[163] 91. Das Sein

1790.


Ich bin! – es schalle laut in die Höh! ich bin!
Ich bin! – es schalle laut in die Tief'! – O Sein,
Du Born, aus welchem, Zwillingsquellen,
Ewiges Leben und Wonne strömen;
Zwar Staub, und Sturm, und himmelverbergender
Gewölke Schemen trüben ihn oft, doch oft
Trübt unsern Blick der Feigheit Thräne,
Trübet im Borne das Bild des Himmels!
Gescholten sei im Namen des Herrn, du Dunst
Des Abgrunds, Kleinmut! Hebe dich! – Nahet euch,
Des Himmels Kinder, Lieb' und Glaube,
Stimmet die Seele des Erdensohnes.
Du Glaube, dessen Lampe wie Mondenschein
Die Nacht erhellet! Liebe, Gespielin du
Der hohen Weisheit, welche Sonnen
Säte, und Odem den Geistern einblies!
O kommt und bleibet! daß sich mit Schwanensang
Mein Geist erhebe, wenn ihm die Hüll' entsinkt!
Wenn – o der Wonne, die des Menschen
Harret! der immer vergeßnen Wonne!
Uneingedenk der Zukunft frohlockt der Mensch
Als Thor, und jammert wieder uneingedenk!
Es staunen Engel! unsre Toten
Schauen herab mit der Liebe Wehmut;
Vermögen nicht den nimmergestorbenen
Das Rätsel Mensch zu lösen! wiewohl auch sie
So neulich Rätsel, hofften, zagten,
Sterblich und ewig, und Staub und Geister!

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TextGrid Repository (2012). Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu. Gedichte. Gedichte. 91. Das Sein. 91. Das Sein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1A4C-7