Gotthold Friedrich Stäudlin
Gedichte

[416] 1. Das Roß

Nicht nur den Helden preist mein Sang,
Der blut'ge Lorbeern sich errang;
Auch dich, das sonder Grau'n mit ihm
Sich stürzt ins Schlachtenungestüm;
Dir, wert vor andern Tieren mir,
Du mutiges und edles Tier!
Dir – denn begeistern kannst auch du –
Jauchzt mein Gesang Begeistrung zu.
Was hoch der Schöpfung Herrn, den Mann,
Vor seinen Brüdern heben kann,
Das gab auch dir, der alles schafft,
Gab Schönheit dir und Stolz und Kraft!
Hoch hebest du und frei dein Haupt;
Es beben, wenn die Nase schnaubt
Und Blitze wirft dein Flammenblick,
Die kleinern Tiere scheu zurück.
Schön wölbte Gottes Bildnerhand
Den Felsennacken und umwand
Ihn mit der goldnen Majestät
Der Mähne, die im Sturme weht!
[417]
Sie schmiedet' hart und fein wie Stahl
Dir deine Knochen allzumal,
Gab Eisendauer deiner Kraft,
Die selbst dem Alter nicht erschlafft.
Sie gab noch, als so schön gebaut
Du standest mit der Spiegelhaut,
Dir, daß vollkommen sei und reif
Ihr Meisterwerk, den stolzen Schweif!
Du eilest, wie ein deutscher Mann,
Der eine große That begann,
Voll heißen Eifers, sonder Ruh'
Dem fern gesteckten Ziele zu;
Dich hält nicht, wie den kleinen Mann,
Der eine große That begann,
In deinem windeschnellen Lauf
Der Hindernisse Dräuen auf!
Du fliegst in dunkler Mitternacht,
Noch eh' dein Lenker es gedacht,
Felsüber hier, stromüber dort
Und bringst ihn jach an seinen Ort;
[417]
Bist willig – aber stolz und frei,
Tyrannisch gegen Tyrannei,
Wirfst deinen büb'schen Quäler ab
Und öffnest ihm ein blutig Grab!
Du weißt's: dir gab, der dich erschuf,
Den Wetterschlag in deinen Huf;
Doch hast du nie die Macht entweiht,
Wie Könige, durch Grausamkeit!
Den Feuersinn verkündet schon
Des Wieherns freudigwilder Ton;
Du stampfest, daß die Rüstung tönt
Und unter dir der Boden dröhnt;
Und beißest knirschend deinen Zaum,
Daß auf die Schenkel spritzt der Schaum,
Dampfst Wolken aus von heißem Duft,
Bäumst Hals und Brust hoch in die Luft;
Und stehst als eine Säule da,
Dein Haupt der Wolkenwiege nah,
Und strebest höher stets hinan,
Daß dir vom Rücken springt der Mann!
Du spottest, wie dein Schöpfer spricht, 1
Der Furcht und kennst die Schrecken nicht;
Du tobst entgegen der Gefahr,
Dem Speerwald der geharn'schten Schar.
Du stürmst mit ungeduld'ger Eil'
An Diomedens Wagenseil,
Und mit Achill die Schlacht hinan,
Brichst dir durch Leichname die Bahn!
Und ob zur Rechten dir ein Held,
Zur Linken dir ein Bruder fällt,
Sich sterbend bäumt und wälzt im Blut;
Des achtet nicht dein Heldenmut'.
[418]
Frohlockend führst du einen Kleist,
Beseelt, wie er, von Kriegergeist,
Durch Waffenklang und Pulverdampf
Und kämpfest mit ihm heißen Kampf.
Trägst ihn so lang' dein Fuß dich trägt,
In wunder Brust noch Leben schlägt,
Stehst mit durchbohrten Lenden noch,
Und hebst den blut'gen Nacken hoch!
Und endlich, wenn dem Auge Licht,
Dem Schenkel ganz die Kraft gebricht,
Sinkst du mit deinem Freund hinab
Ins schöne ehrenvolle Grab!

Fußnoten

1 S. das Buch Hiob. Anmerkung im Musenalmanach.

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TextGrid Repository (2012). Stäudlin, Gotthold Friedrich. Gedichte. Gedichte. 1. Das Roß. 1. Das Roß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1686-3