Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen
Asiatische Banise

Die Asiatische Banise /
Oder
Das blutig – doch muthige Pegu /

Dessen hohe Reichs-Sonne bey geendigtem letztern Jahr-Hundert an dem Xemindo erbärmlichst unter – an dem Balacin aber erfreulichst wieder auffgehet. Welchem sich die merkwürdigen und erschrecklichen Veränderungen der benachbarten Reiche Ava, Arcan, Martabane, Siam und Prom, anmuthigst beygesellen. Alles in historischer / und mit dem Mantel einer annehmlichen Helden- und Liebes-Geschichte bedeckten Warheit beruhende. Diesem füget sich bey eine / aus Italiänischer in Deutsch-gebundene Mund-Art / übersetzte Opera / oder Theatralische Handlung / bennenet:

Die listige Rache /

oder

Der Tapffere Heraclius.

Auffgesetzet von H.A.v.Z.U.K.

Widmung

[7] Dem durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Hn. Johann Georgen

Erb-Prinzen der Chur,

und

Herzogen zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, Land-Grafen in Thüringen, Markgrafen zu Meißen, auch Ober- und Nieder-Lausnitz, Gefürsteten Grafen zu Henneberg, Grafen zu der Mark, Ravensberg und Barby, Herrn zu Ravenstein. Meinem Gnädigsten Herrn.

Durchlauchtigst-großer Prinz!
Ein himmelhoher Geist,
Den das Verhängnis hat zur Majestät geboren,
Den selbst der Sternen-Prinz ein Bild der Götter heißt,
Den Gott zum Abila des Regiments erkoren:
Der wird durch Müh und Kunst der Menschen nicht erweckt.
Die hohe Bildungskraft der Mutter aller Sachen,
Hat diesen Helden-Stern bestimmt und angesteckt,
Eh man den zarten Leib sieht in den Windeln lachen.
Zeigt uns nun die Geburt der Seelen kleinen Sitz,
So spielt die Tugendglut bereit mit tausend Flammen.
Auch in der Wiegen strahlt der Sinnen hoher Blitz,
Und jeder spricht: So muß ein Held von Helden stammen.
Wenn jetzt des Löwen Frucht so Nacht als Mutter bricht,
So schauet man mit Lust die nassen Locken schütteln,
Wodurch er Mut und Art der Löwen stellt ans Licht.
Alcides lässet sich noch in der Wiege rütteln,
So reißet er mit Lust den Schlangenbalg entzwei.
[7]
Eh die bemühte Kunst das Gold durch Schmelzen scheidet,
So blitzet dessen Glanz durch Schlacken, Erzt und Blei.
Es strahlt der Diamant, eh ihn der Künstler schneidet.
Und also siehet man die Fürsten-Rose blühn,
Wenn Blatt und Farbe sich noch in der Knospe zeiget:
Wie sich Verstand und Geist von Kindheit auf bemühn,
Bis Jahr und Weisheit selbst den Atlas übersteigt.
Alsdenn läßt Julius auf einem Erdenball
Mit Buch und Schwerte sich in beiden Händen, schauen 1.
Durch welche Stützen wird der Prinzen hoher Fall
Verhindert, und das Land läßt sich in Friede bauen.
Es muß der blanke Stahl, der Waffen heller Glanz,
Der Prinzen Anker sein, des Fürsten Hoheit schützen.
Helm, Schwert und Stückenknall, erwirbt den Siegeskranz,
Und ein gerechter Krieg kann mehr als Friede nützen,
Der sich nur voll Verdacht in unsre Grenzen spielt.
Doch wird so Strahl als Stahl vergebens sich bemühen,
Wo nicht Gesetz und Rat der Waffen Hitze kühlt;
Und wo nicht Kunst und Recht im Fürsten-Garten blühen.
Wenn Weisheit und Verstand das kluge Schwert regiert,
So kann Tiberius die frechen Feinde schlagen 2.
Wenn Weisheit und Verstand des Prinzen Scheitel ziert,
So muß auch bloße Furcht die Welt in Harnisch jagen:
Ob gleich Philippus' Fuß Madrid niemals verläßt 3.
Und also kann ein Prinz auch in dem Zimmer siegen,
Ihn führt des Ruhmes Schiff nach Nord, Ost, Süd und West.
Vor seines Namens Blitz muß Feind und Neid erliegen.
Ein Prinz der sich der See des Herrschens anvertraut,
Und der Gelehrten Schar zu Ruderknechten wählet,
Der schifft mit Ruhm, wo man des Herculs Säulen schaut,
[8]
Und hat den sichern Port der Ehren nie verfehlet.
Durchlauchtigst-großer Prinz! Hier schweiget Reim und Kiel,
Weil dessen Armut sich zu viel hat unternommen;
Er will mehr, als er schreibt! er schreibt nicht, wie er will,
Und seine Ohnmacht ruft: Demosthenem laßt kommen!
Er unterwindet sich ein kronenfähigs Bild,
Und göttergleichen Geist, in etwas vorzustellen:
Den Pallas mit der Milch der Weisheit hat erfüllt,
Dem sich die Tapferkeit als Freund will beigesellen.
Des Vaters Heldenart, der Mutter Tugendglut,
Hat sich genau in dir, du großer Prinz, verbunden.
Es quillt, es flammt, es brennt, das teure Sachsenblut,
Das sich zum viertenmal hat rühmlichst eingefunden,
Im Namen, welcher längst mit diamantner Schrift,
Den Sternen einverleibt. So kann ein Held nicht sterben,
Wenn Gott, Natur und Er ein solches Denkmal stift,
Das in gevierdter 4 Zahl die Tugend pflegt zu erben.
Es jauchzt das frohe Land, der treue Untertan
Läßt sich mit Nektarkost der süßen Hoffnung speisen:
Die hohe Raute sei befreit vom Todeszahn,
Weil noch der werte Stock kann Prinz und Zweige weisen.
Minervens heller Schild wirft einen Wunder-Strahl,
Auf das Palladium, das unser Sachsen kennet:
Weil ein so großer Prinz in der gelehrten Zahl,
Mehr als ein Phosphorus am Tugend-Himmel brennet.
Bellona leget sich den Blitz der Waffen an,
Und will durch Heldenart dem Prinzen sich vermählen.
Denn weil des dritten Ruhm besiegt der Sternen Bahn,
So kann unmöglich es ihr bei dem vierten fehlen.
Selbst Cypris, welche ward aus Flut und Salz gezeugt,
Kömmt auf der Cimber-See in Muscheln hergefahren,
(Weil sich Magnet und Held stets nach dem Norden neigt:)
Und ist bemüht nach Wunsch ein hohes Paar zu paaren.
So wird von Gott und Welt ein großer Prinz geliebt,
Den Weisheit und Verstand, und Tapferkeit bezieren.
[9]
Dem selbst der gelbe Neid dies holde Zeugnis gibt:
Man könne nichts, als Gnad und Sanftmut an Ihm spüren.
Daß nun Banise sich darf in das Heiligtum,
Und den geweihten Ort der irdschen Gottheit wagen:
Dies schafft, Durchlauchtigster! Dein hoher Gnaden-Ruhm.
Denn wie die ferne Welt muß rühmen, loben, sagen!
Daß gegen Sklaven auch Dein Gnaden-Öle flammt,
Der Sanftmut Ampel brennt: So lehrt mich Ruhm und Güte,
Daß schlechter Weihrauch nicht von Göttern wird verdammt:
Drum nah ich mich getrost mit demutsvollem Schritte.
Es senket sich mein Knie vor Deinen Altar hin.
Banise fleht: Laß sie durch gnädiges Beschützen,
Vor Mißgunst sicher sein. Ach lasse zum Gewinn
Der Augen Gnaden-Strahl auf mich, mich Ärmste, blitzen.
Schau nicht die Würdigkeit des schlechten Werkgens an,
Die Unvollkommenheit hat solches auferzogen.
Der Sonnen Majestät zeucht von der Erdenbahn
Den Dunst, und schafft daraus die schönsten Regenbogen:
Und ein Durchlauchter Blick vergöttert Werk und Kiel,
Das seinem Wesen nach nur Finsternis verdienet.
Zwar Neid und Einwurf spricht: Es sei nur allzu viel.
Banise habe sich hierdurch zu viel erkühnet:
Daß ihr geringes Blatt die Sternen übersteigt,
Zu großen Prinzen tritt, in schlechtem deutschen Kleide,
Vor denen Svada sich, als überwunden, neigt:
So führt die Hoffnung doch mich zu der süßen Weide:
Daß zwar der Sonnen Glanz der Zedern Pracht anblickt,
Und hohe Tannen meist das holde Licht genießen:
Doch wird ein niedrig Reis zugleich dadurch erquickt,
Wenn ihrer Strahlen Macht den ganzen Wald umschließen.
Das perlenreiche Meer verschmähet keinen Fluß,
Der doch nur Wasser zinst, in seine Schoß zu nehmen.
[10]
Korinth entschuldiget den wohlgemeinten Schluß,
Philippi großen Sohn, als Bürger aufzunehmen;
Mit diesem: daß sie nie erwähntes Bürgerrecht,
Als nur dem Hercules, jemanden angetragen.
Hier unterfänget sich ein untertängster Knecht,
Mit beßrer Folgerung und Grunde dies zu sagen:
Man habe ja vor mir kein Opfer noch gesehn,
Das sich nach Würden Dir, Durchlauchtigster, vergleichet.
Und also wirst Du nicht dies wenige verschmähn,
Was Dir Dein Sklave hier in Demut überreicht:
Weil große Prinzen oft nur Wasser hat vergnügt,
Das eine treue Hand geschöpft. Ja selbst mein Herze,
Das mehr als diese Schrift zu Deinen Füßen liegt,
Zündt dieses Opfer an, als eine treue Kerze,
Die nach Vermögen wünscht, gleich andern, vor Dein Heil,
In Untertänigkeit zu sterben und zu brennen,
Wird mir ein Funken nun von Deiner Huld zuteil:
So werd ich bis zur Gruft mich untertänigst nennen
Eurer Chur-Prinzl. Durchl.

Leipzig den 16. Augusti
An. 1688.
Treu-gehorsamst- und
demütigst-ergebner Knecht
H.A.v.Z.u.K.

Fußnoten

1 cum lemmate: Ex utroque Caesar.

2 Tacit. lib. 2. Annal.

3 Saav. Embl. 84.

4 Virtutes quatuor Cardinales.

[11] Nach Standes-Gebühr Geehrter Leser!

Endlich erkühnet sich meine Asiatische Banise, als eine unzeitige Frucht seichter Lippen, unter der Presse hervorzuwagen, und sich auf dem Schauplatz der schrift-ekeln Welt vorzustellen; der angenehmen Hoffnung lebende: daß, ungeachtet vieler Mißgünstigen, (derer ich eine ziemliche Bataillon wider den Jenghien Bassa ins Feld stellen wollt,) welche nicht ermangeln werden, diese Blätter durch alle Prädicamenta durchzuziehen, sich dennoch viel honette Gemüter finden werden, die dieses mein wohlmeinendes Unterfangen mehr loben als schelten, und aus dem Willen erkennen werden: was ich mir wünschte, in der Tat würklich zu leisten. Ich kann mich zwar mit der Unwissenheit nicht entschuldigen, was vor ein gefährliches Unternehmen es sei, sich der scrupuleusen Welt durch Schriften zu offenbaren, angesehen solche ohnedies mit so vielen gelehrten Sachen in allen Wissenschaften dermaßen angefüllet, ja überhäufet ist, daß fast keine Verbesserung zu hoffen: Dennoch wird diese Indianische Prinzessin verhoffentlich passieret werden, wenn sie ganz gerne bekennet, daß sie keinen locum in denen Actis Eruditorum meritire; zugleich aber beweglichst bittet, sie mit einem ungleichen Judicio Otiosorum zu verschonen; angesehen sie sich nur in einem schlechten deutschen Kleide, nicht aber im Harnisch, wodurch sie einige Begierde zu fechten andeuten möchte, vorstellet. In solcher Blödigkeit hat sie sich billig unter die mächtigen Schutzflügel des Durchlauchtigsten Chur-Prinzens zu Sachsen, dessen berühmte Sanftmut und hohe Gütigkeit auch in Asien erschollen, demütigst begeben, und um gnädigste Beschirmung wider alle Pfeile der giftigen Mißgunst fußfällig geflehet.

Hier sollte ich nun ferner bemühet leben, alle besorgende Einwürfe, welche ich bereits anzuhören bemüßiget worden, gründlich zu widerlegen: bevoraus die catonianische Meinung, [12] ob wären die Romainen schlechterdings unnütze Schriften: Allein ich verlasse mich auf die Gütigkeit des geneigten Lesers, und übergehe alles mit Stillschweigen. Denen ungegründeten Hassern aber der Heldenschriften, und andern Übelgesinneten rate ich dienstfreundlich, dieses geringfügige Werkgen, welches sich nur als eine unwürdige Aufwärterin der heutig-vortrefflichen Romainen aufgeführet, beiseite zu legen, und ein nützlicher Buch nach seiner Caprice zu ergreifen, aus welchem er beweisen könne: Dicatur in eo, quod non dictum sit prius. Den Inhalt der wenigen Blätter belangende, so sind es mehrenteils wahrhaftige Begebenheiten, welche sich zu Ende des funfzehenhunderten Seculi bei der grausamen Veränderung des Königreichs Pegu und dessen angrenzenden Reichen zugetragen haben: Wobei zugleich ein wohlgesinnter Leser die wundersamen Gewohnheiten und Gebräuche der Barbarischen Asiater, bei Heiraten, Begräbnissen und Krönungen, welche ich, nebst der historischen Wahrheit, mit Fleiß aus denen gelehrten Schriften des nie genung gepriesenen Francisci, Saarens, Schultzens und Balby Reisebeschreibungen, Rogeri Heidentum, Rossens Religionen und andern curieusen Schriften colligieret, verhoffentlich nicht sonder Anmut bemerken wird. Und wie ich mich möglichst beflissen, alle unartige und ärgerliche Redensarten äußerst zu meiden, auch niemanden mit Fleiß zu touchieren, (es sei denn, daß sich jemand getroffen fände, da ich versichere, es sei von ungefähr geschehen) also verhoffe um so viel eher, aller übeln Meinung entübriget zu bleiben.

Des Styli und eingestreueten Barbarismi wegen werde ich verhoffentlich zu perdonnieren sein, wenn ich sage: daß ich hierinnen den eigentlichen Endzweck der Romanen, die deutsche Sprache zu erheben, nicht so genau beobachtet habe: weil ich mich viel zu wenig erachtet, unserer werten Muttersprache den wenigsten Zierat durch mich zu erteilen: Zudem auch der Inhalt sich mehr einer historischen Beschreibung, als Heldengedichte gleichet: Dahero ich durch vergebene Bemühung die Armut meiner Zunge nicht verraten, sondern mich durchgehends einer leichten und gewöhnlichen Redensart bedienen wollen. Sollte aber dem geehrten Leser die Vollkommenheit deutscher Sprache zu sehen belieben, so wird ehestens der unvergleichliche Arminius nebst seiner Durchlauchtigsten Thusnelda des weit [13] berühmten und vortrefflichen Daniel Caspar von Lohensteins sein Verlangen sattsam stillen.

En fin; Ich bitte nochmals, diese Schrift nicht nach Würden, sondern nach dem wohlgemeinten Absehende meliori zu judicieren, und mir durch geneigtes Aufnehmen meiner Banisen fernere Gelegenheit geben: daß ich künftig meine Dankbarkeit hiervor noch durch zwei unterschiedene Bemühungen der strebenden Feder, welche durch ihre Benamungen: Helden-Liebe der Schrift, und Diarium Historico-Poëticum, den Inhalt sollen zu verstehen geben, kühnlich darzulegen, möge Ursach haben. Denen übeldeutenden Momis und Zoilis aber setze ich den Wahlspruch eines hohen Ordens wohlbedächtig entgegen:


Honni soit, qui mal y pense.

VALE

Erstes Buch

Lebensgeschichte Prinz Balacins und der Prinzessin Higvanama
Lebensgeschichte Prinz Balacins und der Prinzessin Higvanama.

Es wird niemand so gar ein Fremdling in den asiatischen Begebenheiten sein, dem nicht die mehr tadel-als lobwürdige Regierung des Königs von Ava, Dacosem meines Prinzens Herr Vater, in etwas bekannt sein wird; bevoraus, wie er eine große Ursache des jämmerlichen Untergangs von Pegu [43] gewesen sei. Dieser Dacosem hatte eine Tochter des Königes von Bengala zur Gemahlin, mit welcher er zwei Prinzen und eine Prinzessin zeugete, wovon der älteste Prinz gleichfalls den Namen seines Herrn Vaters, Dacosem, führete; der jüngere, als mein gebietender Herr, Balacin, die Prinzessin aber Higvanama genennet ward. Weil er nun gerne für jedem Prinzen eine Krone gewünschet hätte, Ava aber nicht zulänglich sein wollte: als warf er ein sehnsüchtiges Auge auf das Reich Pegu, welches sein leiblicher Bruder, als Kaiser beherrschete, und nach dessen Tode den unglückseligen Prinzen Xemindo, als einigen Erben und Besitzer des großen Reichs Pegu, hinterlassen hatte. Solches stach nun unsern alten Dacosem gewaltig in die Augen, und wollte das Siammische Recht einführen, kraft dessen kein Sohn succedieren könne, so lange ein Bruder verhanden wäre. Weswegen er denn auch der Krönung zu Pegu nicht beiwohnen, vielweniger die Lehenspflicht gleich andern Lehenkönigen ablegen, noch einige Lieferung der Präsenten erstatten wollte, welches er doch zuvor seinem Bruder getan, angesehen Ava jederzeit ein Lehn von Pegu gewesen. Überdas ließe er auch den Jubelenhandel sperren, und ganz nichts in Pegu abfolgen. Solches alles wollte dem Xemindo nicht anständig sein: Dannenhero er alsobald Gelegenheit suchte, dem alten Herrn Vetter im Harnisch eine Visite zu geben, ließ seine Armee zusammenrücken, und zog mit dreimal hunderttausend Mann nach den Grenzen von Ava, indem er es vor viel besser hielte, sein Pferd an einen Fremden, als eignen Zaum, zu binden. Dacosem verließ sich inzwischen auf eine heimliche Verbündnis, die er mit etlichen hohen Bedienten von Pegu aufgerichtet, besonders mit dem Xenimbrun, Vicekönig von Brama, welcher auch ingeheim seinen Bruder Chaumigrem, mit etliche tausend Mann nach Ava geschickt hatte: Und ob solches zwar eine gar unzulängliche Hülfe wider so einen mächtigen Feind war, dennoch war unser alter Dacosem dermaßen hierüber vergnügt, daß er dem Chaumigrem nicht gnugsam Ehre zu erweisen vermochte. Kurz hierauf lief die schreckende Post zu Ava ein, es habe Xemindo mit einer gewaltigen Armee die Grenzen bereits auf zwanzig Meilen überschritten, und dürfte wohl sein Hauptquartier in Ava nehmen wollen. Worüber Dacosem heftig erschrak, die Armee eilend zusammenzog, und den ältern Prinz Dacosem hierüber zum Feldmarschall setzte, jedoch sollte Chaumigrem [44] über alles ein wachendes Auge haben. Mein Prinz war damals im 15. Jahre, und achtete es sich vor die höchste Schande, eine solche Gelegenheit, wobei er die Probe seiner Tapferkeit ablegen könnte, zu versäumen. Derowegen hielt er inständig bei dem Herrn Vater an, daß er ihn endlich mit diesen selbstschmeichelnden Worten entließ: »Nun, so zeuch hin, mein Sohn, und hilf deinem Bruder eine Krone erwerben, damit du die von Ava nicht teilen dürfest.« Untergab ihn auch sofort gleichfalls der Aufsicht des Chaumigrems, welcher diesen künftigen Stein des Anstoßes gewiß bei dieser guten Gelegenheit würde aus dem Wege geräumet haben, wenn er das Bevorstehende gewußt hätte. Chaumigrem, und zwar eben dieser jetzige Kaiser und Tyrann von Pegu, begab sich hierauf mit unsern zweien Prinzen nach der Armee, und rückte schleunigst ins Feld, weil Xemindo nur noch acht Meilen von Ava stund. Hier durften sie nun nicht lange den Feind suchen, und weiß ich am besten, wie mir damals zumute war, als der ich unter meines Prinzen Leibwacht ein Hellebardierer war. Denn wir Soldaten vermeinten, uns noch etliche Wochen vor unserm Ende lustig zu machen, und uns des Landes zu erkundigen, wo es am besten zu fressen und zu saufen wäre: Allein wir waren kaum zwei Tage marschieret, so kamen unsere Leute parteienweise gelaufen, als wenn das Gras unter ihnen brenne, und berichteten mit tiefen Atemholen, der Feind stünde nur noch eine Meile von uns. Welches uns ganz unglaublich, vorkommen wäre, wenn nicht fast ein jeder ein blutig Zeugnis vorgelegt hätte. Solches lernte unsere Herren Generales ein wenig behutsamer sein, daß sie sich nunmehr auf Kundschaft legten, und die Armee besser zusammenzogen: denn es lagen damals wohl noch tausend Mann um Ava herum, die erst auf das Gewehr warteten, welches von Malboa aus dem Zeughause sollte gebracht werden. Ich vergaß nun aller Gedanken, und hätte man mich mögen hundertmal Scandor nennen, so hätte ich nicht gewußt, ob es ein Mannesname gewesen, oder ob es mich anginge? Ja, ich wünschte wohl herzlich, gar ein Mädchen zu sein, so dörfte es noch eher ohne sonderliches Blutvergießen ablaufen. Denn ich meinte, wunder was es vor eine herrliche Sache um das Soldatenleben sei! Allein ich hatte mein Tage noch keinen Feind gesehen, und zitterte schon, als ich ihn nur nennen hörte. Inmittelst kam mein Prinz auf einen schönen kastanienbraunen Hengste dahergerennt, und [45] unterstund sich uns allen ein Herze einzusprechen, gleich als wäre er längst bei der Erfahrung in die Schule gangen. Die Angst vermehrte sich aber um ein großes, als das Geschrei kam, der Feind käme in voller Schlachtordnung angezogen, und wollte es auf ein Haupttreffen ankommen lassen. Da erhub sich nun ein grausames Getümmel, es wurde überall Lärmen geblasen, und geschlagen, die Generalspersonen rennten bald hie bald dort hin, und schrien, daß sie ganz schwarz wurden, da sie sich doch selbst nicht hörten. Der Feind hatte auch einige Feldstücke auf einen Hügel gepflanzet, und begrüßte uns mit etlichen Salven, daß uns Hören und Sehen verging. Und hier verließ mich nun die Courage auf einmal, daß ich auf der Stelle umkehrte, und mich zur Bagage begeben wollte. Allein ich wurde hierüber so ungestüm zur Rede gesetzet, daß mein Rücken geschworen hätte, es kämen einige Pillen vom Berge geflogen. Ob es nun zwar nur ein verkehrtes Gewehre war, so preßte es mir doch, weil ich meine Herzhaftigkeit nicht bekennen wollte, diese in der Eil ersonnene Entschuldigung aus, ich wollte nur den Musterschreiber mein Testament aufsetzen lassen, weil ich doch wohl sehe, es müßte gestorben sein: ich wurde aber beim Arme so ungestüm wieder in das Glied geführet, daß ich anfing, meinen Geist den Göttern zu befehlen. Was nun das größte Versehen von unserm neuen Feldherrn war, so waren alle Stücke zurücke blieben, mit dem Befehl, erst inner vier Tagen zu folgen, weil man wegen übler Kundschaft den Feind nicht so nahe vermutet hatte. Inmittelst vermehrten sich die feindlichen Stücke dermaßen, daß es schien, als sollte Himmel und Erden einfallen. Und dieses Schießen verursachte, daß wir unsern Vorteil und das geraume Feld verlassen, und uns auf tausend Schritte zurücke ziehen musten: Bei welchem Rückmarsche ich herzlich erfreuet wurde, in Meinung, es würde so bis in Ava hinein währen, da ich denn gewiß nicht der letzte zum Tore wollte gewesen sein, und freute ich mich schon, wie mich meine liebe Mutter aus dem gefährlichen Kriege so sehnlich empfangen würde. Allein wie ich das entsetzliche Wort hörte: Setzt euch, schließt die Glieder! macht das Gewehr fertig! so vermeinte ich nicht anders, es hätten mich zehen Kugeln getroffen: ja ich kunnte mein Gewehr nicht mehr regieren, und war dermaßen verwirret, daß ich meinen Prinzen, welcher voller Feuer vor unserm Haufen hielte, ganz ängstlich fragte: »Gnädiger Herr, sollen wir [46] auch Feuer geben?« da wir doch nichts als Spieße und Säbel hatten: Welches denn unsern Prinzen zu heftigem Lachen bewegte, worüber ich mich öfters gewundert, daß er bei solcher Gelegenheit, da auch wohl die größten Helden zum erstenmal gezittert, habe lachen können. Mit solcher Frage hatte ich meinen Nebenkameraden gleichfalls dermaßen irre gemacht, daß er mich um einen Spanner ansprach, da wir doch gleiche Gewehr hatten. Meine Person aber zu verlassen, so erhub sich erst das Treffen durch kleine Haufen, da bald dieser, bald jener, unten lag, bis es endlich zur vollkommenen Schlacht ausbrach, und mein Prinz kaum die Zeit erwarten kunnte, daß er angreifen sollte. Wir wurden aber, ehe wir uns versahen, selbst angegriffen; denn Chaumigrem tat den Angriff mit der Reuterei, und wurde sofort von der Menge des Feindes geschlagen. Als ihn nun Prinz Dacosem mit den Elefanten gebührend sekundierte, füget es das Unglücke, daß diese beiden Vettern, Xemindo und Dacosem einander selbst begegneten, und einen Streit um die Krone Pegu persönlich antraten. Erst brauchten sie Rohr und Pfeile gegeneinander, worinnen sich Xemindo aber von dem Dacosem weit überlegen sahe; und dannenhero sein Schwert, welches ihm der Stadthalter von Goa, Luigi di Taida verehret hatte, entblößte, daß also ein ernstes Faustgefechte unter ihnen entstund, da inzwischen die Elefanten, welche diese königliche Fechter trugen, gleichfalls nicht feierten, sondern einander feindselig zusetzten, bis des Xemindo Elefante einen Zahn verlor, und daher voller Grimm und Schmerzen auf den andern einstürmte. Wodurch Xemindo Gelegenheit bekam, unserm Prinzen einen tödlichen Stoß zu versetzen, und ihm zugleich des Lebens, und aller Hoffnung zur Krone, zu berauben. Dacosem stürzte nicht so geschwinde vom Elefanten, als der flüchtige Soldate dem Feinde den Rücken zukehrte, gleichsam als wenn mit ihrem Prinzen auch ihre Tapferkeit gute Nacht gäbe; da sie doch vielmehr durch solchen kläglichen Fall hätten zu grausamster Rache sollen angetrieben werden. Allein da half kein Rufen, Bitten, Drohen noch Schlagen, sondern ein jeder rannte, als ob ein Wettlaufen nach Ava angestellet wäre. Hierdurch nun wurde der ganze Schwarm vom Feinde auf unsern Hals gezogen; und ich muß gewiß sagen, wir hielten uns zu Fuß dermaßen, daß die Reuter einen weiten Vorsprung taten, ehe der Feind ohne Verhindernis nachhauen konnte. Hier erzeigte nun unser Prinz Balacin [47] ungemeine Proben seiner künftigen Tapferkeit, und machte mich hierdurch so beherzt, daß, als ich nur warm worden, ich dermaßen grausam um mich hieb und stach, daß ich mich noch über meine damalige Tapferkeit verwundere. Endlich aber, als der Feind uns allzu heftig zusetzte, trennte er unsere Glieder, und wir gerieten dermaßen ins Handgemenge, daß wir oft nicht wußten, ob wir Feind oder Freund trafen. Ich meinesteils hielt mich so viel möglich, bei meinem Prinzen, da mir denn das gütige Glücke die erste und schöne Gelegenheit gab, mich bei demselben in sonderbare Gnade zu setzen. Denn es kam ein großer baumstarker Indianer gelaufen, und versetzte dem Pferde meines Prinzen mit einem Spieße einen dermaßen gewaltigen Stoß, daß es sofort übern Haufen, und meinem Prinzen auf den Leib fiel; weil nun von so heftigem Stoße der Schaft am Spieße zerbrochen, als griff der ungeschickte Kerl zum Säbel, und wollte hier auch den letzten Zweig des königlichen Stammes abhauen. Allein es beseligten mich die Götter mit einer tapfern Begierde, meinem Prinzen, sobald ich das Pferd fallen, und den Feind mit bloßem Säbel über ihm sahe, schleunigst beizuspringen; ich sprang über etliche Leichen weg, und kam gleich zurechte, als der Indianer den Säbel aufgehoben, und den Streich recht auf des Prinzen Hals gerichtet hatte. Hier ergriff ich nun meinen Spieß zu beiden Händen, und stieß ihn dem feindlichen Gesellen unter den rechten Arm, welchen er aufgehoben hatte, hinein, daß er den Säbel entfallen ließ, niederstürzte, und die schwarze Seele samt dem Blute ausblasen mußte. Weil nun hier nicht lange zu säumen war, so riß ich den Prinzen unter dem Pferde hervor, worüber mir ein plumper Kerl einen ziemlichen Streich über den linken Arm versetzte, daß ich mich sattsam prüfen konnte, ob ich auch mein eigen Blut sehen könnte. Inzwischen ward der Prinz auf ein ander Pferd, und aus dem Gedränge gebracht. Nachdem aber der Feind uns weit überlegen war, und die Reuterei nebst dem Feldmarschall Chaumigrem uns durch die Flucht verlassen hatten, so waren wir ohne Anführer, daher denn ein jeder seine Füße um Rat fragte, und sich so viel möglich, dem feindlichen Säbel zu entfliehen, bemühete. Ich selbst vermeinte an ermeldter Heldentat gnugsam verrichtet zu haben, sahe mich derowegen nach meinen Prinzen um, und eilte ihm dermaßen nach, daß ich nicht wußte, ob Feind oder Freund hinter mir war. Nach einer Stunde erreichte ich einen Wald, und [48] schätze mich nunmehro sicher zu sein, satzte mich nieder, und verband meine Wunden, so gut ich konnte. Als ich aber von weiten ein starkes Getümmel vernahm, hielte ich ferner nicht vor ratsam, mich noch einmal in die Gefahr zu begeben, dahero ich mich auf den Weg machte, und des andern Tages ganz matt und kraftlos vor den Toren zu Ava anlangte, woselbst ich vieler meiner Kameraden antraf, welche durch die Flucht ihr Leben gerettet hatten. Es kamen auch deren noch stündlich zu ganzen Truppen in voller Unordnung gelaufen, von denen man das Ende der Schlacht, und den großen Verlust der unsrigen, gnugsam vernehmen kunnte. In summa, die Schlacht war verloren, dreiundzwanzigtausend der Unsrigen wurden vermißt, und es war alles in höchsten Sorgen und Furcht, wenn der Feind kommen, und uns gar in Ava besuchen möchte. Welches denn auch gewiß geschehen wäre, wenn nicht in währender Schlacht dem Kaiser von Pegu die gefährliche Nachricht wäre hinterbracht worden, was maßen dessen Stadtverweser in Brama, vorerwähnter Xenimbrun, in dessen Abwesen sich einen großen Anhang gemacht, Brama eingenommen, und jetzt in vollem Marsche nach Pegu begriffen wäre, um sich daselbst zum höchsten Haupte des großen Reichs zu machen, welchen fernern Verlauf Sie beiderseits besser wissen werden, als wir, die wir damals noch genug an den eigenen Wunden zu heilen hatten. Ich fahre nur fort in unsern eignen Angelegenheiten, die sich nach solchem Verlust erzählter Schlacht ferner ereigneten. Chaumigrem war fast mit den ersten in die Stadt gekommen, und hatte persönlich diese leidige Nachricht dem Könige hinterbracht, welcher hierüber dermaßen bestürzt worden, daß er sofort die Stadt verlassen, und sich nach Malbao begeben wollen, wann ihn nicht Chaumigrem getröstet, und durch schriftlichen Beweis versichert hätte: es könne der Kaiser von Pegu solchen Sieg nicht verfolgen, indem sein Bruder Xenimbrun bereits Brama zum Abfall bewegt, erobert, und die Hand nach der völligen Krone ausgestrecket hätte, welche zu retten, er notwendig sich eilend zurücke wenden, und die Glut seines eigenen Hauses dämpfen müsse. Solches sein Vorbringen ward durch fernere Kundschaft bestätiget, welche den schleunigen Rückmarsch des Feindes, und daß er gleichwie in voller Flucht die Grenzen von Ava verlassen hätte, voller Freuden verkündigte. Hiedurch nun machte sich Chaumigrem zu einem Abgotte bei dem Könige; und welcher zuvor durch [49] Unverstand den Kronerben und die Schlacht verloren hatte, dieser mußte anjetzo der einzige Erhalter des Königreichs genennet werden. Und gewiß, wo einige Verräterei kann gut gesprochen werden, so waren diese zwei ungerechte Brüder rechte Schutzengel des Königs Dacosem, außer deren Hülfe er gewiß einen strengen Lehnsherrn an dem Xemindo würde gefunden haben, angesehen Ava so gut als verloren schien, und nicht die geringste Anstalt zu einiger Gegenwehr zu spüren war.

Hier mag nun Chaumigrem in dem Schoße des Königs ruhen, und ich will etwas von mir gedenken, in was vor Angst ich abermal des dritten Tages nach der Schlacht geriet, als mir angedeutet ward, ich sollte nebst andern vor unserm Befehlshaber erscheinen, und zuvörderst meinen Namen von mir geben.

Ich vermeinte nun nicht anders, denn es würde die gewöhnliche Kriegsstrafe an mir wegen meines Ausreißens verübet, und ich mit einem schimpflichen Luftarreste beleget werden; wiewohl ich stets daran gedachte, wo es ja an ein Henken ginge, so müßte notwendig der Rang beobachtet, und unser Feldherr Chaumigrem, welcher zum ersten das Feld scheute, oben an logiert werden, alsdenn wollte ich mich gerne neben ihm aufknüpfen, und auch im Tode eine dermaßen hohe Miene blicken lassen, daß mich jedweder Fremder vor einen Unterfeldherrn angesehen und respektieren müßte. Mit solchen selbstschmeichelnden Todesgedanken verfügte ich mich nach dem hohen Markte, allwo ich den ganzen Rest von der überbliebenen Leibwacht meines Prinzens ohne Gewehr antraf, da doch keiner dem andern die Ursache ihrer Zusammenkunft zu sagen wußte; wiewohl einige ihre Einbildung vor gewisse Wahrheit ausgeben wollten, sie wären von dem Chaumigrem angegeben, als hätten sie nicht allerdings ihre Pflicht in währendem Treffen beobachtet, deswegen denn Kriegsrecht über sie sollte gehalten werden. Solches vermehrte meine vorhin dem Chaumigrem gehässige Gedanken dermaßen, daß ich zum öftern diesen Seufzer zu den Göttern in geheim abschickte:


Ihr Götter! soll ich unverhofft
Mein Leben schließen in der Luft;
So soll mich dieser Tod nicht kränken,
Laßt Chaumigrem nur bei mir henken.

[50] Wegen der Andacht aber, erblickte ich mit sonderlicher Gemütsänderung meinen Prinzen, welcher in gelbem Habit, als der gewöhnlichen Indianischen Trauerfarbe um dessen Herrn Bruder, auf einem schönen Rappen daher gesprenget kam, und sich vor unsern Trupp setzte, da er denn alsobald begierig sagte: Es sollte derjenige, welchem er bei vorgegangenem Treffen sein Leben zu danken hätte, ungescheut hervor treten, und fernerer gnädiger Verordnung gewärtig sein. Solches vernahm ich mit freudigster Bestürzung, und weil mich mein Gewissen versicherte, ich hätte hierdurch keine henkens- sondern beschenkenswürdige Tat begangen, als maßte ich mich einer sonderbaren Herzhaftigkeit an, und trat mit einem, meiner Einbildung nach, sonderbar-heroischen Gesichte hervor, sagende: »Durchlauchtigster Prinz, daß ich zu Rettung Dero hohen Lebens ein unwürdiges Werkzeug gewesen, solches ist vielmehr der gütigen Schickung unserer Götter, welche meine Faust regieret, als etwa meinem geringschätzigen Vermögen zuzuschreiben.« Hierauf fragte mein Prinz mit einer ganz gnädigen Miene nach meinem Namen und Stande, welche Frage ich mit kurzem Berichte vergnügte: »Man nennet mich Scandor, und bin aus dem alten adelichen Geschlechte der Frenojamer entsprungen, es wohnet mein Vater nicht unfern von Ava, welcher mich denn nach Landes Art bestmöglichst erzogen hat. Als er aber nach sechsjährigem Witberstande sich mit der falschen Einbildung geschwängert befande: es könne dessen Wirtschaft ohne einen weiblichen Befehlshaber nicht sattsam versorget werden: so verknüpfte er sich mit dem gefährlichen Liebesbande der edeln Jugend, und legte eine glühende Kohle in sein Ehbette, unbesorgt, ob nicht der Schnee seiner grauen Haare bei solcher Glut schmelzen, oder gar fremde Nachtsteiger den Wachsstock ihrer Begierde bei diesem vermeinten Eigentum anzünden möchten. Kurz, er nahm eine junge Dame von 17 Jahren, welche ihn beherrschte und mich verfolgte. Ob mich nun zwar mein Vater, als sein einiges Kind, der väterlichen Huld sattsam genießen ließ, so würde ich doch deren durch stetes Verleumden bald beraubet: denn, indem sie wohl wußte, wie wohl es der Katzen tue, wenn man ihren Rücken streicht; also brachte sie endlich durch vieles Liebkosen zuwege, daß eine eingebildete Vergnügung, die väterliche Liebe, und mich in Krieg verjagte. Worinnen ich nun unter Dero Befehl bei sechsunddreißig Monaten gestanden, [51] mein Zug und Wache wohl versehen, und mich als ein getreuer und rechtschaffener Soldate jederzeit verhalten habe. Bitte sodann untertänigst, mein gnädigster Herr zu verbleiben.« Solche Freimütigkeit gefiel meinem Prinzen über die Maßen, und als er zugleich mein Wohlverhalten aus dem Munde meiner Offizierer vernahm, war es ihm um so viel desto angenehmer, daß ich von gutem unverfälschten Adel war. Dannenhero er denn mich mit einhelliger Bewilligung meiner Kameraden zum Hauptmann der sämtlichen Kompanie vorstellete, und mir unwürdigst die hohe Gnade antat, daß ich als Hof- und Kammerjunker auch bei Hofe einen freien Zutritt haben möchte. Ob ich mich nun wohl äußerst entschuldigte, und mein Unvermögen vorschützte, wie ich mich, bevoraus in das gefährliche Hofleben, nicht würde zu schicken wissen, so war es doch alles vergebene Bemühung, indem mir mein Prinz zu gehorsamen auferlegte, auch sofort eine anständige Summa Geldes auszahlen ließ, wodurch ich mich bestens auskleiden, Bediente annehmen, und mich als einen unschuldigen Hofmann aufführen kunnte. Vor solche unvermutete hohe Gnade, ließ ich es zwar an untertänigster Danksagung nicht ermangeln, und kunnte ich mich in meine Hauptmannsstelle noch ziemlich finden, zumalen ich und mein Lieutenant erfahrne Soldaten waren. Allein, was den Hof anlangte, da muß ich bis diese Stunde noch ein Schüler bleiben; am allermeisten hütete ich mich vor der gemeinen Hofpest, ungemessener Einbildung, und befliß mich, durch anständige Demut, mir jedermann, er mochte ein Hof- oder Landmann sein, zu verpflichten; aus Ursachen, weil ich nicht unbillig besorgte, es möchte diese ungemeine Gnadensonne einen schädlichen Nebel des Neides über mein Haupt zusammenziehen, und ich etwan in solcher Finsternis auf dem schlüpferichen Eise der Herrengnade gar fallen. So ich mir nun durch unnützen Hochmut jedermann verhaßt gemacht hätte, so würde ich in solchem Fall von den Höhern verstoßen, und von den Geringern wohlverdientermaßen wiederum verachtet werden. In summa, ich ward über alles Verhoffen ein vornehmer Kriegsbedienter, und wider meinen Willen ein Hofmann. Es kam mir aber die sonderliche Gnade meines Prinzen trefflich zu statten, indem er mich gar zu seinem Vertrauten machte, weil ihm meine Verschwiegenheit und lustiger Humor trefflich wohl gefiel, wodurch meine Fehler bedecket, und der Mangel ersetzet wurde.

[52] Ich überkam auch einen freien Zutritt von allem denjenigen ein leibhaftiger Zeuge zu sein, was ich ferner erzählen werde. Chaumigrem befestigte sich inzwischen dermaßen in der königlichen Gnade, daß Prinz Dacosem gar leicht vergessen ward, gleichsam als ob er in Chaumigrems Person wiederum lebendig worden wäre, ja er wurde in gewissen Dingen auch gar meinem Prinzen vorgezogen, angesehen sich Dacosem in der väterlichen Liebe ohne dies gar wohl zu mäßigen wußte, wie er solches sattsam gegen die Prinzessin Higvanama, die er doch jederzeit sein liebstes Kind zu nennen pflegte, merken ließ. Diese Prinzessin war nun so wohl am Stande als an Schönheit und Tugend die Krone in ganz Ava, ihres Alters im siebzehnten Jahre, und von so angenehmen Wesen, daß Nherandi, Königlicher Erbprinz aus Siam, gewiß hierinnen nicht irrete, als er vor einer Jahresfrist unsern Hof besuchende sich durch sie fesseln lassen und es vor ein hohes Glücke achtete, als er ihre Gegenhuld und den väterlichen Willen voller Vergnügung mit sich nach Siam nehmen kunnte. Welche Liebes-Vollziehung auch bereits geschehen wäre, wenn nicht erwähnte Kriegsflamme solches verhindert hätte, zumal weil Xemindo und Higvero, König in Siam, in genauem Bündnis stunden. Chaumigrem, welcher die Gewalt hatte, auch unangemeldet in das königliche Cabinet zu gehen, nahm sich ebenfalls einsten die Freiheit, in den königlichen Lustgarten zu gehen, und ob zwar der Gärtner ihm hierinnen nicht bald willfahren wollte, mit Vermelden, es sei die Prinzessin hineingegangen und hätte, um ihre Einsamkeit zu suchen, auch sogar ihr Frauen-Zimmer in den äußern Garten-Zimmern hinterlassen; so wurde doch dessen ungeachtet der treue Gärtner vor seine Nachricht mit dem Prügel belohnet und der Garten mit Gewalt eröffnet. Welchen Tumult die Prinzessin wegen Größe des Gartens nicht vernehmen können. Als nun der ungeschickte Chaumigrem in den Garten gekommen und die Prinzessin nicht gesehen, ist er getrost nach denen begrünten Galerien hingegangen, gleich als ob er durch seine Gegenwart der Prinzessin eine sonderbare Freude erwecken würde. Und ist dessen unverschämtes Wesen um so viel mehr hieraus abzunehmen, indem er die Prinzessin sein Tage nicht gesehen hatte. Sobald er sich der Galerie genähert, höret er von weiten eine Laute spielen, welches er vor die Prinzessin erachtet, und sich dannenhero ganz unvermerkt dermaßen hinan verfüget, daß er jedes [53] Wort vernehmen, auch Dero Gebärden seitwärts genau bemerken können, als sie gleich mit entzückender Anmut und Stimme folgende Arie durch die Luft nach ihrem geliebtesten Prinzen Nherandi seufzende abgeschickt und in die Laute, welche sie von einem Portugiesen wunderwohl gelernet, absunge:


1.
Mein Hoffen stirbt, mein Kummer lebt,
Der Anker meiner Ruh ist nun zerbrochen,
Mein Schicksal, das bein Sternen schwebt,
Hat wider mich dies Urtel ausgesprochen:
Der Liebe süßer Scherz
Soll fesseln zwar dein Herz,
Doch ferne Huld bringt zweifelvollen Schmerz.
2.
Ich bin vergnügt und unvergnügt,
Wenn ich an jenen Blick und Blitz gedenke,
Durch den mein Herze ward besiegt:
Um welchen ich Abwesende mich kränke.
Zwar meine Liebespflicht
Erinnert mich und spricht:
Wo Liebe blüht, da wächst kein Zweifel nicht.
3.
Doch meine Lieb ist allzu zart;
Das Auge kann ein Staub empfindlich rühren.
Die Furcht ist reiner Herzen Art:
Ein fremder Blick kann oft den Geist verführen.
Das Leben wird versüßt,
Wo man beisammen ist,
Und Gegenwart die holden Lippen küßt.
4.
Indessen soll die treue Glut
Bis in das Grab in meinem Herzen brennen;
Wo dir mein Fürchten Unrecht tut,
So wirst du doch hieraus mein Feuer kennen.
Die Hoffnung soll allein
Nunmehr mein Zucker sein,
Ich weiß: Der Himmel wird mich bald erfreun.

Bei diesen Worten sprang Chaumigrem mehr mit närrischen als unanständigen Gebärden hervor und schrie mit vollem [54] Halse: »Chaumigrem stellt sich ein!« lachte auch hierauf mit vollem Halse dermaßen, als ob er die artigste Sache vorgebracht hätte. Hierauf stund er stille, und sahe die Prinzessin mit solchen Blicken an, daß sie vielmehr Ursache hierüber zu lachen als zu erschrecken gehabt hätte. Die Prinzessin aber erschrak, daß ihr die Laute ins Gras fiel, und sie ganz unbeweglich sitzen bliebe, bis endlich Chaumigrem in diese Worte herausbrach: »Schönste Prinzessin, Sie vergebe mir, daß ich mir die Ehre der ersten Aufwartung selber genommen und Ihr deutlich zu verstehen gebe, wie hoch es mich erfreuen würde, wenn der Inhalt dieses Liedes auf mich gerichtet wäre.« Als sich nun die Prinzessin wieder in etwas erholte, antwortete sie mit zornigen Blicken: »Herr Graf, wer hat Ihm die Kühnheit erlaubet, der sich auch königliche Personen wider meinen Willen nicht unterfangen dürfen?« Chaumigrem, welcher sich, weiß nicht was, vor ein freundlich Gesichte eingebildet hatte, angesehen er noch nicht mit so hohem Frauenzimmer umgegangen war, erschrak anfangs hierüber; jedoch antwortete er alsobald mit sonderbarem Übermute: »Wem des Königlichen Herrn Vaters Cabinet und Herze unverschlossen ist, der darf auch dessen Tochter ungescheuet besuchen.« – »Entfernet Euch, unverschämter Graf«, sagte sie mit erhitztem Gemüte, »und wisset, daß die väterliche Gnade der Tochter zu keinem Nachteil gereichen kann.« Mit diesen Worten verwies sie den bestürzten Chaumigrem, welcher sich dessen nimmermehr versehen, sondern vielmehr in der Einbildung gelebet, es müßte jedermann seine Gunst vor eine Gnade schätzen. In solchen Gedanken stellete er sich zugleich die anmutigen Gebärden und verwunderliche Schönheit, welche er währenden Singens sattsam betrachtet, vor Augen, und befand sich dermaßen gerühret, daß er nicht anders als rasende zu sein schiene, wann er betrachtete, wie ihm so etwas Angenehmes verwundet und zugleich verstoßen hatte. Und daß ich nicht irre, so können meine Herren unschwer hieraus abnehmen, wie ewig es wunder gewesen sei, daß sich ein solcher barbarischer Mensch durch so kurzes Anschauen habe entzünden lassen, wann ich ihre Person nach meinem schlechten Verstande möglichst beschreibe: Sie war einer anständigen Länge, sehr wohl gewachsen, ihr Haupt war mit kohlschwarzen natürlichen Locken bedecket, wie denn auch die Zierat ihrer großen Augen durch schmale Augbraunen um ein großes vermehret ward. Die reine [55] Haut gab die blauen Adern lieblich zu erkennen, zudem waren die rosengleichen Wangen gleichsam beschämt gegen die etwas erhabenen korallenfarbene Lippen, unter welchen sich ein wohlgebildetes Kinn, schneeweißer Hals, und (ach ich werde selbst verliebt) alabasterne Berge der Liebe anmutigst zeigeten. Die Hände waren dermaßen beschaffen, daß wer sie mit den artigen Fingern so künstlich auf der Laute spielen sahe, nicht anders, als selbte zu küssen, wünschen konnte. Mit einem Worte, außer der Prinzessin Banise getraue ich nicht in ganz Asia ihr Gleichnis zu finden. Solche Schönheit ward durch einen Gold in Blau gewürkten Rock trefflich erhaben, zumal die Diamanten häufig durch die schwarzen Locken blitzten, und auch wohl leblose Blumen hiedurch konnten bewegt werden. Allein was vor reizende Ursachen zu einiger Gegenliebe an den Chaumigrem zu finden waren, das werden meine Herren, welche ihn täglich sehen, besser im frischen Gedächtnis haben, als ich von langer Zeit herzählen kann. Weil er sich aber doch könnte geändert haben, so muß ich nur dessen damalige Gestalt beschreiben: Er war ganz klein von Person, und hatte der Rücken mit dem Schenkel einen Vergleich getroffen, sie wollten einander in der Krümme nichts nachgeben. Sein bis an den Gürtel reichendes und braunrotes Haar war hingegen so aufrichtig, schlecht und gerecht, als wenn es auf einen Fiedelbogen gespannet, und statt des Harzes mit Speck bestrichen wäre, welches einen trefflichen Widerglanz bei der Sonne gab. Der Kopf war von einer ungewöhnlichen Größe, jedoch das Gesichte lang und schmal, sehr hager und mit einer solchen großen Nase besetzt, daß es schien, als ob der Kopf ein kleiner Anhang von der Nase wäre, welche noch darzu durch so eine unanständige Krümme verstellt war, daß sie wie ein Säbel, dessen Spitze gleich auf die Unter-Lippe traf, über dem Maule hing; die Augen stunden tief im Kopfe, deren Augäpfel man vor den überhangenden roten Augbrauen nicht wohl erkennen konnte: von welcher Farbe auch ein dünner Bart um die angelweite Lippen gesäet stund: und wundert mich nur, daß ihn die Prinzessin nicht von fernen merken können, indem sein Atem so durchdringende war, daß er den Feind gar wohl damit aus dem Felde hätte jagen können, wenn er nicht mit den Stücken geräuchert, und den Stank dadurch vertrieben hätte. Von was vor hohen Farben er müsse gewesen sein, ist hieraus zu schließen: daß, weil er gleich in die Hoftrauer, und[56] zwar in Schwarz-Gelb gekleidet war, man das Kleid nicht von dessen Haut unterscheiden konnte: in summa, es war ein recht Krokodil der Liebe und eine Mißgeburt der Affektion. Was tät aber der verliebte Bucephalus ferner? Er ging die Galerie etlichemal auf und ab, und wußte nicht, ob Zorn oder Scham die Oberhand behalten sollte. Endlich tröstete er sich doch wiederum und vermeinte, er hätte es vor diesmal nicht recht angefangen, sie wäre vielleicht mehr über die Verstörung ihrer verliebten Gedanken als über dessen Gegenwart erzürnt gewesen. Derowegen wollte er die Entdeckung seiner Liebe zu anderer Zeit besser anbringen. Worüber er dermaßen entzückt schien, daß er sich allbereit in verliebten Mienen übte, und in dem Grase seltsame Stellungen machte, bis er sich endlich einem gewissen Baume nahte, welcher aus Mexico dahin versetzet war und Qvamochtil 6 genennet wird. Dieser Baum ist an allen Ästen und Zweigen, wie auch an dem ganzen Stamme mit Stacheln besetzet, welche Stacheln, wenn man sie anrühret oder drücket, mit solcher Gewalt und Krachen herausplatzen, als würden sie aus einem Geschoß getrieben. Diesen Baum nun stellte sich diese vor Liebe blinde Seele nicht anders vor, als hätte er durch neue Liebesanschläge seine Higvanama dahin gebracht, daß er völlige Gewalt sie zu umarmen, ja gar zu küssen hätte: Dannenhero drückte er seine finstere Augen zu und umfing erwähnten Baum mit solcher Brunst, daß es nicht zu verwundern war, wenn sich auch ein lebloses Holz vor ihm entsatzte und durch heftiges Krachen und Stechen ihm zu verstehen gab, mit was vor Anmut er mit seinem Liebesvortrage bei der Prinzessin würde ferner empfangen werden. Der Schrecken und Schmerz zwang ihn, hierauf etliche Schritte zurücke zu springen, und heftig auf den Gärtner zu schelten, gleichsam als ob er der Natur gebieten könnte, wie sie der verliebten Narren schonen sollte. Nachdem er aber gleichsam aus einen Traume ermuntert schien, ging er von diesem empfindlichen Holze weg und legte sich in den Schatten eines andern Baumes, um sein verliebtes Elend in genauere Betrachtung zu ziehen; allein auch hier wurden seine Gedanken durch das Anschauen empfindlichst verstöret: denn es hatte ihm sein wahrsagendes Verhängnis abermal unter den in Ava gleichfalls unbekannten Baum Hoitzmamaxalli 7, oder auf deutsch [57] den horntragenden Baum, geführet. Dieser Baum ist mit Blättern gleich den Tamarinden belaubet, mit gelben Blumen überzogen, und lasset sowohl an den Ästen als auch am Stamme häufige Hörner, welche allerdings den Ochsenhörnern gleichen, hervorgehen; wie solches ferner ein gelehrter Europäer von unsern Gewächsen beschreibet. Hier erzürnte sich Chaumigrem dermaßen aufs neue, daß er gehlings aufsprang, und mit dem Säbel alle unschuldige Hörner, die er erlangen konnte, mit diesen erhitzten Worten herunterhieb:


So will ich die Räuber, die Diebe belohnen,
Die meiner mit Hörnern nicht wollen verschonen.
Ich schwere: wo etwan dergleichen geschicht:
So sei man versichert, ich leide das nicht.

Nach solcher entsetzlichen Hörner-Schlacht steckte er den müden Säbel ein, und ging mit solchen gravitätischen Schritten nach der Gartentüre zu, als ob er dem Actäon ein Horn abgerannt hätte, daß auch ein Gärtnerjunge, welcher versteckterweise solches alles gesehen, gehöret und hernach meinem Prinzen erzählt, sich nicht enthalten können, überlaut zu lachen. Als er nun zur Gartentüre ausgetreten, ersähe er noch ein hinterstelliges Mägdgen von der Prinzessin Frauenzimmer, welche er zu sich berufte und ihr einen schönen Rubin verehrte, mit Bitte, ihn ihrer Prinzessin bestens zu befehlen, und sie seiner innigsten Liebe zu versichern, welches Geschenke dieses Mägdgen begierigst annahm, und ihm mit diesen Worten dankte: Hievor versichere ich Ihn meiner Gegenliebe. Welche Worte er aber ganz unrecht verstand. Folgenden Tages ließ ihn der König zur Tafel ersuchen, welches er aber durch den Vorwand einiger Unpäßlichkeit abschlug, wodurch der König sich dermaßen betrübt erzeigte, als ob die ganze Wohlfahrt von Ava an einem Faden hinge, ja mein Prinz sagte öffentlich, er hätte über den Tod seines Sohnes Dacosem nach der Schlacht nicht solches Leidwesen, als über die verstellte Krankheit dieses Menschen, spüren lassen. Wie denn allsofort zwei königliche Leibärzte sich zu ihm verfügen, und die Beschaffenheit des zugestoßenen Unfalls genau untersuchen müssen, nebst angehängter Versicherung, sollte auch die Hälfte der Krone dessen Gesundheit wiederbringen können, es sollte nicht gesparet werden. Solches gnädige Anerbieten machete sich Chaumigrem bald zunutze und fertigte die Ärzte wiederum ab, ließ vor die hohe königliche Gnade [58] untertänigsten Dank abstatten und zu gleich berichten, es würde alle angewandte Arznei vergeblich sein, solange das Gemüte mit Schwachheit behaftet wäre, welches niemand, denn I. Maj. heilen könnte. Inmittelst erstaunte der ganze Hof über die ungemessene Gnade, derer ein solcher unwürdiger Mensch genoß. Der Prinz sahe sich in väterlicher Gnade hintan gesetzt, die Prinzessin mußte gleiches besorgen, die Großen des Hofes, wollten sie sich anders befestiget wissen, mußten ihm fast königliche Ehre erweisen: ja sogar die Reichsräte mußten seinem Eingeben den Vorzug gönnen, daß auch viel vermeinten, es gehe durch übernatürliche Kunst zu. Mein Prinz aber besuchte indessen die Prinzessin Higvanama fleißig, welche voller Betrübnis über die sparsame Nachricht von ihrem geliebten Prinzen Nherandi war, also, daß mein Prinz gnungsam zu trösten hatte, ob er wohl zur Zeit nicht viel von diesem Leiden empfunden. Eines Tages ward mir durch einen unbekannten Lakaien ein Schreiben eingehändiget, mit fleißiger Bitte, solches schleunigst der Prinzessin zu überantworten, worüber ich höchst erfreuet ward, nicht anders vermeinende, denn ich werde die Prinzessin mit einer angenehmen Post von ihrem Prinzen erfreuen. Weswegen ich mich denn sofort nach Hofe und in das Frauenzimmer-Gemach verfügte, durch welches ich um ein gnädiges Gehör bei der Prinzessin anhalten ließ, weil ich einige, verhoffentlich angenehme Verrichtungen abzulegen hätte. Ich ward hierauf alsbald in dero Zimmer erfodert, allwohin ich mich verfügte, und mein Kompliment, so viel, als von einem halbjährigen Hofmann konnte erfodert werden, vorbrachte, zugleich auch ermeldten Brief mit tiefster Reverenz überreichte, nebst dem Berichte: es sei mir selbter von einem unbekannten Menschen überantwortet worden, solches gebührende zu bestellen, und hoffe ich, hierdurch mich in dero Gnade zu setzen. Die Prinzessin nahm solches mit gnädiger Hand und ganz erfreutem Gesichte von mir an, trat an ein Fenster und erbrach dieses. Allein, da sie etwas hiervon gelesen, o ihr Götter, in was vor Bestürzung und Erstaunen geriet ich, als die Prinzessin den Brief anspie, zur Erden warf und mit Füßen trat, zugleich aber mich mit diesen freundlichen Worten anredete: »Und du, verfluchter Hund, darfst dich unterfangen, mir von einer ewig-verbannten Person solche Sachen einzuhändigen, welche würdig wären, mit dem Henker beantwortet zu werden. Hiervon sollte gewiß an dir der Anfang gemacht [59] werden, wenn ich nicht des Prinzen verschonte. Immittelst lasse dich nicht gelüsten, vor meinem Angesicht mehr zu erscheinen, sonsten soll dein Kopf auf dem Rumpfe wackeln.« Nach welchen harten Worten sie sich in ihr Kabinett begab, und mich ganz außer mir selbsten ließ. Ich hielte es hierauf nicht vor ratsam, vor der Höhle einer erzürnten Löwin länger zu verziehen, sondern verließ das Zimmer, und ging mit so leisen Tritten vom Schlosse als wie ein Pfau, welcher seine Füße betrachtet hat. Ja ich sahe mich immer fleißig um, ob nicht einer von der löblichen Büttel-Gesellschaft mich zurücke und auf einen Trunk Eisenkraut-Wein laden würde. Nachdem ich aber ungehindert das Schloß auf dem Rücken hatte, begegnete mir zu allem Glücke der Vogel, von welchem ich den Brief empfangen hatte; denselben setzte ich alsobald zur Rede, wer sein Herr wäre? Worauf er mir ganz trotzig antwortete, er wäre sein eigen Herr. Hierauf erwischte ich meinen Stock und sagte: so mag dein Herr der ärgste Schelm sein; und mit diesen Worten schlug ich aus allen Kräften auf ihn zu, daß er lauter Luftsprünge tat, und in solcher Angst kein Wort mehr als Chaumigrem, aufbringen konnte. Hieraus merkte ich schon, in welcher Münze dieses Geld geschlagen war, ich stellte mich aber, als wüßte oder verstünde ich ihm nichts, und sagte bei Endigung dieses Stock-Balletts zu ihm: »Sage deinem Herrn, er sei wer er wolle, die Prinzessin wollte ihm durch den Henker antworten, und dich neben ihn aufknüpfen lassen.« Ich aber begab mich zu meinem Prinzen, wartete ihm auf, und stellte mich höchst betrübt an, dessen Ursache der Prinz auf vieles Fragen nicht erfahren konnte, bis er mir bei Vermeidung seiner Ungnade auferlegte, ich sollte es ihm entdecken. Darauf faßte ich einen Mut, und brachte es auf das bewegligste vor, wie mich einer von des Chaumigrem Leuten, den ich nicht gekennet, so schändlich betrogen, indem er mir einen Brief an die Prinzessin eingehändiget hätte, und weil ich nicht anders vermeinet, er würde in geheim von India kommen sein, weil sonst alle Posten von Siam geleget waren, so hätte ich ein angenehmes Botenbrot zu erhaschen verhofft, und erzählte ferner den ganzen Verlauf, mit angehängter Bitte, in solcher Unschuld mein gnädiger Herr zu sein und mich sotaner unverdienten Ungnade bei der Prinzessin zu entledigen. Weil ich nun auch in der höchsten Angst gleichwohl so bedächtig gewesen, und den Brief, welchen die Prinzessin weggeworfen, wieder aufgehoben[60] und eingestecket hatte; als übergab ich das unglückliche Papier meinem Prinzen, welcher mich sofort vor unschuldig hielt, weil der Titel in siammischer, der Inhalt aber in peguanischer Sprache gestellet war, und las er folgende Worte der Überschrift:


Der Durchlauchtigsten, unvergleichlichen Sonnen in Ava, Higvanama, Prinzessin des Großmächtigsten Königes, Dacosem, Beherrscherin der Liebe und einigem Leitsterne meiner Seelen. Cito.


Der Inhalt klappte ganz verwirret, und zwar dergestalt:


Schönste Prinzessin!


Ich weiß nicht, ob ich die Götter, als den Ursprung Ihrer überirdischen Schönheit, oder Dero angenehmen Geist, welcher mich durch anmutigste Gebärden versteinerte, die Quelle meines Jammers nennen, und mich über Ihre Grausamkeit beschweren soll. Ich will nicht gesund hier in meinem Siechenbette liegen, wo ich nicht bei Henkerholen geschworen hätte, als ich Sie im Garten lautenieren sahe, es wäre ein Gespenst, indem unmöglich solche Entzückungen von einem bloßen Menschen herrühren können. Prinzessin, ich will versinken, wo ich nicht von derselben Stunde an bei mir beschlossen, selbte mit meiner Liebe zu beseligen. Ich versichere Sie, daß Himmel und Hölle, meinen Vorsatz zu stören, viel zu ohnmächtig sind. Durch mich soll Ihr Haupt erhöhet und Sie glückselig werden. Sie befehle nur, schönster Rubin meines verliebten Herzens, welches von denen neuen, dem Reich Pegu unterworfenen Königreichen Ihr am besten anstehet, so will ich als ein Blitz mich dahin begeben, die Städte verbrennen, das Land verwüsten, und die Krone desselben Reiches zu Dero Füßen legen; denn ich versichere, ob zwar Venus mir im Gesichte sitzet, so herrschet doch Mars im Herzen. Ich liege hier als ein armer Wurm aus bloßem Erschrecken vor Dero verstelltem Eifer, mit welchem Sie mir bei erster von den Göttern versehenen Zusammenkunft im Garten so entsetzlich vorkam. Die Zuentbietung aber Ihrer Gnade und Versicherung Ihrer Liebe wird meine Gesundheit eher befördern als das stärkste Vomitiv der königlichen Leibärzte. Es reißet mich heftig im linken Schenkel, wobei sich auch ein Durchfall befindet; allein Ihre Huld kann mich heilen, und allen Schmerzen vertreiben. – Was den Willen Ihres [61] Königlichen Herrn und Vaters anbelanget, davor lassen Sie mich sorgen. Es wird ihm die höchste Freude und Ihr die größte Ehre sein, wenn man Sie eine Gemahlin des allgemeinen Erlösers und Siegesfürsten von Ava begrüßen wird. Adieu, meine künftige Vergnügung; und wo es nicht abzulegen, so wird Dero persönliche Besuchung in meiner Schwachheit vor ein sonderbares Liebeszeichen von mir erkennet werden.

Dero

liebenswürdiger

Chaumigrem.


Mein Prinz wußte nicht, ob er lachen oder sich hierüber erzürnen sollte, doch bezwang er sich insoweit, daß er in diese Worte herausbrach: »Es hat der Hochmut, Unverstand und Grobheit ein Verbündnis in diesem Menschen gemacht, das Reich Ava, mich und mein Fräulein Schwester aufs empfindlichste zu beleidigen. Weil es aber scheinet, es habe der Hochmut den höchsten Gipfel seiner Vollkommenheit erreichet, und Hoffart gemeiniglich vorm Fall kömmt, so lasse ich mich trösten, daß dessen Untergang vor der Türe ruhet, und dieser muß erfolgen, sollte er auch durch meine Hand befördert werden. Du aber, Scandor, bist unschuldig, und lasse es dir zur Warnung dienen, daß du bei Hofe nicht allem Vorgebrachten glaubest und trauest, viel weniger solches ohne genauste Untersuchung denen Höhern hinterbringest. Ich will inmittelst auf deine Aussöhnung bedacht sein, und kannst du mir nur in einer halben Stunde folgen, bis ich dich werde erfodern lassen.« Vor solche Gnade stattete ich verpflichtetsten Dank ab, und verharrete nach diesem bis zu der vom Prinzen anbefohlnen Zeit in dem Zimmer. Hier überlegte ich nun den ganzen Handel in meiner Einfalt, und ließ es mir zu sonderbarem Troste dienen, daß ich nicht der Ungeschickteste an unserm Hofe allein war, sondern an Unverstand und Unhöflichkeit von dem Königlichen Augapfel weit übertroffen wurde. Denn meine Staats-Faute rührte aus einer Unwissenheit, welche noch zu entschuldigen war, jene aber aus einem unverantwortlichen Hochmute her: und also hatte ich, wie im Ausreißen, also auch in der Unhöflichkeit einen treuen Kameraden an dem Chaumigrem. In solchen Gedanken war fast eine Stunde verflossen, da ich mich meines Prinzens Befehl erinnerte, aufs schleunigste nach Hofe zu eilen, allwo ich mit flüchtigem Gesichte erfahren mußte, daß bereits [62] einige Nachfrage nach mir geschehen wäre, welche auch indem wiederholet und ich in der Prinzessin Zimmer berufen ward, dahin ich mich mit zitterndem Fuße begab und bei dem ersten Hintritt mit einem kläglichen Fußfall um Verzeihung meines Fehlers anhielt. Die Prinzessin aber befahl mir mit diesen trostreichen Worten aufzustehen: »Es hat bereits Ihr Liebden der Prinz deine Unschuld mir sattsam vor Augen gestellet, als soll hiemit meine Ungnade gegen dich aufgehoben sein, jedoch mit ernster Verwarnung, dich künftig in Überantwortung solcher Briefe besser in acht zu nehmen, und zum wenigsten den Boten so lange anzuhalten, bis er wiederum gebührend abgefertiget werde.« Hier schüttete ich nun wiederum einen ganzen Sack voll Dankkomplimenten aus, die ich nach meinem Vermögen vor so hohen Personen zu verantworten getraute, und versicherte, ich hätte den schlimmen Boten, als ich ihn wieder angetroffen, dermaßen abgefertiget, daß sein Herr leichtlich hieraus würde abgenommen haben, wenn man den Sack schlüge, so meinte man den Esel. Indem nun mein Prinz, welchem ich vor so gnädige Vorsorge meiner Versöhnung demütigst die Hand küßte, der Prinzessin zu Gefallen noch einen und andern Einfall von mir herauslocken wollte, so ließ sich Mangostan, Oberkammerherr des Königs bei der Prinzessin als ein Abgeordneter von dero Herrn Vater anmelden, welcher alsobald vorgelassen und von der Prinzessin bei dem Eingange mit geziemender Anständigkeit empfangen ward. Und als dergleichen auch von dem Prinzen verrichtet war, brachte Mangostan sofort das königliche Ansinnen vor: Wie daß nämlich Königl. Maj. die Prinzessin könig- und väterlicher Gnade versichern ließe, welche sie auch um ein großes vermehren würde, wenn sie dem Chaumigrem, als welchem das ganze Königliche Haus hoch verpflichtet wäre, einen freien Zutritt und Besuchung erlauben wollte. Über welches die Prinzessin sich dermaßen entsetzte, daß sie etliche Schritte zurücke wich und mit etwas harter Stimme antwortete: »Wie nun? hat der König, mein Herr Vater, vergessen, daß ich eines Königs Tochter und eines Königlichen Erbprinzens versprochene Braut bin, und will er mir zu Schimpfe unsers hohen Hauses zumuten, mich mit einem solchen Schandfleck der Natur gemein zu machen, welcher vielmehr Schimpf als Ehre verdienet hat. Die Schlacht hat er durch Unerfahrenheit verloren, durch üble Aufsicht hat er das Reich seines Kronprinzens beraubet, und wo ja [63] Verräterei einiger Verbindlichkeit würdig ist, so hat man solches vielmehr seinem Bruder Xenimbrun, als ihm zu danken. Doch er habe sich so hoch verdient gemacht, als er wolle, so ist er doch noch lange nicht würdig genung, eine Königliche Prinzessin zu bedienen.« – »Durchlauchtigste Prinzessin«, widerredete Mangostan, »die königliche Gnade ersetzet dessen Unwürdigkeit.« – »Doch ohne Nachteil des Königlichen Hauses«, fuhr die Prinzessin fort, »ich frage Euch, mein Herr Mangostan, auf Euer Ehre und Pflichten, ob mir eine solche Erniedrigung anständig oder zu raten sei. Nicht zielet hier mein Absehen auf dessen Stand, als welcher an und vor sich selbst öfters ein würdiger Anfang zur Krone gewesen: Untugend aber kann auch den königlichen Thron erniedrigen. Und diese hat gleichsam ihren Sitz in dem Chaumigrem erwählet, in ihm, sage ich, halten alle Laster ihre gewöhnliche Zusammenkunft, wie solches der ganze Hof, ich will nicht sagen, das ganze Reich, einhellig bezeugen würde, wo anders ohne Scheu dürfte geredet werden. Daß sich nun I.M. mein Herr Vater, ich weiß nicht wodurch, die Augen verblenden lassen, das ist Mitleidens würdig: daß aber sehende Augen auch verdunkelt werden sollen, solches ist Jammerns wert und läuft wider meine Natur. Endlich so sei auch Chaumigrem, wer er wolle, ich will ihn in unverdienten Würden lassen, so ist es doch gemeinem Frauenzimmer eine unanständige und nachteilige Sache, wenn sie, indem die rechte versprochen, mit der linken Hand fremde Besuchungen annehmen. Nun aber werden die Finsternissen der Sonnen viel genauer durch das Fernglas der politischen Welt bemerket, als etwan eines gemeinen Sterns: wieviel mehr würde diese verhaßte Gemeinschaft von mir im ganzen Reiche beredet, und durch das geschwätzige Gerüchte mit vielen Vermehrungen meinem verlobten Prinzen zu Ohren gebracht werden. Als wollet ihr nur I.M. meinen kindlichen Gruß und Respekt vermelden, und selbten zugleich untertänigst ersuchen, die Ehre seines Kindes dem Verlangen eines Fremden nicht nachzusetzen, sondern vielmehr mir von dergleichen väterlich abzuraten.« – »Daß diese Antwort«, sagte Mangostan hierauf, »eine falsche Auslegung einigen Ungehorsams bei Dero Herrn Vater verursachen möchte, solches befürchte ich gar sehr. Sollte es aber in Gnaden vermerket werden, so wäre wohl unmaßgeblich zu raten, man ließe bei sotaner Beschaffenheit eine Verstellung die eigenen Affekten in etwas beherrschen[64] und erlaubte, dem Befehl des Herrn Vaters zu Ehren, eine kurze Besuchung; welche doch so eingerichtet werden könnte, daß Chaumigrem solche nicht mehr verlangen würde, wenn er weniger Vergnügen, als er suchet, gefunden hätte.« – »Und kein verständiger Mensch«, redete hier mein Prinz ein, »wird Euch in keinem Verdacht einiger Gewogenheit gegen dem Chaumigrem haben, welcher dessen Gestalt, Tun und Wesen nur in etwas weiß.« Hierüber schien die Prinzessin etwas besänftiget zu sein und sagte: »Wer Tugend liebt, der muß auch den falschen Schein der Laster meiden: kann ich aber hierdurch I.M. dem Herrn Vater einigen Gefallen erweisen, und mein geliebter Herr Bruder will mir hierin treulichst raten, so soll dem verhaßten Menschen eine kurze Gegenwart erlaubet sein.« Nach welcher Einwilligung Mangostan sofort seinen Abschied und Abtritt nahm, die Prinzessin aber fiel meinem Prinzen beweglich um den Hals und sagte: »Sehet, allerwertester Herr Bruder, in was vor Hochachtung Eure Person bei mir beruhet, daß ein bloßes Einreden mehr bei mir gilt als ein königlicher Befehl. Denn bloß Eurem Einrat gemäß habe ich solche gefährliche Besuchung nachgegeben; ich lebe aber der schwesterlichen Zuversicht, es werde mich Prinz Balacin nicht verlassen, sondern unvermerkt von allem dem, was bei dieser gezwungenen Zusammenkunft vorgehen möchte, ein gegenwärtiger Zeuge sein.« Mein Prinz antwortete mit sonderbarer Bewegung: »Liebste Schwester, wisset, daß mein Leben an Eurer Seele hanget, und daß meine Ehre und Euer Ruhm genau zusammen verknüpfet sind; dannenhero versichere ich, daß ich ganz gerne diesem beiwohnen wollte, wenn ich nicht befürchtete, er dürfte meine Abwesenheit mit in die Bedingungen setzen wollen.« – »Daß sich Chaumigrem hierüber nicht zu beschweren habe«, widerredete die Prinzessin, »so sollen diese Tapeten verhindern, daß er Euch nicht sehen könne. Sollte ich mich aber von seiner bekannten Unhöflichkeit allzu sehr beleidiget finden, so wird mein geliebtester Bruder bei Anhörung des Wortes ›es ist genung‹ vernehmen können, wie nötig dessen Gegenwart und die Verstörung unsers Gesprächs sei.« – »Ich gehorsame als ein treuer Bruder«, antwortete der Prinz, »und verpflichte mich durch dieses brüderliche Zeichen eines ungefärbten Herzens.« Worauf sie mit diesem Verlaß, daß des Chaumigrems Ankunft beizeiten sollte verständiget werden, einander küssende verließen. Als wir unser Zimmer beschritten, mußte ich von meinem [65] Prinzen eine strafende Lehre annehmen, daß es sich nämlich nicht gezieme, bei den Höhern sich lange aufzuhalten, wenn sie in einen und andern notwendigen Unterredungen begriffen wären, sondern gebührenden Abtritt zu nehmen: es würde sich auch solche Erklärung dieses Hofe-Texts um ein ziemliches verlängert haben, wenn nicht unterschiedliche Vornehme des Hofes ihre Aufwartung bei dem Prinzen abgeleget hätten; bei derer Ankunft ich alsobald nach des Prinzens Lehre meinen Abtritt nehmen wollte, er rufte mich aber zurücke und erinnerte mich, ich sollte meinen Gehorsam bis zu nötiger Zeit versparen. Hier erfuhr ich nun den Zustand des Chaumigrems umständlich, und wie er von dem Könige selbst besuchet worden, welches gewiß eine solche Gnade, daß sie ihm wegen seiner Unwürdigkeit von jedweden mußte mißgönnet werden. Bei dieser Besuchung nun hat sich der listige Fuchs sehr krank angestellt, und mit vielen Worten bezeuget, wie er viel geruhiger sterben wollte, wenn er nur dem Könige noch einige angenehme Dienste erweisen, und seinen Vorsatz bewerkstelligen könnte, indem er sich feste vorgesetzet, einige tausend Mann bei I.M. auszubitten, und bei itziger Verwirrung in Pegu in das Reich Andesa einzufallen, selbtes wegen heimlichen Verständnisses leicht zu erobern, und dessen Krone zu freier Willkür I.M. zu überliefern. Solches waren nun dem Könige heftige Stacheln des Ehrgeizes gewesen, daß er hierüber ganz vergnügt den Chaumigrem umarmet, und mit diesen verpflichteten Worten den Zweck seines Verlangens berühret hat. »Allerwertester Chaumigrem, einige Grundsäule dieses Reichs, nimmermehr werden die gütigen Götter dieses zulassen, daß ich eines solchen Freundes durch den Tod sollte beraubet werden, an welchem der Ruhm meiner Krone hanget. Ich bitte Euch um des Gottes der Ewigkeit willen, entdecket mir Euern Gemütskummer, damit selbter geheilet und der Leib erhalten werde. Ich schwere Euch bei dem Gott der tausend Götter, die Hälfte meines Reichs soll zu Eurer Arznei angewendet werden. Lasset Euch derowegen raten und helfen, werdet gesund, vollführet Euer tapferes Vorhaben, und versichert Euch, daß ich mich alsdenn um ein kronenwürdiges Gemahl vor Euch bewerben will.« Hierdurch wurde Chaumigrem dermaßen gerühret, daß er ganz außer sich selbst war, und durch viele Ermunterungen des Königes kaum konnte dazu gebracht werden, daß er mit tiefen Seufzen herausbrach: »Ach wäre [66] ich mit dieser Hoffnung beseliget, ich dürfte mit versicherter Gunst einer kronwürdigen Gemahlin meinen Säbel ausziehen und mir eine Krone erobern, so wäre mein Gemüte beruhiget, und meine Tapferkeit sollte mich ihrer bald würdig machen.« Diese dunkele Worte konnten dem Könige noch keinen Verstand eröffnen, weswegen er denn begierigst nachforschte: »Wie? tapferer Chaumigrem, ist etwan eine verborgene Liebe, die Euer Gemüte fesselt; entdecket sie uns ungescheuet, es soll Euch geraten werden, und sollte alle Welt ihre Hülfe versagen.« Chaumigrem sahe den König sehnlichst an, und sagte mit schwacher Stimme: »Ach! Ihr. Majest. zwingen mich nicht hierzu, indem Sie selbsten mir diejenige Arznei versagen werden, die mich bloß dem Tode entreißen kann.« Der König saß hierüber in bestürzten Gedanken, und wußte nicht, ob er schweigen, oder ob er in seinem Anhalten fortfahren sollte? Endlich brach er in diese nachdrückliche Worte heraus: »Chaumigrem entdecket Euer Anliegen! Euch soll geholfen werden, und sollte auch mein Kind zum Opfer dienen.« Diese Rede stürzte den Chaumigrem von dem Lager zu des Königs Füßen, welche er umfaßte und mit innigstem Seufzen diese Worte entfallen ließ: »Ach, gnädigster Herr, mein Blut ist viel zu wenig, ein solches gnädiges Anerbieten auch nur im geringsten dankbar zu erkennen. I.M. sind der rechte Arzt, und aus ihrem geheiligten Munde fleußt die rechte Arznei meiner Seelen. Higvanama, ach! Higvanama, ist die Feindin meiner Ruhe, in ihren Augen ruhet mein Tod und Leben. Großmächtigster König und Herr, ich genieße unwürdigst Dero überflüssige Gnade; allein ohne der Prinzessin Gunst ist mir dieser Zucker nur Galle, und Dero versagte Huld wird mich bald aus I.M. Augen rücken. Derowegen hanget mein Wohl und Weh an I.M. Lippen, Sie bitten, ermahnen, Sie befehlen, so wird Higvanama, will sie anders den Ruhm kindlichen Gehorsams haben, folgen, und mich in das Paradies erwünschter Vergnügung versetzen.« Bei dieser Entdeckung ließ der König einige Bestürzung merken, demnach hub er den Chaumigrem sanfte von der Erden und sagte zu ihm: »Ihr begehret etwas Hartes, trauter Chaumigrem, ja Ihr verlanget etwas, welches in meinen Kräften nicht mehr stehet. Higvanama ist nicht mehr in dem Zustande, worinnen sie ihr Herze einem andern schenken könne: mit einem Worte, Higvanama ist eine verlobte Braut des Prinzen von Siam.« – »Wie? gnädigster König und Herr«, redete hier [67] Chaumigrem ein, »wollten Sie wohl ein so wertes Kind Ihrem Feinde gönnen? Stehet nicht Siam mit Pegu im Bunde und sollten nicht viel tausend Siammer unter des Xemindo Anführung wider I.M. Wohlfahrt gestritten haben? Solches ist von einer königlichen Weisheit nicht zu vermuten.« »Chaumigrem hat recht«, widerredete der König, »allein durch jener Bund lässet Higvanama ihren Bund nicht brechen.« – »Hierzu lassen Sie mich raten«, antwortete Chaumigrem, »und befehlen nur vermöge könig- und väterlicher Gewalt, daß mir bei der Prinzessin ein freier Zutritt erlaubet werde, so will ich bald erweisen, daß das leichtsinnige Frauenzimmer entferntes Metall nicht achte, wenn sie nahes Gold merken. Und alsdenn nach erworbener Gunst soll Higvanama nicht eher mein Lager betreten, sie habe denn zuvor einen königlichen Thron bestiegen.« – »Es sei also«, endigte der König diese Besuchung, »bemühet Euch besten Fleißes, sie zu gewinnen, an meiner Gnade und Einwilligung soll nichts ermangeln.« Worauf er bemeldten Mangostan sofort befehlichet hatte, der Prinzessin das Vorerzählte zu hinterbringen. Wenig Tage darauf erhielt mein Prinz durch eigene Post unterschiedene Briefe aus Siam von dem Prinzen Nherandi, welchem zugleich ein mit güldenem Leder überzogenes Paquet beigefüget und die Überschrift an die Prinzessin Higvanama gestellet war. Hierdurch ward mein Prinz höchlich erfreuet, weil er wohl wußte, was vor ungemeine Freude er bei seinem inniggeliebten Fräulein erwecken würde. Er schickte mich sofort nach der Prinzessin, um ihr seine Ankunft zu hinterbringen, welche sich im Garten finden und den Prinzen dahin ersuchen ließ. Weil nun mein Prinz keinen Zeugen dieser Zusammenkunft verlangete, so nahm er mich, als seinen unwürdigstvertrauten Diener, nur allein mit sich und verfügte sich alsobald in den Garten, woselbst ihn die Prinzessin mit einem dermaßen anmutigen Kusse bewillkommete, daß mir auch nur durch bloßes Gedenken der Mund voll Wasser läuft. Denn gewiß, ihre Schönheit hatte sich an diesem Tage um ein hohes vermehret, gleichsam als ob ihr die angenehme Zeitung von ihrem Prinzen ahnte. Sie hatte sich in Grün und Silber gekleidet, und waren jederzeit die schwarzen Locken mit Diamanten reichlich durchflochten: also daß ihre Pracht einen ungemeinen Wettstreit mit dero blitzenden Augen verursachten. In summa, dergleichen Schönheit war mir damals noch nie vorgekommen, daß ich öfters dem Chaumigrem recht gab, [68] wann nur auch seinerseits etwas Würdiges wäre vorhanden gewesen. Allein wieder auf ihre Person zu kommen, so merkte sie bald aus des Prinzens munterm Gesichte, daß sein Herze etwas Angenehmes vorzubringen hätte, derowegen ihr erstes Nachforschen war, was den Prinzen zu solchem muntern Wesen veranlassen möchte. Welches er mit lachendem Munde beantwortete: »Ein Postillon der Liebe wird ja nicht sauer aussehen.« – »Was vor ein Postillon?« fragte die Prinzessin ganz begierig, »ich vermeine nicht, daß Scandor sich wieder wird einen Brief haben einschwatzen lassen.« – »Nein, meine Herzensschwester«, widerredete der Prinz, »sondern Ihr sollt Eure Liebe verändern.« – »Was? verändern?« antwortete sie ängstig; »nicht eher, bis die Götter mein Leben in den Tod verwandeln.« – »Chaumigrem«, wollte der Prinz fortfahren. »Was, Chaumigrem?« fiel ihm die Prinzessin in die Rede; »quälet mich ja nicht mit diesem ewig verhasseten Namen, sondern entdecket doch, worinnen die Veränderung meiner Liebe bestehen soll.« – »Hierinnen soll sie bestehen«, antwortete der Prinz, »daß sich Eure zweifelhafte Furcht in gewisse Zuversicht verwandeln, und die Versicherung des Geliebten Euch hierzu verbinden soll.« – »Ach wertester Bruder«, bat sie seufzende, »quälet doch mein vorhin geplagtes Gemüte nicht ferner, sondern erkläret mir Eure dunkele Reden, welche mich mehr verwirren als unterrichten.« Auf welches bewegliche Ersuchen sich mein Prinz nicht länger enthalten kunnte, ihr das vergüldete Paquetgen, welches ich unter meinem langen Oberrocke verborgen trug, zu überreichen: Welches bei Lesung der Überschrift eine solche Bestürzung und Freude in ihr verursachte, daß die Farbe der Wangen sich nach der Stirn zogen, und also dem ganzen Gesichte eine angenehme Röte verursachte. Endlich erbrach sie das völlige Paquet mit beben der Hand und las zuvörderst folgende Zeilen ab:


Durchlauchtigste Prinzessin!


Die höchste Freude, schönste Higvanama! so mir Zeit meines Lebens begegnet, ist, daß ich Sie gesehen: Die tiefste Traurigkeit aber, daß ich Sie nicht mehr sehe. Zu Ava ist alle meine Lust verblieben, statt deren ich hier in India tausend Verdruß erdulden und empfindlichst empfinden muß, wie der schmerzliche Verlust einer angenehmen Sache die Freude einer steten Gegenwart weit übertreffe. Jedoch versichere ich, [69] daß ein einiger Gedanken an Sie mir mehr Anmut weder alles Unglück in der Welt Betrübnis zufügen könne. Ja eben die jetzige Stunde, da mich Ihre Abwesenheit kränket, wollte ich mit den allerzärtsten Schoßkindern des Glückes nicht vertauschen. Diese beherzte Entschließung, bei so wichtiger Ursache zu trauren, überredet mich, daß Ihre Rede nicht falsch gewesen, als Sie sagte: Sie hätte mir Ihr Herz gegeben. Denn gewiß, daferne ich kein anders als das meinige hätte, würden mich so viel widrige Anstöße leicht überwinden. Sonder Einbuße der Wahrheit: Es ist wohl ein seltsamer Zufall, an einer einzigen Person, alles, was die Welt Schönes hat, antreffen, dieselbe zugleich schauen und liebgewinnen: ihrer auch ja sobald, als man in ihre Liebe kommen, wiederum verlustig werden. In gleichem Augenblicke sein Glücke lachen und weinen, scheinen und verschwinden sehen und in solcher Zeitkürze beides zu jauchzen und klagen befugt sein. Dieses sind die Gedanken, womit ich die schmerzende Abwesenheit mir etlichermaßen versüße, und herzlich wünsche, durch Dero englische Gegenwart alles Andenkens überhoben zu sein. Inmittelst wird die unschätzbare Higvanama ihre beschworene Treue ebenfalls auf den Fels der Beständigkeit gebauet haben, als wie ich seeleninnigst versichere, daß ich sei bis in die Gruft Dero ewiggetreuester

Nherandi, Prinz von Siam.


Durch welche Versicherungen sich dieses glückselige Blatt unzählige Küsse von diesem schönen Munde zuzog, und ward ihr Vergnügen um ein merkliches vermehret, als ihr der Prinz, welcher indessen das Paquet durchsuchte, eine darinnen gefundene Arie überreichte, welche sie, weiln deren Melodie darzu gesetzet war, mit entzückender Stimme folgendergestalt zu meines Prinzens sonderbarer Vergnügung absange:


1.
Mein Schicksal nähret mich mit Flammen,
Und raubt das Öl der reinen Glut,
Es will mich sonder Schuld verdammen,
Und presset manche Perlenflut
Aus dem entfernten Augenpaar,
Das mir ein Brand und dir ein Zunder war.
[70] 2.
Der Himmel scheint mir selbst zuwider,
Ob gleich sein Einfluß mich beseelt,
Er leget meine Hoffnung nieder
Und hat den Schmerzen mir verhehlt.
Der auf so zuckersüße Lust,
Ganz unverdient quält mein und deine Brust.
3.
Was sonsten Aug und Ohr entzücket,
Der Anmut holder Liebesscherz,
Bleibt wohl von mir unangeblicket,
Es glänzt mein Stern nur nordenwärts.
Solang ich dessen bin beraubt,
Hab ich dem Herzen keine Lust erlaubt.
4.
Will ich in Wäldern mich bemühen,
Zu suchen meiner Seelen Ruh,
So seh ich deinen Namen blühen:
Es winkt mir Higvanama zu,
Und ist den Bäumen eingeprägt,
Durch meine Hand wird dieser Schmerz erregt.
5.
Das schnelle Rauschen heller Flüsse,
Hat meinen Geist zwar oft ergötzt,
Itzt mehrt es nur die Tränengüsse,
Wenn meinen Fuß das Ufer netzt,
Es ruft der Wiesen bunter Klee:
Entfernung bringt Verliebten größtes Weh.
6.
Indessen soll mich ewig zieren
Die Krone der Beständigkeit.
Man soll der Palmen Wachstum spüren,
Durch schwere Last entfernter Zeit.
Und meine Grabschrift soll dies Sein:
Die reinste Glut bedecket dieser Stein.

Nach abgesungener Arie zog der Prinz ein güldenes mit großen Perlen gleichsam überschneietes Schmuckkästgen hervor, welches die Prinzessin wegen verborgener Kunsteröffnung kaum aufzumachen wußte, bis ein großer Saphir, [71] welcher unter den Perlen hervorspielete, sanfte geschoben ward, da das Kästgen zu ihrem großen Erschrecken jähling aufsprang, und ihr erlaubte, ein paar Armbänder mit wunder-spielenden Diamanten herauszunehmen, nebst einem peguanischen Hauptschmucke, dessen Blitz und Pracht fast königliche Würde zu übertreffen schiene. Was aber der Prinzessin am angenehmsten war, das war des Prinzen von Siam Bildnis in einer mit kostbaren Diamanten versetzten Kapsul, welche auf beiden Seiten sehr artig geätzet, und auf dem Deckel dieses Sinnenbild vorgestellet war: Es zeigte sich bei trüber Nacht eine Sonnenwende, welche ihren Blumenkopf nach der Erden hing, über ihr ließ sich durch die Wolken ein Stern blicken, nebst dieser Überschrift:

Ich hasse fremdes Licht.

Außerhalb an den Boden aber hatte des Künstlers Hand einen fliegenden Pfeil vorgebildet, welcher sich gleichsam vor Müdigkeit nach der Erden senkete, mit dieser Beischrift:

Weil mir das Ziel gebricht.

Als nun dieses alles von der Prinzessin eine geraume Zeit ganz entzückt betrachtet worden, brach sie endlich in diese Worte heraus:

»Treuester Nherandi, wertester Prinz! verzeihe mir das bisweilen geschöpfte Mißtrauen wegen deiner beständigen Liebe, worzu mich dein so langes Stillschweigen veranlasset. Doch wen die Liebe mit gleichen Fesseln beleget hat, der wird wissen, wie die größte Furcht mit der treuesten Liebe verbunden sein. Die Götter wissen es, mit was Sorgen ich die Ruhe gesuchet, und mit was Kummer ich jederzeit das Licht der Sonnen aufgehen gesehen.« – »Ihr seid allzu besorgt gewesen«, redete hier der Prinz ein, »indem die beschuldigte Wankelmut sich mehr bei dem Frauenzimmer als denen standhaften Mannsbildern verspüren läßt. Und hätte Prinz Nherandi mit mehrerm Recht einiges Mißtrauen schöpfen können, dessen er doch mit keinem Worte gedenkt.« – »Ach schweiget, Herzensbruder«, antwortete die Prinzessin, »das Frauenzimmer und die Liebe ist ein zartes Wesen, und wollen auch dahero zärtlich mit sich umgegangen wissen. Was aber zart ist, das erfordert desto mehr Aufsicht, auch sich vor dem geringsten Fehler zu hüten, ja ich wollte sonder Mühe behaupten, daß das Frauenzimmer im Lieben viel vollkommener sei als das männliche Geschlechte. Denn ein Mannsbild bildet sich ein, es sei ihm in der Ferne alles erlaubet, und [72] achtet sich eine Sonne zu sein, von welcher auch andere Sterne ohne einige Verminderung Licht und Vergnügung schöpfen könnten. Ein Frauenbild hingegen bemühet sich auch in der Ferne, durch einsames Wesen erst recht beliebt bei dem Geliebten zu machen, und achtet jeden Blick vor einen Ehebruch. Ja wenn ein leichtsinniges Mannsherz abwesende seinen Hunger auf fremden Lippen sättiget, so lassen wir indessen unsere Seelen Durst leiden, da es doch ihnen ebenso wohl anstünde, daß sie solche unberührte Lippen, wie sie von denen hinterlassenen Liebsten erfordern, mit zurücke brächten. Und weil dieses eine allgemeine und bekannte Sache ist, so ist uns ein sorgsamer Argwohn nicht zu verdenken.« – »Ich gebe es zu«, antwortete der Prinz, »daß des Frauenzimmers Geblüte mit mehr Flammen begeistert und dahero desto verliebter.« – »Nicht verliebter, mein Bruder«, fiel ihm hier Higvanama in die Rede, »sondern nur reiner und vollkommener in der Liebe. Denn wie die Liebe einen Unterscheid kennet, und sich gleichsam in zwo Straßen teilet, deren eine zur Tugend, die andere aber zur Unreinigkeit und Lastern leitet. Also gebe ich es gar gerne zu, daß wir auf der erstern etwas emsiger fortwandeln. Denn die Liebe ist eine Schwachheit des Gemütes, und also von schwachen Werkzeugen keine Stärke zu vermuten. Inzwischen bestehet doch unser Ruhm hierinnen, daß wir eher fähig sind, uns der Lasterstraße zu entschlagen, als die Mannsbilder, deren sich fast keiner rühmen kann, daß er nie die verbotenen Wege der Liebe gewandelt habe.« – »Den Unterscheid der Liebe«, beantwortete mein Prinz, »wisset Ihr sehr wohl zu nennen, aber der Unterscheid der Liebhabenden wird gar hintan gesetzet. Denn sowenig dies letztere von den Männern ein gewisser Schluß ist, sowenig wird man sich bereden lassen, es sei jedwes Frauenzimmer sonnenrein, da sie doch jederzeit dem Monden zu vergleichen sei, welchem von den Sternkündigern viel Flecken beigeleget werden. Ja es ließe sich dieser Satz gar leichte durch häufige Exempel umstoßen, wenn nicht das geschwätzige Gerüchte auch öfters in der Prinzen Cabinete nachfolgte. Man schauet ja hin und wieder viel schöne Bilder, welche der Himmel mit sattsamen Verstande begabet, daß sie die Liebe wohl zu unterscheiden wissen: dennoch siehet man sie viel begieriger den Nebenweg der Liebe laufen, als jemals ein Mann tun kann. Wer locket aber die unschuldigen Männerherzen mehr auf solchen Weg, als eben diese Sirenen? Und kann man also das [73] Frauenzimmer nicht so gar engelrein abbilden, als sie es haben wollen, und sich vorstellen.« – »Bei den Rosen sind Dornen«, fing die Prinzessin hierauf an, »ja auch die Sternen sind nicht von gestirnten Mißgeburten befreiet: Wie sollten sich nicht auch öfters Teufel denen reinen Geistern beigesellen und vor Engel ausgeben. So auch alle engelrein wären, so würde Keuschheit keine seltsame Tugend, sondern ein gemeines Wesen genennet werden. Freilich ist es zu beklagen, ja mit blutigen Tränen zu beweinen, daß unser asiatisches Frauenzimmer fast mehr Kometen als reine Sterne blicken lässet; da eine bereits durch das Band der Liebe gebundene Venus den Wechsel dermaßen liebet, daß öfters die sämtlichen Planeten nicht gnugsam sind, sie durch ihren Einfluß zu stillen. Und brennet ja noch wo ein reines Licht, welches sich keine Lasterwolke will schwärzen lassen, so heißen dessen Strahlen einfältig, und muß öfters von den andern einen verdrießlichen Gegenschein erdulden. Wenn aber ein solcher Stern Raum und Gelegenheit bekommt, mit den Strahlen reiner Liebe zu spielen, alsdenn ist meine Meinung erfüllet, daß dessen Glanz und Beständigkeit viel heftiger, reiner und vollkommener sei als des vornehmsten Planetens der wechselliebenden Mannsbilder.« – »Ich muß«, erwiderte der Prinz, »Beifall geben, weil meine Meinung auch vor bekannt angenommen wird; und schließe selbst, daß ein tugendhaftes Frauenzimmer die reine Pflicht der Liebe viel genauer beobachtet als einig Mannsbild, weiln sich solche jederzeit mehr Freiheit anmaßen. Indessen verbeut uns die Ermangelung eines unparteiischen Richters fernern Streit, es wäre denn, daß Scandor durch kurze Eröffnung seiner Gedanken den Ausschlag der Sachen täte.« – »Gnädigster Herr«, fielen meine Worte, »bei dieser Materie haben die Gedanken mehr Freiheit als die Worte, daß es also viel sicherer ist, zu schweigen, als sich bei dem rachgierigen Frauenzimmer durch unzeitiges Urteilen in verhaßte Gefahr zu setzen. Zudem bin ich so alber, daß ich die Liebe nur nach ihrem Namen, nicht aber nach ihrem Wesen kenne. Ja sie würde mir ganz unbekannt sein, wenn ich nicht die kurze Zeit, in welcher ich Dero hohe Gnade genossen, solche Dinge gesehen, daß ich nicht weiß, ob man die Liebe einen Engel oder eine Mißgeburt nennen soll.« – »Die einfältige Wahrheit ist die beste«, redete mir die Prinzessin ein, »so rede demnach deines Herzens Meinung ohne einige Besorgung, von dem Unterschied der Liebe.« – »Durchlauchtigste [74] Prinzessin«, erwiderte ich, »Sie haben diese wichtige Sache schon dermaßen wohl entschieden, daß mein geringes Erachten ein tadelhafter Überfluß sein würde. Damit ich aber nicht einiges Ungehorsams dürfte bezüchtiget werden, so gestehe ich gar gerne, daß ich keiner andern Meinung bisher gewesen, als die Liebe sei ein vollkommenes Laster, weil ich aller Orten keine andere Wirkung verspüret, als daß sie lediges Frauenzimmer vor der Zeit in Ehestand gebracht, oder auch verheiratete Personen dahin veranlasset, daß sie stets bemühet gewesen, eines dem andern ein härmicht Schmach-Altar aufzubauen, und dergleichen tausendfältige Greuel mehr, welche auch von der Einfalt selbst verfluchet werden. Wenn ich nun nachgefraget, wo solches alles herrühre, so ist mir geantwortet worden: Von der Liebe. Ja diese Liebe hat sogar eine neue Sprache erfunden, wie die Beutelschneider, denn wenn ich sahe, wie öfters sich die Lippen verirreten, und nach fremder Luft schnappeten, oder wie man durch Winken, Händedrücken, auch wohl gar durch brünstiges Umfangen einander Geheimnisse offenbarete, so nennete man dies Freundlichkeit, wohlanständige Gebärden; wel che sich aber dessen enthielten, die wurden einfältig und unverständig genennet; ja was die Priester unserer Götter öffentlich vor Ehebruch schelten, das wird durchgehends eine Galanterie geheißen. In summa, die Liebe wäre mir ewig verhaßt geblieben, wenn ich nicht an Ihrer Hoheit nunmehr den Unterschied selber bemerken könnte, wie rein und unverfälscht ihr Liebes-Weihrauch, welchen Sie Ihrem Prinzen angezündet haben, gegen den andern häßlichen Brunst-Opfern hervorleuchte.« Ich wäre hierinnen fortgefahren, wann nicht ein Gärtner eilend wäre gelaufen kommen, und die verdrüßliche Ankunft des Chaumigrems angekündiget hätte, wie er alsobald unangemeldet seinen Eintritt in den Garten nehmen wollen, weilen er in den Gedanken stehe, die Prinzessin abermals allein anzutreffen. Solches aber habe der Gärtner durch Schließung des Gartentores verhindert, und solches zuvor gehorsamst hinterbringen wollen. So hoch nun die Prinzessin zuvor erfreuet und vergnüget war, so bestürzt schiene sie hierüber zu sein, daß sie sich fast anfangs nicht erholen kunnte, endlich meinen Prinzen ersuchte, ihr zu raten, ob sie ihrer widrigen Neigung folgen, und ihm allen Zutritt verwehren, oder dem königlichen Befehl nachleben, und seine verhaßte Gegenwart auf kurze Zeit vertragen sollte. Mein [75] Prinz aber riet ihr, sich einer klugen Verstellung anzumaßen, durch kaltsinniges Bezeigen ihn von fernerer Besuchung abzuschrecken, und also dem Willen des Königlichen Herrn Vaters ein Genügen zu tun. »Allein wird nicht hierdurch«, wendete die Prinzessin vor, »mein Prinz abwesend beleidiget?« – »Mitnichten«, antwortete der Prinz, »sondern Ihr werdet vielmehr hiedurch zuwege bringen, daß auch die Feinde von Eurer Beständigkeit werden zeugen, und Eure Liebe rühmen müssen.« – »So sei es denn«, entschloß sie sich hierauf, »immittelst werde ich mich auf den Beistand eines tapfern Prinzens und treuen Bruders zu verlassen wissen, wenn ja der unverschämte Mensch die Grenzen gebührender Ehrerbietung überschreiten wollte, denn man weiß nicht, worzu einen der Hochmut öfters verleitet. Auf derowegen mein Geist! und hilf mir sowohl dieses Untier bestreiten, als auch den Sturm verhaßten Anbringens ritterlich abschlagen. Du aber«, befahl sie dem Gärtner, »eröffne das Tor, und vermelde unsere Einsamkeit.« Worauf sich der Prinz nebst mir in eine dichtbelaubte Galerie begab, die Prinzessin aber verfügte sich nach einem Springbrunnen, welcher unferne von uns spielte, so, daß wir nicht allein die Gebärden genau bemerken, sondern auch ihre Worte wohl verstehen konnten. Das übrige Frauenzimmer ward, wie zuvor, befehlichet, ihre Vergnügung bei den Blumen zu suchen. Nach weniger Zeit sahen wir den Chaumigrem mit hohen Tritten seinen Eintritt nehmen, da er sich denn alsbald nach der Prinzessin wendete, und sich derselben mit solcher Ehrerbietung nahte, daß es schien, als ob er mit der Nase an die Erde gewachsen wäre, weil jedweder Schritt mit einer tiefen Neigung begleitet wurde. Die Prinzessin aber hatte sich auf den Fuß des Springbrunnens gesetzet, und stellte sich, als ob sich ihre Gedanken in das Lustspiel der springenden Flut dermaßen vertiefet hätten, daß sie sonst nichts mehr beobachten könnte; deswegen sie den Kopf auf ihren Arm lehnte, und ganz unbeweglich sitzen blieb, ob sich gleich Chaumigrem dermaßen genähert hatte, daß er sie auch allbereit anzureden begunnte. Da wir denn das Gespräche folgendergestalt gar wohl vernehmen konnten, und zwar waren dieses des Chaumigrems erste Worte: »Wie so einsam und betrübt, schönste Prinzessin?« – »Wer von vergnügten Gedanken begleitet wird«, antwortete sie hierauf, »der ist nicht einsam, und die Vergnügung verstattet keine Traurigkeit.« – »Dennoch«, erwiderte er, »lässet [76] sich einiges Betrübnis gar deutlich aus Dero englischem Angesichte lesen.« – »Wo ja«, sagte sie, »einiges Betrübnis vorhanden, so wird die Ursache billig dem zugeschrieben werden, welcher mich in solchen angenehmen Gedanken verstöret.« Chaumigrem fuhr fort: »Das wollen die Götter nicht, daß ich ein Zerstörer der Anmut sein sollte; vielmehr wollte ich wünschen, daß ich sotane vergnügte Gedanken verursachen, und mich in Dero verliebtes Andenken einschließen könnte.« Higvanama erwiderte: »Weil keine Vergnügung so vollkommen ist, welche nicht von einiger Unlust begleitet werde, so kann Er leicht auch in meine Gedanken kommen.« Chaumigrem gab zurücke: »Solches wird mich mehr vergnügen, als ein Paradies, und solches Andenken übertrifft die Hoheit des Himmels.« Hier hätte sich mein Prinz fast durch Lachen verraten, indem die verliebte Einfalt nicht verstund, wohin die Unlust zielte. Immittelst fuhr Chaumigrem fort: »Es wird aber, schönste Prinzessin, meine untertänigste Aufwartung nicht übel gedeutet werden, wenn ich vor allen andern, als ein genau verbundner Freund und Diener dieses Hofs, zu allererst mein sonderbares Beileid wegen des Unfalls, welcher Dero hohe Person am meisten betrifft, schuldigst zu bezeugen, bemühet lebe.« – »Was vor einen Unfall?« fragete die Prinzessin ganz begierig: »Ich will nicht hoffen, daß der Herr Graf noch darzu ein Unglücksbote sein wird.« – »Ehe ich der erste Anbringer«, erwiderte Chaumigrem, »eines noch unbewußten Trauerfalls sein wollte, so will ich lieber schweigen, und diese verhaßte Zeitung zu überbringen, einem andern gönnen.« – »Hierdurch aber«, hörten wir die Prinzessin reden, »werde ich um so viel mehr beleidiget, nachdem ich durch Selbten in kummerhaften Zweifel, und durch dessen nunmehro unzeitiges Stillschweigen in sorgsame Ungewißheit versetzet werde.« – »So soll Dero Befehl«, antwortete Chaumigrem, »gehorsamst vollzogen werden, wenn ich durch denselben gezwungen berichte, wie vor zweien Tagen ein Kurier aus Siam die betrübte Zeitung von tödlichem Hintritt des tapfern Prinzens Nherandi gebracht, und hierdurch sowohl Dero Königl. Herr Vater als auch der ganze Hof in sonderbares Leidwesen gestürzet worden.« – »Und dieses«, fragte die Prinzessin mit flüchtigen Augen und erblaßten Lippen, »sollte mir mein Herr Vater verschwiegen haben?« – »Solches wird I.M.«, hörten wir Chaumigrem erwidern, »klüglich verbergen und zu gelegener Zeit erst hinterbringen wollen, [77] damit Dero Gemüt durch allzu geschwinde Nachricht nicht zu heftig betrübt werde. Ich beklage mein Unglück, daß ich solche Vorsichtigkeit unterbrechen und der erste Trauerbote sein müssen, welches Dero strenger Befehl verursachet hat. Inmittelst, weil ich weiß, daß durch diesen Verlust ein ziemlich Anteil Ihres Herzens verloren gangen, als bin ich kommen, mein ungefärbtes Beileid zu bezeugen, und seelen-innigst zu wünschen, daß die Götter doch diesen erblaßten Stern durch eine Sonne ersetzen wollen.«

Hier wurde mein Prinz anfangs selbst in etwas bestürzt, als er aber sich erholte, und die Umstände genau überlegte, so konnte er sich nicht gnungsam über die Arglistigkeit dieses verliebten Feindes verwundern, und erwarteten wir mit Verlangen, wie solche erdichtete Zeitung von der Prinzessin würde aufgenommen werden. Diese nun konnte sich anfangs allerdings nicht begreifen, indem auch nur die bloße Erinnerung von ihrem geliebten Prinzen mächtig gnung war, sie in betrübtes Nachsinnen zu setzen. Derohalben saß sie eine Weile mit niedergeschlagenen Augen ganz unbeweglich, außer daß man einige wangen-abrollende Tränen verspüren konnte. Wie aber ihre himmlische Schönheit mit einem vollkommenen Verstande jederzeit vermählet war, also merkte die kluge Prinzessin alsbald, worauf solch listiges Vorbringen zielte, dannenhero sie sich im Gemüte, nicht aber in betrübten Gebärden fassete, und sich anstellete, als ob sie allem vollkommenen Glauben zustellte, auch ganz wehmütig fragte: »Mein Herr Graf, Er betrübe mich nicht ohn Ursach, sondern entdecke mir die Wahrheit.« – »Durchlauchtigste Prinzessin«, erwiderte Chaumigrem, »die Götter wollen das nicht zugeben, daß ich Dero hohe Person durch einige Unwahrheit beleidigen sollte. Inmittelst wünsche ich, daß mein Vorbringen durch bald ausbrechende Hoftrauer nicht möge bekräftiget, und der betrübte Fall allzu wahr erfunden werden. Und weil man einen Zweifel in meine Worte setzen will, so sollen diese Zeilen von dem sterbenden Prinzen zwar stumme Zeugen meiner Wahrheit, zugleich aber eine herbe Vermehrung Ihres Betrübnisses sein.« Mit welchen Worten er einen Brief hervorzog, den er ausgab, als hätte ihn solchen der Kurier mitgebracht, und er ihn von dem Könige erhalten. Wie wir aber hernach erfahren, so hatte Chaumigrem einen von dem Prinzen Nherandi erlassenen Geheimschreiber auf seine Seite durch Geld gebracht, welcher sich unterstanden, des Prinzen [78] Hand nachzumalen, und diesen Brief zu verfertigen. Die Prinzessin kunnte sich anfangs wiederum in die listige Verwirrung nicht finden, angesehen sie auf den Titelblatte einige Gleichheit von ihres Prinzen Schreibart erblickte, da sie ihn denn mit zitternder Hand erbrach, und diese Worte daraus las:


Schönste Prinzessin!


Es scheinet, als ob mich der Himmel nicht würdig gnung achten wollte, künftiges eine solche überirdische Schönheit in Dero englischen Person zu besitzen: dannenhero er mir nicht allein durch harte Schwachheit meine Gestalt entzogen, sondern auch gleich den sterbensbegierigen Geist zu sich abfordern will. Mit kurzem: ich sterbe, und nehme durch ein bereit gebrochenes Adieu entfernten Abschied von der liebgewesenen Higvanama. Weil nun der Todeszwang unsere Liebe trennet, so wird sie nach angeborner Klugheit meine kalte Stelle durch einen würdigen Nachfolger zu ersetzen und mich lebenslang in Dero guten Andenken zu erhalten wissen als

Der Prinzessin von Ava treu gewesenen Nherandi.


Zugleich war diese Abschieds-Arie beigefüget:


1.
Ich sterbe;
Weil das Verhängnis spricht:
Daß diese Glut verderbe,
So lesche Flamm und Licht.
Ich sterbe.
2.
Ich sterbe.
Des Lebens Balsam schwindt,
Die Gruft ist Thron und Erbe,
Der Adern Quell gerinnt.
Ich sterbe.
3.
Ich sterbe.
Hier kommt der letzte Kuß.
Es schmeckt das Scheiden herbe,
Wann man sich trennen muß.
Ich sterbe.
[79] 4.
Ich sterbe.
Nun hast du freie Macht,
Die ich wie du erwerbe.
Prinzessin gute Nacht.
Ich sterbe.

