Sarolta fand in London nicht jene Aufnahme, auf die sie gerechnet, und verließ mich schon im Augustmonat desselben Jahres, in welchem sie hergekommen, so daß ich außer Rosa keine andere Freundin hatte. Man lud mich zwar zu den fashionabelsten [293] Gesellschaften, dort aber langweilte ich mich, und ich hätte gern das Leben und Treiben der Londoner Bohèmegalante ebenfalls kennenlernen mögen. Zum Glück geriet mir ein Empfehlungsschreiben meines verstorbenen Freundes an eine seiner Cousinen, die in London in der Vorstadt Bromptan wohnte, in die Hände. Ich schickte ihr den Brief Sir Ethelreds samt meiner Karte und erhielt eine Einladung noch an demselben Abend.

Mrs. Meredith, dies war ihr Name, war eine Dame von etwa 45–48 Jahren. Sie mußte einst sehr schön gewesen sein, doch auch das Leben sehr genossen haben, denn sie sah ziemlich verwelkt aus, ihre Haare fingen an grau zu werden, sie hatte eine Menge Falten im Gesicht und nahm zu Haarpuder ihre Zuflucht. Sie war eine Philosophin der epikurischen Sekte, doch wurde sie überall gerne gesehen, denn sie besaß viel Geist, einen niemals versiegenden Humor und eine gute Laune, dabei war sie auch sonst sehr liebenswürdig und vermögend genug, um Abendpartien bei sich geben zu können. Freilich waren ihre Gesellschaften zumeist aus Personen ihrer eigenen Ansichten zusammengesetzt, und darunter gab es auch Ladies von ziemlich zweideutigem Rufe, obschon der Aristokratie angehörend. Doch trotz der Freiheit und Ungezwungenheit, die in ihren Zirkeln herrschten, arteten diese niemals in Orgien aus.

Trotz der Verschiedenheit unseres Alters befreundeten wir uns sehr bald miteinander, und ich gestand ihr, in welchem Verhältnisse ich zu ihrem seligen Cousin gestanden. Sie belobte mich, daß ich ihn mit meiner Liebe beglückt hatte, sie mußte es übrigens geahnt haben, denn schon bei meinem ersten Besuche ließ sie einige Worte fallen, die darauf deuteten, daß er ihr von einem Liebesverhältnisse in Italien geschrieben habe, ohne aber meinen Namen zu nennen. Ethelred war immer ein Muster der Diskretion. [294] Mrs. Meredith selbst war es, die den Weg zu den freiesten Meinungsäußerungen über alle möglichen Gegenstände anbahnte. Sie sagte, sie habe es auch jetzt noch nicht aufgegeben, Liebe zu genießen, obschon dies nicht ohne Geldopfer geschähe. »Mein Gott«, sagte sie, »ich mache es wie ältliche Männer, die von jungen Geschöpfen Liebe kaufen. Dies entehrt nicht die Käufer, sondern diejenigen, die das höhere Gut für das geringere geben.«

Da sie selber überall hinging, so war es mir ebenfalls leicht, mit allem, was für sehenswert gehalten wurde, bekannt zu werden. In Bezug auf Personen der Londoner Bohèmegalante und des Theaters sind die Engländer und Engländerinnen ziemlich tolerant. Sie schließen sie zwar aus ihren Gesellschaften, oder wenn sie sie auch zu sich einladen, betrachteten sie sie doch wie Musikmaschinen. Sie sind zwar höflich gegen sie, wenn aber das Konzert vorüber, dann kennen sie sie nicht mehr. Heiratet aber ein Kavalier eine Person, von der Straße aufgelesen, dann wird von ihrem ehemaligen Lebenswandel nicht weiter gesprochen, der wird ganz ignoriert; und solche von der Straße aufgelesenen Personen können als Gattinnen von Lords sogar bei der Königin eingeladen werden. Ich kannte drei solche Damen, Lady F ..., die Marchioneß von W ... und Lady S ...

Obschon sich die englische Aristokratie nicht nur von der Bourgeoisie, sondern sogar unter sich nach den verschiedenen Parteien, zu welcher diese oder jene Familie gehört, am schroffsten absondert, so gibt es doch Gelegenheiten, bei welchen eine gewisse Amalgamisation der Kasten stattfindet, namentlich bei Wettrennen, bei Jahrmärkten, die zwar jetzt zu den Seltenheiten gehören, bei Blumenausstellungen und anderen öffentlichen Festlichkeiten, zuweilen sogar in Badeorten, namentlich im Ausland an den Spieltischen Deutschlands.

