An Herren Veyras, Churf. Pfalzgr. Secretary

Dein lob, so ich zu aller stund
von manchem lobbewehrten mund,
mein Veyras, williglich vernommen,
Vermehrte die begird in mir,
die ich zuvor lang hat, mit dir
in bessre kundschaft bald zu kommen,
Hab demnach kaum ersuchet dich,
daß du alsbald ganz freindlich mich
hast under deine freind genommen.
Kont also weder geiz noch lust,
wie sunst der brauch, in unsrer brust
ein solches feur der lieb anzünden,
Sondern der tugend eigne hand
mit ihrem tüchtig besten band
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must unsre herzen recht verbinden:
Und solches band ist so wehrhaft,
daß damit leichtlich die freindschaft
kan glück, zeit und tod überwinden.
Darum ich nu kühn von dir schreib
und auch in guter hofnung bleib,
du werdest dich gar nicht beschweren,
Wan ich durch dise schrift begehr,
mit meinem namen deine ehr
und deinen namen zu vermehren;
Indem ich anderst nicht thun kan,
weil ehren einen werten man,
ist gleich so vil, als selbs sich ehren.
Ich weiß wol, wie der götter gunst
dein haupt mit weisheit, tugend, kunst,
lehr und erfahrenheit gezieret:
Wie deine red, kunstreich und weis,
als des gemüts kraftreiche speis,
in allen herzen triumfieret:
Und wie des besten nektars kraft
und der kastalisch beste saft
von deiner federn distillieret.
Wan, wie Pythagoras gewolt,
man für unläugbar halten solt,
daß fremde seelen uns beleben,
So hielt die welt, halt ich, darfür
und wär auch gläublich, daß in dir
man seh nu jenen wider leben,
Dem, als er sehr jung sein ruh nam
die binen ihren honigsam
für seine erste speis gegeben.
Darum dir, solchem verdienst nach,
auch wegen ein und andrer sprach,
vil fürsten billich günstig bleiben;
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Und du (dieweil ja ihr anblick
und gnad kan als das beste glück
all sorg und forcht von uns vertreiben)
Thust recht zu ihr und deinem preis
gedenkwürdige werk mit fleiß
in ein und andrer sprach zu schreiben.
Ich meines theils, in dessen herz
der ehrgeiz weder sorg noch schmerz,
noch hofnung, noch auch forcht erwecket,
Besuch vil lieber das grün feld
und frische brünlein, stille wäld
und bäch, die noch kein thier beflecket,
Dan die palläst von marberstein
mit gold und andrer reichtum schein
gefüttert und mit blei bedecket.
Ja, so vil immer ich vermag,
flieh ich den pöfel, meine tag
wol mit den Musen zu volbringen,
Die lehren mich und ich lehr sie
auf neue weis mit süßer müh
ein gutes teutsches lied zu singen,
Und mit vor unerhörter prob
der helden und der Nymfen lob,
ja Amors ehr auch zu erklingen.
Wan der Homer, der den wein sehr
gelobt, weinsüchtig gwesen wär,
wie gleichwol ich nicht kan gedenken,
Gedenk doch du, mein Veyras, nicht,
daß, wan ich von dem wein auch dicht,
ich so gern sei bei dem weinschenken;
Dan wider meiner landsleut wohn
glaub ich, daß der Semelen sohn,
ohn maß, thu leib und seel bekränken.
So glaub ich, daß es auch gnug sei,
wan der poet ohn heuchelei
ein from und keusches leben führet,
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Obschon bisweilen sein gesang
mit frecher sprach und geilem klang
die ohren üppiglich berühret;
Ob es auch wol die loben nicht,
die Timon gleich von angesicht,
weil Epikur ihr herz regieret.
Jedoch ist es schon mehr dan gnug
weil ich schon hör und sih den flug
der lauten rappen, hetzen, krähen.
Darum, ihr Musen, eilet fort,
daß wir uns, in ein stilles ort
verstehlend, dem geschrei entgehen.
Du, Veyras, unsrer Musen ruhm
für einen kranz wirst diese blum,
hoff ich, zu nehmen nicht verschmähen.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. An Herren Veyras, Churf. Pfalzgr. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-925D-4