Solche scheinbare Vorstellung hätte ein leichtgläubiges Gemüte leicht besiegen können, wenn nicht die Prinzessin ihre kluge Vernunft zu Rate gezogen, und ihres Prinzen wahrhafte Handschrift gegen diesen betrugvollen Zeilen gehalten hätte: da sie nicht allein einigen Unterscheid der Hand, sondern auch die ungleiche Zeit bemerkte, indem der falsche Brief fast acht Tage älter war als das letztere mit vorerwähnten Liebesgeschenken begleitete Schreiben. Ob nun zwar die Prinzessin durch sotanes vernünftiges Nachsinnen augenscheinlich erkennen kunnte, wie arglistig Chaumigrem sie zu hintergehen suchte, so kunnte sie sich doch nicht zwingen, daß sie bei so traurigem Andenken, ob sie es gleich falsch befand, dennoch mit einigen Tränen ihre reine Liebe zu erkennen gab, welche ihr aber zu angenommener Verstellung, also ob sie es glaubte, artig zustatten kommen: dahero sie in diese betrübte Worte herausbrach: »Unglückliche Higvanama! verlassene Prinzessin! so mußt du denn nur allein das Ziel der unbarmherzigen Götter sein, nach welchem sie alle Pfeile des Unglücks richten, und schlägt nur ihr Blitz immer auf eine Stelle? Grausames Verhängnis! wie verwandelst du die Krone meiner Hoffnung in einen Zypressenkranz, wenn mein wertster Prinz statt wohlverdienten Purpurs in einen Sterbeküttel gehüllet wird. Ach Nherandi, mein Leben! Nherandi mein Licht! du Seele meiner Seelen! Es schweben meine Lebensgeister schon um deinen Schatten, weil mein Lebensschiff notwendig scheitern muß, nachdem du als mein Anker zerbrochen bist. Doch ach! Liebster Prinz! was beweget dich zu diesem Zweifelmut, daß du mir die Freiheit nach deinem Tode erlauben willst, deine kalte Stelle mit einem andern zu ersetzen? Nein, nein, englischer Prinz, wahre Liebe trotzet den Tod, und ihre Fackel brennet auch in dem Sarge; ja die Liebe ist das ewig währende Feuer, welches viel Kunstverständige anzuzünden sich vergebens bemühet haben. Die Liebe, welche die Götter mit den Menschen und die Erde mit dem Himmel verbunden hat, wird [80] zwar durch des Todes Pfeil verwundet, aber nicht getötet, ihre Glut wird nicht ausgelöscht, es mögen auch die Winde der sterbenden Zufälle rasen, wie sie immer wollen. Derowegen soll auch dir, nunmehro unsterblicher Prinz, meine unsterbliche Liebe gewidmet, und dieser irdische Leib ein ewiges Opfer der göttlichen Keuschheit sein und verbleiben. Ja ich will meine Gelübde vor einen brennenden Deweta 8 leisten, daß meine Seele in unverrückter Treue deine Seele begleiten, und mein Leib, bis zu gesetztem Lebensziel in steter Einsamkeit sein Auge vor fremder Liebe bewahren soll.« Diese Worte waren lauter stachlichte Dornen in Chaumigrems Herzen, also daß man seinen Verdruß aus dem finstern Angesichte leichte erkennen konnte, wiewohl er solche Gemütsbewegungen möglichst zu verbergen trachtete, und der Prinzessin mit diesen Worten einzureden sich unterfing: »Wie schönste Prinzessin? soll die Sonne Ihres berühmten Verstandes in einem toten Meere untergehen? und will Sie das Licht hoher Vernunft bei den Sterbenden anzünden? Nein, das verstattet Dero weltbekannte Tugend nimmermehr, und Dero Vernunft, welche als ein Bleimaß jedes Meer zu ergründen vermag, rät Ihr viel ein anders, als daß Sie sollte eine tote Liebe lebendiger Anmut vorziehen. Denn es würde der Himmel statt verhoffter Belohnung der Treue eine scharfe Rechnung wegen anvertrauten Schatzes sotaner Schönheit fodern, wenn Sie dessen Wert gleich ungenützten Eisen durch den Rost verzehren ließe. Vergrabne Schätze und ein Quell, welcher in den Sand versinket, wird von dürftigen Händen und durstigen Lippen verflucht, weil sie denen Menschen ihren von dem Himmel gewidmeten Nutzen verweigern.« Wir mußten uns gleichwohl über diese Reden des Chaumigrems höchlich verwundern, wenn wir sonst dessen vorgedachte Reden und ungeschickte Schriften dargegen hielten, deren Unförmlichkeit wir einer heftigen Liebeswürkung zuschreiben mußten. Denn wo die Liebe raset, da strauchelt der Verstand, ja der klügste Mann wird zum Narren. Von dieser Verwunderung aber zogen uns der Prinzessin Worte bald ab, als wir sie so reden hörten: »Diese Gründe sind viel zu schwach, den festen Vorsatz zu hindern, denn wohl dem, welcher seine Klugheit in dem Sarge suchet, und das Gold seines [81] Verstandes auf den Probierstein der Sterblichkeit streichet. Gewiß aus dieser Mitternacht scheinet die Sonne, und wer in dieser Lebens-See seine Augen stets nach der Bahre richtet, dem muß die Tugend wie ein heller Pharos leuchten. Zudem achte ich davor, daß wie die Götter unserm Leben nur ein Ziel, nämlich den Tod, also auch das Verhängnis unserer Liebe nur ein Ziel gesetzet habe: welches, so es uns der Himmel aus den Augen rücket, wir dennoch im Herzen behalten, und die völlige Genießung bis ins ewige Niba versparen, uns aber desselben inmittelst durch keine fremde Wahl unwürdig zeigen, noch dem in das gestirnte Buch des Himmels eingeschriebenen Ratschluß widerstreben sollen. Denn wo einmal reine Liebe durch den Tod betrübet wird, da ist die Keuschheit der beste Schatz in der Welt, und alle Liebe ist alsdenn nur ein Irrwisch, dessen Glanz von unreinen Seelen entspringet.« – »Durchlauchtigste Prinzessin«, erwiderte Chaumigrem, »Sie geneußt zwar des Nektars der Liebe, aber nur aus einem leeren Becher: Sie kann zwar das Wesen der Liebe in etwas vormalen, worinnen sie aber bestehe, solches weiß Sie nicht zu sagen. Derowegen lasse Sie die Toten ihre Toten begraben, Sie aber, als eine Gleichheit der vollkommensten Göttin, liebe die Lebenden und versichere sich, wo Sie einmal auf die rechte Spur der Liebe geraten, Sie den Wegweiser küssen werde.« – »Mit Prinz Nheranden«, antwortete die Prinzessin, »fällt mein Stern ins Grab, und außer diesem Lichte erwähle ich die Finsternis, ja mein Geist soll nunmehro nur mit seinem eignen Schatten buhlen. Meine Seele soll aus seiner Asche Lust schöpfen, und sein Tod soll alles, was in mir Liebe heißt, vertilgen. Denn wo Herz und Luft trübe ist, da wird Sonne und Brunst dunkel.« – »Nicht so, durchlauchte Higvanama«, redete Chaumigrem ferner ein, »wo Sterne schwinden, da gehet die Sonne auf, und Nherandi Anmut ist hundert Seelen eingepflanzet, welche sich ebensowohl Ihrer Liebe würdig machen können. Der Himmel selbst zählet Sie nunmehro durch den Mund des sterbenden Prinzen los von aller Pflicht, wodurch sich verliebte Herzen verbinden, und ist schon vergnügt, über die zweijährige Beständigkeit, welche Sie Ihrem noch lebenden Prinzen erwiesen hat, ja er will Sie nunmehro durch einen angenehmen Liebeswechsel bekrönen, wo nicht verbessern. Denn wie die Sonne bald diesen bald jenen Stern küsset, und sich auch der Mond bemühet, durch öftere Veränderung seiner Gestalt dem Himmel [82] durch sein einfaches Licht keinen Ekel zu erwecken; also glaube Sie nur, überirdische Prinzessin, daß keine größere Anmut, denn in dem Wechsel der Liebe, gefunden werde.« – »Der Sonnen«, widerlegte die Prinzessin, »schreibet man Finsternissen zu, und dem Monden legt man Flecken bei; eine keusche Seele aber soll bedenken, daß sie ein Spiegel der reinen Gottheit sei, welcher sich durch kein lüstern Auge beflecken lasse. Ich aber bin dem Prinzen Nherandi mit Leib und Geist bis in die dunkele Gruft verpflichtet: und wie ich bis daher in keuscher Liebe und reiner Anmut seiner Person beständig geblieben; also soll auch hinfort in der rauhen Schale der Einsamkeit die Keuschheitsperle gezeuget und ernähret werden, bis mich der Tod, als das Ende der Natur, dem unvergleichlichen Nherandi, der Unsterblichkeit nach, beigesellet.«

Bis hierher hatte die Prinzessin ihre verstellte Person so wohl gespielet, daß wir selbst nicht wußten, ob es Ernst oder Scherz, indem sie solche Worte mit so anmutiger Traurigkeit vorbrachte, daß man fast zu einigem Mitleiden beweget wurde. So artig sie nun ihren falschen Beifall vorzubringen wußte, so künstlich entdeckte Chaumigrem seine Herzenmeinung, daß, wem nicht seine Anschläge zuvor bekannt waren, bisher unmöglich aus seinen Reden etwas Gewisses schlüssen konnte, bis endlich die verliebte Ungeduld hervorbrach, und er sich mit folgenden Worten etwas deutlicher, wo nicht allzu deutlich, zu erkennen gab: »Das Verhängnis aber«, sagte er, »und Dero Königlicher Herr Vater befiehlt, Sie soll lieben.« – »Ich weiß zwar wohl«, versetzte die Prinzessin, »wie man den Schluß des Himmels verehren soll: allein hier kann ich keinen Befehl noch Anlaß zur Liebe vermerken, wenn er mir dasjenige, was ich lieben soll, raubet, und dadurch das Gesetze der Liebe aufhebet. Mein Herr Vater aber kann mir hierinnen nicht befehlen, weil seine Krone dem Verhängnisse und sein Szepter der Liebe selbst unterworfen ist. Zudem lässet sich meine Liebe durch keinen Befehl zwingen, solange kein liebenswürdiger Nherandi vorhanden ist, welchem ich doch ein freiwilliges Liebesopfer bringen würde.« – »Ist gleich kein Nherandi vorhanden«, brach endlich Chaumigrem heraus, »so ist doch noch wohl der tapfere Chaumigrem einer Prinzessin würdig.« Ob sie sich nun zwar über solche Freimütigkeit nicht wenig entrüstete, so faßte sie sich doch möglichst und beantwortete es glimpflich mit diesen Worten: »Es [83] sei Chaumigrem, wer Er wolle, so wird doch Nherandi, dessen Tapferkeit mir weit besser bekannt, ewig mein Herz besitzen: dem erwähnten tapfern Chaumigrem aber will ich sein anderwertiges Vergnügen nicht mißgönnen.« Hierauf nun ließe Chaumigrem seiner großsprechenden Hochmut den Zügel völlig schießen, als er mit veränderter Stimme herausfuhr: »Und diese Vergnügung wird Sie ihm auch gönnen müssen. Dem tapfern Chaumigrem, welcher durch seinen Bruder neun Kronen bestreiten läßt, um sie auf sein Haupt zu setzen und alsdenn von allen denjenigen Rache zu fodern, welche anitzt seine Liebe kaltsinnig hintan setzen. Ja ich, ich bin die rechte Hand und die Stütze dieses Königreichs, vor mir zitterte Xemindo, und als ich ihm nur den Rücken, geschweige das Angesichte kehrte, ward er feldflüchtig. Ich habe in dem Blute der Feinde bis an die Knie gestanden, und mein Arm erstarrte über der Niedermetzelung so vieler kühner Peguaner, derer öfters ihrer Fünfe zugleich die grausame Würkung eines Lanzenstoßes von mir empfunden haben. Die Stückkugeln, welche gleich denen Mücken im Sommer haufenweise durch meine Haare flogen, ermunterten meinen vorhin heroischen Geist zu desto größerer Tapferkeit: und wo ich nur meine blitzende Augen hinwendete, da fleheten mich die kniende Feinde mit Tränen um ihr Leben an; ja ich glaube nicht, daß ein Winkel auf Erden sei, in welchem nicht mein Name erschollen, und aufs glorwürdigste angebetet werde. Sogar, daß ich befürchte, man möchte Abgötterei mit mir treiben, und mein Bild statt eines Kriegsgottes anbeten: dieses allein, welches noch wie nichts gegen dem, was ich verschweige, zu rechnen, ist mehr als würdig, daß sotane ungemeine Tapferkeit mit würklicher Gegenhuld einer Prinzessin, vor dero Wohlfahrt sie angewendet worden, belohnet werde.« – »Der Herr Graf entrüste sich nur nicht«, antwortete ihm die Prinzessin mit verächtlichem Gesichte, »indem ich erzählter Tapferkeit ganz unwissend bin, auch niemals von dem tapfern Chaumigrem etwas gehöret habe, außer, als unsere unglückselige Truppen verwichener Zeit von dem Xemindo durch üble Anführung ihres mir unbewußten Feldherrns geschlagen worden, und sich haufenweise vor diese Festung reterierten, da ersahe ich unter andern feldflüchtigen einen in ganzvergüldten Harnisch versteckten Reuter daherrennen, welchem Furcht und Schrecken aus den Augen sahe, zumal er in der Angst die Sturmhaube verloren hatte; diesen [84] ließe ich mir vor einen Chaumigrem bedeuten: daß es aber der tapfere Chaumigrem gewesen sei, solches kann ich nicht glauben.« – »Den soll der Blitz rühren«, fuhr er im Zorn heraus, »welcher mich so übel angedeutet, und wollte mir die Prinzessin dessen Namen kundig machen, so schwere ich, er sollte durch einen Streich meines mächtigen Säbels in tausend Stücke zergliedert werden. Allein auf den Zweck unsers Vorhabens endlich zu kommen, so wisse Sie, Prinzessin, daß des Königlichen Herrn Vaters ernstlicher Wille und Befehl ist, die Stelle des verblichenen Prinzen von Siam mit meiner der Liebe nicht unfähigen Person zu ersetzen, und Ihr Herze dem zu widmen, welcher Sie künftig als ein mächtiger König wird zu lieben wissen.«

»Hochmütige Einfalt!« erwiderte die Prinzessin, »auch sklavische Gemüter suchen im Lieben ihre Freiheit, und ich als eine freigeborne Königliche Prinzessin soll mich zwingen lassen, einen Sklaven der Laster zu lieben? Unverschämter Graf, schämet Euch in Euer Herze, daß Ihr Euch unterstehet, mit so handgreiflichen Lügen mir den Tod meines geliebten Prinzen einzubilden, von welchem ich doch vor zwei Stunden erst schriftliche Versicherung seines Lebens und beständiger Liebe erhalten: Daß Ihr also notwendig mit Eurem erdichteten Vorgeben zuschanden werden müsset.« Welche Worte sie mit Vorzeigung des rechten Briefes begleitete und den Chaumigrem nicht wenig schamrot machte. Wie aber den Hochmut gemeiniglich eine unverschämte Tollkühnheit begleitet, also sagte er ganz verzweifelt: »Prinz Nherandi sei tot oder lebendig, so will ich doch das Wort des Königes von Ava erfüllet wissen, welcher mir versprochen, seine Tochter solle mich lieben. Widrigenfalls soll dieses Land durch meine Waffen überschwemmet, und alles Frauenzimmer in ganz Ava meiner verachteten Liebe aufgeopfert werden. Ja das Königliche Blut soll lange nicht kräftig genung sein, meine Rache nur im minsten zu kühlen, Prinz Nherandi aber soll im glühenden Ofen seinen unzeitigen Eintrag der Liebe bereuen.« Hier kunnte mein Prinz kaum die Losung von der Prinzessin erwarten, als er solche freche Drohworte anhören mußte: Jedennoch hielt ihn der Prinzessin Antwort noch etwas zurücke, welche wir folgendergestalt höreten: »Hütet Euch, Herr Graf, und mißbrauchet nicht meine Geduld: Denn ob zwar Eure Vermessenheit was anders verdienet hätte, so gibet man Euch doch noch Bedenkzeit, die rasende [85] Begierde zu dämpfen, sonsten wird man Euch lehren, mit königlichen Personen gebührend umzugehen.« – »Auch die ganze Welt ist zu wenig«, fuhr er ganz rasend fort, »meine Liebe zu hindern: Und meine Macht zu bezeugen, so raube ich diesen Kuß mit Gewalt von Ihren Lippen.« Worauf er die Prinzessin höchst vermessen anfiel, daß sie kaum diese Worte: »Es ist genung, Prinz Balacin!« schreien kunnte. Allein, ehe sie noch solche Losungsworte geendiget hatte, war mein Prinz dem Chaumigrem schon auf dem Halse und stieß ihn mit der Hand so unsanfte von der Prinzessin hinweg, daß er gestreckt auf den Rücken fiel, und sich lange nicht besinnen kunnte, was vor ein Zufall ihn zu dieser Niederlage gezwungen hatte. Endlich, als er meinen Prinzen erkannte, sprang er wiederum auf, und fuhr ihn mit diesen Worten an: »Verwegener Prinz, diese Schmach soll Euch gereuen, und indem Ihr den Augapfel Eures Vaters beleidiget, und mich an meiner vorgesetzten Vergnügung verhindert, so schwere ich bei allen Furien, mich an Euch und der unempfindlichen Higvanama zu rächen. Zu erweisen aber, was Chaumigrem gelte und vermöge, so sollen Götter und Menschen mich nicht an meinem Vorsatze hindern.« Nach welchen Worten er wiederum als rasende auf die Prinzessin zulief, und schiene es, als wollte er zu Sturme laufen, nicht weiß ich, ob er die Prinzessin küssen oder sich gar an ihr vergreifen wollte. Dieser Sturm aber wurde ihm häßlich abgeschlagen, denn mein Prinz antwortete ihm kurz, und sagte: »Du unverschämter Cujon bist meines Säbels nicht würdig«; womit er ihm zugleich mit der Hand ein solches accidens in das Angesichte warf, daß die Nase durch solchen Aderschlag eine blutige Empfindlichkeit zu erkennen gab. Hierauf sprang Chaumigrem zurücke, entblösete seinen Säbel und rief seinen Leuten zu, welches sechs verwegne Kerle waren, sie sollten zuhauen, und ihres Herrn Ehre retten. Diese kühne Gesellen nun durften sich unterstehen, nebst ihrem Herrn mit gesamter Hand auf einen Königlichen Prinzen in seiner Burg und väterlichen Residenz mit bloßen Säbeln einzustürmen. Weswegen denn mein Prinz gleichfalls gezwungen wurde, seinen Säbel zu zücken, dem ich mich treulich beigesellte, und also unser zwei sich gegen sieben in einen ungleichen Kampf einließen. Wie nun mein Prinz durch seine Tapferkeit sich des einen Feindes durch einen Gurgelhieb entledigte, und einen andern durch Beraubung der rechten Hand zum Gefechte untüchtig machte, [86] also dummelte ich mich auch rechtschaffen unter diesen Schelmen herum, und gedachte, haben dich die Götter in verwichener Schlacht unter so viel tausend Feinden erhalten, so werden dich auch diese wenige nicht fressen. Welches mir auch dermaßen glückte, daß ich dem einen, welcher heftig auf mich los ging, mit dem blanken Linial einen solchen roten Strich über das Gesichte zog, daß er vor Blut nicht mehr sehen kunnte, und fast tot zur Erden fiel: wiewohl ich von einem andern hier über die linke Hand zur Rache gezeichnet wurde, welches mich, wiewohl zu spät, lehrete, ich sollte, wann es an ein Hauen ginge, nicht die linke Hand vorwerfen, sonst würde man auf den Schild geklopft. Chaumigrem hielte sich indessen frisch hinter seinen Leuten, seine Tapferkeit durch heftiges Zuschreien ersetzende. Und ob zwar sowohl der Prinz als ich bemühet waren, dem Haupte dieses Streits eine verdiente Schlappe anzuhängen, so wußte er doch so behende hinter seinen Vorfechtern herumzuspringen, daß man geschworen hätte, er gäbe einen Seiltänzer ab. Währenden Kampfes war das Frauenzimmer nach dem Gartentore gelaufen, und hatte die Burgwache herzugerufen, von welcher denn in zwanzig Mann stark bald herzu eileten, und mit verkehrtem Gewehr uns dermaßen entsetzten, daß Chaumigrem und seine Leute im Augenblicke ihre Säbel verloren, und sich ungeachtet vieles Widerredens gefangen geben mußten: Da sie denn der Prinz in den Turm bis auf fernere Verordnung zu führen befahl. Wie sich nun Chaumigrem ganz Ava zu Feinden gemacht hatte; also empfand er auch bei dieser Gelegenheit den wirklichen Haß der Soldaten, indem fast jeder Schritt mit einem Rippenstoß begleitet ward. Allein, was wunder? Chaumigrem war unter so unanständiger Begleitung kaum hundert Schritte von dem Garten gelanget, so kamen über fünfzig bewährte Mann, welche auf des Königs Befehl nicht allein den Chaumigrem mit seinem Anhange auf freien Fuß stellten, sondern auch die Wacht dargegen in gefängliche Haft einzogen. Wie heftig solches meinen Prinzen verdroß, und wie unbillig solches von einem Vater, ja von einem Monarchen verfahren war, dieses überlasse ich Dero reiferem Nachdenken. Was wollten wir tun? Wir mußten an der trockenen Rache, welche Chaumigrem von der Wache empfangen hatte, vergnüget sein, und mein Prinz verfügte sich voller Verdruß nach seinem Zimmer. Morgens darauf wurden sofort die Reichsräte berufen, als ob ein großer [87] Feind vorhanden wäre, welchen der König den gestrigen Streit entdecket hatte, mit Begehren, ersprießlichen Rat zu erteilen, auf was Art und Weise solche Uneinigkeit möchte beigeleget, und der Prinz mit Chaumigrem versöhnet werden. Chaumigrem hatte dieses kaum erfahren, so war er ungescheut vor den König und die Räte getreten, hatte mit hochtrabenden Worten und vielen Unwahrheiten die Ursache gestrigen Kampfes vorgebracht, und gebeten, weilen ihm der erwiesene Schimpf unmöglich zu ertragen wäre, man wollte ihm erlauben, seine Sache wider den Prinz durch einen Zweikampf auszuführen. Ob nun zwar die sämtlichen Räte diesem unanständigen Begehren durchaus widersprachen, so war doch die rasende Gewogenheit gegen dem verhaßten Chaumigrem in des Königs Herzen dermaßen eingewurzelt, daß er sich nicht enblödete, das Leben seines einigen Erbprinzens und die Wohlfahrt des ganzen Reichs auf die Spitze zu setzen und an einen stockfremdem Menschen zu wagen: deswegen ihm denn der König Vollmacht erteilete, seine Sache nach eigenem Begehren auszuführen.

Noch selbigen Tages wurde meinem Prinzen von diesem verwegenen Menschen durch einen Bramaner folgende Ausforderung eingehändiget:


Prinz von Ava!


Wo Eure Faust so tapfer den Säbel zu führen, als verwegen einen Feldherrn zu beschimpfen ist, so werdet Ihr Euch morgen frühe vor dem Schloßtore ohne andere Waffen als Säbel und Schild einfinden, und allda der grausamsten Rache von meiner Hand gewärtig sein. Solches geschiehet auf Königlichen Befehl und Erlaubnis, und es erwartet Euer

Chaumigrem.


»Verfluchte Raserei! Unartiger Vater!« redete der Prinz hierauf zu sich selbst, »ist dieses wohl jemals in ganz Asien erhöret worden, daß ein Königlicher Prinz auch in dem Schoße seines Vaters vor Schimpf und Überfall nicht könne gesichert sein, ja daß ein geborner König einem fremden und nichtswürdigen Menschen blutige Rechenschaft von eigner Hand geben soll? Blitz und Schwefel auf deinen verdammten Kopf, du frevelhafter Bösewicht! Ich kenne bereits die Zuneigung der getreuen Avaner, welche auf mein bloßes Winken viel eher bei tausenden ihr Leben aufopfern als einen [88] Blutstropfen von mir nehmen lassen würden. Diese will ich dir vorstellen, und von diesen magst du deine vermeinte Rache nehmen. Doch nein! Sollte mir dieses wohl anständig sein, mich fremder Hülfe zu bedienen, und zwar gegen einen solchen Feind, dessen Tapferkeit in den Füßen und der Mut auf der Zungen beruhet. Weil ihn denn mein Vater würdig erkennet, mit einem Prinzen zu fechten, so sei es denn. Gehe demnach hin«, wendete er sich zu dem Bramaner, »und sage deinem närrischen Herrn, ich wolle mir endlich die Mühe nehmen, und ihm um meines Vaters willen die Ehre gönnen, daß er von meiner Faust sterbe, ob er wohl des Henkers Bemühung verdienet hätte.« Folgenden Morgen verfügte sich mein Prinz nebst mir ganz allein nach dem bestimmten Platz, hatte einen viol-braunen Rock, seinen Verdruß anzudeuten, angezogen, und eine rote Feldbinde darüber gebunden. An der Seiten hing ihm ein mit Türkoissen reichlich versetzter Säbel, und den linken Arm beschwerte ein hell polierter Schild. Als wir uns dem Platze genähert hatten, sahen wir den blutdürstigen Vater an einem Fenster liegen, welcher bei widrigem Erfolg sich gar wohl getraute, den blutigen Tod seines Sohnes mit anzuschauen. Es war ein Kreis von zweitausend bewährten Soldaten geschlossen, welches mehr auf die Sicherheit des Chaumigrems als Beschützung des Prinzens angesehen war. Bei unserer Ankunft wurde der Kreis geöffnet, und wir ehrerbietig eingelassen, alles aber ging mit so einer ungemeinen Stille zu, als wenn jedes vor Verlangen nach der Sachen Ausgang verstummet wäre. Wir funden noch keinen Feind vor uns, dahero denn der Prinz voller Bitterung fragte: wo denn der künftige Erbe von Ava bliebe? er würde gewiß bei dem Könige zuvor ein Frühstück einnehmen, damit er desto bessere Kräfte habe, den Avanischen Stamm auszurotten. Nachdem man aber angedeutet, man hätte noch keine Nachricht von seiner Ankunft, setzte sich mein Prinz auf die bloße Erde, und erwartete voll brennenden Zorns seines Feindes. Es vergingen inzwischen mehr als zwei Stunden, daß man nichts Feindseliges merkte noch sahe. Endlich nach so vergeblichen Harren, kam ein kleiner Mohr in den Kreis gelaufen, welcher dem Prinzen ein Briefgen einhändigte, dieses Inhalts:


[89] Prinz!

Nachdem uns die gütigen Götter in einen solchen Zustand gesetzt, daß wir nicht vor nötig erachten, durch einen Zweikampf unsere Person, woran nunmehro der halben Welt viel gelegen, in einige Gefahr zu setzen: Als wollet Ihr Euch nur kurze Zeit gedulden, da wir als ein Blitz Euch heimsuchen, und durch viel hunderttausend Säbel den angetanen Schimpf und Verachtung an Euch und Eurer stolzen Schwester grausamst rächen wollen. Gegeben Ava, im ersten Jahr unserer Regierung, an einem Succerawaram.

Chaumigrem, König von Brama.


An den König aber hatte er zugleich einige Zeilen eingeliefert, welche wir hernach folgenden Inhalts gewesen zu sein erfuhren:


Großmächtiger König und Herr!


Der unvermutete Todesfall unsers Bruders Xenimbrun rufet uns eilend von hinnen zu der Bramanischen Krone, welche uns durch wohlgelegten Grund unsers Bruders auch bald den Thron von Pegu verspricht. Nun wären wir zwar Eu. Lb. vor bisher genossene Freundschaft ziemlich verbunden, wenn Sie nicht Dero eigene Kinder einiger Vergeltung unfähig machten: maßen wir uns vielmehr feste vorgesetzet, den von Prinz Balacin erlittenen Schimpf dermaßen zu rächen, daß auch das Kind in Mutterleibe den Tag beweinen soll, an welchem mich die eigensinnige Higvanama verachtet hat, und ist uns nur leid, daß wir E.L. hierdurch beleidigen sollen. Wir sind deswegen heute früh auf bestellter Post nach Brama gangen, und wird Prinz Balacin vergebens der Ehre, mit uns zu streiten, erwarten, Ava am Succerawaram.

Chaumigrem, König von Brama.


»Wie?« hub mein Prinz überlaut an, als er dieses gelesen, »ist nun so geschwinde aus einem Bärenhäuter ein König worden? Doch hat ein verzagter Tyrann oft besser Glücke als das tapferste Gemüte. Inzwischen wird mir ein jedweder braver und treuer Avaner das Zeugnis geben, daß ich mehr getan, als mir gebühret, des Feindes erwartet, und mit ihm zu schlagen begierig gewesen bin.« Hierauf erhub sich von allen Anwesenden ein Freudengeschrei und tausendfaches Glückwünschen, ja es fehlete nicht viel, daß nicht einige [90] Schmachreden wider den alten König geflogen wären, wenn sich nicht mein Prinz eiligst in sein Zimmer, von dar aber nach der Prinzessin begeben hätte, welche ihn mit unglaublicher Freude und schwesterlicher Liebe empfing, daß ich nicht weiß, ob die Liebe unter Geschwistern höher steigen könne, als welche itziger Zeit dermaßen erfroren, daß fremde Personen ihre Liebe viel hitziger als Brüder und Schwestern erzeigen, ja wo heutiges Tages drei Geschwister sind, so bemühet sich das dritte, wie es die andern zwei ineinander hetzen möge. Allein wieder auf unsere Erzählung zu kommen, so ward dieser Triumph bald wieder in ein Trauren verkehret, denn es war Chaumigrem dem Könige dermaßen ans Herze gewachsen, daß er vermeinte, unsinnig zu werden, als er aus vorerwähntem Briefe seinen Abzug vernommen. Und dieses wirkete eine solche Raserei in ihm, daß er alsobald meinem Prinzen andeuten ließ, er sollte Hof und Reich ein ganzes Jahr lang meiden, die Prinzessin aber sollte sich gleiche Zeit des väterlichen Angesichtes enthalten. Ob nun zwar die Reichsräte, wie auch der ganze Hof heftig hierwider waren, ja es sich gar zu einem Aufruhr schicken wollte, so drang doch königliche Gewalt durch, und dieser harte Befehl ward dem königlichen Geschwister hinterbracht. Worauf mein Prinz ganz bestürzt antwortete: »Wie? ist denn sogar alle Liebe und Gnade in dem väterlichen Herzen des Königes erloschen, daß er auch die Wohlfahrt seiner Kinder hintan setzen, und sich durch deren Verlust einen ungewissen Feind versöhnen will. Ha Tyranne! verhaßter Vater, welch Tiger jagt seine Jungen von sich? oder welcher Drache verläßt seine Frucht? und mein Vater will mich als einigen Erben seiner Krone, ja, als sein erstes Pfand der Liebe, ohne einige Ursache in fremdes Elend jagen? Jedoch die Tugend findet überall ihr Vaterland, und mein Vater ist viel zu schwach, ob er gleich ein mächtiger König ist, das Absehen des Himmels zu hintertreiben. Ich verlasse dieses Reich, nicht aber die Hoffnung, mich einst meinen verleumderischen Feinden auf dem Thron von Ava erschrecklich zu zeigen. Und wie mir der ganze Hof das ungeheuchelte Zeugnis geben kann, daß ich niemals im geringsten die Grenze kindlichen Gehorsams gegen meinen Herrn Vater überschritten habe; also will ich auch zum Überflusse durch diesen meinen Abschied erweisen, wie begierig ich sei, väterlichen Befehl zu erfüllen, um durch solchen Gehorsam mir die Götter geneigt zu machen.«

[91] Die betrübte Higvanama war indessen in eine Ohnmacht gesunken, also daß sie mein Prinz nebenst ihrem Frauenzimmer kaum wiederum ermuntern kunnten. »Unglückliche Higvanama«, hub sie endlich nach langem Stillschweigen an, »so sollst du nun die andere Hälfte meines Herzens vollend verlieren, nachdem du das eine Teil fast zwei Jahr entbehren müssen. Soll ich den, welcher nicht mein Bruder, sondern mehr als mein Vater gewesen, von mir scheiden lassen? Worzu nützet mir denn mein Leben? Grausamer Vater! sind denn alle Wolken leer, und heget ihre Finsternis keinen Blitz mehr in sich, solche Greueltat zu rächen? Doch will ich mich nicht durch Ungeduld verführen lassen, der Götter Gesetze wegen kindlichen Gehorsams zu beleidigen: sondern mein reines Blut soll den harten Fehler des Vaters versöhnen, und ein Dolch soll der bedrängten Seele freie Luft machen, daß sie ungescheut um ihren liebsten Nherandi und wertesten Balacin schweben möge. Ja ich schwere, Herzensbruder, daß die erste Stunde Eures Verlusts die letzte meines Lebens sein soll.« – »Nein, liebste Schwester«, redete ihr mein Prinz ein, »dies ist nicht die rechte Bahn, worauf wir wandeln sollen. Ich meinesteils achte dieses vor ein geringes, daß mir das verhasseste Anschauen dieses Hofes benommen wird, ob mich zwar die schwesterliche Abwesenheit heftig schmerzen wird. Inzwischen bin ich versichert, daß der gütige Himmel zu seiner Zeit alles ändern, und die itzt verwirreten Sachen in erwünschten Stand versetzen werde.« Worauf sie etwas besänftiget zu sein schiene, und von ihrem Frauenzimmer ein silbern Kästgen foderte, nach dessen Aufschließung sie dem Prinzen drei überaus kostbare Kleinodien mit diesen Worten überreichte: »Trautster Bruder, nehmet hier von Eurer ewigtreuen Schwester ein geringes Andenken herzlicher Liebe, und verübelt mir es nicht, daß ich mich so geschwinde in Euren Abzug schicken lerne, weil mir gleichsam mein Geist ins Ohr saget, es werde künftiges Glücke uns voller Vergnügung wieder vereinigen. Ziehet hin, gedenket an mich! die Götter begleiten Euch.« Mein Prinz konnte sich gleich ihr der Tränen nicht enthalten, daher er ihr vor sotanes Andenken mit einem herzlichen Kuß dankte, und zugleich nassen Abschied nahm. Weil nun auch die Zeit uns des Scheidens erinnert, als werde ich das übrige, doch mit Dero Erlaubnis, bis morgen versparen, da ich noch seltsamere und verwirrtere Zufälle erzählen will. –

[92] Abaxar dankte höflich vor so geneigte Mühwaltung, und bezeigete sonderbare Vergnügung über dieser Erzählung, dannenhero er versprach, morgendes Tages, wo es anders seine Verrichtungen zuließen, wieder zu erscheinen, und mit hohem Verlangen das übrige anzuhören. Nach genommenem Abschiede ließ sich der Prinz nochmaln verbinden, genoß ein wenig Speise und legte sich vollend zur Ruhe. Tages darauf, als Talemon seiner Gewohnheit nach bei aufgehender Sonne seinen Garten besuchen und vor seines hohen Gastes Wohlfahrt sorgen wollte, vernahm er ein hartes Wortgespräch zweier Weibespersonen, dannenhero er dem Schall folgete, und seine Frau und Pflegetochter folgendergestalt reden hörte: »Was?« sagte Hassana, »soll man sich in seinem eignen Hause von den fremden Lumpenhunden verachten lassen? Du siehest es ja vor Augen, wie verächtlich er dich hält, und wie wenig mein Versprechen bei ihm gilt.« – »Frau Mutter«, erwiderte Lorangy, »die Liebe ist wie ein Tiger, welcher sich eher durch Glimpf als mit gewaltsamen Fesseln bändigen läßt. Sie wird mit gelinden Säften am ersten eingeflößet. Die Zeit wird und kann alles ändern. Ein Pfahl wird nicht auf einen Stoß in die Erde gebracht, also wird sich der liebe Mensch meine verliebte Not wohl endlich lassen zu Herzen gehen.« – »So wolltest du wohl«, versetzte Hassana, »dem weiblichen Geschlechte zu ewigem Schimpfe um Gegenhuld bittliche Ansuchung tun? Pfui schäme dich! Das Bitten und Flehen kömmt den Mannsbildern zu. Und ob wir noch so verliebt in unsern Herzen sein, so sollen wir uns doch stellen, als ob wir unempfindlich wären. Hierdurch erfahren wir, ob es eine beständige oder Flatterliebe sei. Ist es auf Beständigkeit angesehen, und hat sich einer einen Narren an dir gefressen, so entläuft er dir nicht, und du kannst ihn endlich, nach solcher Probe, den Zweck seines Verlangens wohl erreichen lassen; ist es aber nach heutiger Weltart nur auf eine kurze Wollust angefangen, so wird er nach sotaner verstellten Weigerung bald ablassen und dich überall vor die Keuschheit selbsten ausschreien, ob du es gleich am wenigsten bist. Und dieses ist eine notwendige Regul vor uns Frauenzimmer, welches Profession von der Liebe zu machen suchet, die du auch in acht nehmen mußt.« – »Frau Mutter«, antwortete Lorangy, »ich begehre zwar keine Profession von der Liebe zu machen, welches sonst gar eine verdächtige Art zu reden ist, allein, daß ich nicht sollte verliebt sein, wenn mir [93] das Verhängnis ein feines Gesichte in den Weg stellet, das kann ich nicht leugnen. Und eben dieser junge Fremdling, er sei, wer er sei, hat mich dermaßen verwundet, daß ich fürchte, wo nicht das Pflaster ehlicher Liebe darauf geleget wird, es dörfte auf eine verbotene Kur nauslaufen.« – »Wer die Tochter haben will«, setzte ihr Hassana entgegen, »der halte es mit der Mutter; nachdem aber dieses nicht geschiehet, und mir jederzeit das verächtlichste Gesichte zugekehret wird, als wirst du zu wenig sein, meinen Vorsatz zu hindern. Ich will noch heute nach Hofe laufen, und meinen Alten verraten, daß er verdächtige Fremdlinge aus Ava beherberget: hierdurch räche ich meine Schmach, und kann mit Gelegenheit auch meines Alten loswerden.« – »Ach Frau Mutter«, fiel ihr Lorangy ganz unbeweglich in die Rede, »wo Ihre Adern einen Blutstropfen in sich hegen, welcher mir nur etwas gewogen ist, so erbarme Sie sich der armen Lorangy, welche sich lebendig verscharren und ihr Elend auch nach dem Tode bejammern würde. Sie weiß ja selbst, wie stark das süße Gift der Liebe sei, und hat deren Würkung sowohl gegen den bewußten Hofjunker als auch den portugiesischen Kammerdiener sattsam empfunden. Ach so trage Sie doch auch Mitleiden mit meiner Jugend, und gedenke, daß mich die Götter rächen, Sie auch im Alter mit verliebten Herzen belegen und dabei unglücklich machen können. Denn mein endlicher Vorsatz ist, entweder zu sterben, oder meine Liebe zu vollführen.« – »Du kannst nach dem Herzen greifen«, fing die Alte endlich an, »und ich gestehe es gerne, daß ich mich durch das süße Andenken voriger Liebe ganz verjüngt befinde. Ich gebe dir Beifall, und verspreche dir, kraft meiner alten Liebe, möglichen Beistand. Nur siehe zu, daß du nicht alleine liebest, sondern audi geliebet werdest, wovon du doch noch nicht das geringste Zeichen abnehmen können.« – »Ach ja, liebe Frau Mutter«, tröstete sich Lorangy, »ich habe es sattsam verspüret, daß sein Gemüte durch meine Anmut so sehr als der Leib verwundet sei. Maßen er alsobald, als er mich nur erblickte, tief seufzete, und mir ganz sanfte die Hand druckte.« – »Ein verliebtes Herze«, widerredete die Alte, »hält jeden Sonnenblick vor einen Sommertag; allein nimm dich in acht, und wisse, daß ich dich aus Erfahrung lehren könne. Der flüchtige Merkur ist öfters denen Männern ins Herze geprägt. Das Gegenwärtige küssen sie, und das Entfernte meinen sie. So alber sind wir teils; wenn wir einer guten Miene gewahr [94] werden, so bilden wir uns ein, es sind lauter Stricke, welche uns und sie verbinden. Ein falscher Schwur ist uns so gewiß als tausend Eide. Ein gemaltes Fünkgen kann uns in volle Flammen setzen, daß wir auf den Hochzeitsschmuck bedacht sein, ehe noch von einiger Bewilligung geredet worden, wir werden öfters vor der Zeit allzu treuherzig, und lassen uns fangen, ehe der Jäger auf die Jagd zeucht. Ja, was das ärgste, den ersten Betrug, der uns mitgespielet worden, nennen wir einen Zufall, den andern ein Unglück und lassen kaum den dritten vor eine Warnung gelten. Ich bin zum höchsten Leidwesen mehr als sechsmal dergestalt angelaufen, daß man mit mir wie mit einem versalzenen Brei umgegangen, welchen jeder, wenn er ein paar Löffel davon genossen, stehen lassen.« Hier wollte der alte Talemon nicht länger zuhören, sondern ging seufzende davon, begab sich aber bald nach des Prinzen Zimmer, den er wachende befand, und nach dem Zustande seiner Gesundheit forschete, welche denn nach dieser Ruhe merklich zuzunehmen schien. Als er auch nach der Wunde sahe, befand er dieselbe dermaßen, daß er seinen Hausmitteln eine sonderbare Kraft zuschreiben mußte. Worauf er den Prinzen ferner anredete: »Gnädigster Herr, wo jemals der Rat eines alten und treuen Dieners gegolten hat, so bitte ich nicht übel zu deuten, wenn ich, nicht ohne Ursache erinnere, sich gegen meine Frau ehrerbietig und gegen meine Pflegetochter verliebt anzustellen: widrigenfalls stehet uns ein großer Unfall vor.« – »Wie?« antwortete der Prinz, »sollte ich mich wohl auf solche unverantwortliche Art und Weise an meiner himmlischen Banisen versündigen? Das sei ferne!« – »So sind wir des Todes«, widerredte Talemon, »denn die Götter haben die Sünden meiner Jugend durch meine itzige Ehe gerochen. Ich habe mit Entsetzen angehöret, wie meine Frau entschlossen, des Prinzen Anwesenheit, ob zwar in unbekannter Person, dem Kaiser zu entdecken, welches Vorhaben aber meine Pflegetochter durch vorgeschützte Liebe hintertrieben, jedoch mit diesem Bedinge, wenn sie in ihrer Liebe gegen den Prinzen glücklich wäre.« – »Der Himmel wird ja«, hub der Prinz hierauf an, »einmal müde werden, mich zu verfolgen, und nicht auch schwache Weibesbilder wider mich erwecken. Ich glaube ...« Hiemit traten Hassana und Lorangy hinein, wodurch der Prinz so erschrecket ward, daß ihm der Angstschweiß ausbrach. Talemon aber wurde zu mehrem Unglücke von seiner Frauen benachrichtiget, es sei [95] jemand aus Pegu angelanget, der ihn sprechen wollte. Weswegen er durch seinen Abschied den Prinz voller Angst hinterließ, welcher ihn beweglich bat, den faulen Scandor aufzuwecken und ihm zu befehlen, schleunigst aufzuwarten. Als nun dies ehrbare Frauenzimmer solche erwünschte Gelegenheit, ihre Liebesgeschäfte vollend auszuführen, ersahe, bediente sich die Alte deren bald mit diesen Worten: »Mein Freund, wie habt Ihr heinte geruhet, hat Euch nicht etwa ein guter Traum, durch Verstellung einer Person, welche meiner Tochter ähnlich siehet, empfindlicher gemacht?« Der Prinz konnte sich kaum fassen, diese närrische Frage zu beantworten, dahero er zuvor eine kurze Bedenkzeit nahm und endlich sagte: »Mein unbeglückter Zustand erlaubet nicht, mir etwas Angenehmes einzubilden, vielweniger vorzustellen. Inzwischen habe ich hohe Ursache, der werten Frau Mutter, als welche Ehrenbenamung sie billig um mich verdienet, untertänigst zu danken vor die unverdiente Gnade und Wohltat, welche ich unwürdigst unter Dero Dache genieße, und trage das Vertrauen zu Dero Güte, Sie werde die Erwiderung bis zu künftiger Gelegenheit ausgesetzt verbleiben lassen.« Hierdurch vermeinte nun der bedrängte Prinz sie auf andere Reden zu führen, und die verdrüßlichen Liebeserinnerungen zu hintertreiben; allein durch diese Liebkosungen, welche der Prinz mit einer sonderbaren Anmut vorzubringen wußte, wurde die Alte viel freimütiger und die Jüngere desto verliebter. Dahero die Hassana Anlaß nahm, folgendergestalt zu antworten: »Werter Freund und lieber Sohn! Ihr tut ganz wohl, daß Ihr einige Erkenntlichkeiten gegen Eure Wohltäter verspüren lasset, und sind wir auch allerseits begierig, nicht allein Euch alle Annehmlichkeit zu erweisen, sondern auch gar in unsere Freundschaft auf- und anzunehmen, wenn Ihr nur nicht Euch selbst in Lichten stehen, noch uns durch Ungehorsam betrüben, und zu widrigen Gedanken bringen wollet.« – »Da sein die Götter vor!« versetzte der Prinz, »daß ich mich sotaner Wohltat durch vorsätzliche Fehler unwürdig machen sollte: sondern ich würde mich vielmehr beglückt achten, wenn mir wegen jetzigen Unvermögens einiger Anlaß zu würklicher Vergeltung, an die Hand gegeben würde.« Diese Worte setzten unsere verliebte Lorangy in solche Vergnügung, daß sie sich nicht enthalten konnte, des Prinzen Hand zu fassen, und ihre Brunst durch ziemliches Drücken sattsam an den Tag zu legen. Endlich als [96] ihre Liebe und Glut gleichsam aus den Augen brannten, löste sie ihre Zunge und redete den Prinzen an: »Wollten die Götter, diese Worte hätten ihren Ursprung aus einem verliebten Herzen genommen, so würdet Ihr glückselig und ich vergnüget sein! Gewiß, das Glücke selbst gibet Euch Anlaß, Euer bestes zu bedenken. Denn hier, ich bin zu schwach, es zu verhehlen, brennet Lorangy, und ihr Gemüte erwählet Euch zu ihrem Abgott, dem sie Weihrauch ergebenster Liebe begierig anzuzünden verlanget. Erwäget demnach den Brand meiner Seelen, und bedenket die Pflicht, womit jedes Mannesbild dem Frauenzimmer verbunden ist.« Der Prinz hatte sich sotaner freien Erklärung nimmermehr versehen, derowegen er sich um so viel weniger in solcher Eil auf eine geschickte Antwort bedenken konnte, bis ihm endlich diese Ausflucht einfiel: »Schönstes Fräulein! ich kann kaum gläuben, daß sich Dero Tugend so tief erniedrigen, und eine unwürdige Person mit Ihrer Liebe beseligen sollte. Immittelst wird zwar diese hohe Gnade mit unsterblichem Danke von mir erkennet; allein ich beklage zugleich mein Unglück, daß mich eine anderwärtige Verbindung in Ava sotaner Liebe unfähig machet.« – »Wer sich in die Zeit schicket«, vertrat Hassana der Lorangen Stelle, »der wird vor klug geachtet, und wo das Verhängnis die Hand im Spiele hat, da muß man sich in die Zeit schicken. Mein Freund, Ihr müßt gedenken, daß Ihr jetzt in Pegu und nicht in Ava seid. In Pegu, sage ich, wo Euer Glück und Unglück blühen kann. Zwar meine Tochter hat sich ziemlich weit vergangen, daß sie, als ein Frauenzimmer, ganz verkehrterweise ihre Liebe selbst verraten, und sich einem fremden Mannesbilde gleichsam angetragen: Allein die heftige Würkung der Liebe und die feste Hoffnung, zu Euch, daß Ihr dieses viel eher vor eine wahre Probe ungefärbter Huld als einige Leichtsinnigkeit erkennen werdet, entschuldiget sie und verspricht uns eine gewierige Erkenntlichkeit von Eurer Person.« – »Ich sehe meine Wohlfahrt blühen«, erwiderte mein Prinz, »wenn mich nicht ein teurer Eid, welchen ich meiner Geliebten in Ava getan, zurücke hielte.« – »Daß man«, versetzte Hassana, »Eide tut und Gelübde hält, ist ganz rühmlich, wenn es nur in unserm Vermögen stehet, solche zu halten. Allein die Liebe läßt sich weder durch Eid noch Gesetze binden. Und wo sonst ein jeder bemühet leben soll, Treu und Glauben zu halten, so ist es ihm doch in Liebessachen erlaubet, auch mit Eiden zu spielen.« – »Welcher [97] Aberglaube«, antwortete hierauf der Prinz, »hat Ihnen dies eingepflanzet, daß man im Lieben das Gewissen hintansetzen solle? Gewiß, wo das Garn der Liebe nicht aus reiner Unschuldsseide gesponnen wird, da fressen sich unfehlbar die Motten des Unglücks ein. Drum stellet man dieses Fallbrett nur vergebens auf.« Hierüber wurde die Alte ganz ungeduldig, wo nicht erzürnt, indem sie sich vernehmen ließ: »So achtet Ihr dieses vor ein Unglücke, wenn Euch diejenige, welche bereits viel Stürme der Liebe abgeschlagen, Ihrer Huld würdiget. Und da Euer jetziger Zustand es doch erfodert, daß Ihr Euch um beständige Freundschaft bewerbet, so dürft Ihr noch eine entfernte Ungewißheit gegenwärtiger Schönheit vorziehen: Pfui, schämet Euch solcher Undankbarkeit! Besinnet Euch demnach in kurzem eines bessern, oder wisset, daß verschmähete Liebe Haß und Tod im Köcher führe.« Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer, und ließ ihre Pflegetochter ganz allein bei dem Prinzen. Hier suchte nun Lorangy alle möglichste Liebesreizungen hervor, welche nur ein Frauenzimmer angenehm und ein Mannsherze empfindlich machen können: die Augen schienen gleichsam als gebrochen, und die ungemeine Röte ihrer Wangen verriet den starken Brand ihrer Seelen, welcher in dem Geblüte steckte und die sichtbaren Adern auf Stirn und Brust in die Höhe triebe. Die Armen zitterten, und die Knie senkten sich zur Erden, auf welchen sie des Prinzen Hand faßte, und ihn durch diese bewegliche Rede ganz aus sich selbst setzte: »Ach allerschönster und ohne Zweifel von den Göttern mir zugewidmeter Engel! Wie lange soll doch die verlassene Lorangy den Frühling ihrer Jahre mit Seufzen zubringen? Wenn wird mir doch die längst gewünschte Ruhe durch deine Gegengunst gewähret werden? Es ist ja unmöglich, daß den Tempel dieser Schönheit ein steinerner Abgott besitzen könne! Den Marmel bezwinget der Regen, und der Diamant wird durch solches schlechtes Blut erweichet; dein Herze aber will sich einem Ambosse vergleichen, welcher sich nur durch Schläge verhärtet: je mehr nun mein Herze klopfet, je eiserner wirst du. Ach unglückselige Lorangy! so muß dich dein eigen Feuer verzehren. Ich brenne, ach, ich brenne! und wo du, mein Augentrost, mir keine Rettung widerfahren läßt, so muß ich das Land der Toten betreten. Mein Herze schwitzet Blut, und meine Augen sind nasse Zeugen, daß Lorangy ohne Gegenliebe sterben müsse. Schau doch, du Abgott meines Herzens, [98] wie mich die milden Götter auch nicht sogar aller Liebe unwürdig gemacht haben. Sind gleich meine Augen keine Sonne zu nennen, so lassen sie sich dodi noch wohl denen Sternen vergleichen. Meine zwar blasse Wangen zeugen eine gemäßigte Glut an, welche durch kein fremdes Öl soll genähret werden. Die Lippen werden durch öfters Küssen den Scharlach übertreffen, und meine Haare haben wohl eher verliebte Seelen gefesselt; ja diese Brust bezeuget, daß die Götter meinen Leib zu keinem wilden Manne versehen haben. Willst du nun den reinen Trieb der Natur hemmen? Wie, willst du deine Augen von mir wenden? Lasse mich doch das Ziel deines Anschauens sein, schaue doch, wie mein Herze kochet, und meine Seele nach dem Labsal lechzet, welches aus deiner Anmut quillt. Ich will dir, mein Engel, die Hände unterlegen, ja meine Seele soll sich dir aufopfern. Ich wünsche, daß noch hundert Herzen in mir wären, so sollten sie alle in Liebe gegen dich zerrinnen und sich in deine Seele einflößen. Ach willst du mich durch Schweigen betrüben, unempfindliche Seele? Die toten Felsen antworten ja denen Fragenden durch ein Echo, und du willst mich Trostlose keiner Antwort würdigen.« Der Prinz lag hierüber fast wie entzückt, und wußte sich aus solcher Verwirrung ganz nicht zu finden. Einesteils wunderte er sich über ihre ungemeine Heftigkeit der Liebe, welche sie zu dieser Kühnheit veranlassete, ihre Gedanken so ungescheut zu offenbaren, und mit verliebten Gebärden vorzutragen, als ob sie längst bei der Liebe wäre in die Schule gegangen. Andernteils fühlte er einiges Mitleiden, und wünschte ihr auf solche Art geholfen zu sein, womit ihr gedienet, und sein Gewissen nicht beflecket, vielweniger sein hoher Stand benachteiliget werden möchte. Wie sie nun nach eigener Erinnerung nicht so gar ungestalt war, daß nicht ein leichter Vogel an diesem Leime hätte können kleben bleiben, zumal sich ihr eine ungewöhnliche Anmut beigesellte, so war sich über unsers Prinzen ungemeine Tugend um so vielmehr zu verwundern, daß er sich so klüglich bezwingen konnte, nicht allzu verliebt anstellen und auch ihr nicht alle Hoffnung benehmen wollte. Derohalben er ihr denn einen freundlichen Blick und diese Antwort erteilte: »Werteste Lorangy, ich bin der Liebe nicht würdig, womit Ihr mir unverdient zugetan seid, und erblicket hieraus nicht ungefähr einige Schickung der Götter: weswegen ich denn törlich handelte, wenn ich diesem allzuheftig widerstreben [99] wollte, zumal ich nicht leugnen kann, daß sich durch Eure Anmut hin und wieder einige Funken der Gegenliebe in mir entzündet haben, welche gewiß zu ihrer Vollkommenheit gelangen möchten, wo es anders der Götter Wille ist, so man nur solche Liebesglut durch das Öl der Vorsicht, ich will nicht sagen, Vollziehung keuscher Liebe treulich unterhält. Denn ich sichere, daß ich Eurethalben eine solche Schönheit verlassen müßte, welche sich mit der Euren gar leicht in einen Wettstreit einlassen könnte. Diese nun hintan zu setzen und Eure Liebe zu erfüllen, erfodert Klugheit, damit nicht vor der Zeit solches in Ava kund, und wir an unserer Liebe verhindert würden. So ist denn vor allen Dingen nötig, daß vor itzo auch der geringste Verdacht, welchen unsere einsame Zusammenkunft nicht unbillig erwecken kann, vermieden werde. Dannenhero erwartet der Zeit, meidet mein Zimmer, liebet in der Stille, und versichert Euch, daß den Schluß des Himmels nichts zu hintertreiben vermöge.« – »Ach armselige Lorangy«, antwortete sie darauf mit tränenden Augen und ringenden Händen, »so hast du das Todesurteil aus dem Munde desjenigen vernehmen müssen, von dem du das Leben gehoffet hast. Wehe mir, ich bin verloren! Ach ich kenne allzuwohl den Verzug kaltsinniger Herzen, welche die Zeit zum Mantel ihres Hasses gebrauchen, zumal jedweder Verzug denen Verliebten eine Höllenpein ist. Man weiß ja der Liebe Macht, wie sie tausend Mittel habe, ihr Recht zu beschleunigen; hingegen, wo ihr nicht geraten wird, so ist sie auch fähig, unsern Geist zu verkürzen.« Diese auf Verzweiflung zielenden Worte preßten unserm Prinzen einen Angstschweiß nach dem andern aus. Endlich fand er sich doch gezwungen, ihr Begehren etwas genauer zu untersuchen und zu sagen: »Liebste Lorangy! Ihr werdet hieraus ein sattsames Zeugnüs meiner Liebe gegen Euch verspüren, wenn ich billige Vorsorge vor Eure Ehre trage und mich befürchte, so jemand uns alleine antreffe, es möchte Euch nicht wenig Nachteil bringen. Und weil mir Euer Begehren noch nicht allerdings bekannt ist, auch in so kurzer Zeit mich nicht darauf werde entschließen können, so entdecket mir Euren Vorschlag in aller Kürze, und erwartet alsdenn in einigen Tagen mein reiferes Bedenken hierüber, welches gewiß zu Eurer Vergnügung ausschlagen soll.« – »Es ist zu spät«, antwortete Lorangy hierauf, »an einigen Aufschub zu gedenken, wo nicht zugleich mein Leben mit der Sonne untergehen soll. Denn sehet meinen festen[100] Vorsatz, sollte ich ja unglücklich in meiner Liebe sein, so soll dieses Messer meine Brust durchgraben, und die Rache soll mit meinem Blute angeschrieben werden. Heget Ihr aber einen Blutstropfen in Euch, welcher mich Eurem Vorgeben nach etwas liebet, und gehet Euer Vorwand, wegen einiges Verdachts unserer offenen Zusammenkunft von Herzen, so beschwere ich Euch bei allen Göttern, daß Ihr mir erlaubet, heinte noch bei nächtlicher Zeit, wenn alles in der Ruhe liegt, Euch durch Hülfe des Hauptschlüssels zu besuchen, und den letzten Spruch meines Lebens oder Todes von Euren Lippen zu holen.« Niemals war der Prinz in größern Ängsten gewesen, zudem ihr nunmehro statt der Liebe die Verzweifelung aus den Augen sahe. Dannenhero mußte er sich in dieser Not zu etwas entschließen und zu ihr sagen: »Sehet, beständige Lorangy, daß Ihr kein Mißtrauen in mich setzen dürfet, so will ich morgen zur Nacht Eurer in diesem Zimmer erwarten, weil diese Nacht Talemon bei mir zu bleiben versprochen; allein Ihr müsset mir angeloben, ohne Licht zu erscheinen, nicht viel zu reden und Euch, so viel als möglich, stille zu verhalten, damit nicht jemand sotane verdächtige Zusammenkunft merken möge.« Wodurch die verzweifelte Lorangy ganz wieder zu sich selbst kam, alles getreulich zu halten versprach, und mit einem Kusse, welchen der Prinz unmöglich verwehren konnte, endlichen Abschied nahm. Nach ihrem Abtritt stellte sich Scandor ein, und erwiese durch sein mattes Wesen, daß er noch nicht allerdings ausgeschlafen hätte, weswegen ihm denn der Prinz einigen Verweis gab. Er aber wendete zu seiner Entschuldigung vor, daß er die überflüssigen Feuchtigkeiten, welche er im Flusse eingeschlucket, noch nicht verdauen könnte, welche ihm denn öfters den Kopf so beschwerten, daß er notwendig schlafen müßte, wollte er anders bei unverrückter Vernunft bleiben. Nach wenig Stunden stellte sich Abaxar versprochenermaßen gleichfalls wieder ein, mit dem Bericht, daß sich der Kaiser in ein nahe bei Pegu gelegenes Holz auf die Jagd begeben, und ihn fernerer Aufwartung überhoben hätte. Als sich nun auch nachgehends Talemon und Ponedro einfunden, ersuchte der begierige Abaxar den Prinzen ganz freundlich, seinem Bedienten anzubefehlen, daß er doch die angenehme Lebensbegebenheiten des Prinzen von Ava fortsetzen, und durch dessen Erzählung sein Gemüte vergnügen möchte; weil er ein sonderliches Verlangen den Anfang der Liebe zwischen dem Prinzen und der Banisen zu [101] vernehmen trüge. Ob nun zwar solches dem Prinzen schwer vorkam, solchen Erinnerungen, welche ihm nichts anders als ein trauriges Andenken verursachen konnten, beizuwohnen: dennoch wollte er dem Abaxar, als einer vermutlich hohen Person nicht gerne entfallen, sondern befahl dem Scandor, seinem Begehren nachzuleben, und alles, was ihm wissend wäre, zu erzählen. Demnach setzte er sich abermals etwas abseits und erzählte die

Lieb- und Lebensgeschichte Prinz Balacins und der Prinzessin Banisen
Lieb- und Lebensgeschichte Prinz Balacins und der Prinzessin Banisen.

Wir sind gestern bei dem traurigen Abschiede des Prinzen von seiner geliebten Fräulein Schwester, der Prinzessin Higvanama geblieben: Nun wenden wir uns zu unserer Zurüstung und Abreise von Ava. Mein Prinz, als welcher meiner Treue und Herzhaftigkeit sattsam versichert war, erwählte mich aus sonderbaren Gnaden vor allen andern zu seiner Bedienung und zugleich nur fünf wohlgesetzte Klepper zur Reise, nebst zwei Reitknechten, welche er alle wohl ausrüstete, sich aber ließ er ein kostbar indianisch Kleid verfertigen, welches ich hernach bei Erzählung von dessen Gebrauch beschreiben will. Das vornehmste Bedenken bei unserer Reise, war die Frage, wohin? Und ob ich gleich meinem Prinzen fast alle Winkel der Welt her erzählte, so war ihm doch kein Ort gelegen, in welchem er sattsames Vergnügen zu haben vermeinte. Seine meiste Begierde stund dahin, sich in Kriegsdienste einzulassen; es war aber damals in Asien eine solche friedsame Zeit, daß ein Soldate gar nicht fortkommen kunnte. Und unsertwegen wollte auch niemand einen Krieg anfangen. »Wollten die Götter!« hub der Prinz an, »der unruhige Chaumigrem ließe sich in einigen Krieg mit seinen Nachbarn ein, so hätte ich erwünschte Gelegenheit, die an meinem Herrn Vater begangene Zauberei zu rächen.« Was aber nun anzufangen? Hierauf gaben mir sonder Zweifel die Götter in Sinn, dem zweifelhaften Prinzen folgenden guten Rat zu erteilen: »Gnädigster Herr«, sagte ich, »man soll zwar in allen Dingen die Vernunft fleißig zu Rate ziehen; allein wo diese nicht zulänglich ist, da ist wohl der beste Weg, den Rat der Götter anzuflehen. Wollen wir nun unsers Vorhabens gewiß sein, so wäre meine unvorgreifliche Meinung, wir erwähleten uns einen gewissen Götzentempel in oder außer [102] Landes, verrichteten allda unsere Andacht, und erwarteten so denn eines göttlichen Ausspruchs, nach welchem wir am sichersten unsere Reise anstellen können.« Dieses Eingeben gefiel dem Prinzen sehr wohl, dannenhero wir morgenden Tages noch vor aufgehender Sonnen unsere Reise antraten, mit dem Vorsatz, uns gegen Mittag zu wenden und den ersten Tempel zu besuchen. Als wir nun nach dreitägiger Reise den wegen seines Götzentempels berühmten Grenzflecken Pandior erlanget hatten, entschloß mein Prinz, hier zu verziehen, und den fernern Weg bei den Göttern zu erforschen. Ich mußte mich sofort nach dem obersten Talipon oder Priester begeben, dessen Behausung mir unfern des Tempels gewiesen wurde. Daselbst klopfte ich sachte an, erschrak aber über alle maßen, als die Tür nur durch bloßes Anrühren mit einem starken Knalle aufsprang, und ich eine düstere Stimme vernahm:


Ein Frommer darf die Schwelle überschreiten:
Wer unrein ist, entferne sich beizeiten.

Diese Worte machten mich so bestürzt, daß ich kürzlich mein ganzes Leben durchlief, ob ich mich einiger Todsünde schuldig wüßte. Jedennoch dachte ich, wo du nur von lauter Frommen willst besucht sein, so wirst du selten in menschliche Gesellschaft kommen dürfen. Ich sahe nichts als lauter Finsternis in dem Hause, bis ich endlich von fernen ein Licht schimmern sahe; da befahl ich mich den Göttern, ginge getrost hinein, und führte mich ein langer Gang zu einem Zimmer, welches offen stund, und von dreien angezündeten Lampen erleuchtet wurde. Als ich in dieses hintrat, sahe ich mir einen langen Mann entgegenkommen, welcher weder auf dem Kopfe noch im Angesichte einiges Härlein hatte, sondern ganz kahl beschoren war, und kleidete ihn ein langer, mit roter Erde gefärbter Rock, dessen Ärmel auf die Füße hingen. Diesen hielte ich nun nicht unbillig vor den rechten Priester, derowegen ich mich einiger Andacht anmaßete, und mich ganz demütig vor ihm niederwarf, bis er mich anredete: »Du, der du unsere Gottheit ehrest, entdecke ungescheut dein Anliegen.« Worüber ich mir alsobald ein Herze fassete, und ihm antwortete: »Du großer Talipon der unsterblichen Gottheit, laß es dir gefallen, daß einige verirrete Fremdlinge aus fernen Landen durch deinen Mund den rechten Weg und Zweck ihres Vorhabens erfahren mögen: Hievor soll den Göttern [103] so Andacht als Opfer gewähret werden.« Hierüber fing er überlaut an zu lachen, daß ich nicht wußte, wie ich mich dabei verhalten sollte. Endlich richtete er mich auf, und fertigte mich mit diesen Worten ab: »Gehe hin mein Sohn, und entdecke deinem Herrn, dem Prinzen Balacin von Ava, daß er törlich handele, wo er sich vor der allwissenden Gottheit verbergen wolle. Vermelde ihm ferner, daß, wie wir hier die Gottheit des Apalita 9, als einen mächtigen Beistand der Reisenden verehren, also würde um so viel eher sein Verlangen erfüllet werden. Inmittelst soll er mäßig und nüchtern um Mitternacht nur selbander erscheinen und sich auf Gebet und Opfer gefaßt machen.« Ich wußte nicht, wie mir geschahe, als ich den Prinzen nennen hörte, und furchte mich nicht wenig, er möchte auch meine Gedanken erraten; denn ich gedachte, das hat dir wohl der Teufel gesagt. Hier säumte ich nicht lange, sondern verfügte mich alsbald zu dem Prinzen, welcher durch diese Nachricht nicht wenig erfreuet wurde und kaum die Mitternacht erwarten kunnte. Als nun das helle Mondenlicht mitten am Himmel stund, und sich jedwedere Seele zur Ruhe begeben hatte, verfügte sich der Prinz in aller Stille nach der Varelle oder Tempel Apalitä. Dieses war nun von außen ein steinern Gebäude, wie ein Turm gebauet, auf dessen Spitze ein küpferner Apfel ruhete: Sonst schiene sie auswendig gleichsam auf Blätterart vergüldet, und mit Eisenwerk wohl versehen. Indem wir dieses betrachteten, kam der Talipon, welcher die Varelle eröffnete, und uns mit gebührender Andacht hineinzutreten befahl. Als wir hineingetreten, war es anfangs stockfinster darinnen, es wurde aber der ganze Tempel durch ein verborgenes Feuer gleichsam im Augenblicke dermaßen erhellet, daß wir nicht wußten, wie uns geschach. Dieser Tempel nun war inwendig rund und ganz vergüldet, daß auch der Widerschein des Lichtes unsere Augen blendete. Gegen den Aufgang stund ein erhabener Altar, auf diesem aber der Gott Apalita, in der Größe und Gestalt eines Menschen, von purem Golde, welcher auf dem Haupte mit einer Krone und vielen Edelgesteinen häufig gezieret war. An der Stirne saß ihm ein Rubin, so groß als eine Pflaume, und zu beiden Seiten hingen sehr schöne Saphire. Um den Leib, von der linken Schulter an bis zu der linken Hüfte, war er mit einem güldenen, und mit vielen Edelgesteinen besetzten Gehenke umgeben. Vor dieser prächtigen [104] Gottheit fielen wir andächtig nieder, und verrichteten unser Gebet, bis der Priester den Prinzen aufforderte, ihn zum Opfer er mahnete, und bei dem Arme einige Stufen hinauf zum Altar begleitete. Daselbst legte der Prinz mit tiefer Ehrerbietung eines von den kostbaren Kleinodien, welches ihm die Prinzessin Higvanama mitgegeben, auf den Altar: Worüber sich das ganze Bild heftig erschütterte, und zugleich eine lichte Flamme aus dem Altar hervorschluge, welches der Priester vor ein gnädiges Wohlgefallen ausdeutete. Hierauf führte er den Prinzen dreimal um den Altar und nach diesem zu einem an der Seite des Altars stehenden Bette, in welches er ihn legte, er selbst aber fiel vor dem Altar nieder, und verrichtete mit vielen Murmeln und wunderlichen Gebärden seine Andacht. Indessen mußte ich kniende verharren, welches mich sehr sauer ankam. Als nun der Talipon sein Gebet verrichtet hatte, langete er unter dem Altar eine Schachtel hervor, und färbete daraus des Prinzen Angesichte, wodurch er so verstellet war, daß nicht nur die Farbe, sondern auch sogar die Gesichtslinien verändert schienen, und ich ihn nicht zu erkennen vermochte. Nach diesem gab er ihm eine Wurzel in den Mund, von welcher der Prinz ganz unempfindlich ward, und in einen tiefen Schlaf fiel. Hernach legte er einen weißen Zettul auf den Altar, erlaubte mir aufzustehen, und mich auf den Fuß des Altars zu setzen. Nach welchem der Priester gleichsam als tot darniederfiel, und ohne einzige Bewegung liegenblieb. Hier begunnten mir die Haare zu Berge zu stehen, und ein kalter Schauer überlief meinen ganzen Leib, denn zudem, daß mein Prinz feste schlief, der Priester aber tot zu sein schiene, verwandelte sich auch vorerwähntes Licht in eine solche Finsternis, daß ich nichts als eine kleine blaue Flamme auf dem Altar hin und her fahren sahe. Was mir damals vor wunderliche Gedanken einkamen, würde mir schwerfallen zu erzählen. Denn weil ich diesem Gottesdienste niemals beigewohnet, hielte ich alles vor Zauberei, und trug nur Sorge vor meinen Prinzen, welchen ich gerne aufgewecket hätte, wenn mich nicht des Priesters Verbot, daß ich mich nicht von der Stelle rücken sollte, hiervon abgehalten hätte. Als nun diese furchtsame Stille, meinem Bedünken nach, mehr als eine Stunde gewähret hatte, erschreckte mich aufs heftigste ein starker Knall, als ob es ein Donnerschlag wäre. Worauf es in der ganzen Varelle wieder so helle als zuvor ward. Der Abgott schütterte sich abermal, daß die [105] Erde unter mir zu beben schiene, und zugleich richtete sich der Priester auf, welcher sich nach dem Prinzen verfügte, ihn durch bloßes Anrühren aufweckte, und beiden ein Stillschweigen auferlegte. Ich schwere, daß ich damals nicht wußte, ob es der Prinz war, so hatte ihn der Talipon verstellet. Als er ihn aber mit einigen Blättern wieder abriebe, ersahe ich mit Freuden die vorige Gestalt meines Herrns. Hierauf nahm der Priester den Zettul vom Altar, legte ihn zusammen, und übergab ihm denselben nebenst zwei Schachteln und diesen Worten: »Die gnädige Gottheit hat deine Andacht und reichliches Opfer angesehen: so gehe denn hin in Frieden. Dieser Zettul, welchen du bei untergehendem Monden lesen sollst, wird dir Weg und Steg zeigen und dir offenbaren, was du zu wissen verlangest. Die zwei Schachteln aber händigen dir zugleich durch mich die milden Götter ein, aus deren einer du dich verbergen, aus der andern aber wiederkommen kannst. Solche bewahre aufs beste, denn es kommt die Zeit, da du durch Verstellung Liebe und Reich zu erhalten suchen möchtest.« Darauf fielen wir nochmals nieder, und verfügten uns alsdenn eilende nach unserer Behausung. Was nun hierbei das verdrießlichste war, so durften wir vor Untergange des Monden kein Wort gegeneinander reden, wiewohl ich in des Prinzen Gesichte einiges Vergnügen und sehnliches Verlangen ersahe, ich aber kunnte nichts als brummen, bis endlich gegen den Morgen der Mond gute Nacht gab: Da denn der Prinz zum ersten das Stillschweigen brach: »O ihr Götter!« hub er an, »ist es euer Ernst, oder beliebet euch so mit uns sterblichen Menschen zu scherzen? Ich weiß nicht, ob ihr durch Verstörung meiner Ruhe meinen Vorwitz bestrafen, oder meine Andacht belohnen wollet. Denn, ach Himmel! was vor eine überirdische Schönheit hat sich denen Gemütsaugen im Schlafe vorgestellet: Ihr bloßes Anschauen hat mich entgeistert, und das Andenken setzet meine Seele in empfindlichste Flammen. Ach getreuester Scandor, wo dieses nur ein bloßer Traum ohne erfüllende Bedeutung gewesen ist, so gestehe ich gar gerne, daß ich keinen Augenblick länger zu leben, sondern nur in das schöne Niba aufgenommen zu werden begehre, allwo sich außer allem Zweifel diese göttergleiche Schönheit aufhalten muß, und ich nur durch stetes Anschauen mich zu vergnügen wünsche.« – »Gnädigster Herr«, redete ich hier ein, »Träume sind Schatten, und ein kluger Geist achtet ihre Anmut nichts, wie auch ihr [106] Schrecken keine Furcht in uns erwecken soll.« – »Ach schweig, unverständiger Scandor«, verwies mir der Prinz, »ein anders ist eine Phantasie, welche aus einem besorgten Herzen ihren Ursprung nimmt, und die Geister verführet; ein anders ist hingegen eine göttliche Offenbarung. Denn diese vorgestellte Anmut hat mir im Schlafe etwas mehrers eingepräget, als daß ich sie wachende so bald vergessen sollte. Ja ich schwere, dieses Bild soll mir nimmermehr aus meinem Herzen gerissen werden. Ich will alle Ecken der Welt durchreisen, und die Schönheit suchen. Bin ich hierinnen unglücklich, so will ich sie doch im Himmel antreffen.« Als ich des Prinzen starke Einbildung merkete, erkannte ich meinen Fehler, daß man solchen Herrn nicht allzu sehr Widerpart halten soll: Derowegen ich ihm endlich Beifall gab, und nur erinnerte, den Ausspruch der Gottheit aus dem Zettul zu ersehen, vielleicht ließ sich erwünschte Nachricht hiervon finden. Diesem zufolge nahm er den Zettul mit begierigen Händen hervor, und las daraus die mit güldenen Buchstaben gesetzte Schrift:


Zeuch hin, betrübter Prinz, dir winket Pegu zu,
Errette deinen Feind aus seines Feindes Händen:
Es wird ein fremdes Bild so Aug als Liebe blenden:
Doch endlich findet man die eingebildte Ruh.
Schau! Dein Vergnügen liegt in Schrecken, Furcht und Ketten:
Drei Kronen müssen erst die vierte Krone retten.
Das Opfer krönet dich als einen Talipu.

»O wundervolles Geheimnis!« rief der Prinz: »Aus diesen Worten blühet meine Hoffnung, daß ich meine Schönheit in Pegu finden werde. Auf, auf, Scandor! laß uns fort eilen, denn die Götter weisen uns selbst den Weg zu unserem Glücke.« Allein dieses wollte mir nicht in Kopf, daß, da ich die ganze Nacht gewachet, und in Furcht und Sorgen zugebracht hatte, ich so ungeruhet mich auf das Pferd werfen, und dem in einen Schatten verliebten Prinzen folgen sollte. Derowegen ich mich entschuldigte und bat, nur ein paar Stunden auszuruhen, und also denn die Reise anzutreten, welches auch endlich beliebet ward. Als uns nun das aufgehende Sonnenlicht erinnerte, unsere Reise zu bewerkstelligen, war der Prinz der erste, welcher sein Lager verließ, und die Pferde fertigzumachen befahl. Wir begaben uns ingesamt auf die Reise, und mußten uns wohl in acht nehmen, weil wir ein ziemlich [107] Teil des Reichs Brama, worinnen Chaumigrem als König regierte, durchreisen mußten, ehe wir die Grenzen von Pegu erreichen kunnten. Wie uns nun auf dieser vierzehentägigen Reise nichts Sonderliches begegnete, welches ich einiger Erzählung würdig achte, also wurden wir nicht wenig erfreuet, da wir von einer kleinen Höhe die prächtige Stadt Pegu erblickten. Und solches war auch höchst vonnöten, daß sich die Reise endigte, weil unsere Pferde die Begierde unsers verliebten Prinzen sattsam empfunden, indem sie abgemattet waren, daß sie sich fast mit uns zur Ruhe legen wollten. Als wir etwan tausend Schritte fortgeritten waren, verloren wir Pegu aus unserm Gesichte, und gelangten in das bekannte Tigerholz, welches lustige Wäldlein öfters die Könige von Pegu auf die Jagd locket. Wir hatten solches kaum erreichet, so vernahmen wir von fernen ein starkes Schreien und zugleich ein Getümmel, als ob ein harter Streit vorginge. Wie nun meines Prinzen Tapferkeit bisweilen auf einen Vorwitz hinauslief; also wendete er sich gleich ungeachtet meines Widerratens nach dem Schalle dieses Getümmels, da wir denn nach kurzer Zeit einen ungleichen Kampf zu Gesichte bekamen. Denn es hatten sich drei indianische Ritter zu Fuße an einen dicken Baum, um ihren Rücken in Sicherheit zu haben, gelehnet, vor ihnen lagen über zwanzig Leichen und tote Pferde, welche ihnen noch zur Brustwehre wider funfzehen verwegene Räuber zu Pferde dienen mußten. Es schiene, als ob es in kurzer Zeit mit diesem Kampfe zu Ende laufen möchte, wo denen drei bedrängten Rittern nicht eilende Hülfe widerführe, maßen sie nicht allein verwundet, sondern auch weit übermannet waren. Mein Prinz hielte sich alsobald verpflichtet, denen Notleidenden beizuspringen, dahero er in Eil abpacken und sich die auf alle Fälle mitgenommene Sturmhaube reichen ließ. Wie er nun jederzeit unter seinem langen Rocke mit einem leichten Brustharnische verwahret war; also hing er an den linken Arm seinen Schild, und in die rechte Faust nahm er eine scharfe Lanze, welche er jederzeit mit sich führen ließ, uns andern aber befahl er abzusteigen, die Pferde anzubinden, und mit unserm Gewehr getrost zu folgen. »Halt, ihr verwegene Räuber«, schrie sie der Prinz noch von weitem an, »ist das rittermäßig gefochten, wenn die Menge ihrer Gewalt mißbraucht?« Auf diese Worte kamen als im Blitz ihrer drei auf den Prinzen angerannt, und weil sie nur bloße Säbel in der Hand führten, [108] so faßte der Prinz mit der Lanzen den einen so wohl, daß er im Augenblick hinter dem Pferde lage, und sich im Sande krümmte. Weil aber die andern beide herzueilten, und der Prinz nicht Platz hatte, wegen Müdigkeit des Pferdes sich mit der Lanze zu wenden, mußte er sie fahren lassen, und den Säbel ergreifen. Was hier vorerwähnte Sturmhaube vor Dienste leistete, wiese die tief eingehauene Narbe in dem Stahl sattsam aus. Ich lief alsobald nach dem gefälleten Räuber, zog ihm die Lanze aus dem Leibe, und bemühte mich so lange, bis ich noch einen von meines Prinzen Bestreitern herunterlangte, welchem ich denn unter dem rechten Arm so wohl einfuhr, daß das Eisen oben am Halse auf der linken Achsel wieder ausging, und er sich gleich seinem Kameraden im Sande zu Tode sturbe. Indessen wurde der Prinz mit dem dritten durch einen Säbelstoß auch fertig, daß er die Lanze wieder zur Hand nehmen, und nach dem rechten Kampfplatze eilen konnte, allwo sich bereits die Zahl der wenigen vermindert hatte, indem gleich einer zu Boden fiel, als mein Prinz dessen Tod durch einen grausamen Lanzenstoß rächete, und sich mitten unter diesen feindseligen Haufen einmengete. Weil nun dessen Pferd von einer so fernen Reise sehr müde war, und darzu eine tiefe Halswunde empfangen hatte; als war es hohe Zeit, daß ich mit unsern beiden Dienern herzu eilete. Diese waren nun auch in keiner übeln Schule gewesen, und konnten mit ihren Wurfspießen dermaßen wohl zurechte kommen, daß nicht allein der Prinz, welcher mit dem Pferde stürzte, glücklich errettet, sondern auch ihrer drei mit dem Leben bezahlen mußten. Indessen hatten sich die beiden Ritter am Baume, von welchem sich der Streit abgezogen, in etwas erholet, wiewohl das Blut an etlichen Orten hervorrieselte, und fingen dessen ungeachtet nach äußerstem Vermögen wiederum an, uns beizustehen. Weil wir ihnen nun an der Zahl fast gleich waren, an Tapferkeit aber sie weit übertrafen, so muß ich zwar bekennen, daß die Räuber ganz verzweifelt fochten, und durch ihre Wut sattsam bezeigeten, wieviel ihnen an dem Tode der beiden Ritter gelegen war. Nachdem aber einer nach dem andern herunterstürzte, so nahmen endlich die übrigen fünfe die Flucht, welche zu verfolgen die Pferde zu matt, und unsere Kräfte zu schwach waren. Sobald nun dieser gefährliche Kampf geendiget und man vor allen fernern feindlichen Anfällen gesichert war, sank einer von den zwei überbliebenen [109] Rittern wegen heftiger Verwundung in Ohnmacht, der andere aber, aus welchem man wegen seines majestätischen Ansehens, kostbaren Kleidung, und den mit Smaragden reichlich versetzten Säbel etwas Vornehmes schließen kunnte, fiel auf seine Knie, und dankte den Göttern vor diese wunderbare Errettung, inzwischen daß wir den in Ohnmacht gesunkenen wieder in etwas ermuntert, und so viel möglich zurechte gebracht hatten. Hierauf trat itzt ermeldter Ritter zu meinen Prinzen, und umfing ihn mit höchst anständigen Gebärden und diesen Worten: »Nächst denen Göttern so danke ich auch Euch, tapferer Fremdling, daß Ihr Euch durch die verborgene Hand der Gottheit so willig zu einem kräftigen Werkzeuge meiner Errettung habet wollen gebrauchen lassen. Eurer Tapferkeit bin ich mein Leben schuldig, und außer Euerer Hülfe hätte ich ohne Zweifel ein Todesopfer dieser Verräter werden müssen. So entdecket mir demnach Euer Suchen in diesem Lande, weil ich doch an Euerer Kleidung sehe, daß Euch Pegu nicht gezeuget habe, saget mir kühnlich, womit Euch kann gedienet werden, es soll alles geschehen, was Eure Vergnügung erfüllen kann.« Mein Prinz begegnete ihm mit nicht minderer Höflichkeit, und antwortete: »Tapferer Ritter, es würde einiger Beistand unvonnöten gewesen sein, wenn nicht öfters die Tugend der Menge weichen müßte. Und weil mich denn die gütigen Götter zu so erwünschter Gelegenheit hergeführet, so ist ihre Gnade um so viel größer, als mein Verdienst desto geringer. Wo ja aber meine wenige Hülfe in einige Betrachtung gezogen wird, so bitte ich nichts mehr, als mich in beharrliche Gewogenheit einzuschließen, mich an dem Kaiserlichen Hofe in Pegu bekannt zu machen, und zu entdecken, wenn meine schwache Faust zu Diensten gestanden habe?« – »Dieses alles«, erwiderte jener, »ist viel zu wenig, Eure treue Dienste, die Ihr in Beschützung meines Lebens angewendet habet, nur in etwas zu belohnen: doch den Anfang einiger Dankbarkeit durch Willfahrung Eurer geringen Bitte zu machen, so wisset, daß Ihr eine solche Heldentat verrichtet habet, wovor Euch der Kaiserliche Hof auf ewig verbunden ist. Wisset demnach, daß als der Kaiser öfterer Gewohnheit nach, diesen Wald als ein Liebhaber der Jagd durchstrichen, und zwar nur in weniger Gesellschaft von acht Personen, welche hier gestreckt liegen, und als treue Leute ihr Leben vor ihren König aufgesetzet haben, sich etliche zwanzig verwegene Räuber unterstehen [110] dürfen, den Kaiser samt seinen Leuten verräterischerweise zu überfallen, und sich äußerst zu bemühen, durch den Tod des Xemindo ihren verdammten Zweck zu erreichen. Wie aber die Götter ihre Hand meist über die Gekrönten haben, also habet Ihr durch Eure Mannheit den Kaiser von Pegu in meiner Person vom Tode errettet, und ihn aufs neue geboren. Damit ich nun meine Dankbarkeit nach Würden könne spüren lassen, so entdecket mir gleichfalls Euren Namen und Zustand; ich schwere bei der Krone dieses Reichs, Eure itzt verübte Tat soll Euch mit einem Königreiche belohnet werden.« Wie wir über diesen Bericht teils erschreckt, teils erfreuet wurden, ist leicht zu erachten, und bildete sich mein Prinz damals feste ein, der Götter Ausspruch wollte hier bereits den Anfang seiner Erfüllung machen, in welcher sie so fortfahren würden, bis er die Braut und das Glücke in Armen hätte, indem wir von der Prinzessin von Pegu vor längst viel gehöret hatten. Allein wie schlecht diese Meinung eingetroffen, solches müssen wir noch anitzo mit Tränen beklagen. Doch wieder auf voriges zu kommen, so warf sich der Prinz nebst uns, als er vernahm, daß es der Kaiser selbst wäre, alsobald ehrerbietigst zu dessen Füßen und antwortete: »Großmächtigster Kaiser und Herr, ich bitte demütigst, unsere Unwissenheit vor eine gnungsame Entschuldigung gelten zu lassen, daß wir nicht sofort unsern alleruntertänigsten Respekt besser in acht genommen haben: inmittelst sehe ich, daß dieses ein bloßes Werk der Götter sei, wenn meine geringschätzige Hand den größten Monarchen der Welt vom Tod und Verräterei errettet hat. Ich begehre dennoch nichts als bloß die hohe Kaiserliche Gnade. Und wie mich E.M. in der Person Pantoja, eines Sohnes des Erbfürsten in Tannassery und Vasallen des Königs in Siam, wissen sollen; also versichere seeleninnigst, daß ich es mir vor das größte Glücke in der Welt rechnen würde, wenn ich vor Dero hohe Wohlfahrt mein Leben aufopfern sollte.« – »So sind wir Bundsgenossen«, erwiderte der König, »und bin Euch mit desto größerer Gnade gewogen, weil aber fernerer Überfall zu besorgen sein möchte, so lasset uns diesen unglücklichen Ort verlassen, und in bessere Sicherheit begeben.« Indem nun des Kaisers Pferde bei diesem Kampfe alle geblieben waren, so befahl er uns, unsere Pferde herbeizubringen, wovon er dem Kaiser mit höflichen Worten eines anbot, und sich auf das andere setzte, deme wir zu Fuße nachfolgten. Ehe die [111] Diener aber diesen Befehl verrichteten, sahe mein Prinz, daß sich noch einer von den Räubern regte, weil nun der Kaiser noch selbst nicht wußte, wo diese Verräterei herrührete, so verfügte er sich zu demselben, und kehrete ihn um, setzte ihn auch die Lanze an die Brust, und stellete sich, als wollte er ihn vollend hinrichten. Herz und Haupt aber war noch frisch, derowegen hub er unvermutet an zu reden: »Haltet inne«, rufte er, »und höret zuerst mein letztes Bekenntnis mit geneigten Ohren an, weil doch nicht eher meine Seele diesen Körper verlassen kann, sie habe denn zuvor entdecket, was vor ein Befehl mich in dies Unglücke gestürzet habe.« Auf diese Worte eilte der Kaiser ganz begierig herbei, und redete ihn selber an: »So sage denn, du boshaftiger Räuber, welch Mordbefehl hat dich zu dieser Verwegenheit angetrieben? Verschweige ja nichts, denn außer diesem soll dein Leben bis zu grausamster Marter verschonet werden, welches annoch einige Gnade zu hoffen hat.« Der Räuber entsetzte sich heftig über den harten Anspruch des Kaisers, und brach in diese Klage heraus: »Ach wehe mir! Verflucht sei die Stunde, da ich mich zu diesem Morde verleiten lassen. Ich bitte E.M. um aller Götter willen, diese unverantwortliche Beleidigung einer sterbenden Seelen zu verzeihen. Ich und diese meine Mitgesellen, deren die meisten ihren allzu gelinden Lohn empfangen, sind geborne Bramaner, und durch Befehl unsers grausamen Chaumigrems, welcher jedem hundert Bizen 10 Goldes zu geben versprochen, darzu veranlasset worden, daß wir I.M. als Deren öftere und einsame Besuchung dieses Waldes verkundschaftet war, hier verwarten, und um das Leben bringen sollten. Wie ich nun hierüber eine herzliche Reue trage, also sterbe ich nun vergnügt, nachdem ich diesen bösen Anschlag rückgängig und E.M. noch am Leben schaue.« Nach welcher Bekenntnis ihm der Prinz die Lanze durchs Herze stieß, wiewohl es der König lieber gesehen, daß man durch sein Leben ein mehrers aus ihm gebracht hätte. Dieses Schelmstücke des Chaumigrems verursachte nun eine gemeine Verwunderung und Fluch, und wir eileten ohne ferneres Säumen nach Pegu: da uns denn, sobald wir den Wald auf den Rücken hatten, bei zweitausend Mann entgegenkamen, weil bereits einiges Gerüchte in der Stadt erschollen, als ob der Kaiser in Gefahr wäre. Hiedurch waren [112] wir in volle Sicherheit gesetzet, und zogen unter tausend frohlockenden Zurufen der Peguaner in die Stadt ein, woselbst alsobald auf hohen Befehl meinem Prinzen ein schöner Palast nächst dem Schlosse eingeräumet ward, welchen wir auch sofort bezogen, und darinnen einen ungemeinen Überfluß an kostbaren Hausrat und aller Bequemlichkeit antrafen. Noch selbten Abend ward eine Leibwacht von fünfzig Mann vor unsere Türe gestellet, welche in zwei Reihen sich längsthin auf die Erden setzten, und ihre Rüstung vor sich auf Stangen hingen. Ingleichen erschienen zwölf königliche Bediente in langen weißen Röcken mit göldnen Binden, welche königlichen Befehl hatten, unsern Prinzen zu bedienen. An Speise und Trank fehlte es auch nicht, und lebten wir in so erwünschtem Zustande, daß wir es ewig begehrten. Folgenden Morgen übersendete der Kaiser unserm Prinzen zehn schöne Pferde, so gut sie nach hiesiger Landesart unter den besten kunnten ausgelesen werden, nebst zweien großen und wohl geputzten Elefanten, um, wie er zugleich vermelden ließ, den geringsten Verlust des Pferdes in etwas zu ersetzen. Diesen waren zugleich gnungsame Wärter und Futter beigefüget, welche der König als leibeigen mitgab. Das beste aber, welches ein Kämmerling überbrachte, waren tausend Bizen güldene Münze, daß sich also der Prinz sehr wohl und standesmäßig aufführen konnte. Inmittelst verlangte der Prinz sehr nach Hofe, wohin aber ohne kaiserlichen Befehl niemand kommen durfte, und mußte in diesem Verlangen auch mein Prinz drei Tage verharren, nach deren Verfließung ihm endlich angedeutet ward, der Kaiser verlange ihn zu sehen. Da wir denn nicht säumten, sondern uns alsofort in das Schloß begaben, und weil mich der Prinz vor einen vornehmen Edelmann aus Tannassery ausgegeben hatte, so durfte ich bei solcher Gelegenheit allenthalben gegenwärtig sein. Als wir unter die fördersten Bogen des Eingangs gelanget waren, hörten wir zwölf silberne Trompeten blasen, welches ein Zeichen war, daß es nunmehr dem Kaiser gelegen sei, Verhör zu erteilen. Derowegen wir uns in den inneren Hof verfügten, und einige Stufen nach dem hohen Saal geführet worden. Dieser Ort war ziemlich weit und hoch, über die Maßen schön vergoldet, und himmelblau gemalet. Er saß auf einem mit Edelgesteinen versetzten Throne, sein Haupt ward von einer vierfachen Krone bedecket, eine jede Krone aber ruhete auf besonderen Stänglein, und stellte [113] dannenhero eine ziemliche Höhe vor. Auf der rechten Hand saß der Erbprinz Xemin, und auf der linken stunden einige hohe Bedienten, worunter auch gegenwärtiger Herr Talemon als damaliger Reichs-Schatzmeister war. Als wir nach Gebrauch mit dreimaligem Fußfall unsere Ehrerbietung verrichtet, rufte der Kaiser meinen Prinz zu sich, reichte ihm die Hand zum Kusse, und befahl ihm, auf die oberste Staffel des Thrones zu sitzen, worauf er eine weitläuftige Rede an die sämtliche Anwesenden hielt, meines Prinzen Tapferkeit gewaltig herausstrich, und ihnen allerseits zu Gemüte führete, was vor Dank man ihm schuldig wäre: Nach kurzer Antwort aber meines Prinzens erhub sich der Kaiser von dem Thron, nahm den Prinzen bei der Hand, und führte ihn in ein geheimes Zimmer, welchen niemand als Prinz Xemin folgen durfte. Hier hatte ihn nun der Kaiser, wie mir der Prinz hernach alles ausführlich erzählte, abermals mit beweglichen Worten angeredet: »Mein wertster Pantoja, ich weiß es nicht allein, sondern habe es auch sattsam erfahren, wie verbindlich Ihr Euch gemacht habet: ja ich weiß es mehr als wohl, daß die Dankbarkeit der Tugend beste Zierde sei, und wo diese den Szepter führet, da könne nichts als Segen und Wohlfahrt blühen. Daß nun diese Tugend den Ruhm eines gekrönten Hauptes um ein großes vermehre, solches will ich allerdings an Euch erfüllet wissen.« Nach welcher Rede er an eine Türe geklopfet hatte, aus welcher sofort eine schöne Prinzessin, von unterschiedenen Frauenzimmer begleitet, gekommen war, welche der Kaiser bei der Hand genommen, und dem Prinzen mit diesen Worten zugeführet hatte: »Hier nehmet, tapferer Fürst, dieses Kleinod unseres Hofes, von meiner Hand, als ein hohes Zeugnis wahrer Dankbarkeit: und wie das Königreich Cambaya Tannassery um ein großes übertrifft, so nehmet es mit dieser Prinzessin zu einem Heiratgut an; jedoch daß Ihr unserm Reiche einverleibet und getreu verbleiben möget. Der Himmel segne Euch, und die Götter verleihen, daß durch beiderseitige Erkenntlichkeit ein stetes Wohlergehen blühe.« Mein Prinz hatte hier nicht gewußt, ob ihm abermals träumte, oder ob es in der Wahrheit so geschehe, und weil er sich nicht alsobald fassen können, hat er sich auf die Knie gesetzet, und geantwortet: »Es ist zu viel, Großmächtigster Kaiser und Herr, es ist zu viel, daß diese Schuldigkeit, wozu mich meine Pflicht und der Götter Vorsehung getrieben hat, zugleich mit einer Krone [114] und einer so schönen Prinzessin, meinesteils unwürdigst, soll belohnet werden. Und weil ich nicht geschickt bin, mich bei solcher Eil in ein so großes Glücke zu finden; als bitte ich E.M. in Untertänigkeit, mir einige Tage Frist zu erlauben, worinnen ich mich besser fassen, und dieses hohe Gnadengeschenke mit gebührender Erkenntlichkeit annehmen könne.« – »So einen hohen Dienst Ihr mir erwiesen«, waren des Kaisers Gegenworte gewesen, »so einen großen Gefallen werdet Ihr mir auch erzeigen, wenn Ihr diese meine dankbare Gnade alsofort gebührend erkennet, und von meiner Hand annehmet.« Worauf sich mein Prinz nicht ferner zu widersprechen getrauet, dannenhero er, nicht wissende, wie ihm geschähe, sich der Prinzessin genähert, ihre Hand geküsset, und sie kurz angeredet: »So nehme ich dann dieses hohe Glücke von der Hand eines so großen Monarchens mit Freuden an, und wie ich nicht zweifele, es werde Dero Schönheit sich dem Kaiserlichen Willen gleichförmig erzeigen, also befehle ich mich in Dero Gunst und E.M. Gnade«, welche Worte sie mit nichts als einigen Tränen beantwortet, und auf des Xemindo Befehl ihn mit ihrem Bildnis beschenket hatte, Prinz Xemin aber hatte das Zimmer gar verlassen. Mittages mußten wir bei der Tafel bleiben, wobei sich auch Prinz Zarang von Tangu befand, welcher sich eine geraume Zeit an diesem Hofe aufgehalten, dessen Ursache bei folgender Erzählung soll erwähnet werden. Als ich nun in oberwähntem Verhörsaal eine geraume Zeit aufgewartet, sahe ich endlich meinen Prinzen mit ganz verwirreten Gesichte wieder in den Saal treten, welches mich denn nicht wenig verwunderte, vielmehr aber betrübte. Wir wurden aber bald hierauf in ein ander Zimmer geführet, in welchem die Tafel, in etwas von der Erden erhöhet, gedecket war, und befand sich Xemin und vorerwähnter Zarang, Prinz von Tangu, darinnen. Dieser letztere stellete sich sehr freundlich gegen meinen Prinzen an, wünschete ihm Glücke, sowohl wegen der Errettung, als auch der reichlichen Belohnung. So angenehm sich aber Zarang zutat, so murrisch stellete sich hingegen Xemin, also, daß er auch meinen Prinzen nicht einigen Wortes würdigte, sondern seine Verachtung merklich bezeigete. Worein wir uns ganz nicht zu finden wußten, und meinte ich nicht anders, er zürnete, daß man seinen Herrn Vater errettet, und ihm die Hoffnung zur Krone geraubet hätte. In solche Verwirrung wurde ich noch tiefer gestürzet, als der [115] Kaiser vorige Prinzessin bei der Hand ins Zimmer begleitete, und sie meinem Prinzen zuführete. Welches mich vollends in tiefste Verwunderung setzte, weil ich noch nicht wußte, was vorgegangen war. Der Prinz sahe bestürzt aus, sie aber verriet ihr Mißvergnügen durch häufige Zähren, bis wir endlich nach morgenländischer Art auf kostbare Teppichte uns zur Tafel niedersetzten, wobei ich gleichfalls meinen Rang unten an beobachtete. Dieses war nun eine seltsame Mahlzeit, wobei mehr Gemütsbewegungen als Speisen zu sehen waren: wiewohl auch an diesen ein sattsamer Überfluß vorhanden. Der Kaiser sahe stets meinen Prinzen und die Prinzessin, welche beieinander saßen, mit bekümmerten Augen an, mein Herr saß voller betrübten Gedanken, die Prinzessin vergoß mehr Tränen, als sie Speise zu sich nahm, und Xemin, welcher der Prinzessin gegenüber saß, gab sein sonderbares Anliegen durch stetes Seufzen zu erkennen. Ja wenn nicht Zarang, welcher am vergnügtesten zu sein schien, ein und das andere Mal meinen Prinzen aufzumuntern gesucht hätte, so wäre alles in solcher Stille zugegangen, weder bei so einer vornehmen Gesellschaft nicht zu vermuten gewesen. Ich hingegen, als aller Dinge unwissende, sahe diesem Schauspiel voller Verwunderung zu, und hat mich der Weg von Pandior bis nach Pegu nicht so verlanget, als ich damals das Ende der Mahlzeit wünschte, um meinen Prinzen bald alleine zu sprechen, in Hoffnung, er würde mir diesen Zweifelsknoten auflösen. Sobald nun die Tafel aufgehoben, schützte mein Prinz einige Unpäßlichkeit vor, und verfügte sich ohne einige Weitläuftigkeit nach seinem Palast. Sobald er das Zimmer betreten, warf er Säbel und Rock von sich, und ging eine geraume Zeit voller Gedanken auf und ab, daß ich mich also nicht erkühnen durfte, ihn durch einiges begieriges Nachfragen zu beunruhigen, bis er endlich von sich selbst anfing zu reden: »O ihr betrüglichen Götter«, hub er an zu klagen, »ist dieses die vorgestellte Schönheit, die Ihr nur im Traume zu zeigen, nicht aber im Leben darzustellen vermöget. Ist dieses die schöne Tochter des Königs Xemindo, von dero überirdischen Schönheit das Gerüchte fast ganz Asien begierig gemacht hat, sie zu sehen? O so darf sich meine Schwester vor beglückt achten, daß sie dieser gar gerne den Lorbeer aus der Hand reißet. Hättet Ihr nicht meinen Geist durch eine träumende Schönheit verunruhiget, so hätte ich einfältig geliebet, und mich glückselig geachtet, daß ich so bald eine Braut mit [116] einem Königreich überkäme: ja ich hätte nicht gewußt, worin die wahre Schönheit bestünde. Allein, nachdem es mir unmöglich fällt, das in dem Tempel zu Pandior erschienene Bild aus meinem Herzen zu reißen, so ist es mir auch unmöglich, etwas anders zu lieben, was nicht jene vollkommene Gleichheit meinen Augen vorstellet. Auf derowegen, mein Scandor, hier ist nicht länger Zeit zu warten, weil der Götter Rat auf was anders zielen muß, welches zu suchen und anzutreffen, mein Geist nicht eher, denn in dem Grabe, ruhen wird.« Dieses war mir nun eine ganz unangenehme Zeitung, indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht zu verbessern wußte. Derowegen forschete ich erst, was in dem innern Zimmer vorgegangen war, wornach ich denn mein Einreden richtete. »Gnädigster Herr«, sagte ich, »wie können Sie sich den Schatten eines Traums so feste einbilden? Vielleicht haben die Götter durch die träumende Schönheit, welche dieser Prinzessin abgehet, das anhangende Heiratsgut, als das Königreich Cambaya, bedeuten wollen: angesehen eine Krone in aller Menschen Augen das schönste Gesichte wegsticht. Denn jene ist beständig und mächtig genung, sich selbst zu erhalten, diese aber kann durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zudem muß ich doch auch gestehen, daß diese Prinzessin, meiner Einfalt nach, noch wohl liebenswürdig sei.« – »Ach«, antwortete der betrübte Prinz, welcher sich indessen auf das Bette geworfen hatte, »sie ist nur ein Schatten gegen jenem Traume. Denn wie jener alabasterne Stirne durch die lichten Locken um ein großes erhaben ward: also mißfallen mir an dieser nicht wenig die rötlich scheinenden Haare, welche nicht selten einen bösen Sinn verraten. Und wie jenes Angesichte durch eine runde Gestalt seine anmutige Vollkommenheit darstellete, also überschreitet dieses durch einige Länge die Grenzen der Schönheit. Ihre Augen sind zwar mehr schwarz als blau, jedoch sind sie nur wie ausgelöschte Kohlen, bei denen sich kein Schwefel der Liebe entzünden kann. Ihre Lippen sind zwar Korallen, doch ohne Magnet, und ihre Wangen ein mit Rosen allzu häufig überstreutes Feld. In summa, es mißfället mir etwas an ihr, welches ich selber nicht verstehe noch sagen kann. Ihre Freundlichkeit ist mir zuwider, und ihr Schönstes kommt mir verdrießlich vor, ob ich sie gleich nur kurze Zeit betrachten können. Weswegen ich denn lieber alle Kronen entbehren, ja sterben, ehe ich mir das Heiratsband zu einer Sklavenkette machen will.« Diesem [117] kräftigen Einwurfe und festem Vorsatze befand ich mich damals zu schwach, gnugsam zu widerstehen: Dahero es mir sehr gelegen war, als sich der General Rangustan, und gegenwärtiger Herr Talemon, damaliger Reichs-Schatzmeister, anmeldeten, welche der Prinz alsobald vor sich ließ. Dieser Rangustan war nun eben derjenige Ritter, welchem wir nebst dem Xemindo das Leben erhalten hatten, dahero er noch den Arm in einer Binde tragen mußte, und sich an unterschiedenen Fleischwunden nicht allerdings wohlauf befand. Dieser legte bald anfangs eine Danksagung vor erwähnte Lebensrettung ab, und erhub abermals meines Prinzen Tapferkeit bis an den Himmel, daß ihm auch endlich der Prinz hierinnen Einhalt tun mußte. Der Herr Talemon aber besuchte uns amtshalber, indem ihm unsere Verpflegung von dem Kaiser anbefohlen war. Und weil er bei währender Aufwartung über der Mahlzeit die sonderbare Verwirrung meines Prinzen gleichfalls bemerket hatte, so ware er begierig, dessen Ursache zu vernehmen, welches ihm aber der Prinz nicht eher entdeckte, bis Rangustan nach Hofe erfordert und Talemon also bei uns allein gelassen wurde. Dieser kunnte sich nun nicht enthalten, alsobald den Prinzen anzureden: »Wie? nunmehro König von Cambaya, kann ein so mächtiges Königreich und so eine schöne Braut nicht mächtig genung sein, ein betrübtes Gemüte aufzurichten? Oder ist hieraus unsers großmächtigsten Kaisers Dankbarkeit noch nicht genug zu spüren?« Mein Prinz hörete diese verweisliche Frage mit geduldigen Ohren an, beantwortete sie aber dergestalt: »Mein Herr Schatzmeister, ich erkenne mich freilich dieser Prinzessin unwürdig, und hätte mich dessen nimmermehr versehen, daß ich durch meine geringe Dienste nicht sowohl einen königlichen Thron besteigen als auch eines so großen Monarchens Eidam werden sollte. Allein, saget mir von Grund Eures Herzens, ob mein Betrübnis zu tadeln sei, wenn ich keine Gegenliebe verspüre, und von dem Kronprinzen mit scheelen Augen angesehen werde? Wie nun solcher Liebeszwang nur jederzeit Wermut im Munde und Ekel im Herzen mit sich führen wird; also scheinen mir aus des Prinzen Gesichte lauter gefährliche Kometen, deren Bedeutung erst nach des Herrn Vaters Tode auf meinen Kopf fallen möchte.« Talemon verspürte des Prinzen Irrtum, jedoch wollte er sich nach Art kluger Hofeleute nicht allzu geschwinde bloß geben, sondern hub einen weitläufigen Diskurs [118] von der Landschaft Tannassery an, also, daß mein Prinz genung zu tun hatte, gebührende Antwort zu geben. Denn weil er in seiner Jugend Siam durchreiset und sich auch einige Zeit an dem Hofe zu Tannassery aufgehalten hatte, so wußte er mehr zu fragen, als mein Prinz zu antworten. Ja als Talemon fortfuhre, nach der Stammlinie der tannasserischen Regenten zu forschen, gab mir der Prinz einen Wink, diesen Diskurs zu unterbrechen. Ich saß selber wie ein Feuer, und wußte in der Angst nichts zu sagen, als daß ich fragte: Ob der Herr Schatzmeister auch eine feine Gemahlin hätte? »Wie kommt dem Herrn diese Frage im Sinn?« antwortete er lächelnde: »Ich will nicht hoffen, daß diese Frage einige Bedeutung nach sich ziehen werde.« Nach diesem verließ er mich, und wendete sich wieder zum Prinzen, welcher sich schlafende anstellte. Als er aber nach einer halben Stunde die Augen wieder aufschlug, verfolgte ihn Talemon mit dieser Rede: »Gnädigster Herr, Sie verzeihen meinen Vorwitz, welcher vielleicht zu Ihrem Besten angesehen ist. Ja ich sage, daß es Dero eigne Wohlfahrt erfordert, mich in die Zahl derer Vertrauten Diener aufzunehmen. Sie vermerken es demnach in hohen Gnaden, wenn ich zwar aus Deren angebornen Majastät eine hohe Person mutmaße: allein daß Sie ein Prinz aus Tannassery sein sollten, solches Dero Wissenschaft verneinen, und mir heimlichen Beifall geben lasse. Denn mir einig und allein an diesem Hofe ist bekannt, wie der letzte unglückliche Prinz Pantoja in Tannassery von seiner boshaften Stiefmutter mit Gift vergeben worden, in Meinung, ihrem sechsjährigen Sohne den Thron vorzubehalten, welcher aber nach zwei Jahren im Tode folgete, und also der ganze Stamm, bis auf den alten Vater, mit welchem auch die Hoffnung zu einigen Erben zu Grabe gehet, abgegangen ist. Dahero so unmöglich, als Sie nun ein Prinz von Tannassery sein können, so gewiß und unfehlbar schließe ich, daß Sie aus wichtigen Ursachen an diesem Hofe Ihren hohen Stand verdecken, und sich unbekannterweise aufhalten wollen. Wie nun solches bisweilen eine kluge Staatsvorsicht erfodert; also ist es zugleich hochnötig, sich ingeheim aufrichtige Freunde zu schaffen, welche aus Erfahrung in deren Angelegenheiten mit Rat und Tat dienen, und Ihre Anschläge ersprießlich befördern können. Wollen nun E.M. in meine wenige Person, welche bereits in königlichen Diensten zweiunddreißig Jahr getreu gewesen, einiges Vertrauen setzen, [119] so gelobe ich alle, jedoch meinem Kaiser unschädliche Treue und Aufrichtigkeit. Ja, ich beschwere bei allen Göttern, und verspreche an Eides statt, nicht allein Dero Stand in geheim zu halten, sondern auch E.M. in itzigem verwirrten Zustande dermaßen treulich beizustehen, und solche Geheimnisse zu entdecken, welche sie hochnotwendig wissen müssen, daß ich mich dessen lebenslang um E.M. werde zu erfreuen haben.« Hier fand sich nun der Prinz dermaßen betreten, daß er teils anfangs verstummte, teils auch sich über die Klugheit Talemons verwundern mußte, und indem er sein hohes Beteuren hörte, auch jederzeit eine sonderbare Zuneigung gegen diesen Mann in sich verspüret hatte, so brach er endlich in diese Worte heraus: »Weil ich mich denn durch Eure Klugheit verraten sehe, so traue ich Eurer Aufrichtigkeit. Wisset demnach, daß ich ein Kronprinz aus Ava bin, welchen die Grausamkeit des Vaters und die Bosheit des Bramanischen Königes Chaumigrens, welcher sich eine geraume Zeit an selbtem Hofe aufgehalten, gezwungen hat, sein Glücke durch Verstellung anderwärts zu suchen, und wie mir die Götter zu Pandior nach Pegu geraten und mir allda meine Vergnügung versprochen; so bin ich nicht wenig bestürzt, wenn ich deren Ausspruch auf widrige Art erfüllet sehe. Denn Ihr sollt ferner wissen, nunmehro vertrauter Talemon, daß ich mein Vergnügen nicht in Land und Leuten suche, als welches mir die Götter nach meines Vaters Tode an dem mächtigen Königreiche Ava sattsam stillen werden: sondern es haben mir die Götter in dem Tempel Pandior eine Schönheit im Traum vorgestellet, und mich solche zu suchen angereizet, daß ich mir nicht getraue, länger diese Zeitlichkeit zu genießen, wo nicht eine Gleichheit dieses nächtlichen Gesichtes sich von mir finden läßt.« – »Großmächtigster Prinz«, antwortete Talemon hierauf ehrerbietigst, »ich erkenne Ihren Irrtum, und merke Ihr Mißvergnügen: so haben Sie sich denn die Hälfte geraten, indem Sie mir den wahren Zustand Ihrer hohen Person entdecket. Die Prinzessin nun, womit unser Kaiser seine Dankbarkeit zu bezeigen vermeinet hat, ist nicht dessen Tochter, wie der Prinz in den irrsamen Gedanken stehet, sondern eine Prinzessin von Saavady, welches Land als ein Lehnreich von Pegu verwichener Jahre der Tyrann von Brama, als des Chaumigrems Bruder, mit tausenddreihundert Schiffen zu Wasser belagert, eingenommen, den König gefangen, und diese Prinzessin verjaget, wel che sodann ihre [120] Zuflucht zu unserm Hofe genommen, und sich einige Zeit als eine Gespielin der durchlauchtigsten Banisen, Erbprinzessin von Pegu, hier aufgehalten hat.« Diesen Bericht hörte mein Prinz mit aufmerksamen Ohren an, und wurde begierig, durch vieles Fragen alle Umstände zu wissen. »So ist dieses nicht die schöne Prinzessin von Pegu, von welcher ganz Asien zu sagen weiß?« – »Nein, diese ist es nicht«, antwortete Talemon, »ja hier unter der Rose, sie ist nicht ein Schatten gegen jenem Lichte zu rechnen: und weil sie sich gar selten sehen lässet, außer wenn es der Kaiser ihr Herr Vater befiehlet; so hat es auch heute gefehlet, daß sie nicht bei der Tafel erschienen.« Hier mußte nun Talemon ihre ganze Gestalt beschreiben, welches den Prinzen in solche vergnügte Verwunderung setzte, daß er überlaut ausrief: »O ihr gütigen Götter, vergebet mir das in Euch gesetzte Mißtrauen, welches die Ungeduld, als aller Verliebten stete Begleiterin, in mir verursachet hat. Diese, ach ja diese Schönheit ist es, an welcher ihr Eure Bildungskunst erweisen, und mit Eurem Meisterstücke gegen mich prangen wollen. Wie artig wisset Ihr Eure Worte zu erfüllen? ›Es wird ein fremdes Bild so Aug als Liebe blenden‹, lautete der verdeckte Ausspruch, ach so lasset doch auch das folgende seine glückliche Erfüllung erreichen, wenn ihr versprechet, ich sollte endlich die Ruhe finden. Allein«, fuhr er fort den Talemon zu fragen, »wie daß sich denn der Prinz Xemin so widersinnisch anstellet, wie wird denn derselbe durch mich beleidiget?« – »Hierunter stecket«, antwortete Talemon, »ein sonderbares Geheimnis. Denn erwähnter Prinz hat sich in die Prinzessin von Saavady unsterblich verliebet, und gehet mit dem festen Vorsatz schwanger, sie dermaleins auf den Thron von Pegu neben sich zu setzen, welchem aber der Wille des Herrn Vaters durchaus nicht beipflichtet, weil sie vors erste eine Vasallin von Pegu ist, vors andere, sich Pegu mit Siam durch eine Heirat des Prinzens mit der Prinzessin Fylane verbinden soll. Dieses gedenket nun der Kaiser klüglich hintertrieben zu haben, wenn er die Prinzessin von Saavady anderwärts vermählet, und dem Sohne alle Hoffnung, sie zu erlangen, raubet.« – »Wie?« fragte mein Prinz, »sollte sie wohl so törlich handeln, und den Thron von Pegu ausschlagen? Warum stellet sie sich denn so betrübt an, da sie weder mich noch den Verlust des Prinzen von Pegu beweinet?« – »Die Gemüter der Menschen«, erwiderte Talemon, »sind unterschiedlich,[121] indem manches die Liebe Krön und Thron vorzeucht. Und dieses tut fast die Prinzessin von Saavady, indem sie sich vergnügter einbildet, den geringen Thron von Tangu zu besitzen, weil die Person des Prinzen Zarang ihre Augen und Herz dermaßen eingenommen, daß sich auch die ganze Welt vergebens bemühen würde, sie von dieser Liebe abzuziehen. Wiewohl ihre Unempfindlichkeit gegen dem Xemin sattsam gerochen wird, indem sie gleichfalls von dem Zarang keiner Gegenliebe gewürdiget wird.« – »Und was verhindert«, fragte mein Prinz ferner, »denn den Zarang an solcher Gegenliebe?« – »Die schöne Prinzessin von Pegu«, antwortete Talemon. Über welchen Worten mein Prinz dermaßen erschrak, daß er ganz aus sich selber zu sein schiene, und würde er eine neue Klage angestimmet haben, wenn nicht Talemon fortgefahren, und ihn getröstet hätte. »Er liebet sie heftig«, sagte er: »so unglücklich aber Prinz Xemin gegen die Prinzessin von Saavady, und hingegen diese gegen den Prinz Zarang ist; so unglücklich, ja weit unglücklicher ist Zarang gegen unsere Prinzessin Banise. Denn ob ihm gleich die Gnade und Gewogenheit unsers Kaisers nicht wenig zustatten kömmt, so ist doch ihr nicht sowohl seine Person als auch seine viele Untugenden, die er durch Hochmut, Ruhmrätigkeit, vieles Saufen und auch kundbare Unzucht öfters merken läßt, dermaßen zuwider, daß sie lieber eine Schlange als dessen Gegenwart erdulden kann: wiewohl sie der väterliche Befehl zwinget, sich von ihm bedienen zu lassen. Sie wendet zwar vor, weil Tangu auch ein Lehnreich von Pegu wäre, warum sie weniger als ihr Bruder Prinz Xemin, sollte geachtet sein, welchem die Liebe gegen die Prinzessin von Saavady deswegen untersaget würde, weil sie eine Vasallin wäre. Nun wäre ja Zarang auch ein Vasall: warum würde es ihr denn nicht erlaubet, sich dem Kaiserlichen Willen gleichfalls gemäß zu bezeigen? Allein der Kaiser schützet solche Staatsursachen vor, welche auf eine bloße Zuneigung gegen den Zarang auslaufen, daß auf solche Maße die arme Prinzessin nicht wenig gequälet wird. Und also haben Sie das ganze Rätsel unsers verliebten Hofes aufgelöset, nach welchem sich denn mein Prinz richten, und sich meiner wenigen, doch getreuen Dienste dabei versichern kann.« – »Ist das nicht ein verwirrtes Liebesspiel?« hub mein Prinz hierauf an, »da so viel Personen lieben, zugleich hassen, und doch keines vergnüget wird. Ja was verwunderlicher, so werde ich [122] auch in dieses Spiel mit eingeflochten: helfet derowegen, ihr gütigen Götter, daß ich in diesem Kampfe den besten Kranz davontrage! Inmittelst werdet Ihr, mein wertester Talemon, bedacht leben, alles, was vorgehet, mir genau zu hinterbringen. Ich versichere Euch völlige Gnade und reiche Belohnung.« Nach einigen Tagen ward uns von dem Kaiser Erlaubnis zugeschicket, unsere Vergnügung in dem kaiserlichen Lustgarten zu suchen, welches denn meinem Prinzen sehr angenehm war, weil er von dem Talemon berichtet ward, daß die Prinzessinnen denselben öfters besuchten. Dannenhero, als wir eines Tages verständiget worden, daß sich Xemindo mit denen Prinzessinnen im Garten befinden würde, legte mein Prinz einen von grünem Atlas mit Golde reichlich durchwürkten Rock an, setzte einen künstlich gewundenen Bund, an welchen einige Federn von dem Sinesischen Sonnenvogel durch ein kostbares Kleinod geheftet waren, auf sein Haupt: der rechten Brust hing er der Prinzessin von Saavady Bildnis an und seinen mit Diamanten reichlich versetzten Säbel vermittelst einer güldenen Ketten um den Leib, welches ihn dermaßen ansehnlich machte, daß es anders unmöglich war, ein Frauenzimmer mußte sich in ihm verlieben. Hierauf verfügeten wir uns nach dem Garten, welcher zur Seiten des Schlosses in drei Teile abgeteilet war. Die erste Abteilung stellete einen gewaltig schönen Baumgarten vor, welcher einem anmutigen Lustwalde nicht unähnlich war, in dessen Mitten gab es einen Teich, auf welchem Schwanen, Reiher und Enten herumschwammen. Die andere Abteilung bestund in einem Zier-und Lustgarten, in demselben war alles anzutreffen, was die Natur und Kunst hervorzubringen fähig war. Hier sprang ein künstliches Wasser, dort blühete ein rares Gewächse, und war alles in so verwunderliche Ordnung eingeteilet, daß ich nicht glaube, daß seinesgleichen in Asien mehr sei. Welches denn um so viel mehr zu bejammern, daß dieser herrliche und recht königliche Lustgarten sonder Zweifel bei verwichenen allgemeinen Landverderben wird zerstöret worden sein. Das dritte Teil dieses Gartens war mit einer hohen Mauer abgesondert, hinter welchem einige fremde Tiere aufbehalten wurden. Als wir nun den Baumgarten betreten, und dessen zierliche Pflanzung der Bäume betrachteten, indem immer eine Reihe Pomeranzen-, Liemonien-, Dattel- und Ölbäume, nebst andern fremden Gewächsen, wechselweise gesetzt waren, so [123] hörten wir zur Seiten eine Person singen, welche durch ihre beweg- und klägliche Stimme ihr heftiges Leiden sattsam zu erkennen gab, da wir bei Annäherung folgende Worte vernahmen:


1.
Gute Nacht, ihr harten Sinnen,
Gute Nacht, du Felsenherz.
Soll mein Hoffnungswachs zerrinnen?
Ist mein Lieben nur dein Scherz?
Ei so will ich dir beizeiten
Eine gute Nacht andeuten.
2.
Diamanten müssen springen,
Wenn sie schlechtes Bocksblut kühlt:
Und ein Tiger läßt sich zwingen,
Daß er mit dem Menschen spielt.
Hier muß Diamant und Tiger
Dich erkennen als Besieger.
3.
Stahl muß weichen, Gold muß fließen,
Wenn es nur die Glut beseelt:
Und durch öfteres Begießen
Wird der Stein gleich ausgehöhlt.
Aber du willst dich erweisen,
mehr zu sein als Stein und Eisen.
4.
Du verachtest meine Tränen,
Du verlachest meine Treu:
Ich darf niemals fast erwähnen,
Wie mein Geist entzündet sei.
Also können selbst die Zeiten
Nicht den harten Sinn bestreiten.
5.
Wider das Verhängnis leben,
Ist den Menschen nicht erlaubt:
Harte Eichen widerstreben,
Bis der Blitz die Härte raubt.
Darum hüte dich, du Schöne,
Daß die Reue dich nicht kröne.
[124] 6.
Zwar ich will dich gerne gönnen,
Dem, dem du dich zugedacht:
Wirst du dich verbessern können,
Sag ich willig gute Nacht!
Doch wenn es dich wird gereuen,
Wird der Himmel mich erfreuen.

