[447] [526]Titus Flavius Domitianus.

12. Bei der Erschöpfung der Staatskasse durch die kostbaren Bauwerke und Festspiele sowie auch durch die Soldzulage, welche er den Soldaten bewilligt hatte, machte er anfangs den Versuch, zur Erleichterung der Ausgaben für die stehenden Heere die Zahl der Soldaten zu verringern. Allein da er sah, daß er sich dadurch den Angriffen der Barbaren aussetzte und daß ihn jene Maßregel doch nicht aus der Geldklemme befreite, so begann er ohne Scheu rücksichtslos alles zu plündern. Das Vermögen der Lebenden wie der Verstorbenen wurde in einem fort auf jede beliebige Anklage und Anschuldigung hin mit Beschlag belegt. – Es genügte, jemand die unbedeutendste Handlung oder Äußerung gegen die Majestät des Kaisers schuld zu geben. Man konfiszierte Erbschaften, die den Kaiser gar nichts angingen, sobald sich auch nur ein Mensch fand, welcher aussagte: er habe es aus dem Munde des Verstorbenen bei dessen Lebzeiten vernommen, der Kaiser sei sein Erbe. Vorzüglich hart wurde die Beitreibung der Judensteuer gehandhabt. Man denunzierte beim Fiskus sowohl die, welche, ohne sich als Juden zu bekennen, nach jüdischer Weise lebten, als die, welche durch Verheimlichung ihrer Abstammung sich der Zahlung der ihrem Volke auferlegten Steuer zu entziehen versucht hatten. Ich erinnere mich, als ganz junger Mensch zugegen gewesen zu sein, als vor dem Prokurator und einem zahlreich versammelten Kollegium ein neunzigjähriger Greis sich besichtigen lassen muße, ob er beschnitten sei! Von [526] Jugend auf hatte Domitian nichts Freundliches in seinem Wesen, vielmehr war er hochmütig, trotzig und in Worten und Handlungen maßlos. Als die Cänis, seines Vaters Konkubine, ihn bei ihrer Rückkehr von Istrien, wie sie immer getan, küssen wollte, reichte er ihr die Hand (zum Kusse) dar. Unzufrieden darüber, daß seines Bruders Schwiegersohn auch weiß gekleidete Dienerschaft hielt, rief er die (Homerischen) Worte aus:


Nimmer Gedeihn bringt Vielregiment –.


13. Als er nun gar erst zum Throne gelangt war, vermaß er sich sogar im Senate, prahlend auszusprechen: »er sei es, der sowohl seinem Vater wie seinem Bruder den Thron gegeben, sie hätten ihm denselben nur wiedergegeben«, und bei der Wiederverheiratung mit seiner geschiedenen Frau die Worte zu brauchen: »sie sei von ihm auf seinen Göttersitz« berufen«. Auch hörte er es gern, als im Amphitheater am Tage des großen Festschmauses das Volk ihn mit dem Zurufe begrüßte: »Heil unserem Herrn und unserer Herrin!« Ja, er ging noch weiter. Als bei dem Festwettstreite zu Ehren des Kapitolinischen Jupiter alle Anwesenden ihn einstimmig baten: daß er den Palfurius Sura, den er aus dem Senate gestoßen und der eben jetzt den Siegespreis im Wettstreite der Redner erhalten hatte, wieder in den Senat aufnehmen möchte, würdigte er sie nicht einmal einer Antwort, sondern ließ ihnen bloß durch Heroldsruf ein: »Schweigt!« zurufen. Mit gleichem Hochmute bediente er sich, wenn er im Namen seiner Prokuratoren ein Briefformular[527] diktierte, der Anfangsworte: Unser Herr und Gott befiehlt, daß das und das geschehe. Infolgedessen wurde es Brauch, daß ihn überhaupt, weder schriftlich noch mündlich, irgend jemand anders anredete. Statuen durften ihm auf dem Kapitol nur goldene und silberne errichtet werden, und zwar von bestimmtem Gewichte. Janus- und Triumphbogen mit Viergespannen und Triumphalzeichen darauf errichtete er in allen Regionen der Stadt in solcher Größe und Zahl, daß man einmal an einen auf griechisch schrieb: »Es ist genug!« Konsulate ließ er sich siebzehn übertragen, eine Zahl, die vor ihm niemand bekleidet hatte. Die sieben mittelsten bekleidete er hintereinander, doch alle nur dem Namen nach und keins über den ersten Mai hinaus, mehrere sogar nur bis zum dreizehnten Januar. Nachdem er zwei Triumphe gehalten und den Beinamen Germanicus angenommen hatte, taufte er den September- und Oktobermonat nach seinen bei den Zunamen in Germanicus und Domitianus um, weil er in dem einen die Regierung angetreten hatte und in dem anderen geboren war.