[295] Einige öffentliche Lokale werden übrigens nur von den Damen der Straße besucht, namentlich die Tanzböden in Canterbury Hall, Argyll Rooms, Piccadilly Saloon, Holborn Casino, Black Eagle, Cadwell und unzählige andere. Die Straßennymphen, obschon sie in den Polizeiberichten Prostituierte genannt werden, sind trotzdem nicht so sehr die Parias der Gesellschaft, wie auf dem Continente und werden von den Gesetzen mehr geschützt als anderswo; wenn sie von jemand insultiert werden, indem er ihnen entehrende Titel gibt, so wird der Beleidiger bestraft; sie bilden also nicht so sehr eine verworfene Kaste wie anderswo, deshalb nennen sie sich auch nicht Lustdirnen, sondern unabhängige Damen. Es gibt Lokale, wo sie sich zu versammeln pflegen, wo der Eintritt nicht jedem Menschen gestattet wird, z.B. in Orendon Street bei Mrs. Pamilton. Man muß von einer dieser Personen dort eingeführt werden. Selbst in den Portlandrooms ist es nicht immer möglich, Eintritt zu erlangen. Endlich aber herrscht unter diesen Personen ein gewisser Korpsgeist. Ich war Zeugin eines Auftritts in den Portlandrooms, wo ein Gentleman von der Polizei hinausgeführt wurde, weil er sich über eine dieser Personen verächtlich geäußert hatte. Diese wandten sich an Mr. Frère, den Inhaber des Lokals, der dann gegen den Kavalier einschritt.

Mrs. Meredith erzählte mir von den vielfachen Abenteuern, die sie in diesen Lokalen erlebt, und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, eins derselben unter ihrem Schütze und an ihrer Seite zu besuchen. Ich bedachte mich nicht lange, sondern nahm ihren Antrag an. Wir durchwanderten sie alle nacheinander. Ich hatte Gelegenheit, Bemerkungen über den Charakter dieser verlorenen Geschöpfe zu machen, und meine Meinung über die Engländerinnen dieser Kaste war vergleichsweise mit der über die Freudenmädchen [296] anderer Nationen eine verhältnismäßig günstige. Ich will nicht sagen, daß es unter diesen Weibern nicht ebenso verworfene Geschöpfe gibt, wie in Frankreich und anderswo, die für Geld zu allem zu bringen sind, ferner Marmordamen, die nur darauf ausgehen, die Männer zu plündern. Personen, bei denen jedes bessere Gefühl, jede Reizbarkeit der Nerven ausgestorben; doch im allgemeinen benehmen sich die englischen Lustdirnen viel weniger frech als die Französinnen, und selbst hier in London sind sie von den Personen dieser Nation und den Deutschen sehr verschieden. Ich muß es leider zur Schande der Auswürflinge meiner eigenen Nation bekennen, daß die deutschen Lustdirnen unter allen die frechsten und verworfensten sind. Sie müssen es wohl deshalb sein, weil sie an Schönheit mit den Engländerinnen den Wettstreit nicht aushalten können und das, was ihnen dazu mangelt, durch ein ungezügeltes Benehmen, welches mancher Männer Begierden reizt, zu ersetzen gezwungen sind. Man erkennt sie durch ihre auffallende Toilette und ihren Gang schon aus der Entfernung.

Die Bälle in Canterbury Hall, in den Argyll Rooms, in Holborn Casino, in Surry und Vauxhallgarten, ebenso auch im Cremorzegarten und im Piccadilly-Saloon sind ziemlich fad, man möchte sie für was immer sonst halten, nur nicht für Bälle. Die Weiber in Mantillen und Hüten, die Männer ebenfalls mit Hüten, Überziehern, und Stöcke in der Hand, das Tanzen steif und taktlos; es ist eine wahre Satire und eine Profanation der edlen Tanzkunst. Ich selber ging mit Mrs. Meredith auf alle diese Bälle; wiewohl wir eines dieser Lokale kaum öfters als einmal, höchstens zweimal besuchten, erkannte das Publikum es doch sogleich, daß wir nicht zu dieser Kaste von Frauen zimmern gehörten. Man nahm also dort keine Notiz von uns; niemand forderte [297] mich zum Tanz auf, ich würde es allerdings auch nicht getan haben.