Welche letztere Worte von einem tiefen Seufzer begleitet, und wir in sorgsames Nachdenken versetzet wurden: Wer doch immer solche Abschiedsgedanken hegete. Solches aber zu erfahren, und aufzupassen, hätte uns mögen vor einigen Vorwitz ausgedeutet, und als Fremden verübelt werden, dahero wir uns so fort zurücke und nach dem innern Garten begaben, und weil kurz hernach Prinz Xemin hinter uns folgete, so mutmaßten wir bald, daß er die betrübte Stimme müsse gewesen sein. Weswegen denn mein Prinz sagte: »Armseliger Prinz, ich meinesteils wünsche dir von Herzen die Vergnügung, welche du in Besitzung der Prinzessin von Saavady zu haben vermeinest, ich schwere dir, keinen Eintrag zu tun, sondern würde mich vielmehr beglückt und verpflichtet achten, wenn ich durch dich einer solchen verdrießlichen Liebe überhoben würde.« Unter diesen Reden gelangeten wir in den Lustgarten, worinnen unsere Augen so viel zu sehen vor uns fanden, daß wir vermeinten in ein irdisch Paradies zu kommen. Wir sahen niemand in dem Garten, mutmaßeten doch, daß sie sich wohl vor der Sonnenhitze in denen bedeckten Spaziergängen aufhalten würden. Als wir aber fast die Mitten, allwo ein herrliches Lusthaus stund, erreichet hatten, wurden wir die Prinzessin von Saavady hinter uns gewahr, welche wir im Vorbeigehen wegen vieler Aufmerksamkeit übersahen, und weil sich Prinz Xemin bereits bei ihr eingefunden, so wollte mein Prinz nicht erst wieder umkehren, sondern stellte sich an, als sähe er sie nicht, dahero wir uns je mehr und mehr unter die erhabenen Gewächse begaben, hinter welchen wir sie, sie aber nicht uns, bemerken kunnten. Hier sahe ich nun mit Lust, mein Prinz aber mit sonderbarem Mitleiden zu, wie sich der arme Xemin vergebens bemühte, ihre Gunst nur durch ein geringes Zeichen zu erlangen. Ihre Augen waren von ihm abgewandt, und ob er sie gleich stets mit Reden zu unterhalten schien, so erhielte er doch keine Antwort, sondern sie stellete sich, [125] als ob sie mehr Achtung auf die Blumen als seine Worte gäbe, dahero sie denn nur durch Singen ihre vertiefte Gedanken zu erkennen gab. Als sie sich aber uns näherten, verfügten wir uns weiter nach einem langen und offenen Spaziergang, welchen wir auszugehen erwählten. Wir hatten kaum zehn Schritte fortgesetzt, so erhub sich ein heftiges Geschrei hinter einem kleinen Rosengebüsche, in kurzem aber sahen wir zur Seiten den Kaiser und den Prinzen Zarang nebst unterschiedenen Frauenzimmer voller Schrecken und Angst laufen, daß wir also nicht wenig erschraken, indem wir keine Ursache solcher ängstlichen Flucht sahen oder wußten. Wir wollten gleichfalls umkehren, und dem Kaiser entgegeneilen, ihm auf allen Notfall beizustehen, siehe, o wunderliches Schicksal des Himmels! so lief uns die schönste Schönheit voller Angst und Schreien entgegen, weil sie ein grausames Panthertier, welches aus Nachlässigkeit des Tiergartners durch ein Gatter gerissen, und also in den Lustgarten kommen war, verfolgte. Mein Prinz wäre entzückt stehengeblieben, wenn ich ihn nicht eilend erinnert hätte, die Prinzessin in so augenscheinlicher Lebensgefahr zu retten. Worauf sich mein Prinz ermunterte, und ihr mit bloßem Säbel entgegeneilte. Wie er denn zu hoher Zeit ankam, indem das grimmige Tier bereits die Tatze hinten in ihren Rock eingeschlagen, und zur Erden zu reißen bemühet war. Der Prinz wußte in der Angst nicht, ob er hauen oder stechen sollte, derowegen er einen Stoß nach dem Tiere führete, welcher in ein Auge geriet, und ihm so heftig schmerzte, daß es die Prinzessin verließ, um diesen Stoß an meinem Prinzen zu rächen, und ihn so grausam anfiel, daß es ihn den Bund vom Kopfe riß. Ich lief demnach auch herbei, meinen Herrn zu retten, ehe ich aber herzukam, hatte er ihm bereits durch einen gewaltigen Hieb das Haupt gespalten, daß es tot zur Erden stürzte. Indessen lag die schöne Blume, die Prinzessin, sage ich, in dem Grase in einer tiefen Ohnmacht, dahero mein Prinz alsobald den blutigen Säbel wegwarf, und sich neben sie auf die Knie setzte, auch durch sanftes Schütteln sie zu ermuntern trachtete. Hier lag nun die Rose, welche alle Schönheit des Gartens übertraf, mein Prinz verwendete kein Auge von ihr, und sagte heimlich: »Dies ist der Götter Schönheit, die sie mir zu Pandior gewiesen.« Endlich hätte es nicht viel gemangelt, daß nicht der Prinz neben sie ins grüne Gras gesunken wäre, so sehr hatte ihn Liebe, Verwunder- [126] und Bestürzung eingenommen. Endlich eilte der Kaiser, Zarang und das Frauenzimmer ganz erschrocken herbei, und vermeinten nicht anders, weil der Schweiß des Panthers hin und wieder das Gras gefärbet, die Prinzessin sei bereits erwürget, und nur ihr Tod gerochen worden; dannenhero sich ein solches Zetergeschrei erhub, daß es weit erschallete. Xemindo fiel neben sie nieder, Prinz Zarang stund als ein Stock, Xemin und die Fr. v. Saavady kamen endlich auch dazu, mein Prinz saß unbeweglich, und hatte seine Augen an ihre Wangen geheftet, ja das Frauenzimmer beweinte sie als tot, und ich glaube, dieses unnötige Trauergeschrei hätte noch nicht seine Endschaft erreicht, wenn ich ihnen nicht den ganzen Verlauf berichtet hätte, wie die Prinzessin nur vom Erschrecknis in eine Ohnmacht geraten, und ganz unbeschädiget wäre, worauf sie sich allerseits wieder zu fassen begunnten. Der Kaiserliche Herr Vater hub sie mit tränenden Augen auf, und legte sie meinem Prinzen in die Schoß, welcher dahero noch entzückter und mehr einem Bilde als einem Menschen gleich wurde. Als sie nun mit köstlichem Balsam bestrichen, und durch frisches Wasser etwas erquicket war, schlug sie die holdseligen Augen auf, und wußte nicht, wo sie war. Endlich, als sie sich etwas mächtiger befand, richtete sie sich vollend auf, und setzte alle Anwesenden in eine ungemeine Freude. Prinz Zarang aber ließ seine Eifersucht aus den Augen blicken, da es ihm doch ebensowohl freigestanden, sich auf dergleichen Art um die Prinzessin verdient zu machen, wenn es seine furchtsame Tapferkeit zugelassen hätte. Nachdem es sich nun völlig mit der Prinzessin gebessert hatte, betrachteten sie insgesamt den grausamen Panther, welcher auch noch im Tode entsetzlich war, weswegen sich denn der Kaiser zu meinem Prinzen wendete, und ihn mit der freundlichsten Umarmung also anredete: »Allerwertester Pantoja, so haben Euch denn die Götter hergeschicket, mein Leben zu erhalten, und dieses mein liebstes Kind mir aufs neue wieder zu schenken? wodurch Ihr mich zu freier Bekenntnis zwinget, daß, ob mir zwar die Götter außer der Unsterblichkeit alles möglich zu machen, erlaubet, mir es dennoch an vollkommener Dankbarkeit ermangeln will, womit ich Euch diese unvergleichlichen Heldendienste sattsam belohnen könne. So nehmet denn von mir diesen Kuß, und von der Prinzessin Banise als ein Zeichen höchster Dankbegierigkeit an: ja weil ich nichts ersinnen kann, womit Pegu seine [127] Erkenntlichkeit könne dartun, so soll Euch eine freie Bitte erlaubet, und solche auch mit der Hälfte meiner Krone gewähret werden.« Nach diesem eröffnete die himmlische Banise ihre Rosenlippen, und sagte zu meinem Prinzen: »Tapferer Pantoja! ob ich mich zwar nicht wenig beschämt finde, daß ich einem fremden Mannsbilde in den Armen befunden worden, so wird doch solche Scham durch Euer hohes Verdienst gänzlich getilget, und wie ich Euch lebenslang vor meinen Erlöser halten werde, also habet Ihr Euch auch aller anständigen Gnade von mir zu versichern.« Diese Zuckerworte wurfen meinen Prinzen zu der Erden, daß er mit den verliebtesten Gebärden den Saum ihres Rockes küßte, und mit schwacher Stimme antwortete: »Großmächtigster Kaiser! Überirdische Prinzessin! Ich als ein geringes Werkzeug der Götter, bin viel zu unwürdig sotaner hohen Gnade, womit mich Dero hohe Freigebigkeit überschüttet. Ich habe getan, was meine Pflicht erfodert, und worzu mich der innerliche Trieb, in Dero Diensten zu sterben, anführet. Ich bitte nichts mehr als ein gnädiges Auge und freien Zutritt, so wird mir jeder zeit die Wohlfahrt dieses hohen Hauses auf meine Seele gebunden sein.« Worauf ihm die Prinzessin ihre Hand zum Kusse, als ein Zeichen hoher Gnade, darreichte, und nebst dem Kaiser den Garten verließ. Von dieser Stunde warf Zarang einen tödlichen, doch unverschuldeten Haß auf meinen Prinzen, und verlor sich bald hernach zugleich aus dem Garten. Prinz Xemin aber, nebst der Prinzessin von Saavady und dem andern Frauenzimmer, blieben zurücke, und wollten bei den Blumen ihre geängsteten Kräfte wieder erholen: als mein Prinz voller Gedanken sich nach einer Galerie begab, in welcher er seiner Liebe völlig den Zaum wollte schießen lassen, daher ich ihn denn nicht verstören, sondern allein lassen wollte. Ich ging indessen gleichfalls meinem Willen nach, und betrachtete das peguanische Frauenzimmer, welches mich zu sich rief, und mich in ihre beliebte Gesellschaft mit aufnahm. So angenehm mir nun dieses war, so verdrießlich hingegen fiel mir die Gaukelei, welche sie als Lustspiele zu ihrer Zeitvertreibung anfingen, und mich hierzu mit einschlossen, bis mich endlich eine von diesem Frauenzimmer erledigte. Diese, weil ich nicht übel gekleidet, auch noch sonst ansehnlich gnung war, hatte sich vielleicht vorgenommen, einen Fuchs der Liebe nach mir zu schießen, dannenhero sie mich bei der Hand ergriff, und unter dem Vorwand,[128] daß sie erwähnten Spielens auch überdrüssig sei, mich zu einem und andern Lustbrunnen führte. Währenden Gehens führte sie allerhand Reden gegen mich, welche aber alle auf eine Nachforschung wegen eigentlichen Zustandes meines Prinzen hinausliefen: als ich aber meinem Bedünken nach auf alle Fragen richtig geantwortet hatte, fragte sie zuletzt auch nach meiner Beschaffenheit. Hier zog ich nun mein großes Messer hervor, und schnitt solche Luftstreiche von meinem vornehmen Adel, stattlichem Vermögen und großer Gnade meines Prinzen, daß sich das Wasser in denen Springbrunnen hätte hemmen mögen. Sie hörte mit sonderbarer Vergnügung zu, und erzählte mir zugleich aus eigner Bewegnis ihren Zustand mit solchen reichen Umständen, daß fast alles mit dem meinigen übereintraf, und ich leicht merken kunnte, wie Speck und Butter zusammen kommen wären. Der Endzweck ihres Diskurses aber lief auf eine Liebe zwischen uns beiden hohen Personen hinaus; indem sie sich nicht scheute, zu sagen, wie sie den ersten Augenblick, als sie mich gesehen, eine Gelübde getan, mich ihrer Liebe würdig zu machen. Ob mir nun zwar nichts weniger in Sinn gekommen war, als daß ich eine solche häßliche Schönheit lieben sollte: so dauchte es mich doch sehr ersprießlich vor meinen Prinzen zu sein, wenn ich mich mit jemand von seiner geliebten Prinzessin Frauenzimmer bekannt machte. Denn, sie nicht zu lieben, war dieses die Ursache, daß es zu beklagen ist, wenn die verliebtesten Herzen öfters mit den häßlichsten Angesichtern begabet sein. Sie war endlich dem Wachstum nach gut gnung: allein wie ihr Gesichte vermittelst breiter überhangender Stirne und spitzigen Kinnes einen rechten Triangel machte; also war sie so unvergleichlich mager, daß ich vermeinet hätte, es wäre unmöglich, daß sie vom Fleisch und Blut einige Anfechtung haben sollte. Ja ihr Angesichte hätte einen Maler zu Vollkommenheit seiner Kunst verhelfen können, angesehen er die Vertiefungen aus denen Gruben ihrer gedörrten Wangen, die Schattierung aber aus ihren Farben, da sich Gelbe in Schwarzbraun verlor, sattsam lernen können. Durch Beschreibung des übrigen will ich meinen hochgeehrten Zuhörern keinen Ekel erwecken. Das beste an ihr war, daß sie bei der Prinzessin Banise sehr wohl gelitten und in sonderbaren Gnaden stund. Welches mich denn auch veranlaßte, sie meiner Gegenliebe zu versichern, wodurch sie mir eines und anders von ihrer Prinzessin entdeckte, [129] und zwar, wie sie so sehr mit der verdrießlichen Liebe des Zarangs geplaget würde, nach deren Erlösung sie täglich seufzete. Nach diesen Unterredungen sahen wir uns nach unsern Höhern um, da wir denn niemanden als den Prinzen Xemin voller Gedanken bemerkten, von welchem sich die Prinzessin von Saavady verloren hatte: endlich kam auch mein Prinz wieder hervor, welcher auf den Xemin zuging. Ich verließ meine neue Liebe, und wendete mich nach meinem Herrn, welchen ich den Prinz Xemin also anreden hörte: »Wie so betrübt? gnädigster Herr, ist dieser schöne Garten nicht so fähig, Ihre Gedanken zu befriedigen?« Worauf aber Xemin ein höhnisches und zugleich saures Gesichte machte, auch diese unanständige Gegenantwort erteilte: »Es ist vor einen Fremdling zu viel, sich um unsere Gedanken zu bekümmern.« Ob nun zwar mein Prinz solcher Antwort nicht sonders gewohnt war, so wußte er sich doch klüglich in die Zeit zu schicken, dahero er denn ganz glimpflich versetzte: »Wenn aber sotaner Kummer aus ergebenstem Gemüte und wohlmeinender Aufrichtigkeit seinen Ursprung nimmt, so kann solcher nicht verübelt werden.« Worauf ihm der Prinz den Rücken zukehren, und nur mit dieser kurzen Antwort: »Verunruhiget uns nicht ferner, und schweiget«, abfertigen wollte. Dieses empfand aber mein Prinz nicht wenig, wendete sich ihm nach, und redete ihn ferner an: »Ich weiß nicht, mein Prinz, wie ich so gar unverdient in Dessen Ungnade geraten bin? Wie mir nun solche ganz unerträglich fällt, also bitte gehorsamst, so einige Verleumdung mich angegeben, mir solches in Gnaden zu offenbaren, und alsdenn meine gerechte Verteidigung gütigst anzuhören.« – »Keine Verleumdung«, erwiderte Xemin, »sondern Ihr selbst reizet mich zu diesem Zorne, denn Ihr sollt wissen, daß solange die Prinzessin von Saavady in Eurem Herzen und auf der Brust hänget, ich mich äußerst bemühen werde, Euren Untergang zu befördern. Wollet Ihr nun meiner Gewogenheit teilhaftig sein, so verbannet diese Prinzessin aus Eurem Herzen, und gebet mir das Bildnis, welches Euch der Kaiser, mein Herr Vater, gegeben hat, wieder, so sollet Ihr Euch alsdenn über mich zu beschweren keine Ursach haben.« Hier sahe mein Prinz die Worte des Talemons erfüllet, daß Xemin von dieser Saavaderin gefesselt sei: weil er aber zuvor aus seinem Singen verstanden, als wenn er selbst diese Liebe verlassen wollte, so hätte er sich [130] nimmermehr eingebildet, daß dessen Gunst noch so feste an ihr kleben sollte. Mein Prinz antwortete demnach: »Ob ich zwar nicht sagen will, daß ich die Prinzessin von Saavady aus meinem Herzen verbannen wollte: so befinde ich es meiner Ehre doch nicht vor ratsam, das Bildnis, welches mir von der Hand eines so großen Kaisers anvertrauet worden, schlechterdings hinzugeben: bitte dannenhero, meinen Gehorsam auf andere Art zu probieren.« – »Ich rate«, antwortete Xemin dräuende, »daß Ihr mein Begehren ohne ferneres Weigern erfüllet, widrigen Falles wird Euch die Schärfe meines Säbels bessern Gehorsam lehren.« Hierdurch ward nun das Band der Geduld bei meinem Prinzen fast zerrissen: jedoch wollte er es noch mit Worten versuchen, ob er den Xemin auf an dere Gedanken bringen möchte, indem er sich befurchte, sowohl den Kaiser als die Prinzessin höchst zu beleidigen, so er sich einiger Tätlichkeit wider diesen Prinzen unterfinge, dannenhero sagte er: »Prinz von Pegu, erinnert Euch Eures Standes, und lasset Euch die Liebe zu keiner unanständigen Tat verleiten: denn Ihr sollt wissen, daß Ihr eine Person vor Euch habet, welche Euch an hohem Stande, weniger am Herzen, ein Haar breit weichet. Sehet hier ist das Bildnis«, welches er zugleich von der Brust nahm, »welches zwar mit keiner sonderlichen Andacht von mir verehret wird: solange aber ein warmer Blutstropfen in mir schwebet, soll es mir durch keine Gewalt entfremdet werden. Denn ein edles Gemüte und tapfere Faust läßt sich nichts nehmen.« Xemin knirschte hierauf mit den Zähnen, und sagte: »Ha! verwegener Mensch, darfst du dich unterstehen, einen gebornen Erbprinzen von Pegu zu trutzen? Ob ich nun zwar gnugsame Mittel hätte, dich auf andere Art abzustrafen, so will ich doch der unvergleichlichen Prinzessin von Saavady zu Ehren, mir die Mühe der Strafe selbst nehmen, und erweisen, daß du dieses Bildnisses nicht würdig seist. Indessen soll es an diesem Rosenstocke unserm Kampfe zusehen, und dem siegenden Teile zur Belohnung zufallen.« Dieses bewilligte mein Prinz alsbald, und hing es an einen unfern einer Galerie stehenden Rosenstock. Kaum hatte er dieses verrichtet, so stürmte Xemin bereits mit entblößten Säbel auf ihn ein, daß sich mein Prinz genötiget befand, tapfere Gegenwehre zu tun. Hier kämpften nun zwei so große Prinzen aus ganz widriger Regung: meines Prinzen Säbel regierte die Ehrsucht, dem Xemin aber die Liebe, und [131] beide kämpften um ein Bildnis, welches jener nicht wollte, und dieser nicht sollte lieben. Endlich, als sie einander allzu heftigen Ernst erwiesen, und die zunehmende Verbitterung einen übeln Ausgang weissagte, wobei allem Ansehen nach Xemin seine allzu treue Liebe mit seinem Blute würde versiegelt haben; so sprang unversehens die Prinzessin von Saavady aus der Galerie hervor, hinter deren Verdeckung sie den Ursprung dieses Kampfes angehöret, und alles bemerket hatte, riß ihr Bildnis von dem Rosenstocke, steckte es ein, und sprach mit verächtlichen Gebärden: »Haltet ein, unbesonnene Prinzen, ihr bemühet euch vergebens um eine Sache, worzu keiner berechtiget, noch das geringste davon enträumet worden ist. Sparet euer Blut, bis ihr bessere Gewißheit von euer Liebe habet, und seid versichert, daß keiner von euch beiden mich zu lieben fähig sein soll.« Hiermit verbarg sie sich im Augenblick wiederum, und hinterließ der streitenden Partei ein verwirrtes Nachsehen. Die Prinzen senkten die Spitzen ihrer Säbel zur Erden, und sahen einander beschämt an: endlich brach Xemin zum ersten das Stillschweigen, und schrie ihr gleichsam nach: »Fahre hin du stolze Seele! und wisse, daß dein Verfahren rühmlich sei, indem du dich derjenigen Liebe, derer du nicht würdig bist, selbst entäußerst. Verflucht sein demnach die verlornen Stunden, die ich in Bemühung, deine nunmehr verhaßte Gegengunst zu erwerben, vergebens angewendet habe. Euch aber, an Leib und Gemüte tapferer Pantoja, bin ich ewig verpflichtet, daß Ihr mich zu rechtem Erkenntnis meines verliebten Irrtums gebracht habt. Ich erkenne Eure Tugend, noch mehr Eure Klugheit, daß Ihr Euch nicht habt durch diese Sirene fangen lassen. Verzeihet mir demnach meinen Fehler, und versichert Euch, daß künftige Freundschaft von nun an diese Beleidigung ersetzen soll.« Mit welchen Worten er den Säbel wegwarf, und meinen Prinzen freundlich umarmete. Mein Prinz bezeigete hingegen sein versöhntes Herz und freundschaftbegieriges Gemüte mit den verpflichtetsten Worten, und wurden also die vertrautesten Freunde. Welches recht wunderlich zu sehen war, daß zwei verbitterte Herzen, deren jedes des andern Tod suchte, gleichsam im Augenblicke einander küßten, und sich zu genauster Freundschaft verbunden. Nachdem sich nun diese neue Herzensfreunde sattsam umarmet hatten, forderte Xemin eine Gelübde von meinem Prinzen, der Prinzessin von Saavady auf ewig zu vergessen, auch sich nimmermehr um ihre Liebe [132] zu bewerben, welches denn mein Prinz mit willigen Herzen einging, und es aufs höchste beteuerte, sie nimmermehr zu lieben. Und hiemit nahmen sie Abschied von einander. Wir verfügten uns alsobald wieder nach unserm Palast, allda überlegte mein Prinz allererst die wunderlichen Zufälle, welche er innerhalb etlicher Stunden gehabt. Indem ich ihn zugleich etlichermaßen entkleidete, vermißte er seiner Fräulein Schwester, der Higvanama Bildnis, welches sie ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben, und er stets am Halse zu tragen pflegte. Hierüber bekümmerte sich mein Prinz nicht wenig, bevoraus, weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeichnet stund: zu stetem Andenken ihrem wertesten Bruder, Balacin, Prinzen von Ava. Higvanama. Welches, daß es ihn verraten würde, er nicht unbillig besorgete. Die Vergnügung aber, welche er über Erkenntnis seiner von den Göttern vorgezeigten Prinzessin empfand, hieß ihn dieses Kummers bald vergessen, und in diese Worte herausbrechen: »O angenehmstes Verhängnis! beglückter Tag, an welchem mir die Sonne meines Lebens aufs neue aufgegangen ist. Nunmehro bin ich genesen, und die wahrhaftigen Götter haben mein Hoffen gesegnet. Ach überirdische Schönheit! deren Glanz die Sterne übertrifft, und sich durch kein Gleichnis beschreiben läßt! Es erhellet nur eine Sonne den Himmel, und die Erde heget nur einen Phönix; also ist nur eine Gottheit in Asien, welche anbetenswürdig ist: so lasset mich demnach, o ihr Götter, ihr Priester werden.« Ich mußte hierinne in allem meinem Prinzen Beifall geben: denn gewiß, ich glaube, daß derjenige eine vergebene Arbeit tun würde, welcher in Asien sich eine gleiche Schönheit auszusuchen bemühen wollte. Ich selbst wurde ganz verblendet, als nach überstandner Ohnmacht der Purpur wiederum ihre Wange bekleidete: ja es kam mir fast unglaublich vor, daß eine solche Schönheit von sterblichen Menschen könne gezeuget werden. Ihre Gebärden hatten so ein hohes und majestätisches Ansehen, daß man sie unmöglich, ohne in hohen Ehren zu halten, und sich über dieselbe zu verwundern, ansehen konnte. Sie hatte ein so freies und leutseliges Wesen, daß, ungeachtet ihrer mit einspielenden Ernsthaftigkeit, die sie stets im Gesichte behielte, in allen ihren Reden und Tun nichts als lauter Freundlichkeit und höchste Anmut zu spüren war. Die Sonnen ihrer Augen spielten mit solchen Blitzen, wodurch auch stählerne Herzen wie Wachs zerfließen mußten. Und wenn sie die schwarzen Augäpfel [133] nur einmal umwendete, so mußten alle Herzen brennen, und die Seelen, welche sie nur anschaueten, in volle Flamme gesetzet werden. Ihre lockichten Haare, welche um ihr Haupt gleichsam mit Wellen spielten, waren etwas dunkler als weiß, und dienten zu rechten Stricken, einen Prinzen in das Garn der Dienstbarkeit einzuschlingen. Ihre Lippen, welche einen etwas aufgeworfenen Mund bildeten, beschämten die schönsten Korallen, und bedeckten die wohlgesetzte Reihen der Zähne, welche die orientalischen Perlen verdunkelten: ob man sie zwar sowohl in Reden als in Lachen wenig konnte zu sehen bekommen. Die Wangen stellten ein angenehmes Paradies vor, in welchem Rosen und Lilien zierlich untereinander blüheten, ja die Liebe schiene sich selbst auf dieser weichen Rosensaat zu weiden. Die wohlgesetzte Nase vermehrte die Proportion des schönen und runden Angesichts um ein großes. Der mehr lang als kurze Hals, welchen der Adern subtiles Wesen zierlichst durchflochte, war nebst der andern Farbe ihrer Haut, so weit es die Wohlanständigkeit zu sehen erlaubte, so wunderschön, daß ich nicht glaube, daß auch der kälteste Winter ihrer Purpurröte, welche sich mit der schneeweißen Farbe artlich vermischte, einigen Abbruch tun könnte. Ihre wohlgebildeten Hände luden durch ihre zarte Finger und weiße Haut jedweden Mund zu einem demütigen Handküssen: und daß ich den geballten Schnee mit Stillschweigen übergehe, so darf ich an die übrigen Teile des Leibes, welche doch meinen unwürdigen Augen verborgen blieben, nicht einmal gedenken, wo ich mir nicht selbst die größte Qual verursachen will. Dieses war nun ein ziemlicher Gegensatz, wenn ich meine verliebte Eswara betrachtete. Endlich so schien es, als ob sie sich wenig um einigen Zierat oder Schmuck bekümmerte, indem sie sich nicht allzu köstlich gekleidet, sondern ihren wohlgewachsenen Leib einem gleichfalls grün und güldenen Leibrocke, wie mein Prinz aus wunderlicher Schickung trug, anvertrauet hatte, außer daß durch die Haare einige blitzende Diamanten spielten: ja ihre natürliche Schönheit war ihr größter Schmuck, nicht zwar, daß, wenn sie angeputzt gewesen, nicht alles über die Maßen wohl angestanden, wo nicht gar ihre Schönheit vermehret hätte; sondern sie verließ sich auf ihre schöne Bildung, und begehrte nichts von der Kunst zu entlehnen. In der Geschichterzählung aber fortzufahren, so stellte sich der ehrliche Herr Talemon zu rechter Zeit wieder bei uns ein, und brachte zur erfreulichen [134] Zeitung, daß Prinz Zarang, wegen seiner Zaghaftigkeit, die er bei vorgegangener Gefahr erwiesen, ziemlich aus des Königes Gnade gefallen, indem er in der Flucht gleichsam der erste gewesen, und sowohl den Kaiser als seine geliebte Prinzessin im Stiche gelassen: hingegen wäre Prinz Pantoja am ganzen Hofe beliebt, und von ihm etwas Größeres gemutmaßet, auch würde von allen davor gehalten, daß sein Suchen an diesem Hofe etwas Sonderliches hinter sich haben müßte, weil er sich so sehr bemühete, sich aufs äußerste um das Kaiserliche Haus verdient zu machen. Und schiene es, als ob die Götter mit im Spiele wären, daß er sein Gesuchtes finden, und den Zweck seiner Liebe vor andern erreichen dürfte. Über diesen Trostworten fiele mein Prinz dem Talemon um den Hals, und küßte ihn vor lauter Freuden, sagende: »Wertster und vertrautester Talemon! Euch habe ich es zu danken, daß ich mich wegen Eurer getreuen Nachricht in alle Fälle schicken, und mein bestes beobachten können: und diese Treue will ich auch mit meinem Blute vergelten. Fahret nur fort, und stehet mir ferner mit gutem Rate bei, ob es ratsam, daß ich meinen rechten Stand entdecke, oder ob solches noch zur Zeit zu verschweigen sei?« – »Es ist besser«, riete Talemon, »noch zur Zeit zu schweigen: es wäre denn, daß uns der Name von Tannassery wegen Ungleichheit gegen dieses Kaiserliche Haus nachteilig wäre, oder sonst eine andere Gelegenheit hierzu veranlasse. Genung ist es, daß Ihr Euch dem Kaiser verbindlich und die Prinzessin geneigt gemachet habet, welches alles einen glücklichen Fort- und Ausgang unsers verliebten Vorhabens bedeutet.« Ich hätte diesem länger zugehöret, wenn ich nicht durch einen kleinen Mohren wäre nach Hofe berufen worden. Da ich denn bald merkte, daß meine schöne Eswara mich würde fodern lassen: hierinnen befand ich mich auch nicht betrogen, denn indem mich dieser kleine Mohr durch die Schloßpforte nach einer Stiegen und dieselbe hinaufführte, fiele mir die Eswara um den Hals, und versetzte mir einen solchen Kuß, welcher noch durch bloßes Andenken einen Aufstoß bei mir verursachet: denn weil ihr viel Heimlichkeiten der Liebe in dem Magen mochten verfaulet sein, so empfand ich aus ihrem Halse einen solchen Geruch, welcher auch die Japoneser 11 zum Abfall hätte zwingen können. Hierüber erschrak ich nun nicht wenig, sie aber [135] lachte so freundlich, daß man den wenigen Vorrat ihrer Zähne gar deutlich sehen kunnte, welche einer alten Mauer mit Schießscharten nicht unähnlich schienen. Ich stellte mich so freundlich, wie eine tote Katze, welche noch bei ihrem Abschiede die Zähne weiset, und erfreute mich über ihrer Gegenwart, fragte auch zugleich nach ihrem Begehren, welches in nichts als einem herzlichen Verlangen mich zu sehen bestund: endlich führte sie mich in ein sauber Zimmer, und setzte sich neben mich auf ein niedriges Bette. Da sich denn, wie bei Verliebten pfleget, hunderterlei Gelegenheit zu reden fand: unter andern fragte sie nach meinem Prinzen, welchen ich in Einsamkeit verlassen zu haben berichtete. Sie fragte ferner, ob mein Prinz nicht ein Bildnis vermissete? Hierüber errötete ich, und schwieg stille. Sie aber fuhr fort, und sagte: »Verberget es nur nicht vor mir, mein Engel!« und bei diesen Worten versetzte sie mir wieder einen solchen Schmatz, daß mir Hören, Sehen und Riechen verging, und mir der balsamierte Geifer ins Maul lief. Ich ließ es meinem Prinzen zum besten so dabei bewenden, als ich sie ferner reden hörte: »Ich will es Euch im Vertrauen, doch bei angelobten Stillschweigen vertrauen, daß eine von unsern Kammerjungfern im Grase ein Bildnis einer schönen Prinzessin gefunden, dessen Verlust sie alle Euerm Herrn zuschreiben: dieses Bildnis hat sie bald meiner Prinzessin überbracht, welche aus einiger dabei gestellten Schrift etwas anders von Eurem Herrn urteilet, und dahero gerne Gewißheit davon haben möchte.« Hier raffte ich nun meinen Prinz zusammen, und zwang mich äußerst, sie über Vermögen zu karessieren: ich nahm sie in die Arme, und redete sie ganz liebäuglende an: »Allerschönster Engel!« sagte ich mit höchster Unwahrheit, »ich erkenne dieses als eine Probe ungefärbter Liebe, daß mich mein Kind solcher Geheimnisse würdiget, woran mir und unserer Liebe viel gelegen ist: Sie entdecke mir doch ferner, ob auch meinem Herrn einige Gefahr hieraus zuwachsen könne, wenn ja über Verhoffen dies Bild ein Verräter wäre.« – »Ei Possen! Was Gefahr?« erwiderte Eswara, »meine Prinzessin, (ich beschwere Euch aber bei unserer Liebe, solches auch Eurem Herrn nicht zu entdecken) wünschet, daß Ihr Lebenserretter eine solche Person wäre, wie es das Bildnis fast zeuget, alsdenn hoffet sie von dem verhaßten Zarang wie von dem Panther erlöset zu werden: ja ich wollte schweren, ihm alle Gegenliebe zu verschaffen.« Wie angenehm mir dieses zu hören war, so [136] herzlich wünschte ich, daß es mein Prinz bald wüßte. Ob ich nun zwar gerne fortgefahren und noch ein mehrers aus ihr gebracht hätte, so ließ sie sich doch die Liebe zu sehr einnehmen, welche sie ganz auf andere und mir höchstwidrige Reden brachte, daß ich nicht wußte, was sie eigentlich hierunter verstehen wollte, jedoch ihr Absehen von weiten wohl merkte, also daß ich wünschte, aus lauterm Abscheu wiederum bei meinem Prinzen zu sein. Wie ich nun in solchen Ängsten war, begab sie sich ungefähr an ein Fenster, tat einen lauten Schrei, und erschreckte mich aufs äußerste, als sie sagte: »Da schlage der Henker drein, hier kömmt mein Teufel.« Ich fragte sie nun ängstlich, wer es denn wäre? da entdeckte sie mir, es wäre ihr Mann, welcher Oberelefantenwärter wäre. Und also erfuhr ich, daß mein lieber Engel eine verheirate Person sein, welches mich teils erfreute, teils bekümmerte. Darauf sagte sie: »Hier ist nicht lange Wartens, verberget Euch um des Himmels Willen, sonst bin ich des Todes.« Wiese mir auch hierauf einen mit einem Teppich bis auf den Boden bedeckten Schrank, unter dessen hohlen Fuß ich mich verstecken sollte. Auf solches bewegliche Zureden, da sie mir gar Todesgefahr vor Augen stellete, ließ ich mich endlich bewegen, und verbarg mich auf allen Vieren unter diesen Teppich. Ich hatte mich kaum eingelagert, so kam der gute Mann zur Türe hinein, welcher sie alsobald anfuhr, und sagte: »Du altfränkische Kuppelhure, wo hast du den fremden Kerlen hingesteckt, welchen dir der kleine Mohr zu deiner Leichtfertigkeit herholen müssen. Sag es bald, oder du und dein Bösewicht sollt meinen Elefanten zu einem Futter dienen.« Wie mir da das Herze klopfte, lasse ich einen andern davon urteilen, welcher sein Gewissen in diesem Fall mehr als ich beschweret befindet. »Was«, hub sie ganz trotzig an, »siehestu mich vor eine solche gemeine Person an, welche sich von der Straßen andere Leute zur ihrer Bedienung würde holen lassen, als ob ich nicht Aufwartung von den Hofleuten zu Hause gnung hätte? Derowegen so siehe zu, ob du auch deine Reden verantworten kannst, und gedenke, daß ich dich so geschwinde wieder von deinem Elefantendienste bringen könne, als ich dich dazu gebracht habe.« Er aber wollte mit dieser Entschuldigung nicht zufrieden sein, sondern sagte: »Deines Redens ungeachtet, so muß ich doch sehen, wer mir meinen Hausfrieden stören will. Es ist heutiges Tages eine verdächtige Sache, um eine Frau, welche weiß, daß zwei Steine besser mahlen als einer«: [137] und nach diesen Worten begunnte er überall herumzusuchen. Währenden Suchens nun wußte Eswara vor Angst nicht, was sie tun sollte: und weil hin und wieder einige Jagdhunde auf dem Boden lagen, welche in ihrer Unschuld ihrer Ruhe pflegten, nahm sie einen Stecken, und wollte sie aus dem Zimmer jagen, ob sie zwar dessen keine Ursache wußte. Die Hunde aber furchten sich ihre Bequemlichkeit zu verlieren, und wollten nicht aus dem Zimmer, sondern suchten hier und da, die Winkel zu ihrer Sicherheit. Endlich wollte sich auch ein großer Reckel, welcher scheckicht war, unter den Teppich, worunter ich stak, verbergen: als er aber etwas Lebendiges, welches seiner Art unähnlich war, vermerkte, hub das Rabenaas an zu bellen, und setzte mich in die äußerste Herzensangst. Ob ihn nun zwar Eswara suchte abzutreiben, ließ er doch nicht ab, sondern brachte die andern Hunde zugleich mit an, daß sie insgesamt mit Bellen und Turnieren meinen Posten bestürmten, auch endlich den Teppich mit ihren Zähnen anfielen, herunterrissen, und also meine arme Gestalt entdeckten. Hier saß ich nun, wie eine Gans über den Eiern, und wußte nicht, ob ich beten oder fluchen sollte. »Siehe da«, fing endlich der Mann an, »Herr Schwager, hat Er in meinem Teiche fischen wollen, und läßt sich selber fangen? sucht Er mich zu einen Hirschen zu machen, und die Hunde sehen Ihn vor einen Hasen an? nur hervor, die Elefanten sollen ein artig Ballett mit Euch tanzen.« Ich wußte hierauf nichts zu antworten, denn ob ich gleich ein gut Gewissen hatte, so war doch der äußerliche Schein verraten, und hätte ich mich nicht ihr zufolge verkriechen sollen. Endlich als ich sahe, daß es nur ein kleines und dürres Männchen war, so vermeinte ich, noch wohl mit ihm auszukommen, begab mich demnach aus meinem Lager hervor, und machte mich zum Abzuge fertig. Weil ich aber merkte, daß er nach seinen Knechten rufen wollte, welche mich leicht hätten einholen können, so faßte ich eine kurze und gute Resolution, nahm den heruntergerissenen Teppich, überfiel hiemit das kleine gute Männchen, und wickelte ihn so feste hinein, daß er ohne der Frauen Hülfe unmöglich wieder heraus konnte. Hiemit sprang ich nach dem Ausgange des Zimmers, und nahm meinen Abschied so flüchtig, als ob mich noch die verräterischen Hunde verfolgten, bis ich unsern Palast glücklich wiederum erreichte. Wie das liebe Paar ferner miteinander ausgekommen ist, solches habe ich nicht erfahren. Sobald ich nun wieder [138] bei meinem Prinzen angelanget, erzählte ich ihm die artige Begebenheit, nach allen Umständen, welche er denn heftig belachte, und innigst vergnügt befande, als ich ihm auch das entdeckte, was mir Eswara von der Prinzessin wegen des Bildnisses vertrauet hatte. Dahero sich mein Prinz feste einbildete, er säße bereits dem Glücke im Schoße, und könnte unmöglich herausfallen. Weil wir auch auf morgenden Tag von dem Kaiser zu einem Schiffeste, welches sie Sapan Donon nennten, eingeladen wurden, so konnte mein Prinz kaum den Morgen erwarten, nicht sowohl die Pracht des Kaisers, als bevoraus die sonnengleiche Banise seinen Augen vorzustellen. Der erwünschte Morgen brach an, da sich denn mein Prinz auf das beste herausschmückte, und seinen kostbaren und unvergleichlichen Sinesischen Rock anlegte: dieser war von einem sonderlichen Zeuge, in welchen die wunderschönen Federn des Königesvogel aus Sina künstlich eingewürket waren, welche wegen ihrer bunten Schön- und Seltenheit dem Golde weit vorgezogen werden, die Knöpfe darauf waren von gediegenem Golde, deren jeden ein großer Diamant zuspitzte. Vorn herunter über die Länge des Rocks gingen auf jedweder Seite einer Querhand breit geschlagene und mit künstlichen Gelenken versehene Goldplatten, welche dermaßen reichlich mit Diamanten versetzet waren, daß man sie fast ohne Verletzung der Augen nicht ansehen konnte. Ein asiatischer und auf sonderbare Art gewundener Bund bedeckte sein Haupt, woran das von Higvanama mitgegebene Kleinod hing, und an dem Säbel konnte man gleichfalls vor den häufigen Diamanten fast nicht erkennen, von was vor Materie das Gefäß und die Scheide gemacht wäre: also daß dieser königliche Schmuck meinen Prinzen sattsam verriet, er sei etwas Höhers als eines kleinen Königs aus Tannassery Sohn. In solcher Pracht setzten wir uns zu Pferde, und begaben uns vor die Stadt, allda an dem Flusse des Kaiser zu erwarten, und dessen prächtigen Aufzug anzusehen. Was hier vor ein Zulauf des Volks war, als wir durch die Stadt ritten, ist nicht zu beschreiben, und konnte ich mir einbilden, daß dieses Volk entweder mich oder meinen Prinzen bewunderten. Als wir nun eine halbe Stunde vor der Stadt bei dem Flusse angelanget waren, sahen wir ein groß Teil des Wassers mit kleinen Schiffen bedecket, welche meistenteils vergoldet, und mit vielen bunten Flaggen und Segeln von Atlas gezieret waren, das denn ein vortrefflich schönes Ansehen machte, indem zugleich [139] die Sonne diesen Aufzug mit anschaute. Vor allen andern fiel das große Königsschiff in die Augen, welches des Kaisers Herr Vater noch hatte machen lassen. Dieses war aus- und inwendig reichlich und stark vergoldet, und mit so vielem künstlichen Blum- und Schnitzwerke ausgezieret, daß wir uns nicht gnungsam darüber verwundern konnten. Die Segel waren von rot und gelben Damast, alle Stricke aber von roter Seide mit Golde durchflochten. Es war ziemlich lang, jedoch etwas enger, als es sonst proportionhalber hätte sein sollen. Auf jeder Seite waren hundertundfünfzig Ruder, welche hinunter bis an die Breite stark verguldet waren. Die Ruderer saßen auf beiden Seiten, und übten sich indessen mit vielen Hin- und Widerfahren, bis zu des Kaisers Ankunft. Ein jeder hatte ein besonder kurzes Ruder in der Hand, mit welchem sie das Wasser fein zugleich an sich zu ziehen, und dem Schiffe dermaßen geschwinde fortzuhelfen wußten, daß fast kein Pfeil geschwinder fliegen kann, zumal keiner sein Ruder eher aus dem Wasser hub, als der andere, welches denn eine sonder- und wunderbare Augenlust war. In der Mitten stund ein verdecktes Häusgen, mit unterschiedenen Fenstern gezieret, und hatte einen ziemlichen Umfang. Als wir dieser Lust eine Weile zugesehen, hörten wir durch das ferne Getümmel und Blasen der Trompeten, daß der Kaiser ankäme, dannenhero sich alles im Augenblick in Ordnung begab, und solche Ankunft erwartete. Wir blieben am Ufer unfern des großen Schiffs halten, jedoch daß wir keine Hinderung verursachten. Nach weniger Zeitverfließung erblickten wir den Vorzug, welcher in drei Ordnungen bestand, und zwar in der ersten die mit den Lanzen, nachmals die Schützen mit Feuerröhren und dann die mit Schwertern und Schilden; mitten zwischen diesen Haufen gingen einige gewappnete Elefanten. Hinter dieser Ordnung folgete Prinz Xemin auf einen schönen schwarzbraunen Hengste mit verwunderlicher Pracht, worauf die vornehmsten Herren des Reichs und Hofes, ingleichen alle Kriegsobersten und Hauptleute in schöner Ordnung zogen. Nach diesem gingen zwei rote Elefanten mit Gold und Seiden reichlich gezieret, denen vier weiße folgeten, welche mit Gold und Edelgesteinen fast bedeckt waren. Diese hatten über jeden Zahn ein Futteral von gediegenen Golde, dichte mit Rubinen versetzt, welches ihnen ein prächtiges Ansehen machte. Hierauf kam der Kaiser selbst auf einem erhabenen und aus einem Stücke gemachten [140] Triumphwagen mit einem kostbaren und ganz vergüldeten Himmel. Dieser Wagen ward von acht schönen Hermelinen gezogen, deren Zeug Carmosin und Gold war, neben den Pferden gingen viel Hauptleute, welche Stricke in den Händen hatten, und sich anstellten, als ob sie den Wagen ziehen hülfen. Sein Haupt ward von keiner Krone, sondern mit großen Perlen eines unschätzbaren Wertes bedecket. Auf jeder Seiten hing ein Rubin, bis an die Ohren, deren Größe jeder zwei Datteln übertraf. Es hing ihm auch eine Schnure der köstlichen Edelgesteine von dem Halse bis an den Gürtel, deren Glanz die Augen blendete. Der vielen Rubinen, Diamanten, Smaragden und Saphirn zu geschweigen, die er hin und wieder an sich truge. Neben ihm saß statt der Kaiserlichen Gemahlin, welche vor zwei Jahren gestorben, das unschätzbare Kleinod Asiens, die himmlische Banise, welche sich ihrer Gewohnheit nach nicht sonderlich ausgeschmücket, sondern nur einen schneeweißen Rock angeleget hatte, welcher, wie auch die fliegenden Locken mit einigen vortrefflichen Diamanten beworfen war, deren Blitz aber gegen ihre Augen und englischer Gestalt gleichsam zu verdunklen schiene. Hinter diesen kam auf einem gleichfalls kostbaren Wagen die Prinzessin von Saavady gefahren, deren Seite Prinz Zarang von Tangu besaß; und kunnte man des Zarangs Mißvergnügen und der Prinzessin beängstigte Liebe beiden aus den Augen lesen. Diesen folgete das übrige Frauenzimmer nach, unter welchen ich die holdselige Eswara erblickte, welche mich seufzende anblickte, nicht weiß ich, ob sie hierdurch ihre Liebe oder ihre Strafe von dem Manne, welche ich ihr herzlich gönnete, andeuten wollte. Zuletzt beschlossen zweihundert Soldaten zu Fuße den ganzen Aufzug. Dieser Zug ging nun gleich auf das prächtige Schiff zu, wenn aber die Vördersten an das Ufer kamen, schwenkten sie sich nach der rechten Hand von dem Wasser ab, daß also die hintersten bis auf den Kaiser an den Fluß gelangen kunnten. Als nun Prinz Xemin meinen Herrn ersahe, stieg er von dem Pferde, welches mein Prinz gleichfalls tat, und sich recht brüderlich umarmeten, bis der Kaiser ankam, welchen der Prinz mit zur Erde geschlagenem Angesichte gleichsam anbetete. Wie ihn der Kaiser zuwinkte, verfügte er sich an den Wagen, und küssete sein Hand. Die Prinzessin Banise verwendete indessen kein Auge von meinem Prinzen, welches ich genau bemerkte, und ließ solche Blicke schießen, die etwas Feuriges [141] anzudeuten schienen, wiewohl sie sich so angenehm hierinnen zu mäßigen wußte, daß man billig nur mutmaßen durfte. Der Kaiser erlaubte zugleich meinem Prinzen, das königliche Schiff zu betreten, und sollte er die Prinzessin von Saavady hineinbegleiten. Welchen Befehl mein Prinz gehorsam verrichten mußte, und war es gut, daß Xemin solches mit anhörte, sonst hätte er wähnen mögen, mein Prinz wäre meineidig worden. Sobald der Kaiser vom Wagen gestiegen, fielen alle Anwesende nieder, huben die Hände dreimal empor, und küsseten die Erde, welches die gewöhnliche Ehre eines Kaisers von Pegu ist. Hierauf begab sich der Xemindo vermittelst eines kleinen Schiffes nach dem Hauptschiffe, welchen Prinz Xemin nebst der Banisen begleiteten. Mein Prinz aber führete die Prinzessin von Saavady, welches ihm Zarang gerne erlaubte, in einem Schiffe, worein sich Zarang nebst mir gleichfalls begab, und geschah diese Überfahrt auf unserm Schiffe mit solcher Stille, daß, wenn der Wind so stille gewesen wäre, wir unmöglich anstoßen können. Als wir nun allerseits das große Schiff betreten, auch alle Anwesenden sich in die andern Schiffe begeben hatten, so fuhren wir unter dem Schalle vieler Trompeten und anderer unzählicher Instrumenten freudigst dahin und nach Macaon, allwo dieses Schiff-Fest jährlich begangen wird. Gegen den Abend bekamen wir erwähnte Stadt zu Gesichte, welche eine ziemliche Festung zu sein schiene: Und als wir uns derselben genähert hatten, empfing sie uns dermaßen mit Stücken, daß sich der Fluß gleichsam von dem schrecklichen Knallen schwellte, und man eine geraume Zeit die Stadt vor heftigem Dampfe nicht sehen kunnte. Nachdem wtir aber angeländet, wurden wir mit großem Freudengeschrei des Volkes angenommen, und sofort ein jeder in der Stadt angewiesen, wo er bis zu folgendem Morgen seine Bequemlichkeit haben sollte: Dahin wir uns denn verfügten, und also mein Prinz auch nur des bloßen Ansehens von seiner Prinzessin wenig genoß. Folgenden Morgen begaben wir uns nach dem Palast des Kaisers, welcher, wie fast alles andere, gleichfalls aus- und inwendig mit Golde gezieret, und mit lustigen Gärten umgeben war. Aus diesem Palaste verfügten sich alle hohe Personen nach einem andern, welcher an dem Fluß gebauet war, in welchem der Kaiser nebst denen Prinzessinen sich an die Fenster begaben, und diesem Schiffs-Feste zusahe. Solches bestund nun hierinnen, daß alle Vornehme des Hofes, und wem es beliebte, auf den kleinen [142] Schiffen die Wette renneten, da denn ein jeder selbander das Ruder regieren mußte. Wer nun zum ersten an den Palast unter des Kaisers Fenster kam, der trug den Preis davon, und bekam von der Prinzessin Banise einen güldenen Kranz, die nächsten aber einen silbernen und so fort an. Welche aber zurücke blieben, die wurden ziemlich durchgezogen, der letzte aber hatte von dem sämtlichen Frauenzimmer ein bloßes Tuch zu gewarten. Solchen güldenen Kranz von der schönen Prinzessin Hand zu erlangen, bewegte meinen Prinz, daß er sich unterfing, diesem Wettstreite beizuwohnen, welches dem Kaiser sehr wohl gefiel, und dannenhero die andern Prinzen ihm nachfolgeten, deren jeder sich ein Schiff erwählte. Mein Prinz nahm mich zu sich, und ermahnte mich zu äußerster Darstreckung meiner Kräfte, mit Versprechen dreißig Bizen Goldes, wo wir den Preis erlangten: Und legte er einen andern Rock an, ich aber warf meinen gar weg, um desto geschickter zum Rudern zu sein. Als wir uns nun alle zu Schiffe begaben, und eine gleiche Linie quer über den Strom gemacht hatten, wurde das Zeichen mit vierundzwanzig silbernen Trompeten gegeben. Was nun da vor eine ängstliche Bemühung auf allen Seiten zu sehen war, solches ist unbeschreiblich, wiewohl mich meine heftige Arbeit nicht viel umsehen ließ. Ob uns nun zwar etliche Schiffe fast bei zwanzig Schritten zuvor gekommen waren, so schickten es doch die gütigen Götter, daß sie aneinander fuhren, und sich dermaßen verwirreten, daß wir Zeit genung hatten, seitaus zu fahren, und einen weiten Vorsprung zu nehmen, welcher uns denn dermaßen zustatten kam, daß der Hinterstelligen Bemühung nur vergebens war, und wir ganz glücklich unter der Prinzessin Banisen Fenster zuerst ankamen, welche mein Prinz mit einer tiefen Neigung beehrte. Der nächste hinter uns war Prinz Xemin, nach diesem aber Prinz Zarang, welcher vor Verdruß ganz blind zu sein schiene, und mit solcher Gewalt an die vorgesetzten Zielpfäle anlief, daß er rücklings ins Wasser fiel, und mit Mühe mußte errettet werden: Welches denn die Prinzessin von Saavady dermaßen erschreckte, daß wir einen lauten Schrei von ihr hören kunnten. Als nun alle Schiffe angelanget, stiegen die Prinzen ans Land, die übrigen Schiffe aber wiederholten ihr Rennen noch zu unterschiedenen Malen. Die Prinzen legten sich allerseits an, und verfügten sich nach dem Kaiser, um die ausgestellten Preise zu empfangen, jedoch mit ungleicher Vergnügung: Denn als mein Prinz mit [143] einem güldenen, Prinz Xemin aber mit einem silbernen Kranze von der schönen Hand der Prinzessin Banisen gekrönet ward, erhielte Zarang nur von der Hand der Saavaderin einen gläsernen Blumentopf mit Blumen gefüllet, welchen er zwar annahm, jedoch denselben, gleich ob es aus Versehen geschehen, unachtsam auf die Erden fallen ließ, daß er in tausend Stücken zerbrach: wordurch er sein Mißvergnügen sattsam zu verstehen gab. Nach diesen wendete er sich bald zu der Prinzessin Banise, welche dessen Rede, so viel ich anmerkte, jederzeit mit einer Röte und ganz verdrießlich scheinende beantwortete. Mein Prinz stund von ferne, und sahe mit tiefster Seelenempfindung zu; ja so ofte nun Zarang ihre Hand zum Munde führete, sie zu küssen, so ofte empfand sein Herz einen tödlichen Stich. Endlich erblickte ich an der Prinzessin das verlorne Bildnis der Higvanama, welches sie auf ihre linke Brust geheftet hatte. Dieses entdeckte ich sobald bei erster Gelegenheit meinem Prinzen, worüber er sich nicht wenig entfärbet, jedoch nach Art der Verliebten alles zu seinem Besten ausdeutete. Inzwischen wurde alles zu einem kaiserlichen Panquete angeschicket, welches auf einem großen Saale, der fast mit Kristall überzogen war, sollte gehalten werden. Wir wurden in kurzem durch der Trompeten Schall zur Mahlzeit berufen, und mußte auf kaiserlichen Befehl mein Prinz wiederum die Prinzessin von Saavady nach dem Saal begleiten, welches er endlich so weit willig verrichtete, als er nun sahe, daß die Prinzessin Banise nicht von dem Zarang, sondern von ihrem Bruder den Xemin geführet wurde. Welches ein Zeichen kaiserlicher Ungnade gegen den Zarang war, dessen Ursache uns Talemon schon entdecket hatte. Wir wurden auf den mit kostbaren Tapeten belegten Boden zur Tafel gesetzet, und zwar oben der Kaiser, einige Schritte von dessen linken Hand saß die Prinzessin Banise, neben ihr aber wurde doch Zarang gesetzt, um meines Erachtens ihn nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen, welche beliebte Stelle er auch mit sonderbarem Hochmut einnahm, und meinem Prinzen nichts als verächtliche und sauere Blicke mitteilte. Zur rechten Hand des Kaisers wurde der Kronprinz Xemin, neben den die Prinzessin Saavady und alsdenn mein Prinz gesetzet, welchen auf beiden Seiten eine ziemliche Reihe der vornehmsten Herren folgeten. Ob ich nun zwar auch an diese Tafel genötiget wurde, so wollte doch ich lieber meinem Prinz aufwarten, [144] um desto genauer alles zu bemerken, welches mir endlich zugelassen ward. Bei dieser Mahlzeit nun wurde die herrlichste Musik gehöret, welche sich chorweise an unterschiedenen Ecken vernehmen ließ: So stelleten sich auch nach hiesiger Landesart unterschiedene Tänzerinnen und Possenspieler ein, damit alle Sinnen wohl ergötzet würden. Der Schirasser Wein, welcher jährlich in ziemlicher Menge aus Persien nach Hofe verschrieben wird, ginge ziemlich stark herum, und erhitzte sowohl die Köpfe, als die Gemüter. Es war aber nichts geschäftiger als die Augen der schönsten Banisen und meines Prinzen, welche einander unzählig Mal im Anschauen begegneten, und sich hierdurch jederzeit beschämt zurücke und niederschlugen. Unser verliebter Zarang aber ließ sich den Wein dermaßen schmecken, daß hierdurch, ungeachtet voriger Beschämung, seine Liebe gleichsam wieder aufgewärmet ward, also daß er der schönen Prinzessin sehr beschwerlich fiele, indem er ihr entweder, ob sie gleich der Speise genießen wollte, die Hände raubte, oder ihre Achseln mit seinem Kopfe beschwerte, und was dergleichen verliebte Possen durch trunkene Liebe mehr begangen werden. Ja endlich schüttete er ihr gar ein Geschirre mit Wein auf den Hals, wodurch er bei der Prinzessin ein erschrockenes, bei dem Kaiser ein saures Gesichte, bei meinem Prinzen aber ein heimliches Frohlocken erweckte. Damit nun die allgemeine Freude durch diese Grobheit nicht möchte verstöret werden, so wurde es endlich in ein Stillschweigen hiervon verwandelt.

Wie aber nichts vergänglicher ist, als die Weltfreude und Ergötzlichkeit des Zeitlichen: also würde man dieses auch gerne nachgegeben haben, wenn die Zeit nur noch zur Zeit die Vollziehung dieser kaiserlichen Lust erlaubet hätte. Denn, als der Kaiser in voller Majestät seine Pracht erwiese, und seine Vergnügung durch alle ersinnliche Ergötzlichkeit, welche das Glücke einem solchen Monarchen gönnet, suchte, ja niemand von den Anwesenden an einige Hinderung gedachte, siehe, so kam ein Kurier aus Pegu, welcher einen andern aus dem Königreich Martabane und zugleich diese erschreckliche und betrübte Zeitung mitbrachte, daß Chaumigrem, König von Brama, unverwarnter Sache selbtes Reich mit einer gewaltigen Armee überzogen, die Hauptstadt Martabane durch Verräterei erobert, und den Königlichen Stamm erbärmlich umgebracht hätte. Weil nun der erwürgete König Chambainha ein Eidam des Kaisers war, indem er sich die älteste Prinzessin [145] von Pegu vor sieben Jahren vermählen lassen: als wurde der ganze Hof hierüber ungemein bestürzt. Die Musik schwieg im Augenblick stille, alle Tänzer wurden abgeschaffet, und ein jeder ließ sein herzliches Beileid aus den Augen blicken. Außer dem Kaiser sahe man eine ungemeine Großmütigkeit an, welcher auch den Überbringer dieser unglücklichen Post vor sich kommen, und sich den Verlauf des kurzen, doch jämmerlichen Krieges vor unsern Ohren erzählen ließ.

»Eur. Majest.« hub er an, »gehorsamste Folge zu leisten, so berichte in Untertänigkeit, daß ich ein geborner Martabaner und treuer Untertaner meines liebgewesenen Königs bin, welcher mich auch seine königliche Gnade sattsam empfinden lassen, indem er mich gewürdiget, einen Haufen von dreitausend Mann zu Roß zu kommandieren. Dahero ich denn so unglücklich gewesen, daß ich alles mit meinen Augen ansehen müssen, worüber mein Herze noch blutet. E.M. wird es sattsam bekannt sein, wie der Hauptrebelle Chaumigrem, eingebildeter König von Brama, jederzeit einen tödlichen Haß gegen I. Maj. getragen wegen tapferer Bestrafung, womit I.M. Dero gerechteste Rache an seinem gleichfalls rebellischen Bruder ausgeführet, und ihm den verdienten Lohn bei dieser Stadt Macao vor einem Jahre erteilet. Solche Niederlage hat nun diesen Bluthund aus seinen Winkeln wieder hervorgezogen, dessen Frevel sich nicht allein unterstanden, den unrechtmäßigen Besitz von dem Reiche Brama als ein Erbrecht und Kronfolge zu behaupten, sondern auch gar mit Bedrohung vermeinter Rache sich an dem Heil. Haupte I.M. zu vergreifen. Weiln er aber sich nicht getraute, Dero gerechteste Waffen, oder die Peguanische Tapferkeit zu versuchen; als wollte er an dem Schwächern seine Grausamkeit ausüben, um nicht sowohl sich an diesem hohen Kaiserlichen Hause wegen naher Anverwandtschaft meiner entseelten Königin zu rächen, als auch seine Macht zu verstärken: Deswegen er einige Zeit her unterschiedene höchstunbillige Forderungen an das Reich Martabane getan, welche ihm allemal großmütig von unserm tapfern und eines bessern Glückes würdigen Könige abgeschlagen worden. Dahero der Tyranne durch solche Verweigerung sich wohl berechtigt erachtete, einen unvermuteten Krieg anzufangen. Ich sage recht, unvermutet, indem wir des feindlichen Einfalles nicht eher gewahr worden, als bis es das flüchtige Landvolk in unsern Festungen [146] mit Schaden bekräftigte, daß der Feind in vollem Anzuge sei. Es wurde so bald bei finsterer Nacht eilender Befehl an alle Kriegshäupter gesendet, unverzüglich mit ihren Truppen sich nach der Hauptstadt Martabane zu begeben, und sich da zusammenzuziehen, weil man doch wohl sahe, daß der grausamen Macht des Fein des, welche in viermal hunderttausend bewehrter Mann bestund, nicht zu widerstehen war; dannenhero man das ganze Land mußte preisgeben, und den Ausgang dieser schnellen Fehde auf einen Hauptstreich ankommen lassen. Unsere Völker rückten zwar in möglichster Eil herbei, und formierten ein schönes Lager von achtzigtausend Mann. Allein was war diese geringe Macht gegen des Feindes wütende Gewalt; denn dieser kam als eine rauschende Flut daher, und zog auf das Herz des Reichs, will sagen auf Martabane an. Dessen Grausamkeit kunnten wir nun in der Königlichen Burg bei Nachtzeit mit feurigen Buchstaben an dem Himmel lesen, indem man über hundert Feuer zählte, mit welcher der Tyranne seine Wut gegen die verlassenen Hütten der armen Martabaner ausließ. Sobald der Morgen angebrochen, begab sich unser heldenmütiger König selbst ins Lager, nachdem er Stadt und Burg wohl besetzt, und seine Gemahlin und Kinder denen Göttern anbefohlen hatte. Er stellete uns sofort wegen Annäherung des Feindes klüglich ins Feld, und dehnete unsere Schlachtordnung dermaßen weit aus, daß es schiene, als ob wir dem Feinde allen Vorteil benommen hätten. Um den Mittag sahe man den Feind von ferne als einen großen Wald mit einem dicken Staube daherrauschen, welcher uns auch mit einem erschröcklichen Geschrei dermaßen anfiel, als ob er gesonnen wäre, uns auf einmal zu verschlingen. Allein wir empfingen ihn dergestalt, daß wir in kurzen Meister des Feldes waren, indem er wegen allzugroßer Unordnung bald das Feld räumete. So hoch uns nun dieses erfreute, so sehr wurden wir erschrecket, als wir durch unsere Kundschaft benachrichtiget wurden, es wären nur die Vortruppen in fünfzigtausend Mann stark von uns geschlagen worden. Zudem hatten wir bei diesem blutigen Anfange bei zehntausend Mann eingebüßet, da hingegen auch bei fünfundzwanzigtausend feindliche Leichen das Feld bedeckten. Nach diesem Siege rückten wir wieder in unser Lager, um des Feindes Vorhaben folgenden Morgen zu erwarten. Dieser kam abermals mit der völligen Macht angezogen, und griff uns dergestalt auf allen Seiten an, daß [147] innerhalb drei Stunden, ungeachtet äußersten Widerstandes, fast alle niedergemacht, unser König gefangen, und kaum dreitausend der unsrigen in die Stadt entkommen waren. Was dieses vor eine entsetzliche und grausame Schlacht gewesen, kann E. Maj. hieraus abnehmen, wenn ich berichte, daß der Feind wegen Menge der Toten in fünf Tagen sich nicht der Stadt nähern können, obgleich täglich ihrem Bericht nach sechstausend Mann die Toten einscharren müssen. Als die Walstatt in etwas geräumet, und der Feind truckenen Fuß setzen kunnte, hub er sobald eine ernste Belagerung an, welche aber in nichts als in einem stetswährenden Sturm bestund, indem er sechs Tage und Nächte jedwedes Mal mit fünfzigtausend Mann grausam stürmen ließ. Ob wir nun zwar unser wertes Haupt verloren hatten, und in des Feindes Hand wußten, so ließen wir doch nichts von unserer Treue und Tapferkeit erwinden, womit wir uns unserm verlornen Könige noch verbunden zu sein erachteten, indem wir jeden Sturm dermaßen ritterlich abschlugen, daß die Wälle vom feindlichen Blute überall gefärbet waren, und der Feind wegen dessen Schlipferigkeit keinen festen Fuß mehr setzen kunnte. Was wir nun durch unsere Tapferkeit wider solche Gewalt erhalten, dieses verloren wir durch ewig verdammte Verräterei, in einer Nacht, dessen Urheber bloß dem gerechten Himmel bekannt ist. Denn als der Feind seinen Kopf grausam zerstoßen, und doch nicht viel damit ausgerichtet hatte, ließ er endlich von diesem sechstägigen Sturme abblasen, und führte die ziemlich geschwächte Armee zurücke. Worauf wir voller Freuden uns auch zur nötigen Ruhe begaben; wiewohl wir durch fleißige Wachten alle Posten wohl besetzet ließen. Als wir aber am sichersten zu sein vermeinten, erscholle das erschreckliche Geschrei, der Feind sei schon in der Stadt, und sei durch das Wassertor hineingedrungen. Ob nun zwar ein jeder nach den Waffen griff, so war es doch vergebens, weil Schrecken und Finsternis uns verwehrete, zusammenzukommen, und also mußten wir ganz zerstreuet des traurigen Morgens erwarten. Dieser war kaum angebrochen, so erhub sich ein solch grausames Wüten, Würgen und Niederhauen, dergleichen in Asien wohl nie mag geschehen sein. Ein Teil, und zwar die wenigsten, worunter auch mich das Glück oder vielmehr das Unglück schloß, wurden gefangengenommen: ein Teil flohe der Königlichen Burg zu, wiewohl zu höchstem Unglück des Königlichen Hauses, denn der Feind drang sich [148] zugleich mit hinein, und verfuhr doch weit gelinder, daß er der Königin, ihrer Kinder, des sämtlichen Frauenzimmers und einiger großen Herren verschonete, und sie nur gefänglich annahm. Wie nun diesen wütenden Hunden ihre Faust an dem bluttriefenden Schwerte fast erstarrete, huben sie an, die herrliche und schöne Stadt niederzureißen in willens, sie der Erden gleich zu machen, welchem der mit schweren Ketten belegte König mit blutendem Herzen zusehen mußte. Was ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen die im Schlosse hohen Gefangene gemeldet, solches war nur ein kleiner Aufschub ihrer verteufelten Tyrannei zu nennen. Denn als auch die andere Nacht verschwunden, sahe man die Sonne ganz blutig aufgehen, und schiene dermaßen traurig zu sein, gleichsam als ob sie sich selbst betrübte, eine solche nie erhörte Grausamkeit mit anzuschauen. Nachdem wir wenigen Gefangene in das Feld gestellet worden, sahe man dreitausend Mann mit Spießen und Musketen daherkommen, welche hundertvierzig kernschöne Weibesbilder, derer jedesmal vier und viere zusammengebunden waren, unter sich führeten, bei jedweder Kuppel aber ging einer von den bramanischen Priestern oder Talegrepos, welche sie trösten, und einen Mut zum Sterben machen sollten. Unter solchen betrübten Haufen leuchtete die schöne Nhai Canato als eine Sonne unter den Sternen hervor, welche itzt in dem Totenmeere untergehen sollte. Und weil sie von so hohem kaiserlichen Stamme entsprossen war, so schiene es, als ob der Tyranne ihr auch im Tode einige schuldige Ehre erweisen wollte, indem zwölf Türhüter mit silbernen Kolben auf den Achseln vor ihr hertraten. Zur Seiten wurden ihre vier Kinder, als zwei Prinzen und zwei Prinzessinnen von so viel Männern auf Pferden geführet. Das übrige Frauenzimmer war alles von hohem Stande, und der Martabanischen Fürsten Weiber und Töchter, deren Gesichter alle dermaßen schöne waren, daß sie unter den abscheulichen Haufen ihrer Führer und Henkersknechte wie die Sonnenstrahlen unter den schwarzen Wolken hervorleuchteten. Man erblickte an ihnen das zärteste Wesen, und spielten die vor Angst erblasseten Rosen ihrer Wangen noch mit solcher Anmut, daß auch die Steine hierdurch hätten sollen erweichet werden, angesehen alle zwischen funfzehen und fünfundzwanzig Jahren ihrer Jugend mit einer schmerzlichen Todesart verwechseln mußten. Dieser vor Augen stehende schmähliche Tod und erbärmliche Unbilligkeit pressete einen [149] Seufzer und Zetergeschrei nach dem andern heraus, worbei diese schwache doch holdselige Kreaturen fast jedesmal in eine Ohnmacht fielen. Ob nun zwar viel andere Weiber, welche ihnen das Geleite gaben, ihnen allerhand Stärkungen und Konfekt reicheten, so kunnten und wollten sie doch nichts kosten, sintemal die Bitterkeit des Todes alle Süßigkeit in Wermut verwandelte. Hinter diesem armseligen Frauenzimmer folgeten sechzig Grepos oder gemeine Priester, je zwei nach einander, welche mit niedergeschlagenen Angesichtern in ihren Büchern lasen, und zum öfteren riefen: ›Herr, der du von keinem andern weder von dir selbsten das Wesen hast, richte unsere Werke, damit sie deiner Gerechtigkeit gefallen mögen.‹ Worauf andere antworteten: ›Herr, verleihe, daß dieses also geschehe, auf daß wir die reichen Gaben deiner Verheißung wegen unserer Sünden nicht verlieren.‹

Was nun das erbärmlichste Ansehen gab, das waren vierhundert kleine Kinder, welche hinter den Priestern in einer langen Reihe daher liefen: Diese waren unterwärts des Leibes ganz bloß, hatten Stricke um ihre Hälsgen und weiße brennende Wachskerzen in ihren Händen. Darauf marchierte die bramanische Wache mit Spießen und Musketen: Diesemnach folgten hundert Elefanten, und überdas eine große Menge Volks zu Roß und zu Fuß, daß also zweitausend Reuter, zehentausend Fußvolk und zweihundert Elefanten diese betrübte Ausführung begleiteten, des übrigen Volkes aber war keine Zahl. Mit diesem ansehnlichen Aufzuge gingen diese könig- und fürstliche Engel, welche einer glückseligen Unsterblichkeit würdig gewesen, durch das Feld nach dem erschrecklichen Richtplatz zu, allwo einundzwanzig Galgen ihrer erwarteten. Sobald man daselbst angelanget, machten sich zu Pferde etliche Herolden hervor, welche überlaut ausruften: ›Jedermänniglichen sei dies Bluturteil kund, welches der lebendige Gott verhängt, der da will, daß gegenwärtige hundertundvierzig Frauen sterben, und in die Luft geworfen werden sollen: Alldieweil aus ihrem Rat und Anstiften ihre Männer und Väter rebellieret haben.‹ Dieses wurde nun vorgeschützet, weil der Bluthund das Königreich Martabane als ein Lehnreich von Brama wissen, und uns zu Vasallen haben wollte. Dieses Urteil war kaum ausgeschrien, so erhub sich von den Gerichtsbeamten und Henkersknechten ein so abscheu- und düsterlich Geschrei, daß einem die Haare zu Berge stunden: Und hiermit griffen die Henker die Verurteilten [150] an. Was man nun hier vor ein jämmerliches Schreien und Weinen anhören, und vor herzbrechende Gebärden sehen mußte, wie sie einander um den Hals fielen, und mit tausend Tränen voneinander Abschied nahmen, solches wird mir niemand verübeln, wenn ich, als der ich es mit angesehen, vor übriger Wehmut fast nicht mehr reden kann.« Zugleich hemmeten ihn auch die Tränen die Rede, daß er eine ziemliche Weile schweigen mußte, und wir ihme fast alle Gesellschaft leisteten, außer der Kaiser, welchem man nur dann und wann einen Tropfen abfallen sahe. Als sich nun dieser betrübte Unglücksbote in etwas wieder erholte, fuhr er also fort:

»Unsere werte Königin steuerte sich inzwischen auf eine alte Frau, und war vor unaussprechlichen Betrübnis schon mehr als halb tot. Ehe die andern aber sich von den unbarmherzigen Henkern wegschleppen ließen, wollte gleichwohl eine von diesen armseligen Damen im Namen ihrer aller der Königin zuvor noch die untertänige Ehrenpflicht erzeigen, und die letzte gute Nacht sagen. Derowegen sie sie denn auf folgende Art, wiewohl mit schwacher und kläglicher Stimme, anredete: ›Durchlauchtigste Frau! Nachdem wir anitzt in dem Stande demütiger Sklavinnen zu der betrübten Wohnung des Todes hintreten, so tröstet ihr, als die schöne Rosenkrone unserer Häupter, uns mit Eurem anmutigen Gesichte, auf daß wir mit desto leichtern Kummer diesen geängsteten Leib verlassen, und vor der mächtigen Hand des gerechten Richters erscheinen, zu dem wir um unendliche Rache dieser uns angetanen unbilligen Schmach mit betränten Augen schreien wollen.‹ Die hochbeängstigte Königin antwortete hierauf erstlich mit einem kläglichen Blick und einem solchen Angesichte, darein der Tod allbereit den ersten Entwurf seiner Gestalt gemacht hatte, hernach mit folgender leisen Stimme: ›Nehmet nicht so bald Abschied, liebste Schwestern, sondern helfet mir vor diese kleine Kinder tragen.‹ Aber das ließen die eilenden Scharfrichter, die mit ihrem Könige die Barmherzigkeit gemein hatten, nicht zu, welche unter wehmütigsten Ach und Weh, Winseln und Rachgeschrei alle diese schöne Leute erwischten, und ohn einiges Verschonen sie an zwanzig Galgen erbärmlichst aufhenketen, und zwar an jedweden sieben, was aber noch das Ärgste war, so wurden sie bei den Füßen aufgehenkt, weswegen sie denn unter schmerzlichem Seufzen erst in einer Stunde in ihrem Blut erstickt[151] waren. Hiernächst galt es der Königin, welche von vier Frauen nach dem Galgen geführet ward, daran sie mit größester Herzensqual ihre Kinder sollte zappeln sehen, welches ihr weit mehr als der eigene Tod zu Herzen ging. Der Rolimmunay, als ein großer Heiliger, redete ihr fleißig zu, wie sie den Tod unerschrocken leiden sollte. Indessen foderte sie ein wenig Wasser, nahm es in den Mund, und sprützte es über ihre vier Kinder, deren jedes sie nacheinander auf die Arme nahm, ihnen einen Abschiedskuß nach dem andern auf den Mund druckte mit so inbrünstiger Bewegung, daß einem Tiger davon die Augen hätten übergehen mögen. Endlich brach sie in folgende Klagworte heraus: ›Ach meine Kinder, die ich aufs neue in dem Eingeweide meiner Seelen geboren, wie wollte ich mich so hoch beglücket achten, wann mir erlaubet wäre, euer Leben durch einen tausendfachen Tod zu erkaufen! Alsdenn würde ich alle Furcht, darinnen ihr mich und ich euch sehe, verlassen, und von diesen grausamen Henkern den Tod so willig erwarten, als gerne ich werde vor dem Herrn aller Dinge in der Ruhe seiner himmlischen Wohnung erscheinen.‹

Dies gesagt, ließ die betrübte Königin ihre Augen auf den Nachrichter schießen, welcher allbereit die zwei kleinen Prinzen gebunden hatte, und sagte zu ihm: ›Sei nicht so unbarmherzig, daß du meine Kinder vor meinen Augen umbringest. Richte mich erst hin, und schlage mir die letzte Gunst nicht ab, die mein sterbender Mund von dir begehret.‹ Mit diesen Worten risse sie die Kinder wieder zu sich, umfing, drückte und herzete sie, und gab ihnen tausend Scheidungsküsse, so lange, bis sich der gütige Himmel selbst über sie erbarmete, und ihre Seele und Atem benahm, ehe sie den Henkersstrick fühlete. Also sank sie unter den Händen der Frauen, auf welche sie sich steurete, tot darnieder. Wie der Henker dieses erblickete, sprang er behende hinzu, raffte und henkete sie geschwinde auf, hernach die vier andern Frauen, und endlich zu ihrer Rechten die zwei jungen Prinzen, zur Linken aber die zwei kleinen Prinzessinen.«

Hier sank zugleich die Prinzessin Banise über der traurigen Erzählung des schmerzlichen Todes ihrer Frauen Schwester in eine starke Ohnmacht, also, daß sie fast nicht wieder zu ermuntern war, und sie dannenhero in ein ander Zimmer mußte getragen werden. Die Tränen häufeten sich auch bei allen Zuhörenden dermaßen, daß man statt vorigen Jauchzens [152] und Musizierens nichts als Klagen und weinendes Kluchzen vernahm, welches denn eine erbärmliche Veränderung des menschlichen Zustandes war. Der großmütige Kaiser aber fuhr fort zu fragen, wie es ferner und bevoraus mit dem Könige abgelaufen sei? wovon er folgenden Bericht erstattete: »Dieses erbärmliche Mordspiel erweckete in Freund und Feinden ein ungemeines Trauren, welches endlich in eine Verbitterung und Aufruhr ausschlagen wollte, indem Chambainha, der ein Sohn und rechtmäßiger Erbprinz des Reiches Brama war, dessen Herr Vater nach eignem hohen Bewußt durch des Tyrannen vorigen Bruder, den Xenimbrun gleichfalls des Reiches und Lebens beraubet worden. Derowegen wachte die alte und natürliche Liebe der Bramaner gegen ihren rechtmäßigen Herrn in etwas wiederum auf, und ließ es sich allerdings zu einem gefährlichen Aufruhr an. Hierzu half nicht wenig das grausame Zeter- und Klaggeschrei der unglaublichen zuschauenden Menge, wovon auch die Erde erzitterte, und kam es so weit, daß hundertzwanzigtausend Mann ins Feld rückten, und sich der Tyrann in die Burg begeben mußte; wiewohl dieser löbliche Eifer bald wiederum erkaltete, und mit der einbrechenden Nacht gänzlich gestillet ward. Unter diesem schändlich erwürgeten Frauenzimmer sind drei Jungfern gewesen, die das Mordkind vorhin zu heiraten begehret gehabt; weil er aber damals noch in dem gräflichen Stande von ihren Eltern abschlägige Antwort bekommen, hat er seine grausame Liebe mit dem Stricke gerochen.

Zu Verhütung aber ferneren Aufstandes ließ der tückische Hund dem gefangenen Könige noch in derselbigen Nacht einen schweren Stein an den Hals henken, und in das tiefe Meer werfen, in welcher jämmerlichen Todesart ihm noch sechzig vornehme Herren, welche alle der erwürgeten Frauen Väter, Männer und Brüder waren, betrübte Gesellschaft leisteten. Dieses ist nun der blutige und tränenwürdige Untergang unsers hochpreislichen Kön. Hauses, wowider wir armen Leute nichts ferner vermögen, als den gerechten Himmel und E.M. mächtigste Waffen um brennende Rache und Hülfe anzurufen.«

Hiermit endigte der Mensch seine traurige Erzählung, woraus der höchst betrübte Kaiser die Hände ineinanderschlug, und mit Seufzen sagte: »Wie unerforschlich ist doch der Schluß des Himmels? Diesem schenkt er einen Lorbeerkranz, und jenem einen Henkerstrick. Hier hebet er [153] einen empor, und dort stürzet er den andern zur Hölle. O Himmel! wie hat es deine Gerechtigkeit zulassen können, daß der Gerechte untergangen, und der Gottlose erhaben ist? Daß sich der Szepter in einen blutigen Mörderstahl, der Thron in einen schwarzen Sarg und die Krone in ein Rad des wandelbaren Glücks verwandelt hat? Ach Nhai Canato, meine werte Tochter! haben mich die Götter deswegen mit dir beschenket, daß sie mich auf diese harte Probe stellen wollen, wenn ich mein liebstes Kind soll am Galgen sterben sehen? Möchte nicht das tapferste Gemüte weichmütig gemacht werden, wenn es sein Fleisch und Blut unter des Henkers Hand wissen soll! O unerträgliches Leid! O Schmerz, welchem kein Schmerz zu vergleichen! Vermaledeiter Wüterich! Verdammter Chaumigrem! Ist dieses jemals erhöret worden, daß man gegen zarte Weibspersonen so abscheulich verfahren hat? Verdammter Hund! kunnte dich nicht die Schönheit, welche auch Tiger bezwinget, überwinden? kunnte dich das jämmerliche Schreien und Weinen der zarten Angesichter nicht bewegen? ja, kunnte nicht die Unschuld der kleinen Kinder und ihr königlicher Stamm einiges Mitleiden in dir erwecken? Gewiß, die Götter sind bisweilen allzu ungerecht gegen uns Menschen, indem sie einer solchen Greueltat, wovon die Sonne errötet, ohne Empfindlichkeit zusehen können. Ach mein Kind, mein Trost! mein Anker, welcher mir zu einer Schiffbruchs-Klippe wird! Ach daß ich doch mit dir in die Erden sollte verscharret sein, weil mir nunmehro das Leben doch nur ein steter Tod sein wird.« – »Großmächtigster Kaiser«, redete ihm hier mein Prinz ein, »dieser hohe Trauerfall, welcher Dero Herz verwundet, betrübet meine Seele, und Ihr Jammer ist meine Qual. Derowegen wird mir erlaubet sein, zu sagen, nicht allein, wie man dem Verhängnis sich geduldig unterwerfen, sondern auch wie man das unschuldige Blut aufs grausamste an dem verdammten Mörder rächen möge. Hierzu aber dienet ein übriges Klagen und Trauren am wenigsten, welches dem Feinde vielmehr zur Ergötzung dienet, wenn er siehet, wie er uns auf das empfindlichste gerühret habe. Zwar die Götter haben denen Menschen eine sonderbare Liebe gegen ihre Kinder eingepflanzet, also daß ihnen nichts empfindlichers als deren Verlust widerfahren kann. Allein auch ein wildes Tier greift den Räuber seiner Jungen beherzt an, und versäumt durch übrige Wehmut keine[154] Gelegenheit, sich zu rächen. So nehmen denn E.M. Dero gerechteste Waffen zur Hand, als das beste Mittel, welches die Götter zur Rache geschaffen, vergießen statt übriger Tränen das schwarze Blut der Feinde, und ruhen nicht eher, bis des Mörders Kopf in einem Mörsel zerstoßen, und die verhaßten Anstifter dieser Mordtat denen Entseelten ein blutiges Rachopfer sein mögen.« – »Ach trautester Pantoja«, erwiderte der Kaiser, »Ihr habt recht, doch wie bald kann der fehlen, welchen die Götter nach Eurem eignen Geständnis auf das empfindlichste angreifen. Hierdurch muß auch ein Amboß, geschweige ein menschliches Herze, gekrümmet und weich gemacht werden, wo der Unglückshammer so gar harte hinschlägt.« – »Die Glut der Rache«, versetzte mein Prinz, »kann alles wieder gerade machen, und diese Wunden können nicht anders denn mit dem Blute des Tyrannen geheilet werden. Ich schwere es bei der ewigen Gottheit, daß, wo mir nicht durch einen Fall das Leben verkürzet wird, ich dermaleinst noch mit eigner Hand die grausamste Rache von diesem Frauenmörder nehmen will.« Zarang hatte bisher ganz unbeweglich gesessen, und kein Zeichen einiges Beileides von sich spüren lassen. Inmittelst weil sein Reich mit Brama grenzte, und er daher nicht wenig zur Rache beitragen kunnte, so wollte er hier im Trüben fischen, und sich diesen Jammerfall so weit zu nutz machen, daß er nunmehro den vorhin beängsteten Kaiser zwingen wollte, ihm die Prinzessin Banise nicht allein selbst anzutragen, sondern auch würklich zu überliefern. Welches alles er sattsam zu erkennen gab, wenn er sich nicht scheute, den Todfeind von Pegu ins Angesicht des Kaisers zu rühmen und zu sagen: »Dieses Ungewitter habe ich nicht allein längst über Martabane zuvor gesehen, sondern sehe es auch bereits über Pegu herrauschen, wo nicht durch Klugheit und angrenzende Verbindung diesem Übel beizeiten begegnet wird. Chaumigrem ist ein kluger König, vorsichtig in Anschlägen und beglückt als tapfer in deren Ausführung. Es hätten sich E. Maj. vielmehr bemühen sollen, vorlängst diesen heldenmütigen Nachbar zu einem Freund und Bundsverwandten zu machen, so hätte er vielleicht nicht Ursache gehabt, sich so grausam zu rächen.« Diese Worte mochten den Kaiser gnung durchs Herze schneiden; weil er aber solches klüglich zu verbergen wußte, als antwortete er ganz glimpflich, jedoch mit einer ernsthaften Majestät: »Und dieses konnte [155] uns geraten werden, uns mit einem Hauptrebellen, welcher das unsrige boshafterweise an sich gebracht, und unrechtmäßig besitzet, noch in Freundschaft und Bündnis einzulassen. Nimmermehr soll dieses von einem großmütigen Herzen erhöret werden, daß es Freundschaft bei einem Drachen und Arznei bei einer Spinne suchen soll. Und ob auch diese Freundschaft gut wäre, wiewohl einem versöhnten Feinde nimmermehr zu trauen ist, so lässet es doch die göttliche Gerechtigkeit nicht zu, daß wir durch Hülfe der Feinde unsern Zweck erlangen: vielmehr wird uns der Himmel strafen, wenn wir einem so weltkündigen Aufruhr durch die Finger sehen wollten.« – »Man muß strafen, wenn man kann, und nicht wenn man will«, antwortete Zarang ganz höhnisch, und weil er denn nicht aufhörete, die Tapferkeit und Großmut des unwürdigen Chaumigrems auf das höchste herauszustreichen, und hierdurch den betrübten Xemindo noch mehr schmerzlichst beleidigen; als kunnte mein Prinz sich nicht enthalten, ihm folgenden Einwurf zu tun: »Es müßte sich«, sagte er, »denn der mörderische Chaumigrem in kurzer Zeit so sehr verändert haben, indem ich sonst mit meinen Augen gesehen, wie das Sprüchwort wahr sei: Die größesten Tyrannen sind die verzagtesten Herzen. Denn als er in Ava von dem Prinzen selbiges Reiches eine derbe Ohrfeige bekam, so brauchte er zwar sechs Vorfechter, die gebührende Rache aber ist er demselben bis jetzo schuldig geblieben. Und ob sich zwar auf dessen Ausfoderung der Prinz anerbot, persönliche Rache von sich nehmen zu lassen, und sich dannenhero an bestimmten Ort zu angesetzter Zeit verfügete, so war doch Chaumigrem wie ein Hase bei der Drummel durchgegangen, daß also ganz Ava ein schlechtes Herz und geringe Tapferkeit in dem Chaumigrem urteilte.« – »Wer weiß«, verteidigte ihn Zarang ferner, »was ihn vor wichtiges Bedenken hiervon abgehalten, zudem beruhet auch nicht die Tapferkeit in einem solchen Privatgefechte, sondern verdunkelt vielmehr den Glanz unserer Herzhaftigkeit, weil sonst mancher Musketierer ehe den Titul eines Tapfern, als eine Generalsperson verdienen würde, Ursach, weil sich jener öfterer vor der Spitze gezeiget, und mit seinesgleichen einen Zweikampf gewaget als dieser. Alleine die wahre Tapferkeit lasset sich in herzhaftiger Klugheit eines Feldherrn und tapferer Ausführung eines heldenmütigen Anschlages spüren. [156] Und daß solche Chaumigrem sattsam besitze, indem er die Eroberung eines ganzen Königreichs so herzhaft in kurzer Zeit zu Ende gebracht, solches wird kein Verständiger leugnen können.« Diese Reden machten meinem Prinzen die Stirn ziemlich warm, jedoch wollte er dessen fernere Erklärung hören, indem er sagte: »So es ja einem solchen Prahler nicht zu viel ist, eine Ohrfeige zu verschmerzen, und die Tapferkeit bloß in dem Felde zu erkennen ist, so muß ich als ein lebendiger Zeuge gestehen, daß keine verzagtere Memme, als eben der Chaumigrem kann gefunden werden. Denn als er im Treffen vor Ava die Armee als unwürdiger Feldherr wider S. Maj. von Pegu anführete, und durch seine Unwissenheit den Kronprinzen auf die Schlachtbank lieferte, so war er der erste, welcher durch unnötige Flucht das ganze Heer in Unordnung und zu einer schädlichen Nachfolge brachte. Daß nun diese jetzt schleunige Eroberung geschehen, solches ist nicht ihm, sondern zuvörderst denen erzürneten Göttern, welche ihn als eine züchtigende Rute gebrauchen, hernach aber der unbeschreiblichen Menge, womit er einen so kleinen Haufen bekriegete, zuzuschreiben. Und wo ja ein unredlicher Überfall eine Tapferkeit zu nennen ist, so ist traun! Chaumigrem der Tapferste in ganz Asien. So aber auch dieses nicht wäre, sondern er hätte durch rechtmäßige Gewalt und eigene Tapferkeit diesen Sieg erhalten, wie es doch nichts weniger ist, so verdunkelt doch der unerhörte Mord an dem unschuldigen Frauenzimmer solches alles dermaßen, daß er vielmehr den Titul eines unehrlichen Mörders und schändlichen Bluthundes, als eines tapfern Soldatens verdienet hat; worinnen mir gewiß auch ein jedwedes tapferes Gemüte wird müssen Beifall geben.« – »Gemach, gemach«, hub Zarang ganz entrüstet an zu antworten, »Ihr seid gewiß in einer üblen Schule erzogen worden, daß Ihr nicht bescheidener von hohen Häuptern zu reden wisset. Und weil Euch die Verantwortung Eurer Reden zu schwerfallen möchte, als hielte ich Euer Schweigen vor sehr nötig.« Worüber sich denn mein Prinz dermaßen ereiferte, daß ich nur immer sahe, wenn er nach dem Säbel greifen würde; hiervon hielte ihn aber so weit die hohe Gegenwart des Kaisers ab, daß er nur dieses sagte: »Verflucht sei derjenige, welcher die betrübte Majestät durch Erhebung ihrer Feinde noch ferner beleidiget. Und weil Ihr der erste seid, der mir das Schweigen aufleget, so will ich meine Meinung [157] von dem unredlichen Chaumigrem gegen Euch behaupten. Seid Ihr nun ein ehrlicher Prinz, welcher sich mit keinem Rebellen gemein zu machen begehret, so werdet Ihr mir morgen zu Pegu mit eigener Faust Rechenschaft von Euren Worten geben: Wohin ich Euch denn mit I. Maj. Vergünstigung zu einem Säbelkampf auf Leib und Leben will ausgefodert haben.« Weil sich denn Zarang ungeachtet des Kaisers an meinem Prinzen auf der Stelle vergreifen wollte, als gebot ihm Xemindo Friede mit diesen Worten: »Verwegener Prinz, wie lange sollen wir Euren Hochmut anhören, und wenn werdet Ihr aufhören, uns empfindlichst zu beleidigen? Behauptet demnach morgen Eure Sache, oder meidet unsern Hof.« Womit Zarang den Saal verließ. Wir aber nebst dem Kaiser begaben uns alsofort sämtlich zu Pferde, und ritten ungeachtet der einbrechenden Nacht nach Pegu. Zugleich bemerkten wir an dem heitern Himmel einen entsetzlichen Kometstern, welcher seinen Strahl recht über Pegu stellete, worüber sowohl der Kaiser als auch wir uns nicht wenig entsetzten. Wie wir um Mitternacht vor Pegu anlangeten, und zu dem Tore einritten, stürzete der Kaiser auf ebener Erde, ob wir gleich Schritt vor Schritt ritten, mit dem Pferde, daß ihm das Blut häufig zur Nase herausfloß, welches denn alles von uns übel gedeutet, und leider! allzuwahr erfüllet worden. Als der Morgen angebrochen, und die Sonne bereits einige Stunden die Stadt Pegu beleuchtet hatte, verfügte sich mein Prinz abermals, wie in Ava, bloß mit Säbel und Schild versehen an den Ort, welcher unfern des Schlosses auf einem grünen Platze mit Palisaden umschränket war. Der Kaiser selbst sahe durch ein verborgen Fenster zu, und die Menge der Zuschauer verwehrete uns fast den Eintritt. Nach Verfließung einer halben Stunde meldete sich ein baumstarker Ritter an, und begehrte in den Schranken eingelassen zu werden, welches ihm aber abgeschlagen ward, und mußte er sein Anbringen außer dem Platze sagen, welches hierinne bestunde: Weil sein gnädiger Herr, als der Prinz von Tangu nicht vor ratsam erachtet hätte, sich persönlich in die Gefahr zu begeben, deren er sich wegen kaiserlicher Ungnade besorgete: gleichwohl aber die verwegene Ausforderung nicht ungeahndet hätte können hingehen lassen: als wäre er zugegen, seines Prinzen Ehre zu schützen, und zu erweisen, daß seine Sache gerecht sei. Sobald dieses der Kaiser erfuhr, ließ er meinem Prinzen [158] zuentbieten, weil der rechte Gegner nicht erschiene, so wäre es demnach ganz unnötig, sich mit einem andern einzulassen. Welches aber mein Prinz durchaus nicht eingehen wollte, sondern vorwendete: Er wollte des Kaisers Hoheit und seine Ehre gegen jedweden handhaben, derowegen er in Untertänigkeit bäte, ihm zu erlauben, die Sache auszuführen, welches ihm endlich zugelassen ward. Und also trat dieser schwarze Ritter hinein, welcher einen Schild an dem linken Arm führete, womit sich mein Prinz ganz hätte bedecken können. Der Säbel war gleichfalls von so ungleicher Länge, daß sich mancher würde bedacht haben, ehe er seinem Feinde einen solchen Vorteil eingeräumet hätte. Dessen ungeachtet verließ sich mein Prinz auf seine Hurtigkeit und gerechte Sache. Diesem nach sahe er seinen Feind mit einem ernsthaften Lachen überzwerch an, und nachdem er vermeinte, daß es Zeit sei, ihn anzugreifen, ging er mit starken Schritten, geraden Leibe und funkelnden Augen auf ihn los, und schlug dergestalt auf ihn zu, daß er bald seinen Fehler wegen Übereilung merkete, und sich dannenhero in etwas zurücke zog. Jener hingegen veränderte vor Zorn seine ganze Gestalt, und stellete sich, als ob er meinem Prinzen durch bloße Gebärden einen Schrecken einjagen wollte. Das Feuer stieg ihm ins Gesichte, die Haare stunden gen Berge, die Stirne runzelte sich zusammen, und alle seine Adern bläheten sich auf, bald schnaubete er vor Grimm, bald hielt er den Atem zurück, und bisse die Zähne so grausam zusammen, daß ihm der Jäscht die Lippen bedeckte; ja er führte solche gewaltige Streiche auf meinen Prinzen, daß ich jedesmal besorgte, er würde ihn mitten von einander hauen. Und empfand also mein Prinz sattsam, was er vor einen starken Feind vor sich habe, welchem nichts als die Geschwindigkeit mangelte. Mein Prinz brachte inzwischen das erste Versehen reichlich wieder ein, indem er seinen Feind sich satt arbeiten ließ: hingegen nahm er alle Hiebe, teils durch seine Hurtigkeit, teils durch seinen stählernen und spiegelglatten Schild aus, indem er bald in die Höhe sprang, bald sich zusammen schmiegete, nachdem es die Notdurft seiner Sicherheit erforderte. Endlich mußte mein Prinz besorgen, es möchte seinem Feinde unter so vielen Streichen einer geraten, wodurch er wohl gar den Sieg verlieren dürfte; als begunnte er ihm etwas näher einzurücken, und indem jener einen starken Streich nach dem Kopfe führte, [159] warf mein Prinz den Schild vor, und tat zugleich einen gewaltigen Hieb, welcher auch so wohl geriete, daß des Feindes rechtes Knie ganz gespalten ward. Und dieses war höchstnötig, indem ihm der feindliche Streich den Arm dermaßen erschellt hatte, daß er den Schild fallen zu lassen gezwungen ward. Als nun der starke Gegener zur Erden stürzte, schäumete er vor Eifer wie ein wildes Schwein. Mein Prinz aber säumete nicht, sondern ergriff den Schild hurtig, stürmete, weil jener keine Gnade begehrete, desto mutiger auf ihn ein, und versetzte ihm unterschiedene Wunden, deren aber keine ihn wehrlos machen kunnte, bis ihm endlich ein kräftiger Streich durch das Haupt fuhr, wodurch er Geist und Säbel verlor, und also meinem Prinzen der völlige Sieg zuteil ward. Hierüber entstund nun ein solches allgemeines Jubelgeschrei, als ob hierdurch Chaumigrem selbst erlegt wäre. Ja, die Peguaner verehrten meinen Prinzen mit so häufigen und wunderlichen Gebärden, daß wir kaum das Schloß erreichen kunnten. Ich mußte des Entleibten Schild und Säbel hinter meinem Herrn hertragen, welcher alsobald vor den Kaiser gelassen wurde, dem es mein Prinz mit diesen kurzen Worten zun Füßen legte: »So müssen alle Feinde des Reiches Pegu gestürzet werden!« Xemindo umhalsete ihn aufs brünstigste, und führte ihn abermals in ein besonder Zimmer, daß ich wieder nichts zu sehen noch zu hören bekam, bis mir der Prinz sein zugestoßenes Glück erzählte.

»Allerwertester Pantoja«, hatte ihn der Kaiser angeredet, »es scheinet, als ob die Götter diesem Reiche zum besten etwas Sonderliches durch Euch beschlossen hätten, indem wir Euch so viel Gutes zu danken haben, daß es am Vermögen fehlet, solches mit würklicher Vergeltung zu ersetzen. Und ob wir zwar vermeinet, Euch durch Zuführung der Prinzessin von Saavady einige Vergnügungen zu verschaffen, so befinden wir doch, daß es scheinet, als ob deren Annehmung mehr eine Höflichkeit, als wahre Liebe verursachet habe. Derowegen sind wir nicht wenig bekümmert, indem wir nicht wissen, auf was Art Euch könne einige Vergeltung angenehm gemacht werden, woran uns denn gleichfalls die Unwissenheit Eures wahren Zustandes merklich verhindert. Denn Ihr sollt wissen, daß wir Euch nicht vor einen Prinzen aus Tannassery halten, sondern vor einen Prinzen des Reichs Ava, welches ein von Euch verlornes Bildnis bekräftiget. Derowegen entdecket uns ungescheuet, ob wir in unserer [160] Mutmaßung irren oder nicht. Lasset Euch dieses nicht abschrecken, daß uns Euer Vater ziemlich zuwider, ich will nicht sagen, ein Nahrungsöl gegenwärtiger Rebellion gewesen, sondern versichert Euch, daß Ihr die Fehler Eures Herrn Vaters reichlich ersetzet habet. Dannenhero dürfte Euch diese Offenbarung ein großes zu Eurer Vergnügung beitragen.« Ob nun zwar mein Prinz hierüber sehr bestürzt worden, so hatten ihn doch die letzteren Versicherungen wiederum aufgerichtet, daß er sich entschlossen, des Kaisers Worten zu trauen, und sich folgendergestalt zu offenbaren: »Großmächtigster Kaiser und Herr! wenn ich Dero hohen Gnade und unvergleichlichen Tugend nicht versichert wäre, daß sie die Missetat eines ungerechten Vaters die Unschuld eines Kindes nicht würden entgelten lassen, so trüge ich billiges Bedenken, mich demjenigen zu offenbaren, welcher die Rache in Händen hat. Nachdem ich mich aber verpflichte, nicht allein nach äußerstem Vermögen die väterliche Scharte wiederum auszuwetzen, sondern auch vor die hohe Wohlfahrt dieses Kaiserlichen Hauses mein Leben aufzusetzen, so lebe ich der festen Zuversicht, es werde Dero Kaiserliche Gnade nicht vermindert werden, ob ich schon bekenne, daß ich wahrhaftig ein Prinz, und zwar der nächste zur Krone von Ava bin, welchen ein unbarmherziger Vater vertrieben, und die gütigen Götter seine Vergnügung in Pegu zu suchen geraten haben.« Der Kaiser hatte meinen Prinzen durch einiges Stillschweigen etwas bekümmert, jedoch durch folgendes Anreden bald wieder ermuntert: »Wertester Prinz! wahr ist es, Euer Vater hat uns nicht wenig betrübet, ja er hat sich nicht als ein naher Vetter und Blutsfreund, sondern als ein geschworner Todfeind gegen uns erwiesen, welches uns aber jedoch keinesweges verhindert, Euch mit aller Gnade und Wohltat zu überschütten; angesehen Ihr den harten Fehler Eures Vaters mit reichem Wucher ersetzet, und uns dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzeihung, sondern auch zu einer genauern Verbindung bewogen habet. Denn Euch soll es ganz Ava zu danken haben, daß es künftig von aller Botmäßigkeit des Peguanischen Throns befreiet, die höchste und unbeschränkte Gewalt allein haben, und dessen Könige niemand als die Götter vor ihre Oberherren erkennen sollen. Ja Eure hohen Verdienste bewegen uns auch, Euer mutmaßliches Absehen gutzuheißen, und durch ein festes Liebesband Pegu und Ava zu verbinden,[161] wodurch der alte Haß getilget, und beide Reiche in blühendem Wohlstande erhalten werden sollen. Sehet, mein Prinz, und saget, ob wir erkenntlicher sein könnten, indem wir unser Liebstes, ja unser Fleisch und Blut, das Opfer eines dankbegierigen Herzens sein lassen, in Hoffnung, das Reich Pegu werde Eurem tapfern Arme noch künftigen Wohlstand zu danken haben.« Diese Worte hatten meinen Prinzen dermaßen aus sich selbst gesetzet, und entzücket, daß er nicht gewußt, wie ihm geschähe, oder womit er seine innerste Herzensvergnügung sattsam ausdrücken möchte. Endlich war er vor dem Kaiser niedergefallen, hatte dessen Knie umfasset, geküsset, und mit schwacher Stimme geantwortet: »Allergnädigster Kaiser und Herr, dessen Tugend und Gütigkeit höher ist, als sie von mir kann erkennet oder begriffen werden! Ich weiß nicht, ob mich die Götter abermals durch einen süßen Traum vergnügen, oder das im Tempel zu Pandior angenehme Schlafgesichte erst erfüllen wollen. Denn E. Majest. sollen wissen, daß, ehe ich noch das werte Pegu gesehen, ich zuvor die Götter zu Pandior sehnlichst um den Ausgang meiner Reise zu zeigen, ersuchet, daß sie mir die vortreffliche Gestalt der überirdischen Prinzessin von Pegu im Schlafe gezeiget, mich aber bis auf diese Stunde in verwirreten Nachdenken gelassen haben. Sollte ich nun nach Dero hohen Worten dieses unerforschlichen Glückes fähig werden, womit könnte ich alsdenn diese unaussprechliche Gnade im geringsten erwidern? Denn ob ich auch ein tausendfaches Leben vor jedweden Peguaner, geschweige vor E. Maj. aufsetzte, so reichete es doch noch lange nicht an dem schönen Verdienst, welchen mir E. Majest. zuerkennen. Ich opfere mich demnach mit Leib und Gemüte und allem, was mir die Götter jetzt und künftig gönnen werden, zu ewigen Diensten vor E. Majest. und dessen Kaiserlichen Hauses Wohlergehen. Und ob ich mich zwar eines solchen himmlischen Schatzes im geringsten nicht würdig erkenne, so flehet doch mein verlangendes Herz um gnädigste Erfüllung Dero hohen Versprechens.« – »Haben wir hier den rechten Zweck getroffen«, hatte der Kaiser lächelnde geantwortet, »und kunnte die Prinzessin von Saavady nicht solchen Dank herauspressen? Inmittelst verziehet hier, und verberget Euch hinter diese Tapeten, wir wollen die Prinzessin herrufen lassen, da Ihr denn unsern Vortrag und ihren Entschluß selbst mit anhören könnet.« Diesem zu [162] gehorsamster Folge hatte sich der Prinz verstecket, und in kurzem durch einen kleinen Ritz der Tapete diese Sonne in dem Zimmer aufgehen sehen, welche der Kaiser bei der Hand an ein Fenster geführet, und sie mit lauter Stimme, also, daß es mein Prinz sattsam verstehen können, angeredet hatte: »Liebste Tochter, Ihr werdet meine väterliche Gewogenheit und Gnade bisher sattsam verspüret, und daraus erkennet haben, wie ich jederzeit als ein treuer Vater vor Eure Wohlfahrt gesorget, um Euch zu vergnügen, damit ich nicht solchen Schmerzen als an der Königin von Martabane erleben möge, wovor mich die gütigen Götter in Gnaden behüten wollen! Nachdem es aber an dem, daß Ihr wohl wisset, wie beharrlich Euch Zarang, der Prinz oder vielmehr König von Tangu, bishero bedienet, und Eure Liebe gesuchet hat. Diesemnach hat er auch noch heute bei mir, als Eurem Vater, inständigste Ansuchung um Vollziehung dieser Liebe tun lassen. Weil nun der betrübte Zustand unsers Reiches und die androhende Gefahr des Feindes erfordert, sich der Freundschaft des Hauses von Tangu zu versichern; als habe ich den Gesandten nicht anders, denn mit einem willfährigen Entschluß abfertigen können. Diesem Euch nun gleichförmig zu bezeigen, ist mein Begehren, und werdet Ihr hiedurch ein merkliches Zeichen kindlichen Gehorsams spüren lassen.« Die Prinzessin war hiedurch ganz erstaunet und erblasset, also, daß sie auch die Wand fassen und sich daran lehnen müssen, da sie denn eine gute Weile kein Wort geredet, sondern sich nur bemühet, durch bewegliches Ansehen den Herrn Vater zu einigem Mitleiden zu bewegen. Als sie aber der Herr Vater zu entschließender Antwort angemahnet, war sie endlich gar vor ihm auf die Knie gesunken, hatte dessen Hand mit Tränen geküsset, und endlich also geantwortet: »Allergnädigster Herr und Vater! ich weiß wohl, daß sich mein kindlicher Gehorsam bis ins Grab erstrecken soll, ja ich bin bereit, solchen mit meinem Blute zu bestätigen: allein, wo dessen Herze einen väterlichen Blutstropfen gegen mich heget, wo ein fußfälliges Kind erbarmungswert ist, wo meine Tränen einen Marmel erweichen können, ja wo meine Seufzer den väterlichen Geist nur etwas bewegen können, so bitte ich, so flehe ich, mich eher zu einem Opfer als zu einer Braut des Zarangs zu bestellen, ich will eher seinen Säbel als seine Lippen küssen, weil mich der Tod mehr als sein Purpur ergötzen soll.« – [163] »Was hat ihn Euch aber so verhaßt gemacht?« hatte der Kaiser gefragt. »Ach, E.M.«, war ihre Antwort gewesen, »erwägen doch, ob dieser zu lieben sei, welcher sich gleich denen Bestien fast stündlich in ärgsten Lastern besudelt, und seine Brunst täglich durch frischen Wechsel zu kühlen trachtet. Sein Hochmut verwandelt sich öfters in Grobheit, und kann hierdurch auch der gemeinsten Seelen einen Ekel erwecken. Ja es mißfället mir dessen ganze Person dermaßen, daß ich spüre, wie dieser Haß durch einen Einfluß des Himmels entspringet, welchem ich nicht widerstehen kann noch will. So bin ich demnach versichert, es werde dessen väterliches Herz ein gehorsamstes Kind nicht so empfindlich betrüben, sondern vielmehr wissen, daß er mehr Schmerzen an mir als an meiner entseelten Schwester erleben würde.« – »Und gleichwohl«, hatte der Kaiser erwidert, »weiß ich Euch nicht besser zu versorgen. Wir sind zwar allerseits dem Pantoja sehr verpflichtet, allein das kleine Tannassery ist Euch nicht anständig, und daß ein König von Siam eine freie Prinzessin beherrschen solle, solches ist uns nachteilig.« – »Derowegen entlediget mich meines Kummers, gnädigster Herr Vater«, hatte sie versetzet, »so es ja die Götter beschlossen hätten, daß meine Blumen nicht in der Knospe verblühen, noch in dem Grabe verwelken sollen, so ist doch dieses gegen selbten mein geheimer und freier Entschluß, eher den Prinzen aus Tannassery in einer belaubten Hütte als den Zarang auf einer Königlichen Burg zu lieben. Denn er ist ja der, welcher verhütet, daß ich nicht zu einer unzeitigen Waise geworden, er ist es, der mein Leben errettet, und unsere Ehre gegen den verhaßten Zarang verteidiget hat. Zudem bin ich versichert, daß er einer höhern Ankunft ist, als er vorgibet; und liebe ich das Bildnis seiner Fräulein Schwester, welches mir das Glück in die Hand geführet, herzlich, also daß ich hieraus einen hohen Bruder urteile. Ich rufe diese stumme Tapeten zu Zeugen an, daß ob ich zwar dem Pantoja nicht mit Liebe, dennoch mit einer sondern Zuneigung aus einem verborgenen Antrieb zugetan bin.« – »Weil Ihr denn«, war des Kaisers Erwiderung gewesen, »die stummen Tapeten zu Zeugen Eurer Liebe anrufet, so mögen sie auch antworten. Ich werde Euch etwas verlassen, und befehle Euch, denen Tapeten gütige Antwort zu erteilen.« In welcher Verwirrung er sowohl die Prinzessin als den verborgenen Prinzen gelassen hatte, der in solcher [164] Angst gewesen, daß er bekennete, es sei vor seinem Feinde zu erscheinen ein Kinderspiel zu achten, gegen diesem, da man einer Person begegnen soll, derer Mund unser Tod und Leben auf der Zunge führet. In solchem Zweifel nun hat die schöne Prinzessin vermeinet, sie wäre in sicherster Einsamkeit. Dannenhero sie ihren Gedanken den Zügel ziemlich schießen lassen, und durch ihre Rede mit sich selbst dem Prinz noch etwas Bedenkzeit gelassen. »Verwirreter Zustand!« hatte sie der Prinz reden hören, »in welchen mich mein Herr Vater versetzet hat. Einerseits betrübet er mich mit dem unanständigen Zarang, andernteils hat mich dessen Mund mit dem tapfern und unfehlbaren Prinzen von Ava erfreuet, welchen zu lieben mir die Tugend befiehlet. Was soll ich aber aus des Herrn Vater dunkeln Worten nehmen? Ich werde mich ja nicht in leblose Tapeten verlieben sollen? Doch, wie ich sie vormals zu Zeugen angerufen, so kann ich es ihrer Verschwiegenheit wohl entdecken, daß mich noch der Prinz von Ava von der verdrießlichen Liebe des Zarangs befreien soll. Zu diesem Entschluß treibet mich, ihr Götter wisset's, keine geile Brunst, sondern die Tugend und die Not. Denn wie ich die Rosen der Wollust jederzeit aus dem Garten meines Herzens gereuet; also habe ich hingegen die Lilien der Keuschheit hinein gepflanzet. Will ich nun diese zu einem reinen Opfer widmen, so zwinget mich die Not und zugleich ein innerlicher Trieb, einen tugendhaften Pantoja, statt des lastervollen Zarangs zu einem keuschen Gärtner zu erwählen, welcher ...« Diese Worte, wie sie meinen Prinzen entzückt, also hatten sie ihn auch ganz beherzt gemacht, daß er sich endlich erkühnet, als den Gärtner vorzustellen. Über dessen Erscheinung die Prinzessin dermaßen erschrocken, daß sie einen lauten Schrei getan, und nach dem Fenster gelaufen war. Als nun Schrecken und Scham die schöne Purpurfarbe ihrer Wangen um ein großes vermehrte, und ein anmutiges Zeugnis ihrer züchtigen Schamhaftigkeit gegeben, oder vielmehr angedeutet hatten, daß der Prinz noch dermaleins ihre Vollkommenheit und keusches Herze als die edelsten Schätze der triumphierenden Natur für lieb- und leibeigen besitzen würde, also war mein Prinz eine gute Weile mit seinen Augen an den ihrigen geheftet verblieben, deren Magnet als zwei hellfunkelnde Nordsterne ihn ganz an sich gezogen hatten. Endlich aber hatte doch mein Prinz auf den Knien das Stillschweigen [165] zuerst gebrochen, und gesagt: »Schönste Prinzessin! Die Götter sind meine Zeugen, daß mich nicht einiger Vorwitz, noch allzu wenige Hochachtung gegen Dero himmlische Person zu dieser Kühnheit verleitet, wenn ich so frei Dero Einsamkeit verstöre, und mich unterfange, so ungescheut den durch Ihre Gegenwart geheiligten Ort zu betreten. Der gnädigste Befehl von Ihr. Maj. Dero Herrn Vater ist hierinne die Richtschnur meines untertänigsten Gehorsams gewesen. Sollte ich aber wegen allzu genauer Beobachtung dieses angenehmen Befehls gesündiget, und durch diese Verwegenheit Dero Tugend zu sehr beleidiget haben, so will ich diesen Fehler auch mit meinem Blute büßen.« Die Prinzessin hatte hierauf eine ziemliche Weile stille geschwiegen, und dadurch meinen Prinzen abermals nicht wenig bekümmert gemacht, endlich aber doch folgendergestalt geantwortet: »Tapferer Pantoja! wann ich mich nicht wegen Errettung meines Lebens Euch verpflichtet wüßte, und Euch nicht kaiserliche Gnade dieses Unterfangen verstattet hätte, so müßte ich bekennen, daß dieses ein höchst strafbares Beginnen wäre, wodurch Ihr Euch unterstündet, meine Tugend und Geduld auf eine harte Probe zu setzen. Nachdem aber dieses mein Herr Vater sonder Zweifel wohl wird überleget haben, und ich also mein übriges Bedenken nur hintan setzen muß: So soll Euch nicht allein dieses vergeben, sondern auch erlaubet sein, demjenigen, was mein Herr Vater Euch befohlen hat, nachzukommen.« Weiln nun mein Prinz in den Gedanken gestanden hatte, es würde der Kaiser bereits diese wichtige Sache mit ihrer Genehmhaltung abgehandelt haben, als war er um so viel desto beherzter zu Entdeckung seines schmerzlichen Anliegens geworden, indem er gesagt: »Durchlauchtigste Prinzessin! Dero hohe Erlaubnis zwinget mich zu einer Bekenntnis, welche ich sonst wohl verschwiegen, und in mein Grab mitgenommen hätte. Ich bekenne aber mein Unvermögen, daß ich zu schwach, will nicht sagen, zu blöde sei, etwas zu entdecken, wodurch ich bis in Himmel könne erhaben, auch bis zur Höllen gestürzet werden, es wäre denn, daß eine nochmalige Versicherung aus Dero holdseligen Munde mich so weit stärkte, es sollte nicht sowohl erlaubt, als auch gnädigst aufgenommen werden.« – »Ich beschwere Euch, Prinz Pantoja«, hatte sie hierauf geantwortet, »daß Ihr Euch frei entdecket, und mich glückselig machet, wenn ich [166] durch einige Hülfe in Eurem Anliegen die Pflicht meiner Dankbarkeit in etwas bezeugen könne.« Hier, sagte mir mein Prinz, wäre er mit solcher Bangigkeit des Herzens befallen worden, als immermehr ein Mensch in letzten Zügen erfahren könnte. Er hätte sein Vornehmen bei sich auf tausenderlei Art überleget, und doch geschlossen, es müßte bei diesem Entschlusse verbleiben. Nachdem er aber nach einem so mühsamen Streite sich ohne Zweifel würde sehr betrübet haben, wenn er so gute Gelegenheit, welche er zeit seines Lebens nicht wieder erlangen möchte, aus bloßer Blödigkeit sollte aus den Händen haben gehen lassen, als hat er dieser gefährlichen Nachfolge mit diesen endlichen Worten zuvorkommen wollen: »Hochwerteste Prinzessin! Weiln ich es mir denn vor die höchste Ehre schätze, meine Pflicht jederzeit durch gehorsame Folge zu bezeugen: So breche demnach die Kette meiner schwachen Zunge, und bekenne aus innersten Grunde seines Herzens, daß Balacin, Prinz von Ava, bereits mit dem einen Fuße das Grab berühre, wo ihn nicht die überirdische Leutseligkeit der himmlischen Banisen vom Tode errettet. Denn wie die Sonne auch abwesende würket, und man den unsichtbaren Göttern die meisten Opfer gewähret, also schwere ich, daß mich Dero Schönheit auch in der Ferne verwundet, und die Strahlen Ihrer Tugend entzündet haben. Die Begierden haben durch Dero hohes Lob auch von weiten als ein Zunder Glut gefangen, welche aber nunmehro durch den Blitz gegenwärtiger Kraft vollkommene Flammen zeigen. Hemmet Sie nun nicht, unvergleichliche Banise, diese Brunst, und lässet die brennende Sonne sich nicht in ein güldenes Licht süßer Gegenhuld verwandeln, so muß Balacin zu Asche werden. Ich erkühne mich nunmehro ungescheut zu sagen: Ich bin verliebt. Banise ist die Sonne, ich Ihre Wende: Sie ist mein Nordstern, ich Ihr Magnet. Schönste Vollkommenheit! mein glühendes Herz zündet Ihr den Weihrauch reinester Liebe an, und ich schwere, auch mein getreues Leben aufzuopfern. Weil nun der Götter Tempel dem offenstehet, welcher Sie zu verehren suchet: so eröffne Sie demnach Ihr himmlisches Heiligtum der Seelen, und verschmähe nicht das flammende Opfer Ihres ewig gewidmeten Balacins.« Die Prinzessin hatte hier durch ihr sonderbares Erröten sattsam zu verstehen gegeben, daß sie sotaner Liebesentdeckung nicht vermuten gewesen; nachdem sie aber sonder Zweifel wohl bedacht [167] gehabt, wie sie sich selbst unwissende verraten habe, so hat sie endlich durch folgende Antwort meinen Prinzen in nicht geringe Vergnügung gesetzet: »Es ist etwas Ungewöhnliches, daß sich eine Prinzessin, welche die Liebe fast noch nicht zu nennen weiß, sollte so bald gefangen geben, und ganz Asien wird mich eines Fehltritts beschuldigen, wenn ich einem fremden Prinzen auf erstes Ansuchen die Hand reichte: Als würde Prinz Balacin den Ruhm sonderbarer Klugheit verdienen, so Er die Flammen seiner Liebe mit Geduld mäßigte, und mit dieser Versicherung vergnügt lebte, daß die Götter mit der Zeit Sein Verlangen wohl erfüllen werden.« Wie nun der Prinz mit Vergnügung ersehen, daß seine Liebe nicht übel aufgenommen würde, so hat er um so viel beherzter solchen guten Anfang verfolget und gesaget: »Allerschönste Prinzessin! diese Worte leget zwar Dero keusche Tugend in Ihren Mund, und gibet Ihr den Rat, sich als eine Sonne der Vollkommenheit vor allen Finsternissen einiger Nachrede zu hüten. Allein es ist ein großer Irrtum, wo man meinen Brand eine jählinge Glut nennen will. Die Flammen haben mir vorlängst die Götter selbst angezündet, und von derselben Zeit an brenne ich, ja jeder Tag hat meinem Schmerzen frisch Öl eingeflößt. Ich habe Ihrer Schönheit schon vorlängst einen Tempel in meinem Herzen gebauet, welches mich erst diese glückselige Stunde entdecken heißt. Zudem wird mir Dero eigene hohe Vernunft beglückt zustatten kommen, wenn Sie erwägt, mit was aufrichtigem Herzen und Darstellung meines Lebens ich mich vor die hohe Wohlfahrt dieses Hohen Hauses bemühet, und wie auch durch fernern Verzug dem Zarang könnte Gelegenheit zur Ausführung verzweifelter Anschläge gegeben werden: Ja ich will nichts sagen von dem drohenden Chaumigrem. Sollen nun diese Vernunftschlüsse etwas gelten, ach so erfreue Sie doch den vor Liebe fast entseelten Balacin mit einer solchen Entschließung, woraus eine allseitige Vergnügung entspringen könnte.« – »Es ist unnötig«, hatte hierauf die Prinzessin etwas freimütiger versetzet, »meine Glut zu verbergen, wovon Balacin bereits die Flammen sattsam gespüret hat. Ich merke der Götter gütiges Verhängnis, welches mir heimlich befiehlet, denjenigen zu lieben, welcher sich verpflichtet hat: und, einer unanständigen Liebe vorzukommen, so sei ihm hiermit dasjenige zur Dankbarkeit gewidmet, was Er selbst dem großen Panther [168] aus den Klauen, und dem Tode aus dem Rachen gerissen hat.«

Wie hier dem Prinzen, als sie ihm zugleich die Lilienhand zum Kusse überreichet hat, müsse zumute gewesen sein, solches überlasse ich andern, welche diese Vergnügung empfunden haben, zu reiferm Nachdenken. Gnug, wenn ich des Prinzen Worte erzähle, daß ihm vor Freuden Hören und Sehen vergangen, und er ihre Hand an seinen Mund drückende fast unbeweglich sitzen blieben, bis endlich der Kaiser das Zimmer wiederum betreten, und die Prinzessin gefraget: Was die Tapeten beschlossen hätten? Da denn endlich der Prinz wieder zu sich selbst gekommen, und die Beantwortung durch folgende Worte auf sich genommen hatte: »E. Maj. überhoher Verstand hat freilich die Stummen redend gemacht und mich in dieser Stunde auf den höchsten Gipfel des angenehmsten Glückes gestellet: Dannenhero bitte ich in tiefster Demut, das höchste angenehme Werk, wie es erwünscht angefangen worden, also auch gnädigst zu vollziehen, und durch Dero väterliches Machtwort völlig zu bestärken.« Hierauf hatte der Kaiser die Prinzessin bei der Hand genommen, sie dem Prinzen zugeführet, und mit diesen Worten übergeben: »So überreichen wir Euch demnach, Prinz von Ava, den letzten Anteil unsers Herzens, und versichern Euch, daß wir nicht fähig sind, etwas Höhers und Angenehmers zur Bezeugung unsers dankbegierigen Gemütes zu schenken. Erkennet's demnach vor ein sonderliches Gnadengeschenke, und erwidert solches mit treuer Aufrichtigkeit und möglichstem Beistande wider unsere Feinde. Wir haben uns um Euretwillen einen nicht geringen Feind an dem Prinzen von Tangu gemacht, welches denn bei jetzig weit aussehenden Zeiten eine geringe Staatsklugheit ist; Eure bekannte Tapferkeit aber verspricht uns, solchen Verlust reichlich zu ersetzen. Die Götter beseligen Euren verliebten Vorsatz, und erfüllen Eure Herzen mit angenehmster Lust! Der Himmel lasse aus diesem Sonnenschein nimmer einen schädlichen Blitz fahren, und verwandele alle Kometen in Glückssterne! Wie nun das Küssen der Kern, ja die Seele der Liebe ist; also versiegelt diesen heiligen Bund mit einem festen und süßen Kusse.« Wie gehorsam diesem angenehmen Befehl mein Prinz nachgelebet, ist hieraus abzunehmen, wenn sich dieser einfache Kuß dermaßen vielmal verdoppelt hat, daß man fast neue Ziffern erdenken müssen, wenn [169] man sie alle hätte nachzählen sollen. Hierbei aber hatten die Götter abermals ein Vorzeichen künftiger blutigen Trennung geben wollen, indem der Prinzessin, als sie dero Herrn Vater, statt kindlicher Danksagung, die Hand küssen wollen, drei Blutstropfen unversehens aus der Nasen auf des Kaisers Rock geschossen, worüber sie sich allerseits nicht wenig betrübet, und sotane angenehme Zusammenkunft zu meines Prinzen hohen Mißvergnügen desto eher geendiget hatten. Sobald wir nun unser Quartier betreten, machte mich mein Prinz zu seinem Liebesvertrauten, und erzählte mir mit höchstem Vergnügen, wie weit die gütigen Götter ihren Ausspruch erfüllet hätten. Diesemnach dauchte meinen Prinzen dieser Hof ein Himmel zu sein, in welchem nichts denn sein ewiges Wohl ohne einiges Verhindern wohnen müßte. Die Vergnügung sahe ihm aus den Augen, und jedwede Gebärde stellete ein Liebeszeichen vor. Ja seine Liebe konnte so wenig ruhen als ein zartes Kind, welches nicht schlafen, noch sonder Tränen allein bleiben kann. Seine Gedanken und Reden mochten vor den Leuten herumschweifen, so weit sie immer wollten: Der Mittelpunkt ihres Zieles blieb doch allezeit die schöne Banise. Ihr Name war ihm ein Zucker in Ohren, und gemeiniglich bei dem andern oder dritten Worte fuhr er ihm aus dem Munde. Sein Herze wohnete mehr in ihr als in unserm Palaste, sogar, daß allerdings Wildfremde ohne Mühe daraus urteilen kunnten, wie heftig verliebet und empfindlich verwundet er sei. In solcher innigsten Vergnügung bildete er sich öfters ein, es wäre nur ein Traum, welcher durch ein unangenehmes Aufwachen verschwinden, und ihn in vorige bekümmerte Nachforschung versetzen würde, angesehen ihm fast ebenso im Tempel zu Pandior zumute gewesen. Ja, er hielte es manchmal vor eine Unmöglichkeit, daß es ihr ernst gewesen sei, und er sich einige gewisse Hoffnung hierauf machen dürfte, welches gleichsam fähig wäre, auch die Götter zu vergnügen. In solchem verliebten Zweifel entschloß er sich einsten, ihr eine schriftliche Versicherung abzufordern, wodurch er sich jederzeit in seiner Hoffnung befestigen, und allen Zweifel-Mut durch öfteres Überlesen verjagen könnte. Dannenhero stellete er mir eine verschloßne Schrift zu, welche mir doch vorhero zu lesen erlaubet war, in welcher er nicht allein seine innigste Liebe wiederholte, und um dero Gegenliebe anhielte, sondern auch, weil er vermeinte, es könnte nicht fehlen, [170] solch hohes Glücke würde ihm von vielen beneidet, und dahero durch heimlich Verleumdung bei seiner Prinzessin verhaßt gemacht werden, beweglichst um Beständigkeit anhielte, und letztens eine schriftliche Versicherung ihrer Gegenhuld verlangete. Meinem wenigen Behalt nach flossen ohngefähr diese gebundene Worte:


Hier kömmt ein kleiner Brief, durch Liebe stilisieret,
Und legt sich, schönstes Kind, zu deinen Füßen hin,
Ich schwere, daß dies Blatt nichts Falsches in sich führet,
Besondern jedes Wort umschränkt der treuste Sinn.
Der Wörter schlechte Pracht entspringt aus frommen Kiele,
Die Dinte schreibt zwar schwarz, doch ist das Herze weiß.
Er setzet reine Treu sich nur zum keuschen Ziele,
Kurz: Dessen Absehn ist ein grünes Myrtenreis.
Bewundre nicht, mein Kind, mein allzu kühnes Schreiben,
Den Ausspruch hat ja selbst dein schöner Mund getan,
Es stünde bloß bei mir, untreu und treu zu bleiben;
Drum nehm ich billig mich des holden Urteils an.
Dein reines Tugendgold beleget mich mit Ketten,
Und deiner Schönheit Macht schließt mich in Fessel ein,
Woraus mich nichts als nur der blasse Tod soll retten,
Und die Erlösung soll bloß in dem Grabe sein.
Erlaube, Engelsbild, dich nunmehr frei zu lieben,
Dem, der sein ganzes Sich dir aufgeopfert hat.
Ein heimlich Schicksal hat mich zu dir her getrieben,
Und meine Freiheit hemmt des Himmels hoher Rat.
Willst du nun, schönstes Kind, die reine Glut verdammen,
Und will dein harter Sinn dem Schicksal widerstehn?
So straft der Himmel dich mit gleichen Liebesflammen,
Denn seiner Rache kann kein Sterblicher entgehn.
Ach lasse meine Glut dir nicht zuwider fallen,
Mein Engel, gönne mir geliebte Gegenhuld.
Ich sichre, sonder Ruhm, mein Lieben soll vor allen
Des Vorzugs fähig sein wie bei Metallen Gold.
Will gleich der gelbe Molch des Neides mich beflecken,
Stürmt gleich ein Nattermaul mit Lügen auf mich ein:
Doch soll das Silberkleid der Unschuld mich bedecken,
Und die Beständigkeit soll ihre Schande sein.
Nicht traue, schönes Bild, verdammten Lästertücken,
Nur glaube, was mein Mund so heilig dir verspricht:
Laß ferner nun kein Netz des Zweifels dich berücken,
[171]
So lieb ich deinen Geist, bis mir das Herze bricht.
Was will ich aber viel von meinem Feuer sagen?
Wer weiß, ob Gegenteil auch etwas Flammen hegt.
Die Fessel werden nur vielleicht von mir getragen,
Da sie hingegen doch das Gold der Freiheit trägt.
Jedennoch will ich nicht so etwas Übels hoffen,
Ob sollte Grausamkeit mit Schönheit sein vermählt.
Denn hat des Himmels Schluß mit Liebe mich getroffen,
So trau ich seiner Gunst, er hab auch dich erwählt.
Darum erlaube mir, mich deinen Knecht zu nennen,
Nimm an das treue Herz, das sich dir eigen gibt.
Und lasse Gegenhuld mit gleicher Flamme brennen,
So wisse, daß die Glut selbst Stern und Himmel liebt.
Will mich nun deine Gunst ins Buch der Liebe schreiben:
Ach so erfreue mich durch eine Gegenschrift.
Und lasse bis ins Grab, mich dein, dich meine bleiben:
So hat der Himmel selbst dies Liebeswerk gestift.