14. Durch solches Betragen ein Gegenstand der Furcht und des Hasses für alle Welt, ward er endlich ermordet infolge einer Verschwörung seiner nächsten Freunde und Freigelassenen, an der sich auch seine Gemahlin beteiligte. Schon lange hatte er von dem Jahre und Tage seines Lebensendes, ja selbst von der Stunde und Art seines Todes eine gewisse Ahnung; in seiner Jugend hatten ihm Chaldäer alles vorausgesagt. Sogar sein Vater hatte ihn einmal über Tische, als er keine Schwämme essen wollte, ausgelacht, daß er sein Geschick nicht besser wisse und nicht vielmehr sich vor Eisen fürchte. Deshalb befand er sich [528] beständig in Angst und Schrecken, und der geringste Verdacht machte auf ihn einen unerhörten Eindruck. So glaubt man, nichts habe so sehr dazu beigetragen, daß er das Edikt über die Ausrottung der Weinberge zurücknahm, als die Verbreitung einer Schrift, in welcher sich die (griechischen) Verse befanden:


Nagst du mich auch bis zur Wurzel, so werd ich doch Frucht genug tragen,

Um, wenn zum Opfer du fällst, Cäsar, zu sprengen mit Wein.


Aus derselben Furcht lehnte er auch eine ganz neue und eigens für ihn vom Senate ausgesonnene Ehre ab, obschon er sonst nach dergleichen Ehrenbeweisen sehr begierig war. Der Senat hatte nämlich beschlossen: daß, so oft er das Konsulat bekleiden würde, römische Ritter, durchs Los zu solcher Ehre erwählt, im Feierkleide und mit Kriegslanzen vor ihm, zwischen den Liktoren und Gerichtsdienern, vorausziehen sollten. Als nun aber die Zeit der befürchteten Gefahr herannahte, wurde er von Tag zu Tag besorgter. Er ließ die Wände der Hallen, in denen er spazierenzugehen pflegte, mit Lichtstein bekleiden, um durch den Glanz desselben alles, was hinter seinem Rücken vorging, durch die Spiegelbilder wahrnehmen zu können. Auch verhörte er die Gefangenen meist nur insgeheim und unter vier Augen, wobei er sich sogar ihre Ketten in die Hand geben ließ. Und um es seinen Hofbedienten einzuschärfen, daß man sich selbst durch ein edles Beispiel nicht verleiten lassen dürfe, [529] Hand an das Leben des Herrn zu legen, so verurteilte er den kaiserlichen Sekretär Epaphroditus zum Tode, weil es allgemein hieß, er habe dem Nero, als sich derselbe nach seiner Absetzung den Tod zu geben versuchte, dazu hilfreiche Hand geliehen.