Unter allen diesen Lokalen sind die Bälle in Portlandrooms und der einzige große alljährliche Maskenball im Vauxhallgarten im Sommer die unterhaltendsten, ja, sie übertreffen sogar jene von Paris im Jardin Mabille, Chateau rouge, Jardin d'Hiver, Chateau de fleurs, Gonelagh und Frascati. In den Portlandrooms werden nur in der Wintersaison Bälle abgehalten. Sie beginnen erst nach Mitternacht und währen bis 4 oder 5 Uhr des Morgens. Die Gentlemen und die Ladies kommen hierher im Ballkostüm. Hier kann man die wahre Eleganz der englischen Bohèmegalante finden, alle ausgehaltenen Damen tanzen nicht mehr in Mantillen und Hüten, sie sind decolleté, die Herren ebenfalls im Ballkostüm, schwarz mit weißen Westen und Halsbinden. Hier wird auch Cancan getanzt, und zwar ein sehr ausgelassener, wie die Weiber überhaupt hier mehr Bacchantinnen sind als anderswo, ohne daß sich die Polizei darein mengte. Die Ausstattung des Saales selbst entspricht dem Glänze der Toiletten durchaus nicht; sie ist die elendeste, die man sich nur vorstellen kann; ein geweißter Saal ohne Dekorationen, Bänke von weichem Holz, eine zwar starke, doch häßliche Beleuchtung, die Gasflammen aus eisernen Röhren hervorströmend, die Speisen am Büfett unschmackhaft und sehr teuer, das Orchester das elendeste, ziemlich stark besetzt, doch spielen die Musikanten falsch, mit einem Wort, man kann nicht begreifen, was der Zweck eines solchen Kontrastes zwischen dem Glänze der Toiletten und der Armseligkeit des Lokals sein kann.

Es ist natürlich, daß alle diese Plätze ausschließlich nur von der Bohèmegalante besucht werden, und nur einmal im Jahre vermischt sich die Aristokratie der Damen mit der niedrigsten Kaste im Maskenball [298] des Vauxhallgartens, welcher von der Hautevolee ebenfalls benutzt wird, so daß man hier wirkliche Ladies erblickt.

Mrs. Meredith war mit den meisten Damen der Bohèmegalante nicht nur bekannt, sondern sogar intim, und gäbe es in der englischen Sprache ein Duzen, sie würde sich mit ihnen geduzt haben. Einige dieser Personen besuchte sie auch, und sie gab ein paar Abendgesellschaften eigens für sie. Bei diesen Gesellschaften aber gab es keinen einzigen Mann, dennoch unterhielten wir uns hier vielleicht besser, als wenn Männer daran teilgenommen hätten.

Sie besaß außer ihrem Londoner Hause ein schönes Landgut in Surrey, nicht viel weiter von London entfernt als Richmond. Auch dahin wurden einige der jüngsten und schönsten Venuspriesterinnen eingeladen, und sie erschienen in ziemlich großer Anzahl. Ich selber brachte auch Rosa mit mir, die trotzdem, daß sie bereits 26 Jahre alt war, noch immer so blühend aussah wie damals, als ich mit ihr nach Paris kam; sie war während der vier Jahre gar nicht gealtert. Unsere weibliche Gesellschaft mochte etwa zwischen 40 und 50 Personen gezählt haben, und wir sollten drei Tag das Fest hinausziehen.

»Wir wollen eine homosexuelle Orgie feiern«, sagte Mrs. Meredith, »wir wollen sehen, ob wir die Männer nicht ganz entbehren können.«

Durch den Garten der Mrs. Meredith floß ein ziemlich breiter Strom, welcher aber für Schiffe zu seicht ist, so daß man ihn an manchen Stellen durchwaten kann. Gerade dort, wo er durch den Garten fließt, ist er noch am tiefsten, so daß man hier auch schwimmen kann. Da der Garten von einer hohen Mauer umschlossen ist und die Ufer des Flusses im Innern des Gartens von Trauerweiden umgeben sind, so daß sie denselben vor allen neugierigen Augen verdecken, so wie man überhaupt im ganzen Garten tun [299] kann, was einem beliebt, ohne befürchten zu müssen, es könnte von außen her gesehen werden, so eignete sich hier alles aufs beste zum Abhalten einer Orgie.