Dieses zu überbringen wurde ich befehliget, worzu ich durch Hülfe meiner alten Liebe, der Eswara, auch leicht gelangete, welche mir in kurzem wiederum eine kleine versiegelte Schrift einhändigte, solche meinem Prinzen statt erwünschter Antwort zurücke zu bringen. Dieses verrichtete ich eiligst, und erfreute meinen Prinzen hierdurch aufs höchste, welcher es sobald erbrach, und fast jedes Wort mit einem Kuß beehrte. Den kurzen Inhalt erfuhr ich hernach folgendergestalt:


Ein Brief von deiner Hand erfreuet und betrübet,
Die, deren Geist und Herz von dir ja Flammen fängt:
Die, welche dich fast mehr als ihre Seele liebet,
Und ihrer Sinnen Schiff nach deinen Augen lenkt.
Ich bin erfreut, wenn mir dein Kiel von Liebe schreibet,
Betrübt, wenn Zweifelmut fast jede Silbe rührt:
Da doch die Zuversicht des Liebens Zucker bleibet:
Wie daß denn Balacin mich auf die Probe führt?
Jedoch die Liebe ist ein etwas zartes Wesen,
Ist sie gleich Erz: Die Furcht macht sie zur Märzenblum.
Genug, wenn Balacin soll diese Worte lesen:
Banis ist ihm verpflicht als Schatz und Eigentum.

Und dieses wiederholete er zum öftern dermaßen, daß er fast aus sich selbsten zu sein schiene: Ich halte auch darvor, [172] er wäre in solcher Verzückung noch länger verharret, wenn ihm nicht die Ankunft des Talemons verstöret hätte. Dieser brachte die leidige Zeitung, wie der Tyranne Chaumigrem dem Kaiser einen Krieg, und den Tod seines Bruders Xenimbruns zu rächen, angekündiget hätte; gleich als ob ein König, so er einen seiner Untertanen, überwiesenen Aufruhrs wegen, abgestrafet, einem andern hiervon Rechenschaft zu geben, verbunden wäre. Derohalben wurde mein Prinz zugleich durch diesen in den geheimen Kriegsrat erfordert, da er seine verliebte Gedanken ändern, und dem Talemon folgen mußte, welches er auch willigst verrichtete, und alle Gelegenheit suchte, sich dieses herrlichen Kleinods von Pegu recht würdig zu machen. Weil ich nun befehligt war, im Palast zu verbleiben, als vertrieb ich meine Zeit sehr wohl durch das Fenster, indem ich des Talemons Vorbringen durch einen starken Tumult nicht wenig bestärket sahe. Denn was vor Getümmel von Soldaten, Pferden und Elefanten auf denen Gassen und dem Markte war, solches ist unbeschreiblich; und sahe ich über zwanzig Läufer mit offenen Befehlen aus dem Schlosse laufen, welche die weit entlegene Armee zusammenberufen sollten. Ja es war eine solche Verwirrung, daß ich nicht anders meinte, der Feind hätte schon Pegu berennet, da er doch noch über siebenzig Meilen von dannen war. Als ich diesem Wesen bei zwei Stunden zugesehen, kam mein Prinz ganz tiefsinnig wieder nach Hause, und kunnte ich in langer Zeit nichts von ihm erfahren, bis er mir endlich nur dieses eröffnete, daß wir in drei Tagen eiligst aufbrechen, und uns wieder nach Ava wenden würden. Welches mich heftig erschreckete, und in die falsche Meinung setzte, es hätte irgend Zarang meinem Prinzen einen Stein ins Brett geworfen, und seine Liebe verhindert. Endlich aber erfuhr ich, daß meinem Prinzen in dem Kriegsrat wäre zugemutet worden, weil man sich durch Vergebung der Prinzessin auf Seiten gegen Tangu in nicht wenige Unsicherheit gesetzet, hingegen durch diese Heirat die Krone Ava dem Reiche Pegu hoch verbunden gemacht hätte; als sollte sich mein Prinz persönlich nach Ava verfügen, seinem Herrn Vater diese Bindung hinterbringen, und um wirklichen Beistand wider den rebellischen Chaumigrem anhalten. Hingegen sollte der König von Ava aller Lehnpflicht erlassen, und mit der unumschränkten Gewalt eines Reichs erfreuet werden. Wie nun teils meinem Prinzen [173] die Begierde dieses Kaiserliche Haus zu retten, teils die innigste Liebe und der schleunige Verlust so angenehmster Gegenwart sonderlich anfochte, und mit einem Worte Ehre und Liebe einen heftigen Wettstreit in ihm verursachten; so ließ er doch endlich der Ehre die Oberhand, in Betrachtung, daß solche seiner Liebe einen großen Vorteil verschaffen könne. Inmittelst gebrauchte er diese wenige Zeit dermaßen, daß ich, außer gegen die Nachtzeit, indem daß ich mit Einpacken und möglichster Zubereitung zu bevorstehender Reise beschäftiget war, meinen Prinzen nie zu sehen bekam. Dannenhero ich auch von diesen verliebten Zusammenkünften keine Nachricht erteilen kann: Genung, wenn ich sage, daß dieses hohe Paar mit so reiner und brünstiger Liebe begeistert gewesen, als es dero beiderseitige Tugend und Schönheit immermehr erfodern können. Nunmehro aber brach das betrübte Licht an, da sich die Herzen trennen, und ein trauriger Abschied die Gemüte empfindlichst rühren sollte. Es waren auf Kaiserlichen Befehl dreihundert tapfere Reuter nebst gnugsamen Pferden und Reisekasten uns zugeordnet, welche einesteils bereits vor der Pforte uns aufwarteten. Dannenhero mein Prinz mit schwerem Herzen das Lager verließ, sich ankleidete, und sofort nach Hofe verfügte, woselbst er zuvörderst von dem Kaiser gebührenden Abschied genommen, welchem ich gleichfalls nicht beigewohnet, und dahero von meines Prinzen geheimen Verrichtungen nichts sagen kann. Nach diesem verfügte er sich nach dem Frauenzimmer, und erlaubte mir unwürdigst, diesem traurigen Abschiede persönlich beizuwohnen. Wir wurden alsobald in der Prinzessin Zimmer eingelassen, welche wir auf einem Stuhle in solcher erbärmlichen Gestalt vor uns sitzend fanden, daß die Unbarmherzigkeit selbst zu einigem Mitleiden hätte müssen beweget werden. Die schönen Haare waren zu Felde geschlagen, ein dunkelgelber Atlas verhüllte den schönen Leib, und gab zugleich die innerste Traurigkeit ihres Herzens zu erkennen. Die häufigen Tränen schienen einen Teil der vorigen Anmut weggeschwemmet zu haben, und das englische Haupt war von der linken Hand als einer Marmorsäule unterstützet. Durch solchen traurigen Anblick ward mein Prinz dermaßen gerühret, daß er nichts weiter vermochte, als sich vor ihr auf die Knie zu setzen, und dero rechte Hand eine geraume Zeit an den Mund zu drücken, gleichsam als ob diese Wehmut ein Stillschweigen[174] verursachte. Endlich nach etwas getrockneten Wangen stieß sie mit halbgebrochener Stimme diese klägliche Worte heraus: »So stehet es denn, o grausames Verhängnis! nicht zu ändern, daß ich dasjenige, was meine Seele seinem eigenen Leben vorzeucht, so schleunig entbehren soll? Und ist der Schluß unwidertreiblich, daß sich mein Herze teilen, ja meine Seele sich selbst verlassen muß? Mein Herze bricht mir, die Augen verdunkeln, und ich finde mich nicht geschickt, diesen Verlust lebendig zu ertragen.« Ein ferneres vorzubringen verboten ihr die häufigen Tränen, bis sich der Prinz in etwas erholete, und beweglichst antwortete: »Liebste, werteste, schönste Prinzessin! Ihre Tränen sind meine Wehmut, und Dero Klage betrübet mich bis in den Tod, ja was meinen Augen an Wasser gebricht, das ersetzet mein Herze durch Blut. Ich soll scheiden, ja ich muß scheiden! weil mich unsere Feinde zwingen. Ich sage recht unsere Feinde, weil ich sie künftig vor keine andere als auch meine erkennen werde, indem auch ihr Blut viel zu schwach ist, meine beständige Liebe zu hintertreiben. Ich muß scheiden! aber, ach ihr Götter! nicht auf ewig! Und wo ich mich eines Trostes von meiner schönen Prinzessin versichern darf, so geruhe Sie doch, diese Tränen, welche mein Herze durchdringen, zu mäßigen, und durch überflüssige Traurigkeit mich nicht sterben zu lassen.« – »Grausamer Prinz!« erwiderte sie wehmütigst, »Ihr redet wider Euch selbst, daß Ihr meine Tränen verhindern, und mir nicht erlauben wollet, solches schmerzliche Scheiden schmerzlichst zu bejammern. Denn diese Tränen sind die besten Zeugen ungefärbter Treue, und wo Ihr diese zu hemmen suchet, so verbietet Ihr mir, Euch zu lieben.« – »Ich bin«, versetzte mein Prinz, »auserwählte Prinzessin! bis in das Grab hiervor verpflichtet, es würde mich aber mehr erfreuen, wenn mein Abzug mit größerer Herzhaftigkeit als Wehmut ertragen würde, jedoch ohne einigen Abgang unserer geschwornen Liebe. Zudem, liebste Prinzessin! was wollte Sie denn tun, wenn Sie mich vor sich in einem Sarge liegen sehen, und mir die letzte Pflicht erweisen sollte?« Allein hiedurch wurde die betrübte Prinzessin empfindlichst gerühret, daß sie mit lauter Tränen sagte: »Ach unbarmherziger Prinz! womit dräuet Ihr mir, und mit was vor unglückseliger Vorbedeutung wollet Ihr mein Elend und Jammer vermehren? Ich weiß ohnedies nicht, was es ist, das eine so sonderbare Traurigkeit in meinem[175] Herzen erwecket, und mir ein Unglück vorbildet, welches ich noch zur Zeit nicht begreifen kann. Sollte es nun ja an ein Sterben gehen, so werde ich viel eher dem Tode zum Schlachtopfer dienen müssen, als Ihr, der Ihr Euch in die Sicherheit begebet, und gar leicht Eurer getreuen Prinzessin bei der Wiederkunft als einer Leichen den letzten Kuß gewähren dürfet.« Hiedurch hatte sich die Prinzessin sattsam an dem Prinzen gerochen, indem er sich häufiger Tränen nicht ferner enthalten kunnte, wiewohl er sich nicht wenig schämete, und selbe zu verbergen suchte. »Worzu dienet es«, hub er nach einigem Stillschweigen an, »uns selbsten zu fernerer Betrübnis Anlaß zu geben, da wir doch bereits in solchen Schmerzen versetzet worden, daß er außer dem Tode unmöglich kann vergrößert werden. Ich bin vielmehr kommen, weil mir das Verhängnis, Dero Kaiserlicher Herr Vater, die Wohlfahrt dieses Reichs, ja meine Liebe, womit ich mich der schönsten Seelen in der Welt verpflichtet weiß, es so befiehlet, demjenigen auf eine Zeitlang den Abschiedskuß zu erteilen, welches ich außer diesem nicht eher denn mit dem Leben entbehren würde. Mit der gewissen Versicherung, daß, wie die Hoffnung das einige Labsal aller Schmerzen ist, also auch eine glückliche Wiederkunft uns itzige Wehmut ziemlich verweisen werde, daß wir nicht besser unser Vertrauen gegen die Götter, durch größere Standhaftigkeit erwiesen haben. Über das soll dieser Abschied und diese Abwesenheit ein vollkommenes Zeugnis unserer innigsten Liebe sein: Ob mir zwar jedwede Minute zu einem Jahre geraten, und lauter ungeduldiges Sehnen nach der Wiedersehung meines Augentrostes gebären wird. Lebet wohl! Gute Nacht!« Die betrübte Prinzessin wollte den Prinzen noch nicht verlassen, sondern verfolgte ihre wehmütige Klage mit diesen Worten: »Ach verziehet, mein Prinz und gönnet noch eine Viertelstunde Eure Gegenwart derjenigen, welche vor Wehmut fast zu sterben vermeinet. Denn ich versichere, das schärfste Messer würde mit geringerem Schmerzen mein Herze durchschneiden als das schmerzhafte Wort ›Lebet wohl‹! Und kein Donnerschlag würde in meinen Ohren härter erschallen als die unverhoffte gute Nacht!« Mein Prinz, welcher möglichst eilte, diesen traurigen Abschied zu endigen, und sich selbst vor Betrübnis nicht zu lassen wußte, küßte ihre Hand mit tränenden Munde, und sagte: »Ach schönste und werteste Prinzessin! [176] Sie glaube, daß kein Gift meine Seele so quälen, noch keine Galle mir so bitter sein kann als dieses Scheiden: Wie aber derjenige, welcher an den süßen Port seiner Liebe glücklich anländen will, die Großmut zu einem steten Kompaß haben muß; also bilde ich mir ein, daß, wo ich einer so vortrefflichen Schönheit, wie ich in Dero englischen Person angetroffen, würdigst genießen will, ich mich allem Unglück großmütigst widersetzen, standhaft widerstehen, durch alle Widerwärtigkeit dringen, und doch endlich in Dero Arme kommen müsse. So begreife Sie sich demnach, und lasse die vorgebildete Freude, welche bei ehestem Wiedersehen unsere Herzen beseligen wird, itzigen Wehmutskummer übertreffen, so wird Sie sehen, wie eine großmütige Hoffnung das Unglück selber trotzen könne.« Hierdurch schiene die Prinzessin etwas besänftiget zu sein, dahero sie denn meinen Prinzen anmutigst küssete, und mit beweglichsten Worten den letzten Abschied nahm: »So fahret wohl, mein Prinz, mein Engel, mein Leben, fahret wohl! und bedenket, daß Ihr etwas hinter Euch gelassen, welches sich durch langes Absein selbst verzehren würde. Fahre wohl, liebster Schatz, den mich die Liebe du zu nennen zwinget! Fahre wohl, weil es doch muß geschieden sein. Die Götter führen und begleiten dich! Es müsse lauter Sicherheit auf allen Wegen wachsen, wo du nur deinen matten Fuß hinsetzen wirst! Wo du dein Haupt hinlegest, da umschatte dich der Götter Schutz! Ja es müssen alle deine Tritte zu Rosen werden! Fahre wohl!« Welches letztere Wort sie mit einem brünstigen Kuß auf des Prinzen Lippen versiegelte. Wodurch denn mein Prinz gezwungen ward, dies kurze Adieu dazu zu setzen: »So lebe demnach auch wohl, unschätzbarer Engel! und vergiß nicht desjenigen, dessen innigste Liebe auch in der Aschen brennen wird. Gute Nacht, liebste Banise! lebe wohl, schönste Prinzessin! Ich scheide dem Leibe nach von Pegu, und hinterlasse dir doch mein Herze zu einem unverfälschtem Liebespfande. Versichre dich, daß mein Schatten, ja mein Geist Tag und Nacht dich begleiten, und um dich schweben werde. Lebe wohl! Der Himmel lasse dich gesund, bis ich dieses Zimmer wieder fröhlich beschritten, und die Rosen auf deinen Lippen brechen könne. Lebe wohl!« Wie nun der Schluß durch unzähliche Küsse gemacht, und mein Prinz mit einigen kostbaren Kleinodien, wie auch ich mit einem Saphirringe beschenket wurde, so eilte mein Prinz [177] gleichsam ganz daumelnde aus dem Zimmer, und begab sich nach dem Palast, allwo unterschiedene Große vom Hofe aufwarteten, um von meinem Prinzen gebührenden Abschied zu nehmen, welche er aber ganz kurz und voller Gedanken beurlaubete, sich nebst uns allen zu Pferde begab, und in vollem Galopp mit tränenden Augen Pegu verließ. Und dieses ist auch leider! das letztemal gewesen, daß sie mein Prinz gesehen. – Hier wendete sich der Prinz um, und hätte sich in sotaner schmerzlichen Erinnerung fast verraten, indem er seinen Augen nicht mehr zu gebieten vermochte, dannenhero Scandor seine Erzählung möglichst verkürzte, und sie durch folgende Worte endigte:

Nachdem wir nun nach einiger Zeit glücklich in Ava angelanget, so bildete sich mein Prinz nichts fester ein, denn er würde ein angenehmer Gast sein, und durch gutes Vorbringen sich Königlicher und Väterlicher Gnade wiederum würdig machen. Wie denn auch in der ganzen Stadt eine ungemeine Freude über unsere Ankunft entstund. Allein was uns zum ersten ein übles Zeichen gab, war, daß nicht allein niemand bei dem Prinzen eine Willkommensbesuchung ablegen durfte, sondern auch sogar keine Verordnung, unsere mitgebrachte Geleitsvölker zu verpflegen, erteilet wurde, welche zwar von den Inwohnern willig und gerne aufgenommen, und von ihnen reichlich versorget wurden. Nach zwei Tagen, als wir etwas ausgeruhet hatten, ließ sich der Prinz bei dem Herrn Vater endlich anmelden, welcher auch den Oberreichsschenken abfertigte, und anstatt einer väterlichen Bewillkommung ihn mit einem harten Verweis wegen Übertretung des Gebots, inner Jahr und Tag nicht wieder zu kommen, ansehen ließ. Ob nun zwar mein Prinz die Ursache seiner Wiederkunft beweglichst vortragen ließ, und alles dasjenige tat, was einem tapfern Prinzen und treuen Liebhaber gebührte; so handelte doch der König so unbesonnen, und ließ uns anbefehlen, uns so lange, ohne jemands Besuchung innezuhalten, bis zum Königlichen Befehl ein Gnügen geschehen, und das Jahr verflossen sei. Ja, wir sahen unser Haus mit zweihundert Mann umringet, welche uns ungescheuet bewachen, und allen Ausgang verwehren mußten. Wie nun meinem Prinzen damals zumute war, solches ist daraus abzunehmen, daß er sich gänzlich vorsetzte, mit bloßem Säbel auszufallen, und durch solche Gewalt die Wache so lange zu zwingen, bis sie ihn niedermachete. Welches [178] ich aber vernünftig widerriet, in Betrachtung, daß die Wache nicht nach dessen Tode, sondern nach der Person trachten würde, wodurch denn der ohnedies rasende König zu noch größerer Unbesonnenheit möchte angetrieben, und durch sein ferneres Unglück die arme Prinzessin wohl gar in Tod gestürzet werden. Also saßen wir nun zwei Monat lang, daß uns auch alle Zusammenkunft mit der Prinzessin Higvanama verwehret wurde. Endlich lief die grausame und blutige Zeitung ein, wie inzwischen Chaumigrem ganz Pegu erobert, und den Kaiserlichen Stamm ausgerottet habe. Was ich nach diesem mit dem Prinzen ausgestanden, ist unbeschreiblich, indem ich ihn zwei Tage fast stets ohnmächtig unter meinen Händen gehabt habe, und da dessen elender Zustand nach Hofe berichtet ward, kam endlich Befehl, die Wache sollte uns verlassen, und der Prinz auf freien Fuß gestellet sein. Ob uns nun zwar diese Befreiung nunmehr viel zu langsam zustatten kam, so erholte sich doch mein Prinz in etwas. Und wie er sich in seinem größten Leidwesen jederzeit des göttlichen Ausspruchs zu Pandior fest getröstete, und es vor unmöglich hielte, daß die Götter einem Tyrannen erlauben würden, solches ihr Ebenbild zu töten; so befehligte er gegenwärtigen seinen vornehmen Bedienten nach Pegu zu eilen, und in geheim der Sachen wahre Beschaffenheit zu erkundigen, bevoraus, ob seine werte Prinzessin noch lebte, wiewohl er mit lauter verzweifelten Anschlägen zu Rate ging. Vor vierzehen Tagen aber schickten es die gütigen Götter, daß, als der König Dacosem die Prinzessin Higvanama seine Tochter, ungeachtet sie dem Prinzen von Siam versprochen, dennoch an einen ihr ganz unanständigen Fürsten aus Ava mit Gewalt verheiraten wollte, und deswegen der ersten Zusammenkunft, wobei sonder Zweifel die Vollziehung dieses Zwanges geschehen sollen, beiwohnte, der alte König sich in dem Trunke heftig übernommen, und folgenden Morgens tot im Bette gefunden worden. Hierdurch wurde nun die Prinzessin Higvanama erlöset, und mein Prinz ein gewaltiger Monarche. Und wäre zu wünschen, die gütigen Götter hätten irgendwo die schöne Banise vor meinen Prinzen aufbehalten: Angesehen ihm zugleich das Reich Aracan durch Hintritt des Königs zugefallen, und er nunmehro dem Peguanischen Bluthunde sattsam gewachsen ist, seine Prinzessin mit viel hunderttausend Säbeln mächtigst zu erlösen.

Fußnoten

1 Ist ein schwarzer Fels, mit weißen Steinen untermenget, in der Landschaft de los Conchucos: Welcher alle Wunden, wenn er klein zerstoßen gebrauchet wird, am Menschen und Viehe heilet. Besiehe ferner hiervon Francisci Kunst- und Sittenspiegel p. 258.

2 Die Peguaner glauben drei Örter nach diesem Leben: als nämlich: den Ort der Pein und Marter, den Ort der fleischlichen Wollust, und den Ort der Seligkeit, welchen sie Niba nennen. Wer nun in das ewige Niba kommen wolle: der müsse zuerst vorermeldete Örter besuchen und ausstehen. Roger. Heydenthum. pag. 775, 776.

3 Fotoko ist ein Abgott in Pegu, von gemischten Erz gegossen. Dieser Abgott hat, ihrer Meinung nach, den höchsten Gott, Duma, durch sonderbare Vorbitte dahin vermocht, daß allen Seelen, weldie an die dunkeln Örter verwiesen waren, Gnade widerfahren ist.Roger. Heydenth. p. 795.

4 Roger, p. 128

5 Roger, p. 813 [der Gott des Beistands].

6 Francisci Staats-Garten. p. 812.

7 Francisci Staats-Garten. p. 812.

8 Dewetaes heißt bei denen asiatischen Völkern Götter, und halten sie das Feuer auch vor einen Deweta, bei welchem sie ihre Eide ablegen und schweren.Roger. Heydenthum. p. 184.

9 Von diesem Apalita siehe Roger. Heydenthum p. 795.

10 Ein Bizen wieget zwei Pfund, fünf Unzen Gold, Venedischen Gewichts.

11 Von den grausamen Martern der Christen zu Japon besiehe Francisci Kunst- und Sitten-Spiegel p. 1148.

Anderes Buch

[179] Der Asiatischen Banise
anderes Buch

Hiermit beschlosse Scandor seine Erzählung: Abaxar aber erseufzete tief, und sagte: »Gewiß, ich empfinde ein innigstes Mitleiden gegen den tapfern Prinzen Balacin, welcher traun eines bessern Glückes würdig gewesen, nachdem ihn aber die Götter mit einer doppelten Krone beschenket, so wird er vielleicht desto eher alles zugestoßenen Ungemachs, wo nicht gar der bereits vor verloren geachteten Prinzessin vergessen, und sich nach anderwärtiger Vergnügung umsehen können.« – »Ihr irret, wertester Freund«, fiel ihm Balacin ins Wort, »denn ihr sollt wissen, daß sich der Prinz gänzlich entschlossen, außer der Prinzessin Kron und Szepter zu verlassen, durch eigenhändige Rache an dem Tyrannen seinen Tod zu suchen, und also seiner Banisen im Tode zu folgen.« – »Das wollen die Götter nicht«, erwiderte Abaxar, »daß ein so tapferer Prinz sterben sollte; und will ich gerne mein Möglichstes beitragen, zu erforschen, ob die Prinzessin noch am Leben sei. Ja wer weiß, ob ich nicht die ersprießlichste Nachricht hiervon erteilen könnte.« – »Ja freilich«, versetzte Talemon, »denn eben der Herr Oberhauptmann wird wissen, wie er dem grausamen Mordbefehle des Kaisers nachgelebet habe.« Abaxar errötete über diesen Worten, jedoch erholte er sich bald wiederum, und sagte: »So sei es denn, ich will zu dieses unbekannten Prinzens Vergnügung, welche ich bereits in meinem Herzen hochachte, meine Wissenschaft, ja mein ganzes Vermögen beitragen. Und weil es heute zu späte, und mein Amt mich zur Aufwartung rufet, so werde ich morgen nach Möglichkeit wiederum aufwarten, und gewiß nicht unangenehme Dinge offenbaren, weil ich versichert bin, daß ich bei vertrauten Freunden mein Herze wohl ausschütten möge.« Mit diesen Worten nahm er freundlichen Abschied, und hinterließ den Prinzen in tausend Gedanken, indem er aus des Abaxar Reden sich viel Gutes wahrsagete.

[180] Als sie nun alle bis auf den Scandor des Prinzen Zimmer verlassen hatten, und der Prinz eine ziemliche Weile des Abaxars Worte bei sich überleget hatte, fiel ihm die mit der Lorangy gehaltene Abrede ein, welche ihn denn ganz von vorigen Gedanken abzog, und in kummerhaftes Nachdenken versetzte, wie er sich doch dieses nachteiligen Versprechens ohne Gefahr entledigen möchte. Endlich nach vielen Ratschlägen fiel ihm ein, ob nicht Scandor ins Mittel treten, und dieser Sache durch eine Heirat erwünscht abhelfen könne. Solches ihm nun vorzubringen, befahl er dem Scandor, sich vor das Bette zu setzen, und durch einigen Wortwechsel den Verdruß seiner Gedanken zu stören, da ihn denn der Prinz sofort anredete: »Mein Scandor, wir befinden uns beiderseits am fremden Orte und dazu in Feindeslande, da wir nichts mehrers als guter und wahrer Freunde benötiget sein. Nun halte ich davor, es sei keine höhere Freundschaft als die eheliche, worzu du leichte gelangen, und mir und dir dadurch in allen bevorstehenden Zufällen beförderlich sein könntest.« – »Gnädigster Herr«, erwiderte Scandor, »ich weiß nicht, wie Sie auf diese Gedanken geraten. Wenn mir nicht Dero hoher Sinn bekannt wäre, so wollte ich meinen, Ihr Rat ginge dahin, ich sollte mir einen Nagel einschlagen, woran Sie bisweilen ihren Hauptbund hängen könnten.« – »Nein«, versetzte der Prinz, »mein Scandor, es hat gar nicht diese tadelhafte Meinung, sondern ich bin bedacht, dir zu raten, und mir zu helfen auf eine solche Art, welche ein gutes Absehen hat, derowegen wirst du die Sache wohl überlegen, und dich aller Gnade dabei von mir versichern.« – »Gnädigster Herr«, war des Scandors Antwort, »die Zeiten sind gefährlich, und die vielen Beispiele gekrönter Häupter schrecken mich von dem Verlangen solcher Würde. Sollte ich nun meines bißgen Korns halben eine eigene Mühle bauen, so fürchte ich immer, es möchten die Nachbarn fremde Gedreide aufschütten, und wild Wasser meine Räder treiben. Dieses halte ich nun nicht vor ratsam, ob ich mir zwar in allem zu gehorsamen vorgenommen habe.« – »Närrischer Mensch«, redete ihm der Prinz ein, »eine übele Meinung kann ja nicht allen nachteilig sein, indem eine Schwalbe keinen Sommer machet. Vielmehr wirst du dir zu Gemüte führen, was vor tägliche Anmut ein schönes Weibsbild sei, und wie dir alle Morgen, wenn du erwachest, gleichsam die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schönheit ist ja ein Brunn der Wollust, aus welchem die [181] Augen Vergnügung und das Herze lauter Anmut schöpfet. Wie solltest denn du der einzige sein, welcher diese Himmelskost mit ekeln Lippen verachten wollte?« – »Ganz recht«, antwortete Scandor, »die Schönheit ist freilich ein solcher Gast, welchem viel tausend Opfer der lüsternden Augen gewidmet werden. Allein wo ich mich auch diese betören ließe, wer ersetzte mir denn den Schaden, wenn ein Fieber oder Pocken oder hundert andere Zufälle das feine Fleckgen verderbten, und mir hernach diese Bett-Sonne eine stete Finsternis vorstellete? Zudem ist es ein wurmstichig Wesen um die Schönheit, denn wie die schönsten Kirschen am meisten von den Vogeln verfolget, und, wo sie nicht stets durch ein fleißiges Auge bewachet, gar leicht angebissen werden; also befürchte ich auch, man möchte mir in diesem Fall nichts Neues machen, sondern mich gleichfalls mit einem Türkischen Bunde zieren, wie die Ochsen tragen, denn schöne Weiber sind Irrwische, die verführen die Leute bei Tag und Nacht.« – »Du bist einem Tiere zu vergleichen, welches seine langen Ohren vor Hörner ansiehet«, war des Prinzen ferneres Einreden; »so ja aber eine ungewisse Furcht solche Anmut in dir verbannet, so nimm dir eine etwas ungestalte, welche dir vor übriger Besuchung sattsame Sicherheit schaffen wird.« – »Auch dieses läßt sich hören, gnädigster Herr«, erwiderte Scandor, »denn eine häßliche Frau ist wie ein Fleischerstock, welcher nicht gestohlen wird, ob er gleich Tag und Nacht vor der Türe steht. Allein hierdurch tue ich mir selbst das größeste Unrecht, indem ich mir solche Ware gekauft hätte, welche andere Leute verachtet haben, und müßte ich eine solche Larve stets vor mir sehen, da ich des Küssens vor Ekel nicht gedenken will. Ich achte mich aber auch deswegen nicht allzu sicher; denn wie ein ungestalter Leib öfters ein unartiges Gemüte, und ein häßliches Gesichte mehrenteils ein verliebtes Herze andeutet, so müßte ich besorgen, zumal wenn ich sie unmöglich lieben könnte, es möchte sich doch wohl ein niedriges Gemüte in meine Freundschaft eindringen, und sollte es auch mir zum Verdruß geschehen.« – »Ich gebe dir endlich hierinnen Beifall«, verlängerte der Prinz diese Unterredung; »diesem aber nun vorzukommen, so heirate eine Wittbe, welche nicht allein ihren Verstand durch die Jahre erreichet, sondern auch bereits die Jugendhitze abgekühlet hat, denn es heißt: die alten, die besten.« – »So wäre es eben«, versetzte Scandor, »als wenn der gute Morgen zur [182] Mitternacht käme. Denn wo sich die Ungleichheit des Alters befindet, da will gemeiniglich das Alter die Jugend beherrschen. Dies träfe mir nun sehr schlimm ein, daß ich meine jungen Tage einer Alten verpflichten, und meine bisher unbefleckte Jugend in solche Gefahr verbotener Gerichte setzen sollte, wenn mir irgend zu Hause, wie es nicht anders sein könnte, für der schlechten Hauskost ekelte. Nein, davor bedanke ich mich. Geiz, Argwohn, Eifer, Zank, sind die täglichen Speisen, welche eine alte Frau ihrem jungen Manne vorsetzet. Die Zufriedenheit des Gemüts ist des Menschen sein größter Reichtum; diese aber würde ich schwerlich bei solcher Heirat antreffen. Sonderlich würde mich dieses am meisten schmerzen, wenn mir bei Hochzeiten, Spazierfahrten und dergleichen Zusammenkünften andere Männer meines Alters mit ihren schönen jungen Weibergen begegneten, und ich käme da mit meinem alten verdrießlichen Müttergen von sechzig Jahren aufgezogen, vor deren Eifersucht ich keine Schönheit anblicken dürfte. Es ist ein widerwärtiges Ding um einen bösen Kauf, denn die Ware rückt ihrem Herrn allzeit seine Torheit auf. Kann man sich aber ja woran eine stetswährende Reu erkaufen, so geschieht's gewißlich durch eine ungleiche Heirat, welche einem seine Unbedachtsamkeit bei Tag und Nacht, Tisch und Bette, in Stube und Kammer, im Hause und auf der Gasse fürwirft und vor Augen stellet. Zudem ist ein solches Weib wie das viertägige Fieber, welches man nicht eher, denn im Tode loswird. Denn ob man gleich denken sollte, ein altes Weib könne wegen ihres Alters unmöglich lange leben, so begehre ich doch diesem nicht zu trauen, denn die alten Weiber haben gar ein zähes Leder, und geben uns oft eher, als wir ihnen, das Geleite zum Grabe. Daß es nun auch eine Wittbe dazu sein soll, darauf antworte ich nichts als dieses: Eine Jungfer, wie ich will: Eine Wittbe, wie sie will, und die schon zwei Männer gehabt hat: Hüte dich, mein Pferd schlägt dich.« – »Du bist allzu nachdenklich«, war des Prinzen Widerrede, »und weil ich auch hierinnen deiner Meinung nicht so gar entfallen kann, so gebe ich es zu, und riete dir vielmehr, ein fein junges Mädgen, welches sich durch eine stille Frömmigkeit beliebt machen kann, zu deiner Ehe auszusuchen.« – »Und dieses schiene mir nicht sonderlich entgegen zu sein«, antwortete Scandor, »wenn nur nicht dieser Verdruß mit unterliefe, daß ich erst etliche Jahre gleichsam ihr Hofmeister sein, und sie ziehen [183] müßte, da ich doch noch in der Ungewißheit lebte, wie diese Zucht geriete. Sonst ist wohl eine Jungfer, oder Fräulein, wie sie heutiges Tages wollen getauft sein, am besten zu heiraten, welche man am leichtesten erlangen kann, weiln sich jedweder Vater nichts daran zu erhalten getrauet, indem sie unter die Sachen gehören, wovon das Recht saget: Quae servando servari non possunt. Jedennoch ist auch, ein allzu stilles Wesen oder Frömmigkeit nicht allemal zu loben, angesehen solches von andern vor eine Einfalt und Blödigkeit ausgeleget wird, und ist auch solches nicht jederzeit dem Manne anständig, welcher bisweilen durch einige Beredsamkeit seines lieben Weibes nicht wenig ergetzet wird; vielweniger aber ist solcher Stille jederzeit zu trauen. Denn zudem, daß nach dem bekannten Sprüchwort stille Wasser tief zu sein pflegen: so treten sie öfters in der stillesten Weise darneben, und verhoffen, der Mann werde solchen Fehltritt in das Register ihrer Einfalt eintragen, ob er gleich hernach die Feder über das Ohre stecken müßte. Ja ich will hier nicht behaupten, daß ein Frauenzimmer, es sei so still oder so fromm, als man es nur wünschen möge, sich doch bisweilen unterstehe, nach dem Regiment zu streben, und des Szepters zu gebrauchen, sonderlich wenn Kammer-Sachen auszutragen sein. Erlaubet man ihr nun solches, so verwehnet man sie, tut man es nicht, so darf sie einem wohl vorwerfen, man habe sie nicht lieb, und zwinget uns durch ihre verstellte Traurigkeit, daß man sie zu ergötzen wiederum herrschen läßt. Denn wer ein Weib nimmt, der bilde sich nur ein, sie werde das Regiment haben, es geschehe gleich heimlich, mit Gewalt, oder bittweise. Und also ist auch selbst in der Frömmigkeit und Jugend keine Sicherheit zu finden.« – »So suche dir eine muntere und beschwatzte«, riet ihm der Prinz ferner. »Da käme ich recht an«, widerredete es Scandor, »daß ich mir eine klügere, als ich selbst wäre, beigesellete. Die könnte mich zu einer Gemse machen, welche ihre eigene Hörner nicht sehen kann. Allzu munter ist fast wilde, und ein zu hurtiges Pferd wirft seinen Reuter leicht ab, womit mir nicht sonderlich gedienet wäre. Die Beredsamkeit stehet zwar einem Frauenzimmer gar fein an, solange sie nicht mit dem Mißbrauch Schwesterschaft machet, indem sie öfters nicht fähig sind, durch beredte Umschweife ihre heimliche Liebe zu entdecken, ja wohl gar dunkele Worte, Zeit und Ort verbotener Zusammenkünfte zu benennen, daß der arme Mann dabei sitzet, und mit hörenden [184] Ohren taub sein muß. Merket er auch gleich durch angeborne Klugheit etwas davon, so weiß doch ihre arglistige Zunge solche Worte vorzubringen, wodurch dessen Verstand verdunkelt, und er in den Wahn gesetzet wird, er habe seinen keuschen Schatz auch durch den geringsten Argwohn beleidiget. In solcher irrsamen Meinung wird er keine Zusammenkunft ohne seine Hausehre besuchen, welche sich denn solcher Gelegenheit sehr wohl zu bedienen weiß, bevoraus, wo sie auf diesem Wein-Meer ein anständiges Schiff bemerket, welches seinen Anker in fremden Grund zu werfen suchet. Da wird sie den trunkenen Mann durch tausend verschmitzte Liebkosungen dahin zu bereden wissen, wie er seiner Gesundheit schonen, den Trunk meiden, und sich zur Ruhe begeben sollte, sie würde, wenn ihn der Schlaf überfallen, schleunige Gesellschaft leisten. Sobald nun der treuherzige Mann folget, und sich durch solche sirenische Worte in Schlaf bringen lässet, so träumet ihm denn nicht unbillig, als wäre seine Frau zur Taube worden, welche sich unter lauter Stoßvögeln befände, solche aber zu retten verhinderten ihn die vielen Hauptbeschwerungen. Wenn er aber erwachet, so zwinget ihn die Unwissenheit an dieser gewissen Wahrheit zu zweifeln. Ich will hier gleichfalls nicht desjenigen Mißbrauchs der Beredsamkeit gedenken, wodurch dem Manne öfters große Feindschaft auf den Hals gezogen wird, wenn ein solcher ungezäumter Mund fast keinen Menschen vor dem Fenster kann unberedet vorbeipassieren lassen: und solches vor eine treffliche Art der galanten Welt achtet, wenn sie von dieser und jener Person fast jede Gebärde, Rede und Kleidung durchzuhecheln weiß, und sich in allen Stücken vor viel vollkommener schätzet, obgleich das Schwarze von dem Weißen redet. Also werde ich auch verhoffentlich in diesem Stücke Beifall erlangen.« – »Dem sei wie ihm wolle«, tat ihm der Prinz Einhalt, »sie sei nun alt, verliebt, häßlich, krumm oder lahm, so werden doch alle Gebrechen durch Geld verbessert. Geld machet den Mann, und wer dieses hat, der darf reden, wann andere schweigen müssen. Weil du nun so gar furchtsam bist, so wüßte ich dir nicht besser zu raten, denn daß du eine reiche Frau heiratest. Denn gerät sie dir, so ist das Glücke doppelt, schlägt dir aber deine Hoffnung an ihrer Person fehl, so kannst du dich doch an ihrem Gelde erholen, und alles Vergnügen darinnen finden.« – »Jawohl, gnädigster Herr«, beantwortete solches Scandor, »ein reiches Weib ist [185] leicht zu ernähren. Zudem ist dieses eine Grundregul der heutigen Welt, daß ein Pfund Gold im Heiraten einen Zentner Tugend überwiegen muß: aber wehe dem, der ein Weib aus Liebe zum Gelde und nicht zur Person nimmt. Denn zu geschweigen, wie oft ein solches geiziges Auge durch den Nebel des prahlenden Vorwendens verblendet wird, daß er zwar den Sack bekömmt, wie es aber ums Geld stehe, hernach mit seinem Schaden erfähret; so ist die Ehe doch schon halb verdorben, obgleich Geld die Menge vorhanden ist. Denn ein Pferd, welches seine Stärke weiß, lässet sich keinen Menschen zäumen: und eine Frau, welche ihr Vermögen kennet, wird viel weniger einem Mann einer Spannen breit einräumen, wodurch er sich als Herr bezeugen könne: Also wird er mit dem ersten Hochzeittage, wo nicht eher, sein Sklaventum betreten, und ein steter Befehl wird die Richtschnur seines Lebens sein. Ja es wäre besser, ein Mann ohne Geld, als so viel Geld ohne Mann zu sein. Hier würde ich recht erfahren, daß das Weiberregiment die älteste Monarchie sei, und hier würde ich alles vorerzählte Ungemach auf einmal tragen müssen. Nein, da behüten die Götter!« – »Du wunderlicher Mensch«, wollte ihn der Prinz ferner bereden, »so jedweder das Heiraten in solche genaue Betrachtung ziehen wollte, so müßte die Welt untergehen. Denn nachdem ich dir fast alle Beschaffenheiten des Frauenzimmers vor-, du sie aber insgesamt ausgeschlagen, so ist nichts mehr vor dich übrig, als eine Arme, welche durch Armut gezwungen wird, dich zu lieben, dir zu dienen, und sich als ein treues Weib in allen Stücken zu verhalten. Diese wird dir verhoffentlich am besten anständig sein.« – »Wo Mangel und Armut Hochzeit machen«, wendete Scandor ein, »da ist Hunger das erste Kind. Wo nun der Mann arm ist, und die Frau kein Geld hat, da kann unmöglich eine gewünschte Ehe erfolgen. Denn ist sie gleich schöne, so heißt es: von der Schönheit isset man nicht. Ist sie fromm und tugendhaft: darauf lehnet mir kein Mensch einen Bissen Brot. Ist sie gleich häuslich, so haben wir nichts, woran sie ihre gute Wirtschaft erweisen könne. In summa, die Sache läuft auf ein verzweifeltes Wesen hinaus, da der Mann zu einem Widder worden, welchem die Hörner vor die Augen gewachsen sind, und er sie doch nicht davor halten muß: welches das größte Elend vorgebildet.« – »Du redest nicht anders«, fiel ihm der Prinz ein, »als ob du bereits in einem und dem andern bei der Erfahrung in die Schule gegangen wärest.« [186] – »Ob ich gleich«, versetzte Scandor, »den Göttern sei Dank! solches noch nie erfahren, so versichere ich doch, daß dergleichen häufig in der Welt vorgehet, und würde ein jedweder Mensch, dem ich es erzählen würde, noch ein mehrers beizutragen wissen. In summa, ein Weib ist ein notwendiges Übel, eine natürliche Anfechtung, eine einheimische Gefahr, und ein lustiger Schade.« – »So dir ja alle diese Vorschläge«, hub endlich der Prinz an, »so gar zuwider sind, so möchte ich gerne wissen, ob du hierinnen auch einen Entschluß fassen könntest, wenn ich solches als eine Probe deiner Treue gegen mich von dir erforderte.« Scandor wurde hierüber ganz flüchtig, endlich erholte er sich aber mit diesen Worten: »Gnädiger Herr, mein Vorsatz ist zwar jederzeit gewesen, den Kranz meiner Jugend mit in das Grab zu nehmen: Wo aber einige Treue gegen einen so großen Herrn durch eine geringe Heirat kann bewiesen werden, so wollte ich mich wohl unterfangen, das älteste, häßlichste, boshaftigste und ärmste Weib in ganz Asien aufzusuchen, und mich dadurch den Göttern so weit angenehm zu machen, daß sie nach diesem Leben meiner gewiß verschonen würden, weil ich die Hölle sattsam auf Erden gehabt hätte.« Dem Prinzen gefiel dieser Entschluß sehr wohl, dahero er dem Scandor die Hand reichete, und sagte: »Siehe da, mein Scandor, ich verspreche dir zehentausend Pesos zum Heiratsgute, wenn du die Tochter hiesiges Hauses zu deinem künftigen Ehegemahl erwählest.« Scandor küßte zwar des Prinzen Hand, doch wußte er sich in langer Zeit nicht zu fassen, indem er antwortete: »Ich würde auch dieses vor eine geringe Probe meiner Treue und mich vor ein sehr großes Geschenke untertänigst verpflichtet achten, wenn ich nur einige Gelegenheit erlangen könnte. Denn ich habe ein sonderliches Gespräche vernommen, worinnen ich der Lorangy unrechte Liebe sattsam verstanden: Sie liebet eine Person, welche ihre Liebe vor sehr ungereimt halten wird. Ja ich habe dabei hören müssen, wie die alte Hassana einen Anschlag durch einen verdammten Liebestrunk machen dürfen, welches ich aber gebührend werde zu entdecken wissen.« – »Ich kenne schon die Person«, erwiderte der Prinz, »indem mich die Lorangy lange mit ihrer verhaßten Liebe gequälet hat. Du sollst aber wissen, mein Scandor, daß ich noch heute ganz verzweifelt gewesen, und wollte ich nicht etwas Ärgers besorgen, so habe ich ihr versprechen müssen, morgen auf die Nacht ihr zu erlauben, [187] mich zu besuchen. Wie mir nun solche Besuchung höchst unanständig ist; also wirst du dir durch treuen Rat einen noch gnädigern Herrn an mir machen.« – »Gar recht, gnädiger Herr«, antwortete Scandor, »dieses war der Lorangy Einwenden auf der alten Hassana verzweifelten Anschlag, daß sie Erlaubnis hätte, morgen zu Nacht dessen Zimmer zu besuchen. Worüber sich die Alte nicht wenig erfreut anstellte, und vermeinte, wenn dieses geschähe, so hätte sie in ihrer Liebe völligen Sieg erlanget. Denn sie sollte sich nur bemühen, daß ihr ein Teil des Lagers eingeräumet würde, so wollte sie bald mit einem Talegrepen hinter ihr her sein, und sie beiderseits im Bette auf ewig verbinden lassen. Daß nun mein gnädigster Herr versichert sei, ich wollte mich auch an die Stelle Ihres Todes legen, so ist dies mein fester Entschluß, morgende Nacht der Lorangy hier zu erwarten, und Ihre Stelle zu vertreten. Es laufe nun ab, wie es wolle, so lassen Sie mich nur vor das übrige sorgen.« – »Treuester Scandor«, versetzte der Prinz, »ist dies möglich, daß du mir zuliebe deine Wohlfahrt hintansetzen willst?« – »Ja, gnädigster Herr«, antwortete Scandor, »ich bin bereit vor Sie zu sterben, geschweige ein solches Glücke und Reichtum anzunehmen.« – »Nun so sei es denn«, war des Prinzen letzte Antwort, »ich versichere dich aller Gnade und reicher Belohnung. Inmittelst wirst du diese Nacht bei mir verharren, und den Morgen erwarten.« Nach geendigter Rede und alsdenn genossener Speise begab sich der Prinz zur Ruhe, und verlangete mit Schmerzen nach dem anbrechenden Tage, um von dem Abaxar fernere Nachricht seines Lebens und Sterbens zu erhalten. Dieser stellete sich nun folgenden Tages früh wiederum ein, mit dem Bericht, daß sich der Kaiser in geheimen Rat verfüget hätte, und verhoffte er, selben ganzen Tag von aller Aufwartung befreiet zu sein. Diesemnach ließ der Prinz ebenfalls den alten Talemon erfodern, welchen Scandor folgendergestalt anreden mußte: »Ich habe gestern und vorgestern Dero Ohren mit meiner unförmlichen Erzählung nicht wenig belästiget: Nun wollte ich wünschen, von dem Herrn Talemon fernere Nachricht zu erhalten, wie es nach unserem Abzuge zu Pegu ergangen, und auf was Art ein so schleuniger Untergang dieses mächtigen Reiches erfolget sei. Diesem nach wird der Herr Oberhauptmann diese ganze Erzählung beschließen, und uns mit erfreulicher Nachricht von der Prinzessin an die Hand gehen.« Wie nun dieser[188] Vortrag allerseits vor bekannt angenommen ward, so setzte sich jeder an den vorigen Ort, und Talemon hub seine Erzählung folgendergestalt an:

Tod und Untergang des unglückseligen Kaisers Xemindo samt dessen Prinzen und ganzem Reich.

Ich unterfange mich einer Sache, welche ich sonder Vergießung häufiger Tränen nicht auszuführen getraue. Ehe und bevor ich aber diesen letztern ob zwar kurzen doch blutigen Krieg erzähle, so muß ich zuvörderst mit wenigem gedenken, was unsern verblichenen Kaiser und Herrn zurücke gehalten, daß er den mächtigen Sieg vor Ava nicht verfolgen, viel weniger Ava belägern können.

So ist nun zu wissen, daß, ehe noch dieser Krieg zwischen uns und dem Könige Dacosem anginge, sich nicht wenig Verräterei in unserm Reiche ereignete: wiewohl Xemindo glücklich war, daß er noch vor dem Feldzuge die meisten Verräter ertappet, und nach Verdienst abstrafen konnte; unglücklich aber zugleich, daß ihm der größte Verräter unentdecket verblieb. Dieses war nun Xenimbrun, jetzigen Tyrannens leiblicher Bruder, welchen der Kaiser aus sonderbaren Gnaden zum Stadthalter in Brama gemacht hatte. Dieser untreue Hund wußte seine Sachen dermaßen klug und heimlich zu führen, daß er unvermerkt diese beide nahe Vettern, unsern Kaiser und den König von Ava, ineinanderhetzte, und also er einzig und allein der rechte Urheber des Krieges zwischen Pegu und Ava, welchen Scandor vorgestern erzählet, gewesen ist. Solches blieb fast dem ganzen Reich Pegu verborgen, und ob er gleich seinen Bruder Chaumigrem mit sechstausend Mann in geheim dem Könige von Ava zu Hülfe schickte, so war doch deren Zug nicht anders bemerket, als sollten sie unserm Kaiser bei dem Feldzuge zu Diensten stehen. Sobald aber unser Xemindo mit einer tapfern Armee dieses Reich verlassen, und das feindliche Land betreten hatte, so ließ die Verräterei gar bald an dem Xeminbrun ihre Klauen merken. Inner acht Tagen rief ihn ganz Brama vor einen König aus, und die rebellischen Bramaner zogen ihm mit Haufen zu, daß er mit fünfmal hunderttausend Mann sich unterstehen durfte, in das Reich Pegu würklich einzufallen, sich nicht anders als der ärgste Feind anzustellen, und Macao zu belägern, welchen Ort er einbekam, [189] gegen selben einen ganzen Tag die rasende Hand seiner Soldaten wüten, und alsdenn sich ihm die Überbliebenen als einem Kaiser von Pegu die Huldigung leisten ließ. Prinz Xemin, welchem indessen der Kaiser das Reich zu verwalten hinterlassen hatte, wurde nebst uns allen nicht wenig bestürzt, zumalen der Feind sich an die Hauptstadt zu machen drohete. Wir schickten einen Kurier nach dem andern nach der Hauptarmee, wir kunnten aber alle drei Wochen keine Antwort erhalten, daß wir uns also in äußersten Nöten befunden, zumal als wir endlich die feindlichen Haufen vor unsern Mauern sahen. Prinz Xemin tat, was einem tapfern Prinzen zustunde, und ging mit sechzigtausend Mann dem Feind entgegen, welche aber sehr übel zugerichtet, das Tor von Pegu wieder suchten: Dannenhero möglichste Anstalt zur äußersten Gegenwehr das nötigste war. In zwei Tagen sahen wir uns vollkommen belagert, also, daß auf drei Seiten niemand weder aus noch ein kommen kunnte. Der rebellische Xenimbrun ließ uns alsobald auffordern, der Anbringer aber wurde mit einem Stricke bedrohet, wo er wiederkäme. Welches wir an dem Westen-Tor durch einen grausamen Sturm bald empfunden, daß solches den Tyrannen heftig mußte verdrossen haben. Wie nun dieser Sturm ritterlich abgeschlagen wurde, ließ er gegen Süden noch viel grausamer anlaufen, welcher von Mittage, bis tief in die Nacht bei Mondenschein währete. Aber auch dieser Anlauf war vergebens, und schien es, daß sich der Feind heftig hierdurch mochte abgemattet haben. Tages darauf gegen Abend erhielten wir die fröhliche Zeitung, daß nicht allein unser Kaiser einen herrlichen Sieg wider Ava erhalten, selbigen Kronprinz mit eigner Hand entleibet, sondern auch mit der sämtlichen Armee im Begriff wäre, uns zu entsetzen. Und weil auf den dritten Tag sie sich wohl getrauten, völlig anzunähern, als sollten drei Stück-Schüsse die Losung sein, nach welchem Xemindo den Feind im Rücken angreifen woll te, und sollten wir alsdenn durch einen starken Ausfall auch das Unsrige dabei tun. Wie sicher der Feind hierbei gewesen, und wie übel Kundschaft er müsse gehabt haben, kunnten wir leicht hieraus schließen, daß, als er zwei Tage ausgeruhet, er den Tag, an welchem wir Entsatz hofften, einen Hauptsturm vorzunehmen gesonnen war. Und dieses bewerkstelligte er sofort durch einen ungemeinen Anlauf, welcher uns nicht wenig bestürzt machte, angesehen wir [190] noch nichts von unserer Armee sahen und wir gleichwohl ziemlich geschwächet waren. Ja es schiene, als ob der Feind bei dem Westen-Tore den Meister spielen würde, weswegen sich denn Prinz Xemin mit zweitausend tapfern Soldaten persönlich dahin verfügte, und den Feind ritterlich zurücke hielte. Endlich sahen wir die Stürmenden plötzlich zurücke weichen, und hörten zugleich die fröhlichen Losungs-Kartaunen knallen: worauf sich der Feind von der Stadt zurücke zog, und ins Freie stellete. Prinz Xemin säumete gleichfalls nicht, und lase funfzehentausend Mann der bravesten Leute aus, ließ die verschütteten Tore eröffnen, und, als sich die Hauptarmee in völliges Treffen eingelassen, fiel er wie ein Löwe zum Süden-Tore hinaus, und ging dem Feinde in den Rücken. Wie grausam auf beiden Seiten gefochten wurde, maßen wir von den Türmen und Mauren besorgte Zuschauer waren, ist nicht zu beschreiben. Endlich gegen den Abend sahen wir des Xeminbruns Hauptfahne fallen, nach welchem in kurzen der Feind auszureißen begunnte. Sobald wir nun den Feind in voller Flucht sahen, wurden alle Tore eröffnet, und was nur beritten war, dem flüchtigen Feinde nachgeschicket, bis endlich nach völligem Siege die untergehende Sonne den Abzug bedeutete. Folgendes Tages wurde Beute gemachet und die gebliebene Körper beerdiget, deren man feindlicher Seiten auf hundertunddreißigtausend Mann zählete, da wir kaum fünfundvierzigtausend vermißten. Des andern Tages zog unser sieghafter Kaiser in herrlichstem Triumph als ein doppelter Überwinder in die Stadt, und zierte diesen Einzug vor andern der Elefant, auf welchem der Erbprinz von Ava, Dacosem, gesessen, als er von dem Xemindo entleibet worden. Dieses Tier, welches merkwürdig, ging ganz traurig herein, ließ den Schnabel bis zur Erden hängen, und vergoß ordentliche Tränen, wie ein Mensch, ja es hat in funfzehen Tagen nicht das geringste fressen wollen. Noch angenehmer und herrlicher war des Erzrebellen Xeminbruns auf eine Lanze gestecktes Haupt, welches ihm in der Schlacht abgehauen worden. Und mit dem Leben dieses Verräters endigte sich auch dieser Krieg, bis auf die Ankunft des Chaumigrems, welcher Ava verlassen, und sich vor einen König in Brama aufwarf, worzu wir wegen geschwächter Armee eine Zeitlang stille sein mußten, weil wir nicht wußten, was wir uns gegen Ava zu versehen hatten. Dieses währete auch so lange, bis der jämmerliche Martabanische [191] Krieg vorging, und noch in Gegenwart Prinz Balacins der Krieg wider Brama von uns erneuert wurde.

Wie nun damals erwähnter Prinz Balacin Pegu verlassen, und was sich nach diesem zugetragen, solches wird nunmehr der vornehmste Zweck meiner Erzählung sein. Was die Prinzessin anbelanget, so hat man sie nach des Prinzen Abzuge fast nie zu sehen bekommen, sondern sie hat sich stets in stiller Einsamkeit aufgehalten, und das bevorstehende Unglück gleichsam zuvor beweinet. Der Kaiser immittelst, als ein tapferer Herr, war mit nichts als Kriegssachen beschäftiget, und hatte inner vierzehen Tagen eine Armee von sechsmal hunderttausend Mann wieder beisammen, welche er vor der Stadt täglich mustern ließ. Als auch die schreckliche Zeitung eingelaufen, Chaumigrem sei mit neunmal hunderttausend Mann bereits in Pegu eingebrochen, beschloß der Kaiser, dem Feinde beherzt entgegenzugehen. Dannenhero besetzte er die Stadt aufs beste, ließ die Prinzessin, welche höchst kläglichen Abschied nahm, zurücke, der Prinz aber mußte mit zu Felde gehen, und verließ uns also zwischen Furcht und Hoffnung. Daß ich es nun kurz mache, innerhalb vier Tagen erfuhren wir die jämmerliche Zeitung, daß eine grausame blutige Schlacht zwischen beiden Heeren vorgegangen, worinnen die unsrigen notwendig der Menge weichen müssen, der Prinz sei geblieben, und der Kaiser gar verloren worden. Was solches vor eine Bestürzung durch die ganze Stadt verursachte, ist nicht zu sagen. Das Geschrei so vieler tausend Seelen verursachte fast einen Widerschall bis an die Wolken, ein jedes suchte sich zu verbergen, und sahe doch keinen Feind. Die Reichsräte versammleten sich alle in der Burg, um einen ersprießlichen Rat zu suchen, wie doch solchem verwirretem Zustande abzuhelfen sei. Allein Furcht und Angst hatten ihre Zungen gebunden, und ihre Herzen gefesselt, daß es schiene, als ob sie Stillschweigens halben wären zusammen kommen. Ja was uns am meisten verwirrete, das war der Unterfeldherr Qvendu, dem der Kaiser die Stadt anvertrauet hatte. Dieser wollte niemals mit seiner Sprache heraus, und die Verräterei blitzte ihm aus den schelmischen Augen. In solchem Zustande kam ein Bramaner mit einer weißen Fahne vor die Stadt, und forderte solche im Namen des Chaumigrems auf, mit Bedrohung, wo man ihm die Stadt nicht ohne Bedingung alsbald eröffnen, den Kaiserlichen Schatz und Frauenzimmer völlig aushändigen, [192] und ihn als Kaiser von Pegu annehmen würde, so sollte kein Stein auf dem andern gelassen, und auch des Kindes in Mutterleibe nicht verschonet werden. Hier war nun guter Rat seltsam. Ein Teil schrie, das andere, und zwar die meisten, wollten die Tore geöffnet haben, und schien es auch endlich, ob würde der verräterische Qvendu mit seinem Anhange die Oberhand behalten. Hierauf entstund auf der Burg unter dem Frauenzimmer das jämmerlichste Schreien und Wehklagen, ja die Prinzessin war fast nicht zu ermuntern, so heftig setzten ihr die Ohnmachten zu, und kunnte ich mich unmöglich länger bei ihnen aufhalten, derowegen ich mich auf den Schloßturm begab, um eine sichtliche Kundschaft von dem Feinde einzuziehen. Solche erhielt ich mehr als zuviel, indem ich, so weit meine Augen sahen, kein Feld, sondern eitel Elefanten, Pferde, Wagen, Gezelter und Soldaten sahe: Und weil wegen innerlicher Unruhe die Stadt noch nicht eröffnet war, so ließ Chaumigrem alle Anstalt zu einer grausamen Belägerung machen. Weil aber dem Feind unsere Verwirrung sattsam bekannt war, als unterstund er sich, uns durch Schrecken zu erobern, welches ihm auch gar wohl gelunge. Denn er ließ die völligen Stücke, welche er in großer Anzahl mit sich führte, und von vielen Elefanten und Püffeln gezogen wurden, in einer langen Reihe vor das Osten-Tor pflanzen, und zugleich die ganze Armee teils in eine Schlacht-, teils in eine Sturm-Ordnung stellen. Hierauf hatte der Tyranne befohlen, alle Trummeln und Pauken zu rühren, und zu schlagen, ingleichen mußten die Trompeten, Hörner und Pfeifen insgesamt mit einstimmen. Die ganze Armee erhub ein entsetzliches Feldgeschrei, und die Stücken wurden alle zugleich wider die Stadt gelöset, daß es schiene, als ob Himmel und Erden ineinanderfallen wollte. Als nun ein jämmerliches Wehgeschrei durch die ganze Stadt mit einstimmete, so kann ich nicht glauben, daß etwas Entsetzlichers und Erschrecklichers könne gehöret oder gesehen werden, davon auch den tapfersten Helden die Haare hätten müssen zu Berge stehen. Das Herz in meinem Leibe schlug nicht so sehr vor Angst und Entsetzen, als der starke Turm von dem grausamen Knallen des Geschützes erschütterte, und das himmelschallende Geschrei betäubte mir fast die Ohren. Noch unter währendem Feldgeschrei sahe ich leider! den Feind ganz schwarz durch die Tore eindringen, und sich in die Gassen verteilen: wiewohl dieser Einbruch bald verhindert [193] wurde, weil der Tyranne die Stadt nicht wollte plündern lassen: Dannenhero geschahe nichts ferner, als daß ein Oberster mit zweitausend Mann nach der Burg sich begab, und das Kaiserliche Frauenzimmer nebenst der Prinzessin Banise und derer von Saavady gefangennahm. Solchem Jammer begehrte ich nicht beizuwohnen, indem meine Gegenwart doch nicht die geringste Gewalt aufzuhalten vermochte: Dannenhero blieb ich auf dem Turme sitzen, bis gegen den Abend, da ich mich sachte herunterbegab, in Meinung, mich unter dem gemeinen Volke zu verbergen. Allein ich hatte kaum die unterste Staffel berühret, so wurde ich von einer Schildwache erkannt, und sofort von andern gefangen angenommen. Ob ich mich nun zwar zu verleugnen suchte, so war ich doch schon durch andere Gefangene verraten, dannenhero ich auf Befehl des Obersten nach der Prinzessin Zimmer geführet wurde, um sie zu trösten, weil sie aus Verzweifelung ihren Tod suchte. Diese fand ich unter dem andern Frauenzimmer wie eine Sonne unter den Sternen, welche fast unterzugehen schiene. Das Herze wollte mir brechen, als ich ihre Schenkel und Armen mit güldenen Fesseln und Ketten mußte beleget sehen, da hingegen die Prinzessin von Saavady nur silberne trug, das übrige vornehme Frauenzimmer aber alles war mit seidenen Stricken gebunden. Als ich mich der Prinzessin genahet, schlug sie ihre Augen auf, sahe mich mit erbärmlichsten Blicken an, und sagte mit halbgebrochenen Worten: »Ach Talemon, erbarmet Euch Eurer vorhin gebietenden Prinzessin, und stoßet einen Dolch in meine Brust, um die beängstigte Seele von bevorstehender Schmach zu erretten, welche sich mein Herz erschrecklicher als einen hundertfachen Tod vorstellet.« Ich wußte hierauf vor Schmerzen nichts als diese trostlose Worte zu sagen: »Durchlauchtigste Prinzessin! Man suchet umsonst Hülfe bei einem halbtoten Menschen, indem ich selbst Henker und Säbel küssen wollte, wenn nur der Tod vor fernern betrübten Anblicken meine Augen schließen wollte.« – »Ach verfluchte Tyrannei!« fuhr die Prinzessin unter tausend Tränen fort, »da man auch die Aufenthaltung des Lebens zur neuen Folter machet, und uns verhindert zu sterben, wodurch wir unsere Ruhe suchen. Allein, das ist mein Trost, daß die Seele tausend Ausgänge weiß, diesen sterblichen Leib zu verlassen: Und weil ich weiß, daß Ihr die Vollziehung meines Vorsatzes erleben werdet, so bemühet Euch möglichst, meinem liebsten Prinzen die letzte [194] gute Nacht aus meinem sterbenden Munde zu überbringen, und ihn zu versichern, daß die Blume meiner Keuschheit und Liebe gegen ihn auch in dem Grabe Wurzel fasse.« Als meine feindseligen Begleiter sahen, daß ich statt Trostes sie nur mehr betrübte, führten sie mich wieder hinweg; und weil der Oberste erfahren, daß ich Reichs-Schatzmeister wäre, so befahl er mir im Namen seines Königs, die Schlüssel und ein richtiges Verzeichnis aller Schätze von mir zu stellen. Ob ich nun zwar meine Pflicht vorschützte, so half es doch nichts, sondern man drohete mir mit grausamster Pein, dannenhero ich vermeldete, wie sowohl die Schlüssel als das weitläuftige Schatzverzeichnis in solchem Tumult wäre verloren gangen, sie würden wohl den gewöhnlichen Handschlüssel der Soldaten bei sich führen, und sich begnügen lassen, wenn ich die Behältnisse des Schatzes anzeigete. Womit sie denn sehr wohl vergnüget waren, als ich ihnen nur etliche Gewölber wiese, und die unterirdische Schatzgrüfte in meiner Pflicht beruhen ließ. Nach diesem wurde mir erlaubet, frei in der Burg herumzugehen, jedoch hatte die Wache Befehl, mich nicht vor das Burgtor zu lassen. Ingleichen wurde mir auch alle Besuchung der Prinzessin untersaget, daß ich sie also das letztemal gesprochen. Indessen kunnte ich alles bemerken und erfahren, was in und außer der Burg vorging. Endlich wurde mir doch erlaubet, unter gnugsamer Aufsicht den königlichen Einzug des Chaumigrems mit anzuschauen. Dieses geschahe erst nach zweien Tagen, da er morgens vor die Stadt kam. Bei dem Osten-Tore, welches sonst Cabanbainhe genennet wird, empfingen ihn sechstausend Priester der zwölf Sekten, so in diesem Königreiche zu finden sind. Einer unter ihnen, namens Capizundo, täte das Wort, und redete ihn also an: »Gelobet und gesegnet sei der Herr, der wahrlich von jedermann davor müsse erkannt, und dessen heilige Werke, die durch seine göttliche Hände geschehen, müssen durch die Klarheit der Nacht bezeuget werden. Gelobet sei er, daß ihm durch die Werke der unendlichen Macht, die ihm angenehm sind, beliebet hat, Euch über alle Könige, die auf Erden herrschen, zu erheben. Und dieweil wir davor halten, Ihr seid sein Mitgenoß, so bitten wir, daß Ihr der Sünden, die wir wider Euch begangen, nicht mehr gedenket, damit Eure betrübte Untertanen auf die Zusage, so sie von E.M. erwarten, sich können zufriedengeben.« Darauf knieten fünftausend Grepos zur Erden, baten ihn gleichfalls mit erhabenen Händen [195] um Verzeihung, und redeten ihn mit verwirreter Stimme an: »Herr und König, verleihet Friede und Verzeihung wegen des begangenen Übels uns und allem Volke in diesem Königreiche Pegu, damit sie aus Furcht ihrer Missetaten, die sie öffentlich vor Euch bekennen, nicht verunruhiget werden.« Der König schien über solche Demut ganz vergnügt, und versprach ihnen die Verzeihung eidlich bei dem Haupte des heiligen Qviay Novandels. Auf diese Zusage fiel alles Volk aufs Angesicht zur Erden und schrien: »Gott gebe Euch lange Jahre Glück, Eure Feinde zu überwinden, damit Ihr derselben Häupter unter Eure Füßte treten möget.«

Wie schmerzlich mir diese Worte der schmeichelnden Pfaffen und des unbeständigen Volkes durch das Herze gingen, solches kann sich ein jeder treuer Diener, welcher begierig ist, vor seinen Herrn zu sterben, leichtlich vorstellen. Ja hier sahe man ein rechtes Beispiel des wankenden Pöbels, wie wenig sich auf dero beständige Treue zu verlassen sei. Den, welchem sie zuvor als ihrem rechtmäßigen Kaiser fast göttliche Ehre erwiesen hatten, verfluchten sie anietzo, einem Tyrannen zuliebe, welcher doch sowohl ein Untertan als sie alle war. Sie gaben dieses als Sünde und Verbrechen an, daß sie ihrem Kaiser, Eid und Pflichten gemäß, gehorsam und getreu gewesen, und erröteten nicht, vor des Bluthundes Ohren öffentlich zu rufen: »Verflucht sei Xemindo, welcher uns zu solchem Ungehorsam verleitet.« Ihre Wangen färbeten sich nicht einmal über diese lasterhafte Liebkosung, weil die Schandflecke alle zusammentrafen, und keinem eine absonderliche Röte anstrichen: Hergegen weil die Beschimpfung unzerteilet allein auf eine Person angesehen war, so wurde auch das innerste Mark der Seelen viel durchdringlicher angegriffen. Ja so Ehre als Schamhaftigkeit schiene aus ihren Herzen verbannet zu sein; und sahe man hier den Unterscheid hoher und niedriger Gemüter, weil jene viel eher sterben würden, als sich ihrer Unschuld schuldig geben.

Ich fahre nun fort, mit kurzem das fernere Beginnen dieses neuen Kaisers und gewaltsamen Bluthundes zu beschreiben: Denn als itzt erzählte scheltenswürdige Schmeicheleien vorbei waren, ward zu einem Freudenzeichen auf allerhand Instrumenten gespielet, und der Grepos Capizundo setzte dem Chaumigrem eine kostbare Krone von Gold und Edelgesteinen aufs Haupt in Gestalt einer Bischofsmütze, welche [196] sie aus dem Regalienzimmer geraubet, und, welches mir die Götter zeugen müssen, nicht aus meiner Hand empfangen haben, wie mir zwar zugemutet ward. In dieser Krone begab er sich mit hochmütigen Gebärden, welche eine Majestät vorstellen sollten, auf einen großen Elefanten, der mit Golde gewaffnet war, rings um ihn her gingen vierzig Trabanten mit großen silbernen Keulen. Vor sich her ließ er allen Raub der Elefanten und Wagen samt dem Bildnis des überwundenen Xemindo, welches erbärmlich anzusehen, und an eine dicke eiserne Kette gebunden war, neben vierzig Fahnen, die auf der Erden vor ihm hergeschleppet worden, führen. Alle seine Hofleute und Bedienten folgeten zu Fuße, und trugen vergüldete Säbeln auf den Achseln. Hinter diesen kam die Leibwache von sechstausend Pferden und dreitausend streitbaren Elefanten mit fremden Türmen, ingleichen viel andere Leute mehr zu Roß und Fuß in unzählicher Menge.

Nach diesem blieb er siebenundzwanzig Tage in der Stadt, und ließ unterdessen die übrigen Festungen, die es noch mit dem Xemindo hielten, und noch nichts von dessen Überwindung wußten, erobern. Ingleichen schrieb er viel höfliche Briefe an die Inwohner solcher Festungen, nennete sie bisweilen Kinder seiner Seelen, und verziehe ihnen alles, was sie wider ihn begangen, gleichsam als ob sie an Beobachtung ihres Eides und geschwornen Treue eine große Sünde begangen hätten. Diese verschmitzte Höflichkeit betrog alle Städte, Stände und Fürstentümer, daß sie sich nacheinander ihm ergaben. In währender Zeit aber, welches hoch zu verwundern, besuchte er niemal das gefangene Frauenzimmer, viel weniger ließ er die Prinzessin oder jemand davon vor sich kommen, welche inzwischen, wie ich vernahm, in steter Traurigkeit verharrete. Währender Zeit unterließ er auch nicht, den entflohenen Xemindo durch viele ausgeschickte Reuter aufzusuchen: und diese Spürhunde funden endlich, ach leider! den unglückseligen Kaiser an einem Orte, Fauclen genannt, und brachten ihn mit großen Freuden vor den Tyrannen, welcher den, der ihn gefunden, alsobald zu einem Herrn von dreißigtausend Dukaten Einkommens machte. Diesen ergriffenen Kaiser führeten sie an Hals und Händen mit eisernen Fesseln und Ketten beleget vor den hochmütigen Überwinder, welcher den armen Prinzen sofort mit diesen höhnischen Worten anredete: »Seid mir willkommen, Kaiser von Pegu! Ihr möget diese Erde wohl küssen, die Ihr hier [197] sehet, denn ich versichre Euch, daß ich allbereit meine Füße darauf gesetzet habe, daraus zu spüren, wie günstig ich Euch sei, weil ich Euch eine Ehre erweise, deren Ihr Euch wohl nimmermehr vermutet habt, daß Ihr nämlich die Erde küssen dürfet, welche ich betreten habe.« Als aber hierauf der trübselige Xemindo die Augen nur stets niederschlug, und ganz keine Antwort gab, fuhr der sieghafte Bluthund fort, ihn ferner zu verspotten: »Was ist das?« sagte er, »erschrickst du darüber, daß du dich in solchen Ehren siehest, oder wie soll ich's verstehen, daß du mir so gar nicht auf meine Frage antwortest?« Solche schimpfliche Reden gingen endlich dem hochbekümmerten Xemindo dermaßen zu Herzen, daß er sich nicht enthalten kunnte, folgendergestalt zu antworten: »Wann«, sagte er, »die Wolken des Himmels, die Sonne, der Mond und andere Gestirne, welche ihre zum Dienst des Menschen von Gott gewidmete Pflicht nicht mit Worten, sondern die reichen Schätze der hohen Allmacht durch schreckliches Donnern und Blitzen natürlicherweise verkündigen und erklären, denen, die mich hier, in diesem Zustande, worinnen ich vor dich gebracht worden, sehen, ja wann sie, wie ich, die innerliche Betrübnis und den großen Schmerzen könnten andeuten, den anitzo meine Seele fühlet, so würden sie vor mich antworten, und die Ursache anmelden, warum ich bei gegenwärtiger Beschaffenheit, darein mich meine Sünden gesetzet, so stumm befunden werde. Und gleich wie du von dem, was ich rede, als mein Gegenpart und Feind nicht urteilen kannst, also schätze ich mich nicht vor verpflichtet, dir dermaßen zu antworten, wie ich sonst wohl vor dem großen Herrn des Himmels, der mich ohne Zweifel mit größerer Gnade und Barmherzigkeit ansehen würde, tun wollte. Inzwischen soll doch mein unschuldiges Recht dich besiegen, obgleich mein Leib auf der Folter liegt.« Nach diesen Worten sank er nie der, fiel zur Erden auf sein Angesicht, und bat zweimal nacheinander um ein wenig Wasser. Dieses ihm nun zu gewähren und sein Herzeleid desto mehr zu vergrößern, befahl der verfluchte Tyrann, daß ihm solches Wasser die schöne Prinzessin Banise selbst bringen sollte. Das Herze blutete mir noch, wenn ich mir die betrübte Gestalt dieses schönen Fräuleins in Gedanken vorstelle, welche zwischen einigen Henkersknechten ein Geschirr voll Wasser mit gefesselten Händen und sachten Schritten brachte. Sobald sie aber hinzukam, fiel sie vor ihm nieder, umarmete ihren lieben Herrn [198] Vater mit kindlicher Inbrünstigkeit, küssete dreimal sein Angesicht, und sprach mit tränenden Augen und benetzten Wangen: »Ach Herr Vater! mein Herr! mein König! ich bitte um der getreusten Liebe willen, die ich allezeit zu Ihm getragen, und Er gleichfalls gegen mir dessen gehorsamstes Kind hat: Er lasse sich doch gefallen, mich also mitzunehmen, wie ich hier in Seinen Armen liege, damit ich Ihn bei diesem traurigen Gange mit einem kalten Trunk Wasser labe, weiln mir die Welt verweigert, auf andre Art meine schuldige Kindespflicht zu erweisen.« Dieses alles geschahe auf dem Markte in Anschauung vieler tausend Menschen, immittelst, daß sich der Tyranne in etwas von diesem traurigen Anblick entfernet hatte, vielleicht befürchtende, es möchte einige Wehmut den grausamen Vorsatz besiegen. Auf vorerwähnte Trauerworte wollte Xemindo der Prinzessin antworten, er vermochte aber nicht, solches zu bewerkstelligen, indem ihn hieran die große väterliche Liebe verhinderte, und dermaßen von herzlichem Betrübnis übernommen ward, daß er in eine tiefe Ohnmacht fiel, und eine geraume Zeit darinnen verharrete. Worüber etliche große Herren, wie auch ich selbst, weil wir zugegen waren, dermaßen beweget worden, daß uns aus natürlichem Mitleiden die Tränen in die Augen stiegen. Aber wir wußten nicht, daß uns das Unglück am nächsten war, denn der Tyrann nahm solches auch von fernen in acht, und weil wir alle aus Pegu waren, deutete er unsere Tränen anders aus, und befahl, ohne alle Gnade und Verlierung einiger Zeit, uns die Köpfe herunterzuschlagen. Ob wir nun zwar insgesamt aufs beweglichste hiervor baten, und unsere Unschuld bezeugeten, so wurde doch keines einigen andern als meine Einwendung angenommen, indem ich vorgab: Mein Leben würde Sr. Majest. viel ersprießlicher sein, als mein Tod, indem die völlige Nachricht der Kaiserlichen Schätze bei mir beruhete. Und dieses zwang mir die Todesfurcht aus, indem ich über vorige noch andere Schätze entdeckte, welche ich sonst wohl würde verschwiegen haben. Jedoch tröstete ich mich damit, daß es nicht alle, viel weniger die besten waren. Ob ich nun zwar wiederum entlediget ward, so mußten doch die andern, welche nur das geringste Zeichen ihres Beileids von sich blicken lassen, insgesamt dem Säbel herhalten, nachdem sie der Bluthund zuvor mit grausamen Gebärden angeredet: »Weil Ihr mit Eurem Kaiser Xemindo so großes Mitleiden habt, so spazieret ein wenig [199] voraus, und bestellet ihm das Quartier, da er euch denn die jetzt bezeigte Gewogenheit reichlich vergelten wird.« Dieses Mordspiel war kaum geendiget, so verdoppelte sich des Wüterichs Grausamkeit dermaßen, daß er zur Stunde befahl, die holdselige Prinzessin, das getreue Kind, auf dem Rücken ihres Vaters, den sie umhalsete, niederzusäbeln. Welches wahrlich mehr als eine bestialische Wut und abscheuliche Grausamkeit war, daß dieser unmenschliche Tyrann und greuliche Unhold, die menschliche, von der Natur selbst eingepflanzte, Treue und Liebesneigungen so unmenschlicherweise verhindern wollte. Dieser grausame Befehl betraf nun gleich gegenwärtigen Herrn Hauptmann, welcher sich nicht säumen durfte, solches zu vollziehen, dannenhero er mit bloßem Säbel und zehen Mann von der Leibwache sich an den betrübten Ort verfügte. Hier verging uns nun allen Hören und Gesicht, und wendete jedwedes die Augen ab, ein solches unerhörtes und der Natur zuwider scheinendes Urteil vollziehen zu sehen. Kurz, wir bemerkten nichts mehrers, als daß die Prinzessin aus unsern Augen kam, da wir alle vermeinten, sie habe bereits den unbarmherzigen Stahl geküsset: wiewohl wir eines andern verständiget worden, als bei seiner Wiederkunft ihn Chaumigrem mit rauhen Worten anfuhr, und fragte, warum er nicht seinen Befehl auf öffentlichem Markte alsobald vollzogen hätte? »Was Sie befohlen«, antwortete er, »ist bereits geschehen. Inmittelst habe ich nicht sonder Bedacht solches in meinem Hause vollziehen lassen, weil ich besorget, es möchte die Gemüter der Peguaner allzu heftig bewegen.« Ob nun zwar der Tyranne sein Mißvergnügen ferner wollte zu verstehen geben, so schiene er doch wieder begütiget zu sein, als der enthalsete Körper in seiner gewöhnlichen Kleidung auf offenen Markte vor jedermanns Augen hingeworfen ward. Welcher erschreckliche Anblick die bestürzten Peguaner dermaßen bewegte, daß sie, um ihre Betrübnis zu verbergen, sich im Augenblick verloren, und man keinen Menschen aus Pegu mehr auf dem Markte ersehen kunnte. Xemindo aber ward unterdessen in ein hartes Gefängnis geführet, und stark bewachet. Folgenden Morgen wurde in allen Straßen ausgerufen, das Volk sollte sich herbeifinden, anzusehen die tödliche Ausführung des unglückseligen Xemindo, vormaligen Kaisers zu Pegu. Solches ließ der Tyrann deswegen tun, damit ihnen die Einwohner, wenn sie jetzo den Xemindo sterben sehen, hinfüro keine Hoffnung [200] machen dürften, ihn zum Kaiser wiederum zu verlangen, sintemal ihm wohl bewußt, daß sie, ungeachtet öffentlicher Schmeichelei, dennoch im Herzen solches wünschten: Angesehen Xemindo sehr wohl und löblich regieret hatte; hingegen war dieser ein Ausländer, welcher einen solchen Tyrannen zum Bruder gehabt hatte, der fast keinen Tag hingehen lassen, an welchem er nicht bis funfzehenhundert Menschen erwürget hätte: manchmal war auch diese Zahl auf vier- bis fünftausend gestiegen, daß sie um der allerliederlichsten Ursache willen ihre Köpfe lassen müssen. Diesen Morgen ließ der Tyrann mich vor sich fodern, und begehrte von mir eine aufrichtige Bekenntnis aller bewußten Schätze, darbei er mir große Gnade versprach, widrigenfalls aber, wo ich das geringste verschwiege, mir den ärgsten Tod drohete. Diesem nun zufolge tat ich was ich kunnte, weil ich doch die Schickung des Himmels vor Augen sahe, und niemanden wußte, dem ich sie zum besten verschweigen sollte, jedoch habe ich meinem Gewissen zwei unterirdische und mehr als königliche Schätze vorbehalten, welche ich dem Prinzen von Ava, wo die Götter ihre Gnade hierzu verleihen wollen, zugedacht habe. Nach diesem stellete mir der Tyrann freie Wahl, ob ich seine Gnade ferner bei Hofe suchen oder mich auf mein Landschloß hieher begeben wollte: welches letztere mir denn eine der fröhlichsten Zeitungen zu vernehmen war, und es sofort mit hohem Danke annahm. Wiewohl ich nicht sonder Sorgen meinen Sohn zurücke lassen mußte, welchen, wie bewußt, hernach Chaumigrem zum Hofemeister über das Frauenzimmer gesetzt hatte. Unter dessen Hand auch die Prinzessin von Saavady nebst vielen andern getan worden. Auf den allerunglückseligsten Xemindo aber wieder zu kommen, so ward selbiger ungefähr um zehn Uhr aus dem Kerker herfürgeholet, wobei ich folgende Ordnung bemerkte: Vor ihm her marschierten durch die Gassen, da man ihn durchbringen sollte, vierzig Reuter, die in ihren Händen Lanzen führeten, um das Volk auf die Seite zu schaffen. Hinter diesen kamen ebensoviel mit bloßen Schwertern in der Hand, welche überlaut ausruften: das Volk, welches nicht zu zählen war, sollte Platz machen. Nach denen kamen funfzehenhundert Büchsenschützen, mit brennenden Lunden, welche man Tixe Lakoo, oder Vorläufer des königlichen Zorns, zu nennen pfleget: Hierauf sahe man hundertundsechzig Elefanten mit ihren Türmen auf den Rücken, welche alle mit seidenen Teppichen [201] behangen waren. Dieser gingen fünfe nebeneinander, und machten zweiunddreißig Glieder. Hinter denen folgeten funfzig Mann, ebenfalls fünfe im Gliede, zu Pferde, welche schwarze blutige Fahnen trugen, und mit starker Stimme ausriefen: daß diese Elende, die des Hungers Sklaven und durch Mißgunst des Glücks stets verfolget würden, hören sollten den Ruf und Geschrei des mächtigen Zornarms, so wider diejenige exequieret würde, die ihren Kaiser erzürnet, damit das Schrecken der auferlegten Strafe ihrem Gedächtnisse tief eingewurzelt bleibe. Nach diesen Herolden folgeten funfzehenhundert andere mit roten Kleidern, welches ihnen ein schreckliches Ansehen gab. Diese sprachen auf den Klang von fünf Glöcklein, womit sie gar geschwinde klingelten, nachfolgende Worte mit einer so traurigen Stimme, daß die, so es hörten, zum Weinen beweget wurden: »Dieses strenge Gerichte wird geheget durch den lebendigen Gott, den Herrn aller Wahrheit und des heiligen Leibes, daran die Haare unserer Häupter die Füße sind, derselbe will, daß man töten soll den Xemindo, welcher sich dem großen Könige von Brama widersetzet, und dessen Staat und Recht angefochten hat.« Auf solches Ausrufen antwortete ein gewisser Haufe Volks, so im Gedränge vor der ganzen Menge herlief, daß einem das Herz davor erzitterte: Ohne alle Barmherzigkeit müsse derjenige sterben, der eine solche Sünde begangen hat. Folgends marschierten fünfhundert Bramaner zu Pferde und nach denselben wiederum so viel zu Fuße, unter welchen etliche in ihren Händen bloße Degen und Schilde führeten, die andern aber mit Panzern und Brustharnischen versehen waren. Mitten unter diesen erblickte man den betrübten Xemindo, welcher auf einer magern, nichts werten verschmachteten Schindmähre saß, und den Scharfrichter, auf dessen Achseln sich seine Hände steuren mußten, hinter sich hatte. Dieser armselige Prinz hatte ein so zerrißenes und zerlumpetes Bettelkleid an, daß ihm allenthalben die Haut dadurch schien. Über das trug er zu größerer Verspottung eine stroherne Krone, welche auswendig mit Muschelschalen, so auf einen blauen Faden gezogen, wie auch das eiserne Halsband statt der Perlen besetzet war. Ob man ihn nun gleich in so schmählicher Gestalt darstellete, und sein Gesichte fast keinem lebendigen Menschen mehr ähnlich sahe, so leuchtete doch aus seinen Augen, wenn er dieselben emporhub, ein majestätischer Blick herfür, der von seiner Beschaffenheit [202] und hohen Stande ein sattsames Zeugnis gab, wie sehr ihn auch das Unglück und die Tyrannei seines Feindes verstellet hatte: Und in seinen Blicken ließ sich eine besondere mit Majestät vermengte Sanftmut spüren, welche alle diejenigen, so ihn ansahen, zum Weinen bewegte. Rings um diese Leibwacht, damit er umgeben war, ritten tausend Mann zu Pferde, mit vielen Elefanten untermenget. Dergestalt passierte der gesamte Aufzug durch die zwölf vornehmsten Straßen der Stadt, woselbst eine unzählbare Menge Volks gleichsam gepfropft aufeinanderstund, und gelangete endlich auf eben die Straße, allwo er vor etlichen Wochen in unbeschreiblicher Pracht wider diesen Tyrannen aus- und zu Felde gezogen. O wunderliches Verhängnis! O veränderliches Glück! O spiegelglattes Eis der Herrschaft! da sich die Krone in einem Cypressenkranz und der Szepter in einen blutigen Mörderstahl verwandelt. Hier sehen wir, wie vergebens wir arme Menschen bemühet sind, wenn wir uns unterstehen, den Schluß zu meiden, welchen das Verhängnis in das Himmelsbuch mit solchen Ziffern, welche nur die Götter verstehen, eingeschrieben hat. Dieser, welcher vor kurzen Tagen als ein Überwinder in Hoffnung auszog, seinen Feind zu suchen, der hat ihn allzu zeitig gefunden, und muß als ein Sklave in Fesseln einherziehen. Auf dessen Wink vorhin viel tausend Augen warteten, der hat jetzo nicht Macht, einem Buben zu befehlen: Ja welche ihn zuvor als einen Gott anbeteten, diese sahen ihn mit halberöffneten Augen ohne einige Ehrerbietung an. Doch wollen wir zu dem Ende dieser Schmach schreiten, weil es mir die Wehmut nicht länger erlaubet, dieses Elend auch nur in Gedanken anzuschauen. Die größte Schmach, so ihm angetan ward, und wohl am meisten, ja ärger als der Tod selbst, kränken mochte, war ein unverschämter Backenstreich, so ihm ein schlimmer Henkersknecht versetzte. Denn als sich Xemindo mit einem Portugiesen in ein Gespräch eingelassen, und unter andern Worten diese fallen ließ: »Ich muß gestehen, wann es Gott gefiele, möchte ich jetzo noch eine Stunde leben, um zu bekennen die Vortrefflichkeit des Glaubens, welchem ihr andern zugetan seid. Dann nachdem ich vormals davon habe reden hören, so ist euer Gott allein der wahre, und alle andere Götter sind Lügner.« Ob nun zwar solche Rede nicht wenig harte lautete, so hatte doch niemand diesem verdammten Bösewichte, einem Henkersknechte, die Macht gegeben, hierinnen Richter zu sein, [203] noch diesem betrübten Herrn mehr zu betrüben, indem er ihm eine so harte Maulschelle auf Anhörung dieser Worte gab, daß ihm das Blut zu der Nasen herausstürzte, welches höchst erbärmlich anzusehen war an einem, der noch vor drei Wochen einer von den mächtigsten Königen in der ganzen Welt und ein Beherrscher über so viel hunderttausend Seelen war: Der großmütige Kaiser aber vertrug solches mit höchster Geduld, indem er nur diese Worte drauf sagte: »Mein Freund, laß mich mit diesem Blute Nutzen schaffen, auf daß dir nichts abgehe, sondern du mein Fleisch darinne backen und rösten könnest.« Unter soviel tausend verkehrten Gemütern aber hielt sich doch noch ein tapferes Herze auf, welches ungeachtet eiferigster Nachforschung bis itzo unerkannt, sein Name aber in das Buch der getreuen Helden eingetragen verblieben ist. Dieser kunnte die dem vorhin unbeglückten Xemindo angetane Beleidigung durchaus nicht vertragen: dannenhero er als ein Blitz aus dem Haufen hervorbrach, und den frechen Henkersbuben mit einem Wurfspieß durch und durch rannte, daß der Spieß in ihm stecken blieb, und er tot zu des Xemindo Füßen fiel. So geschwinde diese Rache vollzogen war, so hurtig wußte sich dieser treue Rächer wiederum unter dem Haufen zu verbergen, daß alle angewandte Mühe, ihn aufzusuchen, nur vergebens war. Diese Tat war des elenden Herrns letzte Vergnügung auf dieser Welt, welche ihn dermaßen bewegte, daß er einige Tränen fallen ließ, und sagte: »Tapfere Seele, wer du auch seist, wollten die Götter, es wäre allen meinen Untertanen gleiche Treue und Tapferkeit eingepflanzet gewesen, es sollte mich dieser Jammer nicht betroffen haben. Inmittelst hast du verdienet, daß du mit ewigen Lorbeeren gekrönet werdest.« Hiermit führte man ihn weiter fort, bis an den Gerichtsplatz, da ihn das Leben so zu verlassen schien, daß er fast auf nichts mehr Achtung gab. Zuletzt stieg er auf eine hohe Gerichtsbühne hinauf, die für ihn insonderheit gebauet war, und der Chirca oder Obergerichtsvorsteher las ihm überlaut von einem hohen Stuhl sein Urteil vor, dieses kurzen Inhalts: »Der lebendige Gott unserer Häupter, der große Herr über die Kronen, befiehlet, daß Xemindo soll hingerichtet werden als ein Zerrütter der Völker auf Erden, Mörder des Xeminbruns und Todfeind des Volkes von Brama.« Nach solchem Ausspruch gab er mit der Hand ein Zeichen, worauf der Henker alsobald das Haupt in einem Streiche wegschlug, welches er dem[204] Volke zeigete, und den Leib in acht Stücke zerteilete. Das Eingeweide und die übrigen innern Teile des Leibes legte man ganz besonders und allein, und bedeckte sie mit einem gelben Tuche. Also ließ man den zerschnittenen Leib bis zu der Sonnen Untergang liegen, da sie denn eine unsägliche Menge Volks besahe bis um drei Uhr nachmittage. Nachmals, als sich das Volk satt gesehen, und das Getümmel ein wenig gestillet, auch zu dem Ende etliche gewisse Personen zu Pferde dem Volke bei hoher Strafe stille zu sein geboten, da ward mit einem Glöcklein fünfmal nacheinander geläutet, auf welches Zeichen zwölf Männer in schwarzen mit Blut besudelten Röcken, mit verhülleten Angesichtern und silbernen Kolben auf ihren Schultern aus einem hierzu absonderlich zugerichteten hölzern Hause, so ungefähr fünf oder sechs Schritte von dem Blutgerüste stund, hervortraten. Denen folgeten zwölf heidnische Oberpriester oder Talegrepos, nächst diesen erschien des Tyrannen Vetter, Pocasser, ein dem Ansehen nach hundertjähriger Greis, eben, wie alle die andern, in gelben Trauerhabit. Rings um ihn her gingen zwölf kleine Kinder, die gar köstliche Kleider und zierliche Beile auf den Achseln trugen. Wie dieser Alte an den Ort, wo der zerstückte Körper lag, kommen, kniete er dreimal nacheinander zu der Erden, und redete wegen seines Vetters, des Königs von Brama, den gemetzelten Körper mit ehrerbietig scheinenden, doch recht höhnischen Worten an: »O du heiliges Fleisch«, sagte er, »lobwürdigstes Blut! ich bitte dich, vernimm die Rede meines Mundes mit geneigten Ohren, auf daß die in dieser Welt an dir verübte Missetat möge ausgesöhnet werden. Dein Bruder Oretenau Chaumigrem, Prinz von Brama, lässet durch mich, deinen Sklaven, dich bitten, im Fall er dich beleidiget, so wollest du ihm solches, ehe dann er von dieser Welt scheidet, verzeihen, hingegen alle seine Königreiche in Besitz nehmen; maßen er dir solchen Titul darüber abtritt, und davon nicht das geringste zu behalten gewillet ist. Durch mich, seinen Sklaven, bezeuget er, diese seine Übergabe geschehe freiwillig, damit die Klage nicht vor Gottes Ohren gelangen möge, welchen du etwan droben im Himmel wider ihn anstrengen möchtest. Hiernächst verheißet er, die dir zugefügte Unbilligkeit solchergestalt zu büßen, daß er auf der Pilgerfahrt dieses zeitlichen Lebens über dieses dein Reich Pegu nur Wächter und Hauptmann sein, und selbiges von dir zu Lehen empfangen wolle. Wie er dann dir [205] hiermit den Eid der Treue leistet, dem, was du ihm aus dem Himmel wirst gebieten, jederzeit auf Erden getreulich nachzuleben, und zwar mit dieser Bedingung, daß du ihm mögest zu seinem Unterhalt von allen dem, was von den Zöllen einkömmt, nur Almosen reichen, weil ihm sehr wohl bewußt, daß ihm anderer Gestalt die Besitzung des Reiches nicht erlaubet ist, die Meni Grepos auch sonsten weder dreinwilligen noch ihm in seiner letzten Stunde die Sünden vergeben werden.« Hierauf vertrat einer aus den fürnehmsten Priestern des Entleibten Stelle, und trieben gleichsam wie ein Gaukelspiel mit dem toten Körper, indem er diese Antwort erteilte: »Nachdem du deine Mißhandlung bereuest, und in gegenwärtiger öffentlicher Versammlung mir Abbitte tust; wohlan! so sei dir hiermit alle Verzeihung von mir gerne und willig erteilet, und als dem künftigen Hirten meiner Herde dieses mein Königreich überlassen, mit angehängter Bedingung, daß du dein beschwornes Versprechen unverbrüchlich haltest: widrigenfalls würde solches eine so schwere Sünde sein, als legest du itzt, ohne Erlaubnis des Himmels, aufs neue Hand an mich.«

Wie der Pfaffe diese Worte geendiget, hub alles Volk frohlockende an zu schreien: »Gott verleihe solches!« Inzwischen verfügte sich der Pfaffe nach dem hohen Stuhl, von welchem zuvor das Bluturteil war verlesen worden, und rief dem Volke ferner also zu: »Schenket mir zur Nahrung meiner Seelen einen Teil der Tränen eurer Augen um der angenehmen Zeitung willen, die ich euch verkündige, daß nämlich hinfüro dieses Land nach Gottes Willen soll unserm Kaiser Chaumigrem verbleiben, und er solches nimmermehr wiedererstatten dürfe: dannenhero ihr, als fromme und getreue Knechte, wohl befugt seid, hierüber euch fröhlich zu bezeigen.« Hierauf schrie der gesamte Haufe mit erschrecklicher Stimme: »Gelobet seist du Herr!« Nach allen geendigten Heucheleien und Spottreden trugen die Priester die Stücke des zerteilten Leibes mit großer Ehrerbietung von dem Trauergerüste hinab zu einem von köstlichem Holze gemachten Feuer, wurfen alles Fleisch mit dem Eingeweide hinein, und ließen es brennen, würgeten viel Hammel und andere Tiere zum Opfer, dem hingerichteten Kaiser zu Ehren. Dieses Feuer brannte die ganze Nacht durch bis an den hellen Morgen, da sie die überbliebene Asche des verzehrten Leichnams in eine silberne Kiste sammleten, mit einer sehr großen Anzahl [206] Leichenbegleiter, von mehr denn zehntausend Priestern in den Tempel unsers Abgottes, des Gottes der tausend Götter genannt, trugen, und allda in einer vergüldeten Kapelle in ein sehr prächtiges Grab beisetzeten. Und dieses war das jämmerliche Ende dieses lobwürdigsten Kaisers, welchen nicht sowohl seine Schuld als das ungütige Verhängnis gestürzet hat. Als ich nun dieses alles mit trockenen Augen und blutenden Herzen mit anschauen müssen, suchte ich Erlaubnis, der versprochenen Gnade zu genießen, und mich hieher auf mein Landschloß zu begeben, allda ich in willens war, das bedrängte Herze zu entledigen, und meinem entseelten Kaiser ein tägliches Tränenopfer zu gewähren. Allein ich fand mich sehr betrogen, indem mir der Tyrann andeutete, ich müßte noch einen Feldzug mittun, und ein Zuschauer seiner Gerechtigkeit sein. Was mir dieses vor eine erschreckliche Post war, ist leicht zu ermessen, und durfte ich mich nicht erkühnen, meine Bitte zu wiederholen. Kurz: die Armee wurde zusammengenommen, und der Zug ward gleich auf Prom eingerichtet. In selbten Reiche herrschte eine Königin als Vormünderin ihres dreizehnjährigen Prinzens, nachdem ihr Herr, der König, verstorben, und der älteste Kronprinz verloren war, daß niemand noch diese Stunde weiß, wo er hinkommen. Weil nun damals der Herr Oberhauptmann auf Befehl zurücke bleiben, und die Burg besetzen mußte, als kann ich selbten, weil er nicht zugegen gewesen, zugleich eine und die andere Nachricht von diesem Zuge erteilen. Unsere Armee bestund in 700000 Mann und 1200 Schiffen, mit welcher entsetzlichen Macht wir inner vierzehn Tagen vor der Stadt Prom anlangeten, und alsobald eine würkliche Belagerung zu Wasser und Lande aufs grausamste angestellet, das Schloß aber fünf ganzer Tage entsetzlich beschossen ward. Des sechsten Tages sandte die Königin einen mehr als hundertjährigen Talegrepos mit einem köstlichen Geschenke heraus, dem sie auch volle Macht, einen Frieden zu schließen, mitgegeben hatte. Dieser überreichte von seiner Königin dem Tyrannen ein demütiges Schreiben, folgenden Inhalts:


Großer und mächtiger Herr, welcher in dem Hause des Glückes mehr begünstiget wird als alle Könige des ganzen Erdbodens. Kraft von äußerster Stärke, Wachstum des gesalzenen Meeres, dahinein alle andere kleine Bäche fließen. Schild, voll von schönen Bildsprüchen, Besitzer des allergrößten Staats, [207] in dessen Thron seine Füße ruhen, mit einer höchstverwunderlichen Majestät.

Ich armes Weib, Nhay Nivolan, Regentin und Vormünderin meines unmündigen Sohnes, werfe mich vor Euch mit tränenden Augen nieder und mit solcher Ehrerbietung, die man Euch zu geben schuldig ist; demütigst bittende, Ihr wollet doch wider meine Schwachheit den Säbel nicht in die Hand nehmen, zumal Ihr wisset, daß ich nur ein Weib, das außer den Tränen keine andere Waffen hat, womit ich das zugefügte Leid Gott klagen könne, dessen göttlicher Natur es gemäß ist, daß er durch seine Barmherzigkeit den Menschen zu Hülfe komme: vor dem sich auch die, welche in dem tiefen Hause des Rauches wohnen, fürchten, und vor einem so mächtigen Herrn erzittern müssen. Ich bitte, und beschwere Euch, daß Ihr mir das meinige nicht nehmet, in Betrachtung, daß solches, wie Ihr wisset, ein so geringes ist, daß Ihr durch dessen Besitz nicht größer, noch durch die Entbehrung geringer werden könnet. Gleichwie im Gegenteil, daferne Ihr Euch gegen mich barmherzig erzeiget, eine solche gnädige Handlung Euch ein so großes Ansehen bringen könne, daß allerdings die kleinen Säuglinge von den weißen Brüsten ihrer Mutter ablassen, und Euch mit den reinen Lippen ihrer Unschuld loben werden. Zudem werden alle Einwohner meines Landes als auch die Fremden an diese mir erwiesene Gnade gedenken, ich selbst will es auf alle Begräbnisse der Toten stechen und graben lassen, auf daß nicht allein die Lebendigen, sondern auch die Toten Euch danken mögen wegen einer Sache, die ich so inständig und in tiefster Demut von Euch bitte. Der heilige Avemlachim, der Euch dieses Schreiben überliefert, so ich selber geschrieben, hat vollkommene Gewalt, im Namen meines unmündigen Sohnes mit Euch zu handeln, und alles, was billig sein wird, zu schließen: auch sogar wegen des Tributs und Huldigung, welchen Ihr uns aufzulegen belieben werdet, und das mit solcher Bedingung, daß Euch hingegen möge gefallen, uns in dem Besitz unseres Hauses zu lassen, damit wir in versicherter Wahrheit unsere Kinder auferziehen, und die Frucht von unserer Arbeit zur Nahrung und Unterhalt der armen Untertanen dieses elenden Fleckens, welche Euch dienen werden, einsammlen, und ich samt ihnen in demütigster Ehrerbietung in allen Euch beliebenden Sachen uns gebrauchen lassen mögen.

Nhay Nivolan.