15. Endlich ließ er sogar den Flavius Clemens, seinen Vetter, einen wahrhaft kläglich unbedeutenden Menschen, dessen Söhne er bereits in ihrer früheren Jugend öffentlich als seine Nachfolger bezeichnet, ihre früheren Namen verändert und den einen Vespasianus, den andern Domitianus zu nennen befohlen hatte, fast unmittelbar nachdem derselbe das Konsulat bekleidet hatte, plötzlich auf einen überaus geringen Verdacht hin ums Leben bringen. Durch diese Tat vorzüglich beschleunigte er seinen eigenen Untergang. Volle acht Monate hintereinander schlug der Blitz so oft ein, daß er zuletzt auf die fort und fort ihm gemachten Anzeichen ausrief: »Nun, so treffe er denn, wen er will!« Es schlug ein in das Kapitol und den Tempel des Flavischen Geschlechts; desgleichen in seinen Palast auf dem Palatin, und zwar in sein Schlafgemach. Durch die Gewalt des Sturmes wurde sogar die Inschriftplatte von der Basis seiner Triumphalsäule losgerissen und fiel auf ein in der Nähe befindliches Denkmal herab. Der Baum, welcher, als Vespasian noch Privatmann war, sich von seinem Falle wieder aufgerichtet hatte, stürzte jetzt plötzlich von neuem zur Erde. Die Pränestinische Fortuna, der er sich während seiner ganzen Regierungszeit beim Antritt jedes [530] neuen Jahres zu empfehlen, und die ihm immer einen und denselben glückverheißenden Orakelspruch zu geben gewöhnt gewesen war, gab ihm im letzten Jahre einen sehr unheilvollen, in welchem auch von Blut die Rede war. Die Minerva, welcher er eine abergläubische Verehrung widmete, erschien ihm im Traum und erklärte ihm, daß sie seine Hauskapelle verlasse und ihn nicht länger beschützen könne, weil sie von Jupiter entwaffnet worden sei. Nichts aber machte einen so tiefen Eindruck auf ihn, als die Antwort, die ihm der Astrolog Askletarion gab. Er fragte den Mann, von dem Angeber ausgesagt hatten und der es auch geständig war, daß er öffentlich prahlerisch von dem, was er durch seine Kunst von der Zukunft vorausgesehen, gesprochen habe: ob er denn wisse, welches Ende ihn selber erwarte? und als jener zuversichtlich erwiderte: er werde in kurzer Zeit von Hunden zerrissen werden, gab Domitian Befehl, ihn zwar allerdings sofort zu töten, aber ihn auch zugleich, um die Nichtigkeit seiner Kunst zu beweisen, auf das sorgfältigste zu bestatten. Als man damit beschäftigt war, geschah es, daß durch ein plötzliches Sturmwetter der Scheiterhaufen umgeworfen wurde und Hunde den halbverbrannten Leichnam zerissen, und daß der Kaiser die Sache bei Tafel durch den Mimen Latinus, der sie zufällig im Vorbeigehen mit angesehen hatte, unter den übrigen Tagesneuigkeiten erfuhr.

16. Als man ihm am Tage vor seinem Tode Trüffeln präsentierte, befahl er, sie auf morgen aufzuheben, indem er hinzusetzte: »Wenn ich sie anders dann noch werde essen können!« und zu seiner nächsten Umgebung gewendet, versicherte er: am nächstfolgenden Tage werde sich der Mond im Wassermann mit Blut beflecken und eine Tat geschehen, von der die Menschen auf dem ganzen Erdkreise reden würden. Gegen Mitternacht überfiel ihn ein so jäher Schrecken, daß er aus [531] seinem Bette aufsprang. Darauf verhörte er morgens früh einen ihm aus Germanien zugeschickten Vogelschauer, der, über die Bedeutung eines Blitzes befragt, einen Regierungswechsel vorausgesagt hatte, und verurteilte denselben zum Tode. Als er darauf eine auf seiner Stirn befindliche schlimm gewordene Warze etwas zu heftig kratzte und Blut herausfloß, rief er aus: »O wär' es doch damit abgemacht!« Dann fragte er, wieviel Uhr es sei, worauf man ihm statt der fünften Stunde, vor der er sich immer fürchtete, die sechste meldete. Während er jetzt voll Freude, daß nun, wie er meinte, alle Gefahr vorüber sei, eben im Begriff war, sich eilig zum Bade zu begeben, hielt ihn sein Kammerherr Parthenius auf durch die Meldung: es sei jemand da, der eine wichtige Botschaft habe, welche keinen Aufschub leide. Er ließ daher alle Anwesenden abtreten und zog sich in sein Kabinett zurück, woselbst er ermordet wurde.

17. Über den Mordplan und seine Ausführung ist etwa folgendes zur Kunde gekommen. Als die Verschworenen noch unschlüssig waren, wann und wie, d.h. namentlich: ob sie ihn bei Tafel oder im Bade angreifen sollten, erbot sich Stephanus, Intendant der Domitilla, der damals auf Unterschleif von Geldern angeklagt war, die Sache einzuleiten und auszuführen. Er umwickelte einige Tage lang, um Verdacht zu vermeiden, seinen linken Arm, als wenn derselbe leidend sei, mit Wolle und Binden, zwischen die er, als die Stunde kam, einen Dolch einschob. Hierauf meldete er an, daß er die Anzeige von einer Verschwörung zu machen habe, ward also vorgelassen und stieß dem Kaiser, als derselbe die Schrift, welche jener ihm überreicht hatte, las und wie vom Donner gerührt war, den Dolch in den Unterleib. Als er sich trotz seiner Verwundung zur Wehr setzte, fielen der [532] Kornikular Clodianus und Maximus, ein Freigelassener des Parthenius, sowie Saturius, der oberste Kammerdiener, nebst einem Gladiator über ihn her und machten ihm mit sieben Wunden den Garaus. Ein Page, der gerade, wie gewöhnlich, bei dem Altar der Laren des kaiserlichen Schlafzimmers Aufseherdienst verrichtete, pflegte noch überdies zu erzählen, Domitian habe ihm gleich auf die erste Verwundung zugerufen, ihm einen unter dem Kopfkissen liegenden Dolch zu reichen und die Dienerschaft zu rufen; er habe aber zu Häupten des Bettes nichts als den Griff eines Dolches und überdies alles verschlossen gefunden. Unterdessen habe der Kaiser sich auf den Stephanus gestürzt, ihn zur Erde niedergerissen und lange mit ihm gerungen, indem er sich bald bemühte, ihm den Dolch zu entwinden, bald ihm, trotz seiner zerfleischten Finger, die Augen auszubohren. Er ward ermordet am achtzehnten September, im fünfundvierzigsten Jahre seines Alters, im fünfzehnten seiner Regierung. Seinem Leichnam, der in einem gemeinen offenen Sarge von gewöhnlichen Totengräbern hinausgetragen worden war, erwies seine Amme Phyllis auf ihrer Villa an der Latinischen Straße die letzte Ehre, seine Reste jedoch setzte sie heimlich im Tempel der Flavischen Familie bei und tat sie zu der Asche von Titus' Tochter Julia, welche sie gleichfalls erzogen hatte.