Wir hatten das herrlichste Wetter, wie wir es uns nicht besser wünschen konnten, nicht ein Wölkchen zeigte sich während unseres dreitägigen Aufenthaltes hierselbst. Mrs. Meredith hatte es uns zum Gesetz ge macht, während unseres Hierseins stets nackt zu bleiben; wir zogen nur Schuhe an, wenn wir im Freien lustwandelten, denn auf den Kieswegen würden es unsere Fußsohlen empfunden haben. Das Bett des Flusses aber bestand aus weichstem Sand ohne den geringsten Schlamm. Wir brachten den größten Teil unserer Zeit im Wasser zu, wie Enten, wir schäkerten miteinander, schwammen umher; da ich unter allen übrigen die geschickteste Schwimmerin war, einige der Damen aber diese Kunst nicht gelernt hatten, so setzte sich bald die eine, bald die andere rittlings auf meinen Rücken; die Berührung des nackten Fleisches war gar so wollüstig und zuweilen ward ich sogar von mehreren umringt.

Soll ich Ihnen alles erzählen, was wir hier getan? Es wäre zu viel und mein Brief würde mehr als doppelt so lang sein als alle übrigen, die ich Ihnen geschrieben; es wäre aber auch unmöglich, alles so zu beschreiben, wie es geschah, demnach gebe ich es lieber auf. Es genüge Ihnen, davon soviel zu wissen, daß wir uns alle in Wollust badeten. Es waren unter den Anwesenden einige Personen, die behaupteten, sie hätten in den Armen der Männer niemals diese Seligkeit empfunden wie im homosexuellen Genuß. Ich begreife es jetzt, daß die Türkinnen in ihren Harems sich niemals langweilen, und daß sie sich auch nicht so unglücklich fühlen müssen, wenn es lange währt, ehe an eine die Reihe kommt, daß ihr der Sultan sein Taschentuch zuwirft. Ich kann es mir [300] denken, auf welche Weise sie sich die Zeit verteiben; sie machen es, wie wir es hier getan, und ich weiß noch immer nicht, ob der homosexuelle Genuß dem heterosexuellen nachsteht. Schon die Sicherheit dessen, daß diese Umarmungen keine so nachteiligen Folgen nach sich ziehen können, erhöht den Genuß, denn man überläßt sich seinen wollüstigen Empfindungen ohne die geringste Furcht.

Für keinen von uns war übrigens dieses Fest ein solcher Genuß, wie für unsere Hauswirtin, denn wir alle wetteiferten darin, ihr unsere Dankbarkeit zu bezeugen, daß sie uns auf eine so glänzende Weise bewirtete, doch fühlten wir nach dem dritten Tage eine so große Erschöpfung, daß wir den vierten zumeist im Bette zubrachten, dann aber reisten wir allesamt nach London zurück, wohin mich meine Berufspflicht zurückrief.

Ich hätte in London enorme Summen gewinnen können, wenn ich es darauf angelegt hätte Männer erobern zu wollen. Lord W ..., der unter allen diesen englischen Kavalieren einer der größten Gesangsfanatiker war und auf eine andere Sängerin ungeheure Summen verschwendet hatte, ja, hier ein Engagement für sie erwirkt hatte, welches sie eigentlich nur seiner Dazwischenkunft zu danken hatte, ließ mir durch mehrere seiner männlichen und weiblichen Bekannten die glänzendsten Anerbietungen machen, doch ich schlug dieselben ebenso aus wie alle anderen, die mir von seiten der englischen Aristokratie gemacht wurden, so daß ich trotz meiner intimen Bekanntschaft mit Mrs. Meredith doch im Rufe der Uneinnehmbarkeit stand. Eine Dame, die mich bei Gelegenheit der Verheiratung ihrer Tochter zu einem Hausfeste einlud, sagte mir Schmeichelhaftes sowohl über meinen Gesang wie über meine Aufführung. Sie brachte auch meine Bekanntschaft mit Mrs. Meredith aufs Tapet.