[208] Diese bewegliche Zeilen las der Tyranne zwar, nahm die Geschenke an, und bewilligte einen Stillstand, bis alles geschlossen wäre: Dessen ungeachtet aber ließ er doch rings umher alles verwüsten, und die Inwohner niederhauen. Daher der alte Priester seine Falschheit leicht merken kunnte, und deswegen um Erlaubnis anhielte, wieder in die Stadt zu kehren, welches ihm, nachdem er sich fünf Tage im Lager aufgehalten, vergönnet ward, mit der Anforderung an die Königin, daß sie ihm ihre Schätze, Untertanen und Königreich abtreten, hingegen dieser Verlust durch ein ander Mittel ersetzet werden sollte. Welches aber der Königin nicht anständig sein mochte, indem sie lange verzog, sich hierauf zu erklären, sondern vielmehr alle Anstalt zu möglichster Gegenwehr machte. Wie der Tyranne dieses sahe, daß er vergeblich auf eine Antwort wartete, stärkete er sein Lager, ließ eine große Anzahl Sturmleitern verfertigen, und seinen Soldaten andeuten, daß sie sich inner drei Tagen zum Sturme fertighalten sollten. Wie nun alles in Bereitschaft war, wurden die Mauren mit solchem abscheulichen Geschrei bestürmet, daß es schiene, als wenn Himmel und Erde ineinandergemenget wäre: ja der Streit war so grausam, daß in kurzer Zeit die Luft voll heller Flammen, der Erdboden aber von dem Blut der Erschlagenen ganz durchweichet war, wobei der Blitz der Schwerter und Spieße stets die Augen blendete, welches dermaßen grausam anzusehen war, daß ich vermeinte, in Ohnmacht zu sinken. Mein Gebet war inzwischen stets zu den Göttern gerichtet, daß sie der bedrängten Stadt beistehen, und sie aus der Hand dieses Tyrannen erretten möchten, welches auch vor dieses Mal gnädigst erhöret wurde. Denn als dieser Sturm sechs Stunden lang gewähret hatte, und der Bluthund vernahm, daß sich die Festung so tapfer wehrte, hingegen die Seinigen ganz abgemattet wurden, so ließ er die Stürmenden durch hundertundzwanzigtausend Mann der besten Leute ablösen, welche den Sturm erneuern mußten. Dieser andere Anfall währete bis in die Nacht, ehe zum Abzuge geblasen wurde, ungeachtet vielen Einratens. Er wütete, ja rasete fast vor Verdruß, daß ihm sein Vorhaben sollte rückgängig gemacht werden. Denn er hatte geschworen, er wollte entweder diese Nacht innerhalb der Mauer schlafen, oder es sollten alle Hauptleute, welche nicht verwundet wären, ihre Köpfe springen lassen. Dessen aber ungeachtet, ob sich gleich der Sturm bis zwei Stunden nach Mitternacht, [209] gleich als der Mond diesem Blutwesen sein Licht entziehen wollte, verzog, so mußte doch der fruchtlose Streit geendiget, und das Zeichen zum Abzuge gegeben werden. Dieser Sturm hatte vierundzwanzigtausend Mann unserseits gefressen, und befunden sich noch über diese dreißigtausend hart verwundet, deren wegen übler Wartung noch viel draufgingen. Solches verursachte eine starke Pest in unserm Lager, daß über achtzigtausend Mann hinfielen, welche alle denen Vögeln zur Speise hingeworfen worden. Wie nun der Tyrann betrachtete, daß ihn dieser Sturm so teuer angekommen, wollte er seine Leute solchergestalt nicht mehr wagen, sondern ließ eine hohe Batterie aufwerfen, die zwei Klaftern höher als die Stadtmauer war. Auf diese ließ er achtzig Kanonen führen, mit welchen er innerhalb neun Tagen den mehrern Teil der Stadt zugrunde schoß, und der Überläufer Bericht nach vierzehntausend Mann in der Stadt umbrachte. Dieses mochte wohl der armen Königin allen Mut vollend benehmen, insonderheit weil wir Kundschaft hatten, daß nur noch sechstausend gesunder Leute zu ihren Diensten stünden. Darum hatte sie ihren Rat versammlet, in welchem sie beschlossen, sich mit dem Öle aus der Lampen des Gottes der Feldschlachten, Qviay Nirandel zu salben, sich demselben zu befehlen, und die schädliche Batterie anzugreifen, mit dem festen Vorsatz, entweder zu siegen oder zu sterben. Zum Obersten hatte sie ihren Vetter den Manica Votau erwählet. Diesen Ratschlag empfunden wir in der Tat mehr als zu heftig: Denn als wir auf vorige Nachricht uns der Sicherheit allzusehr anvertrauten, ja, der Name des Feindes jedweden verächtlich fiel, und dannenhero nicht allein die Wachten übel bestellet, sondern auch fast alle in der Ruhe begraben waren: so fiel erwähnter Manica mit den sechstausend Mann, bei finsterer Nacht durch zwei Pforten auf erwähnte Batterie aus. Was nun hier vor eine Verwirrung war, das ist unmöglich zu sagen. Es wurde zwar alsobald Lärmen im ganzen Lager, und die verwirreten Haufen nach Möglichkeit in der Finsternis zusammengezogen: Allein weil sich der Feind in zwei Teile geteilet, und gleich auf das königliche Gezelt zueilete, so war die Verwirrung desto größer, weil kein Hauptmann wußte, wo er seine Leute anführen, oder wem er widerstehen sollte. Der Chaumigrem selbst war in bloßen Schlafkleidern zu Pferde kommen, und schrie auf seine Leute, sich wohl zu verhalten, da man doch weder Feind noch Freund kannte. Niemand sahe seinen [210] Feind eher, bis er ihn fühlte, und tot vor ihm niedersank. Mit einem Wort, dieser nächtliche Einfall war so erschrecklich, daß er an Grausamkeit vorigen Sturm zu übertreffen schien. Die Erde erbebete unter meinen Füßen wegen des heftigen Getümmels so vieler tausend Mann und Pferde: Das Geschrei schallte bis in die finstern Wolken hinein, und das Winseln und Wehklagen der Sterbenden, welche so unvermutlich fallen mußten, durchdrang dem, der es anhörte, Seel und Mark. Solches Entsetzen wurde nicht wenig vermehret, als das Elefantenlager in Brand geriet, wodurch nicht allein die Elefanten das Feuer scheuten und ausrissen, sondern auch die Unordnung um ein großes vermehrten, indem sie mit erschrecklichem Gebrülle herumraseten, und alles, was ihnen vorkam, mit ihren Rüsseln und Füßen zermalmeten und zertraten. Hier mußten wir nun einen neuen Krieg mit den Elefanten anheben, und sie fällen, wie man kunnte. Dieser Brand aber öffnete uns allererst die Augen, indem wir den Feind schon auf der großen Batterie fleißig arbeiten sahen, welcher nicht allein die Stücken schon alle vernagelt hatte, sondern auch bereits selbe zu schleifen begunnte. Worauf sich alles zusammenzog, um den rasenden Feind abzutreiben: Allein sie stritten gesamter Hand so tapfer, ja ganz verzweifelt, daß sie die Ankommenden der Unsrigen alsobald in die Flucht schlugen, und so lange die andern aufhielten, bis die Batterie in Grund niedergerissen, und alle Stücke verderbet waren. Nach welcher Heldentat sie sich fechtende zurücke und wieder in die Stadt begaben, da sie doch nicht mehr als siebenhundert Mann verloren hatten. Hingegen war unser Tyranne selbst mit einer Lanze in die Schulter verwundet, der oberste Feldherr Xoram war geblieben und mit funfzehentausend Mann. Ja was noch mehr, sie hatten achthundert Bramaner und vierzig Elefanten gefangen mit in die Stadt genommen. Dieser Verlust schmerzte den Chaumigrem dermaßen, daß er solchen kurzum den Hauptleuten beimessen wollte, und alle diejenigen, welche damals die Wache gehabt hatten, in zweitausend Mann, niederhauen ließ. Auf dieses Nacht-Stücke hielten sich die Belägerten zehen ganzer Tage stille, und ließen uns Zeit, wohl zu bedenken, was vor eine gefährliche Sache es um die Sicherheit im Kriege sei, wie man seinen Feind nicht verachten solle, und wie alle Macht und Gewalt seine umschränkte Maße habe. Denn alle Verachtung bringt Sicherheit, Sicherheit Gefahr, und diese den Tod. Ja die Verachtung [211] des Feindes ist eine Vorläuferin der Niederlage, welches wir vor diesmal mit unserm Blute bezeugen kunnten. Wo aber Gefahr von außen und Verräterei von innen blitzet, da muß auch die stärkeste Festung ihre Tore eröffnen. Dieses empfand auch die tapfere Stadt Prom. Denn es wurde die Festung sowohl zu Krieges- als Friedenszeiten von vier Hauptleuten regieret, deren einer ließ sich entweder die Furcht oder sein schelmisches Herz bereden, daß er sich mit unserm Tyrannen in heimliche Handlung einließ, und versprach, die Stadt zu überliefern, wo er in seinem Amte friedlich gelassen, niemand von den seinigen beschädiget, und über das zu einem Statthalter von Anseda, im Königreich Pegu gelegen, gemacht würde. Welches ihm alles versprochen ward. Hingegen machte dieser Bösewicht seine Verräterei werkstellig, und eröffnete drei Stunden nach Mitternacht die Pforten. Worauf der Tyranne solche Grausamkeit erwies, wie er in dergleichen Fällen zu tun gewohnet war. Die Stadt wurde geschleifet, die Inwohner ausgerottet, und niemand verschonet. Die Königin mit ihrem minderjährigen Prinzen wurde gefangen, ihre Schätze geraubet, die Kirchen und andere herrliche Häuser auf den Grund niedergerissen, und was einige Tyrannei bedeuten kunnte, wurde nicht unterlassen. Ja alles geschahe mit solcher Grausamkeit, daß es ihm kein Mensch einbilden kann, er habe es denn mit seinen Augen wie ich angesehen. Denn der Bluthund wollte wegen Verlust so vieler Völker fast vor Zorn zerbersten, und sich dannenhero durch Verübung solcher Greuel rächen. Nach diesem blutigen Untergang der Stadt zog er im Triumph durch die auf seinen Befehl eröffnete Mauer. Sobald er in des jungen Königs Hof kam, ließ er sich als einen König von Prom krönen, und den jungen Prinzen, welchen er des Reiches beraubet, so lange die Krönung währete, auf den Knien liegen. Dieser betrübte Prinz hub seine Hände empor, als wollte er einen Gott anbeten, schlug auch oftmalen sein Haupt zur Erden, und küssete dem Tyrannen die Füße, welcher ihn doch jederzeit verächtlich zurücke stieß. Hernach stieg er auf eine Schaubühne, von welcher man einen großen Markt übersehen konnte, und befahl, daß man alle kleine Kinder, so auf den Gassen hin und wider in ihrem Blute lagen, zusammentragen, auf Stücken zerhauen, solches zarte Fleisch mit Reis und Gras vermengen, und seinen Elefanten zur Speise vorwerfen sollte. Ingleichen brachte man darnach auf den Schall der [212] Trommeln und Trompeten mehr als hundert Pferde, die alle mit gevierteilten Männern und Weibern beladen waren, diese ließ er ebenmäßig kleinhacken, und in ein dazu gemachtes Feuer werfen. So höre demnach auf, du Mordkind der Höllen, und laß ab, die Schandhände ferner im Blute zu waschen! Doch nein! je mehr eine Bestie Menschenblut genossen, je begieriger wird sie, dessen noch mehr zu verschlingen! Dieses verdammte Mordaas ließ auch die Königin herbeibringen, welches eine Dame von sechsunddreißig Jahren, weißer und schöner Gestalt war, welche, wie ich mich berichten lassen, des Tyrannen Bruder Xeminbrun, als er nur noch Statthalter gewesen, von ihrem Herrn Vater, dem Könige von Ava, gleichwie Chaumigrem die holdselige Higvanama, zur Ehe begehren dürfen: Wie aber dazumal der König von Ava bei besserer Vernunft gegen seine Kinder gewesen, also hat er sie ihm auch abgeschlagen. Solche verjährte Schmach nun seines Bruders, als auch seine eigene Korbschande an der Prinzessin Higvanama zu rächen, ließ er, daß ich diesen Jammer mit flüchtigen Worten beschreibe, dieses schöne Bild ausziehen, durch die ganze Stadt führen, bis aufs Blut geißeln, und endlich durch allerhand Marter erbärmlich hinrichten; was aber noch unerhörter war, so ließ er den jungen Prinzen lebendig an den entseelten Körper seiner Frau Mutter binden, mit Steinen beschweren, und also ins Wasser werfen. Den folgenden Tag beschloß er dieses Mordspiel durch Hinrichtung dreihundert Edelleute, welche er an Pfäle binden, und gleichfalls in den Strom werfen ließ. Dem Verräter hielt er zwar sein Wort, und bestätigte ihn in der verlangten Statthalterschaft, nahm ihn auch bei dem Aufbruch nach Pegu mit sich; als wir aber unterwegens in der Festung Meleytay angelanget, ließ er ihm den verräterischen Kopf vor die Füße legen, welches wohl die einige lobwürdige Verrichtung seines ganzen Lebens war; oder es lehrte ihm vielmehr die bekannte Regel: Die Verräterei solle man lieben, und den Verräter hassen, hierinnen, wie man solche Vögel belohnen müsse. Nach diesem zog er in großem Triumphe wieder zurücke und in Pegu ein, welchen zu beschreiben ich vor unnötig achte; ich aber erhielt endlich Erlaubnis, mich, nachdem meine Augen vor so vielen Blutvergießen fast brechen wollten, hieher auf diese Landwohnung zu begeben, und solche blutige Begebenheiten bis ins Grab zu beweinen. Indessen habe ich die empfundene Wehmut fast niemals sonderlich erwähnet, [213] angesehen keine Zunge noch Feder fähig ist, solchen Jammer, welchen ich innerlich erdulden müssen, auch nur im geringsten auszudrücken. Sollte ich nun hierbei etwas vergessen, oder mein Herr Abaxar wegen der Prinzessin etwas Ersprießliches zu erinnern haben; so werde ich mich nicht allein gerne weisen lassen, sondern auch mit innigstem Seelenverlangen einige erwünschte Nachricht von unserer englischen Prinzessin anhören.


Solches nun zu beantworten, nahm Abaxar folgendergestalt auf sich: »Mein Herr Talemon! ich nebst diesen werten Fremdlingen erkennen uns verpflichtet vor die sonderbare Mühwaltung, die Er in trauriger Erzählung dieser blutigen Begebenheiten angewendet, indessen erkenne ich die sonder- und wunderbaren Gerichte der strengen Gottheit sattsam in Untergang des Königreichs Prom. Ich beseufze der Königin Tod, und beweine des Prinzen Fall: Die Götter werden es künftig zu schicken wissen, daß dieses uralte Stammreich wieder durch einen rechtmäßigen Thronbesitzer dermaleinst beherrschet werde. Was aber die Prinzessin von Pegu anbelanget, welche ich freilich zu erwürgen grausamen Befehl empfing, so will ich aus heimlicher Hochachtung des werten Prinzen von Ava diese erfreuliche Nachricht erteilen, in zuversichtlicher Hoffnung, es werde dieses mein Vorbringen in Dero Herzen begraben sein, vielweniger deswegen durch sie mir eine tödliche Ungelegenheit zugezogen werden. Sobald, sage ich, als ich den Befehl vernommen, wie bereits Talemon erzählet, verfügte ich mich sofort mit entblößtem Säbel, durch einen blutigen Streich die holde Seele von der mir annoch unbekannten schönen Wohnung zu trennen. Aber, ach Himmel! indem ich meine Faust zum Schlage aufhub, sahe mich dieses englische Bild mit einem so anmutigen und beweglichen Blicke an, daß ich, gleichsam vom Blitze gerührt, erstarret, und mit aufgehobener Hand vor ihr stehen blieb. Ihre durchdringende Schönheit und die benetzten Rosenwangen verwundeten mich weit mehr, als ich ihr zu tun gedachte: und ich ließ mich alsobald durch meine Gedanken überreden, auch durch meinen Tod ihr Leben zu erhalten. Was sollte ich hierbei tun?« Kaum kunnte Abaxar diese Worte endigen, so erhub sich in dem Schlosse ein ungemeines Getümmel, welches unsere redende Gesellschaft nicht wenig erschreckte. Dannenhero Scandor sich sofort aus dem Zimmer begab, dessen Ursache [214] zu erforschen. Worauf er alsobald mit der leidigen Nachricht zurücke kam: Es sei das ganze Schloß mit Soldaten umsetzet, ohne daß man wüßte, was ihr Begehren wäre. Der Prinz, nicht anders meinende, denn es sei auf ihn gemünzt, und dem Chaumigrem verraten worden, sprang aus dem Bette, warf seinen Japanischen Rock um sich, und gürtete seinen Säbel mit diesen Worten um sich: »So soll der Bluthund nimmermehr die Seele des lebendigen Prinzen von Ava in seine Gewalt bekommen, und dieser Säbel soll mir einen blutigen Tod von meinen Feinden erzwingen.« Welche unbedachte Worte dem Abaxar die Augen eröffneten, daß er den Prinzen sehen und erkennen kunnte, dannenhero er ihn also anredete: »Durchlauchtigster Prinz, ich bitte mit kurzem um Vergebung wegen unterlassener Ehrerbietigkeit gegen Dero hohe Person, worinnen mich meine Unwissenheit entschuldigen wird. Inzwischen schwere ich bei allen Göttern, daß ich mich eher in Stücken zerreißen als ein Haar von Dero Haupte krümmen lassen will. Was nun Ihre Foderung sei, will ich persönlich vernehmen.« Nach welchen Worten er das Zimmer verließ, und sich herunter zu den Soldaten verfügte. Sobald er sich aber denselben genähert hatte, trat ein Hauptmann hinzu, und foderte den Säbel von ihm im Namen des Kaisers, bei dessen Überlieferung der unglückselige Abaxar in Ketten und Fesseln geschlossen, und also nach Pegu geführt ward. Weil nun Talemon von erwähntem Hauptmann versichert wurde, er hätte keinen ferneren Befehl, etwas von ihm zu fodern, als legte sich zwar das Schrecken bei allen, das Mitleiden aber mit dem Abaxar wurde sowohl bei dem Prinzen als sämtlichen heftig hiedurch erwecket: Noch mehr wurde in dem Prinzen ein großes Verlangen, die Ursache erwähnter Gefangenschaft zu wissen, entzündet: Und wie er sich durch letztere unausgeführte Erzählung des Abaxars nicht wenig getröstet befand; also bildete er sich nunmehr feste ein, seine geliebte Prinzessin sei noch im Leben.

Warum aber Abaxar so unvermutet die Fessel küssen müssen, solches soll hernach weitläuftig entdecket werden: inzwischen wenden wir uns zu der verliebten Lorangy und dem geängsteten Prinzen. Die Sonne begunnte bereits ein Teil ihrer Strahlen in die See zu verbergen, als die Glut der Lorangy erst rechte Flammen fing, welche durch Herannäherung der Zeit, in welcher sie den erwünschten Ausgang ihrer Liebe verhoffte, ungemein vermehret wurden. Die alte Hassana[215] hatte bereits zwei Pfaffen in ihrer Kammer verborgen, und Lorangy kunnte kaum die Stunde erwarten, in welcher sie den Fuß in das Lager ihres geliebten Fremdlings setzen sollte. Jedwede Minute dauchte ihr ein Monat zu sein, und alle Augenblick sah sie durchs Fenster, wenn die Nacht, als eine Schutzgöttin der Verliebten, anbrechen würde. Der Prinz quälte sich indessen mit Furcht und Hoffnung aufs äußerste, mit Furcht, wie sein Anschlag mit Lorangy ablaufen, mit Hoffnung, daß des Abaxars Gefängnis etwas Gutes bedeuten würde. Wegen dieses wußte ihm Talemon sattsamen Trost einzusprechen, wegen jenes aber war Scandor so beherzt, daß er dem Prinzen auf hundert Arten einen Mut machte, und ihn versicherte, es sollte nach eigenem Verlangen ablaufen. Indessen daß sich der Prinz mit Talemon unterredete, verfügte sich Scandor nach dem Frauenzimmer, zu sehen, ob er von ihren fernern Anschlägen nichts erfahren könnte. Hier war nun Scandor ein höchst angenehmer Gast, Lorangy wußte ihn seines Herrn wegen dergestalt zu liebkosen, daß er sich im Ernst bestrickt fand, und sich heimlich vor glückselig achtete, wenn er ein Besitzer dieser Freundlichkeit sein könnte. Endlich war nun das bisher verhaßte Tageslicht gänzlich verschwunden, und die Finsternis versprach gnugsame Sicherheit zu ihrem Anschlage. Weil nun die listige Hassana besorgete, Scandor dürfte, weil er nächst an des Prinzen Zimmer lag, allzu sachte schlafen, und dahero einige Verhinderung verursachen, so mußte Lorangy den besten und stärksten Wein in geheim hervorlangen, und solchen dem Scandor vorsetzen, in Meinung, er würde durch dessen häufige Genießung in desto stärkern Schlaf versenket werden. Da sich denn Lorangy erkühnte, seines Herrn Gesundheit ihm fleißig zuzutrinken, und ob sie sich zwar allezeit die Hälfte verschonte, so schien es doch, als ob sie sich vorgenommen, den Wein um guten Mut zu bevorstehendem Werke anzusprechen. Wie nun der Wein ein sonderbarer Liebesbalsam ist, also verspürte man hier auch nicht wenig dessen starke Würkung; indem Scandor sich dermaßen entzündet befand, daß er fast die Trunkenheit seine Zunge übermeistern lassen, bis er endlich an den Prinzen gedachte, und sich nach dessen Zimmer verfügte. Dieser erschrak nicht wenig, als er den Scandor daumeln sahe, und sich daher einen üblen Ausgang wahrsagte: als er aber vernommen, wer ihn so fleißig zum Trunke ermahnet hätte, merkte er bald ihre Arglistigkeit. Unterdessen [216] hielt er den trunkenen Scandor noch eine ganze Stunde auf, in Meinung, ihn durch die Zeit ein wenig den Rausch zu vermindern, welches auch nicht vergebens war, und kam Scandor ziemlich wieder zu sich selbsten; worauf ihn der Prinz mit bekümmerten Herzen verließ, und ihn beweglich ermahnete, bei Vermeidung ewiger Ungnade, die Sache nicht zu verderben, noch durch Unvorsichtigkeit einen übeln Ausgang zu verursachen. Welches Scandor feste angelobete, und sich sehr vergnügt stellete. Die lauschende Lorangy hatte den Prinzen kaum des Scandors Gemach betreten hören, und das ausgelöschte Licht in dem Zimmer bemerket, so lief sie mit vollen Freudensprüngen nach der Frau Kuppelmutter, welche sie entkleidete, und wie eine Braut, welche ihrem Bräutigam zu erster Entblümung soll zugeführet werden, ganz weiß anzog. Inmittelst schickte sich der nunmehr recht verliebte Scandor voller süßen Hoffnung und angenehmer Gedanken, auch zur Ruhe, machte sein Lager zurechte, und weil er solches zum Häupten etwas niedrig befand, legte er des Prinzen Japanischen Rock unter den Kopf, leschte die Lampe aus, und legte sich in der Götter Namen nieder, denen er, jedoch mit schwacher Stimme, folgendes Nachtliedgen opferte:


1.
Hier kömmt Scandor, der Götter Affenspiel,
Und leget sich nieder;
Der jenen Tag ins tiefe Wasser fiel,
Der singet itzt Lieder,
Und preiset der Götter verborgene Macht,
Daß sie ihn an den weichen Ort gebracht.
2.
Hier liegt Scandor, doch nicht mehr in der Flut,
Und träget Verlangen,
Daß jenes Kind, zu stillen seine Glut,
Bald komme gegangen.
Es zappelt das Herze des Leibes an mir,
Und wünschet stets: ach wär ich bald bei dir.
3.
Hier ruht Scandor, und weiß von keiner Ruh,
Ihn quälet das Plätzgen.
Sobald er drückt die matten Augen zu,
[217]
So küßt er sein Schätzgen.
Wenn aber das Schlafen die Augen verläßt,
So find ich nichts, als nur ein leeres Nest.
4.
Hier weint Scandor um seine Jungferschaft
Mit lachendem Munde.
Er opfert dir der Jugend erste Kraft
Nach heiligem Bunde,
Er sorget und zweifelt, und wünschet dabei:
Daß, gleich wie er, Lorangy Jungfer sei.
5.
Hier singt Scandor und ruft die Götter an,
Doch seiner zu schonen,
Daß er der Last nicht werde zugetan,
Unsichtbarer Kronen.
Er hat ja das Naschen sein Tage verhöhnt,
Darum so bleibt er billig ungekrönt.
6.
Doch fleht Scandor: wo ich ja sonder Schuld
Den Orden soll mehren,
So gebt mir doch, ihr Götter, nur Geduld,
Auch andern zu lehren:
Daß jetzo die Hülfe der ehlichen Müh
Genennet wird: Es sei Galanterie.
7.
Nun ruft Scandor: Lorangy komm, mein Schatz,
Und laß dich betrügen.
Ich mache dir im Herz und Lager Platz,
Mich an dich zu schmiegen.
So wird man, wirst du mich nicht heinte verschmähn,
In Jahresfrist drei junge Narren sehen.

Worüber endlich Scandor mit einem tiefen Seufzer einschlief. Der Prinz hörte dieses mit inniglichen Lachen, und wartete mit Verlangen, wenn Lorangy kommen, und wie sie ihre Sachen angreifen würde, da er unterdessen keinen Schlaf in seine Augen kommen ließ. Diese kam erst nach Verfließung einer Stunde in ihrem weißen Nachthabit, eröffnete die Tür in aller Stille, und stellete sich zu den Füßen des schlafenden Scandors, welcher seine sanfte Ruhe durch ein heftiges [218] Schnarchen zu verstehen gab. Wie nun eine heftige Liebe von steter Ungeduld begleitet wird, also begehrte sie nicht sein Aufwachen zu erwarten, sondern fühlte mit der Hand nach dessen Kopfe, um ihn durch einen Kuß zu ermuntern. Als er aber durch solches Berühren erwachte, und der Wein den Wirbel noch nicht allerdings verlassen hatte, kunnte er sich in der Eil nicht entsinnen, wo er wäre, oder wo er läge? Und als er die weiße Gestalt der Lorangy vor sich sahe, auch zugleich die Hälfte der Spangen von dem zum Haupte gelegten Japanischen Rocke sich in seinen Haaren dermaßen feste verwickelt hatten, daß, wenn er sich aufrichten wollte, ihn die Schwere des Rockes wieder niederzog; so meinte er nicht anders, er sei mit Gespenstern umgeben, und der Teufel habe ihn schon beim Kopfe. In welcher Meinung er sich nicht wenig bestärket fand, als er besanne, wie er sich nicht so gar auf guten Wegen befände. Dahero er durch ein starkes Schreien sein Schrecken dermaßen bezeugte, daß ihn die ebenfalls erschrockene Lorangy kaum befriedigen kunnte. In was vor Angst nun der Prinz hierdurch gesetzet ward, ist unschwer zu vermuten: Angesehen der unbesonnene Scandor gar leicht das ganze Wesen verderben, und sich selbst bei der Lorangy hätte verraten können. Die verwirrete Lorangy aber fiel ihm endlich um den Hals, hielt ihm den schreienden Mund mit beiden Händen zu, und verhinderte hiedurch selbst die benötigte Erkenntlichkeit, bis endlich Scandor wieder zu sich selbsten kam, und über sein Erschrecken erschrak, auch sich sofort faßte, und seine geliebte Lorangy in aller Stille umarmete. Diese ersuchte ihn bald anfangs wegen vorgeschützter Nachtkälte um einen kleinen Raum in dessen Lager, welches Scandor abermals in möglichster Stille zuließ, auch, so er gleich zu reden gezwungen ward, solches ganz sachte verrichtete, daß unmöglich ein Unterscheid der Stimme kunnte bemerket werden. Mit einem Worte, Scandor bemühete sich äußerst, den vorigen Fehler einzubringen, indem er auch nicht unterließ, die Haare, welche ziemlich von dem Prinzen unterschieden waren, unter eine Schlafmütze zu zwingen, und also durch Hülfe der Dunkelheit sich in allem dem Prinzen gleichförmig zu machen. Kaum hatte er dieses verrichtet, und sich wiederum nach Bequemlichkeit gelagert, so eröffnete sich die Türe, durch welche die alte Hassana zuerst mit einer blinden Leuchte hineintrat, hinter ihr folgeten zwei Pfaffen, und nach diesen schlossen zwei gewaffnete Kerlen mit bloßen Schwertern [219] in der Hand den Reihen, welche die Türe hinter sich zumachten. Scandor sahe dieses alles mit zitterndem Herzen an, und wünschete sich weit darvon, denn er vermeinte, wo er sich den Priestern zeigen sollte, so würde es sonder Zweifel über die unrechte Person ausgehen. Lorangy aber, als sie dessen Furcht merkete, tröstete ihn auf das anmutigste, mit angehängter Nachricht, daß, wo er nur in der Frau Mutter Begehren und in ihre Liebe willigen würde, er außer aller Gefahr sei. Der besorgte Scandor steckte den Kopf unter die Oberdecke, und versicherte mit leiser Stimme die Lorangy, er sehe wohl den Ausgang der Sachen, und wäre er zu allem erbötig und bereit, er böte um der Götter willen, ihm nicht mit der Leuchte zu nahen, noch ihn zu einiger sichtlichen Vorstellung zu veranlassen, indem er sonst vor Scham sterben müßte, ja er würde das Gewähren dieser ersten Bitte vor ein unfehlbares Zeichen ihrer Liebe erkennen. Als nun die Lorangy sahe, daß er befürchtetermaßen sich ihrer Liebe nicht heftiger widersetzte, so war sie hierüber ungemein vergnügt, versprach ihm solches mit einem Kuß, und erwartete der Frau Mutter Annäherung mit Verlangen, welche sich mit der Leuchte vor das Bette begab, und solche eröffnet hätte, wenn nicht die Lorangy durch stetes Bedeuten gewinket hätte, daß die Sache nach Wunsch liefe, und man bei dieser dunkeln Zusammenkunft keines Lichtes benötiget wäre. Hassana setzte zwar endlich die Leuchte beiseite, jedennoch trat sie mit einer angemaßten Ernsthaftigkeit und Unwissenheit vor das Bette zu ihren Füßen, und sagte: »Siehe da, du schönes Paar, lasset ihr euch hier als die Kinder der Finsternis betreten, und darf sich so ein Fremdling erkühnen, mein Haus zu entehren? Ist dieses der Dank vor bisher erwiesene Wohltat und Beherbergung? Und du lüsterne Seele, Lorangy, stehet das einem Fräulein wohl an, sich bei Nachtzeit zu fremden Mannsbildern zu legen, und dir und uns allen einen solchen Schandfleck in unser Geschlecht zu machen? Pfui! schämet euch beiderseits in eure Herzen! Ihr hättet verdienet, daß ich euch anjetzo erwürgen, und zu einem Schauspiel morgen zu dem Fenster heraushenken ließe, ja ich hätte Ursache, wunderlich mit euch zu verfahren, wenn ich den Eifer über die Vernunft herrschen ließe: In Betrachtung aber eurer zarten Jugend, welche sich die Wollust wie ein weiches Wachs leicht einprägen lässet, und der Leitung ihrer hitzigen Begierden blind hinfolget, wie auch der starken Liebe, welche jederzeit [220] eine Schwachheit des Gemütes und ein Fehler der Jugend gewesen ist; so trage ich vielmehr ein sonderbares Mitleiden mit euch, und bin anjetzo bemühet, nicht allein vor Schimpf und Schande euch zu bewahren, sondern auch den Anfang eurer Liebe durch priesterliche Hand zu vollziehen, und euch auf ewig zu verbinden. Werdet ihr solche meine mütterliche Vorsorge mit gebührendem Dank erkennen, euren Willen ohne einige Ausflucht dem meinigen gleichförmig machen, und augenblicks den Schandfleck eurer Ehre durch die geistliche Hand abwaschen lassen, so sollt ihr mehr als mütterliche Gnade genießen, und eurer Wohlfahrt kein Ende sehen. Sollte aber dieses sonnenhelle Verbrechen etwan mit einiger Beschönigung oder Ausflucht zu bemänteln gesuchet, oder auch meinem festen und wohlgemeinten Entschluß im geringsten widersprochen werden; so schwere ich bei allen Furien, diese Schande soll mit eurem Blute durch diese Schwerter getilget und gebüßet sein.« Auf welche Worte sich zu jedweder Seite des Bettes ein Pfaffe und einer mit einem bloßen Schwerte begab, die Hassana aber fuhr in ihrer Rede fort, und fragte gleichsam die Lorangy zuerst um ihre Bewilligung. »Lorangy«, sagte sie, »mein jederzeit lieb gewesenes und gehorsames Kind! Entdecke mir ungescheuet, ob du es gestehest, daß du dich die Liebe betören, und zu dieser nächtlichen und verdächtigen Zusammenkunft hast verleiten lassen: und ob du dich bei mir wieder auszusöhnen entschlossen seist, durch ein rechtmäßiges Eheverbündnis deine Ehre zu retten?« – »Ja, von Herzen«, antwortete Lorangy. Hierauf wendete sie sich zu dem Scandor, welcher sich verstelleterweise aus Furcht der bloßen Schwertern fast ganz unter die Oberdecke verborgen hatte, damit ja kein Zeichen eines Verdachts möchte erblicket werden, und redete ihn gleichfalls an: »Noch zur Zeit werter Fremdling! erkennet Ihr gleichfalls Euer Verbrechen und die gegen dieses Haus erwiesene Undankbarkeit. Wollet Ihr aber auch dieses Laster ersetzen, Euch der Ehre unserer berühmten Freundschaft teilhaftig, und dieses mein liebstes Kind durch priesterliche Hand verbündlich machen, so soll alles in Vergessen gestellet, und Eure Bewilligung durch ein deutliches Jawort von Euch erwartet sein.« Welches Scandor mit einem leisen Ja beantwortete, und zwar so leise, daß gleichsam Lorangy der Widerschall sein, es unter dem Bette hervorholen, und der Mutter völlig entdecken mußte. Auf diese gewünschte Erklärung hieß sie die Bewaffneten einen Abtritt neh men, sie [221] aber setzte sich auf einen Stuhl, und weil sie sonder Zweifel zuvor auf glücklichen Fortgang dieser Heirat allzuviel Bescheid getan, so gab sie das übrige durch die Querpforte ihrer weiblichen Beredsamkeit in ziemlicher Menge wieder von sich, angesehen sie ohnedies eine ziemliche Liebhaberin übriges Trunkes war. Die Pfaffen, welche gleichfalls ihre nasse Freigebigkeit mochten genossen haben, daumelten hin und wider, also, daß Scandor von diesen wohl wäre unerkennet blieben, wenn er nicht ein scharfes Auge von der Lorangy befürchtet hätte. Weil aber auch diese vor Liebe blind zu sein schiene, so hatte er destoweniger Sorge wegen seiner Erkenntnis vonnöten. Inmittelst befahl die erleichterte Frau Mutter denen Pfaffen ihr Amt zu verrichten, und sich nichts verhindern zu lassen. Welches sie auch sofort bewerkstelligten, und mitten in dem Zimmer ein kleines Feuer zubereiteten, welches Homam genennet, und vom Holze des Baums Rawasitton angezündet wird. Dieses Feuer ist ein Zeuge der Ehe, über welches die Pfaffen einige Gebete sprachen. Hernach nahm jedweder Bramin oder Pfaffe drei Hände voll Reis, und gaben sie dem Scandor und der Lorangy, welche solchen einander auf ihre Häupter werfen mußten, welches denn dem Scandor trefflich ungelegen war, weil er sich vor dem Widerschein des angezündeten Feuers als vor einem Verräter fürchtete. Nach dieser Verrichtung mußten sie die Füße aus dem Bette strecken, und solche von dem Pfaffen waschen lassen, worzu Hassana, als der Braut Mutter, Wasser aufgoß. Hierauf nahm Hassana der Lorangy Hand, und legte sie dem Scandor in seine Hand mit diesen Worten: »Ich habe weiter nichts mehr mit dir zu tun, und übergebe sie Euch.« Worauf beide Hände von einem Pfaffen durch ein Schnürgen, woran ein güldenes Haupt eines Abgottes war, welches Tali genennet wird, zusammengebunden wurde. Dieses Tali oder Schnürgen nun machet, sobald der Knoten zu ist, das Band der Ehe feste, und außer diesem Tali ist die Ehe unkräftig. Als hierauf noch einiger Segen und Glückwunsch über beiderseits neue Eheleute gesprochen worden, leschten sie das Feuer wieder aus, und verließen diese beide in einsamer Finsternis, welche wir auch in ihrer Folgerung ein Weilgen nicht verstören wollen.

Hassana vermeinte nun durch ihre Klugheit den Kranz von allen listigen Weibern davonzutragen, und bildete sich ein, als ob sie einen großen Fisch gefangen hätte, begab sich [222] in solcher Einbildung zu Bette, und erwartete mit halbschlafenden Augen des anbrechenden Morgens. Der Prinz aber, welcher jedes Wort deutlich vernehmen können, dankete den Göttern innigst, daß sie diese Gefahr so gnädig abgewendet, und die listige Verstellung mit erwünschtem Fortgange beseliget hätten: bat auch zugleich um einen glücklichen Ausgang der Sache, und legte sich auf des Scandors Lager zur Ruhe. Kaum hatte die Morgenröte den Aufgang der Sonnen verkündiget, so verließ Hassana ihr Lager, weckte ihren Liebsten, wie auch die entschlafenen Pfaffen und andere, soviel ihrer in dem Schlosse waren, auf, und foderte sie in ein Zimmer zusammen, welche wegen großen Verlangens, ihr Vorhaben zu erfahren, willigst erschienen. Hier entdeckte sie nun dem Talemon und andern ihre nächtliche Verrichtung mit sonderbaren Worten: »Liebster Ehschatz«, sagte sie, »sämtliche Anwesende! Daß der beste Kern höchster Weisheit nicht allzeit bei klugen Männern, sondern vielmehr in dem Gehirne vernünftiger Weiber beruhe, solches muß ich, sonder Ruhm durch meine eigene Person beweisen. Ich entröte mich nicht zu sagen, daß, wo hundert Männer nicht zu raten vermögen, da sei eine einzige Frau klug genug, ihren Zweifel durch ersprießlichen Beirat und Anschlag sattsam aufzulösen. Diesemnach muß ich euch nur klagen, wie sich unsere Lorangy, welche sonst jederzeit ein Spiegel der Keuschheit und ein Ebenbild meiner Tugend gewesen, gleichwohl sich auf das Eis der Liebe gewaget, und darauf nicht wenig geglitten, nämlich sie hat sich die annehmliche Gestalt unsers fremden Gastes dermaßen gefallen lassen, daß sie sich nicht gescheuet, hinter mein Wissen und Willen ihre Liebe demselben bei nächtlicher Weile zu offenbaren, und ihn auf seinem Lager heunte zu besuchen. Daß nun diese Zusammenkunft ohne einigen Nachteil ihrer Ehren sollte abgelaufen sein, solches wird kein Verständiger, geschweige dieser, welcher die Macht der Liebe empfunden, davorhalten. Was war nun hierbei zu tun? Ein hitziger Mannskopf würde alsobald mit Eisen und Stahl solche heimliche Liebe bestraft haben, weil er in Eil kein ander Mittel, die Ehre seines Hauses zu retten, würde gewußt haben. Was tat aber die kluge Hassana? Sie nahm den von den Göttern verliehenen Verstand zusammen, schickte bald nach diesen zwei ehrwürdigen Braminen, und begab sich in aller Stille nebst gegenwärtigen zwei Hausknechten, welche mit bloßen Schwertern benötigte Furcht einjagen mußten, [223] nach dem Schlafzimmer. Hier fanden wir nun das liebe Paar in eingebildeter Vergnügung gar sanfte ruhen, und weil sie sich dermaßen betreten sahen, so fleheten sie mich um Gnade an, und übergaben alles meinem Willen. Wie nun dieser Ehrenverlust nicht anders denn durch eheliches Verbündnis kunnte ersetzet werden, als ließ ich sie sofort durch das heilige Tali binden, und sie alsdenn als rechte Ehleute das Recht der Liebe vollziehen. Daß auch diesem also sei, und es auf begebenden Fall an nötigen Zeugen dieser Heirat nicht ermangele, so werden nicht allein gegenwärtige Braminen und Hausknechte, als lebendige Zeugen sich jederzeit er kennen: sondern ihr werdet euch allerseits belieben lassen, mir zu folgen, und die Wahrheit meiner Worte aus dem Augenschein erkennen.« Talemon wußte nicht, ob er wachte oder schliefe, oder ob seine Frau gar mit einiger Zauberei umginge. »Wie?« sagte er bei sich selbst, »sollte sich der so tugendhafte Prinz so schändlich vergangen haben? oder ist er gar durch einige Gewalt beleidiget und gezwungen worden, welches mir doch seine bekannte Herzhaftigkeit und ungezwungene Großmut gewaltig widerspricht.« Solches nun desto gewisser in Erfahrung zu ziehen, so verfügte er sich mit seiner Frauen und sämtlichen Anwesenden nach des Prinzen Zimmer, in welches sie unverhindert hineintraten. Wie Scandor damals mochte zumute sein, als er sollte erkannt werden, solches ist nicht wohl fürzustellen, als wer etwan auf fast gleiche Art jemals ertappet worden. Weil aber die verhangenen Fenster den Einbruch des Morgenlichts noch ziemlich verhinderten, so wurde er nicht alsobald erkennet. »Guten Morgen«, hub die alte Hassana an, »was hat dem Herrn Sohne geträumet? vielleicht vom Kriege. Wie ist aber derselbe abgelaufen? und welchem Teile soll man den Sieg zuschreiben?« »Werteste Frau Mutter«, erkühnete sich endlich Scandor zu antworten, »ich bin überwunden, teils durch Vergnügung: teils durch allzugroße Gütigkeit derselben, daß sie mich eines so angenehmen Glückes haben wollen fähig, und mich hiervor ewig verpflichtet machen«. Weil nun ihr die Stimme etwas veränderlich vorkam, als befahl sie, die Fenster zu eröffnen, wodurch denn der neue Bräutigam von allen vor den Scandor erkennet und angesehen wurde. Hier lag nun der ehrliche Scandor und wendete sich mit verliebten Augen nach seiner vertrauten Lorangy, welche aber vor großem Erschrecken, sobald sie ihn recht angeschauet, in bloßem Hemde aus dem Bette [224] sprang, und sich hinter einige Tapeten versteckete. Hassana war dermaßen bestürzt, daß sie sich ohn einiges Wortsprechen auf den Stuhl, vor welchem noch ihre Gegenwart zu verspüren war, niedersetzte, und eine geraume Zeit mit starren Augen sitzen blieb. Talemon begab sich zu dem Scandor, und setzte ihn zur Rede, was ihn bewogen hätte, ein solches nachteiliges Gaukelspiel anzufangen? Dieser entdeckte ihm hierauf heimlich die ganze Sache, vom Anfange bis zum Ende, wodurch er ganz begütiget ward, und sich zu seiner Frauen mit diesen Worten wendete: »Ist dieses nun der treffliche Beweis weiblicher Klugheit? und sind dieses die Früchte deines überklugen Anschlages, daß du dich mit sehenden Augen verblenden lassen? Von dieser Weisheit halte ich nicht viel, besondern ich würde dich vor viel gescheiter achten, wenn du zu geschehenen Sachen das Beste reden, und dich klüglich begreifen würdest, daß nichts von den Göttern ohngefähr geschehe. Zudem ist auch dieser Mensch unserer Pflegetochter wohl würdig, als welcher ihr am Geschlechte und Stande nichts nachgibet, am Vermögen aber weit vorgehet. So fasse dich demnach, und gönne ihm sein Glücke, welches du ihm selbst zugeführet, und er mit Dank erkennet.« Inmittelst hatte sich Scandor unvermerket in des Prinzen Japanischen Rock geworfen, also, daß er bekleidet aufstehen kunnte, dannenhero er sich sofort nach der Hassana wendete, und vor ihr auf die Knie mit folgenden Worten fiel: »Werteste Frau Mutter! wo jemals ein gehorsamster Sohn von einer gütigen Mutter was erlangen können, so bitte ich inständigst, mir dasjenige, was mir die Götter nicht mißgönnen, zu erlauben, und versichert zu leben, daß ich lebenslang diejenige Hand, welche mir meine innigstgeliebte Lorangy zugeführet und übergeben, ehrerbietigst küssen werde.« – »Was zugeführet?« fuhr ihn Hassana an, »Ihr werdet mich vor eine Kupplerin ausschreien.« – »Nein, liebste Frau Mutter«, versetzte Scandor, »sondern die Götter haben sie mir durch ein gütiges Verhängnis zugeführet. Ich bitte aber nichts mehr, als Dero heintige Bekräftigung nicht allein gültig, sondern auch stetswährend und geneigt verbleiben zu lassen.« Womit er zugleich ihre Hand küssete, und, weil sie sahe, daß es nicht zu ändern stund, sich endlich durch solche Schmeicheleien bewegen ließ, daß sie aufstund, und sagte: »Der Götter Wille sei mein Wille; verhaltet Euch nur, wie sich's geziemet, so soll mir auch dieser Irrtum gefallen.« Nach welchen Worten sie [225] der Lorangy ihre Kleider hinter die Tapeten brachte: und als sie ingeheim mit ihr geredet, und verstanden, daß sie endlich wohl zufrieden wäre, weil sie es vor eine sonderliche Schickung des Himmels hielte, angesehen alle persönliche Liebe eine Einbildung wäre, derer Würkung doch auf eine Gleichheit hinausliefe: so brachte sie sie endlich hervor, führte sie mit häufiger Schamröte zu dem Scandor, und übergab sie ihm nochmals mit den freundlichsten Worten, welcher sie auch mit verpflichtesten Dank annahm. Als nun der Prinz mit erfreuetem Herzen den guten Ausgang mit anhörte, so wagte er sich endlich hervor, und setzte die Hassana und Lorangy fast in eine neue Bestürzung durch den Eintritt ins Zimmer, welche ihn anzureden nicht vermochten. Der Prinz aber kam ihnen zuvor, und sagte: »Werteste Freundinnen, Sie werden keinen Widerwillen wegen vorgegangenen Irrtums auf mich werfen, welchen ich, weil ich bereits verheiratet, mit gutem Vorbedacht also angestellet. Damit Sie aber ein Zeichen meiner sonderlichen Vergnügung über diese getroffene Heirat von mir sehen mögen, so werden sie dieses wenige mit erkenntlichem Herzen von mir annehmen, und sich dabei versichern, daß dieses Verbindnis gewiß zu allseitiger Vergnügung ausschlagen wird!« Womit er zugleich einen schönen Ring der Lorangy an den Finger steckte, der Hassanen aber ein zierliches Kleinod überreichete, worüber sie noch bestürzter wurden, und etwas Vornehmes aus dessen Person wegen sotaner Freigebigkeit schlossen, dahero sie beiderseits vor Scham kein Wort vorbringen kunnten, weil sie wohl wußten, daß der Prinz um ihren Anschlag vollkommene Wissenschaft hatte. Talemon vertrat hierauf ihre Stelle mit gebührendem Danke: Scandor aber führete seine neue Liebste voller Vergnügung aus dem Zimmer, und verließen den Prinzen.

Von dieser verwirreten Hochzeit wenden wir unsere Augen nach dem hart gefangenen Abaxar, welcher bei seiner Ankunft in Pegu in ein tiefes Gefängnis geleget ward. Dessen Ursach nun genauer zu erkundigen, sich Talemon nach Pegu verfügte, und daselbst umständlichen Bericht von seinem Sohne empfing; solches verhielt sich aber folgendergestalt: Wie Abaxar vorerzähltermaßen sich die Schönheit der Prinzessin dermaßen hatte bezaubern lassen, daß er nicht allein gleichsam vor ihr erstarret, sondern auch den Mordbefehl an ihr eigenhändig zu vollziehen nicht vermocht, so faßte er in [226] der Eil einen kurzen Entschluß, wendete vor, es sei allzu schändlich, eine kaiserliche Prinzessin vor den Augen der noch nicht gekühlten peguanischen Gemüter hinzurichten, und befahl, sie in sein nächstgelegenes Haus zu führen, und in dem innern Hofe den Befehl an ihr zu vollstrecken. Sobald sie dessen Haus betreten, ließ Abaxar eine Sklavin in ihrer Lebensgröße herzuführen, welche der Prinzessin Kleider anlegen, und den Kopf im Augenblick verlieren mußte: den Körper aber dieser unglückseligen Sklavin ließ er ohne Kopf auf offenen Markt hinwerfen, welchen jedermann vor die entseelte Prinzessin hielte: Die Prinzessin wurde immittelst in einem geheimen Zimmer verwahret, bis die Götter einige Sicherheit verleihen würden, sie an einen unbesorgten Ort zu führen. Erwähnte Sklavin aber hatte noch eine Schwester im Leben, welcher der Tod ihrer so nahen Freundin dermaßen zu Herzen ging, daß sie der Prinzessin daher entsprossene Lebensrettung wenig oder gar nichts beherzigte, ob sie gleich nicht allein von dem Abaxar freigesprochen, sondern auch ansehnlich deswegen beschenket worden. Weil nun unter des Tyrannen Frauenzimmer ein Fräulein von Anseda dem Abaxar mit ungemeiner Liebe zugetan war, und doch nicht das geringste Zeichen einiger Gegenliebe genießen kunnte, so war ohnedies ihre halbverzweifelte Liebe auf eine harte Rache bedacht gewesen. Hierzu bekam sie erwünschte Gelegenheit, als sie durch den verräterischen Mund der Sklavin das Leben und den Aufenthalt der Prinzessin Banise vernahm, und gab sie derselben einig und allein die Hinderung ihrer Liebe schuld: weswegen sie denn solches alsobald dem Rolim entdeckete, und dadurch sich sattsam zu rächen verhoffte. Dieses schlug ihr auch nicht fehl, indem es der Rolim auf eine sonderbare Art vorzubringen wußte, wodurch die Verräterin verborgen bliebe. Denn wie die größten Tyrannen jederzeit mit der größten Furcht umgeben sind, und sie auch ein rauschendes Blatt in den Argwohn einiger Drohung ziehen: also war auch Chaumigrem hierinnen nicht wenig sorgsam. Dannenhero suchte er sich nach so grausamen Mordtaten wiederum beliebt zu machen, bevoraus war er begierig, die Gemüter zu erforschen, und was vor Urteile insgemein über sein Beginnen gefället würden. Solches verhoffte er zum Teil aus dem Ponnedro, welchen er sich vermeinte verbündlich gemacht zu haben, zu erfahren, und ließ ihn eben an diesem Tage, an welchem Abaxar den Prinz Balacin besuchte, in den hohen [227] Rat, in welchem sich zugleich der Rolim, und der bramanische Feldherr Martong befand, erfodern, gegen welche Chaumigrem seine Tyrannei mit weitläuftigen prächtigen Worten zu beschönen, und die Ursache solcher blutigen Staatsbefestigung zu entdecken wußte. »Wir meinen«, hub er an, »daß, wo unsere Wohlfahrtslilien am besten blühen sollen, man notwendig die Felder mit des Feindes Blute düngen, und wo wir unser Reich befestigen wollen, man die Stufen zum Throne durch feindliche Leichen bauen müsse. Dieser vom Blut an noch rauchende Säbel«, womit er zugleich seine Hand an den Säbel legte, »gibet der tapfern Faust sattsames Zeugnis, wie erwünscht nunmehro das Verlangen eines thron- und kronbegierigen Herzens von ihr erfüllet sei. Brama nennet uns seinen Erbherrn, Pegu küsset uns als Überwinder, Siam und Ava erzittern vor diesem siegreichen Stahl, ja ganz Indien windet bereits Lorbeerkränze, uns als einen Beherrscher ganz Asiens fußfällig zu beehren, sobald nur unser mächtiger Fuß die Grenzen berühren wird. Solchen herrlichen Sieg nun hat unsere Tapferkeit, die Sicherheit aber und Erhaltung des eroberten Throns die höchstbenötigte Unbarmherzigkeit zuwege gebracht. Denn euch, o ihr Götter, danken wir billig, daß ihr unser Herze von Stahl und unsere Seele unempfindlich erschaffen habet. Gewiß, die Bestrafung des Reiches Martabane, die rechtmäßige Ausrottung des peguanischen Stammes und die letztere Rache an der Stadt Prom ist uns die schönste Augenlust und das Wehklagen der Alten ein erfreulicher Spott gewesen. Ja es kunnte uns auch sogar nicht die Schönheit so vieler Weiber und Jungfrauen, vielweniger das Winseln und Schreien der kleinen Kinder bewegen, daß wir uns vielmehr die Beschleunigung ihres Todes deswegen gereuen lassen, weil wir unsern Augen die Vergnügung an ihrer Qual allzu geschwinde entzogen hätten. Welches wahrlich eine recht königliche Großmut zu nennen ist. Diese Staatsregul hat uns der Himmel eingepflanzet, daß man eine Krone zu erwerben, oder einen Thron zu erhalten, seine Zähne in das väterliche Herze setzen, und auch der mütterlichen Brust nicht verschonen müsse. Ja, seine Hände in der Brüder Blut zu waschen, sei eine ersprießliche Notwendigkeit. Hier muß man die Barmherzigkeit bei den Tigern suchen, und die Gnade bei unsern Nachbarn, den Batacchi 1, [228] entlehnen. Mord, Brand, Galgen, Spieß und Schwert sind die besten Thronstützen. Ein toter Hund und ein entseelter Feind haben gleiche Macht zu beleidigen. Jedoch, werte Getreuen! sollt ihr nicht wähnen, als ob dieser Ruhm rechtmäßiger Rache etwan aus einem allgemeinen Haß gegen dieses Reich Pegu seinen Ursprung nähme: Nein, keinesweges; sondern wir wissen uns gar wohl zu bescheiden, daß bei anfangender neuen Regierung eine durchgehende Gütigkeit erfordert werde, welches wir auch ziemlich vermeinen erwiesen zu haben, wenn wir viel eingeborne Peguaner, in Beförderungen hoher Ämter, andern vorgezogen, ja unter andern Euch, Ponnedro, unser liebstes Frauenzimmer anvertrauet haben. Lasset Euch dieses bewegen, die angehende Sonne anzubeten, und der untergangenen zu vergessen: so soll unser Gnadenstrahl das Reich Pegu in erwünschten Wohlstand und Frieden setzen. Inmittelst eröffnet uns doch freimütig Eure Meinung, ob wir das Schwert auf einige andere Art hätten führen können oder sollen? und ob uns nicht der Titul eines edlen und großmütigen Überwinders mit Recht gebühre?« Diese gefährliche Frage zu beantworten, sollte nun Ponnedro auf sich nehmen, welcher sich aber mit diesen kurzen Worten loszuwickeln vermeinte: »Unüberwindlichster Monarche! Geringe Sterne können nicht von der Sonnen ein Urteil fällen, und denen Menschen ist es nicht erlaubt, die Götter zu tadeln.« Allein er fand sich ziemlich betrogen, indem ihm Chaumigrem noch ferner mit diesen Worten zusetzte: »Durch bessere Entdeckung Eures Gemüts geschiehet unserm Befehl ein Genügen.« Ponnedro war zeit seines Lebens nicht in größern Ängsten gewesen, und weil er sich nicht hierauf unverfänglich zu antworten getraute, so versuchte er nochmal durch eine demütige Entschuldigung, sich zu entledigen, indem er sagte: »Die untertänigste Pflicht, welche mir verbeut, einige unzeitige Meinungen beizubringen, wird meinen Ungehorsam entschuldigen, und meine schuldigste Ehrerbietung leget mir den Finger auf den Mund.« Aber auch dieses wurde nicht angenommen, sondern vielmehr Chaumigrem zu diesen harten Worten veranlasset: »Ihr werdet durch Euer ferneres Verweigern unser gnädiges Begehren in einen zornigen Befehl [229] verwandeln. Denn wir begehren ausdrücklich von Euch zu vernehmen, was Ihr und das Reich Pegu von unserm Verfahren vor Gedanken und Meinungen schöpft. Wir versichern Euch, es soll alles in Gnaden aufgenommen werden.« Als nun Ponnedro solchen Ernst sahe, und wohl wußte, wie wenig mit dem Tyrannen zu scherzen wäre; so fassete er endlich einen Mut, und gab folgende Antwort: »Großmächtigster Kaiser und Herr! Der Götter Gerechtigkeit ist unerforschlich, und also bemühet man sich nur vergebens, dem Geheimnisse des wundervollen Schicksals nachzugrübeln: warum es dem großen Gott der tausend Götter gefallen hat, den so alten und mächtigen Kaiserstamm von Pegu in den Sand eines blutigen Vergessens zu verscharren, und die Stelle des verblaßten Sternes mit einem hellen und tapfern Jove zu ersetzen. Gleichsam des Reichs Gedanken zu eröffnen; so ist zwar solches wegen bekannter Unwissenheit ein unmögliches Wesen, indessen aber zwinget mich doch schuldigster Gehorsam, dies, was die aufrichtige Mutmaßung erlaubet, kürzlich anzudeuten. Wir Peguaner haben jederzeit das Gebot der Götter, welches uns anbefiehlet, die vorgesetzte Obrigkeit zu ehren und zu lieben, in hohen Ehren und genauer Beobachtung gehalten. Dahero wir denn auch der blutig untergegangenen Sonnen die nächste Ehre nach den Göttern gewidmet, und unser Gut und Blut vor Dero Wohlfahrt dargestrecket haben. Nachdem es aber den Göttern beliebet hat, diesen Staatshorizont durch ein ander hohes Licht zu erleuchten, so können wir nicht anders, wo wir wahre Nachbarn der Weisheit sein wollen, verfahren, als daß wir der genossenen Wärme im besten gedenken, und die aufgehende Strahlen anbeten, zuversichtlichster Hoffnung lebende, unsere hohe und neue Reichssonne werde uns dermaßen zu bestrahlen wissen, daß wir mehr Ursache, Dero erwärmende Sanftmut zu rühmen, als über allzu große Hitze zu klagen haben werden.« Welche wohlgesetzte Meinung dem Chaumigrem sehr wohlgefiel, und zwar dermaßen, daß er den Ponnedro auf die Achseln klopfte, und zu ihm sagte: »Wir lassen uns dieses gnädigst gefallen, und werden dieses Reich jederzeit mit reichlichen Gnadenstrahlen zu erhellen wissen, solange uns kein Nebel des Ungehorsams oder Widerspenstigkeit zu einiger Finsternis Gelegenheit geben wird. Inzwischen«, fuhr der wissensbegierige Chaumigrem fort, »möchten wir wissen, weil wir gleichwohl bei Eroberung dieses Reichs keinen Umgang[230] nehmen können, uns des Schwerts und Feuers sowohl gegen Herr als Untertan zu bedienen, ob nicht etwan dieses bei dem Volke einen Haß wider uns möchte verursachet haben, und ob wir auch ein zuversichtliches Vertrauen in Fall der Not in sie setzen dürften.« Ponnedro hatte bereits einen Mut gefasset, dannenhero er auch bald mit dieser Antwort fertig war: »Gn. Herr und Kaiser! Es weiß schon ein jeder, wenn sich große Herren raufen, daß die Untertanen ihre Haare darzu hergeben müssen, und wenn gekrönte Häupter Nüsse aufbeißen wollen, so muß es mit den Zähnen der Untertanen geschehen.« Auch diese Antwort wurde von dem Chaumigrem gnädig angenommen, wiewohl er nichts mehr als dieses darauf antwortete: »Wir verstehen schon Eure Meinung.« Von diesem nun kam er mit dem Rolim zu reden, und begehrte auch seine Meinung hierüber zu vernehmen, wenn er ihn also anredete: »Alter Vater, Ihr werdet als ein gewidmeter Oberpriester der Gottheit dieses Reiches uns aufrichtigst entdecken, worinnen wir zu viel oder zu wenig getan, und welcher Grund zu den Säulen dieses Throns zu erwählen sei?« Diese weit aussehende Frage zu beantworten, wollte anfangs der Rolim in einiges Bedenken ziehen, jedoch ließ er sich endlich mit diesen etwas weitschweifigen Reden vernehmen: »Ich wünschte zwar«, sagte er, »mit der Beantwortung dieser hochwichtigen Frage verschont zu bleiben, angesehen solche besser im Staatscabinet als in der Sakristei kann und soll erörtert werden; zumal auch ein geistlicher Rat in politischen, ich will nicht sagen geistlichen Sachen, bei unsern Höflingen mehr Spott und Verachtung als schuldige Folge nach sich ziehet: Jedoch mein Gewissen zu befreien, so muß ich meine Gedanken ungescheut eröffnen, und bekennen, daß E.M. nichts anders denn eine feurige Rute der Götter sei, womit dieses Reich um seiner Sünden willen heimgesuchet, und der unglückselige Stamm des Xemindo gänzlich ausgerottet worden. Solches nun wolle E.M. ja nicht eigner Macht noch Tapferkeit zuschreiben, sondern vielmehr wissen, daß Gott und das Verhängnis dieses Schwert oder Rute als mächtige Hände regieren. Die Worte in dem abgefasseten Urteil zu Martabae, welche sagen: Jedermänniglichen sei kund dies Bluturteil, welches der lebendige Gott verhänget; entdecken öffentlich, wer es sei, der diese grausame Schlachten Eurer Hand erlaubet. Xemindo würde sich gewiß bei vorigem Zustande nichts haben nehmen lassen: Und schiene es vor [231] menschlichen Augen unmöglich zu sein, daß er durch die anfangs schwach scheinende Waffen von Brama dermaßen sollte gestürzet, ausgerottet, und so reichs- als lebens-verlustig gemacht werden. Xemindo, ja Xemindo, das unglückselige Beispiel aller Regenten, ist der Spiegel, welchen die Zeit und das Verhängnis E.M. vorhalten, sich darinnen wohl zu besehen, und zu bedenken: das Glück sei eine Tochter des Schicksals, um welche man zwar freien, nicht aber sich vermählen könne. Denn wer die ewige Beweglichkeit der Winde stillen, den Monden mit der Hand begreifen, und das wandelbare Glück zum Stande bringen will, der tut einerlei und verlorne Arbeit. Zudem ist keine Art des Glückes dem Unbestande mehr unterworfen, als die gekrönte Glückseligkeit, wo eine gählinge Erhöhung vorhanden, auf welche gemeiniglich eine gähe Stürzung erfolget. Ihr. Maj. stellen sich zu einem klugen Sinnenbilde vor Augen das Tier Hyaena oder Vielfraß, welches an den Totenbeinen naget, unversehens aber von einem grausamen Drachen ergriffen und verschlungen wird, welchen Drachen zuletzt der Himmel durch einen Strahl verzehret: so werden Sie nach angeborner Scharfsinnigkeit in Deutung leicht zu erraten, und sich vor deren Erfüllung weislich zu hüten wissen: Soll nun solches klüglich ins Werk gerichtet werden, so muß man weder eine durchgehende Dienstbarkeit, viel weniger eine völlige Freiheit einführen. Vor allen Dingen muß man zusehen, daß man sich weder verhaßt noch verächtlich mache. Den Haß kann man von sich lehnen, wenn man die angefangene Strengigkeit in eine schleunige Gnade und Güte verwandelt, die Gemüter durch allerhand Wohltaten an sich ziehet, und der Untertanen Schweiß und Blut nicht allzu begierig an sich saugt, sondern vielmehr ihnen einen Teil erläßt. Für der Verachtung aber kann man sich hüten, wenn man männiglich zu verstehen gibet, wie daß man sich diesfalls weder verführen noch betrügen lasse, sondern vielmehr in Ratschlägen verständig und in Vollziehung wichtiger Sachen beständig sei.«

Welche etwas freimütige Rede den Chaumigrem einigermaßen verdroß, und dannenhero es auf widrige Art auslegte, sagende: »Wohl! Eure Meinung pflichtet der unsrigen bei, und weil uns die Götter einmal zur Rute dieses Reichs erkoren, so wollen wir unser Strafamt auch redlich verrichten, solange dieser Arm den kalten Stahl in der Peguaner Blute erwärmen kann.« – »Durchaus ist dieses meine Meinung [232] nicht«, erwiderte der Rolim, »sondern es ist vielmehr den Göttern zu danken, daß sie nunmehr die völlige Eroberung dieses Reichs durch Dero Armen glücklich vollbringen lassen. Und nachdem der Xemindische Stamm durch völlige Ausrottung sattsam gezüchtiget worden, so ist forthin der Götter ernstlicher Befehl, nach so grausamer Bestrafung des Hirtens der armen Schafe zu verschonen. Worüber wollen denn I.M. das Szepter führen, wenn Sie sich selbst der Untertanen berauben, und das Schwert in eignen Adern wüten lassen wollen. Alle Herrschaften, darinnen man allzuviel Schärfe brauchet, bestehen nicht lange. Denn welchen man zuviel fürchten soll, den hasset man, und welchen man schon hasset, der sollte viel lieber tot denn lebendig sein. Wo Recht ist, da muß auch Gnade sein: Diese beiden zieren einen Monarchen, wie Sonn und Mond den blauen Himmel, und hierdurch kann er nur den Göttern am nächsten kommen.« – »Verflucht sei aber die allzu große Gütigkeit«, erwiderte Chaumigrem ganz zornig, »welche den eignen Fall befördern kann. So schneide und brenne man denn so lange, bis der Staatskörper frisch Geblüte von sich gibet.« – »Beide müssen gemäßiget sein«, wollte ihn der Rolim besänftigen, »doch hat die Gnade den Vorzug, wo etwa ein Überfluß sollte begangen werden. Zudem ist auch ein Regente an die Gesetze gebunden, daß er nicht allenthalben frei zu verfahren hat.« Durch welche Worte sich Chaumigrem ziemlich beleidiget fand, und dannenhero seine Ungeduld deutlich merken ließ. »Vermaledeiet sei das Gesetze«, hub er an, »welches die Macht eines freien Königes einzuschränken sich bemühet. Ratio status ist die einzige Richtschnur großer Herren, und hat die Gerechtigkeit zur Stiefschwester.« Der Rolim wollte jedennoch sein geistliches Ansehen behaupten, und hielt ihm ungescheut das Widerspiel. »Dem gekrönten Haupte«, fuhr er ferner fort, »stehet es sehr wohl an, wenn es seinen Szepter nach dem Winke der Gesetze und Rechten führet. Denn, wo sich ein Reich in beglücktem Wohlstande befinden soll, so muß Herr und Untertanen denen Rechten verpflichtet sein, obzwar jedes in umschränkter Maße. Ratio status aber ist hingegen die verdammte Ratgeberin, daß man weder Vater noch Mutter, weder Kinder noch Geschwister, weder Treu noch Glauben, weder göttliches noch weltliches Gesetze verschonet, sondern durch List, Falschheit und Tyrannei alle Rechte unterdrucket, die Untertanen ins Elend stürzet, sich aber selbst ein [233] erschreckliches Ende auf den Hals zeucht.« – »Was Rechte? Was Treu und Glauben?« endigte Chaumigrem diese Rede, welche ihm gar nicht anständig war; »wenn wir durch solche Gelegenheit dem Volke das Schwert in die Hand geben, uns den Hals zu brechen, so seid Ihr alsdenn viel zu unvermögend, uns zu helfen: Darum antwortet nach unserm Willen.« Hier nahm sich nun der Rolim Gelegenheit, die von der Fräulein von Anseda entdeckte Heimlichkeit zu hinterbringen, welches er aber auf dunkele Art vorzubringen bemühet war, indem er sagte: »Weil denn I. Maj. um die Sicherheit Ihres Staats allzu sehr bekümmert sein, und Sie ein treues Beiraten von meiner politischen Unvermögenheit erfodern, so sehe ich wohl aus dem Lichte eines reifern Nachdenkens, nachdem durch der Götter Verhängnis der ganze männliche Stamm von Xemindo dermaßen seinen Untergang empfunden, daß auch nicht ein einiger mehr vorhanden sei, auf welchen das unwillige Volk einig Absehen haben könnte, wie es höchst vonnöten sei, sich auch durch den Tod eines Frauenzimmers den Weg zur vollkommenen Sicherheit zu bahnen.« Weil nun diese Rede dem Chaumigrem zu dunkel schien, als begehrte er eine deutlichere Erklärung hiervon, welches jedoch der Rolim nicht viel klärer von sich gab. »Ich meine«, sagte er, »des Xemindo Stamm muß auch in dem weiblichen Geschlechte nicht verschonet werden. Denn die Prinzessin, welche bei Lebenszeit rechtmäßigen Anspruch zur Krone haben, auch durch ihre Gegenwart die Gemüter des Volkes an sich ziehen kann, muß dennoch, ihrer Schönheit ungeachtet, ein Opfer der Unbarmherzigkeit und des Todes sein.« Als nun Chaumigrem hierüber ziemlich ungeduldig wurde, und ihm anbefahl, seine Geduld nicht länger zu mißbrauchen, so brach er endlich mit diesen Worten heraus: »Getreue Räte sind eines Fürsten Ferngläser, wodurch er dasjenige in Erfahrung und zu Gesichte bekömmt, was sonsten wohl seinen Augen verborgen bliebe. So wisse demnach I.M., daß das Fräulein Banise, des Xemindo jüngste Prinzessin, über welche doch ein tödlicher Spruch geschehen, annoch im Leben und in dieser Stadt heimlich verborgen sei.« – »Das wollen die Götter nicht!« hub der entrüstete Chaumigrem an, »daß sich einige Kreatur unterstehen sollte, unserm Befehl im geringsten einigen Abbruch zu tun. Entdecket uns alsobald bei Eurem Gewissen, wer sich durch dieses frevele Beginnen als ein Feind des Kaisers erzeiget.« – »Es ist mir«, entdeckte der [234] Rolim ferner, »mit des Abaxars Untergange nicht gedienet: ich hätte auch solches bei einem ewigen Stillschweigen bewenden lassen, wenn mich nicht mein Gewissen und die hohe Treue, womit ich Ihr. Maj. verpflichtet bin, hierzu angetrieben hätte, daß ich gezwungen sagen muß: Abaxar ist der Prinzessin Lebenserhalter.« Hierüber entrüstete sich nun Chaumigrem dermaßen, daß er fast zu rasen schiene: »Wo ist die Bestie?« rief er voller Wut, »wo ist der Erzverräter? Alsobald, Martong, schaffet ihn bei Verlust Eures Kopfes nach Verfließung einer Stunden hieher.« Worauf er sich in das innere Zimmer begab, dem Rolim, Ponnedro und andern aber anbefahl, bis auf des Abaxars Ankunft zu verziehen. Hier sendete nun Martong vierhundert Mann nach dem Schlosse des Talemons, und ließ den Abaxar gemessenem Befehl nach in Ketten und Banden herzuholen: welcher auch nach verflossenen Stunden angemeldet, und vor des Tyrannen Augen gebracht wurde. »Du schelmischer Verräter!« fuhr ihn Chaumigrem an, sobald er ihn nur ansichtig wurde, »ist nicht der Befehl an dich ergangen, die Tochter des bestraften Xemindo gleichfalls hinzurichten?« – »E.M. Befehl«, antwortete Abaxar mit unerschrockenem Angesichte, »ist so schleunig von mir vollzogen worden, daß ich mit eigner Hand den Säbel durch den Alabasterhals schluge. Zudem ist ja der enthauptete Körper von so viel tausend Augen öffentlich beschauet, und die tote Prinzessin bejammert worden! daß ich also dieses Vorgebrachte mit Recht eine geistliche Unwahrheit nennen kann.« Der Rolim redete ihm zu, und sagte: »Abaxar, gebet der Wahrheit die Ehre, und gestehet es beizeiten, vielleicht kann durch eine reuige Bekenntnis die Pforte der kaiserlichen Gnade noch eröffnet werden.« – »Alsbald entdecke«, wütete Chaumigrem ferner, »du verteufelter Bösewicht, auf was vor eine Verräterei der so boshaftige Verzug meines Befehls sein schlimmes Absehen habe, damit du alsdenn noch die Ehre haben kannst, von kaiserlicher Hand niedergesäbelt zu werden.« Als sich nun Abaxar dermaßen betreten, und von dem Rolim verraten sahe, hielte er ferners Leugnen nur vor unnötig, dannenhero er mit tapfermütigen und ernsten Worten dieses Bekenntnis vorbrachte: »Meinen Tod werden die Götter an dir verdammten Pfaffen rächen: Vor das unschuldige Blut der unvergleichlichen Prinzessin aber zu büßen, scheinet auch die Hölle mit aller ihrer Qual zu wenig vor dich zu sein. So sollen demnach I. Maj.[235] ein freimütiges Bekenntnis von mir zu gewarten haben, und wissen, daß ihre Lebenserhaltung mir die Betrachtung ihrer überirdischen Schönheit abgezwungen. Ihre blitzende Augen zerschmelzeten die Schärfe des Säbels, und ihre ungemeine Anmut raubeten mir alle Kräfte, den Befehl zu vollziehen. Derowegen ich einer Sklavin von meinen Leuten das Leben nehmen, und sie statt der Prinzessin auf den Markt werfen lassen. Sie aber habe ich in meinem Hause unter dem Schutz der Götter verborgen gehalten, aus keinen andern Ursachen, als ihr schönes Leben zu erhalten, und verhoffentlich mich selbst bei Ihrer Majestät dadurch angenehm zu machen. Ich bin willig, auf japonische 2 Art meinen Bauch vor Ihr. Maj. Augen eigenhändig aufzuschneiden, woferne nur solches zu Erhaltung dieser Schönen einigen Beitrag tun kann.« Chaumigrem wollte vor rasendem Zorne fast zerbersten, und fehlete nicht viel, er hätte den Abaxar im Zimmer niedergesäbelt, wo ihm nicht der Rolim vernünftigen Einhalt getan hätte. Inmittelst ließ er seinen Grimm durch folgende Worte und grausamen Befehl ausdünsten: »Daß nicht alsobald tausend Henker erscheinen, und dir verfluchten Hund den verdammten Lohn durch Pech und Schwefel erteilen. Darfst du vermaledeiter Erdwurm dich dessen unterstehen, dem strengen Befehl unserer geheiligten Majestät boshaftig zu widerstreben? Ein Tod ist viel zu wenig auf dieses Verbrechen, du sollst hundert Arten davon empfinden. Alsobald lasset ihn noch härter mit Ketten und Banden belegen, und ihn in dem abscheulichsten Gefängnisse das grausamste Endurteil seines Lebens erwarten. Nach diesem verfüget euch eilend mit gewaffneter Hand nach des Verräters Hause, und lasset keinen Hund drinnen leben. Vor allen Dingen zerreißet die junge Natter und den giftigen Überrest des Xemindischen Ottergezüchts in tausend Stücke, den Kopf bringet uns zum Zeugnis eines bessern Gehorsams hieher.« Welches der Unterfeldherr Marton zu verrichten auf sich nehmen mußte. Und so ward der unglückselige und getreue Abaxar in das grausamste Gefängnis hingeführet, welches alles, ja die vor Augen schwebende grausame Todesart ihm nicht so zu Herzen ging als der jämmerliche [236] Untergang der schönen Prinzessin. Er versuchte den Martong auf unterschiedene Art zu einiger Barmherzigkeit zu bewegen, und bemühete sich äußerst, die Vollstreckung des grausamen Befehls nur noch in etwas aufzuziehen, ob nicht die Götter des Tyrannen Herze erweichen möchten, daß er sie nur zuvor zu sehen begehrte. Allein Martong spiegelte sich an des Abaxars Fall, und eilte sonder einige Antwort mit ihm ins Gefängnis. Dem Ponnedro drang der Banisen Tod durch das Herze, und als sich niemand außer dem Rolim, mehr bei dem Chaumigrem befand, kunnte er sich unmöglich enthalten, der armseligen Prinzessin durch einige Vorbitte zustatten zu kommen, und sollte es auch sein Leben kosten. Dannenhero er sich auch mit demütigsten Gebärden näherte, und den Tyrannen also anredete: »E.M. erlauben Ihrem geringsten Diener, dieses wenige beizutragen, daß ich aus bloßer Liebe zur Wahrheit und mit verpflichtetem Herzen sagen dürfe, es sei zwar das kaiserliche mir unwürdigst anvertrauete Frauenzimmer ein Himmel voller Sternen: Allein durch den Tod der unvergleichlichen Banisen würde die Sonne untergehen.« Chaumigrem stund hierauf etwas in Gedanken, und ein tiefes Nachdenken schien seine Zunge zu binden. Endlich antwortete er dem Ponnedro, sagende: »Hütet Euch, Ponnedro, daß dieses Vorbringen nicht aus einer alten Gewogenheit gegen vorige Herrschaft herrühre, sonsten werden wir Euch dem Xemindo zur Aufwartung in jenes Leben nachschicken.« – »Mein Kopf soll der Zungen Vorwitz bezahlen«, war Ponnedro mit der Antwort bald fertig, »wenn nicht I.M. eine dreifache Erfüllung meiner Worte in den schönen Augen erblicken wird.« Der Rolim gab indessen mit einigem Kopfschütteln sein Mißvergnügen zu verstehen, sogar, daß er endlich in diese Worte herausbrach: »Getreue Räte sollen den Ärzten gleichen, welche dem Kranken nicht alles, was ihm beliebt, sondern was dessen Gesundheit befördert, darreichen sollen. Dieser Rat aber des Ponnedro scheinet verdächtig, ja höchst gefährlich zu sein. I.M. lassen um der Götter willen die Vernunft hier gelten, und bedenken, daß der Vorwitz, die vermeinte Schönheit zu sehen, einen solchen strengen Gift mit sich führe, welcher durch die Augen in das Herz dringen und die ganze Majestät verderben kann. Denn durch das Anschauen beherrschen die schwachen Weibsbilder die stärksten Männer, ihr Flehen und Bitten sind Gebote, ihre Tränen wilde Wasser, welche den Damm des besten Vorsatzes [237] durchdringen, und ihre Seufzer sind Sturmwinde, denen auch der unbeweglichste Colossus nicht widerstehen kann. Die Augen sind die Verräter unserer Freiheit. Es ist ein kurzes Ding um einen Augenblick, hat aber ein langes und gefährliches Aussehen, wenn es zur Unzeit geschicht. Zu geschweigen, wie unanständig es einem so großen Prinzen sei, wenn er zwar viel Völker, nicht aber sein Gemüte beherrschen könne. So lassen denn E.M. den Wurm in der Ferne töten, ehe er in der Nähe verletzen kann.« Nach diesen Worten schiene Chaumigrem im Herzen gleichsam mit sich selbst zu kämpfen, und die Begierden hielten mit der Ehrsucht einen gewaltigen Streit, wodurch denn Ponnedro in größte Angst versetzet ward, weil er nicht unbillig besorgete, des Rolims vielvermögender Ein- und Blutrat möchte die Oberhand erhalten. Endlich trugen doch die Begierden den Sieg davon, welchen er durch diese Worte zu verstehen gab: »Gleichwohl müssen wir erfahren, ob Ponnedro die Wahrheit gesaget habe. Eilet derowegen, Ponnedro, ehe ihre Hinrichtung unsern Befehl erfüllet hat, und lasset sie angesichts hieherbringen.« Dem Ponnedro hätte kein angenehmer Befehl auferleget werden können: Dannenhero er fußfällig vor so gnädiges Aufnehmen seiner Worte dankete, und in vollen Sprüngen seinen Gehorsam erwies. Der Rolim aber fand sich hierdurch nicht wenig beleidiget, dannenhero er mit diesen Worten seinen Abtritt nahm: »So nehme ich gebührenden Urlaub von E.M., indem ich kein Zeuge derjenigen Torheit sein mag, welche ein Weibsbild in eines Kaisers Gemüte erwecken kann. Ich erinnere aber zuletzt, nur wohl zu bedenken: je schöner der Molch, je stärker und gefährlicher sei auch der Gift.« Nach dessen Abschied sich Chaumigrem ganz einsam befand. In solcher Einsamkeit verneuerte er vorigen Begierdenskampf, und überlegte des Rolims Warnung aufs genaueste, pflichtete auch selbtem, soweit es die Staatsklugheit erfoderte, willig bei; sobald es aber an die Vorstellung ihrer Schönheit kam, so hieß es nach jenes gelehrten Poetens wahren Beschreibung:


Wahr ist's, die Schönheit ist Achillens Spieß und Schwert
Die einen Telephus verletzt und wieder heilet,
Die Schönheit ist ein Gift, das tötet und ernährt,
Ein Blitz, der Ruhe stört, und Unmut doch zerteilet,
Ein Brand, der Städte tilgt, und Länder doch erhält,
[238]
Ein Pfeil, der Wunden macht, und gleichwohl Lust erwecket,
Durch sie ward Troja Graus, doch Rom das Haupt der Welt:
Ein Wein, der Wermut ist, und doch wie Zucker schmecket.

»Ja freilich«, hub er endlich zu sich selbst an, »treuester Rolim, sollte dein Rat mit beiden Händen ergriffen werden, wenn nicht bereits ein gefährlicher Augenschein das vorhin felsengleiche Herz dermaßen eingenommen hätte, daß Ehre und Liebe schon damals einen harten Kampfplatz in meiner Seelen hielten. Die Götter wissen es, wie mir zumute war, als ich den tödlichen Ausspruch über dieses Bild ergehen ließe, welches mich auch von ferne mit seinen Strahlen entzündete, und durch seine Blicke mehr beleidigte, als einem Monarchen zu erdulden anständig ist. Doch erhielt die Ehre damals den Sieg, und wollten die Götter, der treulose Abaxar hätte sein unzeitiges Erbarmen eingestellet, so wäre ihre Seele zur Ruhe und mein Geist in unwissender Vergnügung geblieben. Allein, da ich sie, als die einige Unruhe meiner Seelen, noch am Leben wissen soll, so fürchte ich sehr, es möchte die Liebe den Lorbeer und ihre Schönheit den Siegeskranz über einen Monarchen davontragen. Jedoch wird auch die engelgleiche Prinzessin den Vortrag meiner Liebe mit willigem Herzen annehmen? Wird sie auch demjenigen einen holden Blick gönnen, welchen sie im Herzen als einen Mörder ihres Vaters und einen Henker aller ihrer Verwandten, ja als einen ge-schwornen Feind ihres Geschlechts ansiehet? wird sie mich auch einiger Gegenliebe würdigen, oder nur ihr Ohr zu Entdeckung meiner Flammen erteilen. Ach schwerlich! Denn die Natur gehet aller Liebe vor. Halt derowegen inne, tapferer Chaumigrem! was willst du deine Gunst einer verfluchten und abgesagten Feindin widmen, und einem Krokodile schmeicheln? Was willst du deinen Thron durch eine so verhaßte Brunst beflecken? Es heget ja dieses große Reich so viel schöne Sterne, welche es sich vor das höchste Glücke schätzen, wenn sie sich bei meinen Strahlen wärmen, und von meiner Sonnen ihr Licht empfangen dürfen. Doch ach, vergebene Worte! so wollte ich reden, wenn ich sie nie gesehen hätte. Sobald ich mir in etwas die von ferne nur erblickte Rosenwangen, die ob zwar benetzten, doch voller Anmut blitzende Augen, den wohlgesetzten Leib, mit einem Worte, die vollkommenste Schönheit, vorstelle; so werde ich gleichsam vom Blitze gerühret, und der tödliche Befehl verwandelt sich in lauter[239] süße Liebes- und Lebensworte. So tadle denn ganz Brama und Pegu diese Flammen: Gnug, daß ich tue, was mir gefällt, und daß ich in einem solchen Stande lebe, welcher von andern keine Erklärung leidet. Allein, wohin? Chaumigrem! wohin? wo bleibet die Ehre? wo bleibet deine Sicherheit? wo bleibet des Reiches Nutzen, welchem die Wollust billig weichen muß? Durch der Prinzessin Erhebung kriegen die mißgünstigen Peguaner Luft und Gelegenheit, ihr böses Absehen zu bewerkstelligen, und sich des bramanischen Jochs zu entledigen. Zudem ist bereits Gift und Haß in ihrem Herzen gegen mich durch grausames Verfahren gegen ihr Haus ohne allen Zweifel dermaßen tief eingewurzelt, daß ich sie und einen gereizten Drachen mit gleicher Sicherheit umfassen werde. Doch nein! von einer schönen Seelen ist dieses nicht zu vermuten. Banise wird sich bekehren. Denn die Liebe ist mächtig genung, allen Vorsatz des Frauenzimmers einzureißen. Und also, o ihr Götter, wird Chaumigrem gequälet. Schauet, wie Furcht, Liebe und Ehre in meiner Brust kämpfen, weil ich den rechten Zweck verfehlet habe. Doch soll die Liebe die Oberhand behalten. Banise soll leben! Was leben? ihr Leben ist mein Tod, ihre Liebe mein Untergang. Ihre Gegenwart aber soll hierinnen den Ausschlag geben. Bezwinge dich derowegen, du sonst unüberwindliches Herze, und lasse mehr Grausamkeit als Liebe gegen diese Sirene spüren.«

Nach so langem Seelenstreite wurde ihm die Ankunft der Prinzessin bedeutet, welche auf dessen Befehl sofort in das Zimmer von dem Martong und Ponnedro begleitet wurde, da denn ihre Anmut und Schönheit, so langen Leidwesens ungeachtet, annoch, wo nicht vermehret, doch in seiner Vollkommenheit zu sein schiene. Die häufig fließenden Tränen vermochten nichts von ihrer Wangenzierde wegzuschwemmen, und ihr holdseliges Wesen setzte den Chaumigrem in eine so tiefe Betrachtung, daß er sie eine geraume Zeit nicht anzureden vermochte. »So muß Sie, schöne Feindin«, fing er endlich an, »diejenige sein, welche durch Ihr Leben meinem Willen widerstehet.« Die Prinzessin hingegen bemühete sich aufs äußerste, durch heftigste Zornblicke sich nicht allein ihm verhaßt zu machen, sondern auch durch viele Scheltworte den Tyrannen dahin zu zwingen, daß er an ihr den Todesbefehl möge vollziehen lassen. »Weder den Göttern«, hub sie tränende an, »noch dir, du blutbegieriger Tyrann, viel weniger dem Abaxar, welcher mir wider meinen Willen das Leben gefristet,[240] erkenne ich mich mit dem wenigsten Danke verpflichtet. Denn ich schätze dieses vor die höchste Strafe der Götter, daß ich mit meinen Augen den Verräter meines Vaterlandes, den Henker meiner Freunde und den Mörder meines Landesleute sehen, mich aber nicht nach Wunsche an ihm rächen soll. Hätte der Himmel doch noch jetzo dem Ponnedro das härteste Unglücke unterwegens begegnen lassen, ehe er den Todesstreich auf mich zurücke ziehen kunnte: so wäre ich höchst vergnügt gestorben, und könnte dich bereits in der Ewigkeit nebst meinen werten Eltern bei den Göttern als einen Tyrannen anklagen, und sie um grausamste Rache wider dich anrufen.« – »Sie bemühet sich vergebens«, erwiderte Chaumigrem mit bereits entflammten Herzen, »holdselige Prinzessin, durch Ihre harte Worte mich zu einiger Ungeduld oder Zorn zu bewegen. Sie geußt vielmehr Öl in das bereits lodernde Liebesfeuer, indem auch diese Entrüstung Ihre Anmut um ein großes vermehret.« – »Ach wollten die Götter«, fuhr die ungeduldige Banise fort, »ich könnte eine lebendige Hölle vorstellen, so wollte ich mich glückselig schätzen, wenn ich durch deinen Untergang, du Bluthund, die süße Selbstrache befördern könnte.« Allein weder diese noch andere Schmähworte waren mächtig genung, seine Glut zu dämpfen, welcher sich nunmehr auf das empfindlichste gerühret befand, und sich feste entschlossen hatte, ihrer Liebe in kurzem durch Bitten oder Gewalt, teilhaftig zu werden. Dannenhero er ihr eine kurze Bedenkzeit mit diesen Worten erteilete: »Weibliche Gemüter sind leicht in Harnisch zu jagen. Ich habe aber gute Hoffnung, der Abend werde mir gewähren, was der Morgen verweigert hat. Ich will Ihr sechs Tage Bedenkzeit erlauben, sowohl der ersten Hitze einige Ausflucht zu gönnen, als auch wohl zu überlegen, ob nach verschwundener Hoffnung aller Hülfe des Kaisers Haß oder Liebe zu wählen sei. Inzwischen binden wir Euch, Ponnedro, die Schöne auf Eure Seele, lasset das schönste Zimmer zu ihrer Wohnung und königliche Aufwartung zu ihrem Dienste bestellen. Nach sechs Tagen hoffen wir dasjenige gutwillig zu genießen, was sie itzt vermeint, uns nimmermehr zu erlauben: denn die Zeit kann alles ändern.« Mit welchen Worten er ihnen den Rücken zukehrete, und das Zimmer verließ. Ponnedro nahm hierauf die vertraute Aufsicht mit Freuden an, tröstete die Prinzessin mit den beweglichsten Worten, und suchte ein solches Zimmer auf der Burg zu ihrer Bequemlichkeit aus, welches nicht allein unterschiedene [241] Ausgänge hatte, sondern auch zu Ausführung eines und des andern Anschlages sehr bequem war.

Die schöne Prinzessin hatte kaum das Zimmer als ein freies Gefängnis betreten, so hatte sie Ponnedro mit Hinterlassung seines Dolches etwas verlassen, in welcher Einsamkeit sie denn ihrer Wehmut den Zügel völlig schießen ließ, und den Dolch aus übeln Vorsatz in ihre Hand nahm: »So muß ich euch«, redete sie mit benetzten Lippen, »o ihr werteste Seelen meiner Anverwandten, auch wider meinen Willen die ewige Glückseligkeit mißgönnen, als die ihr bereits in der gestirneten Ewigkeit eure vollkommene Vernügung erreichet, mich aber, mich Elende, in der Angstgrube dieser Welt, der Himmel weiß, zu was noch vor Unglücke hinterlassen habt. Ach hätte ich doch zugleich der bekümmerten Seelen durch einen verborgenen Dolch einen roten Ausgang gesucht, als mir der Tyranne, nicht zwar aus Barmherzigkeit, sondern zu Vermehrung meiner Herzensqual, erlaubte, den ohnmächtigen Geist meines sterbenden Vaters durch ein Glas Wasser zu erquicken: so wäre ich an dem Ort der Ruhe, und dürfte keiner fernern Raserei eines Tyrannens gewärtig sein, und es hätte sich meine kindliche Pflicht auch im Tode dem väterlichen Geist beigesellet. O ich Verlassene! ach ich Elende! die ihr höchstes Glücke in einem schleunigen Tode suchen muß. Auf derowegen, bedrängte Banise! das wundersame Verhängnis gibet mir nicht ohngefähr diesen Dolch in die Hand. Lasse dich die Todeslarve nicht schrecken. Blöden Augen ekelt nur vor dem Tode, und verwehnte Lippen wollen nicht Aloe kosten. Ich sehe doch wohl, daß der Himmel keine fremde Hand mit meinem Blute besprützen will: so danke ich ihm um so viel desto mehr, daß er dennoch meiner Faust und diesem dienstfertigen Stahl die Macht überlassen hat, den Kerker des geängsteten Leibes zu eröffnen, und die gequälte Seele in erwünschte Freiheit zu setzen. So komme denn, du edler Dolch, und sei das Werkzeug einer tapfermütigen Erlösung: denn ein rühmlicher Tod ist doch die beste Bahn zu unserer Freiheit.« Nach welchen Worten sie ihre Brust aufriß, und durch einen tödlichen Stoß sich des Lebens berauben wollte. Ponnedro aber trat gleich, als gerufen, zur Türe hinein, und wie er ihr verzweifeltes Vorhaben bemerkte, sprang er hinzu, und begriff ihre Faust, mit welcher sie bereits den Dolch zum Stoße gefaßt hatte. »Sie halte zurücke, gnädigste Prinzessin«, schrie er ihr zu, »denn Großmut und [242] Verzweifelung können nicht in einer Seele beisammen wohnen. Sie lasse die Vernunft herrschen, und verbanne solche unanständige Todesgedanken. Denn sein eigner Henker werden, und des Feindes verschonen ist eine Frucht der Torheit«; womit er ihr den Dolch aus der Hand und wieder zu sich nahm. »Wie, untreuer Ponnedro«, sahe sie ihn mit zornigen Augen über die Achseln an, »kannst du wohl deine rechtmäßige Erbprinzessin geschändet sehen? hat nicht mein Vater um dich und dein Geschlechte so viel verdienet, daß du seiner Tochter viel eher beförder- als hinderlich fallen sollst.« – »Eben durch diese Verhinderung«, erwiderte Ponnedro, »belieben Sie meine Treue zu erkennen, mit was vor Pflichten ich Ihr als dem letzten Zweige des um ganz Pegu höchst verdienten Stammes noch verbunden lebe. Denn Ihr Todesfall würde dem Tyrannen eine schlechte Rache, vielmehr eine herzliche Freude sein, wenn nunmehro sein Verlangen erfüllet, und er sich in völliger Sicherheit sehen würde. Des Elefanten Fall erdrücket seinen Feind zugleich mit: hier aber würde das letzte Licht und einige Hoffnung des ganzen Reichs verleschen, da doch nicht der geringste Feind durch Ihren Tod untergehen würde.« – »Wo soviel tausend Männerhände«, war ihr Einwenden, »nichts auszurichten vermögen, da kann billig eine schwache Weiberfaust nichts anders tun als vor Wehmut den Dolch in eigene Brust begraben.« – »O unbesonnener Zweifel«, versetzte Ponnedro, »welcher aus einer verwirreten Seelen entspringet: gleichsam, als wenn dies etwas Unerhörtes wäre, daß ein schwach Weibesbild mehr als tausend Männerherzen verrichtet hätte. Sie versichere sich, daß, wo Erd und Hölle nicht vermag, bloß die List eines Frauenzimmers auch selbst die Unmöglichkeit überwinden könne.« – »Diese Reden verwirren mich viel mehr«, antwortete Banise, »als daß sie mir einigen Unterricht geben sollten. Ich weiß nicht, ob es möglich sei, einige Hoffnung zur Rache und Thron schöpfen zu dürfen, und ob es auch ratsam sei, einem feindlichen Bedienten zu trauen.« Dieses Mißtrauen merkende bemühete sich Ponnedro eifrigst, ihr solches zu benehmen: »Es müsse mich«, schwur er, »die Gottheit mit ewiger Strafe belegen, wo einige Schlange der Untreu in meinem Herzen wohnet! Sie wolle es, gebietende Prinzessin, vielmehr vor eine unfehlbare Schickung der Götter achten, daß der Kaiser mich als eine höchst verdächtige Person mit solchen wichtigen Verrichtungen beleget, wodurch sich leicht erwünschte Gelegenheit [243] ereignen könnte, dem Reiche zu helfen, und das Kaiserliche Blut zu rächen.« – »Ich beschwere Euch bei der Zukunft unserer fünften 3 Gottheit«, redete ihn gleichsam erwachende Banise an, »daß Ihr Euch zu dieser unerläßlichen Sünde ja nicht verleiten lasset, eine vorhin höchst unglückselige Prinzessin noch ferner zu betrüben, sondern, wo Euch der Himmel mit dem geringsten Mitleiden beseliget hat, so erteilet mir einen ersprießlichen Rat, wie ich Leben und Ehre retten, und meine Sicherheit in den Armen meines geliebten Prinzens von Ava suchen und finden möge.« – »Wo die Gefahr zu Pferde sitzet«, redete Ponnedro ferner, »da muß guter Rat freilich nicht auf Stelzen gehen. Weil sich aber dieses hochwichtige Werk nicht erzwingen lässet, so wird eine kluge Verstellung einen erwünschten Anfang machen. Sie haben sattsam verspüret, wie entzündet der Kaiser durch Dero Schönheit sei.« – »Solches bedünket mich ein Traum«, redete Banise ein. Ponnedro bedeutete sie aber bald sagende: »Die allzu große Wehmut und Rachgier haben Ihre Augen verdunkelt, daß Sie solches nicht beobachten können. Sie setzen aber kein Mißtrauen in mein Vorbringen, und wissen, daß solches Feuer gleichfalls von dem gütigen Verhängnis der Götter herstamme. Sie lasse demnach alle übrige Härtigkeit gegen dem Kaiser fahren, und stelle sich gegen ihn dermaßen an, daß er mehr Ursache zur Liebe als Grausamkeit haben möge.« – »Dies scheinet aber gefährlich«, wendete die besorgte Prinzessin ein, »denn sollte der Tyrann meine Verstellung vor bekannt annehmen, so würde er zu völliger Genießung der Liebe eilen, bei deren Verweigerung aber wohl gar sich einiger Notzucht unterfangen dürfen, so würde ich doch alsdenn mit befleckter Seele sterben, da ich anitzo denen Göttern einen reinen Geist opfern könnte.« – »Göttliche Hülfe und eigener Verstand«, erwiderte Ponnedro, »muß hierinnen den besten Rat erteilen, wie man auf alle Weise und Wege der Sachen Aufschub zuwege bringen, und des Kaisers Hitze mit erdachten Scheingründen, wo nicht leschen, doch aufhalten möge.« – »Ich nehme solches endlich an«, war der besänftigten Prinzessin Gegenrede, »und bitte die Gottheit, daß sie dem schweren und wichtigen Vorhaben ein erwünschtes Ende geben wolle. Inmittelst soll die [244] Verweigerung der Liebe außer der Ehe die erste Ablehnung der Hitze sein.« Welches ihm Ponnedro sehr wohl gefallen ließ, und ihr einen sonderbaren Trost erteilte. »Doch«, redete Ponnedro noch ferner, »habe ich noch eines und zwar etwas Nötiges zu erinnern, welches eine starke Mitwirkung zu erwünschter Vollziehung des ganzen Werkes sein könnte; nämlich, daß sie bei dem Kaiser bemühet lebe, bei erster Gelegenheit Gnade, Erlassung und vorigen Ehrenstand vor den um Ihr Leben gefangenen Abaxar auszuwürken.« – »Ich werde auch hierinnen nichts ermangeln lassen«, antwortete Banise. Worauf endlich Ponnedro sie nicht länger aufhalten wollte und sagte: »Großmütige Prinzessin! weil ich Dero tapferes Entschließen wider alle Fälle mit Freuden vernehme; so schließe ich nicht allein der Götter Gegenwart und dahero glücklichen Erfolg hieraus, sondern ich kann Ihr auch nicht ferner verhehlen, was maßen der treue Prinz Balacin bereits sich auf des Talemons Schlosse eingefunden, um sowohl vor Dero Wohlfahrt zu sorgen, als auch vornehmlich Sie aus der Hand dieses Wüterichs zu erlösen. Er ist nunmehro ein mächtiger König, weil sein Herr Vater gestorben, und ihm auch die Krone von Aracan zugefallen. Ob er Sie nun zwar mit gewaffneter Hand mächtigst befreien könnte, so will er doch zuvor durch eine bequeme List sich Ihrer Person versichern, und alsdenn der Rache wider diesen Tyrannen freien Lauf lassen.« – »Hilf Himmel! traumet mir?« hub die erfreuete Prinzessin an, »ich weiß nicht, ob ich wache? Trautester Ponnedro, sollte es wohl möglich sein, daß mir in so trüber Nacht des Unglücks ein solches Licht des Heils an meinem Prinzen aufgehen sollte? Doch, ach! sollte es wohl ein vergebner Trost sein?« – »Der Himmel strafe mich nicht«, versicherte Ponnedro, »mit solcher Verwegenheit, daß ich Sie durch einige Unwahrheit beleidigen sollte. Er ist verhanden, und wird sein Leben wagen, Sie in veränderter Gestalt zu küssen.« – »Nun schmelzet mein Herze«, fuhr Banise fort, »und die Seele krieget Flügel, ja ich vergöttere mich ganz, daß ich meinen Prinzen, meinen Schutzengel, so nahe wissen soll. Du wirst demnach, treuester Ponnedro, selbtem eine kleine Schrift überbringen, und dir meine Wohlfahrt nebst ihm treulich anbefohlen sein lassen.« Nachdem sie nun solche verfertiget, und dem Ponnedro überreichet, nahm er ehrerbietigsten Abschied, machte alle benötigte Anstalt zu ihrer Bedienung, und suchte Gelegenheit, auf etliche Stunden den Prinzen zu [245] besuchen. Welches ihm auch die Abwesenheit des Chaumigrems erlaubte, und er sich sofort auf einem flüchtigen Klepper nach seines Vaters Wohnung begab. Sobald er daselbst abgestiegen, verfügte er sich ohne andere Besuchung nach des Prinzen Zimmer, welchen er auf einem Stuhle, seinen Vater vor ihm sitzen und den Scandor neben ihm stehend fand. Ponnedro hatte kaum die Schwelle betreten, so rufte ihm der Prinz mit wehmütiger Stimme entgegen: »Ach Ponnedro! soll ich sterben oder leben?« – »Wo eine schöne Prinzessin lebet«, antwortete Ponnedro, »da darf ein geliebter Prinz an keinen Tod gedenken.« – »Haltet mich nicht auf«, fuhr der betrübte Prinz fort, »und entdecket es mit besserm Grunde als Talemon, welcher besorgliche Unwissenheit aus Pegu überbracht hat, was ich zu hoffen habe.« Ponnedro erwiderte: »Die Prinzessin lebet, und der Prinz soll auch leben. Sie lebet, und zwar in vermeintem Wohlstande; allein der geringste Zeitverlust kann sie unglücklich machen. Dieser Brief von ihrer Hand wird meinen Worten nötige Erklärung tun.« Womit er den von der Prinzessin anvertrauten Brief ehrerbietigst überreichte. Sobald er nun aus der Überschrift seiner Prinzessin wahre Schreibart erkennete, küssete er solche Zeilen inbrünstig, und sagte: »Ach angenehmste Zeilen, deren Schrift nicht irdische Augen, sondern Sonnen zu lesen würdig sind. Dieses Pfand bekräftiget, was mir der güldene Ponnedro gesaget hat. Wohlan, es sei gewaget, ich erbreche den Brief, um bei diesem Zucker der Galle nicht zu entwohnen.« Worauf er das Siegel eröffnete, und folgende Worte daraus las:


Wertester Prinz!


Dessen nahe Gegenwart ist die Ursache meines Lebens, außer welcher ich bereits die Gruft erkieset hätte. Indessen bin ich vergnüget, wenn mein englischer Prinz in solchem Zustande lebet, wie es meine Wohlfahrt erfordert, ob mich gleich die eiserne Hand des wilden Unglücks fast erdrücken will. Wo mich vor Verlauf des vierten Tages eine kluge Hand befreiet, so werde ich erweisen können, wie kein Unglück die Pfeiler der Liebe einzuäschern vermocht habe. Außer diesem werde ich zwar sterben, jedoch eine unbefleckte Seele und unverbrüchliche Treue mit ins Grab nehmen. Lebet wohl, und errettet diejenige, welche einen Fuß im Sarge und ihr Herze bei ihrem Prinzen hat.

Banise.


