[341] Elegie

1817.


Bei dem Tode meines vieljährigen Freundes, des Grafen Friederich von Baudißin.


Freund und Kriegsgefährt' in des Lebens mißlichem Feldzug,
Wo's noch mehr als des Schilds, mehr als des Schwertes bedarf,
Treuer, bewährter Bundesgenoß' in der Freud' und im Leide,
Den fünfhundert – und wie? – Monde mir pflanzten in's Herz.
Bruder, du schreitest voraus, und du, mein Jüngerer, harrst nicht,
Bis daß dem Siebziger auch schalle Posaunengesang?
Strebtest denn jemal du nach Vortritt, edel in reiner
Demuth, verkennend, nur du, was wir verehren in Dir?
Gingst, verlassend die Jammernde, Sie, die in Träumen der Liebe
Schon für ihr goldenes Fest flocht den erneuerten Kranz;
[342]
Dich entreißend dem Reigen der Söhn' und der blühenden Töchter,
Die, wie Hesperiens Hain, prangen in doppeltem Schmuck;
Dich dem süßen Gewimmel der Enkelinnen und Enkel,
Dich den Freunden, wie du, selber ein Freund, sie erwarbst.
Oede trauret, das du mit beseelter Kunde gebildet
Hast, dein Paradies, ernsterer Freude geweiht;
Ja, dort weilte sie heimisch und gern' und in Lauben der Ruhe,
Mischte die Weisheit vertraut unter die Schwestern sich oft.
Herrlicher strahlet dein Eden dir nun; doch im Büthengesäusel
Deiner Rosen, die dort blühn in verklärter Gestalt,
Unter Beschattung der Lebensbäume, gedenkst du in frommer
Sehnsucht der Deinen; auf Ihr ruhet dein segnender Blick,
Die, in dem Zauber der Jugend dir Braut, und in reiferer Schönheits-
Fülle, Vermählte, zugleich Freundinn und Muse dir war.
Ach, nun schmilzt sie hinweg in Niobe's Thränen! Die Quelle
Rinnt, doch von Oben herab spiegelt in ihr sich der Strahl.
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Meine Baucis weint mit der Weinenden, blicket mit ihr Ihm
Nach, und des Wiedersehns Hoffnung erhebt ihr das Herz.
Meine Baucis! Lina verzeih', wenn der Segen, der Euch nicht
Ward – o du gönnst ihn uns ja – wenn ich erfleh' ihn für uns!
Dann weiht Lina zwischen der Eich' und der Lind' uns ein Plätzchen
Stiller Wehmuth, und gräbt Worte des Trosts in den Stein:
»Maal, gewidmet Philemon und Baucis, meines Geliebten
Freunden und meinen, die nicht, Glückliche! trennte der Tod,
Denen die sterbliche Hülle zugleich entsank und zugleich der
Fittig, entfaltet, den Schwung auf zu der Heimath begann.«

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TextGrid Repository (2012). Stolberg, Christian Graf zu. Gedichte. Gedichte. Elegie [1]. Elegie [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-193E-F