[301] »Diese gute Dame steht zwar in einem zweideutigen Ruf; Sie werden das wahrscheinlich aber nicht gewußt haben«, sagte sie, »wie ich höre, haben Sie ihren Vetter Sir Ethelred Merwyn gekannt. Man behauptet, er wäre ehemals ihr Geliebter gewesen, und daß ihm das Gefühl der Liebe bis an sein Lebensende Freund geblieben. Er hat Ihnen seine Cousine anempfohlen? Wahrscheinlich wird er nicht gewußt haben, daß sie steinreich geworden. Übrigens kann Sie das nicht berühren. Sie brauchen davon keine Notiz zu nehmen.«

Wie irrig die Meinung der Welt doch in mancher Beziehung urteilt. Sir Ethelred – ein Stoiker, darüber könnte ich das meiste sagen; denn so genau wie ich hat ihn wohl kein anderes Weib gekannt.

Sie werden mich vielleicht fragen, ob ich nicht auch in London und in Britannien überhaupt meine petites Fredaines gehabt? Glauben Sie, ich habe meinen vertrauten Umgang mit Rosa aufgegeben? »Nicht dies, nicht dies«, höre ich Sie rufen. Nun ja, ich hatte meine kleinen Abenteuer, doch maskierte ich mich dabei immer so geschickt, daß es niemand einfiel, in mir die berühmte Primadonna zu sehen. Ich besuchte sogar den sogenannten Strèck in Regents Street und Portlandplace bald mit der einen, bald mit der anderen der Damen, die ich bei Mrs. Meredith und in den Portlandrooms kennengelernt, ja, sogar mit Mrs. Meredith selber. Wir mußten uns freilich sehr in acht nehmen, damit wir keinem jener begegneten, die uns in Gesellschaften getroffen, und eben deshalb wechselten wir den Strich, indem wir Gegenden besuchten, die sehr weit entfernt vom Zentralpunkte der Stadt sind, namentlich die östlichen und nördlichen Vorstädte Londons, St. Georges in the East und dann weiter über Kenthistown hinaus. Freilich waren es hier keine Kavaliere, die wir antrafen, sondern Schiffsleute, Matrosen, Midshipmen [302] und zuweilen ein Schiffskapitän. Wir verloren bei diesem Tausch im ephemeren Umgang durchaus nicht, im Gegenteil, wir gewannen nur in Bezug auf männliche Lendenkraft, und diese Leute, für so roh sie auch sonst immer gehalten werden, waren doch gegen uns viel höflicher, behandelten uns viel zarter, als wenn es andere Gentlemen gewesen wären, die uns für öffentliche Lustdirnen gehalten hätten. Das schlimmste bei diesen Streifzügen war, daß man uns Geld anbot und wir es annehmen mußten, wenn wir uns nicht der Gefahr aussetzen wollten, unsere Stellung in der Welt zu verraten. –

Endlich aber hatte ich mir doch einen wunderschönen Hinduknaben von kaum mehr als 14 Jahren zum Pagen genommen. Ich tat es, weil er mir so gut gefiel, daß ich mir vornahm, ihn in die süßen Mysterien der Liebe einzuweihen. Es hatte für mich einen eigentümlichen, besonderen Reiz, bei einem solchen Knaben, dem derartige Empfindungen ganz fremd gewesen, sie plötzlich entstehen zu sehen. In jeder Muskel seines Gesichtes, in jeder Bewegung seines Körpers sprach sie Liebe aus, seine Hingebung war so grenzenlos, daß er zu einem freiwilligen Sklaven wurde. Sehr oft sagte er mir, er glaube nicht, daß das, was er genoß, Wirklichkeit sei; er müßte dies alles träumen, und wirklich sah ich ihn in Gedanken versunken, die Lider geschlossen, vor sich hinbrüten, und er hörte und er sah mich erst, als ich ganz nahe an ihn herantrat und ihn mit meiner Hand berührte.

Ich kann Ihnen nichts mehr mitteilen, denn alles, was sich später ereignet, haben Sie aus meinem Munde gehört – Sie erinnern sich der Zeit, in welcher Sie meine Bekanntschaft machten – und ich glaube, mit diesem Briefe schließen zu dürfen.

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TextGrid Repository (2012). Schröder-Devrient, Wilhelmine. Roman. Aus den Memoiren einer Sängerin. Aus den Memoiren einer Sängerin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FFE9-4