[246] »Wehe mir!« rief der seufzende Prinz, »die Zeit ist zu kurz, und ich bin verloren! Ach! so ist denn kein beständiger Sonnenschein mehr zu hoffen, und muß ein jeder Stern zum Kometen werden? Zwar derjenige sollte sich wohl vor keinem Ungewitter mehr fürchten, welchen der ungütige Himmel schon öfters durch harte Blitze versehret, und betrübet hat: Allein wo er zugleich mit den Keulen seines Zorns spielet, da muß auch der festeste Grund erzittern.« – »Wie so zweifelhaftig? Gnädigster Herr«, redete ihm Talemon ein, »der Zweifel ist kein Zeichen eines großmütigen Herzens. Bei so gestalten Sachen muß man den Göttern vor der Prinzessin Leben danken, sie aber nicht durch Ungeduld erzürnen. Hier aber muß man Geduld und Großmut herrschen lassen. Jene erleichtert das Unglücke, diese aber ist der Anfang aller wichtigsten Dinge, durch welche auch die Unmöglichkeit selbst bekrieget und besieget wird.« – »Das Glücke ist rund«, vollführte Ponnedro diese Rede, »und gewinnet öfters das Ansehen, als wenn alles verloren, und kein Mittel, dem Übel zu begegnen, mehr vorhanden wäre. Wenn man aber desselben Umstände großmütigst betrachtete, so verkehret es sich öfters dergestalt, daß, gleich wie es zuvorhero den Untergang gedräuet, es hernachmals zu unserm Besten ausschlägt, darum nur getrost, solange ein Patient den geringsten Atem noch von sich spüren lässet, solange hat ein beherzter Arzt noch Hoffnung zu des Menschen Leben. Ein kluger Rat und behender Anschlag kann der schweresten Sache, und also auch hier, am besten raten.« – »Aber verschonet mich mit vergebener Hoffnung«, fiel ihm der in diesem Fall etwas kleinmütige Prinz in die Rede, »denn sie in so kurzer Zeit mit Gewalt zu erretten, lässet die Unmöglichkeit nicht zu, weil viel hunderttausend Mann hierzu erfodert werden. List scheinet zu gefährlich, weil deren mißlingender Ausgang nur ihren und viel anderer Unschuldigen Tod befördern möchte. Den Chaumigrem aber zu einer gütlichen Abfolge zu behandeln, ist so vergebliche Arbeit, als ob wir einen Mohren zu waschen, und unser ewiges Gedächtnis in die See zu schreiben bemühet wären. Die Bedingung aber, welche sich der Tyranne nach verflossenen vier Tagen vorbehalten hat, möchte ich doch gerne wissen.« Ponnedro erstattete folgenden Bericht: »Die durchdringende Schönheit der Prinzessin hat auch dieses Tigerherz bezwungen, dannenhero er von dem Gift eingesogener Liebe fast zu börsten vermeinet. Und weil sich bei erster Zusammenkunft[247] die Prinzessin vorsichtigerweise sehr ungebärdig stellete, als hat er ihr fünf Tage Bedenkzeit eingeräumet, nach deren Verfließung er sonder Zweifel seine heftige Liebe verfolgen dürfte, wo nicht der Götter Hülfe eine gewünschte Errettung verschaffet. Dem Bedrängten aber zu helfen, hat der Himmel mehr als ein Mittel. Zwar einige Gewalt durch unsere schwache Hand anitzo vorzunehmen, ist eine Arbeit der Kaninchen, eine Löwenhöhle zu stürmen: den Bluthund zu einiger Güte zu bewegen, scheinet gleichfalls Diamanten mit Finger zu zerreiben: eine von dem Himmel gesegnete List aber hat öfters Stahl in Gold verkehret.« – »Ich bin unschlüssig«, redete Talemon ein, »welcher Meinung ich beipflichten soll. Einige Gewalt vorzunehmen, solches ist nur mit Stillschweigen zu übergehen: durch List sie diesen Raubklauen zu entführen, scheinet eine Sache zu sein, welche fast dem Verhängnis trotzet, worzu uns einige Ungewißheit den Segen des Himmels verweigert. Den sichersten Weg schätze ich hierinnen zu sein, wenn man sich bemühete, durch verstellete Schriften, als ob sie aus Ava kämen, dem Wüterich mit beweglichen Gründen die Unschuld der Prinzessin vor Augen zu stellen, und um deren Erlassung und Abfolge freundlich anzuhalten.« – »O bloßer Schatten vergebener Hoffnung!« widerlegte es der Prinz, »welchen bei voriger Grausamkeit weder das bewegliche Flehen der Alten, das jämmerliche Zurufen der angenehmsten Schönheiten, noch das erbärmliche Schreien der kleinen Kinder, in summa, das unbeschreibliche Mordelend so vieler tausend unschuldigen Menschen nicht im geringsten zu bewegen, noch einige Seele zu erretten vermocht, den wird viel weniger ein toter Buchstabe zu einiger Vernunft noch Erbarmung bringen. Nein, nein, wir würden hier nur Pfeiler in die See bauen, und bei der Natter Gunst suchen. Viel sicherer und tapferer wird dieses sein, daß ich mich in die Burg und so nahe an den Bluthund verfüge, daß diese Hand seine mörderische Brust erreichen kann. Alsdenn will ich einen scharfen Dolch in das lastervolle Herze stoßen, und hernach auch des grausamsten Todes gewärtig sein, wenn nur aus meinem Blute die Wohlfahrtsrose der Prinzessin blühet.« – »Dieser Anschlag ist zu hitzig«, erwiderte Ponnedro, »ich will nicht sagen, verzweifelt. Denn sollte gleich des Tyrannen Tod erfolgen, so wäre doch dessen Anhang durch den Verlust ihres Hauptes noch lange nicht so unkräftig gemacht, daß nicht vielmehr die Prinzessin zugleich in andere und noch [248] viel grausamere Hände geraten könnte. So wäre der Prinz verloren, dessen mächtige Reiche verwaiset, und der Prinzessin nichts geholfen. Inmittelst«, wendete er sich zum Scandor, »habe ich aus vorigen Erzählungen nicht einen unebenen Verstand geurteilet, welcher bei so gählingen Fällen billig mit in den Rat gezogen wird. Kann selbter nun einen ersprießlichen Beitrag tun, so wird er sich dem Prinzen gnädig, uns aber verbindlich machen.« Scandor zückete die Achseln, und näherte sich mit diesen Worten: »Wo solche Galeeren das Meer der Weisheit beschiffen, da muß mein Jagdschiffgen des Unverstandes billig die Segel streichen«. – »Wo aber«, versetzte ihm Talemon, »die Galeeren auf verborgene Klippen stoßen, da müssen sie scheitern: ein Jagdschiff aber streichet über hin.« – »Ich kann es nicht leugnen«, fiel der Prinz in die Rede, »daß ich öfters in andern obzwar nicht so wichtigen Geschäften, einen nicht undienlichen Rat von dir vernommen. Zudem muß man in wichtigen Vorhaben sich mehr als eines Rats bedienen: so dir nun die Götter einen Einfall verleihen, so melde ihn ungescheut.« – »Gnädigster Herr«, antwortete Scandor, »ich habe bereits meine fünf Sinnen auf das Rathaus meines Gehirns zusammengefordert, und mit ihnen wohl überleget: ob hier List oder Gewalt den Vorzug haben könne. So haben sie mir insgesamt meine Torheit ziemlich verwiesen, daß ich des Wortes Gewalt auch nur erwähnet habe. Denn obzwar nicht zu leugnen, daß Ava und Aracan mit vereinigter Macht gar leicht den Tyrannen auch zu einer fußfälligen Abbitte zwingen könnten: so möchte ich doch gerne den Mantel, auf welchem eine so mächtige Armee inner drei bis vier Tagen sollte hergeführet werden, noch vor der Hinfahrt meiner Seele sehen. Wir aber insgesamt, und ob ich gleich meine Frau zur Gehülfin mitnehme, sind viel zu schwach, auch nur das vörderste Burgpförtgen zu eröffnen. Und wenn ein Elefantenjunge ›Wer da?‹ rufte, so möchten wir uns immer wieder zu Hause wünschen. Derjenige aber, welcher das Wort List im Munde führete, der schiene bessern Beifall zu überkommen. Die List, sage ich, wird hier mehr als alle unsere Gewalt ausrichten. Solche kann nicht anders denn durch eine kluge Entführung ausgeübet werden, welche mein gnädigster Herr ganz leichte selbst bewerkstelligen kann. Ja es kann selbter ungescheut die Prinzessin in Person sprechen, küssen, und erwünschte Abrede nehmen, wie, wenn und wohin sie folgen soll?« – »Scandor schwärmest du?« redete ihm der[249] Prinz ein, »scherze nicht, sondern schweige vielmehr.« – »Hier ist keines Scherzes zu gedenken«, erwiderte Scandor, »und wird mir jedweder Beifall geben, wenn ich den Sack meiner Anschläge nur werde ausgeschüttet haben. Es beliebe doch der Prinz mit seinen Gedanken zurücke nach Pandior zu laufen, und des Priesters Worte zu holen, als wir die Gottheit des Apalita um Rat in unserer Reise ersuchten.« – »Auch dieses ist uns ohne dein Erinnern bewußt«, sagte der Prinz. »Wissen Sie auch«, fuhr Scandor fort, »wie uns der Talipon zwei Schachteln mitgab.« – »Worzu dienet diese Erinnerung«, redete ihm der Prinz abermal ein, »du suchest nur deine Bosheit in der Weitläuftigkeit zu verbergen.« – »Es ist zu erbarmen«, hub Scandor hierauf an, »daß wir Menschen in göttlichen Sachen, ob sie gleich unsere höchste Wohlfahrt befördern können, so gar nachlässig sein. Die letztern Zeilen, welche ich von der Prinzessin überbrachte, werden dem Gedächtnisse weit besser eingepflanzet sein, als der treue und höchst ersprießliche Rat der sorgfältigen Götter. Damit aber gegenwärtige Herren nach etwas deutlichern Bericht mir desto eher beipflichten können: so werden sie wohl in meiner vorigen Erzählung, als ich der Besuchung des Tempels zu Pandior erwähnte, sich zu entsinnen wissen, wie ich bei Abfertigung des Priesters zweier Schachteln gedachte, welche er uns mit diesen Worten überreichte: ›Diese zwei Schachteln händigen dir die Götter ein, aus deren einer du dich verbergen, aus der andern wiederkommen kannst. Diese bewahre aufs beste, denn es kömmt die Zeit, da du durch Verstellung Liebe und Reich zu erhalten suchen wirst.‹ Sollte nun nicht die benennte Zeit jetzt vorhanden sein, in welcher Liebe und Reich in Gefahr stehet, und wir Ursache hätten, durch List und Verstellung solches zu erhalten. Ich habe den Prinzen verstellet gesehen, daß ich ihn selbst nicht erkannt habe. Sollte er nun nicht vermittelst solcher Farbe die Prinzessin besuchen, und alles nach Willen bewerkstelligen können?« – »Diesen Rat«, war des Ponnedro Einrede, »schätze ich vor einen Einfluß des gütigen Himmels, und halte ich dieses Mittel vor so kräftig, als wenn ich bereits die schöne Prinzessin voller Freiheit ihren geliebten Prinzen küssen sähe.« Inzwischen holte Scandor die eine Schachtel herzu, und verstellete den Prinzen in kurzem dermaßen, daß sie fast den Scandor vor einen Zauberer ausschreien wollten. Als er aber dem Prinzen vermittelst der Blätter aus der andern Schachtel seine vorige [250] Gestalt wiedergegeben hatte, zogen sie solches in höchste Verwunderung. Der Prinz lobte des Scandors kluges Einraten über die Maßen, und versprach ihm solche Gnade, als er sich immer wünschen kunnte. »Mein liebster Scandor«, redete ihn der Prinz an, »es scheinet, als wenn die Götter durch dich redeten, indem du nicht allein durch diese Erinnerung meinem Gedächtnis zu Hülfe kommen bist, sondern auch einen erwünschten Anfang zu unserm Vorhaben gemacht hast. So gebrauche dich denn des himmlischen Einflusses zu meinem Besten noch ferner, und ersinne eine kluge Art, wie man die Prinzessin beizeiten errette.« – »Auch dieses wird sich wohl tun lassen«, antwortete Scandor, »und wird die Zeit die beste Ratgeberin sein. Man mache sich indessen auf gute und flüchtige Pferde gefaßt, und lebe bedacht, auf was vor Art man sie unvermerkt aus ihrem Zimmer nach der Tigerpforte bringe.« – »Dies scheinet ein schweres Unterfangen zu sein«, wendete Ponnedro ein, »weil eine doppelte Wache vor der Türe, welche zur Freiheit helfen könnte, gesetzet ist.« – »Was wäre dies vor eine List«, erwiderte Scandor, »wenn man nicht tausend Augen betrügen könnte. Es fället mir gleich diesen Augenblick etwas Bessers ein, welchem ich fleißiger nachdenken, und alsdenn, wenn es vollkommen ausgearbeitet ist, völlig entdecken will.« – »Wohlan! liebster Scandor«, ermunterte ihn der Prinz, »eine königliche Gnade wird deine Treue vergelten. Inmittelst wertester Ponnedro, werdet Ihr mir behülflich sein, daß ich die Prinzessin würklich zu sehen bekomme. Der gegebene Anschlag wird alle Mühe erleichtern.« – »Ganz wohl«, erwiderte Ponnedro, »solches wird aber nicht eher, als übermorgen geschehen können, weil sie der Kaiser zu fleißig besuchet. Damit wir aber bessere Zeit gewinnen, so soll die Prinzessin noch um einige Tage Aufschub anhalten: alsdenn werden die Götter unser Vorhaben mit erwünschtem Segen beseligen.«

Nach welchen Worten Ponnedro zugleich Abschied nahm, sich wieder nach der Burg zu seiner anvertrauten Prinzessin verfügte, und sie durch erteilte Nachricht ihrer Abrede in höchste Freude setzte. Weiln aber die Prinzessin von Saavady, das Fräulein von Anseda, und etlich ander Frauenzimmer ihr als Gespielinnen zugeordnet waren, so war dem Prinzen eine Verstellung um so viel desto nötiger: dannenhero er sich nebst dem Scandor entschloß, sich bei verstelltem Angesichte als Portugiesen anzukleiden, und mit allerhand [251] Waren sich auf der Burg bei dem Frauenzimmer anzugeben. Welcher Anschlag zugleich dem Ponnedro durch den Talemon hinterbracht wurde, welcher es der Prinzessin entdeckte, und sie dadurch ein herzliches Verlangen trug, diesem Portugiesen was abzukaufen. Talemon müßte zugleich vor etliche tausend Dukaten Wert kostbare Waren einkaufen, welche in zwei Kauffäßgen eingeschlagen, und hernach von dem Prinzen und Scandor getragen wurden. Als nun der angenehme, doch sorgsame Tag erschienen, strichen sich der Prinz und Scandor mit oft erwähnter Farbe sowohl das Gesichte als Hände und Haare aufs fleißigste an, legten ihre dazu bestellte portugiesische Kleidung an, hingen jeder ein Fäßgen auf den Rücken, und traten also in der Hassanen Zimmer, welche sich heftig zu erzürnen begunnte, daß solche fremde Gesellen sich so unverschämterweise erkühnen dürften, ihr Gemach zu betreten. Ob nun zwar Scandor ihr einige Waren anbot, so konnte sie ihn doch nicht erkennen, sondern schalt und schmähte aufs heftigste. Scandor wollte sie noch besser auf die Probe setzen, sagende: er hätte eine vortreffliche Gallentinktur, welche gleich nach dem Gebrauch eine böse Frau besänftigen könnte. Allein hiedurch hätte Scandor sich bald in Ungelegenheit gesetzet, indem sie vor Zorn viel weniger sehen oder ihn erkennen konnte, sondern sie schrie auf ihre Knechte um Hülfe, welche sich auch sofort mit ziemlichen Prügeln in der Hand dienstfertig einstellten, und ihrer Frauen in so vermeinter Gefahr beistehen wollten. Der Prinz hatte sich beizeiten wieder entfernet, und Scandor befand sich alleine in solcher Gefahr, daß die Knechte bereits fühlten, ob es sein eigen Haar wäre, weil er aber zu seinem Glücke einige Blätter bei sich hatte, womit er sich in höchster Eil und unter ziemlicher Verhinderung der groben Gehülfen etwas abreiben, und seine Gestalt einigermaßen entdecken konnte: so schrie er, weil er den Ernst fühlte, er sei ja vom Hause, und hätte sich nur verkleidet. Als nun Hassana den Knechten innezuhalten befahl, erkannte sie ihn endlich, und ließ ihn mit fernern Zusprechen verschonen. Lorangy aber, welche inzwischen auch war herbeigekommen, wollte es noch nicht glauben, daß dies ihr lieber Scandor wäre, bis er sich des Anstrichs gänzlich befreite, und eine ungemeine Verwunderung verursachte, womit er sich doch so häßlich verstellen könnte. Denn dieses scharfe Wesen verzog sogar alle Gesichtsbildungen, daß sich, nebst der Farbe auch die Ähnlichkeit [252] verlor. Als nun ein Gelächter darauf erfolgte, begab sich Scandor wieder nach dem Prinzen, welcher ihn nicht wenig wegen empfangener Handehre auslachte: nachdem er sich aber wiederum verstellet, gingen sie miteinander der Stadt zu, und verfügten sich alsofort vor die Burg. Scandor wollte gleich zugehen, allein er wäre abermals unter unbarmherzige Fäuste geraten, wenn nicht Ponnedro dazugekommen wäre, welcher der Wache Ruhe gebot. Der Prinz redete den Ponnedro alsobald auf portugiesisch an, ihm doch zu einem guten Handel behülflich zu sein, er wollte es mit einer Dankbarkeit zu erwidern wissen. Ponnedro sahe sie beiderseits an, und erkennte sie zwar an ihren Stimmen, die Personen aber deuchteten ihn unmöglich diejenigen zu sein, welche sie sein sollten. Solcher Zweifel verursachte ein langes Stillschweigen und eine genauere Betrachtung bei dem Ponnedro; je fleißiger er sie aber anschaute, je weniger konnte er die geringste Mutmaßung nehmen, daß es der Prinz sein sollte. Diesen Zweifel ihm nun zu benehmen, redete ihn der Prinz ferner an: »Mein Herr, er zweifle nicht an guter Ware, er hat mir auf Talemons Schlosse wohl eher was davon abgekauft.« Wodurch sich endlich Ponnedro bereden ließ, daß er nicht ferner zweifelte, sondern sie etwas verziehen ließ. Ponnedro verfügte sich alsbald zu der Prinzessin, und deutete ihr in geheim des Prinzen Gegenwart, nebst beigefügtem Unterricht, daß sie sich die ganz unerkenntliche Verstellung nichts irren lassen, besondern den, welcher sich des Redens enthalten würde, vor ihren geliebten Prinz erkennen sollte. Die Prinzessin entdeckte es alsobald dem sämtlichen Frauenzimmer, wie einige Portugiesen mit seltsamen Waren vorhanden wären, welche sie zu feilem Kaufe antragen ließen: so ihnen nun was zu kaufen beliebte, so sollten sie eingelassen werden. Wie nun hierauf eine allseitige Bewilligung erfolgte, ging Ponnedro hin, sie heraufzuholen. Als er sich aber mit seinen Portugiesen dem Zimmer genähert hatte, vernahmen sie mit höchstem Schrecken, wie daß Chaumigrem gegenwärtig wäre: welcher zwar dieser Tage eine Lustreise vorgenommen, solche aber unversehens eingestellt und in eine verliebte Besuchung verwandelt hatte. Ponnedro verbarg den Prinzen alsobald zwischen eine gedoppelte Wand, welche ihm wegen ihrer Schwäche alle im Zimmer gesprochene Worte zu seinem Schmerzen zu hören erlaubte. Er aber, Ponnedro, verfügte sich gleichsam zur Aufwartung ins Zimmer, und sahe, wie das sämtliche[253] Frauenzimmer entwichen war. Wie nun die Prinzessin unwissende nicht ferne von der Wand, welche ihren Prinzen bedeckte, in tiefsten Trauergedanken auf einem Stuhle saß, so ging Chaumigrem anfangs sonder einige Anrede eine geraume Zeit in dero Zimmer auf und ab, endlich aber verfügte er sich nach der Prinzessin, und redete sie mit diesen freundlichen Worten an: »Wie so betrübt, meine Schöne, wenn werden uns die benetzten Wangen trockene Rosen und die traurigen Augen fröhliche Sonnen gewähren?« – »Wenn der Himmel sein Ziel«, antwortete die betrübte Banise, »und mein Elend seine Endschaft wird erreichet haben.« Chaumigrem erwiderte: »Denen Monarchen hat der Himmel auch die Macht erteilet, daß sie ein ungütiges Verhängnis verbessern, und die Betrübten erfreuen können.« – »Ich weiß nicht«, versetzte Banise, »ob bei so unersetzlichen Schaden und Betrübnis ein so kräftiges Pflaster möge gefunden werden, welches mein Herz heilen, und mich vergnügen könne.« – »Ich sichere Sie«, fuhr Chaumigrem fort, »daß die Sonne Ihres Glückes anjetzo am höchsten stehe, und Sie sich im Paradies befinden soll, wo Ihr nur nicht vor eignem Wohlstande ekelt.« – »Solch Paradies«, war ihre Gegenrede, »kann mir von dessen Hand nicht anders als durch einen schleunigen Tod gewähret werden. Denn wo man einen Wald auszurotten bedacht ist, da pflegt man keiner jungen Stämme zu verschonen: und wo man sich einen geschwornen Todfeind von Vater und Mutter nennet, da wird auch eine unglückliche Tochter den Anteil solchen Hasses empfinden müssen.« – »Ach schönste Banise«, hub hierauf der grausam Verliebte an, »Sie quäle nicht meine Seele mit dergleichen Vorwürfen. Ich gestehe es, daß ich Dero Schönheit durch solche von der Staatssucht abgezwungene Grausamkeit höchst beleidiget habe. Ich versichere mich aber, es werde eine so gütige Seele den schönen Leib besitzen, welche bei verspürter Reue alle Mißhandlungen vergessen, und mit angenehmster Erfüllung meines Wunsches beseligen wird.« Bis hieher hatte der lauschende Prinz mit einiger Vergnügung zugehöret, wiewohl die Prinzessin ihm seine Grausamkeit vorgehalten. Als er aber von einer angenehmen Erfüllung schwatzen hörte, so schien es, als ob der Verdruß seinen Einzug bei ihm hielte, dannenhero hörte er mit sonderbaren Aufmerken die fragende Banise also ferner reden: »Wo ja in dieser Welt noch etwas zu finden wäre, womit ein gefesseltes Frauenzimmer einen solchen [254] Monarchen, welchem die Vergnügung selbst zu Fuße fällt, vergnügen könne, so wüßte ich doch nicht, worinnen solche Erfüllung beruhen sollte?« – »O beliebte Frage! O schwere Antwort!« fielen Chaumigrems Worte dem Prinzen in die Ohren; »der, welcher niemals die höchste Gefahr gescheuet, träget anjetzo ein furchtsames Bedenken, einem schwachen Weibesbilde seine Liebe zu entdecken, ich will nicht sagen, ihn zu lieben anzubefehlen. Mit einem Worte: Chaumigrem brennet, und erkieset Banisens Liebe zu Kühlung seiner Flammen.« – »Der jetzige Stand«, war der Prinzessin Einwenden, »meine Niedrigkeit ist viel zuwenig, dessen Hoheit zu vergnügen.« – »Mein Glanz«, beantwortete er solches, »kann den vorgewendeten Schatten zur Sonnen machen.« – »Eingewurzelter Haß verbannet die Liebe«, wendete sie ferner ein. Chaumigrem antwortete: »In meiner Seele herrschet Brunst und Flamme, welcher allen Haß nunmehro verzehret hat.« Die bedrängte Banise suchte alles hervor, was nur einzuwerfen möglich war, sich der verhasseten Liebe zu entledigen, und ihm zu erweisen, wie unmöglich es sei, ihn zu lieben. Dannenhero fuhr sie fort, und sagte: »Es lässet auch mein durchdringendes Betrübnis nicht zu, dessen begierige Seele durch einen fröhlichen Blick zu ergötzen, weil ich meine Augen zu steten Tränen gewidmet habe.« Allein diese Worte waren viel zu schwach, den heißen Vorsatz im geringsten zu stören, deswegen er ihr auch bald mit dieser Antwort begegnete: »Schönstes Kind! Salzicht Wasser beflecket die Schönheit. Etwas Vergangenes und Unwiederbringliches aber zu beweinen, ist ein Zeichen nicht wohl überlegter Klugheit, Sie erfreue sich vielmehr, wann Ihr der große Beherrscher des größten Teils von Indien seinen Purpur anzeucht, und Ihr sein Herz opfert.« – »Der größte Rebell und Bluthund in Indien«, hub der ungeduldige Prinz in geheim gegen dem Scandor an, »welcher seinen Purpur in unschuldigem Blute gefärbet hat. Ehe du aber dein Herz opferst, muß zuvor meines geopfert sein.« Er hätte noch mehr geredet, wenn ihn nicht der Prinzessin Stimme zu fernerm Aufmerken angemahnet hätte: »Zudem«, sagte sie, »ist ja die kaiserliche Burg vorhin ein Himmel, mit schönsten Sonnen bezieret, deren jede mich als einen geringen Stern verdunkelt. Einem solchen Herrn aber müssen gestirnte Kerzen und nicht schlechte Irrlichter zu Bette leuchten.« – »Sich selbst zu verachten«, widerlegte ihr Chaumigrem auch dieses, »ist eine Art der Demut: [255] Wer nicht Ihre Schönheit als ein vollkommenes Wesen betrachtet, den muß die Natur der Augen beraubet haben. Ach keine, keine reichet Ihr den Schatten, dieser Himmel wird nur durch Sie erhellet. Ich erkenne mehr als zu wohl, wie der fruchtreiche Herbst Ihre Brust und der anmutige Frühling Ihre Lippen beseelet. Weil sich auch der Sommer in völliger Pracht auf den Rosenwangen zeiget: wie kann doch der verdrießliche Winter im Herzen wohnen. Ich sichere, daß tausend Sonnen Ihrer Schönheit fußfällig werden müssen.« – »Es ist bedenkenswürdig«, redete ihm die Prinzessin ganz sittsam ein, »schlechtes Glas vor Diamanten zu erwählen. Welches I.M. wohl zu überlegen belieben, damit die Vernunft nicht einst dies vor Torheit schelten möge, was jetzt die Übereilung vor Vergnügung hält.« Hier meinte der Prinz, es habe sich die Prinzessin zu weit vergangen, daß sie, obzwar sehr dunkel, ihm bereits einige Hoffnung zur Liebe gemacht, gleichsam als ob sie nach reifer Überlegung des Werks ihn einiger Huld vergewisserte. Allein die kluge Banise wußte wohl, wie man einen Tiger zähmen, und sich bei Gelegenheit dessen Klauen entreißen sollte. Chaumigrem fuhr unterdessen fort, und sagte: »Die Sache ist mehr als wohl erwogen. Ihre Schönheit ist mir schon dermaßen ins Herze gepfropft, daß auch der größte Sturm diese Wurzel nicht versehren kann: Ach! so betrübe Sie uns doch nicht ferner durch ungegründete Einwürfe. So schöne Augen, Lippen und Brüste haben die Götter gewiß nicht umsonst erschaffen: sondern vielmehr, daß sie nur würdig sein sollen, ein königliches Herz zu vergnügen. Ach! so schaue doch, englische Seele, wie mein Angesicht glühet, und wie mein Geist nach den Rosen lechzet, welche auf Ihren Lippen blühen. Ja diese Liebe ist so heftig, daß auch fernerer Verzug meinen Tod beschleunigen kann.« – »Wie sollte sich diejenige«, setzte sie solcher Liebesversicherung entgegen, »ungefärbter Liebe bereden lassen, deren Entseelung doch so heftig verlanget, und derjenige mit Ketten und Tod beleget wird, welcher mein Leben erhalten hat.« – »Ach wollten die Götter!« antwortete der begierige Chaumigrem, »die himmlische Banise wollte die abgezielte Befreiung des Abaxars vor eine wahre Probe meiner brünstigen Liebe erkennen: so sollte Abaxar diese Stunde zu Ihren Füßen fußfällig vor seine Erlösung danken.« – »I.M. werden mich«, hub sie hierauf an, »durch solche Wohltat an meinen Wohltäter sonderlich erfreuen, und mir Ursache geben, Dero verliebten [256] Vorbringen einigermaßen beizupflichten.« Diese weitläuftige Versicherung setzte den Chaumigrem in sotanes Vergnügen, daß er alsobald dem Ponnedro zurufte, und sagte: »So eilet denn, Ponnedro, nach äußerstem Vermögen: Eröffnet Gefängnis und Ketten, und stellet den Abaxar nach Befehl der Prinzessin auf freien Fuß.« Welches gehorsamst zu verrichten, Ponnedro das Zimmer verließ, und durch solche Einsamkeit ihm Gelegenheit gab, von der Prinzessin mit diesen Worten einen Kuß zu begehren: »Hievor«, sagte er, »begehre ich nichts mehr, als durch einen Kuß das Honig Ihrer Lippen zu kosten.« – »Es ist genung«, sagte der ungeduldige Prinz, und wollte zugleich diese Angststelle verlassen: Scandor aber hielt ihn zurücke, sagende: »Gnäd. Herr, wir sind nicht in dem Garten zu Ava, da wir den verwegenen Chaumigrem mit Ohrfeigen abfertigen können: sondern wir sind arme Portugiesen, welche so lange, als man nicht mit Gewalt nach der Ware greifet, in der Güte handeln müssen.« Der Prinz ließ sich endlich begütigen, als er der Prinzessin abschlägige Antwort vernahm: »I.M. enthalten sich annoch allzu hitziger Übereilung: indem zu Bezeugung wahrer Liebe mehr als eine Probe erfodert wird. Inmittelst beklage ich doch, daß diese gnädigste Willfahrung noch lange nicht den Zweck begehrter Gnade erreichet habe: indem Abaxar der einzige Erhalter meines Lebens, vielmehr mich undankbar zu heißen, und zu verfluchen, als mir einigen Dank abzustatten, Ursache hat, weil die Beraubung seiner Ehrenstelle ihn viel schmerzlicher, als Kerker und Tod vorkommen wird.« – »So lebe denn Abaxar in vorigen Ehren«, erwiderte der willfährtige Chaumigrem, »meine Ungnade soll den betreffen, welcher sich einigen Vorwurfs erkühnen wird.« Die besorgete Banise gab ihren Zweifel folgendes zu erkennen, indem sie sagte: »Das kaiserliche Versprechen ist ein Zucker im Munde, dessen Erfüllung aber erfreuet das Herze.« Solchen wußte Chaumigrem durch hohe Beteurung bald abzulehnen. »Bei dem Leben der unsichtbaren Gottheit«, schwur er, »und der geheiligten Krone von Brama, soll Abaxar noch heute bei unserer Tafel erscheinen, und vorigen Ehrenstand völlig wiederum bekleiden. Nunmehro aber wird Sie ja, schönster Abgott meines Herzens, erlauben, daß ich meiner Vergnügung in etwas den Zügel schießen lasse, und den süßen Tau Ihrer Lippen berühre.« Womit er sich abermal, sie zu küssen, näherte. »Nun ist es Zeit«, sagte der empfindliche Prinz, »nimmermehr [257] lasse ich meine Prinzessin auch nur zu einem Kusse nötigen.« – »Gnädigster Herr«, tät ihm Scandor Einhalt, »wir werden durch solche Kleinigkeiten den Hauptzweck verrücken. Gesetzt auch, es liefe ein Kuß mit unter, so wackelt deswegen ja nichts flugs der Kranz.« – »Das ist ein Wahn des Pöfels«, antwortete der Prinz: »eine keusche Liebe aber soll auch im geringsten unbefleckt sein.« Hier legte ihnen auch diesesmal der Prinzessin ferneres Reden ein Stillschweigen auf. »I.M. lassen sich die Geduld besänftigen«, hörten sie sie reden. »Denn ob ich gleich dieses zu rühmen höchst Ursache habe, daß I.M. das vermeinte Gold meiner Schönheit höher schätzen, als es würdig ist, und so gnädigst in mein Begehren gewilliget haben, so werde ich zwar meinen Geist hiervor zu dessen Dienst widmen, jedoch nur so weit, als es Tugend und Vernunft erlauben.« Welche ungleiche Weigerung aber dem Chaumigrem fast einigen Verdruß erwecken wollte, den er auch durch diese Worte sattsam zu verstehen gab: »Fürsten ist alles erlaubet, weil ihre Fehle der Purpur bedeckt. Jedoch weiß ich nicht, was ein so kaltsinniges Bezeigen vor eine Bedeutung nach sich ziehen soll. Ich wünsche des Aufzugs entübriget zu sein.« Dahero die Prinzessin in nicht geringen Ängsten sich befande, und fast nicht mehr Worte ersinnen kunnte, wodurch sie weder dem Tyrannen zur Ungeduld noch dem Prinzen zu einigem Mißtrauen Anlaß geben möchte: Ihr kluger Verstand aber legte ihr folgende Worte in den Mund: »Großmächtigster Kaiser und Herr, die Götter wissen es, daß die Verweigerung solcher Liebe aus keinem Vorsatz viel weniger Verachtung entspringet, als die ich vielmehr ein so hohes Glücke mit beiden Händen ergreife, und ihn, nachdem mich die Götter aller Hoffnung beraubet, und mich Verlassene trostlos gemacht haben, im Herzen Schatz und Herr heiße, weil ich es, dem Verhängnis ferner zu widerstreben, vor höchst unbillig achte. Es wissen aber I. Maj,. daß doch gleichwohl mein Ursprung mit kaiserlichen Ahnen glänzet, und mein Vater Kronen trug. Ob ihn nun gleich das Verhängnis deren beraubete, so ist er doch als ein Kaiser dem Geblüte nach gestorben, und hat mich Elende als eine kaiserliche Tochter hinterlassen. So erwägen demnach I. Maj. ob es mir anständig und Ihm rühmlich sei, daß ich als Fürstin sklavische Laster begehen, und mich als eine Hure unterwerfen sollte, die doch nur Ehre als ihren Brautschatz und Tugend vor ihr Reichtum hält. Meine Wehmut verdoppelt sich, wenn [258] ich mir dessen Ansinnen zu Gemüte ziehe. Ein verborgener Trieb entzündet mich, das muß ich gestehen, und ein innerlicher Zug heißet mich lieben, das kann ich nicht leugnen. Allein auf so verdammliche und Prinzessinnen unanständige Art der Liebe mich beflecken zu lassen, solche verhindere der Himmel durch meinen Tod, welchen ich selbst zu befördern beherzt genug bin.« Den Chaumigrem verlangete heftig, die eigentliche Meinung ihrer Rede zu vernehmen, und warf ihr diese verpflichte Worte ein: »Ich sterbe vor Verlangen, bald zu vernehmen, wohin doch Dero weitläuftige Reden zielen. Auch mein Leben soll zu Ihrem Opfer dienen.« Welche gnädige Versicherung sie sich bald ferner nütze zu machen wußte, und ihre Rede verfolgete: »Ist ja«, sagte sie, »des Kaisers Liebe so brünstig und dessen Vorgeben kein Fallbrett erdichteter Brunst, so beliebe er zu entdecken: Warum er uns nicht durch den Tempel ins Bette führet. Oder deutlicher zu sagen: Warum machet er sich nicht meiner durch ordentliche Vermählung teilhaftig? Bin ich ihm zu häßlich? Warum beschweret er sich denn, daß ihn meine Schönheit entzünde? Bin ich ihm zu arm? so hat er sich meines Heiratsguts bereits selbst angemaßet. Daß also diese Heirat und meine rechtmäßige Wiedererstattung eine Versöhnung der Götter wegen allzu harter Grausamkeit sein könnte: wodurch das Reich in Ruhe und dessen Person durch solche Eroberung der Gemüter in erwünschte Sicherheit gesetzet würde. Ist nun solcher Vortrag, welcher aus einer verliebten Seele entspringet, angenehm und beliebt: so sollen alsdenn dem Kaiser, die ersten Rosen meiner Liebe zu sammlen, mit Freuden erlaubet sein. Sollte aber dessen Zweck auf andere und mir höchst nachteilige Art zu erlangen gesuchet werden; so wird zwar der Kaiser mein Herze, nicht aber den Willen brechen, mir zwar mein Leben, aber nicht die Ehre rauben können.« Soviel Worte, soviel Schwerter jagte sie dem Prinzen durch das Herze, welcher sich vor Eifersucht nicht mehr bergen kunnte. »Ha«, knirschte er mit den Zähnen bei sich selbst, »ungetreue Banise! sollte es möglich sein, daß du noch ein Herze zu verschenken hättest. Auf Balacin, stürme in das Gemach hinein, und opfere den Tyrannen zur Rache ihres Meineides vor ihren Augen.« In welchem verzweifelten Vorsatz er sich hervorzubegeben gesinnet war. Scandor aber zog ihn bei dem Ärmel abermals zurücke: »Sie bedenken doch«, sagte er, »ihren Zustand, und erwägen des Ponnedro Worte, welcher diese Reden [259] der Prinzessin eingeflößet hat, um den Tyrannen in einen süßen Liebesschlaf zu wiegen, damit er durch süße Hoffnung bewogen ihr noch einige Frist erteile.« Der Prinz erkannte bald seinen Fehler, und strafte sich selbst mit diesen Worten: »Schäme dich, unbesonnener Balacin, die himmelreinen Flammen deiner Prinzessin durch falsches Mißtrauen zu schwärzen. Die Eifersucht, welche auch Lilien beflecket, hat mich zu dieser Torheit verleitet, und diese ist ein Trieb höchster Liebe.« Weil nun diese Entrüstung nicht so gar ohne alles Gepolter abgehen kunnte, als hatte Chaumigrem, solches zu bemerken, seine Rede unterbrochen, jedoch hub er bald wiederum an, der Prinzessin vorgebrachte Rede zu beantworten: »Ich schäme mich«, sagte er, »unbewußter Kälte bei so heftigen Liebesflammen, und rühme Ihre Tugend, welche mich um so viel mehr entzündet, daß ich entschlossen, noch diesen Tag den Grundstein Ihrer Wohlfahrt und meiner Vergnügung durch braminische Hand zu legen, damit nicht mein loderndes Herze solches Versehen durch die Pein langer Geduld büßen müsse.«

Wie nun die Prinzessin durch diese Worte in höchste Bestürzung gesetzet wurde, so kunnte sie sich lange Zeit nicht fassen, auch diesen Sturm der eilfertigen Liebe abzuschlagen. Dennoch siegete ihr Verstand, und ein kluges Vorwenden kühlete diese Hitze in etwas. »So wisse demnach, mein Herr«, verlängerte sie diese Unterredung mit verstellten Liebesgebärden, »und wo es mir nunmehr erlaubet, zu sagen: Mein Schatz! daß mein entflammtes Herze ganz entzückt den Weihrauch beliebter Gegenliebe auf den Altar seiner Seelen streuet, und sich diese Glut in mir nicht länger verbergen lässet. Sie schläget zu Mund und Augen heraus, weil mein Geist von Liebe und Lust gleichsam überschwemmet wird.« Diese Worte erregten einen neuen Streit des Zweifels und der Eifersucht in des Prinzen Seele, welcher sich in diese Verstellung durchaus nicht zu schicken wußte, und dahero vor Ungeduld zu börsten meinte: Doch wurde er auf vorige und bessere Gedanken wiederum gebracht, als er der Prinzessin Meinung durch Fortsetzung ihrer Rede vernahm. »Mir fället zwar«, fuhr sie ferner fort, »jedweder Verzug hierinnen aufs schmerzlichste, und wünsche sotane Liebesbeschleunigung aufs heftigste; ich muß aber hierbei die Geduld in etwas gelten lassen, welche mir billig diesen Einwurf tut: Ich würde mir, wenn ich bereits, da der väterliche Körper vor[260] wenig Tagen noch Blut geschwitzet, in das Brautbette steigen wollte, bei allem Volke einen Haß und von der Welt ein ungleiches Urteil verursachen. So beliebe denn, mein Augentrost, unsere heftige Liebe mit einiger Geduld zu bekrönen. Denn die Liebe ist von Natur feurig, drum soll man auch mit ihr wie mit dem Feuer behutsam umgehen.« – »Wer allezeit«, war die ungeduldige Gegenantwort, »in der glatten Welt seine Schritte nach der Schnur einrichten will, der darf nur das Gehen gar einstellen. Diese Furcht ist nur vergebens: denn alles, was gekrönten Häuptern beliebet, das haben die Götter erlaubet. Wer aber darf sich unterfangen, ihr Verfahren zu beurteilen.« – »Die ganze Welt siehet auf einen Fürsten«, redete ihm Banise ferner ein, »und schreibet man nur die Finsternissen der Sonnen auf, wenn man gleich die Verleschung gemeiner Lichter mit Stillschweigen übergehet.« – »Ach mein Engel!« hub der entflammte Chaumigrem an, »Verzug ist Höllenpein. Entweder ich muß sterben, oder mein Recht der Liebe an der unvergleichlichen Banise ausführen, und solches sollen auch die Geister der Höllen nicht hintertreiben können.« – »Eben diese Flammen«, antwortete die beängstigte Banise, »quälen mein Herze, und ich bin nicht weniger begierig, unsere Liebe vollkommen zu machen. Es gönne mir aber mein Herr und Schatz nur noch drei Tage Frist, worinnen ich mich recht fassen könne, sowohl dem Volke die wahre Beschaffenheit meiner Verheiratung gebührend beizubringen, als auch dieses hohe Glücke mit bedachtsamer Seelen und brennenden Herzen zu umfassen.« Diese so angenehme Worte besiegten endlich den verliebten Willen, daß er einwilligte, und sagte: »Ob zwar diese dreitägige Frist eine dreitägige Höllenqual verursachen wird, so will ich doch auch hierinnen dem Befehl meiner Göttin nachleben, und die unfehlbare Vergnügung alsdenn erwarten. Inmittelst lebe Sie bemühet, wie Sie alle unnötige Traurigkeit verbannen, und Ihren Ergebenen mit fröhlichen Armen und lachenden Lippen umfangen möge.« Worauf er mit einem Handkuß die Prinzessin und das Zimmer zu großer Freude des Prinzen verließ, welcher fast vor Verlangen sterben wollte, mit der Prinzessin gleiche Unterredung zu pflegen. »Ja, ja, vergnüge dich nur in Gedanken«, redete Banise ihm nach, »die Götter sollen dir statt meiner einen Schatten in die Arme gewähren. Ach aber, der kalte Schweiß befällt meine Glieder, wenn ich an die Kürze der Zeit und an die heftige Brunst des Tyrannen [261] gedenke. Ach Ponnedro«, redete sie den gleich eintretenden Ponnedro an, »in dreien Tagen muß ich sterben oder erlöset sein.« – »Nicht sterben, nicht sterben, gnädigste Prinzessin«, antwortete Ponnedro, »der Himmel kann oft in einem Augenblicke mehr gewähren, als man in vielen Jahren kaum gehoffet hat. Inmittelst wird es selbter nicht entgegenfallen, den beliebten Portugiesen einzulassen.« Welches sie von Herzen bewilligte, und Ponnedro den Prinzen hereinführte. Dieser fiel alsbald bei seinem Eintritt aus innigster Bewegung vor der Prinzessin nieder, ihre Hand zu küssen, welche sie ihm aber anfangs verweigerte, und nicht glauben wollte, daß dieses der verstellte Prinz sei. Endlich aber auf Zureden des Ponnedro und einige Versicherung des Prinzens, stellete sie ihnen Glauben bei, und ließ es geschehen, daß er ihre Hand mit tränenden Augen küssete, und sie also anredete: »Ach, innigst geliebteste Prinzessin! so soll ich Sie in solchem Zustande antreffen, welchen mein Herz längst mit blutigen Tränen beweinet, und mich gezwungen hat, aus herzlicher Liebe Szepter und Krone zu verlassen, und mich in diese geringe Tracht zu verbergen, um meine hohe Braut nicht allein zu sehen, sondern auch mit meinem Blute zu erlösen.« Er hätte ferner geredet, wenn ihn nicht des sämtlichen Frauenzimmers Ankunft aufzustehen, und seine Worte abzubrechen gezwungen hätte. Scandor redete alsbald mit veränderter Stimme die Ankommenden an, und ermahnete sie, ihnen abzukaufen: »Sehet da, schöne Fräule«, sagte er, und legte zugleich seinen Kram aus, »kaufet etwas von schönen frischen Waren, welche wir erst mit Leib- und Lebensgefahr aus Europa geholt, und solche gerne vornehmen Händen gönnen wollten. Diese Point d'Espagne kömmt von Paris aus Sachsen, und ist dermaßen wohl genäht, daß man Flöhe darinne fangen könnte. Sie kostet dreißig Dukaten, und wird um fünfzig gelassen.« – »Närrischer Mensch«, redete ihn die Fräulein von Anseda an, »man wird ja nicht mehr geben, als das Bieten fordert.« – »Überkluges Fräulein«, antwortete Scandor, »fünfzig Taler sind ja weniger als dreißig Dukaten.« – »Nein, wie gefällt Ihr Euch«, sagte sie und schwieg mit beschämten Wagen darauf stille. Scandor aber redete fort: »Sie gönnen uns Ihr Geld vor andern, und versichern sich, daß in ganz Pegu wir die besten Waren bei uns führen. Hier sind treffliche Saphire, womit man sich ein gehässiges Gemüte verbinden kann. Gnädiges Fräulein«, redete er die Prinzessin [262] von Saavady an: »Sie kaufen was davon, lassen Ihr Bildnis darein fassen, und geben es derjenigen Person, die Sie zu lieben gedenken: ich will die ganze Ware verloren haben, wo er Sie nicht dermaßen liebgewinnen wird, als Sie es fast selbst nicht zu tun vermöchten.« Die Prinzessin fand sich in etwas getroffen, dahero eine anmutige Röte ihre Stirn bezog, nachdem sie es aber vor eine ohngefähre Rede hielte, wollte sie sich dieses Anerbieten zunutze machen, und sagte: »Ich nehme den Ruhm Eurer Ware vor bekannt an, und verspreche Euch vor jedes Stücke tausend Dukaten, so sie diese Wirkung erreichen, daß mich derjenige, welchem ich sie geben werde, lieben müsse.« – »Ja gnädiges Fräulein!« antwortete Scandor, »was ich gesagt habe, das wird geschehen: Nämlich daß die geschenkten Saphire, nicht aber Dero Person, werden geliebet werden. Können Sie sich aber zugleich einige Gegenliebe damit erkaufen, so ist meine Ware desto ruhmswürdiger.« – »Das ist was Herziges«, antwortete das Fräulein, und überging alles übrige mit einem verbitterten Stillschweigen. Scandor aber redete noch ferner: »Schönes Frauenzimmer, Sie treten herzu, und kaufen, weil der Markt noch währet, denn solche Ware wird Ihnen gewiß nicht alle Tage vor Augen kommen. Sie wählen sich was aus, und versichern sich, daß ich ohne Geld mit mir handeln lasse.« Sobald er dieses gesagt, trat eine vorwitzige Dame aus dem Frauenzimmer hervor, und ergriff ein Paar Ohrgehenke, sagende: »Weil man hier ohne Geld handeln darf, so werden mir diese Ohrgehenke trefflich anständig sein.« Scandor aber nahm sie ihr mit diesen Worten wieder: »Bei dem Handel verlange ich freilich kein Geld. Allein ich befürchte, mein Fräulein möchte bei der Bezahlung, da ich alsdenn erst Geld haben muß, einen leeren Beutel haben.« Wodurch sie sich nicht wenig beleidiget fand, und sich wieder unter die andern verbarg. Endlich wollte auch die gelbe Eswara an dem Scandor zum Ritter werden, und die öftere Beschämung auf einmal rächen. Dannenhero nahm sie einen persianischen Teppicht zur Hand, besahe ihn und sprach: »Die Nummer ist von Ardebil, und das Gemachte von Pegu.« Scandor aber verursachte ein jählinges Stillschweigen bei ihr, als er ihr antwortete: »Sie hat recht, meine Frau, der Teppicht ist von Pegu, aber nicht aus Ihrem Zimmer, sonst hätten ihn die Hunde zerrissen.« Wie wunderlich sich die drei Farben schwarz, rot und gelbe vermischten, solches kunnte man in Eswara Gesichte bemerken, [263] als sie den Teppicht ganz sachte niederlegte, und sich nicht mehr sehen ließ. Hierdurch nun hatte sich Scandor fast alle verschlagen, daß sie ihn ganz allein stehen ließen. Doch er lockete sie ziemlich wieder herbei, als er sich rühmete, eine sonderbare europäische Schminke zu haben, womit alle verfallene Schönheit wieder zu bringen, ja das Alter fast zu verjüngern wäre. Hier wurde Scandor von allen außer der Prinzessin von Saavady, welche sich an eigner Schönheit vergnügen kunnte, und der Eswara, die sich aus Scham nicht wollte sehen lassen, gleichsam belagert. Scandor aber hielte sie eine lange Weile durch vieles Rühmen von dieser Schönheitssalbe auf. »Ja«, sagte er, »dieses herrliche Öl ist von so vortrefflicher Tugend, daß auch nur ein Tropfen davon nicht nur dem Gesichte seine Rosen, und den Händen ihre Lilien, sondern auch dem ganzen Leibe seinen befleckten Marmor wiederum ganz rein und zart ersetzen kann. Die finnichten Wangen, küpfernen Nasen und runzlichte Stirnen weiß es dermaßen zu verändern, daß sich die Schönheit selbst über ihr Ebenbild verwundern muß. Es reiniget alle triefende Augen, und so man es alle Abend drei Stunden vor der Sonnen Aufgang fein trocken in einem Löffel Wein einnimmt, so würde der hundertste schweren, diese Jungfer, oder Fräulein wollte ich sagen, hätte sein Tage keinen übelriechenden Atem gehabt. In summa, es ist das fünfte Wesen der Schönheit, und wer solches hat, der besitzet einen trefflichen Schatz.« Das sämtliche Frauenzimmer bat ihn hierauf mit den beweglichsten Worten, doch eine Einteilung zu machen, damit jedwede etliche Tropfen davon bekommen möchte. Ein Teil lief nach dem Geldbeutel, in Hoffnung, die andern zu übersetzen, damit sie den meisten Teil bekäme. Andere traten vor die Spiegel, und examinierten ihre Schönheit, welcher Ort des Angesichts der Schönheit am meisten benötiget wäre. Ja etliche baten gar den Scandor in geheim, dieses Öl ihnen doch nur allein zu gönnen: Denn sonst würde es ja keine Seltsamkeit nach sich ziehen, wenn jedwede mit einem glatten Spiegel aufgezogen käme. Endlich versammleten sie sich insgesamt wieder um den Scandor, und ermahneten ihn eifrigst, ihnen solches Öl zu zeigen, und vor ihr Geld zu überlassen. Als er aber ihren Eifer sahe, bat er sie, ihm zuvor diese wenige Frage zu beantworten: Ob dieses nicht eine unverantwortliche Sünde gegen die Götter, und eine große Torheit vor den Menschen wäre, wenn sich ein vorhin von dem Himmel mit Schönheit [264] sattsam begabtes Angesichte durch die Kunst noch schöner zu machen unterstünde, welches sie alle zugleich bejaheten. »Nun weiß ich«, fuhr er fort, »daß nicht eine von mir leiden würde, daß ich sie häßlich nennete, sondern jedwede wird sich eine eingebildete Schönheit beilegen, und sollte es auch der arme Spiegel entgelten, daß dessen falsches Glas das sonst wohlgebildete Gesichte verstellete. Nachdem Sie ja nun alle schöne sein, so begehen Sie, laut eigenen Geständnis, eine große Torheit und Sünde, daß Sie die Götter meistern, und sich verbessern wollen. Dannenhero Ihnen auch dieses Öl ein Überfluß sein würde.« Mit welchen Worten er wieder einzupacken begunnte. Das begierige Frauenzimmer aber rief ihm zu, er sollte ihnen nur das Öl verkaufen, sie müßten es freilich gestehen, daß sie das Armut der Schönheit sehr drückte, dahero sollte er ihrer Dürftigkeit mit dem Öl zustatten kommen. Scandor lachte, und sagte: »Hätte ich das, was Sie selbst bekennen, zuvor gesagt, ich glaube, man hätte mir einen gnädigen Staubbesen erteilet, da mir denn gewiß die Häßlichsten den ersten Streich geben sollen. Nun aber sage ich, daß es viel eine größere Narrheit ist, die Götter, welche uns durch häßliche Gestalt nicht allen Augen, wegen bewußter innerlichen Lüsternheit, wollen beliebt machen, zu trotzen, und das verstellete Wesen unserer Haut durch einige Kunst zu beschönen. So wenig ein Elefant auf dem Seile tanzen, und ein alt Weib ihre Haut wie eine Schlange abstreifen, und sich verjüngern kann: so wenig, ja so unmöglich ist es auch, daß ein greulich Gesichte schön gemacht werden könne. Es gehet zwar an, daß man die Haut müllermäßig bestreuet, und die Lippen nebst den Wangen mit roter Narrensalbe und Krebsscheren beschmieret: Allein zu dem, daß es nach wenigen Stunden verschwindet, und eine viel häßlichere Larve, als sie die Natur erfordert, darstellet: so ist es auch eine allzu augenscheinliche Sache, welche den Leuten gar zu leichte in die Augen und hernach nicht unbillig auf die Zunge fällt. Wäre also mein wohlgemeinter Rat, man behielte seine Gestalt, und dankete den Göttern, daß sie uns nicht blind oder schielende werden lassen: wohl erwägende, daß aus einem geschminkten Angesichte nichts Gewissers als ein falsches und lasterbegieriges Herze zu schließen sei. Was aber mein köstliches Schminköl anbelanget, so habe ich dessen Beschreibung in einem Buche, welches ich noch von meiner Großmutter Schwester Sohnstochter bekommen habe, gelesen: Sobald ich nun in Europa [265] komme, will ich fleißig darnach fragen, und durch dessen Überbringen Dero allerseitiges Vergnügen stillen.« Was vor Ehrentitul nun dem Scandor seine Haare einpuderten, das empfunden die geduldigen Ohren am besten. Diese hieß ihn einen Narren, jene einen Bärenhäuter, und die dritte wollte ihn gar ins Loch stecken lassen. Bis sich ihm endlich die Prinzessin von Saavady wiederum näherte, und einige Saphire an sich erhandelte. Währenden dieses wunderlichen Handels hatte sich die Prinzessin mit dem verstellten Prinzen in ihr innerstes Cabinet begeben unter dem Vorwand, ihm einige Diamanten zu zeigen, von deren Art er ihr noch unterschiedene schaffen sollte. Sobald sie solches betreten, und nicht mehr an des Prinzen Person zweifelte, redete sie ihn alsobald an: »Ach mein wertester Prinz! die Zeit ist kurz, und die Sache, wovon ich reden soll, ist wichtig: Derowegen ich denn nicht gesonnen bin, Ihn durch viel Versicherungen meiner sattsam bekannten Liebe aufzuhalten. Ich sage dies, daß ich durch verstelltes Liebkosen den Tyrannen auf drei Tage gezähmet, in welcher kurzen Zeit Er seine Banise retten oder sterben lassen muß. Er entdecke mir nur ungescheut, ob es möglich sei, meine Erlösung auf einige Art vorzunehmen. Hat Ihn aber das Verhängnis aller Mittel beraubet, mich Trostlose aus der Hand meines Verfolgers zu retten, so erlaube Er mir, daß ich hier vor seinen Augen mit desto größerm Mute sterbe, damit Er mein Zeuge meiner unbefleckten Liebe und beständigen Treue sein, und mir den Ruhm mit in das Grab geben müsse: Eine jede keusche Seele müsse mein Beispiel lieben.« – »Nein, schönste Prinzessin!« antwortete der Prinz, »es ist nicht nötig, den Stahl auf eigene Brust zu kehren: sondern viel besser, wenn solcher bei vorfallender Not zu Rettung Ihrer Ehren wider den Tyrannen gewendet würde. Jedoch wird dieses äußerste Mittel verhorffentlich nicht zu ergreifen sein, weil uns die Götter noch nicht allen Beistand versaget haben. Die Erlösung beruhet in der Flucht, und Ihr Glücke grünet in fremder Luft. Doch fürchte ich, es werde die rauhe Wüste Dero zarten Füßen sehr beschwerlich vorkommen, und die gewohnte Gemächligkeit wird sich einem schnellen Rosse nicht füglich anvertrauen lassen.« – »Ach schweige Er«, antwortete die halberfreute Prinzessin, »hier ist nicht nach dem Willen zu fragen, sondern es heißt: Ich muß. Ich folge, wo man mich hinführet. Ich will mit Ihm die verbrannten Mohren besuchen, ja auch die kalten Nordländer, wo sich die weißen [266] Bären aufhalten, nicht ausschlagen, denn sollte mich gleich der Himmel zu ihrer Kost versehen haben, so würde ich doch viel sanfter in Seiner Schoß sterben, als hier in verhaßtem Purpur leben.« – »Allerschönste Prinzessin! Treuste Seele!« versetzte der entzückte Prinz, »ist es wohl möglich, daß eine vollkommene Schönheit auch eine vollkommene Tugend beseelet. So wisse Sie denn, mein Engel! daß es nötig sein wird, sich auf einen starken Schlaftrunk gefaßt zu machen, welcher auf benennte Zeit des Feindes Brunst in einen harten Schlaf verwandeln kann. Dessen Kleidung kann so-denn das scharfsichtige Auge der Wache leicht betriegen: und wenn Sie die sogenannte Tigerpforte glücklich erreichet hat, so werden uns einige flüchtige Rosse aus dieser Gefahr entführen, und ein beglückter Ausgang wird unsere Mühe krönen. Diese saure Reise wird mich Ihr und Sie mir verbinden, die Not wird unser Stab und die Liebe unser Licht sein: bis wir die Grenzen von Ava erreichen, und alsdenn dem Tyrannen Trutz bieten können.« – »Wohl! Liebster Schatz«, erwiderte Banise, »ich nehme dieses schwere Werk willigst auf mich, und weil Behutsamkeit das meiste hiebei tun muß, so werde ich und Er solches mit dem Ponnedro noch fleißiger überlegen. Ich wünsche von Herzen, schon in der größten Wüsten zu sein. Adieu! Mein Engel! auf zwei Tage. Wir müssen anjetzo durch Eilen dem Verdachte vorkommen, und uns wieder denen andern beigesellen.« Worauf sie ihn küssende beurlaubte und gleichsam mit ihm handelnde wieder in das Zimmer trat. Als nun Scandor wieder eingepacket hatte, verließen die verliebten Portugiesen das Zimmer nebst der Burg, und begaben sich eilends nach des Talemons Schloß, allwo er dem Talemon alles entdeckte, was die letzte Abrede mit der Prinzessin gewesen, und wie eine schleunige Flucht das äußerste Mittel ihrer Erlösung wäre. Dannenhero als die Sache nochmals in Gegenwart des Ponnedro wohl überleget wurde, machte der Prinz alle Anstalt zu dieser flüchtigen Reise. Er kaufte sechs persianische Klepper, welche sich mit den Hirschen in einen Wettlauf einlassen dürfen: deren drei sollten vor der Tigerpforte zum ersten Aufsitze bereitstehen, die andern drei aber sollten vier Meilen von Pegu an einem gewissen Ort aufwarten, damit durch Abwechselung die Flucht beschleuniget würde. Was sonst hierzu nötig war, mußte Scandor fleißig herbeischaffen, die eingekauften Waren aber schenkte der Prinz der Hassanen und Lorangen, welche über [267] solche Freigebigkeit so bestürzt wurden, daß sie eine mündliche Danksagung zu tun unfähig waren.

Hierauf kam nun der von dem Chaumigrem längst erwünschte Tag, an welchem er sich feste einbildete, diejenige Vergnügung zu genießen, derer er sich einig und allein nur würdig schätzte. Es verdroß ihn nichts heftiger, als daß er nicht auch der Sonnen zu befehlen hatte, um ihr alsdenn zu gebieten, desto geschwinder zu laufen, und den Tag zu endigen. Ja er konnte nicht die hereinbrechende Finsternis erwarten, sonder seine Prinzessin zu sehen. Er verfügte sich in ihr Zimmer, und forschete, an welchem Orte sie das Tali verlangete. Weiln sie aber diese bramische Verknüpfung nicht ratsam dauchte, so wendete sie vor, eine engere Verbündnis ließe ihr Zustand noch nicht zu: inmittelst würde dennoch ihr Zimmer dem Kaiser offenstehen. Welches dem Chaumigrem um so viel angenehmer zu hören war, und mit heftiger Zwanggeduld die Nacht erwartete. Der Prinz säumete seines Ortes hingegen auch nicht, alle benötigte Anstalt zu machen, damit ja nichts in einem so wichtigen Werke versehen würde. Dies einige Hindernis wollte noch die Sache schwer machen, wie nämlich die Tigerpforte zu eröffnen sei. Hierzu fand sich nun die erwünschte Gelegenheit, daß die Braminen oder Priester, welche den Kaiser mit der Prinzessin verknüpfen sollen, nicht durch das Burgtor, sondern durch erwähnte Pforte sollten eingelassen werden: zu welchem Ende solche eröffnet ward.

Nachdem aber nach widrigem Entschluß solchen zurücke zu bleiben anbefohlen ward, wurde auch diese Pforte wieder zu schließen ins Vergessen gestellet: welches der Prinz als eine besondere Schickung der Götter aufnahm, und sich einen erwünschten Ausgang versprach. Sobald nun die Nacht durch ihre Schattendecke alle Sicherheit versprach, begab sich der Prinz sonder Verweilen mit den bestellten Pferden vor die Pforte, Chaumigrem hingegen bemühte sich, gleichfalls vor der Liebespforte anzuklopfen: Dannenhero er auch, sich ganz sicher schätzende, die Wachten zu vermindern gebot. Banise hatte indessen das in ganz Indien bekannte Kraut Dutroa 4 in Wein abgekocht, dasselbe als einen lieblichen [268] Trank zubereitet, und stellete solchen in einem güldenen Geschirre zum Dienste des Kaisers vor sich. Chaumigrem ging voller vergnügten Hoffnung dem Zimmer seiner Geliebten zu, welche er auch ziemlich wohlgemut vor sich fand. Sie stellete sich sehr freundlich an, und setzte ihn in solche Flamme, welche ihr fast schädlicher als ersprießlich hätte sein mögen. »Allerschönster Engel«, redete er sie an, »ist dieses die angenehmste Stunde, worinnen Ihr Glücke und meine Vergnügung blühen soll, so lasse Sie ja keinen Zeitblick vorbeigehen, in das Paradies der Wollust zu schreiten.« – »Weil es die Wunderhand«, antwortete sie, »der Götter also füget, mich dem kaiserlichen Willen zu unterwerfen, so werde ich gehorsamst folgen. Nachdem ich mir aber durch die Hand des Leibarztes einen Gesundheitstrank zubereiten lassen, welchen ich jetzt genießen, und auf dessen Gebrauch eine Stunde ruhen soll, so werden I.M. wohl erlauben, daß ich nur noch eine Stunde Zeit dessen Begehren unterbreche.« Der ungeduldige und vor Liebe fast blinde Chaumigrem ergriff sofort den Becher mit diesen Worten: »Die Gesundheit wird um ein großes befördert werden, so ich es selbst auf Dero Wohlergehen austrinke, und hingegen unserer Flamme keinen Aufschub gönne.« Worauf er diesen Trank begierigst in sich schüttete: auch sich sobald erheben, und die Rosen der Wollust suchen wollte: aber im Augenblick erreichte der Trank seine Würkung. Er sank wieder zurücke, lachte eine kurze Zeit, und geriet endlich in einen solchen tiefen Schlaf, daß er mehr tot als lebendig zu sein schiene. Die Prinzessin, solches ersehende, verließ eilend ihren Sitz, wickelte etwas von Kleinodien zusammen, zog dem unempfindlichen Liebhaber seinen langen Rock aus und sich an, setzte dessen Schlafbund auf, und vergaß nichts, was sie als den rechten Kaiser konnte vorstellig machen. Hierauf trat sie beherzt aus dem Zimmer, wiewohl sie das Angesichte möglichst verbarg. Die Wache tät ihr als dem Kaiser mit niedergeschlagenen Häuptern tiefe Ehrerbietung, welches sie an benötigter Aufmerksamkeit desto [269] mehr verhinderte: Sie aber ging mit langsamen Schritten nach dem kaiserlichen Zimmer. Sobald sie die Wache aus den Augen verlor, wendete sie sich nach einer kurzen Stiegen, welche sie auf eine lange Galerie leitete. Als sie diese ungehindert geendiget, führte sie der Weg zwischen etlichen Mauern gerade der Tigerpforten zu, welche zu erreichen, sie ihre Schritte verdoppelte, und ihren geliebten Prinzen fröhlichst vor derselben antraf. Der Prinz konnte sich vor Freuden nicht fassen, viel weniger einbilden, daß es seine werte Prinzessin wäre. Scandor aber ermahnte ihn, sich nicht zu säumen, viel weniger an ihrer Person zu zweifeln: sondern sollte sie nur angreifen, so würde er an ihrem Fleisch und Blute wohl fühlen, daß es kein Geist wäre. Dannenhero stieg sie selbst ohne weitläuftiges Reden frisch zu Pferde, und trat also im Namen der Götter die gefährliche Flucht mit Vergnügen an. Indessen reise nur hin, du vergnügtes doch unglückliches Paar, reise getrost! bilde dir aber nicht ein, daß die hurtigen Schenkel deiner Rosse schneller denn das Unglück sei, welches doch geschwinden Luchsen vorläuft. Ziehet hin, der Himmel begleite euch, und zeige euch die rechte Bahn: doch verfehlet nicht der rechten Straße. Indem nun der schlaftrunkene Chaumigrem die ganze Nacht in höchster Unempfindlichkeit zugebracht, und die Würkung des Krauts seine Endschaft erreichet hatte, begunnte er endlich bei hoher Sonnen die Augen aufzuschlagen. Er wußte aber noch nicht, ob er wachte oder noch träumte? Entkleidet sahe er sich, Banise hatte sich seinen Augen entzogen, eine allgemeine Stille nahm das Zimmer ein: ja er stellete sich gar einige Bezauberung vor. Endlich verließ er seinen Ruhplatz, hing einen Weiberrock um sich, und rufte auf die Wache: statt deren sich aber Ponnedro gehorsamst einstellte, und nach dessen Verlangen forschete. »Wo ist die Prinzessin?«, fragte er ganz bestürzt. »Deren Gegenwart«, antwortete Ponnedro, »wird I. Maj. sattsam empfunden haben.« – »Scherzet nicht, Ponnedro«, widerredete Chaumigrem, »sondern saget alsbald, wo die Zauberin sei.« – »I. Majest. haben mich heunte meiner Aufsicht überhoben«, versetzte Ponnedro, »und so folgbar auch fernerer Verantwortung. Ich habe sie I. Majest. in die Armen geliefert, vor das übrige werden Sie selbst gesorget haben.« – »Sie hat mich bezaubert«, fuhr der Kaiser fort, »und mich durch einen Trunk aller Sinnen beraubet. Auf! durchsuchet alle Zimmer, und verschonet auch das nahliegende Frauenzimmer nicht.« Allein, es war alles [270] Suchen vergebens, die Prinzessin irrete bereits in Wäldern herum. Die Wache berichtete, wie sie außer dem Kaiser niemand aus dem Zimmer gehen sehen, aus welchen Umständen er den Betrug zu merken begunnte: Endlich auch hieran gar nicht mehr zweifelte, als ihm die Eröffnung der Tigerpforte hinterbracht wurde. Hier verwandelte sich dessen Grimm in eine Raserei: »Blitz, Brand, Schwefel, Blei und hundert Henker sollen diese Schmach rächen«, rief er, ganz wütende in dem Gemach herumlaufende, »und ihr alle sollt es mit euren Hälsen bezahlen, daß ihr dieses Höllenkind entreißen lassen. O verfluchte Falschheit! o verdammte Arglist! ein schwaches Weibesbild darf sich erkühnen, einen so mächtigen Kaiser schimpflichst zu entkleiden, und indem er nach ihr greift, ihm den bloßen Schatten zu gewähren. O Rolim, Rolim! hätte Chaumigrem gefolget, so wäre der Kaiser unbeschimpfet blieben. Ach freilich kann ein schlimmer Stamm keine gute Zweige tragen: vermaledeiet sei die Hand, welche auch die Wurzel verschonet hat.«

Nach welchen Worten er halb bloß nach seinem Gemach lief, und in solcher Wut seinen Säbel holte, welchen auch sofort etliche von der Wacht tödlich empfinden mußten. Ponnedro hatte sich so weit unsichtbar gemachet, und also sollte das unschuldige Frauenzimmer die blutige Reihe treffen: welche sich aber aufs beste verriegelten, und also dem ersten Zorne entgingen: wiewohl hernach über fünfzig Weiber über die Klinge springen mußten. Als aber der Feldherr Martong, der Rolim, und einige andere hohe Personen sich einfunden, und den wütenden Chaumigrem möglichst besänftigten: befahl er alsobald, es sollten zweitausend der Bestberittenen aufsitzen, der flüchtigen Prinzessin nachsetzen, und sie tot oder lebendig liefern. Welcher aber ohne sie sich einiges Rückkehrens unterstehen würde, der sollte den Verlust seines Kopfes empfinden.

Wir wollen aber einen kleinen Vorsprung tun, und unseren verliebten Flüchtlingen in etwas nachgehen. Diese befunden sich nun in einem bekümmerten Zustande: indem die Dunkelheit der Nacht ihnen die Straße geraubet hatte: und da sie sich gegen den Morgen wenden sollen, waren sie gegen Mitternacht auf einen unbekannten Weg geraten. Als ihnen aber der anbrechende Morgenschimmer ihren Irrtum entdeckte, wendete sich zwar der Prinz der Morgenröte entgegen: allein hierdurch hatten sie sowohl den frischen Pferdewechsel [271] verfehlet als auch ihre Rosse bereits sehr abgemattet. Eine breite Straße führte sie in einen dicken Wald, welchen sie gleich aus vor sich nahmen: Und als sie fast den Mittag erreichet, siehe da befanden sie sich, zu ihrem höchsten Leidwesen, in dem bekannten Tigerholze, welches der Prinz aus dem Orte, wo er vorm Jahre den unglückseligen Xemindo vom Tode errettet, leicht bemerkete. »Wehe uns«, rief die Prinzessin, »die Götter haben noch was Großes über uns verhangen.« Welche Worte sie kaum geendiget hatte, so hörten sie die Menge der schallenden Waldhörner, gleichsam als ob sie ein Wild zu fangen ausgezogen wären. Der Prinz wählete sich sofort einen ungebahnten Weg, und befahl dem Scandor, mit der Prinzessin frisch nachzufolgen: Welches Scandor zwar aus allen Kräften zu tun sich bemühete, allein die Mattigkeit der Pferde wollte ihnen fast allen Dienst aufkündigen. »Ach Scandor«, rief die Prinzessin, »wir sind des Todes!« als sie bereits von fernen über zwanzig Reiter erblickte. Und damit ihr Unstern ja desto heller scheinen möchte, so stürzte zugleich der Prinzessin Pferd, dermaßen, daß sich Scandor nicht unbillig eines großen Schadens, welchen die Prinzessin möchte empfunden haben, besorgete. Der Prinz nichts anders meinende, denn sie folgeten ihm hurtig nach, eilete, so sehr sein Pferd vermochte, und sahe sich auch nicht einmal um, bis er sie ganz aus dem Gesichte verloren hatte. Unterdessen saß die erschrockene und trostlose Prinzessin auf den harten Baumwurzeln, und sahe ihre Verfolger von weitem sich herannähern. Scandor wußte sich auch nicht zu raten, dannenhero ließ er sein Pferd laufen, und setzte sich zur Prinzessin sagende: »Ich kann mir nicht weiterhelfen. Hier wollen wir sitzen bleiben, und uns vor zwei Hasen ausgeben: weil es nun im Gehege ist, so werden sie uns wohl ungebrühet lassen.« – »Ach scherzet nicht«, sagte die fast ohnmächtige Prinzessin, »sondern gebet mir Euren Säbel her, damit ich die geängstete Seele befreien, und dem Tyrannen nichts als einen blutigen Körper gewähren könne. Ach ich armseliges Kind, warum bin ich doch geboren worden, nachdem ich aus einem Unglück ins andere fallen, und doch den Tod nirgends finden soll. Mein Prinz hat mich verlassen, meinen Feind sehe ich vor Augen, alle Flucht ist mir benommen, und keine Seele nimmt sich meiner an. O daß doch mein Elend die stummen Bäume bewegen könnte, daß sie mich in ihre Gesellschaft aufnähmen, und augenblicks in einen [272] Lorbeerbaum, gleich der Daphne, verwandelten, so wollte ich mich selbst mit Lorbeerblättern krönen und über die Keuschheit triumphieren.«

Indessen waren die feindseligen Verfolger fast herbeigekommen, welche voller Freuden abstiegen, und sie sonder einiges Wortsprechen beiderseits gefangennahmen. Scandor hatte zwar schlechte Lust hierzu, und wollte die benötigte Ruhe vorschützen; allein eine stärkere Hand warf ihn mit Gewalt auf sein Pferd, und also wurde die höchst unglückselige Prinzessin zurücke und unter dem Zulauf vieler tausend Personen in Pegu eingeführet. Der eilfertige Prinz sahe sich endlich nach seiner folgenden Liebe um, und ersahe ihren Verlust mit höchstem Schrecken: Er wandte bald ein, und eilte seinem Hufschlage nach zurücke; allein, je weiter er sich rückwärts begab, je näher sahe er sich dem verhaßten Pegu, die Prinzessin aber zu erlangen, war eine Unmöglichkeit, weil sie bereits von tausend gewaffneten Händen umgeben war. Weil nun das Pferd sehr müde war, stieg er ab, band es an, und dursuchte zu Fuße das ganze Holz, ob er nicht dasjenige antreffen könnte, was er mit großer Sorgfalt bis hieher gebracht hatte. Er wendete seine Augen allenthalben umher, er gab durch Schreien und Pfeifen vielfältiges Bedeuten: allein ein trauriger Widerschall jagete Stimme und Hoffnung zurücke. Weil er auch niemand von den Verfolgern mehr verspürte, so schloß er schmerzlichst, sie müsse in ihre Raubklauen geraten sein. Hier wollte Verzweiflung und Großmut einen gefährlichen Wettstreit in seiner Seele antreten: »Wie, nachlässiger Balacin!« sagte er zu sich selbst, »ist wohl dieser schmerzliche Verlust jemand anders beizumessen, als dir? haben dir die Götter deswegen ein so wertes Kleinod überantwortet, daß du es aus deinen Augen lassen, und nur auf eigene Sicherheit bedacht sein solltest? o verfluchtes Schicksal! bin ich denn nur allein das Ziel, nach welchem das Unglückswetter alle seine Keile richtet? O verhaßtes Sonnenlicht, kunntest du uns nicht einen Teil deiner Strahlen diese Nacht verleihen, damit wir nicht auf diesen Irrweg und in solche Wehmut geraten dürfen? ach wehe mir! ich bin die einige Ursache, daß Banise verloren ist. Allein, sollte auch dein Arm so mächtig gewesen sein, deine Prinzessin aus der Hand so viel Jäger zu erretten? jedoch hättest du zu Bezeugung deiner wahren Liebe dein Blut vor ihren Augen aufopfern, und vor ihre Wohlfahrt sterben sollen. Was wäre ihr aber [273] mit meinem Tode gedienet gewesen, wenn sie hingegen im Leben dem Tyrannen in Armen und von aller Welt verlassen geblieben wäre. Auf derowegen mein Geist, und erkenne diese Verblendung vor eine Schickung der Götter, welche dein Leben vor die Prinzessin sparen wollen. Denn gewiß, lebendig hätten auch die Höllengeister sie nicht sollen aus meinen Armen reißen: nachdem ich mich aber in der Freiheit und in dem Zustande befinde, daß, wo kluge List fehlschläget, ich solche durch tapfere Gewalt ersetzen könne: so will ich keinen Augenblick säumen, die von dem Himmel geschenkten Szepter ergreifen, ganz Pegu mit Blut und Brand überschwemmen, und mich nicht eher versöhnen lassen, bis die himmlische Banise mit unbeflecktem Leibe und Gemüte meiner Macht überliefert wird. Die Götter stehen dir werteste Banise, indessen bei, verhindern des Tyrannen unkeusche Anschläge, und beschützen dein Leben!« Mit welchen Worten er sich wieder zu Pferde und nach dem Orte der geruheten Klepper begab, vermittelst derer er in möglichster Eil den geradesten Weg nach Ava fortsetzte. Wie wird aber die eines bessern Glückes würdige Banise in Pegu empfangen? Schlecht genung. Chaumigrem hatte indessen den Rolim nicht von sich kommen lassen, welchem forthin bessere Folge zu leisten, er sich gänzlich entschlossen. Sobald nun die Gefangenschaft der Prinzessin angekündiget ward, wurde er höchst erfreuet, und ersuchte den Rolim um treuen Rat, was er mit dieser flüchtigen Natter, wie er sie nennete, vornehmen sollte? »I.M. erfordern abermal«, antwortete der Rolim, »ein ungefärbtes Beiraten, welches vielleicht wiederum mit ungleichen Gnaden möchte angenommen werden. Ich trage zwar sonderbares Mitleiden mit Dessen entflammten Gemüte, welches das heftige Wesen der Liebe ganz eingenommen: jedoch sorge ich auch zugleich vor Ihr Heil. So schlagen I.M. doch dessen Rat nicht so gar in Wind, welchen die Erfahrung längst als redlich geprüfet hat: ja der auch seines Blutes vor Dero Wohlfahrt nicht schonen würde. Ich weiß mich zwar von allen großen Gütern arm, in diesem aber reich, daß niemals mein Herz das Gift der Wollust geschmecket habe. Denn die Liebe ist eine Phantasie und ungewisser Zweck. Es fühlet zwar ein jeder ihren ätnagleichen Brand, jedoch weiß sie keiner mit ihrem Namen recht zu nennen. Sie ist blind, und dennoch siehet sie schärfer als ein Luchs. Sie bauet ihren Thron in den Herzen, und ist doch ein unbegreifliches Wesen. Ich [274] weiß auch gar wohl, daß sich die Liebe durch Klugheit nicht binden lasse. Denn ein Vogel siehet den Leim, und die Mücke das Licht, dennoch läßt sich jener kirren, und diese verbrennet sich selber, das schnelle Rehe schauet das Garn, und der Schiffer kennet die Fahrt der ankerlosen See: Doch kann jenes das Sehen nicht klug, noch diesen die Gefahr verzagt machen. So rennet auch der, der da liebet, sichtbar in das Verderben, indem er nur zwei Hafen vor sich siehet, entweder die Wollust oder den Tod. Wie nun diesen zu meiden, jene allerdings zu fliehen ist, also sichere, daß nichts mehr schädlich, als die Wollust den Gemütern. Gegen die geharnischten Armeen darf sich unser Alter nicht so auf Gegenwehr gefaßt machen, als gegen die Wollust, welche, uns in ihr Garn zu locken, mit süßen Körnern streuet. Sie winket uns mit Engelaugen, und gewähret uns den Abgrund der Höllen. Wer nun sotane Wollust überwindet, der tut mehr, als wer seinen Feind in den Siegeswagen einspannet; indem Hercules eine weit größere Heldentat beginge, da er beim Scheidewege die Tugend erwählete, und die Wollust verließ, als er an Riesen, Schlangen und Löwen erwiesen hat. Nun diese Tugend müssen auch Ihr. Maj. erkiesen, wo Sie Ihren Namen dem Sonnenzirkel wollen einverleibet wissen. Eine Hand voll Ehre überwieget tausend Zentner Wollust. Sie lassen diese Schönheit durch den Tod verstellen, so wird die Vergessenheit eine erwünschte Ruhe wiederbringen. Denn es ist hohe Zeit, daß man den Tiger erwürge, wenn er die Klauen in unsere Kleider einsetzet, ehe er uns mit den Zähnen vollend zerfleische.« – »So sei es denn«, antwortete Chaumigrem, »lasset das schöne Untier eintreten, und den Todesspruch aus unserm Munde anhören.« Welches sobald erfolgete, und trat dies schöne Bild unter der unbarmherzigen Last eiserner Ketten nebst dem Scandor vor das grausame Gesichte des Kaisers. »Wie so flüchtig? Schöne Zauberin!« redete er sie mit verächtlichen Augen an. »Wie so grausam? Blutdurstiger Tyrann!« erwiderte die Prinzessin. »Ich verfluche meine Unbedachtsamkeit, daß ich nicht statt des unschädlichen Krauts Dutroa den stärkesten Gift in den Trank eingemischet habe, so hätte ich mich gerochen, und dürfte nicht diese sklavische Ketten tragen.« – »So hat die Schlange noch nicht ihr Gift verloren?« redete ihr Chaumigrem ein. »Lasset doch sehen, ob so ein heldenmütiges Herz die giftige Brust besitze. Die Todesqual soll diese Stimme bald verändern.« – »Dies eben such ich«, erwiderte die Prinzessin, [275] »denn du verfluchter Hund sollt wissen, daß ich dir zu Trutz mein Leben verachte. Reiche mir nur einen Dolch her, so sollstu sehen, wie beherzt mein Blut diese Ketten bespritzen soll.« – »Rasende Banise«, versetzte er, »so lässest du dich eine tadelhafte Verzweiflung dermaßen beherrschen, daß du die Gruft dem Throne und ein Henkerbeil dem Szepter, ja die grausamste Marter einer kaiserlichen Liebe vorzeuchst? Bedenke dich wohl, unbesonnene Prinzessin, und wisse, daß verschmähete Gunst Haß und Tod bringe.« – »Wohl!« antwortete Banise, »lasse nur deine zunftmäßige Gesellschaft, die Henkersbuben ankommen! lasse sie Pech und Schwefel herbringen, und siedendes Öl über den ganzen Leib fließen. Ja, du kannst zu deiner Lust selbst zugreifen, und mir das Mark aus den Beinen pressen, doch wisse, daß ich weit lieber geschmolzen Erz als deine Lippen küssen will.« – »Führet die rasende Seele beiseite«, befahl Chaumigrem, »und gönnet ihr wenige Stunden, wieder zu sich selbst zu kommen.« Sobald nun dieses geschehen, redete er den Rolim an: »Ich weiß nicht, ob dies zauberische Bild mich auf natürliche Art entzündet hat: Denn ob ich mir zwar die Beschleunigung ihres Todes auch durch meine Hand vorgenommen, so erstarrete doch mein Arm, und das Herze bebete, als ich nur einen Blick auf sie geworfen. Ihr steinhartes Herze und verbitterte Worte sollen mich wohl bewegen, auch die Unschuld selbst zu ermorden: allein auch unter den trüben Wolken ihres Gesichtes drang ein solcher Anmutsblitz in mein Herze, daß ich fast entgeistert schiene. Ach grausame Banise! welche ein arimaspischer Wolf mit Gift und Blute muß gesäuget haben. Ihr kaltes Herze muß auch das Eis aus Zembla übertreffen, weil mein heißes Bitten weder vormals, noch mein flammendes Begehren jetzund zu schmelzen vermochte. Ratet derowegen, treuester Rolim, ratet, wie der Kaiser zu retten, und seine brennende Unruhe zu stillen sei.« Diesen alten Greis, den Rolim, hatte nun, ich weiß nicht was vor eine heimliche Regung betroffen, daß, indem er die Banise noch niemals gesehen, viel weniger dero Schönheit in einige Betrachtung gezogen, er fast mit dem Kaiser in gleiches Fieber zu geraten schiene: Dannenhero er alle Gedanken ihres Todes vergaß, und bloß auf ihre Erhaltung bedacht war. »Weil denn I.M.«, antwortete er dem Chaumigrem, »sich so gar nicht getrauen den Fesseln der Liebe zu entgehen, ja bereits solchen Verlust dem Leben gleich achten: so will ich [276] mich auch hierinnen als ein treuer Diener erweisen, und mich bemühen, die verstockte Prinzessin durch mein Ansehen und Beredsamkeit so weit zu vermögen, daß sie endlich vernunftmäßig sich des Kaisers Liebe erwählet, und den eingewurzelten Haß durch eine beständige Liebe vertilgen lasse. Vergönnet's mir nur I.M. so getraue ich mir wohl, ihr die Liebespillen erwünscht einzubringen. Angesehen sie nur noch ein Kind ist, das noch in Schalen stecket, und ein Baum, auf welchem der Kützel noch nie geblühet hat. Ich aber will ihr schon durch süße Lehren die Knospen auftun.« – »Ach wertester Vater«, umarmete ihn Chaumigrem, »auf Euch beruhet das Heil meiner Seelen. Tut, was Ihr saget, und versichert Euch, wo Ihr diese Schöne besieget, so soll mir zwar Banise in Armen, der Rolim aber im Herzen liegen.« – »Ich wünsche«, sagte der Rolim hierauf, »so beglückt als mühsam zu sein.« Womit er zugleich sich nach dem Zimmer verfügte, worinnen die armselige Banise gefangen saß: sobald er aber solches betrat, befahl er im Namen des Kaisers, sie aller Ketten zu entledigen, worauf er die weinende Prinzessin anredete: »Schönste Prinzessin! sie hemme den Lauf Ihrer Tränen, und versichere sich, daß Sie, wenn Sie will, ein Paradies hier schmecken könne. Ich komme hier als eine Biene, welche Klee suchet, und vor ihren Kaiser sorget, dessen Mund so sehr nach Ihr lechzet. Der Blitz Ihrer Augen hat ihn entzündet, und ich sehe selbst, wie anmutig der Scharlach Ihren Mund und der Purpur Ihre Wangen decket. Hier brennet lebendiger Schnee, und dort quillt Zinnober: Und diese Schönheit ist würdig, einen Kaiser zu vergnügen.« – »Ehrwürdigster Vater«, erwiderte die Prinzessin, »ich betaure, daß Ihr mich mit blöden Augen ansehet: nachdem ich aber Eures hohen Verstandes sattsam vergewissert bin, so bitte ich wehmütigst, doch der gesunden Vernunft einigen Platz einzuräumen, und zu erwägen, ob es möglich sei, den Mörder der Seinigen, und den Räuber seines Vaterlandes mit verliebten Augen noch anzusehen. Wäre dieses nicht ein Zeichen höchster Leichtsinnigkeit, ja ein vollkommenes Merkmal eines lasterhaften und geilen Gemütes, wenn ich mich die Lippen, welche kurz zuvor das Todesurtel über meinen Vater ausgesprochen, küssen, und die Hand, welche noch von dem warmen Blute der lieben Meinigen rauchet, berühren ließe.« – »Es ist zwar wohl getan«, fiel ihr der Rolim in die Rede, »und höchstlöblich, den Tod der Seinigen zu betrauren, ja auch, wenn uns die Götter [277] die Gewalt verliehen, solchen aufs grausamste zu rächen. Wo aber dieses ermangelt, so sehen wir daraus, wie sich der Himmel die Rache selbst vorbehalten, und wir unvermögende Menschen uns indessen gebührend in die Zeit schicken sollen. Dieses ist eine Art der größten Klugheit, und würde sich hiedurch die Prinzessin einen Kranz ewigen Ruhmes winden: wenn sie allen Haß bei diesem unveränderlichen Zustande hintansetzte, und sich durch Einwilligung in des Kaisers verliebtes Begehren gleichsam in den väterlichen Thron einsetzte.« – »Wertster Rolim«, war der Prinzessin Gegenrede: »dieses ist eine Staats- aber keine Tugendregul. Mich würde ich zwar einigermaßen vergnügen, wo ja dies eine Vergnügung zu nennen ist, wenn uns jedweder Tritt ein blutiges Andenken der werten Eltern vorstellet: hingegen aber würde ich mir auch zugleich ein solches Schandmal bei allen Völkern anbrennen, welches meinen Ruhm verfinsterte, und meine Tugend begrübe, denn die Tugend kann uns nur vergöttern, und solange ich diese im Herzen fühle, ist mir Thron und Kron verhaßt.« – »Ja wenn uns auch«, bemühte sich der Rolim ferner, »außer diesem unsere Freiheit und Leben erlaubet würde, daß wir unser Leben in stiller Einsamkeit zubringen, und nicht vielmehr Marter und Tod, welches der Kaiser dräuet, ausstehen dürften.« – »Auch dieser«, versetzte Banise, »jaget mir keinen Schrecken ein, denn die Eigenschaft der Tugend gleicht den Palmen, welche durch die unterdrückende Last nur desto kräftiger werden. Sturm, Unglück und Herzeleid ist die beste Lust der Tugend, Angst ist ihre Mutter und Elend ihre Amme. Ja alle ihr Schmuck bestehet in Tränen, Blut und Asche. Es schneide und brenne der Tyranne, wie er will, so werde ich doch durch Stahl und Feuer so rein als Gold und Diamant werden.« – »Ich muß Ihren engelhohen Sinn rühmen«, erwiderte der Rolim, »und mich über Dero Standhaftigkeit verwundern. Allein je höher ich solches schätze und rühme: je größers Mitleiden muß ich mit Dero Untergang haben. Ihre Tugend muß ein Rolim loben, und Dero Schönheit ein Kaiser lieben: So erbarme Sie sich doch über sich selbst, und lösche nicht selbst die herrliche Fackel Ihres Lebens vor der Zeit aus. Sie beraube doch nicht ganz Asien einer solchen Schönheit, womit die übrigen Teile der Welt schwerlich prangen können. Sie rate sich selbst, und zähme den Löwen durch Sanftmut und Liebe.« – »Ach trautester Rolim«, antwortete sie mit entzückenden Gebärden,[278] »redet mir nicht ferner vergebens ein. Ich kann, ich soll, ich will den Chaumigrem nicht lieben: sondern wo ja mein Trutz büßen, und die Schuld meiner natürlichen Liebespflicht den Tod verdienet hat, so soll mein unentweiheter Leib mit Freuden die schärfesten Säbel färben. Wollet Ihr aber Euch, als ein Vater, über diejenige erbarmen, welche Euch vor des Kaisers Herze und ihren Engel hält, werdet Ihr, sage ich, nach Vermögen dem Kaiser die schwärmende Begierden vernünftig ausreden, so soll Euch mein Herze ewig verpflichtet sein, und der Himmel wird Euch vor solchen heiligen Dienst ewiges Heil zulegen.« – »Mein Kind«, hub der halbentzündete Rolim an, »dies ist eine Bitte, welche von der Unmöglichkeit besieget wird. Denn wer sich des Kaisers Brunst zu dämpfen unterstehen will, der geußt nur Öl ins Feuer und Wasser auf glühende Steine. Doch weil ich Ihre Wohlfahrt der meinen gleich schätze, so will ich tun, was mein Vermögen erlauben wird, ja ich will auch mit meiner Gefahr vor Sie handeln, und reden, was mir Beredsamkeit und List eingeben wird. Jedennoch stehet es nicht zu raten, daß man bloßerdings alle Liebe dem Kaiser versage, sondern ein so wichtiges Werk der Zeit anbefehle. Solche aber zu gewinnen, so wende man eine Gelübde vor, wie Sie nicht eher in des Kaisers Begehren einwilligen könne, sie haben denn den jämmerlichen Verlust der Ihrigen sechs Monat in dem Tempel Conqviay des Gottes der Tausend Götter, wo Ihres Vaters Gebeine ruhen, beweinet: So nun Ihr Wille meinem wohlmeinenden Rate beipflichtet, so eile ich, den Kaiser hierzu zu bereden.« Solches war der Prinzessin, welche aus keuscher Einfalt des alten Rolims Absehen nicht merkte, höchst angenehm: weil bei solchem Erfolg ihr Prinz Zeit und Raum bekäme, sie mit Gewalt zu erlösen: Der Tempel aber stund ihr so weit wohl an, weil sie in selbtem vor dem Kaiser wohl versichert war, indem solchen niemand außer dem Rolim betreten durfte. Inzwischen war dem Chaumigrem des Scandors Gesichte ziemlichermaßen bekannt vorgekommen: dannenhero er solchen in dem innern Burghofe vor sich bringen ließ, und ihn sobald vor den Scandor erkannte. »Siehe da!« redete er ihn an, »du sauberer Vogel deines Herrn! führet dich die Rache in unsere Gewalt! Entdecke alsobald, aus wessen Antrieb du diesen Menschenraub zu begehen dich unterstanden hast.« Scandor antwortete beherzt: »Ich bin ein Diener meines Herrn, dem nicht nachzugrübeln gebühret, ob der Befehl seines Herrn recht [279] oder unrecht sei. Ich gehorsame, und wenn er mir befohlen hätte, die Burg zu stürmen, so wäre ich mit der Nase wider die Mauer gelaufen, und hätte ich ein blutiges Zeichen meines Gehorsams sollen zurücke bringen.« – »So hat es dir dein Herr befohlen?« redete Chaumigrem weiter: »Wo ist aber derselbe?« – »Er ist heute«, antwortete Scandor, »auf der Post vorbeigegangen, und hat mich mit dem Felleisen zurücke gelassen.« – »Dein Prinz ist selbst zugegen gewesen?« fragte er ganz verwundernde, »und hat wohl selbst diesen Raub begehen helfen? Warum hat er uns aber nicht die Ehre seiner Gegenwart gönnen wollen?« fragte er ferner mit höhnischen Gebärden. »Weil der Postillion nicht warten wollte«, erwiderte Scandor; »er wird sich aber eine eigene Mühe machen, I. Maj. zu besuchen, welches in kurzem geschehen dürfte.« – »Indessen«, versetzte Chaumigrem, »sollst du vor der Stadt in freier Luft deines Herrn erwarten, indem wir dich dem Stricke anvertrauen wollen.« – »Von der Hand eines Kaisers zu sterben«, war Scandors Einrede, »achte ich vor eine große Ehre: und durch mich werden hernach auch die Raben von des Kaisers Gnade zeugen können.« Worauf ihn der Kaiser wieder an seinen Ort zu führen befahl.

Sobald Chaumigrem sein Zimmer betrat, wartete ihm der Rolim bereits auf, welchen er alsbald anredete: »Was bringt Ihr uns, mein Rolim, Vergnügung oder Pein?« – »Die Zeit kann alles ändern«, antwortete der Rolim, »ein Baum fällt nicht durch einen Schlag.« – »So lässet sich«, hub der Kaiser an, »das Felsenherze nicht bewegen, o Himmel! und schlägt sie des Kaisers Liebe trotzig in Wind?« – »Nein!« versetzte der Rolim, »sie rühmet diejenigen selig, welche einen solchen Kaiser zu lieben fähig sind.« – »So stößet sie denn«, fragte er ferner, »solche Seligkeit mit Füßen von sich: Ist das möglich, daß sich ein großer Fürst von einem schwachen Weibesbilde soll abhenkern lassen? Des Nachts lässet sich ihr zauberisch Bild im Traume umarmen: Des Tages knie ich als ein Sklave seufzende vor ihr, und dennoch kann ich durch solche Höllenpein nicht ihre Gunst erlangen. Soll ich denn nun ihrentwegen unvergnügt sterben?« – »Großmächtigster Kaiser«, bemühete sich der Rolim, ihm einzureden, »Holz, das bald Feuer fängt, hält nicht lange Kohlen. Der Hundsstern, welcher fast die halbe Welt durch Hitze verzehret, hat nicht lange Frist zu brennen. So hoffe ich auch, es werde Zeit, Witz und Vernunft den gählingen Seelenbrand in E. Maj. leschen. [280] Ich muß es selber gestehen: auch schlechte Blumen gefallen bisweilen Augen: Allein, wo ich urteilen kann, so stehet Banise dem Chaumigrem nicht an.« – »Ach leider!« seufzete der Trostlose, »dies ist kein Pflaster vor meine Wunden. Die Seife der Verachtung ist zu wenig, ihr Bildnis aus meinem Herzen zu tilgen. Wie mag Euch doch nun die Göttin verächtlich vorkommen, welche Euch zuvor durch den ersten Anblick zu einem Beifall meiner Liebe bewegen kunnte.« – Der Rolim erwiderte: »Des Menschen Vorwitz fällt bisweilen auf nichtswürdige Dinge: und ein geringes Licht, welches man zuerst ersiehet, kann unsere Augen verblenden. Nachdem ich aber ihre Schönheit etwas genauer betrachtet: so schwere ich, daß ihre Schönheit bei weitem nicht so vollkommen ist, als sie sich im ersten Anblick vorstellete. Die Augen sind zwar schöne, doch ohne Strahlen, welche ein Herz entzünden sollen. Ihre Lippen scheinen mehr von einer Einfalt als Anmut beseelet zu sein. Die Brüste sind zwar Schneeberge, jedoch ohne Flammen. Die Wangen sind mit einer unanständigen Röte beschränket, und ihre ganze Gestalt versichert uns, es wäre leicht eine größere Schönheit anderswo zu finden.« – »Ach schweiget, Rolim!« redete ihm der Kaiser ein, »denn auch dieses, was Ihr als Mängel aufsetzet, entzükket meine Augen am meisten: denn Ihr, als ein Feind der Wollust, wisset nicht von der Schönheit zu urteilen. Was vor ein grausames Verhängnis aber hat mir dieses Liebesgift eingeflößet, daß ich brennen und verbrennen muß? Auf derowegen! ich will erweisen, daß Zwang und Tod eine verachte Liebe begleiten.« – »Weil denn«, hielt ihn der Rolim auf, »I. Maj. außer ihrer Liebe zu sterben vermeinen: so habe ich mit gutem Vorbedacht anfangs ihre endliche Bewilligung verschweigen wollen. Nachdem aber keine andere Arznei als ihre Gegenhuld hier anschlagen will! so wisse I. Maj. daß sie sich nunmehr entschlossen, dem Verhängnisse, welches ihr selbst zuwider scheinet, nicht ferner zu widerstreben, sondern den Kaiser ihrer Liebe würdig zu schätzen. Sie verbannet allen Haß, und will den Kaiser als ihren Eheschatz willig küssen. Weil aber das bittere Andenken der ertöteten Freunde stete Wehmut in ihr kochet, und ihre verborgene Glut noch stets zurücke hält, so bittet sie um der Liebe willen, womit ihr der Kaiser zugetan zu sein vorgibet, ihr doch nur zu erlauben, daß sie der Natur und kindlichen Liebe gemäß die Ihrigen sechs Monat lang beweinen, und dann [281] hernach mit desto fähigerm Geiste Ihr. Maj. lieben und vergnügen könne.« – »Einfältiger Rolim«, stellete ihm Chaumigrem entgegen, »ist Euer Verstand zu wenig, den Sinn dieser Arglistigen zu erforschen? Könnet Ihr nicht merken, was vor einen Gift diese Schlange unter dieser sechsmonatlichen Trauerzeit verborgen hält? die uns in sechs Tagen hintergangen, und schimpflich betrogen hat, wird in sechs Monaten noch eine weit größere List bewerkstelligen, und die Klugheit selbst übermeistern können«. – »Nein! I.M.«, versetzte der Rolim, »diesen Argwohn uns allen zu benehmen, bittet sie um Erlaubnis, ihre Trauerzeit in dem mir anvertrauten Tempel des Gottes der Tausend Götter zuzubringen, aus welchem sie nicht eher, denn in des Kaisers Armen schreiten will. I.M. überlegen es wohl. Es ist ein billiges Begehren, wodurch ihr Gewissen befriediget, und der Kaiser vergnüget werden kann. Außer diesem ist sie gänzlich entschlossen, sich selbst durch den Tod eine ewige Trauerzeit und hierdurch I.M. eine stete Wehmut zu verschaffen.« – »Wer will sie aber mir«, fragte der besorgte Chaumigrem, »hernach in die Arme liefern? Oder wer will mich ihrer Liebe versichern, daß nicht ein abermaliger Betrug, welcher den ersten übertreffen möchte, darunter verborgen sei.« – »Derselbe Bürge«, antwortete der Rolim, »will ich sein. Der wohlverwahrte Tempel und die stete Einsamkeit verbietet ihr alle Flucht, und machet mich so kühne, daß ich verspreche, sie selbst in I.M. Bette zu liefern, und sie mit Segen zu belegen. Hierdurch werden I.M. erweisen, wie Sie mächtig genung sind, Ihre Begierden zu beherrschen, die Prinzessin aber wird dieses zu desto größerer Gegenliebe verbindlich machen.« – »So sei es denn«, entschloß sich der Kaiser, »Rolim, ich binde sie auf Eure Seele: und wisset, daß Ihr mir mit Eurer Heiligkeit und Leben davor haften sollet. Lasset sie aber alsobald in den Tempel begleiten, damit sie nicht durch frisches Anschauen das Feuer meines Verlangens noch heftiger entzünde. Ihren Mitgefangenen aber sei zu wahrer Bezeugung meiner gegen sie tragenden Huld zugleich die Freiheit geschenket.« Wie nun der erfreuete Rolim untertänigst im Namen der Prinzessin gedanket, verfügte er sich sobald zu der Prinzessin, hinterbrachte ihr seine beglückte Verrichtung, und führete sie mit ihrer Vergnügung in seinen Tempel, allwo sie in ein Zimmer, welches fast einer Kapellen ähnlichte, eingeleget, und ihr niemand als die Eswara zugegeben wurde. In dieser Zelle wollen wir sie [282] eine Zeitlang ihren elenden Zustand beweinen lassen, und inmittelst unser Gemüte nach Ava senden.

Scandor hatte seine Freiheit kaum erlanget, so verließ er Pegu, und eilte seinem Prinzen nach, welchen er zu Ava glücklich antraf, und durch die sechsmonatliche Frist vor die Prinzessin höchst erfreute. Weil ihm nun die Zeit sehr edel zu sein dauchte, und jedwede Stunde höher denn Gold schätzte: als berufte er in aller Eil den Reichsrat und vornehmsten des Reichs gen Hofe: welche, in Meinung ihren Prinz zu krönen, sich allerseits gehorsamst einstelleten. Sobald sie aber in einem großen Saal versammlet waren, hielt er in Person eine weitläuftige und wohlgesetzte Rede an sie, in welcher er ihnen die viel und unbillig zugefügte Schmach, so er von seinem Vater und so folgbar als ein Vertriebener an fremden Orten erdulden müssen, beweglichst vorstellete: Und wie er sich jedennoch eiferigst bemühet, den kindlichen Gehorsam jederzeit zu beobachten: Weswegen ihn auch die Götter gesegnet, daß er nicht allein die Krone von Ava aufsetzen, sondern auch den Thron von Aracan besteigen könnte. Weil er sich aber zu schwach, wo nicht zu untüchtig befände, zwei solche mächtige Völker zu beherrschen, welche beiderseits eine stete Gegenwart erfoderten: als wäre er mit ihrer allerseitiger Genehmhaltung gewilliget, sein Frl. Schwester, als eine ihres hohen Verstandes wegen, wohlbekannte Prinzessin, ihnen als Königin vorzustellen, indem Ava, als ein Erbreich gar wohl ein weibliches Oberhaupt erdulden könnte. Solches würde er nicht allein gnädigst zu erkennen wissen, sondern auch das Wahlreich Aracan dermaßen mit Ava verknüpfen, daß sie in stetem Wohlstande leben könnten, und sich vor keiner auswärtigen Gefahr fürchten dürften. Weil nun die Prinzessin durchgehends fast beliebt und in sonderbarer Hochachtung war, so baten sie um wenige Stunden Bedenkzeit, weil sich gleichwohl einige unruhige Köpfe da widersetzten: welches ihnen auch bewilliget ward. Nachdem aber die meisten Stimmen dem Prinz beifielen, so erfolgete endlich eine allgemeine Bewilligung, welche sie sofort dem Prinzen zu sonderbarer Vergnügung hinterbringen ließen. Der Prinz verfügte sich in der Prinzessin Gemach und bote ihr mit brüderlicher Inbrünstigkeit die Krone von Ava an, welche sich hierüber nicht wenig entsetzet, und sich kaum kunnte bereden lassen: daß ein Bruder auch mit Kronen so freigebig sein könnte. Als er aber sie völlig bedeutete, sie auch durch einige Abgeordnete von [283] den Reichsständen zur Krone ersuchet ward: wußte sie sich nicht dankbar gnug gegen dem Prinzen anzustellen. Folgenden Morgen wurde ein hohes Gerüste auf dem Marktplatz aufgerichtet, welches mit golddurchwürkten Teppichten häufig behänget war. Auf diesem lag die Krone unter einem Himmel auf einem Tische. Um neun Uhr kam der Prinz, führete die Prinzessin bei der Hand, und wurde von allen Großen des Hofes und Reiches wie auch vielem Frauenzimmer begleitet. Sobald sie das Gerüste erreichet und bestiegen hatten, fragte der Prinz die gesamten Reichsstände zu dreien Malen, ob sie zufrieden wären, daß die Prinzessin Higvanama als ihre Erbkönigin gekrönet würde. Als nun hierauf ein überall schallendes Ja erfolgte: nahm der Prinz die Krone mit eigner Hand, und setzte sie der Prinzessin mit diesen Worten auf: »So setze ich dir denn, werteste Schwester, die Krone von Ava im Namen der Götter auf: Und zwar erstlich als ein Königliches Regierungszeichen, welches Sie jederzeit Ihres hohen Amtes erinnern: Vors andere als ein brüderliches Liebeszeichen, wobei sie jederzeit ihres treuergebensten Bruders gedenken soll.« Als nun alle übliche Krönungsgebräuche dabei vorgegangen: erhub sich ein ungemeines Freudengeschrei unter dem ganzen Volke, und wurden drei Tage hierauf in höchsten Freuden gefeiert. Sobald auch der Prinz alles in gute Ordnung und Verfassung seiner Fräulein Schwester zum besten gesetzet, verließ er stillschweigende Ava, und begab sich nach Aracan, allwo er mit unsäglichen Frohlocken des sämtlichen Volkes empfangen ward: als welches vorlängst nach einem rechtmäßigen Könige geseufzet: weil es der schweren Regierungsart einiger Reichsräte ganz überdrüssig war.

Sobald er nun von den anwesenden Reichsräten und sämtlichen Volke gebührend empfangen worden: begab er sich sofort nach der königlichen Burg. Und nachdem der Vortrag wegen Annehmung der Krone geschehen: wurde solches von dem Prinzen gnädigst und willigst angenommen: dannenhero gleichfalls nach wenig Tagen zur Krönung geschritten wurde, zu welcher alle Untertanen des Reichs, sowohl Männer als Weiber, welche über sechzehn Jahre waren, erscheinen mußten. Da man denn das Volk zu Wasser und Lande häufig herzukommen sahe. Alle Großen erschienen in ihrem prächtigsten Habit, mit köstlichen Schiffen, Dienern und Sklaven so, daß die Menge nicht zu zählen war. Als nun der Tag der Krönung[284] endlich erschienen, sahe man vor dem königlichen Schlosse, welches mitten in der Stadt liegt, alle Plätze gekehret und geschmücket und mit hocherhabenen Schaubühnen gezieret. Eine große Menge Soldaten stunden im Gewehre, um alle Unordnung zu verhindern, damit der König von allen möchte gesehen werden. Endlich kam Se. Königl. Maj. unter dem Schalle der Trompeten, Schalmeien, Pauken und Trommeln aus seinem Palast auf einem weißen Elefanten geritten, bekleidet mit den köstlichsten asiatischen Kleidern, mit Perlen, Kleinodien und unschätzbaren Edelgesteinen gezieret. Seinen Türkischen Bund überdeckete eine königliche Krone, welches seine Majestät prächtig vermehrete. Er saß in einem Gezelte, welches auf den Rücken des Elefanten erbauet war: auf dessen Genicke ein aracanischer Edelmann saß, welcher die ungeheuere Bestie regierte. Dieser Elefant war mit köstlichen und gestickten Decken behangen, und ging abgerichtetermaßen mit langsamen Schritten fort: damit er dieses großen Königes Ehre und Herrlichkeit an diesem Tage vergrößern möchte. Über dem Haupte des Königes wurde durch einige Edelleute ein überaus kostbarer Sonnenschirm getragen: Viel ansehnliche Staatsleute aber, nebst einigen aracanischen Helden gingen mit ihren Waffen zu Fuße um den König. Worauf ein vornehmer Mohrenprinz nebst dem größten Sicken 5 des Reichs auf einem köstlich gezierten Elefanten mit vielen Dienern und Trabanten folgeten. Nach diesem ritten Mann für Mann, alle hohe Personen des Königreichs ordentlich nacheinander auf Elefanten, und wurden gleichfalls von Spielleuten, Dienern und Beiläufern begleitet. Niemals hat man eine größere Pracht an Kleidern, Gold, Silber und Edelgesteinen als zu der Zeit gesehen, ja meine Feder ist zu schwach, diesen majestätischen und unvergleichlichen königlichen Aufzug der Gebühr nach zu beschreiben. Hier sahe man Säbel, Hellebarden, Lanzen, Pfeile, Bogen, Assagyen und dergleichen Gewehr in unbeschreiblicher Menge. Die Sonnenschirme, Fahnen und Wimpel, wodurch der Aufzug herrlicher gemacht ward, nebst den musikalischen Instrumenten waren unzählbar. Die aracanischen Talpooys oder Priester nebst den Musikanten schlossen den Reihen. Die Mauern des königlichen Palasts, Märkte und Straßen nach dem Schlosse zu sahe man an beiden Seiten mit tapfern Soldaten, in Lieberey und in weiße Baumwollen-Leinwand gekleidet, [285] mit bloßen Säbeln, Picken und Assagyen in den Händen, besetzet, damit der königliche Aufzug ohne verhinderliche Unordnung geendiget werden möchte. Auf solche Weise zog der König durch alle fürnehme Straßen und Plätze der großen Hauptstadt Aracan, so, daß er von viel tausend Menschen zugleich könnte gesehen werden. Worauf er auf einer mit Golde fast bedeckten Bühne die Krone empfing, und ihm von den Untertanen der Eid der Treue abgeleget wurde, welches von allen Ecken mit großem Frohlocken und vermischtem Geschrei geschahe. Als dieses verrichtet, wurden unter dem Klange der Pfeifen, Trompeten und Pauken alle Stücke auf den Stadt- und Schloßmauren gelöset: zugleich sahe man allerhand Kunst- und Freudenfeuer, worinnen die Aracaner alle ostindische Völker übertreffen, angezündet und in die Luft fliegen: welcher Aufzug endlich mit abermaliger Lösung der Stücken geendiget wurde. Diese Krönung war kaum geendiget, so bemühte er sich, wie in Ava, alle Unordnungen genau zu untersuchen und abzuschaffen, die gekränkten Gesetze zu verbessern, und durch Erlassung der schweren Anlagen sich die Gemüter des Volks zu verbinden. Bevoraus hub er die zwei harten Gewohnheiten der regierenden Könige gänzlich auf: kraft deren sich ein König nur alle fünf Jahr einmal von seinen Untertanen durfte sehen lassen: ingleichen, daß er seine Schwester ehligen mußte: Ursache, weil Adams Sohn auch seine Schwester zum Weibe genommen habe. Und nachdem auch die heilsame Vorsorge rühmlichst vollbracht worden, schrieb er eine allgemeine Zusammenkunft der Reichsstände aus. Als nun diese häufig gehorsamst erschienen, und begierig waren, ihres neuen Königs und Herrn Ansinnen zu erfahren, ließ er sie alle in den vördern Schloßplatz zusammenkommen: der König aber stellete sich an einen etwas erhabenen Ort, von welchem er wohl kunnte gesehen und gehöret werden, und redete sie folgendergestalt an: »Getreueste Reichs-Sassen: Wie Wir Eure sonderbare Zuneigung aus der an Uns vollzogenen Wahl sattsam erkennet haben: Also versprechen Wir Uns zuversichtlich eine durchgehende reine Treu und untertänigen Gehorsam von euch: Versichern Uns auch zugleich dabei, daß ihr, wie es getreuen Untertanen gebühret, vor die Wohlfahrt eures Oberherrn und dessen Schmach zu rächen, euer Gut und Blut nicht verschonen würdet: welches Wir jederzeit gnädigst zu erkennen, und gleiches von euch zu leisten wissen werden. In solcher Zuversicht können[286] Wir euch nicht bergen, was maßen annoch bei Leben Unsers Herrn Vaters, mildesten Andenkens, Wir nicht allein von dem damaligen Grafen Chaumigrem, jetzigen Tyrannen von Pegu, zu unterschiedenen Malen empfindlichst beleidigt, ja von Unserm väterlichen Hofe gar verjaget worden: sondern auch, wie Wir Uns mit des großmächtigen Kaisers Xemindo in Pegu Fräulein Tochter, der Prinzessin Banise würklich verlobet haben: welche, als eine Uns rechtmäßig versprochene Braut, erwähnter Tyrann, aus unkeuschen Trieb, zurücke hält, und sich des ganzen Reichs Pegu, dessen Krone Wir Uns nunmehro vermittelst dieser hohen Heirat anzumaßen haben, gewaltsamerweise bemächtiget hat. Wir wollen dieses zu eurer reifern Erwägung überlassen, wie nötig es sei, nach dem bekannten Sprichworte beizeiten zu löschen, wenn des Nachbars Haus brennet. Denn dieser herrschsüchtige Tyrann will nach einer allgemeinen Monarchie über ganz Asien streben, und wird so folgbar nicht unterlassen, auch dieses Reich mit seinen Raubklauen anzutasten. Weil nun dieses alles solche dringende Beweg-Ursachen sind, welche nicht sowohl zu Beschirm- als würklicher Bekriegung dieses allgemeinen Feindes zwingende Anleitung geben: Als fragen Wir euch, tapfere Aracaner! ob ihr den Angriff eines so mächtigen Feindes mit lässigen Händen erwarten, euch beraubet, eure Weiber geschändet und die Kinder vor euren Augen denen Elefanten zur Speise hingeworfen sehen: oder solchem vielmehr tapfermutig vorkommen, und den Feind in seinem eignen Lager aufsuchen wollet. Begehret ihr nun die Früchte des edlen Friedens vollkommen zu genießen, so könnet ihr euch deren nicht anders als durch eine Tapferkeit, welche im Kriege blühet, teilhaftig machen. Denn um des Friedens willen wird das Schwert geführet, und ein öffentlicher Krieg ist besser als ein besorglicher Frieden, ja ein verdächtig- und mächtiger Nachbar ist schlimmer als ein offenbarer Feind. Wie Wir Uns aber wohl zu bescheiden wissen, was vor eine schwere Sache um den Anfang eines Krieges, und wie solcher zwar in der Menschen, der Ausgang aber desselben in der Götter Händen sei: So haben Wir solches mit gutem Vorbedacht und reifer Überlegung, zuförderst mit Zuziehung derjenigen, welche ihr Vaterland und Ehre höher, als sich selbst lieben, vornehmen, und euch hieherbescheiden wollen: Sowohl Uns eures getreuen Beistandes zu versichern, als auch euren Rat, wie und auf was Weise solche schwere Sache anzufangen, mit gnädigen [287] Ohren anzuhören.« Wie nun eine stündige Unterredung der Sicken und des sämtlichen Adels wegen dieser Wichtigkeit gehalten worden, antwortete im Namen ihrer aller Ko-rangerim, ein Vetter des vorigen Königes und vornehmste Fürst unter den Reichsständen.

»Großmächtigster König von Aracan, Tipara, Chacomas, Jangoma, und Bengalen, Herr von Pegu! Wir in tiefster Untertänigkeit treuergebenste Stände und Untertanen dieses Reichs, statten gegen Ew. Königl. Majest. demütigst-gehorsamsten Dank ab, nicht sowohl vor die bereits gnädigst erwiesene reichsväterliche Vorsorge in Erhalt- und Verbesserung unserer Grundgesetze und dahersprossenden heiligen Gerechtigkeit: sondern auch vor itztermeldte höchst-rühmliche Sorgfalt, dieses unser wertes Vaterland vor den Mordklauen unsers verdächtigen Nachbars mächtigst zu beschirmen: auch das Reich Pegu, welches die Götter nebst dessen Prinzessin Ewr. Maj. von Rechts wegen gewidmet, mit dieser Krone zu vereinbaren. Wann wir nun denn wohl wissen, und mit gellenden Ohren die Grausamkeit des wütenden Chau-migrems gehöret, wie er Brama mit Aufruhr behauptet, Martabane geschleifet, Pegu verwüstet, Prom zerstöret, und wie gewisse Zeitung einläuft, seine unrechtsvolle Faust auch nach Siam ausgestrecket: so erinnern wir uns zugleich unserer untertänigen Pflicht und Gehorsam, womit wir in aller Treue I. Maj. verbunden: Kraft dessen wir Gut und Blut, Leib und Leben vor Dero hohe Wohlfahrt und unser liebes Vaterland aufsetzen sollen. Weil aber nach I. Maj. eigenen Geständnis ein Krieg von uns angefangen, nicht aber nach Willen geendiget werden kann, und derjenige, welcher den Harnisch anlegt, sich so wenig rühmen soll, als der, welcher ihn ablegt: so tun I.M. höchst-löblich, daß Sie nächst den Göttern auch Ihre getreuste Stände zu Rate ziehen wollen. Wie nun diese solches nochmals mit untertänigsten Danke erkennen: also sind sie bereit, vor I. Maj. und ihres lieben Vaterlandes Wohlfahrt ihr Äußerstes dranzusetzen, und ihren Säbel nicht anders, als nach erlangten Siegen, mit Ruhm und Ehren wieder einzustecken. Bitten aber zugleich in Untertänigkeit, Ihren treugemeinten Rat so weit gelten und Dero Waffen desto gerechter zu machen, durch eine ansehnliche Gesandtschaft sowohl die Prinzessin als Dero Erbreich Pegu in höflicher Güte abfordern zu lassen. Will solches alsdenn der Tyrann abschlagen, und uns durch solche unrechtmäßige Verweigerung [288] ein billiges Nachdenken verursachen, so heben wir das Recht auf und den Säbel an unserer Seiten, welcher alsdenn den mächtigen König von Aracan und den von Brama tapfer entscheiden soll.«

Solches rühmliche Entschließen vergnügte den König dermaßen, daß er nicht unterlassen konnte, mit freimütigen Worten ihre treue Tapferkeit öffentlich zu erheben, und sie höchster Gnade zu versichern. »Und wie Wir Uns«, beschloß er, »eurer wohlbedächtigtes Einraten gnädigst gefallen lassen: so übergeben Wir euch zu fernerem Bedenken, wie notwendig es sei, die Waffen zu ergreifen, ehe noch der Krieg angefangen wird. Dahero es sehr nötig sein wird, sich in volle Verfassung zu setzen, damit im Fall der Weigerung durch diese Gesandtschaft der Krieg zugleich angekündigt, und sofort der Feind in seinem Lande angegriffen werde«, welches ingleichen von den gesamten Ständen beliebet, und ein gewisser Ausschuß erwählet wurde: durch welche die Art und Weise, Geld, Volk, Lebens- und alle zum Kriege gehörige Mittel sollten herbei- und angeschaffet werden.

Als nun dieses alles zu des Königs höchster Vergnügung ausgeschlagen war, und er sich in eigner hoher Person vor solche treue Zuneigung bedanket hatte, fragte er sie insgesamt nochmals mit diesen Worten: »So ist es, getreuste und tapfere Aracaner, eure ernstliche Meinung, euch bei erfolgender Weigerung als Feinde des Chaumigrems zu erklären?« Worauf der sämtliche Adel ihre Säbel entblößten, und mit einmütiger Stimme: »Es lebe unser großmächtigster König Balacin, und alle seine Feinde müssen durch diese Säbel sterben!« ihre Einwilligung bezeugeten.

Folgende Tage wurde mit lauter Kriegs-Bereitschaften zugebracht, und auf alle Plätze der Stadt rote Blutfahnen ausgestecket. Der König selbst versäumte niemals persönlich dem Kriegsrate beizuwohnen: und wurden vor allen Dingen die Gesandten erwählet, welche nach Pegu gehen, und selbiges Reich nebst der Prinzessin von des Chaumigrems Händen fodern, widrigenfalls ihm sobald den Krieg ankündigen sollten. Zu welcher schweren Verrichtung vorerwähnter Korangerim erwählet, und ihm Karangeri, der dritte Reichsrat, zugegeben wurde. Welche sofort ihre Abfertigung erhielten, und den Chaumigrem vor der belagerten Stadt Odia suchen mußten: woselbst wir sie bald anzutreffen vermeinen.

[289] Inmittelst versicherte sich der König der Portugiesen, welche sich in Aracan wohnhaftig gemacht, als deren Tapferkeit ihm wohl bewußt. Ingleichen wurde in höchster Eil eine unsägliche Menge Pferde aus Pegu und Bengala verschrieben, weil deren fast keine in Aracan zu finden sein. Die Elefanten wurden gerüstet, die Völker zusammengezogen, und um ein großes vermehret, und, in summa, nichts unterlassen, was zu einem weit aussehenden Kriege wider einen mächtigen Feind nötig war.

Wir verlassen auf kurze Zeit das waffenbemühete Aracan, und schicken die Feder nach Pegu, welches gleichfalls mit seinem Kaiser auch die friedensvolle Zeiten verloren hatte. Denn, wie herrschsüchtige Gemüter von keiner Vergnügung wissen: indem ihre Begierden sich keine gewisse Grenzen vorschreiben lassen, und dahero wie der Krebs stets weiter um sich fressen: also war auch Chaumigrem noch nicht vergnügt, daß er aus einem dürftigen Grafen ein gekrönter Kaiser worden, sondern ganz Pegu war dem weiten Rachen seines Landhungers kaum ein Frühstücke. Dahero er ein lüsternes Auge auf seine Nachbarschaft herum warf, und Siam zum ersten Bissen erwählete unter dem Vorwand politischer Betrachtung, daß die Menge seiner Soldaten immerdar in der Übung zu halten wären, damit ihre Tapferkeit nicht verwelke, oder der Müßiggang ihnen Anlaß zu einiger Aufruhr gebe. Diesemnach ersonne er eine bequeme Gelegenheit, unter dem Schein einigen Rechtens den König von Siam zu bekriegen. Es ließen sich nämlich unterschiedene Könige in Asien damals Herren des Weißen Elefanten schelten, als nämlich der König von Bengala, Ava, Aracan, Siam und auch Pegu. Der Besitzer aber des weißen Elefantens war damals König Higvero in Siam, welcher sich dieses Tituls allein mit Recht anmaßen kunnte. Solchen aber, als ein Zeichen höchster Gewalt, wollte ihm Chaumigrem nicht verstatten: sondern unterstund sich wohl gar, durch eine uralte, doch falsche Zeitrechnung das Reich Siam als ein lehnbares Stücke von Pegu anzugeben. Dannenhero sendete er sofort eine unansehnliche Gesandtschaft nach Siam ab, und begehrte von dem Könige Higvero, nicht sowohl ihm alsbald den weißen Elefanten auszuhändigen und zu überschicken, sondern auch sich als ein Vasall von Pegu mit Lehnspflichten einzustellen. Wie ungereimt und höchst unbillig solches Anfordern dem Könige in Siam nun vorkam, so fertigte er doch diese schlechte Gesandten mit einer[290] abschlägigen, doch ganz höflich- und wohlgegründeten Antwort wiederum ab.

Nach welcher Verweigerung sich Chaumigrem sattsam berechtiget erachtete, Siam mit Gewalt zu bekriegen und sich unterwürfig zu machen. Dahero er denn eine entsetzliche Macht von zwölfmal 6 hunderttausend Mann in kurzer Zeit zusammenbrachte. Solche bestunden nun aus zweimal hunderttausend zu Pferde, die übrigen aber alle zu Fuße, welche in drei Teile gesondert waren. Die ersten, in hundertundfunfzigtausend stark, waren mit Musketen, welche so gut als in Europa, versehen: zweimal hunderttausend trugen Lanzen von vollen und starken Rohren, welche oben mit einem spitzigen Eisen beschlagen waren: Die übrigen führten nur Schild und Schwert: Solche Schwerter waren dreiviertel Ellen lang, ein Querhand breit und ohne Spitzen, das Gefäß gleichete denen Cortelassen, und schnitten nur auf einer Seiten, die Schilde aber waren drei Hände breit und sechse lang, von gedoppeltem Leder gemacht, und mit einer hellen und schwarzen Mixtur, Archiran genannt, gehärtet. Von welcher Materie auch ihre Sturmhüte, welche allerdings den europäischen gleichen, gemacht waren. Das Geschütz ließ er meistens zurücke, weil er einen sonderlichen Abgang an hierzu geschickten Personen verspürte, indem er sich die Portugiesen durch Verhinderung ihres Handels ganz abspenstig gemacht hatte. Dahero nur hundertundzwanzig groß- und kleine Stücke mitzugeben befehligt waren, welche von großen lichtblauen und an Größe den Elefanten fast gleichenden Büffeln gezogen worden. Solche vertraute er etlichen gewissen Mohren von Bendala, welchen doch als Fremden wenig zu trauen war. An denen Elefanten vermerkte er den größten Mangel, weil ihm die meisten und streitbarsten vor Prom in dem verzweifelten Ausfalle draufgangen waren, also, daß er deren nicht mehr denn achthundert Stücke kunnte mit zu Felde nehmen. Weil er aber künftig deren mehr benötiget zu sein erachtete, als stellete er noch vor dem Aufbruche eine große Elefantenjagd an, wobei alle Feldherrn und Kriegsobersten der ganzen Armee erscheinen mußten. Diese Jagd aber war folgendergestalt angestellet:

In der neuen Stadt Pegu war auf einem geraumen Platze bei dem Tor ein weiter Schranken, mit starken hölzernen Säulen eingefasset, zwischen welchen ein Mensch den Elefanten [291] leicht entwischen, nicht aber von ihm verfolgt werden kunnte. Hierauf wurden zweihundert Elefantenweiblein, welche zu dieser Jagd abgerichtet, und auch das Anreden verstunden, herausgeführet, und in einen großen Wald welcher drei Meilen von Pegu gelegen und mit wilden Elefanten gleichsam besetzet ist, gelassen. Diese Weiblein wurden zuvor an gewissen Orten mit einem besondern Öl bestrichen, welches durch starken Geruch die wilden an sich zu locken pfleget. Sobald nun die Elefanten durch solches Öl zur Begierde gereizet waren, begunnten sie sich häufig denen Weiblein zu nähern. Diese aber, als schon abgerichtet, wichen gleichsam vor ihnen der Stadt zu, da jene in solcher Brunst als blind folgeten, und keinen Menschen scheueten, ob selbte gleich haufenweise die Weiblein anmahneten, was sie tun sollten. Nachdem sich indessen die Elefanten vermehreten, und jedwedes Weiblein einen Begleiter hatte, wurde dem Volke eine Zeichen mit Jagdhörnern gegeben, sich zurücke zu halten, um die Elefanten an ihrer Heimführung nicht zu hindern. Als die wilden Elefanten an das Tor gelangeten, begunnten sie alle zu stutzen: gleichsam als wenn sie es zuvor überlegen wollten, ob es ratsam sei, daß sie ferner folgeten. Endlich aber ließen sie sich doch ihre Begierden verleiten, und gingen in Hoffnung, wohl wieder einen Ausgang zu finden, mit langsamen Schritten bis in die verschlossenen Schranken hinten nach. Wie sie nun sämtlich in den Schranken waren, wurden die Gatter durch darzu verordnete Leute hinter ihnen niedergelassen, und also aller Ausgang verwehret. Die Weiblein verfügten sich wiederum in ihre Stände, und wurden gleichfalls von den Jägern mit Falltüren verschlossen. Sobald sie sich nun von den Weiblein verlassen sahen, merkten sie erst, wie sie gefangen, und ihrer Freiheit beraubet waren: Dahero sie denn grausam anfingen zu wüten, und alle ihre Stärke zu versuchen, ob sie sich kunnten mit Gewalt einen Ausgang machen: da denn die Jäger und andere Leute Zeit hatten, sich aus den Schranken zu machen, wo sie nicht den rachgierigen Elefanten ein blutiges Opfer ihrer Freiheit werden wollten, indem sie solchen bis an die Säulen nachliefen, und wenn sie nicht nachfolgen kunnten, so grimmig in die dicken Pfosten einhieben, daß die Zähne zerbrachen. Endlich huben sie insgesamt an zu heulen, weinen und wehklagen, und sich nicht anders als höchstbekümmerte Menschen anzustellen, welches bei drei Stunden währete, und mit sonderbarer Anmut und Mitleiden [292] anzusehen und zu hören war. Als sie aber dermaßen ermüdet, daß ihnen der Schweiß über den ganzen Leib herablief, steckten sie ihre Rüssel in die Erde, und brachten alsdenn eine solche Menge Wasser aus dem Leibe hervor, daß sie mit ihren Sprützen alle um den Schranken stehende Zuschauer häufig benetzten, welches denn denen Jägern, welche sich beizeiten entfernet, das größeste Gelächter verursachte. Nachdem man sie nun gleich den Zahmen einsperren wollte, wurden die Weiblein wieder herausgelassen, welche die Wilden aufs neue brünstig machen und sie zum Folgen anreizen mußten. Diese abgerichtete Weiblein gingen bald wieder in ihre Stände, und wurden aus denselben wieder in andere gelassen. Die folgenden Wilden aber mußten sich in solchen versperren lassen, und also vollend gefangengeben. Diese Stände waren nicht größer, als daß eben ein solches Tier nur füglich Raum haben kunnte. In denselben wurden sie angebunden, da sie vor Traurigkeit in fünf Tagen weder essen noch trinken wollten, bis sie ganz matt und endlich gleich den andern zahm wurden. Welches geschwinde Zahmwerden mehrenteils daher rührt, weil kein Tier in der Welt zu finden, welches dem Menschen am Verstande so ein Nachbar, und dessen Rede so wohl zu verstehen fähig wäre. Ja es hat das Ansehen, als mangele ihm nichts, denn die Rede. Dieses Tier nun ist das nützlichste Wesen der asiatischen Kriege, indem vier starke Männer in voller Rüstung sich darauf enthalten, und mit ihren Lanzen, Musketen und Bogen dem Feinde gewaltigen Abbruch tun können. Hingegen ist ihre Haut so dicke, daß sie keine Kugel noch Pfeil durchdringen kann, außer bei den Schläfen und Augen, woselbst sie leicht zu beschädigen sind. Wie nun diese Elefantenjagd denen lüsternen Weltherzen, die sich durch das Geilheitsöl gleichfalls betören lassen, und ihren Sirenen, welche von dem Teufel in den Wald dieser Welt ausgelassen worden, in den Schranken der Unzucht, ja endlich gar in den engen Höllenstall, woselbst die Falltür der Ewigkeit allen Rückweg verweigert, blind folgen, ein feines Vorspiel zeiget: also wenden wir unser Gemüte auf die Blutjagd, welche Chaumigrem in Siam anzustellen beschlossen, und dahero seinen Aufbruch beschleuniget.

Er wollte zuförderst die Prinzessin Banise noch einmal im Tempel besuchen, und einen Abschiedskuß holen: welches aber der Rolim, teils durch vorgeschützte Heiligkeit des Ortes, teils durch andere kluge Bewegungen, zu der Prinzessin höchstem [293] Vergnügen hintertrieb. Als nun der Tag zum Aufbrechen erschienen, begab sich Chaumigrem gleichsam im Triumphe auf einem mit Gold und Edelgesteinen bedeckten Elefanten, ein bloßes Schwert in der Hand haltende, aus der Stadt: sobald er sich aber dem Lager, vor welchem die ganze Armee auf Anordnung des Feldherrn Martong in voller Schlachtordnung hielt, genähert hatte, wurde er mit einem solchen Feldgeschrei empfangen, daß die Erde bebete. Endlich, als diese Ordnung wieder zertrennet, und jeder zum Fortzuge fertig war, wurde das Zeichen mit den Trompeten gegeben: worauf sie nach eingeteilter Ordnung zu marschieren begunnten. Den Vorzug hatte Soudras, der bramische Feldherr, mit dreißigtausend zu Pferde und siebenzigtausend zu Fuß. Den Mittelzug führete Chaumigrem selbst, vorher zogen dreißigtausend Mann mit Lanzen, denen folgeten die Elefanten, und hinter denen der Tyrann, welchen Abaxar mit der Leibwacht und viel andere Fürsten und Großen begleiteten. Darauf kam Bartrouherri, Oberster über die Stücke, als General-Feldzeugmeister, seiner Geburt nach ein Mohr aus Bandala, welcher sich das Geschütze und die darzugehörigen Munitionwagen in verwirreter Ordnung nachführen ließ. Hinter den Stücken kamen fünfunddreißigtausend zu Rosse und alsdenn achtmal hunderttausend Mann zu Fuße, welche wiederum mit fünfunddreißigtausend Reutern beschlossen wurden. Endlich fol-gete der Nachzug, welchen der Feldherr Martong führete, und in hundertundfunfzigtausend zu Fuße und funfzigtausend zu Pferde bestund, bei welchen die sämtliche Bagage, in viel tausend mit Büffeln bespannten Wagen bestehende, sich aufhielt. Mit dieser erschrecklichen Macht zog er denen Grenzen von Siam zu, und zwar in so guter Ordnung, daß allezeit die Haufen, so des ersten Tages vorangezogen, des andern Tages folgen und die letzten sein mußten.