18. Er war von hohem Wuchse; die Züge seines stark geröteten Gesichts drückten Anstand aus; seine Augen waren groß, aber etwas kurzsichtig. Im übrigen war er ein schöner und stattlicher Mann, besonders in seinen jüngeren Jahren, und zwar in seiner ganzen Körperbildung, mit Ausnahme der Füße, deren Zehen etwas zu kurz waren. Später entstellte ihn auch Kahlköpfigkeit sowie ein zu starker Bauch und allzu dünne Beine, die jedoch nur infolge einer fangen Krankheit so abgemagert waren. Er wußte so gut, daß der bescheidene Ausdruck seines Gesichts ihn den Menschen empfahl, [533] daß er einmal im Senate selbstgefällig von sich sagte: »Bis jetzt hat euch wenigstens meine Gesinnung und mein Gesicht gefallen.« Seine Kahlköpfigkeit verdroß ihn so, daß er es übelnahm und auf sich bezog, wenn dieselbe einem anderen im Scherz oder bei einem Zanke zum Vorwurf gemacht wurde. Und doch finden sich in dem Schriftchen, das er über die Pflege der Haare veröffentlichte und einem Freunde widmete, folgende Worte, mit denen er jenen und sich selbst zugleich zu trösten versucht, eingeschaltet:


»Siehest du nicht, wie ich selber so groß und schön an Gestalt bin?


Und dennoch erwartet mich dasselbe Schicksal meiner Haare, und ich trage es mit Standhaftigkeit, daß mein Haar mich schon in der Jugend zum Greise macht. Bedenke, daß nichts anmutiger ist als Schönheit, aber auch nichts vergänglicher!«

19. Gegen körperliche Anstrengung war er sehr empfindlich, weshalb er denn auch kaum jemals einen Gang zu Fuße in der Stadt machte. Zu Felde und auf dem Marsche ritt er selten, sondern fuhr meist. Waffenübungen liebte er gar nicht, dagegen war er ein überaus eifriger Bogenschütze. Es gibt noch viele, welche zugeschaut haben, wie er oft Hunderte von wilden Tieren aller Art auf seinem albanischen Lustsitze erlegte und zuweilen absichtlich die Köpfe von einigen so traf, daß die zwei Pfeilschüsse wie zwei Hörner in denselben feststaken. Zuweilen schoß er einem in der Ferne stehenden Knaben, der als Ziel seine rechte ausgespreizte Hand bieten mußte, mit solcher Geschicklichkeit durch die Zwischenräume der Finger, daß alle Pfeile, ohne ihn zu verletzen, hindurchgingen.

20. Die wissenschaftlichen Studien ließ er gleich nach seiner Thronbesteigung liegen, obschon er allerdings die im Feuer aufgegangenen Bibliotheken mit großen Kosten wieder erneuern [534] ließ, indem er von allen Seiten Exemplare der verloren gegangenen Werke aufkaufte und Leute nach Alexandrien schickte, welche neue Abschriften nehmen und andere korrigieren mußten. Nichtsdestoweniger legte er sich nie darauf, Kenntnis der historischen oder poetischen Literatur zu erwerben oder sich auch nur die notwendige Fertigkeit im Stil zu verschaffen. Außer den Denkwürdigkeiten und politischen Schriften des Kaisers Tiberius las er nichts. Seine Briefe sowie seine Reden und Edikte ließ er von anderen abfassen, und doch sprach er gewählt und machte zuweilen sehr bemerkenswerte Bonmots. »Ich wollte«, sagte er z.B. einmal, »ich wäre so schön, wie Metius sich vorkommt!« Und von dem Haupthaare jemandes, das bald rötlich, bald grau gefleckt war, sagte er: »Es ist Schnee, auf den man Weinmet gegossen hat.«

