An H. Oliver Fleming, Rittern, Kön. Mayt. Gesandten etc.

Wider willen und gewissen,
eben so torecht als alt,
ich mich noch zu hof aushalt,
andern dienend so geflissen,
daß mir nicht ein stündlein frei,
got und mir selbs recht zu leben,
da doch mir für meine treu,
müh und sorg kaum dank gegeben:
und zwar billich; dan wer gern
seinen tag bei hof wil enden,
der hat weder heil noch stern
seinen lauf wol zu vollenden.
Ich sih ja, noch nicht verblindet,
daß die tugend gar umsunst,
daß allein die bosheit gunst,
lieb und vortheil bei hof findet.
dise marbrine palläst,
underproppet mit albaster,
halten in sich manches nest
für verruchte lust und laster:
under seiden, silber, gold,
damit sich der hof bedecket,
als in seiner lastern sold,
nichts dan übels sich verstecket.
Lang zu hof muß der nicht bleiben,
welcher redlich bleiben will:
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welcher, eingezogen, still,
nicht will narrenbossen treiben;
welcher nicht sein haupt und knüe
kan für jedem Haman biegen,
welcher nicht kan spat und frü
gleißnen, liegen und betriegen:
kürzlich: welcher gut und from
will das übel übel nennen
und nicht will, blind, taub und stum,
alles bös für gut erkennen.
Darf ich andern wol anzeigen
des hofmans religion,
und für welcher gotheit thron
sich die höflingherzen neigen?
reichtum, ehrgeiz und wollust,
deren erste drei buchstaben
merklich, seind in ihrer brust
als gotheiten tief gegraben:
alles lebens seligkeit,
glauben sie, sei hier auf erden,
die in des hofs herrlichkeit
wohnend, muß gefunden werden.
Warlich bei hof seind sehr wenig,
die in bösem überfluß
und in kützelndem verdruß
über ihre lüste könig:
und die fürsten mehrer theils,
folgend ihrem schnöden willen,
der ein werkzeug des unheils
ihren lust mit lastern füllen:
und dan der hofleuten wohn,
affen gleich, ist mit cramanzen
nach so hipscher herren ton
stets zu singen und zu danzen.
Daher täglich mehr bethöret
narren, ohn verstand, witz, ruh,
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danzen sie dem teufel zu,
wan ihr danz nicht wird verstöret:
ja sie danzen so lang fort,
bis sie in die grub gestürzet,
wa nicht ihren danz ein wort,
sie abrufend, schnell verkürzet;
wa sie nicht schuld, schmach, spot, schand
oder krankheit davon reißet,
oder der ungnaden hand
wegen eines strohs zerschmeißet.
Doch wan einer, hoch ankommen,
über andre herschen kan,
so will er stracks sein der hahn,
wan schon andre um ihn brummen:
wird ihm schon der ganz hof feind,
will er doch den hof ganz zwingen;
basen, vetter, esel, freind,
dieb und kuppler hoch anbringen:
bis daß des hofs unbestand
ihm erwecket einen dunder,
der durch des volks schwere hand
stürzet endlich ihn herunder.
Stürzet! ja, eh er gedenket,
wird er schnell mit höchstem spot
weggeraufet zu dem tod
oder Haman gleich gehenket:
da ihn dan des pöfels rach,
welches sterbend ihn verfluchet,
lehret spat mit schimpf und schmach,
was er torecht lang gesuchet.
dan gewißlich, wer zu hoch
steiget, der muß endlich fallen,
daher dan kan das hofjoch
keinem weisen lang gefallen.
Der mag spilen, singen, lachen
mit des schönen tags anfang,
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den der sonnen nidergang
kürzlich kan verzweiflen machen:
und daher ist jener weis,
der stets bleibet auf der erden
und der, haltend maß und weis,
weder groß noch reich will werden.
wie vil doch zu unsrer zeit
sah ich trotzige Sejanen,
deren werk uns nah und weit
billich von dem hof abmahnen.
Flemming, du bist so erfahren,
so verständig, weis und klug,
daß ich mehr mit gutem fug
dir zu sagen, wol mag sparen:
alle höf, ja alle welt
hast du fleißig durchgezogen,
und würd der Ithakisch held
leichtlicher, dan du, betrogen.
was vil nationen dich
hören ihre sprachen reden,
will bald ihrer jede sich,
daß du ihr landkind, bereden.
Daher hast du auch befunden,
daß dir deine höflichkeit,
sprachen und erfahrenheit
deinen könig selbs verbunden,
welcher dich dan hin und her
als gesandten ausgeschicket,
doch zu seiner schlechten ehr
mehr entglücket, dan beglücket;
zwar mag er zu seiner zeit
alles wider zurecht bringen;
auch kan mit der tugend beut,
welche dein, dir nicht mislingen.
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Der, wie du weis, kan ihm schmiden
allenthalb sein eigen glück;
keines fürsten saurer blick
hindert seines herzens friden:
ja dein redliches gesicht,
welches deinen mut bezeuget,
daß von dir wahr mein bericht
keinem weisen man verschweiget;
und weil du der tugend hold,
männiglich dich billich liebet;
dan die lieb ist dessen sold,
der stets wol zu thun sich übet.
Was ich schreib von dem hofleben,
ist dir mehr, dan mir, bewust:
du weißt, ob es mehr unlust
oder wollust uns kan geben:
jedoch welcher weis, wie du,
kan aus bösem gutes ziehen
und, o wunder! der unruh,
ruhig innerlich, entfliehen;
aber durch der lastern heer
wie vil sehen wir hinsterben!
und in des hofs wildem meer
wie vil sehen wir verderben!
Zwar ist dem meer, wan es tobet
oder ruhet, der hof gleich,
darauf fahret arm und reich,
der uns schändet, der uns lobet;
wie das meer ganz ungestüm,
daß die schif oft untergehen:
also kan zu hof der grim
eines fürsten ärger wehen;
auf dem meer man seine fahrt
nach der sternen lauf regieret,
zu hof der Sirenen art
auf die felsen uns verführet.
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Doch der felsen, der Sirenen
und der wellen pracht und macht,
auch der nebeln dicke nacht
(die gemeinglich allen denen,
welche nicht fürsichtig seind,
den weg weisen zu dem leiden)
weil sie dein und du ihr feind,
kanst du, Tiphis gleich, vermeiden;
dan du weißt, wie sich sehr schnell
glück und lieb zu hof verkehret,
daß der tag, schön, heiter, hell,
kaum ohn sturm bis abend wehret.
Dises lied nun zu beschließen
von des hofs füßbittern speis,
so laß, ich bit, dise weis
dich, herr Flemming, nicht verdrießen.
daß mit deines namens ehr
meinen namen zu beschönen
ich (hofvogel) auch begehr,
federn von dir zu entlehnen;
weil wir beed von got die gnad,
daß der hof uns nicht umtreibet.
selig, der bei dem hofrad
aufrecht und beständig bleibet!

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TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. An H. Oliver Fleming, Rittern. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9346-E