Als er aber die feindlichen Grenzen erreichet, ließ er unterschiedliche Haufen zu Pferde in das Land vorangehen, und alles mit Mord und Brand erfüllen. Martong, als sie noch drei Tagereisen von der Hauptstadt Odia waren, ward mit zweimal hunderttausend Mann befehlichet, den Vorzug zu nehmen, und den König von Siam zur Übergabe aufzufordern, welches auch dieser gehorsamst verrichtete, und so schleunig vor Odia anlangte, ehe noch das flüchtige Landvolk einige gewisse Nachricht von dem Anzuge des Feindes berichten können. Wie sich nun König Higvero eines schweren Krieges mit [294] Pegu besorget hatte, so war zwar bereits gleichfalls alles in Waffen, und solche Anstalt gemacht, als es die Kürze der Zeit erlaubte: Weil aber ein so geschwinder Einfall ohne vorhergehende Kriegsankündigung von Seiten Siams nicht vermutet worden, als waren die Siammer gar nicht gefaßt, dem Feinde im Felde zu begegnen: Und ob zwar Nherandi bei hundertundachtzigtausend Mann zusammengebracht, und vor die Stadt gezogen hatte, so waren sie doch der peguanischen Macht bei weitem nicht gewachsen. Mit dieser ungleichlichen Macht hatte Prinz Nherandi unfern der Stadt ein Lager geschlagen in dem Begriff, noch mehr Völker an sich zu ziehen, und alsdenn den Feind auch von den Grenzen abzuhalten. Allein Martong kam denen Siammern zuvor, und so er fleißige Kundschaft auf den Feind geleget hätte, so hätte er die Siammer, welche aus Sicherheit die Wachten gleichfalls mäßig bestellet hielten, gar leicht überrumpeln, und sie in die Pfanne hauen können. Dieses siammische Lager aber wurde ihm nicht eher als durch einige Vortruppen entdecket, welche jedoch bereits von den Siammern ersehen, und als Feinde erkennet waren. Dahero Prinz Nherandi die Augen öffnete, und durch fleißige Kundschaft den Zustand des Feindes erfuhr. Martong stutzte hierauf, und erkannte seinen Fehler, weil es aber nicht zu ändern war, und er vernahm, wie der Prinz Nherandi persönlich das Lager kommandierte, schickte er einen hochmütigen Bramaner, mit zwanzig Pferden begleitet, nach dem Lager, solches und ganz Siam im Namen seines Kaisers aufzufordern. Als solcher vor dem Lager angelanget, und den Prinzen zu sprechen begehrte: ließ er ihn in einem Gezelte, nahe bei dem Eingange des Lagers, damit der Bramaner die Beschaffenheit des Lagers nicht genauer betrachten konnte, vor sich: Dieser, sobald ihm das Gezelt bedeutet worden, sprang er vom Pferde, und befahl seinen Leuten, in dem Lager seiner zu warten: Er aber begab sich mit hochtrabenden Schritten nach dem Gezelt, in welchem er den Prinzen nebst unterschiedenen hohen Kriegshäuptern stehende fand. Er trat sonder große Ehrerbietung hinein, und fing mit bedecktem Haupte an zu reden: »Ich, als ein Abgeordneter des allgemeinen Überwinders und Kaisers von Pegu, erscheine vor dem Prinzen Nherandi von Siam, und begehre im Namen meines Oberhaupts zu wissen, ob die bisher erlaubte Gnadenzeit von dem Könige Higvero zu Betrachtung seiner Wohlfahrt und Erinnerung seiner Pflicht sei angewendet worden. [295] Diesem nach so fordere ich im Namen des Höchsten und Großmächtigsten der ganzen Welt, Oretenan Chaumigrems, Kaisers in Pegu und Brama, Königes aller Könige, den König Higvero, die Stadt Odia und ganz Siam auf: daß sie sich mit Leib, Weib, Gut, Blut und Kindern ihm ergeben, und sich ohne fernern Zwang als gehorsame und pflichtschuldige Untertanen ihm unterwerfen. Wird nun Higvero sich mit seiner Gemahlin und Kindern und mit ihm ganz Odia alsobald zu Fuße aufmachen, den weißen Elefanten an der Hand zuführen, und dem anziehenden Grimme des Kaisers durch einen Fußfall begegnen: so soll dieses Land und Stadt mit angedroheter Verwüstung verschonet, und Higvero als ein Vasall König bleiben. Bei dessen Verweigerung aber, so sollt ihr wissen, daß erwähnter Kaiser mit einer so entsetzlichen Macht im Anzuge ist, daß auch dessen Rosse das um Odia fließende Wasser auszusaufen vermögen, wodurch das Volk trocknes Fußes gehen, und die Stadt einnehmen kann. Alsdenn soll der König sterben, und seine Kinder in die Fessel geschlagen werden. Alles was nur lebet, soll dem Säbel herhalten, und die Kinder sollen in dem Blute ihrer Eltern ersaufen. Kein Stein soll auf dem andern liegen bleiben, und die Glut soll ein rauchendes Merkmal kaiserlichen Zorns aus der Stadt machen. So fertige man mich denn bald ab, durch ja oder nein, indem uns solches gleichgültig sein wird.« Der Prinz wollte vor Ungeduld zerspringen, und so es ihm die Wohlständigkeit des Krieges erlaubet hätte, so wollte er ihm das trotzige Wort mit dem Säbel vorm Maule wegschneiden. Er fertigte ihn aber, ihn nur nicht mehr anzusehen, mit dieser rauhen Antwort ab: »Du verwegener Kerl, ich glaube dein Tyranne habe unter seiner ganzen Armee keinen unhöflichern und grobern finden können, welcher an Büffel und nicht an Menschen, geschweige an königliche Personen, sollte abgeschicket werden. Die Rache aber von dir zu nehmen, soll ins freie Feld gesparet werden. Inzwischen sage deinem Kaiser, daß er nicht als ein König, sondern als ein Tyrann und Meuchelmörder gehandelt habe, indem er unverwarnter Sache ohne einziges rechtmäßiges Befügnis ein freies Reich, welches ihm nichts als Pulver, Blei und Säbel schuldig ist, anzugreifen sich unterstehet. Indessen soll er nur herannahen, und den Lohn seiner Tyrannei von der Götter Hand empfangen.« Welcher großmütigen Antwort sich der Bramaner nicht versehen hätte, dannenhero er mit [296] verächtlichen, doch grausamen Gesichte sich unterstund zu drohen: »So werde ich mir bei meinem Kaiser die Gnade ausbitten, daß ich mit diesem meinem Säbel Euch in Stükken zerhauen dürfe.« Mit welchen Worten er zugleich die Hand an den Säbel legte, und halb auszog: nicht weiß ich, ob nur damit zu drohen oder sich gar einer Tätlichkeit zu unterfangen. Hier dauchte es dem Prinzen sattsam Zeit zu sein, seinem Eifer freien Zaum zu lassen, dannenhero er mit entblößtem Säbel auf den Bramaner zusprang, und so einen gewaltigen Streich nach dessen Halse führete, daß der Kopf nur noch an etlichen Adern und der Haut behangen blieb, womit er tot zur Erden stürzte. Der Prinz aber befahl, ihn aus dem Zelte zu schleppen, und seinen Leuten zu übergeben, mit angehängter Verwarnung, sich alsobald aus dem Lager zu packen oder gleichen Verlusts ihrer Köpfe gewärtig sein. Welche sich denn nicht säumeten, den Körper auf ein Pferd legten, und sich sporenstreichs zurücke nach ihren Völkern begaben.

Wie sich nun der Prinz den auf diesen Blitz erfolgenden Donnerschlag leicht einbilden kunnte: als entschloß er sich mit Genehmhaltung der sämtlichen Kriegsobersten, dem Feinde zu begegnen, und ihn anzugreifen, ehe die Macht des Kaisers heranrückete: Worauf das ganze Lager aufgeboten, und die Völker ins freie Feld geführet, zugleich alles in Schlachtordnung gestellet, und dem Feinde mit langsamen Zuge ent-gegengerücket wurde. Als sie sich aber etwan auf zweitausend Schritte einem großen Walde genähert hatten, sahen sie den Feind durch das Gebüsche wie eine wilde Flut dahergerauschet kommen. Der Prinz befahl, alsobald stillezuhalten, und verbesserte die Ordnung nach Gelegenheit des Ortes, und indem er vermerkte, daß der Feind fast über die Hälfte das freie Feld erreichet hatte, befahl er dem siammischen Feldherrn Padukko, mit fünfzigtausend Mann loszubrechen, welches er auch willigst verrichtete, und in den noch nicht recht gestellten Feind dermaßen einstürmete, als ob er den Sieg allein darvontragen wollte. Welcher Anfall ihm auch so weit glückte, daß er den Feind bis an den Wald zurücke schlug, und ihn die Erschlagenen fast verhinderten, weichende den Feind zu verfolgen. Weil sich aber der Feind auf allen Seiten aus dem Walde ins Lichte begab, so fehlete nicht viel, Padukko wäre mit den Seinigen umringet und niedergesäbelt worden, indem er sich aus hitzigem Grimm so weit [297] mit dem Feinde eingelassen hatte, daß ihm bei herannahender Macht des Feindes aller Rückweg benommen war. Solchem nun vorzukommen, zumaln sich der Feind aus dem Walde sehr verstärkete, brach der Prinz endlich mit der gesamten Macht los, da denn Padukko gar zeitlich Luft bekam, und sich aufs neue widersetzen kunnte. Der Prinz erwies sich ungemein tapfer, und ein jedweder Siammer bemühete sich eifrigst, einem solchen heldenmütigen Vorgänger beherzt nachzufolgen: zudem kunnte sich auch wegen Enge des Ortes der Feind nicht wenden, noch einigen Vorteil des Raumes gewinnen. Derowegen erfolgte desselben endliche Niederlage, die sich ungemein würde vergrößert haben, wenn nicht der Wald ein groß Teil der feindlichen Peguaner bedecket hätte: welche, sobald sie den Verlust des Feldes von ihren weichenden Kameraden verstanden, sich alsobald auf die Flucht begaben, und also denen Geschlagenen gnugsamen Raum zur flüchtigen Folge machten. Ob nun zwar der hitzige Prinz den Feind zu verfolgen, eiferigst riete; so wollte doch solches der vorsichtige Padukko nicht gestatten, sondern hielt vor ratsam, sich an dem erhaltenen Siege begnügen zu lassen: weil man nicht wüßte, wie stark der Feind noch sein, oder sich wohl gar in einen Hinterhalt setzen, und das durch Tapferkeit erhaltene Feld im Walde durch List wieder abjagen möchte. Ja man wäre noch nicht durch gewisse Kundschaft versichert, wie weit die Hauptarmee entlegen wäre, welcher man durch hitzige Nachfolge leicht in die Hände geraten könnte, und also den Sieg mit gedoppelten Verlust bezahlen müßte. Zudem wäre es nötig, die wenigen Völker zu sparen, bis sie bei anderer Gelegenheit dem Feinde sichern und bessern Abbruch tun könnten. Als nun solcher Rat von allen Kriegsobersten gebilliget, auch endlich von dem Prinzen beliebet ward; so wurden die Nachsetzenden zurücke, die übrigen aber zusammenberufen: Und nachdem man den Feind genungsam geschlagen, und vor ihm gesichert zu sein vermeinte, wurde die Hälfte der Armee wieder in Schlachtordnung gestellet, um dem Feinde gebührend zu begegnen, welcher sich etwa unvermutet widersetzen oder verstärket haben, und also noch einmal sein Heil versuchen möchte: Der andern Hälfte wurde zu plündern erlaubet, jedoch, daß die Beute alsdenn gleich geteilet werden sollte. Hiebei nun wurden über dreiundachtzigtausend tote Peguaner gezählet, da doch der Prinz nicht über sechzehntausend vermissete. Daß [298] also dieses ein ansehnlicher Sieg würde gewesen sein, wenn der Verlust sowohl die Hauptarmee als nur den Vorzug betroffen hätte.

Nach gehaltener Plünderung zog sich die ganze Armee zurücke ins Lager, allwo die Beute geteilet, und hernach das Lager geschleifet ward, damit sich der herannahende Feind dessen nicht zu einigem Vorteil bedienen möchte. Die Völker aber wurden alle in die Stadt geführet, weil außer denen fünfzigtausend Bürgern, welche auf ihre eigene Kosten in Kriegszeiten dem Könige dienen, und ihre Stadt beschirmen müssen, keine andere Besatzung vorhanden war. Welche wir indessen alle Anstalt zur äußersten Gegenwehr machen lassen, und statt des blitzenden Säbels den flüchtigen Martong mit unserer Feder verfolgen wollen.

Wie nun Chaumigrem nur noch eine halbe Tagereise zurücke, und des Padukko Mutmaßung nicht vergebens war: Also erreichten die flüchtigen Peguaner gar zeitig ihre Sicherheit, und setzten durch das blutige Zeugnis ihres Verlusts die ganze Armee in nicht geringes Schrecken, den Chaumigrem aber in solches Wüten, daß er alsobald den ersten Anbringer mit eigener Hand niedersäbelte. Den Feldherrn Martong ließ er unverhörter Sache in Ketten und Banden schlagen, und also höchst schimpflich der Armee nachführen: welches ihm hernach mehr geschadet, als wenn die ganze Armee geschlagen wäre. Die übrigen Peguaner, welche dem Siammischen Säbel durch die Flucht entgangen waren, mußten gleichfalls ihren sonst tapferen Feldherrn hinter der Armee ohne Gewehr begleiten, und aus dem gefährlichen Vorzuge in den schimpflichsten Nachzug geraten. In solchem Grimme beschleunigte der Tyrann seinen Anzug auf Odia, und schwur, solche Niederlage aufs grausamste zu rächen. Der Feldherr Soudras mußte deswegen mit siebenzigtausend Reutern vorausgehen, und die Stadt dermaßen berennen, daß er alle Pässe und Wege verlegte, und was außer der Stadt war, gefangennahm; zwei Tage darauf folgte die ganze Armee nach, welche Chaumigrem angesichts der Festung in eine zierliche Ordnung stellete, und sich nach diesem in Person die Befestigung der Stadt zu erkundigen erkühnete. Die Stadt Odia nun, auch India, von teils gar Siam genannt, liegt zehen Meilen von dem Meer in einer schönen Fläche, eine treffliche Handelsstadt, und wird von dem Flusse Menan, welcher seinen Ursprung aus dem berühmten See Chyamay nimmet, [299] der über hundert Meilen das Land durchströmt, und sich unweit Odia ins Meer ergeußt als eine Insul umflossen, dessen Breite auf jeder Seite zwei Rohrschüsse breit. Sie ist ohngefähr drei französische Meilen im Umkreis, und leget ihrem Feinde eine starke Mauer entgegen, welche nach alter Art mit trefflichen Bollwerken versehen ist. Das königliche Schloß ist mit einer Mauer von der Stadt abgesondert, jedoch innerhalb der Stadt, und ist wegen seiner Pracht ein asiatisches Wunderwerk zu nennen. Erwähnter Fluß Menan durchschlängelt die Stadt zu acht Malen, und schaffet hierdurch selbter sowohl ein zier- als nützliches Ansehen, welches durch tausend Götzentempel trefflich vermehret wird.

Als nun der Chaumigrem alles genau in Augenschein genommen, und die meiste Verhinderung durch den Strom des Flusses gespüret hatte, ließ er zuförderst ein weites und geraumes Lager abstechen, in welchem sich die Armee füglich enthalten, und einer so langwierig scheinenden Belagerung abwarten könnte. Weil er aber die Stadt auf beiden Seiten anzugreifen vor nötig erachtete, so ließ er den Soudras mit fünfmal hunderttausend Mann auf die andere Seite übersetzen. Ingleichen wurden zehentausend Mann befehlichet, den Strom aufwärts zu gehen, alle Schiffe und Fahrzeug anzuhalten, und solche herunter nach der Stadt zu treiben: Welches auch so wohl glückte, daß über tausendsechshundert allerhand Fahrzeug, worunter nicht wenig beladene Kaufschiffe, aufgetrieben worden. Solche ließ er ausladen, hingegen meistens mit Sand, Erd und Steinen füllen, und an die seichtesten Örter des Flusses vor die Stadt führen, da sie alle versenket, und der Lauf des Stromes merklich verhindert wurde. Ob nun zwar die aus Siam heftig bei dieser Arbeit mit ihrem Geschütze auf den Feind losdonnerten, so geschahe den Peguanern der wenigste Schaden, weil zu dieser Verrichtung lauter gefangene Siammer, welche bei dem Einfall auf dem Lande weggenommen, gebraucht wurden, welche meistenteils jämmerlich ersaufen mußten. Durch diese Hemmung nun des Stroms wurde der Fluß nicht wenig aufgeschwellet, also daß er den Soudras mit Verlust etlicher tausend Mann aus seinem Lager trieb, und er mit höchster Mühe und Gefahr sich wieder herüber und in das etwas höher gelegene Lager diesseits verfügen mußte. Inzwischen wurden unterschiedene Geschützstellungen verfertiget, von welchen sowohl das Schloß als auch vornehmlich die Schiffe, welche in den [300] innern Einflüssen der Stadt lagen, Tag und Nacht heftig, wiewohl wegen Unerfahrenheit der Mohren, meistenteils fruchtlos beschossen wurden. Zu völliger Ausfüllung des Stroms wurde gleichfalls weder Mühe noch Fleiß gespart: indem täglich über zweihunderttausend Mann Sand, Steine, Holz und andere füllende Materien herzuschaffen, und in den Fluß werfen mußten, wodurch endlich ein Damm von tausend Schritten breit durch den Fluß bis an die Mauer der Stadt hinan gemacht, der Strom ganz auf die andere Seite gedämmet, und daselbst alles weit und breit überschwemmet wurde. Die Siammer feireten zwar indessen nicht, sondern taten durch ungeheures Schießen als auch unterschiedene Ausfälle zu Wasser bei der Nacht merklichen Abbruch: Allein sie waren zu schwach, einer solchen Menge zu widerstehen: denn wo einer von dem Feinde blieb, da wurde sobald dessen Stelle durch zwei bis drei frische Soldaten ersetzet: und konnten sie also solches Werk nicht verhindern, bis es zu seiner Vollkommenheit gelanget, und bis an ihre Mauren geführet war.

Mit wie vielen Blute nun dieses neue Werk eingeweihet wurde, ist leicht hieraus zu schließen, weil die Siammer alle ihre Macht dranstecketen, sowohl den Damm an ihrem Ufer wegzureißen, als auch dem Feinde allen Überzug und die daher rührende Gelegenheit des Stürmens zu verwehren: hingegen sparte Chaumigrem keine Völker, den Damm zu behaupten, und die Siammer dermaßen einzuschließen, daß sie ihm nicht ferne verhinderlich sein könnten. Ob er nun zwar unsäglich viel Volk hierbei verlor, indem der Damm von beiden Seiten der Stadt mit Stücken konnte bestrichen werden: so erhielt doch endlich die Menge die Oberhand, und mußten die Siammer nicht allein weichen, sondern auch zusehen, wie der Feind ihnen unter die Stücken kam, und sich auf dem festen Lande vor der Stadt eingrub: Als nun der Tyrann seinen blutigen Zweck erreichet, machte er alle Anstalt, die Stadt mit Sturme anzugreifen: weil ihn hieran kein Graben verhinderte. Dannenhero ließ er viele Sturmbretter zurichten, welche dermaßen verfertiget waren, daß sie auf Rädern an die Mauern gebracht werden, und darauf sechs Mann nebeneinander laufen kunnten. Diesen ersten Sturm ließ er von hundertundfunfzigtausend Mann anlaufen, jedoch dermaßen, daß nur jederzeit funzigtausend Mann liefen, die andern aber ausruheten, und diese alsdenn entsetzten. Hierbei mußten [301] die bestellten Mohren mit ihrem Geschütz gleichfalls heftig auf die Stadt schießen: welche aber, entweder aus Unwissenheit, oder mit Vorsatz, den Ihrigen mehr hinder- als förderlich waren, indem sie die Stücke alle zu niedrig richteten, und die Kugeln ziemlichen Raum unter den stürmenden Peguanern machten. Weil sich nun zugleich die Siammer unbeschreiblich wehreten, indem sie nicht allein auf der Mauer wie Mauern stunden, sondern auch durch häufig gestreute Fußangeln den Feind merklich verhinderten und beschädigten: als mußte endlich nach siebenstündigen Gefechte Chaumigrem zum Abzuge blasen lassen. Die meiste Verhinderung in diesem Sturm war der listige Anschlag des Padukko gewesen, indem er das Öl und Fett zusammenbringen, schmelzen, und solches häufig auf die angelegte Sturmbretter schütten lassen. Hierdurch wurden solche dermaßen schlipfrich und glatt, daß kein fester Fuß daraufzusetzen war, sondern der anlaufende Feind gleiten und fallen mußte. Welcher fiel, der verfiel zugleich in den Tod: indem ihnen nichts als rollende Balken, Steine, heiß Wasser, Kugeln und Pfeile entgegenkamen, die wenigsten aber erlangten die Ehre, daß sie kunnten mit dem Säbel von der Mauer abgehalten werden.

Chaumigrem vermeinte zu bersten, als ihm sein so wohl ersonnener Anschlag zu Wasser wurde, und wußte nicht, wen er beschuldigen sollte. Weil er aber unter der ganzen Armee kein nützlicher Haupt als den Martong wußte: so brachte solches diesem die Erlösung, vorige Gnade und Ehrenstand. Solches nahm dieser mit verstellter Freude und Dienstverpflichtung an, doch ließ er die allen edelen Gemütern angeborne Rache wegen unverdienter Schmach in seinem Herzen glimmen: Weil aber solche hier brennen zu lassen keine Gelegenheit vorhanden; als ließ er solche noch zur Zeit in der Asche ruhen, und verrichtete alles, was einem tapfern Soldaten anständig war. Ob nun zwar hin und wider einige Stürme verrichtet wurden, so erwiese doch das Kriegsglücke, wie es den Siammern nicht so gar ungeneigt wäre: indem die Peguaner jederzeit die Mauern mit ihrem Blute färben, und dennoch weichen mußten. Ingleichen erwiesen die Siammer sonderlich ihre Tapferkeit in unterschiedenen Ausfällen, unter welchen insonderheit ein nächtlicher Ausfall zu rühmen. Denn indem der Feind bemühet war, unferne der Mauer eine solche Erhöhung zu verfertigen, von welcher er gleichsam [302] auch die Straßen der Stadt mit Musketen und Pfeilen bestreichen könnte: Und dannenhero eine große Menge der arbeitenden Soldaten sich Tag und Nacht dabei aufhalten mußten: erkühnte sich Prinz Nherandi dieses Werk in Person zu stören, dahero auch Zeit ihrer Arbeit kein Stück auf sie gelöset wurde. Tages vorhero aber wurde alles Geschütz auf denselben Ort gerichtet, und der Prinz erwählete sich dreitausend Reuter und fünftausend Fußvolk. Als nun die Finsternis Stadt und Lager bedecket hatte, und sich die Wolken von den vielen Wachfeuern erröteten, begab sich der Prinz in aller Stille mit den Reutern aus der Stadt, das Fußvolk aber verlegte er hinter sich an einen Paßweg nach der Stadt. Nachdem er etwan auf etliche hundert Schritte sich dem sichern Feinde genähert hatte, gab er ein gewiß Losungszeichen denen in der Stadt, worauf die von allen Seiten des Tages gerichtete Stücke auf den Feind gelöset worden, da denn der Feind nicht unbillig einem gestöreten Bienenschwarm zu vergleichen war: maßen ein jeder in verwirrten Schrecken hin und her lief, und sich doch in die Ursach des Schreckens nicht finden konnte, obgleich die tödlichen Pillen eine ziemliche Menge in den ewigen Schlaf geleget hatten. Der Prinz ließ ihnen nicht viel Bedenkzeit, sondern stürmete dermaßen in sie hinein, daß sie nicht wußten, wider wen sie ihre Gegenwehr richten, oder sich schließen sollten. Das Schwert des hitzigen Prinzen wütete indessen immer fort, der Feind aber hielt endlich die Flucht vor eine Notwendigkeit, welches, sobald es der Prinz merkte, ließ er die Fußvölker zugleich anrücken, und in die Laufgräben einfallen: wodurch der Feind in allgemeine Flucht nach dem Damme gebracht wurde, den der Prinz mit der Reuterei dermaßen verfolgete, daß derer viel in das Wasser gesprengt und ersäuft worden. Das Fußvolk aber arbeitete indessen fleißig an der Niederreißung vorerwähnter Erhöhung und Laufgräben, zogen etliche Stücke mit sich nach der Stadt, die übrigen aber wußten sie auf Eingeben der Portugiesen meisterlich zu vernageln und zu verderben. In solchem Lärmen wurde das ganze Lager jenseit des Dammes munter, und sobald Chaumigrem den gefährlichen Zustand seiner Völker vernommen, schickte er ihnen zehentausend Reuter entgegen und zu Hülfe, welche denn mitten aus dem Damme den Lauf der siegenden Waffen hemmeten, dannenhero der Prinz vor diesmal genug Ehre eingeleget zu haben vermeinte, und sich dergestalt [303] zurücke zu ziehen wußte, daß der Feind leichtlich sehen konnte, wie er mit unüberwundenem Gemüte das Feld räumete. Dieser frische Entsatz aber drängte doch den Prinzen dermaßen, daß es höchstnötig war, den Stand des verlegten Fußvolks zu erreichen, welche alsobald den verfolgenden Feind durch eine nachdrückliche Salve zurücke hielten, der auch, weil er im Finstern die Stärke der Siammer nicht wissen konnte, stutzte, und sich in das vor der Stadt verlassene Lager begab, bis solches wiederum besetzet, und mit aller Notdurft vor ferneren Ausfällen und Bedeckung vor dem Geschütze, welchen Fehler sie mit ihren Schaden bemerket, versehen war. Wäre nun dieser Ausfall sowohl bei Tage mit dergleichen glücklichen Erfolg geschehen, daß der Prinz mit einer größern Macht hätte können entsetzet werden, so hätte es einen gefährlichen Wettstreit um die Eroberung des Dammes setzen dürfen.

Hier wollen wir gleichfalls die bedrängten Siammer im Blut und Dampf verlassen, und nach Pegu eilen, um die einsame Prinzessin in ihrem Tempel zu besuchen, welche außer dem Rolim und der Eswara niemand um sich, diese letztere aber, um so viel mehr Freiheit hatte, daß sie im Tempel aus und ein und andern Verrichtungen nachgehen durfte. Die Prinzessin nun achtete sich in solcher einsamen Sicherheit über die Maßen vergnügt, und vermeinte, an dem Chaumigrem ihren größten Feind verloren, hingegen an dem Rolim ihren besten Freund gefunden zu haben. Was aber das Absehen der Freundschaft des Rolims bishero gewesen, solches konnte sie mit neuer Bestürzung aus des Rolims verliebter Bezeigung und folgenden Reden leichtlich ermessen. Denn, als Chaumigrem den Zug nach Siam bereits vor einigen Wochen angetreten, verfügte sich der Rolim in Abwesenheit der Eswara einsmals zu der Prinzessin in ungewöhnlichem Schmucke, und redete sie mit verliebten Augen und Herzen folgendergestalt an:

»Schönste Prinzessin! Dero Schönheit zwinget mich zu reden, und die Pflicht, womit Sie mir wegen Befreiung der Gewalt verbunden, befiehlet Ihr, mich geneigt anzuhören. Ihre Schönheit, sage ich, zwinget mich, diejenige vor selig zu preisen, welche Gott in die zarte Seide geschickter Glieder eingehüllet hat: weil Ihr durchdringender Blitz auch nicht der Götter verschonet, und dahero ihre Priester derselben opfern müssen. Ihre Schönheit, sage ich nochmals, welche als [304] ein Meisterstücke des Himmels den Kaiser gefesselt, und den Priester gebunden hat, glänzet prächtiger als Diana in dem gestirnten Reiche, und kein Sterblicher kann Ihre blitzende Augen vertragen. Der Schnee Ihrer Wangen machet den Alabast zunichte, Ihr kluger Mund besieget Korallen, und Ihr Haar beschämet die Morgenröte. Die lilienzarten Hände wünschen die Götter zu küssen, und indem ein verliebter Wind die Segel meiner Sinnen auf das unbeschiffte Meer Ihrer Marmelbrust hintreibt, so erblicke ich gleichsam die Venus in zweien Muscheln schwimmen, wo lauter Anmutsmilch um die Rubinen gerinnet. Das Uhrwerk der geraden Schenkel zieret den diamantnen Rock, und der ganze Tempelschmuck wird durch den wohlgewölbten Leib verhöhnet: kurz: der ganze Erdkreis erstaunet über solchen Wundergaben, und preiset denjenigen selig, welchen ein solcher Engel labet, und welcher den Hafen seiner Vergnügung bei solcher Schönheit findet. Was ist denn nun Wunder, daß meine Heiligkeit derjenigen verliebt zu Fuße fällt, welcher die Götter selbst ihre Opfer widmen. Sie wird mir erlauben, schönstes Kind, daß ich die Maske verdeckter Worte ablege, und öffentlich bekenne, wie ich der Gottheit Priester und zugleich ein Opferknecht Ihrer überirdischen Schönheit sei. Wie Sie mich nun als den Grundstein Ihrer Wohlfahrt wohl zu betrachten hat; also versehe ich mich geneigter Gegenhuld und erwünschter Vergnügung von Ihrer Güte, versichernde, daß Sie diese Dankbarkeit zu einem Engel machen werde.« Die Prinzessin, welche nicht wußte, ob Scherz oder Ernst diese Rede begleitete, blieb anfangs unbeweglich sitzen, und sahe den alten verliebten Pfaffen mit verwunderungsvollen Augen und Gemüte an. »Ich weiß nicht«, war endlich ihre Antwort, »heiligster Vater: ob dieses bei meinem jetzigen betrübten Zustande zu loben oder zu schelten ist: daß man eine vorhin bekümmerte Prinzessin auf eine so scharfe Probe ihrer Tugend zu setzen sich bemühet, welche mich doch jederzeit auch in Todesgefahr begleitet hat. Jedoch dieser harten Probe ungeachtet, so versichere ich Euch, daß mich meine Tugend sattsam lehret, wie weit ich Euer heiliges Amt verehren, und Eure ehrwürdige Person als meinen Erlöser und Vater lieben soll.« Dem Rolim war diese ungleiche Auslegung nicht anständig, und vermeinte dannenhero, er habe seine Liebe allzu dunkel vorgestellet, daher er sich etwas freier und deutlicher herauszulassen entschloß. »Englische Banise!« sagte [305] er, »es ist keine Probe Ihrer Tugend, sondern Ihrer Dankbarkeit. Es ist kein verstellter Scherz, sondern ein verliebter Ernst, welcher mich bei Betrachtung Ihrer himmlischen Schönheit zwinget, meines Amts und Alters ungeachtet meine Brunst zu entdecken, und frei zu bekennen: daß Banisens Schönheit das heilige Ansehen dermaßen verblendet hat, daß er nunmehr ein fremder Priester eines verborgenen Heiligtums zu sein begehret. Prinzessin! ich liebe Sie, und wo die Rose Ihres Wohlstandes blühen soll, so wisse Sie, daß solche auf den Grund meiner Liebe müsse gepflanzet werden. Ich lodere, ich brenne, ich sterbe: wo nicht die unvergleichliche Schönheit denjenigen in ihre Arme nimmt, welche ihn magnetischerweise an sich zeucht.« Wie er nun solches mit so verliebtem Eifer, als immer mehr von der jüngsten Glut zu hoffen, vorbrachte, zweifelte die Prinzessin nicht mehr an dessen wahrhaftiger Verliebung, dahero sie um soviel bestürzter war, weil sie wohl wußte, in was Ansehen der Rolim sowohl bei dem Kaiser als gesamten Volk stunde, und wie er leicht ihr Schande und Tod zuwege bringen könnte: dahero sie abermal ihre Beredsamkeit hervorsuchen mußte: und um ihre Schönheit auszureden anfangs sich unterstunde: »Ehrwürdigster Vater«, redete sie ihm ein, »ich will nicht hoffen, daß ein blödes Auge werde Ursache haben, sich über meine unschuldige Gestalt zu beschweren. Wollte aber ja ein Funken der Schönheit, dessen Vorgeben nach, an mir zu erblicken sein: so ist solcher vielmehr von den Göttern als eine Tugendfackel, nicht aber als ein Irrwisch geiler Lüste angezündet worden; worbei wir ihre Allmacht, nicht aber unsere Brunst, betrachten sollen. Zudem muß die Schönheit mit der Tugend feste verknüpfet sein, und ihr Licht wie der Mond von der Sonnen empfangen: außer diesem ist sie nur ein stummer Betrug und ein Leitstern zu den Sünden, ja ein rechtes Aas, welches nur den Raubvogeln gefällt, und Raben an sich locket. Schön und fromm sein, stehet selten beieinander, und die Tugend trifft nicht allezeit mit der Gestalt überein; diejenigen irren aber sehr weit, welche ein wohlgebildetes Gesichte ohne Tugend unter die Schönheit rechnen, die doch nur ein Komet zu nennen ist, dessen Strauß jederzeit auf ein neues Unheil deutet; ja ein Abgott, welchem statt Weihrauchs stinkend Harz angezündet wird. Zudem beruhet die Schönheit mehr in einer bloßen Einbildung als wahren Beschaffenheit, denn was einem jeden gefällt, das nennet er [306] schön: und ich versichere Euch, daß ihrer viel dasjenige, was Ihr an mir lobwürdig schätzet, aufs höchste tadeln würden. So sei es demnach ferne, daß sich Eure heilige Weisheit durch Einbildung und falsches Wesen sollte verblenden lassen. Ich will hier nicht gedenken der ungemeinen Veränderung, womit die Schönheit am meisten stets bedrohet wird. Bald wird sie durch das scharfe Schwert der Sorgen, bald durch die Sichel der Zeiten, endlich wohl gar durch den grimmigen Pfeil des Todes dermaßen bestritten und verstellet, daß man in kurzem ein allgemeiner Ekel der verliebten Welt muß genennet werden. Kurz: ich stelle Euch ihre Vergänglichkeit und eigentliches Wesen mit jenem singenden Europäer also vor:


Was ist sie? als der Zeit gemeines Gaukelspiel,
Nichts als ein kurzer Wahn, ein Ungewisse Ware,
Die auf uns selber stirbt, und uns gebraucht zur Bahre,
Ein Zeug, der unser Haut nicht Farbe halten will.
Kein reines Spiegelglas kriegt eher böse Flecken,
Kein Stern läßt sich so bald die trüben Wolken decken:
Kein ungelegter Schnee verstäubt und schmilzt so leicht.
Ein Blitz wird nicht so bald vergehen und verstreichen,
Und so geschwinde wird die Rose nicht erbleichen,
Als Schönheit der Gestalt aus unsern Augen weicht.

Und werdet Ihr, ehrwürdiger Vater, Eurer hohen Vernunft so viel Raum erteilen, daß keine unanständige Phantasie bei Euch Platz gewinnen könne. Ich werde Euch jederzeit mit solcher Liebe zugetan verbleiben, als es Eure Würde und meine Tugend erfodert und erlaubet.« Der alte Schimmelkopf war über den schlechten Fortgang seiner Liebe höchst mißvergnüget, welches er mit vielen Kopfschütteln zu erkennen gab. »Sie irret, Prinzessin«, war dessen Gegenrede, »wenn Sie sich verachten, und mir die scharfen Augen meiner Vernunft mit dem Schleier der Einbildung verbinden will. Ich wünschte zwar, daß Ihre Schönheit niemals in meine Augen, viel weniger ins Herze kommen wäre: Nachdem es aber der Himmel so gefüget, daß Sie unter meiner Hand den Tempel bewohnet, so erkenne ich es vor eine Schickung der Götter, durch deren Verhängnis ich Sie vor einen Engel halten muß, welcher Verlangen im Gemüte, Entsetzen in den Augen und Begierde im Herzen erwecket. So widerstrebe [307] Sie nun nicht dem Schlusse der Gottheit, welche keine weltliche Person Ihrer Schönheit würdig achtet, sondern will, daß der oberste Priester des Heiligtums die Erstlinge Ihrer Blumen brechen soll, und ihm hierdurch, ein fleischliches Jubeljahr auszuschreiben, gar wohl erlaubet sei.« Durch solche Freiheit seiner Reden befand sich zwar die keusche Prinzessin dermaßen gerühret, daß sie bei höherer Gewalt solchen Frevel auch mit dem Tode würde gerochen haben: Weil sie aber die Not als Tugend mußte gelten lassen, so befliß sie sich ferner einer gezwungenen Freundlichkeit, in Hoffnung, ihn von solchem verhaßten Vorsatz durch kluges Einwenden abwendig zu machen. Dahero sie sich durch folgende Worte ferner bemühete: »Heiliger Vater! Wie schicket sich dieses zusammen, ein Rolim der reinen Gottheit und zugleich ein Priester unreiner Liebe zu sein? Wird nicht das ganze Heiligtum beflecket, wenn geile Brunst im Herzen sitzet? Die Götter erfodern zu ihrem Dienste nicht nur reine Hände, sondern auch keusche Herzen: ich aber würde mich ewiger Verdammnis würdig schätzen, wenn durch mich die Götter sollten beleidiget und erzürnet werden.« – »Ach schlechter Einwurf«, antwortete der Rolim hierauf, »so müßten Opfer, welche von den Göttern geschaffen, und durch der Priester Hand geopfert werden, den Göttern auch ein Greuel sein: und der Wein ist deswegen denen Weltlichen verboten, weil er nur allein von den Priestern getrunken zu werden würdig ist. Sollte nun deswegen die Heiligkeit der Götter vermindert werden, wenn ihr Priester eine von der Gottheit erschaffene Schönheit, welche an sich selbst ein Heiligtum und Ebenbild der Götter ist, vor andern nicht sowohl ihrer Lust als bevoraus denen Göttern, welchen sie dienen, aufopferten. Das sei ferne. Zudem weiß man die Macht der Liebe, welche Tempel und Altar hintansetzet, und sich weder an Gesetze noch Heiligtum binden lässet. Es haben mich Rabbinen versichert, daß vor langen Zeiten ein König in Palästina 7, welcher an Weisheit die Weisheit selbst zu übertreffen geschienen, viel Gold aus diesen Landen, welche vorhin Ophir geheißen, abholen lassen. Dieser weise König, ob er gleich an Heiligkeit dem jüdischen Hohenpriester vorgegangen, so habe er sich durch die Liebe auch im hohen Alter dermaßen fesseln lassen, daß er die Gottheit hintangesetzet, und die Schönheit zu seinem Abgott erwählet hat. Sollte der Gebrauch[308] einer Schönheit denen Priestern unzulässig sein, so würde sich es der Samorin in Calicut vor keine so große Ehre halten, wenn der vornehmste Bramin seine Gemahlin eines andächtigen Beischlafes würdiget 8. Wer wollte es demnach mir tadeln, wenn ich auf dem Eise, wo vorhin weise Könige gar gefallen sind, nur ein wenig gleite. So koste Sie doch den Zucker meiner würdigen Liebe, und versichere sich, daß, wo ja dieses ein Versehen zu nennen ist, solches viel leichter bei den Göttern, wieder zu versöhnen sei, als wenn Sie sich ein Weltauge anblicken ließe.« Hier hätte nun die Prinzessin lieber ihren Verdruß in etwas merken lassen, dannenhero sie nicht unterlassen wollte, ihm durch Vorhaltung seines Alters sein ungereimtes Beginnen zu verweisen. »Es sei nun, alter Vater«, hub sie an, »Eure Liebe Ernst oder Scherz, verboten oder erlaubet, so werdet Ihr Euch doch wohl zu bescheiden wissen, daß derjenige, welcher sein beschneites Haupt noch mit Venusmyrten zu bekränzen suchet, nur Feuer in den Schnee und im Winter Rosen suchet. Und wie sich ein bleierner Liebespfeil der Alten gar nicht nach dem güldnen Ziel grünender Jugend richten lässet; also weiß ich nicht, ob ich zuviel rede, wenn ich sage: es verdiene meine Jugend ein größeres Mitleiden, als daß man sie mit einem nach dem Grabe schmeckenden Kusse quälen wollte. Weil ich mir auch lebenslang die Lehre, wie man das Alter in Ehren halten solle, wohl beibringen lassen, so erachte ich nicht vor ratsam, denjenigen wie einen Bräutigam zu lieben, welcher meiner Jugend besser vor einen ehrwürdigen Vater dienen kann. Die Liebe der Alten ist mit Recht ein kalter Brand zu nennen, welcher zugleich gefährlich und verdrießlich ist, und schicket sich vorgesagtermaßen wie ein zerbrochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar dieses nicht zu einiger Beleidigung des ehrwürdigen Alters will beigebracht haben: so wird doch mein Vater die Unmöglichkeit unserer Liebe hieraus leicht schließen können.« Der alte Rolim vermeinte über solchen Vorwurf zu börsten, jedoch machte er sich dennoch Hoffnung, seinen Zweck zu erlangen, wenn er ihr auch diesen Einwurf, welchen er längst vermutet, widerlegte. »Ist dieses«, antwortete er hierauf, »ein Zeichen der bisher gerühmten Tugend, daß Sie eine leichtsinnige Jugend dem klugen Alter vorziehen will: und belieben Ihr nur die jungen Jahre, welche durch ein glattes Maul und weißrötliche Haut[309] ihr schlechtes Alter und noch schlechtere Vernunft andeuten? Gewiß, ein schrecklicher Irrtum! Was ist doch flüchtiger weder diese Blumen-Lust, deren man nach etlichen Küß-Monaten bald genug, mit den Jahren aber soviel als itzund von mir hat. Diese Narzissen aber meines Haupts sind etwas tiefer in die Erden gewachsen, mit königlichen Namen beschrieben, und sind zu dem Kranze ihrer vorigen Würde und Wohlfahrt höchst nötig. Sie sei versichert, daß durch diese Liebe der höchste Grad des Glückes sich Ihr zueignen wird, und Sie wird es dem Himmel danken, daß Sie sich so wohl durch mich beraten hat. Durch mich, sage ich, der ich meines hohen Amtes und Ansehens zu geschweigen, die ganze Welt gesehen, Frost und Hitze, Gutes und Böses ausgestanden, dessen Leben ein Auszug vieler Erfahrung, und der recht mit Vernunft zu lieben weiß. Es sollte mich sehr jammern, wenn eine solche Schönheit einem jungen Lecker sollte zuteil werden, der nach Art der heutigen Jugend seine blinde Lust büßen, und alsdenn Sie nicht ferner zu verehren wissen sollte. Denn die Liebe zwischen jungen Leuten ist wie die süßen Schleckereien, deren man bald einen Ekel isset, indem sie anfangs zwar wohl schmecken, und doch weder den Leib nähren, noch die Gesundheit erhalten können. Alt und jung das speiset am besten, und schicket sich fein aufeinander wie nach dem Essen das Konfekt. Denn der Alten Tun bleibet doch auf Beständigkeit gerichtet, und wissen ihre Sache klüglicher anzugreifen weder ein junger Klügling. Die Ratschläge der Alten unterstützen die Wohlfahrt ganzer Länder und Kronen, warum nicht auch das Glück und Gedeihen einer jungen Prinzessin? Alter Soldaten Kriegsrat verrichtet mehr weder die Spieße und Säbel junger Waghälse. Ein alter Fechter behält allemal noch einen Streich zurücke. Darum soll man sich zu den Alten halten, und von ihnen lernen. Wer sich bessern will, muß mit einem umgehen, der besser und klüger ist weder er, denn von seinesgleichen hat man sich geringer Besserung zu getrösten. Zudem ist auch mein weißes Haar kein gewisser unfehlbarer Beweis des Alters, angesehen es vielen in der Natur ist, daß sie zeitig grau werden. Mich betreffende, hat mich die Sorge meines schweren Amtes mit solchem Schnee überstreuet. Sollten aber auch die Jahre hieran schuld sein, so hoffe ich vielmehr, Sie werde es sich ein große Ehre und Triumph schätzen, daß sich auch die weißen Greisen den Netzen Ihrer Anmut und Huld willig darstellen [310] und gefangengeben, da man doch sonst insgemein davorhält: Ein alter Fuchs sei übel zu fangen. Und also kann ich es nicht länger verbergen, öffentlich zu bekennen, wie das Eis meiner Jahre vor der Sonnen Ihrer Schönheit ganz zerschmolzen, und was für Unruhe mir die Liebe durch Sie erwecke in den Zeiten, darinnen mir freilich die Ruhe am nötigsten wäre. Mit einem Worte: ich bin verliebt, und weiß auf diesen Schaden kein ander Pflaster, als diejenige selbst, so mich verwundet hat. Darum entschließe Sie sich, meine Schöne zu Ihrem Besten, meinem Verlangen und unser beider Vergnügen gemäß.« – »Schämet Euch!« wollte hier die halberzürnete Prinzessin ihm begegnen, als die verstellete Eswara die Tür des Zimmers eröffnete: Indem solche nun den Rolim er-blickete, wollte sie wieder zurücke gehen, die Prinzessin aber rufte ihr zu, sie sollte im Zimmer bleiben, dahero sie mit verhülltem Gesichte hineintrat, und durch ihre Gegenwart die fernere Unterredung verstörete, daß der Rolim ganz mißvergnügt sich in den äußersten Tempel begab. Ich sage hier nicht ohne Ursach, die verstellte Eswara, weil solches nicht Eswara, sondern Zarang der Prinz von Tangu war. Denn dieser Prinz hatte sich der Liebe gegen die Prinzessin Banise so wenig begeben, daß er vielmehr nach fleißig erhaltener Kundschaft sich in geheim nach Pegu verfügte, und sich allda äußerst bemühete, nur die Prinzessin persönlich zu sprechen. Und nachdem er eigentliche Nachricht von ihrem betrübten Zustande und einsamen Aufenthalt erhielte, so versicherte er sich selbst, es werde ihm nunmehro die Prinzessin willig folgen, und ihre Liebe würde ihm statt der Dankbarkeit vor solche Erlösung aufgeopfert werden. So hoch ihn aber die sonderbare Heiligkeit des Tempels, welcher, damit ihn kein fremder Fuß berühre, jederzeit mit tausend Mann nach Anzahl der Götter bewachet wurde, erschreckte, so sehr erfreuete ihn die Aufwartung der bekannten Eswara, welche leicht zu sprechen war, weil sie täglich vorerzähltermaßen im Tempel aus und ein gehen durfte. Diese nun, als er ihr sein herzliches Verlangen, die Prinzessin zu sehen, entdecket hatte, wußte ihm anfangs die Gefahr dermaßen vorzustellen, daß er fast der Unmöglichkeit einen Platz in seinem Herzen eingeräumet hätte: Sobald aber Zarang durch einige Saphire und einen Beutel voll Golde seinen Worten zu Hülfe kam, so veränderte auch Eswara ihre Sprache, und bezeigte, wie durch einen güldnen Schlüssel [311] auch die Felsen zu eröffnen wären. Dannenhero, als sie einen Tag Bedenkzeit gebeten hatte, gab sie endlich diesen listigen Anschlag, er sollte sich in ihre Kleider verbergen, und also durch ihre Gestalt mit verhülltem Gesichte, womit sie bereits zu dem Ende unterschiedene Mal durch die Wache aus und eingegangen, die Wächter verblenden, könnte er alsdenn der Prinzessin Zimmer, welches sie ihm wohl bedeutete, glücklich erreichen, so würde er wohl zu reden wissen, was ihm Zeit und Liebe in den Mund legen würde. Dieses wurde sofort von dem verliebten Prinzen beliebet, dannenhero er alle benötigte Anstalt zu einem schleunigen Abzuge machte, sich in der Eswara Kleider warf, und in solcher Gestalt dem Tempel zueilte. Nachdem er nun glücklich und unerkennet durch die Wache gekommen, ging er mit gleichen Schritten durch den Tempel nach der bedeuteten Türe, allwo er denn nach deren Eröffnung, wie vorerwähnet, den Rolim zu seinem höchsten Erschrecken unvermutet antraf. Nachdem aber der Rolim das Zimmer verlassen, fassete Zarang ein Herze, und gab sich mit entblößetem Gesichte der Prinzessin zu erkennen. Welche hierdurch aufs neue in solche Bestürzung geriet, daß sie vor Angst und Entsetzen nicht zu reden vermochte: dahero er das Stillschweigen zuerst brach, sich vor ihr auf die Knie setzte, und sie folgendergestalt anredete: »Allerschönste Prinzessin! wo jemals ein bis in den Tod getreuer Sklave von seinem Halsherrn wegen einigen Verbrechens Gnade und Verzeihung zu gewarten hat: so werde ich mich deren anitzo auch billig aus Dero holdseligen Munde zu getrösten haben. Kein Vorwitz, sondern die inbrünstige Liebe, welche alle Gefahr, auch den Tod, verachtet, und die getreueste Vorsorge, welche ich zu der Zeit, da Ehre und Leben der schönsten Prinzessin auf der Spitze ruhet, vor Sie trage, haben mich in diese Kleider und vor Dero englisches Angesicht zur Erden geworfen. Ich bin kommen, Sie, werteste Banise, aus der Hand eines grausamen Wüterichs zu erretten, und mich derjenigen Liebe, um welche ich längst so sehnlich geseufzet, dadurch vollkommen würdig zu machen. So erteile Sie demnach Ihrem gewidmeten Knechte einen beliebten Blick, und ermuntere ihn durch Ihre Liebe, daß er das angenehme Werk Ihrer Befreiung desto beherzter und geschwinder antrete.« Die Prinzessin konnte sich hierauf nicht entschließen, ob sie ihn mit harten oder sanften Worten von diesem gefährlichen, teils verhasseten Vorsatz ableiten sollte:[312] doch, in Betrachtung, daß sein Vorbringen nicht so gar übel gegründet, und er sich gleichwohl um ihrentwillen in solche Gefahr des Lebens begeben hatte, erachtete sie es vor billicher zu sein, ihn mit freundlichen Worten abzumahnen, dahero sie zu ihm sagte: »Mein Prinz von Tangu! Wo ich mich nicht einiger Undankbarkeit schuldig erkennen will, so muß ich's gestehen, daß ich Euch nicht wenig verpflichtet bin, indem Ihr auch mit Gefahr Eures Lebens und Hintansetzung Eures Reichs so treulich auf meine Freiheit bedacht seid. Nachdem aber die Götter schon einmal ihr Mißfallen über selbst genommener Freiheit erwiesen, und mich dadurch angemahnet, ihrer rechten Hülfe zu erwarten: als bin ich des festen Entschlusses, denen Göttern gehorsame Folge zu leisten, und mich so lange in dem Kerker zu schmiegen, bis sie mir selbst Tor und Riegel eröffnen, und mir die güldene Krone der Freiheit aufsetzen werden.« Zarang, welcher sich nichts weniger als dieser Weigerung versehen, erstaunte ganz hierüber, und wollte durch scharfes Ansehen ihren Ernst oder Scherz erkundigen. Als er aber in ihrem unveränderten Angesichte lauter Ernst verspürte, kunnte er sich nicht enthalten, sie ferner zu der Flucht zu bereden.

»Wie? Schönste Banise«, sagte er! »ist dieses möglich, daß von einer freigebornen Seelen ein beschlossener Raum der edlen Freiheit sollte vorgezogen werden? Der Adler sehnet sich nach der unbeschränkten Luft, und der Löwe seufzet in dem Käfichte: Wie sollte denn Sie die Freiheit, welche alle Schätze der Welt besieget, und sich Ihr anträgt, so leichtsinnig ausschlagen? Sie reize doch nicht die Götter durch solch verzweifeltes Entschließen wider sich, und bedenke, daß, wie sie niemals unmittelbar sich denen Menschen hülfbar erweisen, also sie auch mich zu einem Werkzeuge Ihrer Wohlfahrt und Freiheit ausersehen haben. Die Götter, sage ich, haben auch mich hierzu durch gewisse Mittel angetrieben, nämlich durch die Liebe, welche wie ein Chamäleon alle Farben annimmt, wenn sie nur dem Geliebten hierdurch zu raten weiß. Ach so verspiele Sie doch keine Zeit, und befördere die angebotene Flucht.« – »Es ist zu gefährlich«, wendete die Prinzessin ein, »ja ein Werk der Unmöglichkeit.« – »Keine Unmöglichkeit«, war Zarangs Gegenrede, »denn den Göttern und der Liebe ist nichts unmöglich. Ich habe bereits solche Anstalt zur Flucht gemacht, daß uns auch ein schnelles Tiger nicht einholen soll. Hier verberge Sie sich in Eswarens entlehnte [313] Kleider, und gehe ungescheuet mit verhülleten Gesichte durch die Wache. Ich will inzwischen mit diesem Dolche den alten Rolim zu einem tödlichen Stillschweigen nötigen, mich gleichfalls der heiligen Kleidung bedienen, und unter dem Schutz der Gottheit getrost folgen.« – »O verzweifelter Anschlag!« antwortete die Prinzessin hierauf, »sollen die Götter solche Flucht segnen, so muß kein geweihtes Blut die Bahne besprützen. Dem sei aber wie ihm wolle, und ob alles nach Wunsch hinausliefe, so ist doch das Lösegeld vor solche Freiheit allzu kostbar, indem ich meine Keuschheit hier retten, und anderswo einbüßen soll. Sollte aber gleich das Absehen auf ein reineres Verbündnis gerichtet sein, so stehet doch dieses im Wege, daß ich mich nicht mehr vergeben, noch meine Liebe teilen könne. Dannenhero will ich viel lieber in Geduld anderwärtige Hülfe erwarten: Der Prinz von Tangu aber wird vergnügt sein, wenn ich mich selbtem mit solchen Danke vor diese Vorsorge verpflichtet achte, als es Ehre und Tugend zulässet.« Dem Zarang war mit Danksagung alleine nicht sonders gedienet, dannenhero er seinen Zweck ganz verrücket sahe. »Unempfindlichste Prinzessin!« redete er sie ferner an, »so können denn auch die Zeiten und das Unglück, welche sonsten Erzt und Marmor bezwingen, Ihr Herze nicht entsteinern? Ist denn meine Liebe so gar verhaßt, daß sie nur jederzeit mit verstopftem Ohr und stählernem Gemüte soll angenommen werden? O so weiß ich nicht, ob ich mich der Wehmut ergeben oder die Götter um Rache anflehen soll? Gewiß, eine solche Härte kann nicht unbestrafet bleiben, indem der Himmel selbst mit mir Mitleiden haben, und Ihr dermaleinst solches Unrecht empfindlichst vorstellen wird.« Die Prinzessin empfand auf dieses bewegliche Vorbringen, welches sie nicht anders, als auf Tugend gegründet zu sein vermeinte, fast einiges Mitleiden, daher sie ihn mit diesen Worten tröstete: »Mein Prinz, ich wollte Euch gerne ein Beileid gönnen, wenn ich nicht auch nur durch solches ein anderweitiges Band verletzte. Jedoch wo Ihr Euch keine törichte Liebe blenden lassen, noch die Grenzen einiger Ehrbarkeit überschreiten wollet, so wird Euch meine Höflichkeit niemals ein keusches Unterreden auch bei bessern Zeiten einen höflichen Scherz versagen. Ja ich schenke Euch als eine Freundin meine Gunst, wornach Ihr so ein heftiges Verlangen traget.« Zarang deutete dieses alles zu seinem Besten aus, und setzte sich selbst in lauter Vergnügung: [314] ja er kunnte sich nicht enthalten, ihre Hand zu küssen, welches sie ihm endlich auch erlaubte, in Hoffnung, ihn durch solche linde Pflaster zu heilen, und zu gesunder Vernunft zu bringen. Allein diese erlaubete Freiheit wurde in geilem Verstande von ihm angenommen, und er unterließ nicht, seine verhaßte Funke durch folgende Worte zu verraten: »Ich küsse Ihre Klugheit, schönster Engel, und den wohlbedachten Schluß, welchen Sie gnädigst gegen mich gefasset. Weil aber die Rosen ohne Mitteilung ihres Geruchs und der erstickte Ambra wenig Nutzen schaffen: so wird Sie mir, gütigste Banise, nicht verüblen, wenn ich um ein würkliches Merkmal Ihrer Huld von Ihren Lippen bitte. Denn wie kann ein zartes Kind der Mutter Liebe versichert sein, wenn sie nicht dasselbe bisweilen küssen wollte?« Die Prinzessin fand sich hierdurch nicht wenig beleidiget, jedoch verbarg sie noch ihr Mißvergnügen, und sagte nur dieses zu ihm: »Haltet Eure Lust im Zaum, und verstattet Eurer Begierde doch nicht so den Zügel, indem Ihr wissen sollet, daß ich bereits so gut als vermählet bin.« – »Das ist ganz unschädlich«, verriet er seine unzüchtige Gedanken ferner, »denn es können viel Schwane in einem Flusse baden, da doch dessen Flut im wenigsten gemindert wird.« – »Bezäumet Eure Lippen«, redete ihm die Prinzessin mit etwas härterer Stimme ein, »und gebet Euch nicht so gar bloß. Mich wundert, daß Ihr Euch durch törichte Brunst auf solche tolle Reden verleiten lasset.« – »Heißet dieses toll«, versetzte Zarang, »was uns die Natur befiehlet?« – »Die Natur«, erwiderte Banise, »will nicht, daß man die Ehe zerrütten soll.« – »Die Ehe bleibet unzertrennet«, war Zarangs Einwenden, »ob man gleich andere liebet.« – »Wehe dem«, antwortete Banise, »welcher durch solche Liebe Ärgernis verursachet.« – »Ei, die Liebe ist vielerlei«, wollte sich Zarang rechtfertigen, »man muß in den Grenzen bleiben.« – »Ja«, erwiderte Banise, »wer auf die Grenzen kömmt, der will sich auch ins Land wagen.« – »Dieser Einwurf tut mir nichts«, fing endlich Zarang an, »gnug, daß ich Sie lieben, und dasjenige mit Gewalt nehmen muß, was Sie mir so lange vorenthalten hat.« Mit welchen Worten er mehr als halb verzweifelt nach einem Kusse schnappte. Die Prinzessin aber stieß ihn mit diesen Worten zurück: »Unverschämter Prinz! welcher Wahnwitz verblendet Euch, daß Ihr Euch würklich unterstehen dürfet, eine versprochene Braut, ich will nicht sagen, kaiserliche Prinzessin, mit verbotener Liebe zu beleidigen.« [315] Zarang besann sich zwar sobald, und wollte diesen Fehler mit Worten büßen, indem er sagte: »Schönste Göttin, Sie verzeihe dem ...« – »Ja wenn ich Göttin wäre«, fiel sie ihm in die Rede, »so wollte ich Blitz und Blei auf Eure Verwegenheit regnen lassen, und das unzüchtige Herze in tausend Stücke zerreißen.« – »So fahret denn hin, ergrimmte Prinzessin«, antwortete der beleidigte Zarang, »in Eurer stolzen Meinung, jedoch sollet Ihr noch sattsam erfahren, was eine verzweifelte Liebe im Schilde führe.« Welche harte Worte und starke Reden den Rolim bewegten, sich wiederum in das Zimmer zu verfügen: Da er denn alsobald die falsche Eswara erkennete, und solche aufzufangen, die Wache herbeirufen wollte: Zarang aber war ihm zu hurtig, indem er zuerst die Tür erreichte, und solche von außen verriegelte, daß er in solcher Verstellung ungehindert wieder nach Hause gelangete, wiewohl er sich einiger Gefahr besorgete, und Pegu noch selbigen Tages verließ. Inzwischen wollte sich Eswara, als welche des unglücklichen Ausschlages noch unberichtet war, wieder zu der Prinzessin begeben, welche zuerst die verriegelte Tür eröffnete: sobald sie aber der Rolim ansichtig wurde, verwies er ihr diese Verräterei mit heftigen Scheltworten, ließ sie alsbald gefangennehmen, und als sie ohne Zwang ein freies Bekenntnis tat, wurde sie, indem sie durch fremden Tritt die Heiligkeit des Tempels entweihet, jämmerlich gesäbelt. Der Prinzessin aber wurden nunmehro zwei beeidigte Frauen zugegeben. In welcher Einsamkeit wir sie nach diesen zwei heftigen Liebesstürmen wollen ruhen lassen, und mit unserer Feder einen Rückflug nach dem Lager vor Odia nehmen, allwo wir die aracanischen Gesandten vor uns finden werden.

Diese hatten sich einige Tage zuvorhero gebührend bei dem Chaumigrem anmelden lassen, welcher ihnen mit dieser Antwort begegnet war: Es sollte ihm angenehm sein, wenn sie lebendige Zeugen der grausamen Rache, welche er von dem Könige in Siam nehmen würde, sein wollten. Inmittelst, als sich erwähnte Gesandten dem Lager genähert hatten, schickte ihnen Chaumigrem einige Großen mit dreitausend Pferden entgegen und ließ sie sehr prächtig in das Lager begleiten. Die Gesandten saßen auf zwei wohlgeputzten Elefanten, welche ihnen gleichfalls entgegengeschicket waren: Ihre eigene Begleitung aber, welche aus hundertundvierzig Aracanern bestünde, mußte vor den Gesandten herreiten. [316] Bei solchem Einzüge ließ Chaumigrem alle Stücke lösen, und mit Blasen der Trompeten ein grausames Feldgeschrei ertönen: zugleich aber auch aussprengen: Es ließe der König von Aracan einen Bund wider Siam und alle bramanische Feinde durch diese Gesandten antragen: um, wie er hoffte, die Siammer desto eher zur Übergabe zu zwingen. Als nun die Gesandten in ein herrliches Gezelt eingelagert, und ihre Leute um sie herum verleget waren, ließ sie Chaumigrem alsobald durch den Feldherrn Martong willkommen heißen, auch noch selbten Abend königlich bewirten. Wobei sich viel Großen des Reichs von Pegu als auch Kriegeshäupter einfunden, welche Befehl hatten, sowohl durch starkes Zutrinken als auch sonsten sich äußerst zu bemühen, damit sie noch vor der Audienz die Ursache ihrer Ankunft erfahren möchten. Weil man aber zu dieser Gesandtschaft die Klügsten des Reichs genommen hatte, ihren Leuten auch bei Strafe des schmerzlichsten Todes alle verdächtige Gemeinschaft mit den Peguanern verboten war: als war ein jeder vergebens bemühet, auch nur ein Wort hiervon zu erschnappen. Die Gesandten hielten indessen um schleuniges Gehör an: welche aber über acht Tage aufgehalten wurden, ohne daß man ihnen die geringste Hoffnung zu einiger Audienz gab. Denn Chaumigrem vermeinte, Odia zuvor zu erobern, dahero er mit grausamer Gewalt diese Zeit über fast Tag und Nacht stürmen ließ: weil aber die tapfern Siammer fast unüberwindlich zu sein schienen, mußten die Stürmenden jederzeit mit blutigem Verlust die Mauern verlassen. Als nun die Zeit denen Gesandten allzu lange fallen wollte, hielten sie noch einmal um Gehör an, mit Bedrohung, sie würden sonst ihre Verrichtung schriftlich hinterlassen, und wieder davonziehen müssen. Worauf sich endlich Chaumigrem entschloß, ihnen einen Tag, sie zu hören, anzuberaumen. Weil er aber des festen Vorsatzes war, die Stadt angesichts der aracanischen Gesandten zu erobern, und sich dadurch in ein schreckliches Ansehen bei ihnen zu setzen: ließ er Tages zuvor noch einen entsetzlichen Sturm auf die Festung wagen, in welchem es schien, nicht als ob er willens wäre, im Triumphe hineinzureiten, sondern auf einem ganzen Strom von Blute hineinzuschiffen. Er trieb selbst mit entblößtem Säbel die Seinigen zum Sturme, und hieb zuweilen vor Grimm die Weichenden mit eigner Hand nieder. Es schien, als wollte er diesmal die Stadt erobern, sollte gleich alles darüber zu Boden sinken, [317] und er vermittelst einer Brücken von lauter Leichen über die Mauern schreiten. Allein, zu geschweigen der innerlichen klugen Gegenbefestigung, womit sie ihre Mauern mehr als verdoppelt hatten, so erwiesen sich die Belagerten dergestalt, gleich als ob ihnen der Platz wie einer Schnecken die Schale angewachsen wäre. Ihre Mauern speiten Dampf und Feuer von sich, und die Schützen aus Tannassery gaben aus ihren gewißzielenden Röhren einen Bleiregen nach dem andern so häufig, daß die Feinde von ihrem eignen Blute durch und durch genetzt wurden. Den größten Verlust in diesem Sturme mußte Abaxar an seinem Orte, der ihm mit zehentausend Mann zu behaupten angewiesen war, empfinden. Denn als dieser mutige Held in Angesicht des Tyrannen sich unter die Fördersten stellte, auch am ersten die Höhe der Mauer erreichte, und mit eigner Faust ein peguanisch Fähnlein draufsteckte, welchem die andern frisch nachfolgeten: gaben die listigen Siammer willig die Flucht, und lockten den Feind bei fünftausend stark, welche in voller Hoffnung des eroberten Sieges hinter ihnen eindrangen. Nachdem es aber die Belagerten Zeit dauchte: ließen sie vermittelst einiger Abschnitte starke und verborgene Gegatter vorschießen, wodurch die Hintersten an der Nachfolge verhindert, die Fördersten aber gänzlich abgeschnitten wurden. Worauf es denn an ein greuliches Metzeln ging, also, daß nur Abaxar mit ungefähr fünfzig Mann gefangen und lebendig erhalten wurde. Die Ausgeschlossenen aber wurden teils zwischen den Mauern niedergemacht, teils über die Mauern dermaßen wieder zurücke gejaget, daß sie in Hoffnung, ihr Leben zu retten, Hals und Bein brachen. Also hatte endlich auch dieser blutige Sturm, welcher über dreiundzwanzigtausend Mann gefressen hatte, nach zehen Stunden ein auf Seiten der Belägerer unglückliches Ende. Jedoch konnte diese rote Flut bei dem Chaumigrem den Willen, Odia weiter mit Macht zu versuchen, nicht auslöschen: sondern je mehr sich das Glücke, oder vielmehr die Streitbarkeit der Belägerten, mit tapferster Gegenwehr bezeigete; desto verstockter beharrete er in seiner Eigensinnigkeit: ja je größern Schaden ihm der mutige Feind zufügte; je heißer entbrannte in ihm die Begierde, sich zu rächen. Ehe er aber was weiters wider Odia vornehmen ließ, wollte er zuvor die aracanischen Gesandten abfertigen, damit sie nicht fernere Zeugen seines blutigen Verlusts sein möchten: dannenhero er sie abermals auf wohlgezierten Elefanten[318] herzuholen, und alles auf das prächtigste anstellen ließ. Über fünfzigtausend Mann der Bestbewehrtesten mußten in vielfacher langen Ordnung von des Kaisers, bis an der Gesandten Gewalt stehen, durch welche die Aracaner durchziehen mußten. Nachdem sie etwan zweihundert Schritte von diesem Gezelte, welches wie eine kleine Festung von dem Lager abgesondert, und mit aufgeworfener Erde umschanzet war, angelanget, begaben sie sich von den Elefanten herunter, und gingen mit ihren Leuten unter Begleitung derjenigen, welche sie abholen müssen, bis an den vordersten Eingang; bei welchem vier Personen stunden, die jeden Gesandten bei den Armen faßten, und sie solchergestalt mit Zurücklassung der andern Aracaner vor den Kaiser führten. Dieser saß nun auf einem erhabenen und mit Golde reichlich gezierten Throne in einer vollen Kriegsrüstung: auf beiden Seiten stunden vierundzwanzig der vornehmsten Kriegshäupter, zu dessen Füßen aber saßen unterschiedene Reichs- und Kriegsräte. Den Thron umgaben zweihundert Trabanten mit silbernen Kolben. Die Decke aber des Gezeltes war von blauen Goldenstück, in welches Sonne, Mond und Sterne künstlich eingewirket waren: und die übrige Pracht schien mehr ein königlicher Hof als ein Feldlager zu sein. Sobald nun die Gesandten nach dreimaliger Ehrbezeigung sich dem Throne naheten, wurden sie ermahnet, mit bedecktem Angesichte auf den Knien ihre Werbung vorzubringen, welches sie aber durchaus nicht eingehen wollten, sondern Korangerim fing alsobald folgendergestalt an zu reden:

»Daß man, o König von Brama, niemals mit demjenigen, welches uns die Götter an Stand und Vermögen erteilen, vergnügt und zufrieden sei, solches ist eine allgemeine Würkung verderbter Natur, welche zu Bedeckung ihrer Schanden jederzeit den geflickten Mantel des verdammlichen Ratio Status entlehnen muß. Und wie uns dessen Xenimbrun, voriger Statthalter von Brama, ein klares Beweistum gibet; also sehen wir anitzo in des Chaumigrems Person einen frischen Nachfolger. Nun sind wir nicht deswegen von unserm großmächtigsten Könige und Herrn der Reiche von Aracan abgesendet, daß wir die gewaltsame Eroberung von Brama und Martabane untersuchen sollen: ob solche durch einiges Recht oder bloße Herrschsucht, oder, welches am füglichsten zu sagen, aus unerforschlichem Verhängnis der erzürnten Götter geschehen sei, welches wir an seinen Ort und zu des[319] Überwinders künftiger Verantwortung vor der Gottheit gestellet sein lassen: sondern es zwinget unser hohes Oberhaupt ein rechtmäßiges Mitleiden und die heilige Gerechtigkeit, uns seine Diener, gnugsam bevollmächtigte Gesandten, an den König von Brama abzufertigen, und die gefangene Prinzessin Banise als eine versprochene Braut des großen Königs von Aracan nebst ihren, durch unberechtigte Gewalt eroberten Erbreichen von Pegu aus seiner Hand unversehret wieder abzufodern. Wird nun diesem billigen Begehren Chaumigrem gebührend nachleben, die Prinzessin unter sicherm Geleite unbeleidigt nebst dem bisher gewaltsam besessenen Reiche Pegu abtreten und ausantworten: so soll ihm das Königreich Brama und Martabane willig gelassen, und alle wohlverschuldete Rache wegen des unschuldigen Blutes Xemindo wider ihm gänzlich eingestellet verbleiben. Bei unbefugter Verweigerung aber wird das Schwert ein unparteiischer Richter sein, und die Rache wird Brama bis an das äußerste Teil der Erden verfolgen.« Chaumigrem verstellte seine Gebärden über dieser Anforderung dermaßen, daß man den funkenden Grimm gleichsam aus den Augen blitzen sahe. Ob nun zwar dem bramanischen Oberkriegsrat die Beantwortung im Namen des Kaiser gebühret hätte, selbter auch bereits durch Aufstehen sich hierzu geschickt machte: so konnte doch der ergrimmte Chaumigrem seine Geduld nicht so weit verlängern, sondern antwortete den Gesandten selbst mit grauser Stimme: »Es ist zwar etwas Unerhörtes, einem freien Kaiser, welchen man das Haupt der Erden nennet, unter den glänzenden Waffen seiner siegreichen Macht mit solchen unbesonnenen Forderungen beschwerlich zu fallen: angesehen der König von Aracan vielmehr mein Schwert als ein Vasall küssen, und nicht damit drohen sollte: dannenhero auch Ihr wegen Eurer Verwegenheit desselben Schärfe zuerst erfahren solltet: weil uns aber das allgemeine Recht der Gesandten, und die Jugend Eures Königs vorbittlich in die Armen fällt, und den wohlverdienten Streich zurücke zeucht, so ziehet ohne einiges Verweilen wieder hin, beschreibet ihm unsere Gewalt, und hinterbringet ihm unsern Zorn, welcher ihn, wo nicht Bekehrung erfolget, wie Siam treffen dürfte. Inmittelst soll er vergnügt leben, daß er Aracan unter unserm Schutz und Lehnrechte geruhig besitzen möge. Die Prinzessin soll ihm auch, sobald wir Pegu im Triumph erreichet haben, übersendet werden, jedoch nicht eher, bis auch die Stallbuben ihre [320] Lust sattsam mit ihr gebüßet haben: alsdenn soll sie in einem Hurenkleide ihrem Bräutigam willig überliefert werden. So entfernet euch denn angesichts aus Gezelt und Lager, und wisset, daß auch die Macht des Himmels unsern Vorsatz nicht ändern soll.« Als nun die Gesandten diese wohl vermutete Antwort mit verdrießlichen Ohren angehöret, trat endlich Korangerim ohne einige Weitläufigkeit oder Ehrerbietung hervor, und redete den Chaumigrem folgendergestalt an: »Weil demnach euch, ihr vom unschuldigen Blute triefende Bramaner, nicht mit dem edlen Frieden gedienet ist: so raubet, mordet, schändet, senget und brennet nach eurem Belieben und Wohlgefallen: Es sei aber euch und eurem Könige hiermit von wegen und im Namen des großmächtigsten Königs Balacin und seiner sämtlichen Reiche ein öffentlicher und blutiger Krieg angekündiget, in welchem ihr euer unrechtmäßiges Vorenthalten und Blutvergießen in eignem Blute büßen sollet.« Nach welchen Worten beide Gesandten ihre vorhin mit Blut gefärbte Säbel entblößten, und solche in aller Gegenwart vor den Thron hinwurfen, sich auch alsobald aus dem Gezelte begaben, nach schleunigen Einpacken das Lager verließen, und ihre Rückreise wieder antraten. Chaumigrem wollte fast rasend werden, und so er nicht von den Seinigen aufgehalten worden, so hätten die Gesandten den Friedensbruch mit ihrem Blute bestätigen müssen.

Es hatten erwähnte Gesandten kaum die Tore zu Aracan erreichet, so wußte bereits jedwedes Kind von dem Kriege wider Pegu zu lallen: ja auch die schwachen Weibesbilder wollten ihr Leben vor die gefangene Prinzessin aufopfern, und die Felder um Aracan wurden in kurzem mit Waffen bedecket: indem die Wachsamkeit des tapfern Königs und die unermüdete Treue der gehorsamen Untertanen die Zeit dermaßen edel machten, daß es schien, als ob die Götter selbst Hand anlegten. In welchem Eifer wir die bemühten Aracaner in etwas wollen beharren lassen, und wieder zurücke nach Siam laufen.

Nachdem nun zwei ganzer Monat unter stetem Gefechte verstrichen, und sich die Peguaner an Odia ziemlich das Maul zerfallen hatten: Chaumigrem auch ein gefährliches Wetter von Aracan her besorgte: als fing die Ungeduld an, ihn zu erhitzen, daß er desto heftiger auf die gewaltsame Eroberung drang, je ferner die Hoffnung war. Inzwischen machten sich die tapfern Siammer zu möglichster Gegenwehr gefasset,[321] weil sie sich wohl einbilden konnten, daß ein oft wiederholter Schlag allzeit gefährlicher würde. Es wurde aber, indem ganz Odia mit Dampf und Blut erfüllet und umringet war, auch das Königliche Haus zu mehrerm Leidwesen mit einer hohen Trauerwolke verdunkelt: indem unversehens die Seele der jüngsten Prinzessin von Siam, Salagramma, ihren Leib und die beängstigte Burg verlassen hatte. Welche Entseelung dem Könige, besondern der Königin, als ihres einig wertesten Kindes, höchst schmerzlich fiel. Weil sich demnach bei deren Verbrennung sonderliche Zufälle ereigneten, welche bei folgender Geschichtserzählung nötig zu wissen sind: als wird der günstige Leser ein geduldiges Auge nachgesetzter Leichbestattung vergönnen, und hieraus die heidnischen Gebräuche der asiatischen Indianer ersehen. Sobald die Sonne ihre Strahlen dieser Trauerhandlung gewidmet hatte, sähe man auf dem weiten Platz vor dem Schlosse fünf hohe und von starken Mastbäumen aufgerichtete Türme, von welchen der mittelste etwan dreißig, die andern aber, welche ins Gevierte um den mittlern herumstunden, zwanzig Klaftern hoch waren. Diese waren alle dermaßen künstlich gebauet, und mit Gold und gemaltem Laubwerke so artig gezieret, daß es allen Anschauenden Lust und Verwunderung brachte. In der Mitten des größern Turms stund ein mit Gold und Edelgesteinen fast bedeckter Altar, sechs Fuß hoch von der Erden, auf welchen die entseelte Prinzessin in einem von feinem Golde daumensdicken Sarge gesetzet war: worinnen sie nicht lang, sondern gleichsam mit gefaltenen Händen und nach dem Himmel gerichteten Angesichte betende und aufgerichtet saß: Ihr Haupt bedeckte eine köstliche güldene Krone: und die übrige Kleidung war von güldenen Ketten und diamantnen Kleinodien recht königlich zusammengefüget: also daß man aus dem Leichenschmuck die Liebe der Eltern sattsam spüren konnte. Hierauf kamen die vornehmsten Mandarins nebst ihren Frauen in ganz weißer Kleidung, nur von feiner Leinwand, welche weder durch Gold oder andern Zierat beleget war. Diese bestreueten nun die Verstorbene mit den traurigsten Gebärden, als welches die letzte Ehre, mit eigener Hand voll Blumen und andern köstlichen Räuchwerk. Nach diesem wurde die Leiche von dem Altar genommen, und auf einen erhabenen Thron oder vielmehr Triumphwagen mit Golde überzogen, gebracht, und daselbst allen Großen des Reichs gewiesen. Auf welches Erblicken alle [322] vornehme Frauen auf das jämmerlichste zu heulen und schreien begunnten, und dadurch ihre empfindlichste Traurigkeit möglichst zu erkennen gaben. Nach diesem Wehklagen wurde der Thron von einigen Staatsmännern ganz langsam nach dem Orte, wo die Leiche dem Feuer sollte geopfert werden, hingezogen: welchen obgemeldete Mandarinen und Frauen in guter Ordnung betrübt folgeten. Zuförderst ritte Prinz Nherandi auf einem schönen jungen Elefanten in ganz Weiß gekleidet, sein Angesichte entdeckte eine tiefe Traurigkeit, die brennenden Augen aber verrieten bald die feurige Begierde, sich wieder auf die Mauern und dem Feinde beherzt entgegenzustellen. Nebenst ihm ritten auf beiden Seiten zwei vornehme junge Mandarinen auf Elefanten, deren jeder wie auch der Prinz, einen langen seidenen Flor, welcher an den Sarg angemacht war, gleichsam als ob sie den Thron zögen, in der Hand hatten. Zu jeder Seiten des Wagens oder Throns gingen vierzehen königliche Kinder zu Fuß, gleichfalls in weiße Leinwand gekleidet, deren jedwedes einen grünen Zweig in der Hand trug, und durch bitterliches Weinen ihr Betrübnis mit niedergeschlagenen Augen sattsam bezeigeten. Auf dem Wege, welchen diese Trauergesellschaft durchwandeln mußte, waren zu beiden Seiten etwa zwanzig Klaftern voneinander, unterschiedliche Schaubühnen aufgerichtet, auf welchen die Mandarinen vom gemeinen Staat saßen, und jederzeit, sobald die Leiche vor sie kam, eine große Menge allerhand Kleider unter das gemeine Volk auswurfen. Andere streueten Pomeranzen, deren teils mit Ticols 9 teils mit Maser 10 gefüllet waren, wodurch so ein heftiger Zulauf des Volkes entstünde, daß durch den großen Gedrang acht Personen der königlichen Leiche gleichgemacht worden. Nachdem sie nun vor dem Traueraltar angelanget, wurde die Leiche unter einer beweglichen Musik von vielerlei Instrumenten durch die größesten Mandarinen vom Wagen abgehoben, und mit tiefster Ehrerbietigkeit auf den Altar gesetzet. Die Leiche aber wurde mit viel Sandel- und Agorholze umlegt, und zugleich vielerlei Räuchwerk an Spezereien, wohlriechenden Kräutern und Balsam geworfen. Worauf sich die königlichen Kinder nebst den Mandarinen wendeten, und wieder nach dem königlichen Schlosse begaben. Die Frauen aber blieben bei der Leiche, weil solche noch zwei Tage ohne Flammen [323] stehen sollte. Diese saßen Tag und Nacht um den Altar herum mit so lautem Klaggeschrei und Weinen, daß sich zu verwundern war, wie sich ein Frauenzimmer wider ihren Willen, angesehen es den wenigsten ums Herze war, zu solcher Wehmut zwingen, und so kläglich gebärden kunnte. Wiewohl sie auch hierzu sich nicht wenig genötiget befanden: Denn es waren gewisse Weiber bestellet, welche diejenigen, welche nicht gnugsam weineten, mit Stricken dermaßen zuschlugen, daß sie öfters vor Schmerzen wahrhaftig schreien und weinen mußten. Neben erwähnten kostbaren Türmen war eine treffliche Schau bühne etwas davon aufgerichtet, mit sehr dicken und vergüldten Papier bedecket, auf welcher die größesten Pfaffen des Reichs und rund umher auf Tonnelen noch andere in unglaublicher Menge saßen, die insgesamt ihr Gebet vor die Verstorbene verrichteten. Aus andern zwanzig Türmen aber, welche von Bambus sehr zierlich erhöhet, mit starken vergüldeten Papier, gleich der Schaubühne, bekleidet und in einer Ordnung nebeneinandergesetzet waren, wurden beide Abende, nach Untergange der Sonne bis an den Morgen, köstliche Feuerwerke angestecket. Alle diese Zurüstungen nun und deren Unkosten beliefen sich auf fünftausend Catti-Siams 11 Silber ohne die güldenen und silbernen Bilder, worunter zwei ganz güldene, fünftehalb Fuß hoch und zwei daumendicke waren: welche zu Ehren der verstorbenen Prinzessin in dem Haupttempel des Reichs als ein künftiger Raub des Feindes aufgesetzet wurden. Nach verflossenen zweien Tagen wurde die endliche Verbrennung des Leichnams mit großem Gepränge unter dem Klange vieler Instrumenten vorgenommen, da denn der König mit eigner Hand durch eine Fackel den Brand anzündete: wodurch nicht allein der kostbare Schmuck, sondern auch der güldne Sarg verbrennet, und zunichte gemacht wurde. Welches ein klägliches Vorspiel des in etlichen Tagen erfolgenden Jammer-Brandes der ganzen Stadt war. Hierbei begab sich nun dieser merkwürdige Fall, daß man, indem nach verloschenem Brande die Asche und überbliebenen Gebeine in einen güldenen Krug zur Beisetzung gesammlet worden, ein Stücke blutiges Fleisch in der Größe eines Kinderhauptes ganz unversehret liegen fand. Worüber der König, welcher abermals mit eigener Hand die Gebeine zu Bezeugung väterlicher Liebe sammlen helfen, heftig erschrak, und den dabeistehenden Sabartibam um sein [324] Bedünken fragte, was dieses bedeutete? Sabartibam, welcher dieses vor eine Zauberei hielt, wollte nichts anders sagen, als S.M. würden die Bedeutung wohl selbst leichtlich ermessen können. Der König schien vor Schrecken ganz aus sich selbst zu sein, und sagte: »Nun befinde ich in der Tat, dasjenige wahrhaftig zu sein, woran ich lange gezweifelt habe, nämlich, daß meine Tochter mit Gift vergeben sei, und rufet mich dieses rohe Fleisch noch um blutige Rache an.« Worauf er sich alsobald ins Schloß verfügte, und noch dieselbe Nacht alles Frauenzimmer, welches der Prinzessin bei Leben aufgewartet, gefänglich einziehen ließ: Der folgende Tag ward gleichfalls mit Gefangennehmung aller derjenigen, welche auch bereits vor einem Jahre nur mit der Prinzessin umgegangen waren, zugebracht. Hierauf sähe man ein abermaliges jämmerliches Vorspiel der blutigfolgenden Eroberung. Denn der König blieb dabei, seine Tochter sei durch Gift hingerichtet worden, ohne daß man die wenigste Gewißheit hievon haben, oder jemand beschuldigen kunnte. Solches aber genauer zu erforschen, wurde diese grausame und betrügliche Untersuchung ins Werk gestellet. Der König ließ unterschiedene Mandarinen und Herren unter dem Vorwand wichtiger Beratschlagung nach Hofe rufen: als sie aber erschienen, alle ins Gefängnis werfen, wodurch viel unschuldige und meistens große Personen, sowohl Männer als Frauen, in die Haft gerieten. In dem Schloßzwinger wurden hierauf etliche seichte Löcher zwanzig Fuß weit ins Gevierte gemacht, und voll Holzkohlen gelegt, welche durch hierzu bestellete Soldaten angefeuret wurden. Die Beklagten führte man mit gebundenen Armen herbei, welche man nicht eher losmachte, bis sie in den verschlossenen Kreis der Soldaten eingetreten waren. Nach diesem setzte man ihren Schenkel in ein Gefäß heiß Wasser, damit die Härte der Fußsohlen weich gemacht würde, welches etliche Sklaven mit Messern abschaben mußten. Wie nun dieses geschehen, wurden sie von einigen Pfaffen zu einer freiwilligen Bekenntnis angemahnt; weil sie aber solches beständig leugneten, wurden sie beschworen, und den Soldaten übergeben. Diese zwungen nun die armen Menschen mit bloßen, und zuvor bis aufs Blut geschabten Füßen über die in voller Glut liegenden Kohlen zu laufen: nach welchem heißen Laufe man jedwedem die Füße besahe, welche nun verletzt waren, die wurden vor schuldig gehalten, und wiederum gebunden. Es war aber kein einiger, welcher unverletzt [325] geblieben war, obgleich deren ein Teil mit verwunderlicher Geschwindigkeit durch das Feuer flohen. Etliche fielen gar darein, kunnten sie nun herauskriechen, so waren sie zwar vom Feuer, nicht aber vom Tode errettet, blieben sie aber liegen, so mochten sie jämmerlich verderben: indem keinem bei hoher Strafe einige Handreichung zu tun, erlaubet war: daß auf solche Weise unterschiedene lebendig braten, und verbrennen mußten. Unferne hiervon stunden etliche Elefanten, welche in Siam jederzeit des Henkers Stelle vertreten müssen. Welche nun, und zwar alle, vor schuldig erkennet worden, die band man an einen Pfahl, und legte sie vor die Elefanten. Wenn nun der Elefant an einen dieser bedeutenden Missetäter angeführet ward, ging er etliche Mal mit grausamen Brüllen um ihn herum, edlich fassete er ihn mit dem Rüssel, warf ihn mit Gewalt in die Höhe, und fing ihn mit den scharfen Zähnen durch den Leib wieder auf, von welchen er den Körper schüttelte, und mit den ungeheuren Tappen dermaßen zertrat, daß ihm das Eingeweide heraussprang. Die zerschmetterten Körper wurden nach einer großen Gruben geschleifet, und da hineingeworfen. Weil sich nun die Zahl der so jämmerlich hingerichteten Personen merklich vermehrete, als wurde der Boden überall von dem häufigen Menschenblute dermaßen gefärbet und glatt gemachet, daß auch die henkermäßigen Elefanten keinen gewissen Tritt mehr tun kunnten. Dieses war nun die gemeine Strafe. Die andern mußten noch schmerzlichere Todesarten empfinden, denn ein Teil wurde auf dem Wege, wo man am meisten zu gehen pflegte, in die Erde bis an den Hals eingegraben, und ein jedweder, der vorüberging, mußte sie bei Leibesstrafe anspeien. Unterdessen durfte sie niemand töten, viel weniger ihnen einen Trank Wasser reichen, oder die geringste Güte tun, bis diese armseligen Menschen, von der Sonnen halb gebraten, vor Durst verschmachteten. Tausendmal baten sie um die große Gnade ihres Todes. Allein die Tyrannei hatte ihre Ohren verstopfet, und mußten also über tausend Personen erbärmlich umkommen. Man hielte davor, diese Tyrannei des Königs wäre nicht sowohl auf die Giftmischer als auf den Adel angesehen, weil dem Pöbel ein großer Gefallen geschahe, und sich dadurch der König freiere Hand machte. Ob nun gleich der Prinz Nherandi aufs beweglichste seinen Herrn Vater von solcher Tyrannei abzuführen trachtete, mit Vorstellung, wie man solche Blutvergießen wider den Feind [326] versparen sollte, und wie leicht man den allbereit entbrannten Zorn der Götter zu äußerstem Untergang des Reichs noch heftiger vermehren könnte; allein der tugendhafte Prinz wurde mit einer so unangenehmen Antwort abgefertiget, daß er sich entschloß, Tag und Nacht auf der Mauer zu bleiben. So stecke demnach, grausamer Higvero, dein Mordmesser wieder ein, und bedenke, daß die Rache dieses unschuldigen Bluts bereits vor dem Tore ruhe. Was sage ich ruhe? vielmehr wache, weil der Feind bereits den Säbel auf deinen Hals wetzet, und in wenig Tagen eine solche Rache vollstrecken wird, dergleichen in Asien niemals erhöret worden. Doch ich rede mit Steinen, ja ich gieße nur Öl ins Feuer, welche Flamme auch die unschuldige Prinzessin Fylane betreffen sollte. Diese war des Königs leibliche, doch von der ersten Gemahlin erzielte Tochter, eine leibliche Schwester des tapfern Prinzen Nherandi, und mußte jederzeit den gewöhnlichen Haß ihrer Stiefmutter, als jetzigen Königin, sattsam empfinden. Wie aber dergleichen Personen allgemeine Probiersteine kindlicher Geduld zu sein pflegen: und diese Wurzeln insgemein allen Saft väterlicher Gunst denen Nebenzweigen zu entziehen trachten: Also mußte auch hier die fromme Prinzessin unschuldig entgelten, was der Tod an ihrer Stiefschwester verübet hatte. Hierzu kam nun die verliebte Rache vorerwähnten Sabartibams, welcher als ein vornehmer Reichsfürst ehemals sich um ihre Liebe beworben, derselben aber nicht teilhaftig werden können: Weil er denn dieses vor eine erwünschte Gelegenheit, seine vergebene Liebe zu rächen, hielt, verfügte er sich sofort zu der Königin mit diesem fälschlichen Berichte: Er habe noch bei Lebzeiten der Verstorbenen, die Prinzessin Fylane sich zu unterschiedenen Malen beklagen hören, wie die jüngere Prinzessin nicht allein mehr Ehre und Liebe von dem königlichen Herrn Vater als sie genösse, sondern auch sie hierdurch nicht in geringe Verachtung durchgehends gesetzet würde: Dahero sie ein Auge aus dem Kopfe verlieren wollte, wenn dieser Hinderungs-Stein ihres Ansehens aus dem Wege geräumet wäre. Aus welchen verdächtigen Worten leichtlich eine verdächtige Folge könnte geschlossen werden. Die Königin empfing, als ein guter Zunder, diese Funken gar bald, und vertröstete, ein großes Feuer hieraus zu machen: Dahero sie sich in das Gemach des betrübten Königs mit zerstreueten Haaren und tränenden Augen begab, und ihm diese erdichtete Mutmaßung dermaßen scheinbar vorbrachte, [327] daß es nicht allein der König glaubete, sondern auch ohne Betrachtung seines Fleisches und Blutes, viel weniger ihres hohen Standes, befahl, die unglückselige Prinzessin mit silbernen Ketten zu binden, und nebst ihrem Frauenzimmer zur Feuerprobe zu führen. Diese Zornglut wußte die arge Stiefmutter dergestalt zu unterhalten, daß sie um ein großes vermehret wurde, als sie ferner vorbrachte: Die Prinzessin Fylane habe bei Ausführung der Entseelten jederzeit gelächelt, obgleich ganz Odia sein Beileid durch Tränen bezeuget hätte. Woran doch nicht ein lasterhafter Vorsatz, sondern ihre angeborne holdselige Freundlichkeit schuld war. Zu verwundern ist es, wie sich ein väterliches Herze durch fremdes Fleisch sein eigenes Geblüte könne lassen verhaßt machen: Allein hier mußte die Verwunderung den Finger auf den Mund legen, weil öfters, obzwar ein ehrlicher, doch unordentlicher Begierdensrauch die Flamme natürlicher Liebe ersticket. Hier hatte nun eine boshafte Stiefmutter den Zweck ihres Hasses erreichet, und der scheltenswürdige Sabartibam erblödete nicht, seine unbefugte Rache auch mit so zarten Blute zu kühlen. Der Tag hatte kaum dem ungewissenhaften Vater die Ruhe verstöret, so befahl er, die betrübte Prinzessin nebst ihrem Frauenzimmer vorerzähltermaßen durch das Feuer zu leiten: Und damit ja keine Unbarmherzigkeit unterlassen würde, so hielt die ungerechte Königin beweglich an, dem Sabartibam die Vollziehung dieses grausamen Befehls aufzutragen: worein der verblendete König bald willigte, und jener diese Verrichtung mit Freuden auf sich nahm. Wiewohl solches alles in solcher Stille vorgenommen ward, daß Prinz Nherandi nicht das geringste davon erfuhr. Nachdem aber dieses zarte Bild durch das Feuer getrieben worden, befand man, wie leicht zu erachten, die Schenkel erbärmlich zugerichtet und verbrennet: Das andere Frauenzimmer, obgleich keines unbeschädiget davon kam, wurde doch vor unschuldig erkläret, und losgelassen: Die Prinzessin ward sofort dem hohen Gerichte der alten Mandarinen vorgestellet, welche ihr mit Bedrohung ärgster Marter zuredeten, wie sie diese schändliche Tat in der Güte bekennen, und hernach die Beschleunigung des Rechtens gewärtig sein sollte.

Die trostlose Fylane vermochte vor häufigen Tränen kein Wort vorzubringen, und schmerzte sie nicht so sehr das Feuer, als die grausame Schmach, welche ihr aus verbitterten Hasse einer vergälleten Stiefmutter und gehässigen Liebhabers [328] unschuldigst zugefüget worden. »Gerechte Götter!« hub sie endlich mit wehmütigster Stimme und gen Himmel gerichteten nassen Augen an, »die ihr Herzen und Gemüter zu erforschen pfleget, zählet diese meine Tränen, und lasset euch meine Seufzer, welche ihren Ursprung aus meiner Seele nehmen, befohlen sein. Schauet, wie diese Burg ein Schauplatz geworden ist, wo man nichts als Unschuld verbrennen siehet. Gerechter Himmel! höre meine Wehmut, weil mir das stumme Leid Rede und Zunge bindet. Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht so schmerzlich als die schwarze Flamme der Verleumdung mein Herze berühret, denn wo dieses Feuer in den Palästen brennet, da muß auch das güldene Bild der Unschuld schmelzen. Ob ich nun zwar vor dem heiligen Angesichte der Götter und eurer Gegenwart, o ihr Richter, mich auch der geringsten Missetat nicht schuldig geben kann, auch außer einer erbosten Stiefmutter und einem verbitterten Liebhaber niemand wider mir, doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß sein: Dannenhero ich mich viel lieber zu dieser ungeschehenen Tat freiwillig bekennen, und den darauf gesetzten Tod geduldig leiden will. Ich gestehe diesen Mord, und bitte nun nichts mehr als um die Beschleunigung meines Todes, damit ich nur nicht der Welt zu Spotte länger leben dürfe.« Durch diese Rede wurden viele der alten Mandarinen so sehr zum Mitleiden bewogen, daß wo ihnen nicht des Königs Grimm vor Augen gestanden hätte, sie leichtlich Mittel zu der Prinzessin Erlösung würden gefunden haben. Doch die Furcht kehrete ihre Herzen von diesem guten Vorsatz ab: und hinterbrachten sie dem Könige ihre freiwillige Bekenntnis. Wie solches der tyrannische Vater vernommen, befahl er alsobald dem Sabartibam, einen Holzstoß zubereiten zu lassen, auf welchem die trübselige Fylane ihre Unschuld auch in der Glut bewähren sollte. Des Königes Befehl war nicht so bald geschehen, so waren inner wenig Stunden auf Anordnung der Königin alle Zubereitungen fertig, und wurde mit ihrer Hinrichtung um soviel desto mehr geeilet: weil das Geschrei kam, wie der Feind einen allgemeinen Hauptsturm wollte anlaufen lassen. Diese Verbrennung nun desto ansehnlicher zu machen, befahl die vermeinte väterliche Gnade, den Abaxar nebst funfzig Mitgefangenen bei dem Feuer zu opfern, und sie ihr nach heidnischer Meinung zur Aufwartung in jene Welt nachzuschicken. Welche denn noch eher als die Prinzessin zu dem Holzstoße hingeschleppet [329] wurden. In kurzem sähe man die betrübte Prinzessin zwischen vier Frauensbildern mit vielen Soldaten umgeben aus dem Schlosse unter schweren Ketten in so erbärmlicher Gestalt geführet kommen, daß auch die Steine zu Mitleiden hätten sollen beweget werden: Der König aber war von seiner schmeichelnden Gemahlin dermaßen eingenommen, daß er auch nicht erblödete, den Tod dieses seinen schönen Kindes in Person anzusehen: dannenhero er sich nebst der Gemahlin auf einen unfern gesetzten kleinen Thron verfügte, diesen Jammer unempfindlichst mit anzusehen. Sabartibam vertrat indessen die Stelle eines fleißigen Henkers, indem er sowohl alle Anstalt zum Opfer der Gefangenen, als auch zum Brande, mit eifrigster Bemühung machte.

Als nun die barbarische Stiefmutter die Prinzessin in jämmerlichsten Anblicke ihren Tod erwarten sahe: wurde sie zu noch größerer Grausamkeit, durch ihr böses Gemüte, angefeuert, daß sie auch sagen durfte: »Weil diese Mörderin meinem Kinde auch nicht die Ruhe ihres Fleisches in der Asche gönnen wollen, also, daß sonder Zweifel aus Zauberei ein Stücke in seinem Blute liegen müssen: so ist es höchst billig, daß man sie zwinge, sich ebenfalls ein solches Stücke Fleisch aus ihrem Leibe mit eigner Hand zu schneiden, und ins Feuer zu werfen.« Wie solches die vorhin elende Prinzessin hörte, befiel sie ein rechtmäßiger Grimm, welcher ihr diese Worte in den Mund legte: »Ha, blutbegierige Bestie! du bist zwar eine Henkerin meines Leibes, aber doch noch viel zuwenig, meinen Willen zu zwingen, oder mein Gemüte zu beherrschen. Die erschreckliche Schlange des höllischen Rauchhauses wird deine Dräuung an dir erfüllen, und dich statt meines Vaters mit schwarzen Geistern vermählen. Ob ich nun zwar von aller Welt verlassen bin, und mir derjenige, welcher mir das Leben gegeben, statt dessen den Tod gewähret: so will ich doch auch sterbende die väterliche Hand küssen, und die kindliche Liebe nicht im geringsten beleidigen. Dieser wangenabrollende Angstschweiß aber soll ein herber Zeuge meiner reinen Unschuld sein: ja meine Unschuld soll siegen, und Mutter und Henker verlachen, wenn schon mein unbeflecktes Blut in dem Feuer zischen wird. Ihm, wertster Herr Vater, wünsche ich, daß die Götter diese Tat vergessen, und die Rache von Dessen Haupt abwenden wollen. Ich sterbe als ein unschuldig gehorsames Kind. Dir aber, allerliebster Bruder Nherandi, der du noch meinen Tod erst mit [330] innigstem Jammer erfahren sollst, sage ich die letzte gute Nacht, und schicke dir durch die Luft den letzten Abschiedskuß.« Mit welchen Worten sie sich zu dem heißen Antritt bequemen wollte. Es war aber unmöglich, daß hier die Natur auch sollte zur Stiefmutter werden: indem endlich dem Könige die Tränen aus den Augen drangen, und das brechende Herze diese Worte unter einem tiefen Seufzer herausstieß: »Ach! wollten die Götter, es unterstünde sich jemand deine Unschuld zu behaupten, so wollte ich leicht zum Beifall zu bewegen sein.« Da ihn denn zugleich ein heftiger Angstschweiß überfiel: obzwar das mörderische Höllenkind Sabartibam bereits den Stoß anzuzünden begunnte, befahl doch der König, noch etwas innezuhalten. Währenden diesen Trauerspiels stand nun Abaxar unfern des königlichen Thrones in Ketten und Banden, und hatte über der Schönheit der Prinzessin, welche wie ein Licht, welches jetzt zu löschen beginnt, die meisten Strahlen von sich warf, fast seines eigenen Todes vergessen. Sein Heldenmut konnte sich nicht zwingen, wehmütige Tränen über den erbärmlichen Anblick der Fylane zu unterlassen: und hätte er gerne einen hundertfachen Tod erduldet, wenn solcher nur das Leben der schönen Prinzessin hätte retten mögen. Weil er nun so nahe dem Throne stund, daß er das seufzende Verlangen des Königs gar wohl vernehmen konnte: so ermunterte er sich dermaßen, daß er durch heftiges Schwirren seiner Ketten alle Anwesende zum Aufmerken bewog: dahero er nach sotaner Stille sich gegen den König wendete, und ihn also anredete: »Die Götter haben meine Ohren eröffnet, daß ich den Wunsch, welcher aus einem mitleidigen Vaterherzen gequollen, wohl vernehmen können. Weil ich denn dieser schönen Prinzessin ihrer Unschuld wohl versichert bin, so hindert mich die betrügliche Feuerprobe gar nichts, daß, weil andere Mittel völligern Beweises anjetzo gebrechen, ich erbötig bin, unter Bedeckung eines Schildes mit einem festen Stabe in der Hand, ihre unfehlbare Unschuld wider einen jedweden, er sei bewaffnet wie er wolle, behaupten und verteidigen will.«

Ob nun zwar die Königin viel Einwendens machen wollte; so war doch dieser Vortrag dem Könige angenehm, und Sabartibam wollte vor Eifer bersten, daß er sich in seiner blutigen Rache sollte verhindert sehen, weil ihm aber Abaxars Erbieten sehr verächtlich vorkam, und solches einzugehen, vor ein leichtes Entschließen hielt: als erbot er sich nur mit [331] einem Säbel in der Hand dem Abaxar zu begegnen. Dannenhero zu jedermanns Vergnügen Abaxar sobald aller Ketten benommen, auf freien Fuß gestellet und mit begehrten schlechten Waffen versehen ward. Die Prinzessin stund inzwischen als in einem Traum, und konnte sich nicht einbilden, daß einiger Mensch gütiger als ein Vater sein sollte, jedoch bedung sich Abaxar zuvor dieses aus, daß sein Sieg die Prinzessin gänzlich befreien, und die ihr zugedachte Glut des erlegeten Feindes Körper verzehren sollte. Welches auch sofort von dem Könige bewilliget, und den Mandarinen, als vorigen Richtern, beschworen ward: Sabartibam schäumete inzwischen wie ein Eber, und weil es sich in etwas vorzog, hieb er vor Ungeduld und Zorn in den Holzstoß. Abaxar aber verließ sich auf die Hülfe der Götter und auf seine ungemeine Stärke, welche die Größe des Leibes weit übertraf. Alle Anwesende schickten ingeheim ihre Seufzer vor den Abaxar himmelan: und niemand außer der lasterhaften Königin wollte auch nur mit einem ersprießlichen Wunsche dem Sabartibam beistehen. Hierauf nun stellete sich Abaxar in ein bequemes Lager gegen seinen Feind, welcher ihn alsobald im ersten Streich voneinanderzuspalten vermeinte, und mit solcher Ungestüm auf ihn einstürmte, daß man auch die Bosheit der Königin an des Abaxars Schilde erkennen konnte: indem sie ingeheim einen solchen losen Schild reichen lassen, welcher auf den andern Streich dem Säbel weichen und zerspringen mußte: dannenhero Abaxar nicht ratsam erachtete, viel Federlesens zu machen, sondern einen Streich auf den Rücken, welcher doch flächlings geriet, auszuhalten, dahero er mit gebücktem Leibe den vor Zorn rasenden Sabartibam dermaßen unterlief, daß er mit ihm übern Haufen fiel. Hier hatte Abaxar den Sieg bereit in Händen, indem er mit der linken Hand des Sabartibams Faust, worinnen er den Säbel hielt, begriff, mit der rechten ihm aber dermaßen die Gurgel beklemmte, daß ihm der Atem und alle Kraft entging, und er also auch leicht den Säbel ihm auswinden konnte, womit er ihm im Augenblick über die Gurgel fuhr, und mit einem Schnitte ihn vollend des Lebens beraubte, worauf er ihm das Haupt heruntersäbelte, und solches auf den Knien vor der Prinzessin Füße legete.

Es war kaum verrichtet, so war die Luft von einem allgemeinen Freudengeschrei des jauchzenden Volkes erfüllet, zugleich aber stürmete Prinz Nherandi, welcher dieses spät erfahren, [332] mit dreißigtausend Mann auf den Platz, um seine geliebte Schwester zu retten; hätte aber der tapfere Abaxar nicht ihren Tod auf diese Art hintertrieben, so würde der Prinz allzu spät angelanget sein: welcher mit gleichen Schritten auf die Prinzessin zueilete, ihr die Ketten abnehmen, und sie unter der Verwahrung der treuen Völker ließ. Nach diesem vergaß er ziemlich seiner kindlichen Ehrerbietung, indem er sich nach dem Könige und seiner Gemahlin mit diesen Worten umwendete: »Unartiger Vater! verdammete Stiefmutter! Ist dieses in ganz Asien erhöret worden, daß man aus vergälltem Angeben eines unverschämten Weibes sein eigen Fleisch und Blut, ich will nicht sagen königliche Prinzessin, dem Henker überantwortet, und sich nicht an ders gebärdet, als ob man in größter Sicherheit lebte, da man nur in eignen Adern nach Belieben wüten möchte. Pfui der Schande! welches auch von den Menschenfressern nicht wird gebilliget werden, als welche die feindlichen Körper fressen, der ihrigen aber verschonen. Kommet nur mit mir auf die Mauern, und schauet, wie der Feind den Säbel wetzet, und die Zähne auf uns blöcket, so wird Euch der Blutdurst leicht vergehen. Ich muß mit diesen tapfern Leuten Tag und Nacht in Hitze und Frost unter den sausenden Kugeln und Pfeilen ohne Speise und Ruhe zubringen, und unsere Seelen dem Feinde vor die Stadt opfern: Ihr aber hingegen wollet auch den Feind an Grausamkeit übertreffen, und da nur der Feind gegen Feinde kämpfet, so verschonet Ihr auch der Freunde nicht. Ich habe allbereit den Stifter dieses Mordspiels erfahren«, sähe er die Königin mit ergrimmten Augen an, »und wo ich nicht meines Hauses und meines Säbels, welchen ich nicht mit eines so vermaledeiten Weibes Blute beflecken will, verschonte, so sollte die Schmach meiner Schwester mit Eurem Blute abgewaschen werden.« Worauf der König nebst ihr aus Scham des blöden Gewissens alsobald den Platz verließen: Abaxar aber erzählete dem Prinzen alle Begebenheit umständlich, worauf der Körper des Sabartibams dem Volke übergeben ward, welcher in tausend Stücke zerhackt, auf den Holzstoß geworfen, und zu Pulver verbrennet wurde: die Prinzessin aber wurde unter der Hand des Abaxars in einem Palast von fünfhundert Mann bewacht, damit ihr ferner nichts Übels begegnen möchte. Welche Zeit denn Abaxar dermaßen wohl anwendete, daß Fylane wünschte, Abaxar möchte zu Kronen geboren, und also ihrer Liebe [333] würdig sein. Kurz, Abaxar hatte sich so weit bloßgegeben, daß die Prinzessin Gelegenheit verlangte, in allem des Abaxars keuschen Begehren nachzuleben, welche verliebte Reden vorzubringen der enge Raum untersaget, und der begierige Leser wohl selbst wissen wird, was er vor Worte in dergleichen Begebenheiten gebrauchen wollte.

Wir lassen nun unsere Feder abermals zum Überläufer werden, welcher sich aus der Stadt in des Feindes Lager begibt. Diesen treffen wir nach einer zwölftägigen Ruhe in einem muntern Zustande an, und Chaumigrem flammte vor Begier nach schleuniger Eroberung: welche Hoffnung ihn auch nicht fehlen ließ. Denn keine Stadt in der Welt kann ihren Wällen und Mauren, wären sie auch gleich von lauter Eisen, so viel zutrauen, daß sie der Unüberwindlichkeit vergewissert wäre: zumal wenn sie von keinem Entsatze weiß, und ihr entweder alle Zufuhr benommen ist, oder ein ehrsüchtiger und blutdürstiger Tyrann, der Menschenblut und Wasser in gleichen Preis stellet, ihr mit großer Gewalt zusetzet, und mit seiner Menge allen Widerstand übertrutzen kann. Denn Chaumigrem wollte viel lieber seine Armee weder seine Entschließung zuschanden gehen lassen. Sein Leben und Wille galt ihm gleich viel, und darum aller seiner Völker Köpfe desto weniger. Zu dem Ende foderte er alle seine Generals, Oberste und Hauptleute zusammen, und gab ihnen zu verstehen: Wie dieser Ort ihm so feste an das Herze geknüpft wäre, daß er viel lieber sterben, nur nicht mit Schimpf davon abweichen wollte. Darum stehe ein vor allemal der Entschluß unumstößlich: noch einen Hauptsturm zu wagen, und darinnen sein Leben entweder heldenmütig aufzuopfern, oder anders nicht denn mit Triumph in die Stadt einzuziehen. Niemand durfte diesem brüllenden Löwen widersprechen; aus Furcht, die Sprache gar drüber zu verlieren. Dahero sie bald dareinwilligten, und nur einen Tag Frist baten: nach welchen sie ihre äußerste Kräfte zu endlicher Eroberung der Stadt anwenden wollten. Worauf alles, was nur Bogen und Säbel zu führen vermochten, sich zum Sturme gefaßt machen mußte.

Als nun der blutige Tag angebrochen, an welchem es schien, ob wollten die Götter wegen des nächst-unschuldig-vergossenen Bluts Rache von Odia fodern: mußte sich die ganze Armee in Schlachtordnung stellen, welche Chaumigrem in eigner Person zu Pferderings um besichtigte. Hierauf forderte [334] er abermals alle Kriegshäupter in einen Kreis zusammen, und redete sie mit diesen Worten an: »Ihr meine Feldherren, Obersten, Hauptleute und alle andere, welche die Götter unter meinen Gehorsam gesetzet haben! Gedenket nicht, daß ich heute diesen Sturm endigen werde, ehe und bevor dieser hartnäckigte Ort erobert worden. Ich bin hier mit dieser großen Armee, entweder zu siegen, oder zu sterben; und ihr alle sollt auch gleichen Entschluß fassen. Ich bin entschlossen, die Obersten und Hauptleute, so ihre Pflicht nicht beobachten werden, mit eigner Hand zu erwürgen: die geringern aber durch sich selbst oder durch die Feinde töten zu lassen, und alsdenn hernach mich selbst meines Lebens zu berauben: damit man nicht sagen könne: Chaumigrem sei von andern überwunden worden. Denn es findet zwar derjenige, welcher in guten Werken stirbet, alles wohl nach seinem Tode bestellet: aber der, welcher vor seinem Feinde umkömmt, wird noch viel glückseliger in dem Niba sein. Ihr meine Väter (also nenne ich die Alten), und ihr meine Brüder, die ihr meiner Jahre und aus einerlei Zeuge mit mir gemacht seid! lasset uns ein Werk verrichten, welches dem Qviay Gvatur, unsern großen Kriegsgott, verbinden möge, daß er bei den Göttern unser Vorsprecher sei, und vor alle dermaleinst sagen könne: Dieses sind die Helden, die vor den großen Ruhm der peguanischen Gottheit gestritten haben. Auch daß man in unserm Vaterlande von uns reden möge, daß wir, um in der andern Welt Ruhe zu erlangen, keine Unruhe in dieser Welt gescheuet haben. Hierzu aber zu gelangen, ist nötig, daß man arbeite, und keine Gefahr fürchte. Und warum solltet ihr euch fürchten? Ich glaube nicht, daß jemand von euch so verzagt sei. Sollte ich sehen, daß einer oder der andere nicht willig an den Streit gehet, so will ich denselben mit eigner Hand niedersäbeln.«

Wie nun alle Umherstehende solches anhöreten, rührten sie mit der Hand die Erde an, und antworteten einhellig: Sie wären bereit, den Willen Sr. Majest. zu vollbringen. Worauf das gesamte Fußvolk, soviel auf dem festen Lande zwischen der Stadt und dem Flusse Raum hatten, von den beiden Feldherren Martong und Soudras über den breiten Damm geführet wurde, denen Chaumigrem selbst, ungeachtet des grausamen Schießens aus der Stadt mit der Reuterei nachfolgete, und jedwedem Obersten seinen Posten, wo er anlaufen sollte, anwiese; also, daß die Stadt an allen Orten[335] zugleich sollte angegriffen werden. Das Fußvolk aber wurde von allen Seiten mit der Reuterei umringet, welche sich im Fall der Not auch zum Absteigen mußte gefaßt halten. Wie nun währender Stellung die Belagerten unsäglichen Schaden durch Schießen zufügten, und ein Blitz nach dem andern ganze Glieder wegschlug, so eilte Chaumigrem um soviel desto mehr, und befahl, die Losung mit dem gesamten Geschütze zu geben, welches denn mit einem vielfältigen Donnerschlage den schrecklichen Anfang machte, dessen Grausamkeit durch das Blasen und Rühren der sämtlichen Feldspiele wie auch das entsetzliche Geschrei der Anlaufenden dermaßen vermehret wurde, daß es schien, als ob die Luft zu enge werden wollte, ein solches Getöne zu ertragen.

Hier geschahe nun ein solcher Sturm, dergleichen man in den asiatischen Geschichten nicht leichtlich finden wird. Es ging alles mit so unglaublicher Gewalt zu, daß es schien, als wollte alles in den ersten verwirrten Klumpen der Welt zerfallen, und das Unterste oben gekehret werden. Die Luft wurde anfangs von einem Pfeilregen ganz verdunkelt, jedoch aber durch den Blitz der Musketen und Stücke bald dermaßen erleuchtet, daß die blanken Säbel überall einen roten Schimmer von sich gaben. Wiewohl endlich der heftige Dampf Stadt und Volk dem Gesichte der Zuschauenden entzog, da man nichts mehr als das Geschrei der Fechtenden und das jämmerliche Wehklagen der Sterbenden hören kunnte.

Chaumigrem rennte inzwischen als unsinnig auf einem schwarzen Hengste herum, und unterließ nichts, was einem siegsbegierigen Haupte anstund. Hier trieb er die Hintersten mit scharfen Worten und strengen Ermahnungen an die Mauer: dort hieb er die Weichenden eigenhändig nieder, und wütete bisweilen dermaßen, als ob er sich selbst bekriegen wollte. Die Stirne runzelte sich bis in die Augen, die Haare sträubten sich, die Nasenlöcher wurden weit und groß, und die Lippen geschwollen vor Eifer. Er knirschte mit den Zähnen, und schnaubte wie ein ergrimmter Löwe. Seine Stimme, so heftig und durchdringende sie zuvor gewesen, so rauh und heiser ward sie endlich, daß sie vielmal keinen Laut mehr geben wollte; und wenn er gleich etliche Worte zusammenbrachte, so stammelte doch die Zunge dermaßen, daß er nur halb gebrochene Worte vorbrachte: ja er wußte zuletzt selbst nicht, was er vor Zorn redete, als er die Seinigen [336] an unterschiedenen Orten häßlich geputzt weichen sahe, welche er aber jedoch sobald durch frische entsetzen ließ. Endlich wurde der tapfere Prinz Nherandi durch eine Lanze in die rechte Brust gefährlich verwundet, der kühne Feldherr Padukko aber wurde gleichfalls durch harte Verwundung zum Fechten untüchtig gemacht: dahero sich der Prinz in der Fylanen Palast führen ließ, woselbst ihnen der verliebte Abaxar alle Sicherheit versprach.