21. Die Lage der Fürsten, pflegte er zu sagen, sei höchst beklagenswert, weil man ihnen in betreff ihrer sicheren Kunde von einer Verschwörung nicht eher Glauben schenke, als bis sie ermordet seien.

In seinen Mußestunden pflegte er sich mit Brettspiel zu vergnügen, selbst an Festtagen und in frühen Morgenstunden. Auch badete er früh und aß sich beim Frühmahl vollkommen satt, so daß er bei der Hauptmahlzeit nicht leicht etwas, außer einem matianischen Apfel und einem mäßigen Trunk, der sich in einer Karaffe befand, zu sich nahm. Er gab häufige und reichliche Gastgelage, aber man speiste sehr rasch, jedenfalls nicht über Sonnenuntergang hinaus; auch hielt er nach der Tafel weiter keine nächtlichen Trinkgelage, vielmehr machte er bis zur Schlafenszeit nur bloß noch sich Leibesbewegung, indem er allein an einem Orte, dem niemand nahen durfte, spazieren ging.

22. Ausschweifend im geschlechtlichen Genusse, pflegte er seinen täglichen Umgang mit Frauen wie eine Art gymnastischer Übung mit dem Namen »Bettturnen« zu benennen. [535] Auch sagte das Gerücht ihm nach, daß er seine Konkubinen selbst epiliere und sich unter den gemeinsten Lustdirnen bade. Seines Bruders Tochter, die ihm, als sie noch Jungfrau war, zur Ehe angetragen wurde, weigerte er sich hartnäckig zu heiraten, weil er sich bereits in den Banden seiner Gattin Domitia befand; als dieselbe aber mit einem anderen vermählt worden war, war er es, der sie verführte, und zwar noch bei Titus' Lebzeiten. Später, nachdem sie Vater und Gatten verloren hatte, trug er seine Leidenschaft für sie offen zur Schau; ja, er wurde sogar die Ursache ihres Todes, indem er sie zwang, als sie von ihm schwanger geworden war, die Frucht abzutreiben.

23. Seine Ermordung nahm das Volk gleichgültig, das Militär dagegen sehr übel auf, indem es ihm sofort den Namen »der Göttliche« beizulegen sich untersing, ja sogar bereit war, seinen Tod zu rächen, wenn ihm nicht Anführer gefehlt hätten. Einige Zeit nachher setzte es doch seinen Willen durch, indem es hartnäckig auf die Bestrafung der Anstifter des Mordes drang. Dahingegen der Senat zeigte eine solche Freude, daß alle Mitglieder sich eiligst in die Kurie begaben und sich nicht enthalten konnten, dem Toten die schmachvollsten und bittersten Verwünschungen nachzurufen. Ja, man ließ sogar Leitern in die Kurie bringen und seine Schildbilder und Büsten vor der Versammlung herunterreißen und an Ort und Stelle zertrümmern und beschloß zuletzt, daß seine Inschriften allerorten ausgekratzt und jede Erinnerung an ihn vernichtet werden solle. Wenige Monate vor seiner Ermordung [536] hatte eine Krähe auf dem Kapitol die griechischen Worte gerufen: Alles wird gut sein! Und es fehlte nicht an einem Dichter, der dies Vorzeichen in folgenden Versen deutete:


Neulich die Krähe, die saß auf Tarpejas Giebel; sie konnte

»Alles ist gut!« nicht schrein, darum sie krächzte: »Es wird.«


Auch erzählt man, Domitian selbst habe geträumt, daß ihm hinten am Nacken ein goldener Buckel ausgewachsen sei, und sei überzeugt gewesen, dies bedeute, daß nach ihm der Zustand des Staates glücklicher und erfreulicher sein werde, wie das allerdings durch die Rechtlichkeit und Mäßigung der folgenden Herrscher zur glücklichen Wahrheit geworden ist.

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TextGrid Repository (2012). Suetonius Tranquillus, Gaius. Biographien. Die zwölf Caesaren. Titus Flavius Domitianus. Titus Flavius Domitianus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3985-B