Strafe und Besserung.

Friederike war nicht bloß genäschig, sie läugnete es sogar, selbst wenn sie beim Naschen erwischt wurde.[57] Sie aß verstohlen Kirschen, daß ihre Lippen blau waren, aber sie versicherte dennoch, sie wisse gar nicht wovon sie eigentlich gefärbt wären. So kam es denn, daß Niemand es glaubte, wenn sie die Wahrheit sprach. Da ward sie oft empfindlich und weinte, daß man ihr keinen Glauben beimaß; aber sie bedachte nicht, daß sie selbst daran Schuld war, daß jedermann allen Glauben an ihre Worte verlor. So ward sie gefährlich krank, und ihre veränderte Gesichtsfarbe, ihr Uebelbefinden, ward sogleich von ihren Eltern bemerkt, die sie fragten, ob ihr etwas fehle. Kurz vorher hatte Friederike, nach ihrer häßlichen Gewohnheit, heimlich Obst genossen, welches noch nicht gehörig gereift war. Aus Furcht, man möchte die Ursache ihrer Unpäßlichkeit gewahr werden, läugnete sie diese und versicherte dreist, ihr fehle gar nichts. Ein Brechmittel wäre ihre nothwendig gewesen, und hätte ihr, wenn sie aufrichtig gewesen, viele Schmerzen und Leiden erspart. Da sie aber so lange bis die Krankheit schon einen hohen Grad erreicht hatte, schwieg, ward das Uebel schlimmer, und es entstand ein bösartiges Nervenfieber daraus. Endlich ward sie besser; da sie aber nicht dem Arzte folgte, sondern heimlich manche Speise aß, die ihrer geschwächten Gesundheit schaden mußte, bekam sie einen Rückfall ihrer Krankheit, [58] der sie Monate lang ans Bette und Zimmer fesselte. Jetzt erst sahe sie es ein, wie sehr sie sich durch ihre Genäschigkeit und ihr Läugnen geschadet hatte, und bemühte sich diese böse Gewohnheiten abzulegen. Noch lange nachher hatte sie aber die Kränkung zu erdulden, daß, wenn sie etwas sagte, jedermann das Gesagte in Zweifel zog, und daß man die Schlüssel der Speisekammer sorgfältig aufhob, damit Friederike nicht dazu konnte. Doch, da sie nun mit doppelten Kräften dahin strebte, diese bösen Fehler gänzlich abzulegen, gelang es ihr endlich nach langer Zeit und vieler Mühe, das Zutrauen ihrer Eltern und Anderer wieder zu erhalten.

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TextGrid Repository (2012). Stahl, Karoline. Märchen. Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder. Strafe und Besserung. Strafe und Besserung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-165E-E