Nachdem nun ein Portugiese die unerfahrnen Stückmeister des Chaumigrems gegen hohe Besoldung gelehret hatte, wie sie nicht allein das Geschütze wohl stellen, sondern auch die glühenden Kugeln gebrauchen sollten, auch zur Probe die in der Stadt liegenden Schiffe in Brand schoß: so entfiel endlich denen ermüdeten Siammern dermaßen der Mut, daß sie die Kronen ihrer Fahnen gegen den Feind senken, und sich ergeben wollten. Allein die erbitterten Peguaner stellten sich hierzu taub und blind, und nachdem die Siammer aus Ermangelung ihrer Häupter zu weichen begunnten, wurde endlich Odia auf allen Seiten mit stürmender Hand erobert. Hier sollte ich zwar Feder und Zunge eines Beredten entlehnen, den Jammer der eroberten Stadt zu beschreiben; es wird aber gnug sein, wenn ich sage: daß alle Arten der Grausamkeit damals in Odia zu sehen waren.

König Higvero flüchtete mit seiner Gemahlin in das Schloß, als aber auch durch dieses die gewaltsame Hand des ergrimmten Soldaten brach: ergriffen sie beide einen Giftbecher, trunken solchen ohne Weitläuftigkeit aus, und sturben nebeneinander; daß sie also erstarret von den Soldaten gefunden, ihre Körper aber von ihnen nicht im geringsten beleidigt wurden. Was aber von Silber und Gold anzutreffen war, solches mußte alles der Raubsucht zu Ergötzlichkeit ihrer gehabten Mühe dienen. Und also starb dieser mächtige König durch Gift, welcher nur aus bloßem Argwohn des Gifts über tausend unschuldige Seelen hingerichtet hatte, und aus giftiger Mutmaßung seines eigenen Geblütes nicht verschonen wollte. Diejenige aber, welche aus giftigem Hasse andere zu stürzen suchte, mußte durch einen Giftkelch Leben und Laster endigen, und ein blasses Zeugnis der göttlichen Rache gegen alle ungerechte Stiefmütter sein, welches uns diese Warnung hinterläßt:


[337]
Gott zahlet zwar nicht täglich aus:
Doch ist er keinem je was schuldig blieben,
Sein langsam Zorn drückt gar in Graus,
Und sein Gemerk ist in Metall geschrieben.

Inmittelst begunnte sich das Feuer der in Brand geschossenen Schiffe heftig zu mehren: denn es brannten über sechzig Schiffe, welche, ob sie wohl mitten im Wasser stunden, dennoch einen ganzen Haufen Flammen bis an die Wolken von sich gaben. Diese Flammen, so durch einen starken Wind fortgetrieben wurden, wendeten sich gegen die Stadt, und sahe man dieselben im Augenblicke von einem Ort zum andern fahren. Denn es flogen die Seile und alle Segel der Schiffe brennende in der Luft, und fielen funkenweise auf alle umliegende Häuser. Weil nun der siegende Feind mit Morden, Rauben und Schänden alle Hände voll zu tun hatte, die erschrockenen und besiegten Siammer aber nur auf vergebene Lebensrettung und deswegen auf kein Löschen bedacht waren: so nahm die Glut dermaßen zu, daß auch selbst die ergrimmten Feinde darüber stutzen mußten. Mitten unter diesen helleuchtenden Flammen stieg ein dicker Rauch her vor, welcher wegen seiner Dunkelheit den Schrecken dieses schrecklichen Brandes noch heftiger vermehrte, und weil die große Menge der Funken wie ein feuriger Hagel oder Schnee auf die Stadt wieder herabfiele, so war solches desto entsetzlicher anzusehen, ja der Rauch überzog die Stadt zu unterschiedenen Malen dermaßen, daß sich der helle Tag in eine abscheuliche Mitternacht versteckte; und indem sich die Sonne ganz unter den dickschwarzen Dampf verbarg, so schien es, als wenn die Nacht etliche Stunden zu früh eingebrochen wäre. Niemand hätte wissen können, wohin er fliehen sollen, wenn nicht bisweilen die Flamme durch den Rauch geschlagen, und das erbärmliche Wehklagen der Verbrennenden die andern gewarnt hätte, zurücke zu bleiben. Begaben sich aber die guten Leute an einen von der Flamme noch unberühreten Ort, so funden sie das fressende Schwert, welches gleichfalls so grausam wütete, als ob das Feuer mit lauter Menschenblute sollte gelöschet werden. Unterweilen fielen die Giebel der Häuser über die Gassen, und verscharrten die Menschen in einem glühenden Grabe. Oftmals fielen die Häuser einwärts, und schien die Flamme begraben zu sein, welche aber doch hiedurch nur mehr Nahrung bekam, desto erschrecklicher wieder [338] hervorzubrechen. Die Riegel und Balken krachten und sprungen dergestalt voneinander, daß Boden und Wände herunter und über einen Haufen fielen. Zuweilen zündete ein brennendes Haus das neben ihm stehende unten oder in der Mitten an. Hier stürzten ganze Dächer herunter, dort kamen brennende Stücke mit einem harten Winde in die Gassen geflogen: anderswo erschütterte der Grund vom Falle der niederstürzenden Türme. Ja man würde diese greuliche Schläge, dieses abscheuliche Donnern und Poltern, Knistern und Knastern noch viel mehr und weiter gehöret haben, wenn nicht solches das Mord-und Zettergeschrei der Jungen und Alten, so teils die Flammen, teils den Säbel fühlten, gedämpfet hätte. Die Feder würde endlich ermüden, den Jammer auf allen Seiten zu beschreiben: denn was die Flamme verschonet, das wurde von den unbarmherzigen Bramanern mit Mord und Totschlag dermaßen erfüllet, daß das Blut durch die trockenen Gassen gleichsam strömte. Hier sahe man die Körper der Alten und Jungen auf entsetzliche Weise hingerichtet in ihrem Blute liegen, und kunnte man fast keinen Fuß fortsetzen, daß man nicht auf Leichen wandelte: ja die Gassen schienen mit abgehauenen Köpfen, Armen, Schenkeln und halbgebratenen Leibern gepflastert zu sein. Dort klebte noch an den Mauren das versprützte Gehirn der unschuldigen Kinder, welche die verteufelten Überwinder zerschmettert hatten, und die Säuglinge lagen noch den erwürgten Müttern an ihren kalten Brüsten, saugeten statt Milch das geronnene Blut in sich, und lalleten, winselten und schrien so erbärmlich, daß die Steine darüber hätten springen mögen.

Nun verlor sich der Tag, aber nicht die entsetzliche Glut, welche ihre Grausamkeit erst recht zu erkennen gab. Denn auch die höchsten und weitentlegensten Berge dadurch so helle gemacht wurden, daß man sie bei finsterer Nacht deutlich erkennen kunnte, und der Himmel war mit einer feuerroten Morgenröte ganz bedecket. Denn die erschreckliche Menge der Feuerflammen, so sich von vielen niederstürzenden Orten erhuben, weniger oder mehr, nachdem sie eine Materie, so sie unterhielte, antrafen, schienen wegen des starken Windes, welcher dieselbe umtriebe, und von dem sie bisweilen zusammengeblasen, bald wieder voneinander gestöbert wurden, als ob sie miteinander um die Ehre stritten, welche unter ihnen am meisten die Stadt verderben und beschädigen könnte. [339] Man sahe auch mitten in den Flammen noch einige Häuser und Kirchen, die dem Feuer einigen Widerstand taten, und gleichsam um ihre Rettung erbärmlichst fleheten, weil man ihrer Schönheit und unvermeidlichen Untergangs wegen das höchste Mitleiden mit ihnen haben mußte. Mit einem Worte: Dieses erschreckliche Element des Feuers legte drei Teile der herrlichen Stadt in die heiße Asche: Welches denn so ein erbärmlicher Anblick war, daß sich niemand eines grausenden Mitleidens enthalten kunnte.

Endlich ergriff gegen den Morgen die unersättliche Flamme auch das königliche Schloß; da denn niemals die Flamme greulicher geflackert hatte, als da allhier die hohen Türme lichterloh brannten. Es schiene, als wenn der Brand sich über die Wolken erheben, und dem Himmel drohen wollte. Welches so erschrecklich anzusehen war, daß endlich das stählerne Herz des Chaumigrems schmelzen mußte: Dannenhero er durch allgemeinen Ruf der Trompeten bei Leib- und Lebensstrafe alles fernere Würgen oder Beleidigen verbieten ließ. Welchem Verbot so schleunig nachgelebet wurde, daß in einer Stunde fast kein feindseliger Arm in ganz Odia mehr zu sehen war: und sich nunmehr das arme überbliebene Volk sicher in dem unversehrten Teile der Stadt aufhalten kunnte, weil außer denjenigen, welche Tor und Mauer besetzet hielten, alle ins Feld rücken mußten. Hierauf wurden sechzigtausend Mann befehligt, den Brand zu leschen: welche dieses mit solcher Geschwindigkeit verrichteten, daß inner zwei Stunden keine Flamme mehr zu sehen war, weil die Stadt, wie vorerwähnt von achtmaliger Durchströmung des Flusses Menan gnungsam mit Wasser versehen war, und die Leschenden zugleich solchen Eifer erwiesen, daß das Feuer über funfzehenhundert seiner Verhinderer fraß. Die Burg wurde die Hälfte noch erhalten, und zugleich die zwei Leichen des Königes Higvero und seiner Gemahlin. Nachdem sich nun nach unersetzlichem Verlust Mord und Brand geleget hatte, war Chaumigrem darauf bedacht, wie er alles in möglichster Eil in gute Ordnung setzen, und dem androhenden Wetter von Aracan begegnen möchte.

Weil aber der verwundete Prinz Nherandi nebst der Prinzessin Fylane durch treue Aufsicht des Abaxars sowohl von dem Grimm der Feinde als auch der wütenden Flamme glücklich errettet, und noch vor dem Brande in Sicherheit außer der Stadt gebracht worden: so mußten sich diese unglückselige [340] Personen dem widrigen Verhängnisse nur geduldig bequemen, und sich als Gefangene dem Überwinder ergeben: welches, so Nherandi bei vollständigen Kräften gewesen, nimmermehr geschehen wäre. Hierauf ließ der Tyrann eine allgemeine Verzeihung und Gnade ausrufen, wodurch er die versteckten Siammer wieder herbeibrachte, von welchen er sich, als ein König von Siam, krönen ließ. Zuvor aber hielten die grundgetreuen Siammer beweglich um Erlaubnis an, ihrem entseelten Könige die letzte Ehre zu bezeugen, und nach siammischen Gebrauch zu verbrennen. Welche Treue dem Tyrannen sehr wohl gefiel, und dahero solches desto leichter zugab.

In kurzem versammleten sich hierauf etliche tausend Priester, welche beschlossen: man sollte ohne fernere Gebräuche den Leichnam des Königes, weil die Königin bereits ohne Weitläuftigkeit die Glut empfangen, beizeiten verbrennen, ehe solcher durch das eingenommene Gift allzusehr angegriffen, und zu einiger Fäulnis gebracht würde: Denn, wofern dergleichen geschehen sollte, so würde die Seele laut ihrer Lehre nicht selig werden. Darum richteten sie einen Haufen von allerhand wohlriechenden Holze auf, legten den Körper drauf, steckten das Holz mit Feuer an, und verbrennten solchen also unter erbärmlichen Heulen und Wehklagen des Volkes. Hernach wurde die Asche in einen silbernen Kasten getan, in ein, nach Möglichkeit ihres Zustandes wohlgeziertes Schiff gesetzet, und unter Begleitung von vierzig Seroos oder Schiffen, die voller Talegrepos waren, den Fluß abwärts geführet. Darzu kamen noch viel andere von dem Brande überbliebene Schiffe, alle mit Volk und Stücken besetzet. Weil auch ihr vornehmster Tempel von der Glut errettet worden: als kunnten sie über hundert Barken noch mit ihren Abgöttern besetzen, deren teils wie Schlangen, Krokodile, Löwen, Tiger, Kröten, Fledermäuse, Vögel, Böcke, Hunde, Katzen, Elefanten, Geier, Habichte, Raben und andere Tiere anzusehen, und alle so wohl gemacht waren, als ob sie lebeten. Dieser Götzen Gesichter waren alle in der Trauer mit Seide bedecket. In einem andern großen Schiffe aber sahe man den König aller Abgötter, die Schwelg-Schlange des tiefen Rauchhauses. Dieses Götzenbild hatte die Gestalt einer erschrecklichen Schlangen, so dicke als ein großes Faß und in neun Ringe geschlungen, mehr denn hundert Spannen lang, mit emporhaltendem Kopfe. Aus den Augen, Kehlen und Brust [341] kamen schreckliche Feuerflammen hervor, also daß sich jedermann vor diesem Ungeheuer entsetzen mußte.

Darneben war auf einem Gerüste, so drei Klaftern hoch, und köstlich gebauet war, ein sehr schöner fünfjähriger Knabe mit Perlen, güldenen Ketten und köstlichen Edelgesteinen, welche noch aus dem verborgenen Schatze des Heiligtums waren, ganz bedecket, und mit Flügeln und Haaren von Golde wie die gemalten Engel bezieret. Dies Kind hatte einen kostbaren Säbel in der Hand, damit anzudeuten, als ob es ein Engel vom Himmel wäre, den Gott gesandt hätte, diese große Menge der Teufel zu fangen, damit sie nicht des Königes Seele raubten, ehe sie in ihre obere Ruhestatt käme. Als nun alle diese Schiffe in ihrer Ordnung bei einer Pagode namens Quiay Poutar kamen, stiegen sie ans Land, und nahmen zugleich die königliche Asche, nebst allen Götzenbildern und dem Knaben mit sich heraus. Darauf zündeten sie alle diese Bilder an, und machten ein so grausames Getöse mit Stücken, Glocken, Trommeln und Trompeten, daß es schiene, als ob sie das Getümmele des Sturmes wieder vorstellig machen wollten. Da nun die Flamme aufging, war es anders nicht, als eine wahrhaftige Hölle anzusehen, und wurden in kurzer Zeit alle Bilder, Schiffe und was sonst drinne war, ganz eingeäschert. Also mußte das Feuer sowohl der Stadt als dem Könige allenthalben zu Grabe leuchten, und wollte fast eine allgemeine Gegenwart bei den Siammern gewinnen.

Nachdem nun dieses alles verrichtet war, begaben sie sich zu Fuße wieder zurücke in ihre noch stehende Häuser: da sie den folgenden ganzen Tag mit geschlossenen Türen und Fenstern innen blieben, und durfte sich niemand öffentlich sehen lassen außer etliche arme Leute, die bei nächtlicher Weile mit ungewöhnlichen Heulen und Weheklagen ein Almosen begehrten. Folgenden Tages öffneten sie wiederum Tür und Fenster samt ihren übrigen mit Tapezereien möglichst gezierten Pagoden, vor welchen Tafeln mit allerhand Rauchwerke aufgerichtet waren. Hernach kamen sonderliche Männer zu Pferde, in weißen Damast gekleidet, auf allen Straßen, und ruften nach dem Klange eines absonderlichen Saitenspiels folgende Worte öffentlich aus: »O ihr betrübten Inwohner des Königreichs Siam, die ihr, die harte Zornhand Gottes sattsam erfahren! Merket, merket auf dasjenige, was man euch von Gottes wegen ansagt, und preiset alle seinen heiligen Namen mit reinen und demütigen Herzen: Denn die Werke seiner [342] göttlichen Gerechtigkeit sind groß. Legt euer Leid ab, kommt aus euren Wohnungen hervor, darinnen ihr verschlossen seid, und lobsinget von der Gütigkeit eures Gottes, dieweil er euch einen neuen König gegeben hat, der ihn fürchtet und ein Freund der Armen ist.« Als nun diese Ermahnung geschehen, hörte man viel Saitenspiele sonderbarer Personen, die zu Pferde saßen, und in weißen Atlas gekleidet waren. Darauf alle Umstehende mit zur Erde geschlagenen Angesichte, erhabenen Händen und weinender Stimme riefen: »Wir stellen die Engel des Herrn zu unsern Anwalten, daß sie stets den Herrn vor uns preisen.« Alsdenn gingen alle Siammer aus ihren Häusern hervor, mit verstelleten Freuden gleichsam tanzende, auf die Kirche Qviay Fanarel oder des Freudengottes zu, woselbst sie einen süßen Geruch räucherten: Die Armen aber opferten Früchte, Reis und anders, zu Unterhaltung der Priester. Als nun diesen Tag zugleich der König gekrönet war, ließ er sich durch die ganze Stadt in großer Pracht sehen, wornach er sich ins Lager begab.

Nachdem nun durch eine schreckende Post aus Pegu die gewisse Nachricht einlief, wie daß der König von Aracan mit einer gewaltigen Armee im Anzuge sei, sowohl das Reich Pegu als auch die gefangene Prinzessin Banise durch gewaffnete Hand dem Chaumigrem abzufordern; als stellete er schleunige Musterung an, und befand, daß diese Belagerung über dreimal hunderttausend zu Fuße und funfzigtausend zu Rosse der Seinigen gefressen hatte: wiewohl in der Stadt auch über zweimal hunderttausend Seelen, welche Schwert und Feuer aufgerieben, vermisset worden. Dessen ungeachtet erlaubete er nur der Armee drei Tage auszuruhen, alsdenn sie sich zum Rückzuge nach Pegu sollten gefaßt machen.

Soudras aber wurde alsobald voran nach Brama geschicket, eine neue Armee zuzurichten, und solche nach Pegu zu führen. Prinz Nherandi aber nebst der Prinzessin wurden noch als Gefangene unter der Hand des Abaxars verwahret: welcher sie denn dermaßen wohl zu verhalten wußte, daß sie keinen größeren Freund hätten finden können. Und dies war der kranke Prinz auch höchst benötiget, weil sich seine Wunde sehr gefährlich anließ, durch fleißige Vorsorge aber des Abaxars und getreue Wartung der Prinzessin bald zur Besserung gebracht ward. Doch schmerzte ihn diese Seelenwunde noch heftiger, da er den vierten Tag sein Königreich mit dem Rücken als gefangener Sklav ansehen, und sein Vaterland verlassen [343] mußte. Die Hoffnung aber, welche ihm schleunige Erlösung versprach, tröstete ihn so weit, daß er nicht eher bis außer Siam auf die Gelegenheit seiner Flucht bedacht war. Inzwischen wußte Abaxar seine ingeheim verlobte Fylane dermaßen zu bedienen, und wohl in acht zu nehmen, daß sie sich auch in ihrem Gefängnis glückselig schätzte, und mitten in ihrem Unglücke vergnügter denn zuvor im väterlichen Schloß und Schoße war.

Fußnoten

1 Im Königreich Dacin sind Völker, Batacchi genennet, welche Menschenfleisch fressen, die ihre alte Eltern schlachten, und nebst denen erbetenen Nachbarn verzehren. Der König braucht sie anstatt der Henker, welche den armen Sünder totschlagen, Hände und Füße abhauen, mit Salz und Pfeffer bestreuen, und also auffressen. Balby, pag. 97.

2 Ist bei den Japonern eine Art der Lebensstrafe, welche sich es vor eine große Gnade und Ehre halten, wann sie sich selbst mit einem Messer den Bauch kreuzweise aufschneiden dürfen. Je beherzter sich nun einer hierinnen bezeiget, je größeren Ruhm hat er davon. Happel, Rel. Cur. Tom. I, p. 118.

3 Die Peguaner glauben: die Welt sei allbereit von vier Göttern regieret worden, welche alle dahin wären: der fünfte Gott sei aber noch nicht angekommen, nach dessen Hintritt die ganze Welt verbrennen werde. Alex. Ross. p. 141.

4 Dutroa wächst als ein gemeines Kraut in Ostindien auf dem Felde, wann man dasselbe in Getränke oder Speise einnimmt, so verändert sich der Mensch, daß er entweder einschläft, oder sich närrisch stellt, da er nichts sehen, erkennen oder verstehen kann, es geschehe auch in seiner Gegenwart, was es wolle. Welches zwölf bis vierundzwanzig Stunden währt, ehe der Mensch wieder zu sich selbst kömmt, es sei denn, daß man ihm die Füße bald mit kalten Wasser wasche. Dessen bedienen sich öfters die unkeuschen Weiber in Ostindien, vermittelst dessen sie angesichts ihrer Männer die unsichtbare Schmach pfropfen. Linschott [Linschoten, Navigatio ac Itinerarium, Hagae Comitis 1599] part. 4 c. 7.

5 Sicken sind Reichs-Räte. Vid. Scultet. Reisebeschreibung pag. 95.

6 Balby setzet gar funfzehnmal hunderttausend Mann.

7 E. Franzisci. Trauer-Saal dritter Teil p. 998.

8 Aloysius Cadamastus cap. 71. Navigat. ad terras ignotas.

9 Ein Ticols ist ein Stück fein Silber von ein und Drittel Gülden.

10 Maser gilt halb soviel.

11 Fünftausend Catti machen sechstausendmal tausend Gülden.

Drittes Buch

Personen
Die Personen des Schauspiels waren
Heraclius, Sohn des Heracleonas, verliebt in Theodosiam.
Phocas, Tyrann zu Konstantinopel.

Mauritius, der von Phoca gefangene Kaiser.


Theodosia, eine von dem Kaiser Martiano entsprossene Prinzessin, verliebt in Heraclium, und in einem geheimen Orte auf der konstantinopolitanischen Burg sich aufhaltende.


Honoria, des Kaisers Mauritii Tochter, verliebt in den Prinz Siroë.

Siroe, ältester Prinz des persischen Monarchens Cosroës.
Emilianus, des Phocas Favorit.
Priscus, des Heraclii Vetter und vertrauter Freund.
Arconte, ein persianischer Fürst und Untertan des Königs Cosroës, in Gestalt eines Schäfers.
Aspasia, der Theodosia alte Säugamme.
Idreno, der Honoria Diener.

Die Verwandlungen des kunstreichen Schauplatzes stellen sich folgendergestalt vor:


In der ersten Abhandlung


Die kaiserliche Stadt Konstantinopel.

Der Theodosia Zimmer.

Ein großes Feld, mit sehr vielen Leichen erfüllet, nebst etlichen [423] aus dem benachbarten Gebürge entspringenden Wasserbächen.

Des Phocas Gemach, in Gestalt eines Himmels.


In der andern Abhandlung


Ein Hirtenhäuslein mit einem Gepüsche.

Eine Grotte, nebst einer Fontaine, aus welcher man den Palast mit einer kostbaren Stiege siehet.

Ein Gefängnis an dem Meere, nebst einem alten und hohen Turme.

Ein Lustwald an dem Strande des Euxinischen Meers, nebst einer Höhle auf der einen Seite, und einem verschlossenen Hirtenhäuslein in der Ferne.


In der dritten Abhandlung

Die kaiserliche Burg.
Ein Lustgarten mit Statuen und Fontainen.
Des Kaisers Constantini warmes Bad, mit wasserspritzenden Bildern.
Der kaiserliche Saal.

Ingleichen stelleten sie zwei schauwürdige Ballette vor, als nämlich:

Der erdichteten Götter, und
Der Jäger mit allerhand wilden Tieren.
1. Akt
1
[Erster Auftritt.]

Wie sich nun der gnugsam erhellete Schauplatz öffnete, stellete solcher in einem künstlichen Perspektiv die kaiserliche Stadt Konstantinopel mit größter Anmut vor. Indessen, daß sich alle Augen und Gemüter in ihren lustigen Prospekt ergötzeten; wurde die Applikation dieser ferneren Handlung, auf des Reichs Pegu vergangenen Zustand, folgendermaßen in eine höchstbewegliche Musik abgesungen:


1.
Morderfülltes Pegu weine,
Doch, statt Tränen, lauter Blut,
Weil auch selbst die harten Steine
Fühlen deines Henkers Wut.
Deine schöne Morgenröte
Schwärzt ein blutiger Komete.
Xemindo, dein Gemach
Füllt Weh und Ach!
[424] 2.
Blasse Fürstengeister irren,
Durch die blutbespritzte Stadt,
Und die Totenfessel schwirren,
Wo ein Prinz gewohnet hat.
Frauen, welche Kronen erben,
Müssen an dem Galgen sterben.
Die Kinder folgen nach.
Mord, weh und ach!
3.
Letzter Zweig von Pegens Stamme,
Laß dich krönen die Geduld.
Dämpfe die verdammte Flamme
Durch der Tugend keusches Gold.
Durch dich soll noch Pegu blühen,
Weil sich Prinz und Himmel mühen.
Chaumigrem! dir folgt nach
Mord, weh und ach!

Nach geendigter Musik erschiene Phocas auf einem mit Elefanten bespanneten Triumphswagen, umgeben mit dem römischen Kriegsheere, unter dem Schalle der Trompeten und Pauken. Emilianus ließ den gefesselten Kaiser Mauritium hinter ihm herführen, da sich denn Phocas mit einer hochmütigen Baßstimme folgendergestalt singende vernehmen ließ:


So liegt Mauritius besiegt zu meinen Füßen.
Nun wird das Glücke selbst mein Schwert bedienen müssen.
Ich rühme mich zu sein, mehr als ein irdisch Gott:
Weil ich um meinen Thron in Asche, Staub und Kot
Fußfällig liegen schau, besiegte Völkerscharen,
Die meiner Majestät vorhin zuwider waren.
Schreibt meinen Namen bald ins Buch der Götter ein,
Denn alle Welt soll mir mit Opfern zinsbar sein.
Besiegtes Asien! du mußt gelehret werden:
Daß Jupiter ein Gott des Himmels, ich der Erden.
So mußt du demutsvoll berühren meinen Fuß,
Weil mich dein harter Sinn, als Gott verehren muß.
Es schallet mein Triumph durch Pauken und Trompeten,
Bis zu der blauen Burg, da sich die Sterne röten.
Denn hab ich Asien zur Sklavin mir gemacht,
So hat der Götterschluß auch dies mir zugedacht:
Daß meiner Scheitel Glanz der römsche Lorbeer ziere,
[425]
Und auch der Römer Volk erstaunende verspüre:
Es müsse Mavors selbst hier vorgebildet sein,
Wo man des Phocas Bild ätzt Erz und Marmel ein.
Dies Eisen-Labyrinth führt dich ins Haus der Sklaven.
Dich thrakisch Ungeheur: Mich in den Siegeshafen.
Dein krummer Rücken muß mein Siegesbogen sein.
So fähret im Triumph Augustus wieder ein.
2
Zweiter Auftritt.

Zu jetzterwähnten Personen kommen Heraclius und Priscus in Fesseln geschlossen.


HERACLIUS im verborgnen.
Ihr Götter, was ist dies?
PRISCUS.
Ach was ist hier vorhanden?
MAURITIUS.
Weil ich mich wider Gott zu kämpfen unterstanden,
Den tollen Riesen gleich; so schickt sein blitzend Arm
Auf mich den Donnerkeil. Ach Himmel dich erbarm!
Du Himmelskönig bist gerecht, und dein Gerichte.
PHOCAS von dem Wagen steigende, und auf den Mauritium tretende.
So wird der Feinde Rat durch meine Macht zunichte.
Der wider mich zuvor so Schwert als Schild ergriff,
Und den verdammten Stahl auf mich vergebens schliff;
Der liegt nunmehr besiegt, entkrönt zu meinen Füßen;
Denn wer Gott Jupitern beleidigt, der soll wissen,
Daß ihn nach Billigkeit verdienter Donner trifft.
MAURITIUS.
Treuloser Hund! nicht du hast diesen Sieg gestift:
Die blinde Göttin nur hat mich dir übergeben,
Die vieler Prinzen Haupt, wenn sie bein Sternen schweben,
Vom Gipfel ihrer Macht in tiefsten Abgrund stürzt,
Die eben hat auch mir so Thron als Ziel verkürzt.
PHOCAS.
Darf der Verräter noch verdammte Wort ausschütten?
Kann dies die Gegenwart des Kaisers nicht verhüten?
Auf, ihr Trabanten auf! ergreift den Frevler bald,
Und übergebet ihn der Bestien Gewalt.
EMILIANUS.
Hier muß die Billigkeit sich selbst gefangengeben,
Daß, welchen stets besaß in seinem ganzen Leben
Die ärgste Grausamkeit, er auf des Charons Kahn
Ach hingerissen wird durch grimmer Löwen Zahn.
HERACLIUS.
Kann dies Heraclius auch wohl geschehen lassen?
Soll so ein großer Prinz durch Bestien erblassen?
Halt inne, Wüterich! und hemme deinen Zorn.
Wo deine Seele ja zur Grausamkeit geborn,
[426] Daß nichts als Mord und Blut dein Henkerherz kann speisen,
So kehre wider mich dein grimmig Mördereisen.
Nur laß dies edle Haupt des Kaisers unversehrt.
Das du Tyranne selbst, als Sklave hast verehrt.
MAURITIUS.
Vergönne, tapfrer Freund, alleine mir zu sterben,
Es soll mein Blut allein das düstre Grabmal färben.
PHOCAS.
Wer bist du toller Mensch, der andre treten will,
Und sich aus falschem Wahn selbst kürzt sein Lebensziel.
HERACLIUS.
Mein Unglück wollte mich in freiem Felde strafen.
Mein Freisein ward umschränkt durch fremde Macht der Waffen.
Kurz: es sei dir genug: ich bin des Phocas Feind.
PHOCAS.
Daß nicht bald Strick und Stahl die frevle Zung umzäunt!
Wir haben keinen so verzweifelt reden hören.
Geschwinde, wer uns will als Gott und Kaiser ehren,
Und wer sich nennt getreu, der werfe diesen Hund
Vor Löw und Tiger hin, daß der verdammte Mund
Bald müsse nach Verdienst so Gift als Seel ausblasen.
Denn weil dies schöne Paar in gleichen Lastern rasen:
So treffe billig sie auch gleiche Straf und Pein,
Und ihr Gelücke soll im Tode gleiche sein.

Indem Mauritius von den Soldaten ergriffen, zugleich auch Heraclius zu dem bestimmten Tode sollte geführet werden, fiel Priscus dem Phocas zu Fuße, (also redende.)


PRISCUS.

Halt, großer Kaiser, halt den Mordbefehl zurücke!
Schau, dieses zarte Kind verdient ein besser Glücke.
Denn Eure Majestät soll wissen, daß dies Bild,
Das sich in diese Last des Helmes hat verhüllt,
Des Kaisers Tochter sei. Ein Rest von denen Zweigen
Mauritii, der sich hier muß in Ketten beugen.
PHOCAS Heraclium betrachtende.
Wie? Träumt mir wachende? Soll dies wohl möglich sein?
Ach ja! mich blendet schon der schönheitsvolle Schein?
Wie huldreich glänzet sie in diesem hellen Stahle,
Mein Herz entzündet sich von ihrer Augen Strahle.
Wohlan! Mauritium begrabe dieser Turm,
An dessen Grunde sich kühlt ab der Wellen Sturm,
Befreiet dieses Bild von Ketten, Band und Eisen,
[427] Und laßt sie in der Burg ins beste Zimmer weisen.
Du aber, schönes Kind, indessen sei bemüht,
Daß lauter Anmuts-Klee auf Lipp' und Wangen blüht.
3
Dritter Auftritt.

Heraclius, Priscus, die Soldaten von ferne.


PRISCUS.
Gib nach, vertrauter Freund! und laß dich Fräulein nennen,
Verleugne dein Geschlecht: daß Atropos nicht trennen
So Leib als Seele kann.
HERACLIUS.
Das ist nicht wohlbedacht.
Soll ich ein Sklave sein der weichen Weibertracht?
PRISCUS.
Wer sich mit Purpur will der wahren Weisheit schmücken,
Der lebe nur bemüht, sich in die Zeit zu schicken.
Weil Phocas unzuchtsvoll in dich entzündet ist,
Wie leichte kann's geschehn, daß dich die Freiheit küßt.
HERACLIUS.
Soll dieses ja die Bahn zu meinem Glücke brechen,
So folg ich deinem Rat. Der Himmel wird mich rächen.
Ich lege Stahl und Last der schweren Waffen ab,
Und folge dem Kristall, der mir Gesetze gab,
Wie das zerstreute Haar in Ordnung sei zu bringen:
Die Schminke soll mich itzt zu einer Farbe zwingen
Die selbst die Liebe liebt. Es soll, wie sich's gebührt,
Statt Helmes, Haar und Haupt mit Blumen sein geziert.
Doch hat Heraclius sich gleich verstellen müssen:
Muß gleich ein Weiberrock ein Männerherz umschließen:
So zeiget dennoch stets mein frisches Angesicht:
Es ändre sich das Kleid, jedoch das Herze nicht.

Heraclius sang folgendermaßen.

1.
Ob Hercul schon, der große Wunderheld,
In eine Frau aus Liebe sich verstellt,
Und Omphalen den Rocken hilft umwinden:
Doch wird man ihn stets einen Hercul finden.
2.
Es mag sich auch Achillens Tapferkeit
Aus Liebesbrunst verhülln ins Weiberkleid:
Doch dieses wird sein Ansehn nicht vertreiben:
Achilles wird wohl ein Achilles bleiben.
4
[428] Vierter Auftritt.

Der Theodosia Zimmer.

Theodosia mit einem Dolche in der Hand, Aspasia sie zurückhaltende.


THEODOSIA.
Laßt mich! ich habe mir zu sterben vorgenommen.
Denn heute stirbt das Reich. Der letzte Tag ist kommen.
Mein Abgott ist nun hin, erstarret und erblaßt:
Nun hat mein blasser Geist auch weder Ruh noch Rast,
Bis er durch Dolch und Tod sich gleichfalls wird ererben
Das Elisäer Feld. Laßt mich! ich will nun sterben.
ASPASIA.
Prinzessin! Fräulein! ach! was dient der Zweifelmut?
Sie denke, wie ein Stoß dem Fleisch oft wehe tut.
Mein Kind, Sie fasse sich, und lasse sich bedeuten,
Sie lasse Witz und Geist die Traurigkeit bestreiten,
Und werfe von sich hin, so Dolch, als Tod und Grab.
Sie truckne, Engelsbild, die schönen Augen ab.
Sie lege sich zurecht den Schatz verwirrter Haare,
Der durch die sanfte Luft vorhin zerstreuet ware:
Man schaut, wie Lock und Gold mit angenehmster Lust,
Sich scherzend hat gesellt zur schneegebürgten Brust.
Wir armen Menschen sind ohndem von kurzem Leben,
Man darf nicht erst durch Trotz den Parzen Anlaß geben.
THEODOSIA.
Weil mit Heraclio mein Hoffen ganz verschwindt,
Weil ich kein Herze mehr in meinen Brüsten find,
Und er, mein Schatz, ist tot, so end ich auch mein Quälen:
Ich will mich ihm, mein Licht, auch sterbende vermählen.
Mich soll der Seufzerwind durch Lethens Wasser ziehn,
Und meine Treue soll in Gruft und Grabe blühn.
Es soll die reine Brust so Blut als Treue färben.
Laßt mich!
ASPASIA.
Sie halte doch!
THEODOSIA.
Laßt mich! ich will nun sterben!
5
Fünfter Auftritt.

Theodosia Aspasia, Emilianus.


EMILIANUS ihr den Dolch aus der Hand reißende.
Halt inne, schönstes Bild! zurücke Dolch und Hand!
Es ist der schwache Zorn vergebens angewandt,
Zu töten diese Brust. Hier muß der Tod selbst weichen:
Wo man voll Anmut spürt, der Schönheit Liebeszeichen.
ASPASIA.
Wie zu gelegner Zeit kömmt dieser Kavalier?
THEODOSIA.
Raubt man gleich diesen Dolch, so fehlet es doch mir
An tausend Mitteln nicht, das düstre Grab zu finden.
[429]
EMILIANUS.
Sie lasse Furcht und Angst, und allen Zweifel schwinden.
Sie trockne den Kristall der schönen Augen ab,
Der Ihres Herzens Schmerz ein nasses Zeugnis gab.
Der größeste Monarch, von Ost, West, Süd und Norden,
Ist Ihrer Anmut Knecht, der Schönheit Sklave worden,
Weil er Ihr Fadengold des Hauptes höher hält,
Als selbst das Kaisertum, mehr als die halbe Welt.
ASPASIA.
Hier muß Prinzessin bald der Schmerz verbannet werden.
Was kann beglückter sein, als Kaiserin auf Erden?
Gewiß, wo Phocas nur Aspasien begehrt:
So sei ihm heute noch die Jungferschaft gewährt.
THEODOSIA.
Nein! Nein! Bemüht Euch nicht. Das Schmeicheln ist verloren.
Ich habe meine Treu der Aschen auch geschworen.
Weil meine Liebespflicht nicht hemmt der Todesraub:
So acht ich Szepter, Krön und Kaisertum als Staub.
EMILIANUS.
Weil Kronen des Geblüts die güldnen Haare zieren:
So lässet ein Monarch die Glut der Liebe spüren.
Der sonst auch Königen nur zu gebieten pflegt:
Wünscht heute noch zu sehn, was diese Flamm erregt.
ASPASIA.
Die Haare des Gelücks zu fassen, müht sich jeder.
Sie greife zu: es fleugt, und kömmt nicht morgen wieder.
THEODOSIA vor sich.
Mein Herze, sag es mir: Worzu entschließ ich mich?
Ist dieser Ratschluß auch vor oder wider dich?
Es heißt verstellte List mich ganz entzündet stellen:
So fährt nach Rach und Wunsch mein Mörder zu der Höllen.

Zu Emil.


Vermelde, tapfrer Held, dem Kaiser meine Hold,
Versichre ihn dabei, daß seiner Liebe Sold
Mein Herze selber sei. Es such ihn zu vergnügen:
Es sei besiegt: weil er den Erdkreis kann besiegen.
EMILIANUS.
Ich eile, was ich kann, bald in der Burg zu sein,
Mit dieser Liebespost den Kaiser zu erfreun.
Sie komm, und lasse nichts an Huld und Anmut fehlen.
Verzug und Warten pflegt die Liebenden zu quälen.
ASPASIA.
Wohlan! so sei durch Lachen volle Lust,
Der Mundrubin erhöht. Die Marmorbrust
Die vormals oft, gleich als entgeistert, schiene,
[430] Sei unverhofft die schönste Freudenbühne.
Sie hasse, was unter die Toten man zählt,
Weil lebende Seelen Cupido nur wählt.
6
Sechster Auftritt.
THEODOSIA.
So wird dein Schatten recht, mein Schatz, durch mich gerochen,
Und meine Treue wird im minsten nicht gebrochen:
Wenn unter Ros' und Klee, so Dorn als Natter steckt,
Und wenn ein Zuckermund die Gall im Herzen deckt.
Man soll die Lippen zwar als einen Himmel nennen:
Im Herzen aber soll Glut, Rach und Hölle brennen.
Bereite dich demnach, du angsterfülltes Herz,
Verwandle Tod und Stich in einen Liebesscherz.
Laß deine Freundlichkeit zu einer Larve dienen,
Und dein Gesichte spieln mit holden Einfaltsmienen.
Alsdenn ergreift die Hand den rachbeflammten Stahl,
Und schickt den Mörder hin in Acherontens Tal.
Der Liebeshimmel pflegt sich öfters zu verkehren
In Wolken, welche Blitz und Donnerkeil gewähren.
So sterbe denn der Hund, der mir das Leben raubt,
Der nur bei jedem Blick, Blut, Tod und Morden schnaubt.
Dies, sag ich, zu vollziehn, soll nur mein Herze brennen.
Der Anmut Paradies soll man mein Antlitz nennen:
Bald aber soll die Glut in Blut verkehret sein,
Und ich will höllengleich die Rach als Feuer spein.
7
Siebender Auftritt.

Ein großes Feld, erfüllet mit sehr vielen Leichen des geschlagenen Kriegsheeres des Kaisers Mauritii, nebst etlichen, aus dem benachbarten Gebirge entspringenden Wasserbächlein.

Honoria, als ein Soldat. Siroë, in Gestalt eines Mohren, liegende, unter dem Haufen der getöteten und halbtoten Soldaten. Idreno.


HONORIA singende.


1.
Blinde Göttin! Falsches Glücke!
Die du stehst auf Ball und Flut:
Wofern deine Mördertücke
Quälen will mein Herz und Blut:
So wirst du Blitz, Pfeil und Degen,
Nur umsonst auf mich bewegen.
[431] 2.
Rase, tolle Göttin! rase!
Dräue mir mit Angst und Not:
Du bist eine Wasser-Blase.
Ich verlache Pein und Tod.
Ja auch unter tausend Leichen,
Will ich deinem Trutz nicht weichen.
IDRENO kömmt gelaufen.
Flieht, flieht, Prinzessin, flieht! die Völker sind geschlagen,
Und wo Ihr Euch verweilt, so muß man Euch beklagen,
Wenn Bisanz Sklaverei Euch in die Fessel schlägt.
Flieht! wo Ihr Furcht und Scheu vor Phocas Rasen hegt.
Von fernen hör ich schon der Waffen Mordgetümmel.
HONORIA.
Wohin verberg ich mich? Ach rette mich, o Himmel!
Wir sind vergebens nur auf unsre Flucht bedacht,
Weil Waffen und Soldat uns überall bewacht.
Ach wertster Siroë! den ich und Pers' anbeten,
Als Erben ihrer Kron! ach sollt ich nur betreten
Dein königliches Schloß. Es müßten Roß und Mann,
So viel der schnell' Euphrat benetzt umgrenzen kann,
Bald ungesäumt, und zwar zu meinen Diensten stehen.
Sie müßten auf den Wink vor mich zu Felde gehen,
Es müßte Schild und Schwert den Feind zur Rache ziehn.
IDRENO.
Wo man der Tyrannei des Schicksals will entfliehn,
So müssen wir Verstand und alle Sinnen schärfen,
Das wohlbekannte Kleid und Waffen von uns werfen.
Es dient zu unsrer Flucht, nichts als ein fremdes Kleid.
Den Anfang mach ich selbst. Hier ist nicht Wartenszeit.
HONORIA.
So will ich Schwert und Schild mit Tränen von mir legen,
Bei dieser Heldenschar, die bloß um meinetwegen
Verloren Geist und Blut. So rat ich meiner Flucht,
Daß mich in fremder Tracht kein Feind als Feindin sucht.
IDRENO.
Prinzessin, Schaut Sie hier den toten Mohren liegen,
Es kann in dieser Flucht uns dessen Rock vergnügen.
HONORIA.
Daß man sich alsobald dem braunen Mohren nah.
IDRENO.
Er dient recht wohl vor sie.

Idreno will ihn entkleiden.

SIROE.
Honor', Honoria!
HONORIA.
Hilf Himmel, was ist dies? Wie, daß ich mich entfärbe?
Wer ruft mir ohnmachtsvoll?
SIROE.
Honoria! ich sterbe.
[432]
HONORIA.
Ein halbverbrochnes Wort nennt meinen Namen hier.
Die Stimme lautet schwach. Wie ist es? Träumet mir?
IDRENO.
Auch Ihre Gegenwart, Prinzessin, kann das Leben
Und Lebensgeister selbst den Toten wiedergeben.
Hier dieser, welchen uns Ägypten sehen ließ,
Ist, dessen schwarzer Mund die Sterbenswort ausblies.
Sie schau, wie sich der Geist entreißt den Liebesketten.
HONORIA.
Es heischt die Frömmigkeit, die Sterbenden zu retten.
SIROE.
Barmherz'ger Kriegesheld! du seist auch, wer du seist:
Wofern der Himmel dir die Gnade noch erweist,
Honoriam zu sehn, Honoriam die Schöne,
So sprich: daß Siroën die Ewigkeit bekröne,
Und daß in dieser Schlacht, der, der sie mehr geliebt,
Als selbst sein eigen Sich, den treuen Geist aufgibt.
HONORIA.
Was wollt ihr Götter doch noch über mich beschließen?
Wer tat dir Fall und Tod des Siroë zu wissen?
Er schweigt. Erweck ihn doch, er ist in Schlaf versenkt.
IDRENO.
Er hat die Stimme schon der andern Welt geschenkt.
HONORIA.
Hol eilend Wasser her aus jenem roten Bache,
Versuch es, wie du kannst: Gib Rat zu dieser Sache,
Wie man den schwachen Geist, der durch die Lippen dringt,
In seinen schwarzen Sitz des Körpers wiederbringt.
Ach! ist mein Trost, mein Schatz, mein Abgott nun verblichen?
Ist nun mein Leben selbst von dieser Welt gewichen,
So eilt mein Hoffnungsschiff dem Todeshafen zu,
Und meine Seele sucht der Elisäer Ruh.
Es kann das Schicksal mir nichts Härteres versetzen.
IDRENO.
Jetzt will ich sein Gesicht mit frischem Wasser netzen.
SIROE.
Wer ruft mich in die Welt? Wer bringt den Geist in mich?
IDRENO.
Was Wunder seh ich hier? der Mohr verändert sich,
Der Rabe wird ein Schwan. Hier will sich was verhehlen.
HONORIA.
O Himmel! seh ich nicht den Abgott meiner Seelen?
Der seiner Wangen Licht mit fremden Wolken deckt.
Und mir die höchste Lust mit dieser List erweckt.
SIROE.
Honoria!
HONORIA.
Mein Schatz! Ach was muß ich erblicken?
Ein höchst verdammter Pfeil.
IDRENO.
Ich will mich eilend schicken,
Zu ziehn den krummen Stahl aus der verwundten Schoß.
Prinzessin, seid erfreut, der Schade ist nicht groß.
[433]
HONORIA.
Mein Seelgen!
SIROE.
Wertstes Herz!
HONORIA.
Schatz, lasse dich umfassen.
SIROE.
Dich, Göttin, wird mein Arm auf ewig nicht verlassen.
IDRENO.
Man hört der Waffen Klang, es nähert sich der Streit:
Verspart das Küssen nur bis zu gelegner Zeit.
In jenem Walde läßt sich Rauch und Hütte spüren,
Allwo ein Schäfer wohnt. Dahin will ich Sie führen:
Da wird man Euch, mein Prinz, ein schlechtes Lager streun,
Und diese schöne Hand wird Eure Ärztin sein.
Die wird den Schaden wohl in Schoß und Herzen heilen.
HONORIA.
Er lehne sich auf mich, mein Schatz, wir müssen eilen.
SIROE.
Du meiner Hoffnung Zweck! Wie selig ist der Tag,
Da ich in deinen Schoß mein Herze senken mag!
Die Wund' ist schon geheilt: Mein Lieben ist beglücket.
HONORIA.
Weil es der Himmel hat, mein Engel so geschicket,
Daß mich dein Arm umfaßt, daß mich dein Herz umschließt
So sag ich: daß mich heut das größte Glücke küßt.
8
Achter Auftritt.

Des Kaisers Gemach stellet sich in der Gestalt eines Himmels vor.


HERACLIUS als ein Frauenzimmer.
Es muß der blinde Gott den Aufzug selbst belachen,
Wenn ich aus Männerhaar muß Weiberlocken machen:
Die in dem Herzen Peitsch' und Skorpionen sein.
Hüll ich gleich meinen Leib in Frauenkleider ein:
Muß sich mein Angesicht gleich einer Venus stellen;
So soll ein jeder doch dies Urteil von mir fällen:
Ich sei den Kräften nach, ein andrer Kriegesgott.
Mars wohn' in meiner Brust. Ich wünsche mir den Tod!
Was träumt mir? Bin ich klug? Cupido selbst verlachet
Die Wehmutstränen, wenn er uns entzündet machet,
Zugleich ganz unbeglückt. Die Straf ist allzu scharf:
Daß ein vermummtes Kleid mein Freisein fesseln darf.
Jedoch erwecket dies die allerschärfsten Plagen,
Und mein entflammtes Herz muß dieses nur beklagen:
Daß Theodosia ihr Sonnenpaar entzeucht,
Und aus den Augen mir, nicht aus dem Herzen weicht.
Du kleiner Liebesprinz! bei dem man Hülfe findet:
Besänftige die Brunst, die meine Seel empfindet.
[434] Verwunde doch zugleich den schönen Gegenteil;
Wo nicht, so mache mich von Lieb und Hoffen heil.
Jedoch wenn ich nur darf die holden Lippen küssen,
Wird Theodosia mich zu belohnen wissen.
Wenn ihr Verletzen wird der Seelen Zucker sein,
So schreib ich mich ins Buch der Höchstbeglückten ein,
Wo mich der süße Blitz erwünschter Liebe rühret.

Theodosia erscheinet.


Was vor ein holder Strahl wird aber hier gespüret,
Der dieses Dach erhellt? ich seh das Sternenpaar.
Was Sternen? Es ist die, die meine Sonne war.
Schaut ihren Fürstengang, wie sie die Schenkel reget,
Wie majestätisch sie der Schritte Wechsel träget.
Ihr Gold beschämet selbst der Morgenröte Pracht,
Und ihrer Wangen Schnee hat mich entzückt gemacht.
Was vor ein neuer Stern geht aber ihr zur Seiten?
Was vor ein Unstern muß wohl meinen Schatz begleiten?
Hier will ich merksam sein. Besorgte Liebe sieht
Mehr, als wenn Argos sich mit tausend Augen müht.
9
Neunter Auftritt.

Theodosia, Emilianus, Aspasia, Heraclius im verborgenen.


THEODOSIA.
Ein kurzer Hoffnungsglanz durchstrahlet jetzt mein Herze.
Doch ach! vergebne Lust! Ich hoffe zwar, mein Schmerze,
Den würde selbst die Zeit in Nektarkost verkehren:
Der Himmel aber weiß, ob er dies wird gewähren.
Denn ob mich schon der Tod des Lebens überhübe,
Daß ich mich endlich selbst in Trän' und Flut begrübe:
So würde doch kein Mensch in gleichem Jammer stehn.
Kurz: mein verliebter Geist muß jämmerlich vergehn.
EMILIANUS.
Sie schau den Himmel an, und die vermummte Stärke
Des griech'schen Jupiters. Sie nehme diese Werke
Der Kunst, als Wunder an. Hier wird die Majestät
Des großen Kaisers bald, als eine Morgenröt,
Bei tausend Ampeln sich in Gold und Purpur zeigen,
Und als ein großer Gott aus diesen Wolken steigen.
Prinzessin, heute wird Ihr Glücke vorgestellt:
Wenn Ihr das große Reich der Welt zu Fuße fällt.
Der Kaiser küsset Sie, sein Herze steht Ihr offen.
HERACLIUS vor sich.
Die Treue wird verletzt, was soll ich ferner hoffen?
[435]
ASPASIA.
Prinzessin Sie gesteh, ob nicht viel besser ist
Ein solch Vergnügen, als wenn man die Toten küßt.
THEODOSIA.
Welch ein erleuchte Flamm erhellt den Scheiterhaufen?
Ich will dem Phoca selbst entgegen willig laufen.
HERACLIUS.
Betrügende Siren!
THEODOSIA.
Es weiß der große Gott,
Wie ihn mein Herze haßt. Mich dringt so List als Not.
ASPASIA.
Es müssen Lilien um ihre Schläfe grünen!
Das kaiserliche Bett umstreu ich mit Jesminen.
HERACLIUS.
Ich will im Phlegethon die Fackeln zünden an:
Daß ich dem schönen Paar zu Bette leuchten kann
Als eine Furie. Es sollen Feuerschlangen,
Statt Rosen, Dorn und Blitz, so Bett als Haupt umfangen.
ASPASIA.
Durch welchen Donner wird die hohe Burg erfüllt?
Die Wolken öffnen sich.
THEODOSIA.
Was vor ein Wunderbild?
10
Zehender Auftritt.

Der Himmel eröffnet sich unter Donner und Blitzen, allwo in der Gestalt des Jupiters auf einer helleuchtenden Wolken Phocas erscheinet, umgeben mit vielen erdichteten Göttern, welche sich auf unterschiedlichen Lust-Gerüsten durch den ganzen Schauplatz ausbreiten.

Phocas, Theodosia, Emilianus, Aspasia, Heraclius im verborgenen.


PHOCAS sang in der Luft folgendes.


1.
Ihr Sterblichen! erschrecket nicht
Ob meinem donnerschwangern Licht!
Schaut, Jupiter, den tausend Götter küssen,
Will jetzund euch auf diesem Platz begrüßen.
2.
Setzt alsobald Altäre auf!
Bringt Opfer mit geschwinden Lauf!
Steckt Weihrauch an! Pflanzt güldne Lorbeerreiser
Weil euch bestrahlt der Kaiser aller Kaiser
HERACLIUS.
Es hat die Hoffart mehr als menschlich zugenommen.
Des Kaisers Torheit ist aufs allerhöchste kommen.
Er sei selbst Jupiter! Dies bildet er sich ein:
Doch das Gehirn will nicht Minervens Ursprung sein.
PHOCAS sich auf die Erde lassende, und sich der Theodosia nahende.
Des Donners Kraft verschwindt: Die rauhen winde schweigen:
[436] Der heitre Himmel will sein blaues Antlitz zeigen.
Schau, wie auf meinen Wink der Blitz zu folgen weiß:
Komm, Juno, komm, mein Schatz! Komm her zu mir, und schleuß
Mich deiner Seelen ein.
HERACLIUS.
Mein Herze will zerspringen.
THEODOSIA.
Daß deiner Strahlen Macht mein Herze kann durchdringen:
Versichert dich mein Mund. Ich folge dir mein Schatz!
HERACLIUS.
Hierzu verschwiegen sein, ist ein verdammter Satz.
PHOCAS.
Komm, laß den Zucker-Tau von deinen Lippen fließen
Auf meinen matten Mund.
HERACLIUS.
Eh soll der Tod dich küssen.
EMILIANUS.
Der Zufall ist beglückt, der Fürsten auch erfreut.
ASPASIA.
Und wo die Liebe herrscht, da ist die schönste Zeit.
PHOCAS.
Ach Göttin! eile doch, dich in den Arm zu legen,
Der mehr als mächtig ist, die Götter zu bewegen.
Itzt hat das Glücke sich zur Sklavin dir gemacht,
Und unter deinen Fuß die Kugel selbst gebracht.
11
Eilfter Auftritt.

Indem Phocas die Theodosia umfassen und küssen will, fällt ihm Heraclius in die Armen.

Vorerwähnte Personen.


HERACLIUS.
Halt, großer Kaiser! dies kann nimmermehr geschehen;
Und diesen Greuel soll mein Auge nicht ersehen:
Daß eine griech'sche Frau den Kaiserthron besteigt,
Die sich bald Helena, bald wie Megæra zeigt.
THEODOSIA.
Wie? will sich schon der Schlaf mit meinen Augen gatten?
Was hemmt mir das Gesicht? es ist ein Traum, ein Schatten!
ASPASIA.
Wie? bin ich auch recht klug?
HERACLIUS.
Mich nimmt der Kaiser ein:
Ich weiß, er lässet mich des Vorzugs fähig sein:
Mich, die ich Tochter bin des Kaisers, und von Ahnen,
Die sich nicht durften erst den Weg zur Krone bahnen.
THEODOSIA.
O Himmel! dieses ist Heraclius mein Schatz,
ASPASIA.
Ihr Labsal.
PHOCAS.
Schönstes Kind! Sie gebe fernern Platz
Der Klugheit, welche Sie pflag vormals zu bekrönen.
THEODOSIA.
Beherrscher dieser Welt! Es soll mich nicht verhöhnen:
[437] Wenn mir gleich dieses Bild so Herz als Kaiser raubt.
Ich muß gestehn, nachdem mir ist zu sehn erlaubt,
Wie Morgenröt und Sonn im Antlitz sich vermählen:
Daß sie auch würdig sei, als Kaiserin zu wählen.
EMILIANUS.
Beliebte Höflichkeit!
ASPASIA.
Die nicht vermutet ward.
PHOCAS.
Es ist vonnöten: daß ihr Klang und Trauern spart.
Es soll euch beiderseits des Kaisers Liebe weiden.
HERACLIUS.
Es kann so Lieb' als Thron nicht Nebenbuhler leiden.
PHOCAS.
Was das Verhängnis will, und was mein Wollen spricht:
Dies wisset, daß es auch kein Donner nicht zerbricht.
Ich will mich jetzo recht als Jupiter erzeigen:
Mein göldner Regen soll die Danaen besteigen,
Und Lethens glatte Schoß küß ich gleich einem Schwan;
So sind sie wohl vergnügt. Herbei, Emilian!
EMILIANUS.
Mein Kaiser!
PHOCAS.
Lasse sie, Göttinnen unsrer Zeiten,
Ins Kaisers Zimmer bald aufs prächtigste begleiten.
Ihr schönen Augen ihr! stellt alles Trauren ein:
Heut wird des Kaisers Herz um euch zerteilet sein.
ASPASIA.
Nun ist es Zeit, daß ich die schlaffe Brust entschnüre,
Und zeige, wie auch ich recht weiße Schenkel führe.
Denn weil er alle ja zu seiner Lust begehrt,
So ist vielleicht vor mich ein Plätzgen auch geleert.
12
Zwölfter Auftritt.
PHOCAS singt folgende Worte.

1.
Jede Nymphe, jede Göttin, bleibet meine Lust und Freude,
Jedes Antlitz, jede Brüste, werden meiner Augen Weide.
Ich bin gleichsam eine Motte, die bei jedem Licht sich findt,
Und ein Phönix, dessen Asche wird von aller Glut entzündt.
2.
Es kann mein verliebtes Herze einem Protheus sich vergleichen,
Welcher jeder zu gefallen an sich nimmt der Liebe Zeichen.
Doch es bringet Ruhm und Ehre, wenn bald die, bald jene labt,
Weil der nackte Liebesschütze auch mit Flügeln ist begabt.

Hierauf wird diese Abhandlung mit einem zierlichen Ballet von acht Göttern beschlossen.
2. Akt
1
Erster Auftritt.

Ein Hirtenhäusgen mit einem Gepüsche.

Arconte in Gestalt eines Schäfers.


ARCONTE.
Ihr schönen Tannen ihr! ihr holden Wälderriesen!
Die ihr das Altertum durch hundert Jahr erwiesen:
Ihr seid von dem, was sonst die Seelen quält, befreit.
Bei güldnen Dächern wohnt nur Laster, Haß und Neid.
Beliebte Einsamkeit! Indem die Sorgen schwinden,
So kann mein Herze mehr Vergnügung bei dir finden;
Als in der Perser Burg, wo meiner Jugend Lauf
Und Freiheit ganz verdarb. Hier blüht sie wieder auf.
Ach, Cosroës, Tyrann! daß nicht die Sonn' errötet!
Du hast mir meinen Sohn aus Mordbegier getötet.
Der Vater, welcher doch das minste nicht getan,
Muß in das Elend ziehn. Ach Cosroës Tyrann!
Allein, was vor ein Glanz der Waffen wird gespüret,
Um diesen Wald, den doch Bellona nie berühret.
Die Sicherheit wohnt selbst in diesem tunkeln Hain,
Doch hinter diesem Strauch will ich verborgen sein.

Er verstecket sich.

2
Zweiter Auftritt.

Siroe geführet von der Honoria. Idreno. Arconte im verborgenen.


SIROE.
Es scheint zwar deine Hand, die selbst den Schnee besieget,
Ein kaltes Eis zu sein, doch wärmet und vergnüget
Sie mehr als Flamm und Glut; weil sie zurücke rief
Die Seele, welche schon mit Charons Nachen lief
Ins Elisäer Feld. Mein Leben ward erstattet:
Als sie mich wie ein Licht des Prometheus umschattet.
ARCONTE.
Ihr Götter, was ist dies? Der Persen ältster Prinz,
Zugleich ein Frauenbild. Ja, wahrlich, ja, sie sind's.
HONORIA.
Nunmehro bin ich ganz mir selbst geraubet worden:
Durch Fessel deiner Haar tret ich in Frauenorden.
Doch solche Bande hat mein Herze stets begehrt:
Drum wird ihm billig auch der holde Wunsch gewährt.
Und dies Gefängnis schafft in mir so große Freuden,
Als fast die Unschuld selbst in Ketten könnte leiden.
ARCONTE.
In Wahrheit, ja, er ist's: ich kenne sein Gesicht:
[439] Ich kenne die Gestalt. Arconte, säume nicht!
Wohlan! ich will anjetzt gerechte Rach' ausüben,
Weil ihn der Himmel selbst zur Strafe hergetrieben.
IDRENO.
Herr, geht nicht ferner fort. Ein Schäfer kömmt herbei,
Der diesen Wald bewohnt. Wer weiß es, wer er sei?
3
Dritter Auftritt.

Arconte, vorerwähnete Personen.


ARCONTE.
Und welch Gestirne führt euch her, ihr Martis-Söhne,
Allwo man nie gehört der Waffen Mordgetöne?
HONORIA.
Sei gutes Muts mein Freund! du bleibest unversehrt.
Durch diese Waffen wird die Ruhe nicht gestört.
SIROE.
Es hat der dicke Wald uns Weg und Steg benommen,
So, daß wir ganz verirrt in dieses Grüne kommen.
ARCONTE.
Mein Herr, begebt Euch nur in jenes kleine Haus,
Und ziehet ungesäumt die schweren Waffen aus.

Abseits.

So kann ich besser Euch die Letzte Ölung geben.
HONORIA.
Es deckt oft grober Sand die weinerfüllten Reben:
Und einen hohen Geist verbirgt geringe Tracht.
ARCONTE.
Wo nicht mein Aug' umwölkt des Irrtums falsche Nacht,
So hab ich Ihn, mein Herr, gesehen bei dem König
Der Persen, auf der Burg.
SIROE.
Er kennet mich ein wenig.
ARCONTE.
Ich bin des Cosroës geborner Untertan,
Und komm ganz unversehns bei diesen Wäldern an,
Vom Vaterland entfernt. Hier kann ich frei regieren,
Mich selbst und meine Schaf. Hier läßt sich alles spüren,
Was uns ergötzt. Ja selbst der Himmel ist geneigt.
HONORIA.
So hat denn diesen Mann das Persen-Land gezeugt?
IDRENO.
Des Himmels Schicksal hat ihn zu uns her geschicket.
SIROE.
Ich bin des Königs Sohn; und schätzte mich beglücket:
Wenn ich aus diesem Wald dahin geleitet wär,
Allwo der Tiger-Strom benetzt der Parthen Heer.
ARCONTE.
Es reget sein Befehl die Schenkel und die Sinnen.
Sobald die Sonne wird der Welt ihr Auge gönnen:
Daß nur das Licht erlaubt zu sehen auf den Weg:
So soll Euch Mund und Hand bedeuten Weg und Steg.
Indessen will Euch itzt so Ruh als Schlaf gebühren:
Ein unbekannte Bahn soll Euch schon morgen führen
In Euer Königreich.
Abseits.

Es wird von mir gemeint,
Des Todes finstres Land.
SIROE.
Ihr seid mein bester Freund.
4
[440] Vierter Auftritt.

Siroe, Honoria, Arconte.


IDRENO.
Mein Schäfer, laßt uns gehn, doch nicht auf sanfte Decken,
Die uns Ägypten schenkt. Nein, nein, wir müssen strecken
Der Glieder matte Last auf Gras und Kieselstein,
Und ein verworrner Strauch muß unsre Decke sein.

Er gehet in die Hütte.

HONORIA.
Die Armut muß mir selbst bei dir zu Zucker werden.
SIROE.
So komme denn, mein Schatz, und Engel dieser Erden.
HONORIA.
Nimm du nur, holdes Licht, den Vortritt in das Haus,
Ich folge willigst nach. Nun schlag ich alles aus.
Es mag das Glücke mir so Kron als Thron entreißen:
Durch euch ihr Augenpaar, kann ich glückselig heißen.
Hierauf singen beide im Hineingehen folgende Verse.
1.
Große Venus, sei geneigt,
Weil sich eine Ruhstatt zeigt,
Die auf kräuterreichen Küssen,
Uns die Schmerzen soll versüßen.

2.
Dieser Pfeil ist ja beliebt,
Der im Tod das Leben gibt;
Und zugleich, indem er kränket,
Auch ein heilsam Pflaster schenket.
5
Fünfter Auftritt.

Eine unterirdische Grotte, nebst einer Fontaine, woraus man den Palast mit einer kostbaren Stiege siehet.

Theodosia, Aspasia hernach.


THEODOSIA.

Du feuchtes Felsen-Kind! du angenehmer Bach!
Der gleichsam uns entwirft ein allzeit nasses Ach!
Der, wenn sein Silber stets zermalmet zwischen Steinen,
Aus Beifall traurig ist, vor Wehmut scheint zu weinen.
Verbirg auf kurze Zeit dein fließendes Kristall,
Dort hinter jenen Strauch. Hör an der Seufzer Schall,
Und meiner Seelen Schmerz, mein angsterfülltes Stöhnen,
Dein kläglichs Lispeln sei vermischt mit meinen Tränen.
ASPASIA.
Will sie ohn Unterlaß Ihr eigner Henker sein?
Und stellt Sie nimmermehr das herbe Klagen ein?
[441]
THEODOSIA.
So soll ich, Ärmste, nicht genungsam Ursach haben,
Zu seufzen? Ja ich muß in Tränen mich begraben,
Als eine, welche liebt, und nur den Schatten küßt
Von dem, der allbereit, als Schatz verblichen ist.
Ich schau in fremder Art zwar annoch sein Gesichte.
ASPASIA.
Es stehet der Vernunft die Kümmernis im Lichte.
Das Schicksal und der Stahl hat seinen Fall gestift:
Und wer den Totenfluß schon einmal überschifft,
Der kehret in das Reich des Lebens nicht zurücke.
THEODOSIA.
Ich kenne mehr als wohl der Augen holde Blicke.
ASPASIA.
Ei, ei, was glaubet Sie? Gesetzt, es wäre dies
Ihr Schatz Heraclius: Er würde sich gewiß
In dieser weichen Tracht so schimpflich nicht verstellen,
Vielweniger als Braut zum Kaiser sich gesellen.
THEODOSIA.
In welches Labyrinth hat sich mein Geist verirrt?
Dies Wunder hat mich ganz bestürzet und verwirrt.
Es kann Cupidens Hand nicht soviel Pfeile zimmern,
Nicht kann die heitre Nacht mit soviel Sternen schimmern,
Die See zählt nicht soviel des Sandes, als mein Geist
Nur Schmerzen hegt.
ASPASIA.
Sie schau: wie sich Ihr Phoebus weist.
6
Sechster Auftritt.

Theodosia, Aspasia, Heraclius jedes vor sich.


HERACLIUS.
Dort ist die Untreu selbst.
THEODOSIA.
Mein Abgott läßt sich sehen.
HERACLIUS.
Ihr Sternen! warum laßt ihr dieses doch geschehen,
Daß mir dies harte Bild so wohl gefallen muß,
Indem sie von mir nimmt den rauhen Abschiedskuß.
THEODOSIA.
Wo mich ein Irrtum nicht der schwachen Augen blendet,
So hat Heraclius sein holdes Licht gewendet
Auf meine Finsternis. Ach ja! sein schwarzer Schein
Der Augen, bildet mir zwei helle Sonnen ein.
HERACLIUS.
Sie schaut mich emsig an. Die Untreu kann gewähren,
Daß sie sich muß in Stein, als überzeugt verkehren,
ASPASIA.
Sie faß Ihr einen Mut. Was hat Sie so erschreckt?
Des Herzens Meinung sei nur kühnlich ihm entdeckt.
THEODOSIA.
Diana wolle mir der Liebe Waffen leihen!
Sie, schönste Dame, wird mir hochgeneigt verzeihen:
Daß sich mit ihrer Zier mein Augenschein verbindt.
[442] Ihr himmlisch Antlitz hat den süßen Wahn entzündt:
Es sei das hohe Bild der Seelen überblieben,
Das Theodosia auch in der Gruft muß lieben.
HERACLIUS.
Sirene voll Betrug! Es ist mir wohl bekannt,
Wie Theodosia dem Kaiser sich verband.
Und also scheint es nun: Der alte Liebesorden,
Die vorbeseelte Glut sei Dampf und Nebel worden.
THEODOSIA.
Ach nein!
HERACLIUS.
Ach nein! gewiß, sein unverworfner Geist
Beeifert aus der Gruft, was Phocas itzt geneußt.
Und darum wird er auch sich als Megæra stellen,
Wenn er erscheinen wird mit Fackeln aus der Höllen.
Wenn als ein Schatten er sie stets verfolgen muß,
Zu rächen seine Treu.
THEODOSIA.
Dies ist Heraclius!
Heraclius, mein Licht! Mein Herz! laß dich versöhnen.
HERACLIUS.
Was schwärmt, was redet Sie? Will man mich noch verhöhnen?
Bin ich Heraclius, der sich der ganzen Welt
Hat rühmlichst dargetan, als wie ein Kriegesheld,
Der Ihrentwegen pflag großmütig zu verachten
Gefährlichkeit und Tod in so viel großen Schlachten,
Warum verändert Sie so schleunig Herz und Treu?
Sie schone mich vielmehr mit solcher Heuchelei.
THEODOSIA.
Ach höre mich doch an!
HERACLIUS.
Ich halte das vor Sünde.
Sie mache, daß zugleich so Lieb' als Namen schwinde
Des Phocas.
THEODOSIA.
Hör doch, ach höre, meine Sonn!
ASPASIA.
Seht, wie das Herze brennt gleich einem Acheron.
HERACLIUS.
Sie wisse, daß sie noch ein mehrers hat verschuldet,
Und daß die Liebe nicht die Nebenbuhlschaft duldet.
Ein klares Beispiel wird am Himmel selbst gespürt:
Wo eine Sonne nur, ein Jupiter regiert.

Er gehet zornig ab.

7
Siebender Auftritt.

Phocas, Theodosia, Heraclius, Aspasia.

Die kaiserlichen Trabanten, Phocas dem Heraclio begegnende, nimmt ihn bei der Hand.


PHOCAS.
Ihr Augen, die ihr sonst von holden Flammen glimmet,
Wie kömmt es, daß ihr euch anjetzt so sehr ergrimmet?
Wie daß dein Sonnenlicht sich in Kometen kehrt?
[443] Kann, wo sich Lieb und Glut im Angesichte nährt,
Auch eine Seele sich mit Grausamkeit vermählen?
THEODOSIA.
Was vor ein neuer Schmerz wird meine Sinnen quälen?
HERACLIUS.
Gerechter Zorn entspringt aus einem edlen Mut.
Ich sichre, daß mein Herz zu diesem nimmer ruht,
Daß meines Kaisers Huld sich andre Schönheit wählet.
PHOCAS.
Beliebte Eifersucht!
THEODOSIA.
So sei Ihm die vermählet,
Großmächtigster Monarch! Ich überlasse sie.
PHOCAS.
Ich bitte, schönes Bild, Sie spare diese Müh.
Sie spare diese Müh, mich ferner zu verbinden,
Des Kaisers Klugheit soll ein sanftes Mittel finden:
Das ein beliebtes Band auf Eure Wunden sei.
Ich muß es zwar gestehn: Der Wollust kühler Weg
Kühlt mich zu häufig ab. Der Liebesnektar quillet
Zu häufig. Meine Brunst wird über Durst gestillet.
Der Sternen holde Schar stellt sich gedoppelt ein,
Um unsre Majestät.

Zum Heraclio.


Sie meide Qual und Schein
Was ihre Seele kränkt. Sie lasse sich begnügen,
Wenn sie als Herrscherin den Phocas kann besiegen,
Der seine Fessel küßt. Sie gebe sich zur Ruh,
Mir, als Alcides, kömmt ja dieses billig zu:
Daß von sie beiden ich Ompheden mir erwähle,
Und mir die andre selbst, als Iole vermähle.
ASPASIA.
Wie daß sich Phocas mehr als Hercules vermißt?
Denn wo er voller Brunst fast jede Schönheit küßt,
Wo er mit allen will die süße Arbeit teilen,
So braucht er wahrlich mehr, als tausend guter Keulen.
PHOCAS.
Die Sorge sei verbannt, weil heute Juno lacht;
Die Anstalt werde bald zu einer Jagd gemacht,
Wo das Euxiner-Meer mit seinen blauen Wellen
Des Waldes Ufer netzt. Ich will das Wild selbst fällen.
Dort sollt, ihr Schönen, mich, als Jägerinnen lehrn,
Ob mehr ein schönes Aug, als Waffen, kann versehrn.
Es wird Diana selbst der Waffen Anmut schärfen,
Und ein beliebtes Wild dem Jäger unterwerfen.
HERACLIUS.
Dies wird der Seelen Gift, statt Liebeszucker streun.
THEODOSIA.
Und diesem Herzen wird die Wollust Marter sein.
PHOCAS.
Ich bin vergnügt: Nun folgt ihr holden Nymphen beide.
[444]
HERACLIUS.
Wir eilen allerseits und gehen hin zum Leide.
THEODOSIA.
Wir eilen allerseits und gehen hin zum Leide.
PHOCAS.
Wir eilen allerseits und gehen hin zum Freude.
8
Achter Auftritt.

Phocas, Emilianus.


EMILIANUS.
Unüberwindlichster! wir müssen eilend schaun,
Das zitternde Gebäu des Reiches aufzubaun.
Ägypten hat das Schwert auf unsern Hals geschliffen,
Es hat der Waffen Last aus Liebe schon ergriffen?
Aus Liebe, die es stets Mauritio geschenkt.
Die Not erfodert es, daß man die Waffen lenkt
Auf Nilens Wunderstrom. Man dämpft die Krokodile,
Durch eilende Gewalt bei ungeschwelltem Nile.
Der Kaiser schaffe nur, daß der Tyranne stirbt,
Und daß sein Anker gleich dem Lebensschiff verdirbt.
PHOCAS.
Wir wollen diese Brunst in erster Flamm erstecken.
So sterbe Mauritz denn! Laßt ihm den Schluß entdecken
Durch Henker, Beil und Blut. Jedoch weil mich entzündt
Honoria mein Licht: Honoria sein Kind:
So werde mein Befehl, den Vater auf die Bahre
Zu bringen, bald vollbracht: Doch, daß sie nichts erfahre,
Laß im Gefängnisturm durch der Trabanten Hand,
Gleich, als von ungefähr, erwecken Flamm und Brand.
So mag der Bösewicht in Asche sich verkehren;
Und dem Vulcano sich zum Opfer selbst gewähren.
Es sterbe, wer mich Gott und Herr nicht nennen will!
Er sei der Luft geschenkt zu ihrem Gaukelspiel.

Er singet.


Laß immer, tolles Glück, dein Rasen auf mich gehn!
Ja laß den Himmel selbst in vollen Flammen stehn!
Du wirst, o Närrin, dich nur selber hier betören:
Denn mich als einen Gott kann keine Macht versehren.
9
Neunter Auftritt.

Ein Gefängnis nebst einem Vorhäusgen, bei welchem zwischen grausamen und spitzigen Felsen in dem Meere ein alter Turm stehet.

Der gefesselte, und von den Soldaten außer dem Turme bewahrte Mauritius, Emilianus, so kurz hernach erscheinet.


MAURITIUS.

So will der Marmor-Schluß des Schicksals nicht verschonen
[445] Auch keine Majestät; und stürzt es auch die Kronen?
So geht's! wo nur das Glück als Herrscherin regiert:
Wo man zum Grunde nur die blinde Kugel führt.
Wer seiner Flügel Macht will allzu hoch ausbreiten,
Der fällt gefährlicher und kann viel eher gleiten,
Als der, der mehr vergnügt auf fester Erden wohnt,
Die Zedern rührt der Blitz, wenn er die Sträucher schont.
Die Ketten, welche mich zur Strafe müssen drücken:
In welche sich, ach Schmerz! mein schwacher Fuß muß schicken:
Die schreiben in den Sand die nachgesetzte Schrift,
Die mich, und insgesamt gekrönte Häupter trifft:
Es ist des Glückes Art die Änderung zu lieben:
Es hat sich keinem noch als Eigentum verschrieben.
Wer sich des Morgens schaut bekrönt, und obenan,
Der wisse daß sich viel vor abends ändern kann.
EMILIANUS.
Trabanten! es ist Zeit, die Stunden sind verflossen.
Er hat bereits genung der frischen Luft genossen.
Geht, führt ihn wieder hin, wo er die Fessel küßt,
Und seid bemüht, daß ihr den Turm ja wohl verschließt.
MAURITIUS.
So ist, o Himmel! mir nicht so viel Erde blieben
Von meinem Kaisertum, worauf ich nur verschnieben,
Worauf mein matter Fuß ein wenig ruhen darf.
Ihr Götter, tötet mich! das Urteil ist zu scharf.

Er wird in den Turm geführt.

EMILIANUS.
Geht, eilt ihr Henker, fort! erfüllet eure Hände
Mit Fackeln, Pech und Glut, ergreifet Schwefelbrände,
Und steckt den alten Turm mit schnellen Flammen an,
Bis man die Asche nur davon erkennen kann.
Dies Feuer soll zugleich Mauritium begraben,
Die Asche soll der Wind zu seinem Spiele haben.
Denn wer mir Dampf und Rauch in seinem Herzen hegt:
Der ist auch würdig, daß er Glut zu Lohne trägt.
Er singet folgendermaßen.
1.
Paläste sind ein rechtes Meer,
Wo stets die tollen Wetter rasen.
Wo das pechschwarze Neides-Heer,
Und tausend Unglücks-Winde blasen.
Es bilde sich nur keiner ein,
Allhier im sichern Port zu sein.

[446] 2.
Wer dieser See, wenn ihre Flut
Am allerschönsten spielt und schimmert,
Zu schnell vertrauet Seel und Gut,
Dem wird die Bahre stracks gezimmert.
Hier, hier sieht man Charybden stehn,
Wo Kronen auch zugrunde gehn.
10
Zehender Auftritt.

Der Turm stehet in voller Flamme.

Der in der Mitten des Turms stehende, und sich ins Meer stürzende Mauritius.


MAURITIUS.
Weil Himmel Erd und Welt sich wider den verschworen,
Den selbst das Elend hat zum Ungelück geboren:
So gönn, o Jupiter des Meeres, mir die See!
Daß sie zu Hülfe mir den Flammen widersteh.

Er stürzet sich vom Turme ins Meer.

11
Eilfter Auftritt.

Nächtliche Begebenheit.

Ein Lustwald an dem Ufer des Euxinischen Meeres, nebst einer Höhle auf einer Seiten, und einem verschlossenen Hirtenhäuslein in der Ferne.

Arconte mit einem bloßen Dolche in der Hand.


ARCONTE.

Alecto! Furie! du Göttin schwarzer Höllen!
Du wollest deinen Zorn den Geistern beigesellen;
Die mir Plutonis Reich zur Rach' und Hülfe schickt:
Du, die du Schlangen mir ins Herze hast gedrückt.
Hier meinet Siroë der Ruhe zu genießen:
Doch soll er schlafende sein faules Blut vergießen.
Eröffne seine Brust! auf meine rechte Faust!
Stoß zu! sei unverzagt! wie aber, daß mir graust?
Ein unbekannte Macht hat mich mir selbst genommen.
Wohin bistu durch Zorn Arconte doch gekommen?
Was denk und tu ich doch? der dir sein Leben traut,
Und der auf deine Treu, mehr als auf Felsen baut,
Dein Prinz, dein König soll so Blut als Geist verlieren,
Durch deine Mörderhand? der Himmel wolle rühren
Den morderfüllten Sinn! er lasse nimmermehr
Die grause Tat geschehn, daß dieses Blut-Gewehr
Ein unschuldvolles Herz im Schlafe soll durchgraben:
[447] Und daß derjenige sollt einen Namen haben,
Den selbst der Himmel haßt. Sollt ich Verräter sein,
Der Scheitel, Haupt und Haar sonst kränzt in Lorbeern ein?

Er wirft den Dolch weg.


Weg! weg! entferne dich, vermaledeites Eisen!
Es ist des Schicksals Spruch: Du sollst dich nicht erweisen,
Als eine Dienerin verdammter Grausamkeit,
Denn tapfern Seelen ist auch übles Wollen leid;
Sie können nimmermehr unedle Laster üben.
Allein, wen hat doch mehr der Himmel hergetrieben?
Die, welche Waffen trug, hüllt sich in schlechte Tracht,
Als eine Schäferin. Wer hätte dies gedacht?
12
Zwölfter Auftritt.

Honoria, bekleidet als eine Schäferin.


ARCONTE.
Die Morgenröte beginnet zu schimmern.
HONORIA.
Die Morgenröte glänzt mit lichten Rosenhaaren.
Der Sonnenwagen kömmt von Ganges hergefahren:
Mit der verschwundnen Nacht schläft das Gestirne ein.
Die Nachtigall erwacht, und will beschäftigt sein,
Das neue Tageslicht aufs schönste zu begrüßen;
Ich, die ich mich anjetzt aus Not verhüllen müssen,
In dieses schlechte Kleid, will meinen hohen Stand
Verbergen: daß er sei dem Sieger unbekannt.
Wo wird man aber nun den alten Schäfer spüren?
Es ist sehr hohe Zeit uns in die Burg zu führen,
Wo Haupt und König wohnt.
ARCONTE.
Sie schau, ich bin bereit,
Der sich zu Ihrem Dienst aufwärtigst anerbeut.
Doch was vor ein Geschrei betäubet mein Gehöre,
Mich dünkt, als wenn es sich je mehr und mehr vermehre.
Der Hunde Bellen stimmt mit ein. Es nähert sich,
Daß auch der Wald erschallt.
HONORIA.
Was seh, o Himmel, ich?
13
Dreizehender Auftritt.

Phocas mit einer Menge Jäger umgeben, verfolget mit einem Spieße in der Hand einen großen Bären.

Honoria, Arconte, Idreno, so hernach erscheinet.


PHOCAS den Bär tötende.
Dein Rasen ist umsonst! du Bestie mußt sterben,
[448] Es soll dein roter Schweiß die grüne Erde färben.
Du hast dich meinem Stahl vergebens widersetzt:
Besondern dich vielmehr zur Strafe selbst verletzt;
Allein was blendet mich bei früher Morgenröte
Ein schönes Ungeheur? Indem ich Bären töte,
So fället mir ins Garn ein so beliebtes Wild,
Das noch viel schöner ist, als das gestirnte Bild.
ARCONTE.
Hier dienet keine Flucht, man muß die List erwählen.
PHOCAS.
Wie kann die Liebe sich dem Augenblitz vermählen!
Und wer ist dieses Bild?
ARCONTE.
Ach Herr, sie ist mein Kind.
PHOCAS.
Ei was? du alter Narr! das Alter macht dich blind.
Sie hat als Göttin sich gelassen von dem Throne
Des Himmels, daß sie hier in diesen Wäldern wohne.
HONORIA.
Ihr Götter! wo er mich erkennt, so ist's geschehn!
PHOCAS.
Ein solches Licht muß Wald und Finsternis verschmähn.
Ich will: daß alle Welt so Opfer als Altäre
Auf diamanten Thron der Göttin hier gewähre.
HONORIA.
So hoher Ehren ist ein Schäferkind nicht wert,
Die dieses rauhe Holz zur Wohnung nur begehrt.
PHOCAS.
Es kann mein hohes Wort Sie Sternen gleich erheben.
IDRENO kömmt.
Ich elendsvoller Mensch, was werd ich hier erleben?
Dies ist der Kaiser selbst. Was soll ich ferner tun?
ARCONTE.
Durchlauchtigster Monarch! Er wolle doch geruhn,
In Gnaden mir dies Kind, den Anteil meines Leibes,
Des Vaters Augentrost, die Blume meines Weibes,
Zu gönnen: daß sie mir die Augenlider schleußt:
Wenn Lachesis den fast verzehrten Faden reißt.
PHOCAS.
Ich bin Gott Jupiter! du kannst nicht Vater bleiben.
Du wirst des Kaisers Wort vergebens hintertreiben.
Trabanten! alsobald begleitet ins Gemach
Des Kaisers, dieses Kind.
IDRENO.
Mein Schmerz ist tausendfach.
PHOCAS.
Ihr schönen Augen ihr, wo Blitz und Liebe strahlet,
Die ihr der Liebe Sold mit Anmutsblicken zahlet.
Wenn euch zu küssen mir einmal erlaubt wird sein;
So fähret Phocas leicht in Wollust-Hafen ein.

Er gehet ab.


IDRENO.
Ich unbeglückter Mensch, mein Leben muß verschwinden:
Weil wider diesen Fall sich läßt kein Mittel finden.
[449] Es ist zu unverhofft.
HONORIA.
Wo werd ich hingeführt?
Ihr Götter! wo mein Herz sein ander Sich verliert:
So leb ich ohne Seel, so sterb ich sonder Leben.

Sie wird abgeführt.


IDRENO.
Ich muß vor großer Angst dem Tode mich ergeben.
ARCONTE.
Ich eile, daß es nur bald Siroë erfahr,
IDRENO.
Statt Laufens wünsch ich mir das schnellste Flügelpaar.
14
Vierzehender Auftritt.

Siroe kömmt aus dem Hirtenhäusgen.

Idreno und Arconte von weiten.


SIROE.
Wenn Phaëton erwacht, muß sich das Gold der Sternen,
Und Lunens Silberhorn verblassen und entfernen.
Allein Cupido stellt mir Stern und Augen vor,
Vor welchen Phoebus selbst so Glut als Glanz verlor.
Ein Strahl von meiner Sonn kann jenes Licht beschämen:
Daß es beschämte Flucht muß hintern Wolken nehmen.
Begierde meiner Brust! ach wärst du eilend da!
Wo find ich dich, mein Schatz! komm, komm, Honoria!
Entdecke doch, mein Licht, dein liebliches Gesichte,
Und mache jenen Glanz Aurorens selbst zunichte,
Durch deine Gegenwart. Die schönen Augen sind's,
Wornach mein Herze lechzt.
15
Funfzehender Auftritt.
SIROË, ARCONTE, IDRENO.
Ach weh, mein wertster Prinz!
IDRENO.
Ach Herr, Honoriam hat Phocas weggeraubet.
SIROE.
Wie? traum ich wachende? wird dies auch wohl geglaubet?
Wie? bleibt sie ohne mich? ich folge was ich kann,
Und greife Phocam selbst gleich einem Tiger an.
Ich will auf diesem Platz mit Zähnen ihn zerreißen,
Den räuberischen Hund. Doch, ach! was soll dies heißen?
Mein Rasen ist umsonst! der Schmerz verblendet mich.
Ich bin nicht bei mir selbst. Ach Phocas, schäme dich!
ARCONTE.
Das Leben hab ich ihm schon einmal wieder geben,
Nun will ich ihm zugleich auf seinen Thron erheben.
Es wird ein großer Mut durch keine Raserei
Des Glückes unterdrückt: Es riet mir Huld und Treu;
Die ihm mein Herze schenkt: Daß Phocas dieses glaubte,
[450] Es sei Honoria mein Kind, das er mir raubte,
Und daß ich Vater sei. So führt er sie davon.
Was schadet's? Wenn Ihr Euch auch nennet meinen Sohn.
So könnet Ihr durch mich in schlechtem Hirtenkleide
Gar bald in Bysanz sein.
IDRENO.
Ich sterbe fast vor Freude!
Wenn der verdammte Hund durch solche kluge List
Sich wird betrogen schaun: Wenn er den Schatten küßt.
SIROE.
Ach Hoffnung, laß mich nicht! laß mich die Sonne schauen!
Kann ich so Gold als Haar auf den beblümten Auen
Der Wangen nur ersehn, so mag mein Lebenslicht
In stetem Kerker sein. Ach Hoffnung, laß mich nicht!
16
Sechzehender Auftritt.

Theodosia, Aspasia.

Es ziehen sich allenthalben schwarze Wolken zusammen, welche den Himmel überschatten.


THEODOSIA.
Wie Wanderwolken Dampf den Himmel finster machet,
Und seine Sonne raubt, obgleich Aurora lachet,
Wenn Licht und Tag erscheint: so wird durch Angst und Schmerz
In tiefste Nacht gestürzt das vor vergnügte Herz.
ASPASIA.
Man wird, Prinzessin, sich vergebens nur bemühen,
Der regenschwangern Luft im Walde zu entfliehen.

Es wetterleuchtet stark.

Ihr Götter! welcher Blitz steigt osten-wärts empor,
Es stellet Flamm und Glut fast eine Hölle vor.
THEODOSIA.
Hier unter diesem Baum und blättervollen Eichen,
Als derer Gipfel fast die Wolken kann erreichen,
Soll unsre Zuflucht sein. Ihr grüner Arm beschützt,
Wenngleich des Himmels Grimm auf Erden kracht und blitzt.

Sie flüchten sich unter eine Eiche, worauf unter Windesbrausen und Blitzen ein starkes Donnerwetter kam.

17
Siebenzehender Auftritt.

Heraclius mit einem Wurfpfeile in der Hand, dem Wetter entfliehende.

Theodosia und Aspasia im verborgenen unter der Eiche.


[451]
HERACLIUS.
Ihr Furien der Luft! ihr Winde hemmt das Wüten!
Verschont den grünen Kreis der Erden zu beschütten
Mit strenger Glut und Flut. In dieser Höhlen muß,
Dem Wetter ich entfliehn.
ASPASIA.
Dies ist Heraclius.
THEODOSIA.
Ach meine Sonn ist dies! schau doch die Winde schweigen,
Sobald die Blicke sich der holden Augen zeigen.
Es glänzt das Himmelblau, die schwarze Wolke weicht,
Sobald mein Abgott nur den dunkeln Wald erleucht.

Der Himmel kläret sich aus.

18
Achtzehender Auftritt.

Heraclius, Mauritius, Honoria und Aspasia im verborgenen.

Heraclius verfolget Mauritium, so aus einer Höhle gekrochen kömmt.


HERACLIUS.
Halt Bestie! du wirst vergebens dich bemühen,
Der Faust und meinem Zorn dich flüchtig zu entziehen.
Ihr Himmel, was ist dies?
MAURITIUS.
Halt an, Amazonin!
Erbarm dich! weil ich alt und unglückselig bin.
HERACLIUS.
Dies ist Mauritius. Wie ist Er doch entkommen,
Aus Turm und Finsternis? Wer hat Ihm abgenommen
Der Ketten kalte Last?
MAURITIUS.
Du seist auch, wer du seist,
Ob man dich Jägerin gleich dieser Wälder heißt:
Betrachte meinen Stand, des Schicksals Wunderfälle,
Wie grausam es sich auch gekrönten Häuptern stelle.
Mir, den so Reich als Welt vor Gott und Kaiser hielt,
Mir, dessen starke Faust hat Ost und West erfüllt,
Mir, dessen bloßer Wink den stärksten Feind erschrecket:
Bleibt so viel Sandes nicht, der meine Asch bedecket.
HERACLIUS.
Mein nasses Augensalz bejammert diesen Fall.
ASPASIA.
O Himmel! dieser ist des Glückes Wunderball!
HERACLIUS.
Glorwürdigster Monarch! muß dies mein Aug' ersehen,
Daß der Tyrannen Macht die Majestäten schmähen,
Und unterdrücken darf. Verkehrtes Gaukelspiel!
Des Unglücks Raserei wählt Kaiser auch zum Ziel.
Ich bin Heraclius.
THEODOSIA.
Nun wird mein Geist erquicket.
HERACLIUS.
Ob mich mein Kaiser gleich in Weibertracht erblicket:
So hat sich doch mein Mut in minsten nicht gelegt.
Weil aber jetzt Sein Knecht ein groß Verlangen trägt,
[452] Zu wissen, auf was Art Sein Fuß die Freiheit büßet,
So sag Er: wie Er jetzt die schnelle Flucht begrüßet.
MAURITIUS.
Mit was vor Lust umfaß ich Seine rechte Hand,
Eh Atropos zerstickt mein schwaches Lebensband.
Denn diese Hand hat selbst der Himmel auserkoren
Zu rächen meine Schmach. Mein Freisein ward geboren
Durch angestellte Glut, die jenen Turm ergriff.
Worin mein matter Leib in Kett und Banden schlief.
Es meinte Phocas mich durch Flammen zu verderben:
Was sollt ich Ärmster tun? so jämmerlich zu sterben,
Entsetzte sich mein Geist. Es rief Verzweifelung,
Daß ich mich rettete durch einen hohen Sprung,
In die begraste See. Hier kunnt ich recht verspüren
Der Götter hohe Gunst. Die Wellen mußten führen
Mich jenem Ufer zu. Ich war ganz naß und feucht,
Und habe fast entseelt hier diese Höll erreicht.
Allein mein Ende wird des Lebens nun verspüret,
Indem die Seele schon die blassen Lippen rühret:
Drum, eh sie noch ergreift des Todes kalter Zahn
So nehm Er dies Geschenk von einem Bettler an
Der vorhin Kaiser hieß.

Er gibet ihm das, aus seiner Brust hervorgezogene kaiserliche Siegel.

HERACLIUS.
Dies ist der Kaiser Siegel.
MAURITIUS.
Ich sichere, dies sei der rechte Wohlfahrts-Hügel,
Auf welchem Er sich bald erhöht als Kaiser schaut:
Denn heute wird Ihm Thron und Hoheit anvertraut.
Es ist des Himmels Schluß, der Götter ihr Geschicke:
Dies Zeichen hemmt die Flucht der Völker: bringt zurücke
Mein ganz zerstreutes Heer. So fahr ich freudigst hin.
THEODOSIA.
Wo dieser Kaiser wird, so werd ich Kaiserin.
HERACLIUS.
Mein Kaiser, König, Herr! Er wolle sich bequemen,
Und die behörte Ruh in meinen Armen nehmen.
Hilf Himmel! er verblaßt! er atmet! ach er stirbt!
ASPASIA.
Ist dies die süße Frucht, die uns der Thron erwirbt.
THEODOSIA.
Ich wollte mich bereit zu seiner Hülfe finden:
Wenn Furcht und Zweifelmut nur nicht im Wege stünden.
HERACLIUS.
Wo führt mein schwacher Arm die werte Leiche hin?
Weil ich von Wach und Feind im Wald umgeben bin.
Indessen soll den Leib die dunkle Höhle decken:
Bis beßre Mittel wird so Glück als Zeit erwecken,
Die letzte Totenpflicht nach Würden ihm zu tun:
[453] Denn welcher Kronen trug soll auch als Kaiser ruhn.
Er leget die Leiche in die Höhle.

THEODOSIA.
O harter Schicksalsschluß! elende Trauerbühnen!
Es muß ein enger Ort zum Leichentopfe dienen
Der Aschen, die zuvor in Purpur mußte blühn,
Und der die weite Weh fast allzu enge schien.
HERACLIUS aus der Höhe gehende.
Nun lasse dir mein Herz zu neuen Heldentaten,
Des Kaisers letztes Wort und dieses Siegel raten.
So Waffen, Blitz als Schwert soll meine Speise sein:
So fährt Heraclius in Port der Ehren ein.
Er singet folgendermaßen.
1.
Auf! meine Sinnen, auf! hurtig zum Streiten!
Marspiter muß euch durch Schwerter erhöhn,
Und in den Tempel der Ehren begleiten!
Wo tausend Lorbeern und Palmen stets stehn.
Jetzt müsse Himmel und Erden erschallen,
Durch der Bellonen höchst-rühmliches Knallen.

2.
Waffne, Gradivus, mein eifriges Herze,
Lege mir selber den Panzer jetzt an:
Daß der Tyranne mit grausamsten Schmerze,
Falle durch mich in Proserpinens Kahn.
Auf meine Sinnen! auf hurtig zum Kämpfen!
Laßt uns den Wütrich zerschmettern und dämpfen.
19
Neunzehender Auftritt.

Theodosia, Aspasia.


THEODOSIA.
Betrübtes Augenlicht! die Sonne holder Freuden
Klärt deinen Himmel aus. Es schwindet alles Leiden,
So Marter, Pein als Schmerz: indem ich wieder fand
Die Schönheit, welche mich Heracliusio verband.
ASPASIA.
Prinzessin, muß Sie nicht den Beifall selbst erheben,
Daß ein begrautes Haupt den besten Rat kann geben:
Denn Sie bedenke doch: Hätt ein verdammter Stahl
Den schönen Leib entseelt: so wäre Sie der Zahl
Der Geister einverleibt; die als Gespenster irren,
Durch Hölle, Luft und Welt, wo Kröt' und Schlangen girren.
Sie hätte Huld und Glanz des Schatzes nie erblickt,
Und seine Gegenwart war ewig abgestrickt.
[454] Wer nicht beständig ist, der wird sich nicht erquicken:
Beständigkeit allein kann jeden Geist beglücken.

Hierauf singet Theodosia folgendes.

1.
Sei nun zufrieden, o mein beklemmtes Herz!
Laß von dir fliehen den eisenharten Schmerz:
Dein unbewegliches Verlangen
Wird nun den süßen Lohn empfangen.
2.
Denn eine Seele, die nur um Hülfe ruft,
Läßt Venus niemals versinken in der Gruft.
Sie reißet sie aus allen Nöten,
Und kehrt in Sonnen die Kometen.
3.
Sobald ich werde empfinden dieses Glück,
Und mich nicht fesseln mehr wird der Sorgenstrick:
So will, mein Engel! mit viel Küssen,
Ich dir die bittre Zeit versüßen.
4.
Kurz: meine Seele, es bleibet doch dabei;
Daß treue Liebe der schönste Sieger sei.
Und daß in Demant sei geschrieben:
Wer Lorbeern sucht, muß ewig lieben.

Hierauf ward mit einem zierlichen Jäger-Ballet auch diese andere Handlung beschlossen.
3. Akt
1
Erster Auftritt.

Die kaiserliche Burg.

Phocas.


PHOCAS.
Laß, Venus, deinen Rat, des Zweifels mich entbinden,
Drei Scheiterhaufen sind's, die meine Seel entzünden.
Drei Spitzen senken sich in Brust und Herzen ein,
Und von drei Grazien muß ich gefesselt sein.
Und dennoch weiß sich nicht mein Herze zu entschließen,
Welch Götterbild ich soll von diesen dreien küssen,
Und welches Haupt noch soll bekrönen Lieb und Thron;
So scheint die Liebe mir zu sein ein Gerion,
Der mit drei Köpfen spielt, mich desto mehr zu plagen.
Allein ich Törichter! was hab ich wohl zu klagen?
Muß nicht dies große Reich mir zu Gebote stehn?
[455] Wenn nur der Kaiser winkt, so kann mir nichts entgehn.
Es strahlt mein Kaisertum mit so viel schönen Augen,
Daß nur der Kaiser darf so Lust als Liebe saugen,
Aus Wangen, Brust und Schoß, wo, wie und wenn er will?
Befehl und letzter Zwang ist seiner Bitte Ziel.
Doch schaut: die Schönheit will hier ihren Eintritt nehmen:
Die selbst die Göttin kann von Amathunt beschämen;
Die sich ins Finsternis der Wälder hat gewagt;
Und derer Augenblitz den Jäger selbst erjagt.
2
Zweiter Auftritt.

Honoria, als eine Prinzessin bekleidet.

Phocas, die Pagen und Trabanten.


HONORIA.
So ist mein Hoffnungslicht verdunkelt, ja verschwunden!
Mein schon entgeistert Herz zählt grause Totenstunden.
Die Glut Cupidinis verzehret meine Treu.
PHOCAS.
Ach Sie verstelle nicht der Wangen holden Mai
In eine Winternacht. Ich kann das Glücke binden:
Sie kann ein festes Rad durch mich am selbten finden,
Daß Sie zum Throne hebt.
HONORIA.
Ich wäre mehr erfreut:
Wenn mein verwirrtes Haar mit Blumen wär umstreut,
Womit mein Vaterland als Edelsteinen pranget:
Als wenn des Purpurs Last um meine Schultern hanget.
PHOCAS.
Daß einen Baurengeist ein schöner Leib umgibt,
Der schlechte Blumen mehr, als Kaiserkronen liebt:
Scheint wider die Natur. Doch, zeugten sie gleich Wälder,
So werde Sie geführt in kaiserliche Felder,
Wo Blum' und Gartenlust, Geruch und Aug' ergötzt:
Und wo die Silberflut den reinen Marmor netzt.
Aus deren Tränen kann Sie meine Lieb erkennen,
Und sich als Schülerin des stummen Wassers nennen:
Wenn Sie ersehen wird zu angestellter Zeit,
Mit Anmut und Verdruß, den Kunst- und Wasser-Streit:
Wie das zerteilte Naß sich muß beschließen lassen,
Wie es sich muß im Schoß des rauhen Steines fassen,
Und wie die stete Flut die härtsten Steine zwingt,
Daß eine Tränensee durch Ritz und Marmor dringt.

Er gehet ab.


HONORIA.
Vermaledeiter Hund! du findest dich betrogen:
Ich bin dem Tigertier weit mehr als dir gewogen.
Wie man dies Wasser sieht, lebendig, klar und rein,
[456] So werd' ich allzeit keusch und unbeflecket sein.
Der Himmel mag auf mich so Blitz als Keile schicken:
Jedoch Beständigkeit soll stets mein Herze schmücken.
Wenn Phocas voller Brunst einst wird zu scheitern gehn:
So wird bei Siroën mein Haupt bekrönet stehn.
3
Dritter Auftritt.

Heraclius. Priscus.


HERACLIUS.
Die Sphæra meines Glücks ist dieses runde Wesen:
Mein schwacher Zustand ist durch dieses Gold genesen.
Das Schicksal ist versöhnt: es soll so Reich als Land,
Durch mich gesetzet sein in vorbeglückten Stand.
Nimm hin, vertrauter Freund! dies kaiserliche Zeichen:
Das ich von dem empfing, der jetzo wollt' erbleichen:
Und als Monarche starb; ob er gleich Bettler schien.
Verfüge dich alsbald mit diesem Siegel hin;
Wo Constantinus sich mit den zerstreuten Scharen,
Der Götter Schickung nach, mit Flucht und Furcht muß paaren.
Vermeld ihm: Wo er bald das Volk in Waffen stellt,
Und sie von Flucht und Furcht erwünscht zurücke hält;
Daß er mir Hülfe leist, und zwar in höchster Eile:
So werd ein großes Teil des Reiches ihm zuteile.
PRISCUS.
Ein Rentier, welches fast den Morgenwind besiegt,
Und dessen schneller Lauf die Luft fast überwiegt,
Das soll mich an den Ort der treuen Völker bringen:
Ihr Himmel, lasset Wunsch und Taten wohl gelingen!
HERACLIUS.
Nun wird mein rechter Grimm in vollen Flammen stehn,
Wodurch der Wüterich höchst schmerzlich soll vergehn.
Wohlan! es ist nicht Zeit hier lange zu verbleiben;
Man muß dies Ungeheur aus Reich und Welt vertreiben.

Theodosia von fernen.


Doch welche Schönheit hat die Sinnen mir verstrickt?
Welch Anmutsstrahl hat Geist und Seele fast entzückt?
Schaut! Theodosia! soll ich mich ihr entdecken?
Nein! nein! wer selber pflegt die Treue zu beflecken,
Dem wird nach Billigkeit gebrochen Lieb und Huld.
Ach aber, sollt ich nicht nach ihrer Augen Gold,
Als Adler fliegen zu? Nein, nein, die Liebe leget
An Herz und Schenkel Blei . ...
4
[457] Vierter Auftritt.

Theodosia. Heraclius. Emilianus im verborgenen.


THEODOSIA.
...Wo sich das Auge reget,
Das wie ein heller Stern im Schönheitshimmel sitzt,
Da schaut mein Herze, wie ein reiner Pharos blitzt
Von ferne, welcher ihm in Liebes-Hafen winket.
Dem Herzen, welches gleich Leandren fast versinket,
In einer Tränensee. Schaut, was mein Geist begehrt,
Das wird durch diesen Blitz nach Wunsche mir gewährt.
HERACLIUS.
Ich mühe mich verstellt, die Falsche zu verachten.
THEODOSIA.
Ihr Götter! soll ich denn nur jederzeit betrachten
Mit Schmerzen und Verdruß das schöne Augenpaar,
Durch deren Blitz mein Geist oft wie entgeistert war?
Ihr holden Lichter ihr laßt eure Strahlen schießen
Auf mein halbtotes Herz. Wo nicht, so sollt ihr wissen,
Daß mein gewisser Tod durch gleiche Straf und Pein,
Euch kränken soll.
HERACLIUS.
Mein Geist soll unbeweglich sein.
Bemühe dich, mein Herz, die Marter zu ertragen.
THEODOSIA.
Ach welche Grausamkeit!
HERACLIUS.
Welch Schmerzen! welche Plagen!
THEODOSIA Heraclium hinten beim Rocke fassende.
Ach mein Heraclius! mein Schatz! erbarme dich!
Verbanne Zorn und Haß! Komm, komm, umfasse mich!
Ach neige dich zu mir! ich falle vor dir nieder,
Und bitte: gib mir das geraubte Herze wieder.
HERACLIUS.
Schaut! wie die Circe noch so künstlich heucheln kann.
THEODOSIA.
Mein Schatz! Aurora stieg auf ihre Rosenbahn,
Dictinna war bereits vor jener Pracht erblichen,
Als ich ihm heimlich war im Walde nachgeschlichen:
Da sah ich voller Lust, wie er sich unverzagt
Das große Kaisertum durch Jagen hat erjagt.
HERACLIUS.
Ich bin nunmehr entdeckt durch ihre Liebesflammen.
Ich muß Verdacht und Zorn als Überfluß verdammen:
Weil ich durch Eifersucht in Nacht und Irrtum fiel,
Als ich der Majestät unrechtes Liebesziel
Auf sie gerichtet sah. Die Treue war verschwunden,
Und Theodosia schien anderwärts verbunden.
THEODOSIA.
Wie kann Heraclius so höchst empfindlich sein?
Ich schwere: Wort und Huld war ein verstellter Schein,
Wodurch ich dermaleinst Tyrannen wollte stürzen,
Und Phocas' Leben selbst zu meiner Rache kürzen.
[458]
EMILIANUS im verborgenen.
Der Himmel hat mich selbst an diesen Ort gestellt:
Daß sein Gesalbter nicht durch schwache Weiber fällt.
HERACLIUS.
So soll die tapfre Faust geschärfte Waffen tragen,
Auf Phocas' schwarze Brust. Ich selber will mich wagen.
EMILIANUS.
Ich will Alcides sein, so stirbt die Schlangenart.
HERACLIUS.
Zu einer Heldentat wird keine Zeit gespart!
Indessen lasse dich, du schönster Engel, küssen,
Laß deine zarte Hand durch meine Faust umschließen:
Das Schicksal schenket dir das Kleinod dieser Welt,
Und hat dir Kron und Thron im neuen Rom bestellt.

Er gehet ab.


EMILIANUS.
Schaut diese Bestien! Hört die verfluchten Weiber!
Noch heute soll man sehn, wie die verhaßten Leiber
In einer See voll Blut zugrunde sollen gehn.
Wer kann der Majestät des Kaisers widerstehn?

Er gehet ab.

Theodosia singet.


Nun fürcht ich ferner nichts Cupidens Liebesstrahl:
Ich küsse seinen Pfeil, sein sanftes Wundenmal.
Auf, Theodosia! wofern du recht willst küssen:
So mußt dich alsbald in strenge Waffen schließen.
5
Fünfter Auftritt.

Ein Lustgarten mit Statuen und Wasserfällen.

Phocas.


PHOCAS.
Hier, wo des Frühlings Hand den Winter überwindet,
Wo Flora ihren Kranz von tausend Blumen bindet,
Wo nasses Silber rauscht durch das begrünte Gras:
Daselbst kömmt Phocas hin, von Liebe matt und laß.
Cupido leitet mich zu diesen düstern Zweigen
Die sich zu meiner Lust als einen Schatten zeigen.
O angenehmste Luft, die du dich jetzt bewegst,
Und voller Anmut stets die güldnen Federn regst!
Erzähle mein Qual dem unentflammten Herzen,
Das mich entzündet hat. Sprich, daß ich sie mit Schmerzen
Anbete, bis ins Grab. Doch was vor sanfte Ruh
Schließ Aug' und Sinnen mir durch stilles Rauschen zu?

Er setzet sich zu einem Brunnen.

Komm, komm, du süßer Schlaf, begrabe meine Sorgen,
Streu deine Federn aus, und lasse doch bis morgen
[459] Die schweren Seufzer ruhn. Komm, Morpheus, drücke mir
Die müden Augen zu, und schaffe, daß sich hier
Mein Licht und Augentrost im Traume mir erzeige.

Er schlummert ein.
6
Sechster Auftritt.

Der schlafende Phocas. Mauritii Geist mit einem Schwert in der Hand.


MAURITIUS.
Schläfst du, gottloser Hund! nicht denke, daß ich schweige,
Weil die Gerechtigkeit des höchsten Gottes wacht:
Schau an, wie über dir die Rache blitzt und kracht.
Du wirst den strengen Pfeil der Strafe nicht vermeiden:
In deinem Blute sollst du Tod und Marter leiden.
Ich bin ein blasser Geist, der Feuer, Zorn und Stahl
In beiden Fäusten trägt. Der dich mit ärgster Qual,
So lang als Atropos dir noch das Leben gönnet,
Belegen wird. Ja wenn sich Leib und Seele trennet,
So will ich in der Gruft auch dir ein Teufel sein,
Wenn sich dein Mordgeist senkt in schwefelvolle Pein.
So, so wird nach Verdienst der Himmel auf dich blitzen:
So wirst du voller Angst im Schwefelpfuhle schwitzen.
Ermuntre, Mörder, dich! Auf, auf, die Rache flammt!
Du bist mit Leib und Seel in Ewigkeit verdammt.
PHOCAS.
Wer störet meine Ruh? Wer bist du, Geist der Höllen?
Was vor ein Urteil darfst du über Phocam fällen?
Wie? was verkündigst du, daß Phocas sterben muß?
Was? soll mein Reich vergehn?
MAURITIUS.
Ich bin Mauritius,
Der als ein Schattenbild wird ewig um dich schweben,
Der dich verfolgen will, so lange du wirst leben.
Noch heute scharrt man dich Tyrannen in die Gruft.
PHOCAS.
Pack dich, du Ungeheur, in deine Totenkluft!
Wo nicht, so will ich dir so Straß' als Wege weisen.

Er will nach dem Geiste stechen, welcher aber verschwindet.

7
Siebender Auftritt.

Honoria. Phocas.


HONORIA dem Kaiser begegnende.
Nur wende, Grausamer, auf mich dein Mördereisen.
Durchstoße meine Brust.
PHOCAS.
Der Himmel wolle nicht,
Daß dieser Stahl auf dich, mein Engel, sei gericht.
Ich will auf beßre Art dir Brust und Schoß verletzen,
[460] Und dich und mich vergnügt in volle Flammen setzen.

Er will sie umarmen.


HONORIA.
Weg! weg! Verfluchter Hund!
PHOCAS.
O hochverdammter Wahn!
Itzt schaue, was ein Prinz nach seinem Willen kann.

Er will sie überwältigen.

8
Achter Auftritt.

Phocas. Honoria. Emilianus.


EMILIANUS.
Unüberwindlichster! Es müssen Schwert und Waffen
Verräterei und List bald nach Verdienste strafen.
HONORIA.
Fleuch, fleuch, Honoria! Halt dich nicht länger auf!

Sie läuft davon.


PHOCAS.
Unfreundliche, wohin? Halt! hemme deinen Lauf!
Allein die Grausame will mich im minsten hören.
Und du hast dich erkühnt des Kaisers Lust zu stören?
Vor diesen Frevel soll dein Kopf und Leben stehn.
EMILIANUS reicht dem Phocas kniende das Schwert.
Mit Freuden will ich hin ins Land der Toten gehn,
Und von des Kaisers Hand, als höchst beglückt erkalten,
Woferne durch mein Blut die Krone wird erhalten.
PHOCAS.
Wer darf sich unterstehn, auf diese Heldenbrust,
Zu schärfen sein Gewehr? Ist dir es denn bewußt?
EMILIANUS.
Selbst Theodosia benebenst der Honoren,
Die haben auf Sein Haupt untreulich sich verschworen.
Es ist noch diesen Tag des Kaisers Tod bestimmt.
PHOCAS.
Das Rasen fürcht ich nicht, das nur von Weibern kömmt,
Laß bald Honoriam die warmen Bäder schauen,
Die Constantinus ließ höchst prächtig auferbauen:
Da will ich mich vergnügt auf ihren Lippen mühn,
Und meine Rache soll auf Schoß und Brüsten glühn.
EMILIANUS.
Ich eile, solches bald gehorsamst zu erfüllen:
PHOCAS.
Nun mag sich Phoebus in die Schoß der Thetis hüllen:
In kalten Wassern brennt die stärkste Liebesglut.
Noch heute will ich sehn, wie Lieben sanfte tut.
9
Neunter Auftritt.

Theodosia in Harnisch und Waffen singet folgendergestalt.

1.
Wundert euch nicht, daß ich Waffen ergriffen:
Daß sich der Helm meiner Scheitel vermählt:
[461]
Daß ich die Klinge ganz grimmig geschliffen:
Daß ich den Harnisch vor Atlas erwählt.
Nicht nur Gradivus führt Donner und Keile,
Sondern auch Cypripor tödliche Pfeile.
2.
Um meinen Engel mich recht zu verbinden:
Um meine Liebe zu bringen ans Licht:
Muß sich der Panzer um meine Brust winden,
Und der Stahl sei meinen Armen verpflicht.
Hurtig, mein Herze, du wirst triumphieren,
Weil dich Dione und Marspiter zieren.
3.
Auf! auf! zun Waffen! der Bluthund muß sterben!
Auf! auf! zun Waffen! Hier stehet der Held.
Dieses Schwert soll mir die Krone erwerben,
Welche mehr glänzt als Diespiters Zelt.
Laß dich, Heraclius, nur nicht verlangen:
Phocas soll bald seine Strafe empfangen.
10
Zehender Auftritt.

Theodosia. Aspasia.


ASPASIA.
Wo hat der Liebesschwarm sie endlich hingeführet,
Daß sie statt Purpurs Pracht, Schwert, Helm und Küraß zieret?
Mich deucht: Cupido kann durch schöner Augen Brand,
Durch einen holden, Blick, durch eine Lilienhand,
Weit größre Taten tun, mehr Herzen überwinden:
Als wenn ein ganzes Heer sich läßt im Felde finden.
Gewiß: ein schwarzes Licht, ein schönes Wangenfeld,
Bezwinget Helden auch, und fesselt alle Welt.
THEODOSIA.
Ich habe mir zur Lust den Panzer umgeleget:
Wozu Constantius, mein Bruder, mich beweget:
Mein Bruder, dessen Wink die ganze Kriegesmacht,
Von Ponto und Bithyn zu folgen ist bedacht.
Von diesem sollst du dies durch diese Zeilen wissen:
Daß, eh die Sonne noch wird Gold und Wellen küssen,
Er in die Kaiserburg eindringen und den Thron
Durch mich besetzen will. So blüht die Kaiserkron,
Und Theodosia kömmt unverhofft zum Reiche.
Noch heute siehst du mich gekrönet oder Leiche.
ASPASIA.
Gewiß, der Anschlag zielt auf tödliche Gefahr:
Und wird der Kaiser sie in dieser Tracht gewahr.
[462] So dürfte Mord und Tod den Vorwitz schwerlich büßen.
THEODOSIA.
Verstellte List soll ihn leicht zu betrügen wissen.
Ich sage Scherz und Lust wirft mich in dieses Kleid,
Zu fühlen durch die Last der Waffen Unterscheid.
Jedoch, wer läßt sich hier in Hirtenkleidern finden?
11
Eilfter Auftritt.

Theodosia. Aspasia. Arconte. Siroe. Idreno als Schäfer bekleidet.


THEODOSIA.
Sagt mir, welch Schicksal heißt Euch dieses unterwinden:
Daß Ihr so ungescheut betretet diese Bahn?
ARCONTE.
Ich bin ein bäurischer und armer alter Mann:
Ein Vater jener Magd, aus deren holden Augen
Monarchen öfters auch den Liebesnektar saugen.
Durch deren Blick das Herz dem Phocas ward gerührt.
Daß er mir dieses Kind im Walde hat entführt.
ASPASIA.
So wird man Euch gewiß des Mädgens Vater nennen,
Durch deren Schönheit selbst der Kaiser mußte brennen.
ARCONTE.
Ach tapfrer Kriegesheld! Erbarmt Euch meiner Not,
Und schaffet, daß ich noch, eh mich der blasse Tod
In seine Klauen faßt, mein Kind zu sehen kriege,
Und vor dem Ende mich nur noch einmal vergnüge.
THEODOSIA.
Mein Freund, du hast dich nicht vergebens herbemüht:
Weil deine Tochter man hier gleich erscheinen sieht.
IDRENO.
Sie ist's, ich kenne sie.
ARCONTE.
O süße Freudenstunden!
SIROE.
Nun hab ich meinen Schatz erfreulichst wieder funden.
THEODOSIA.
Komm fort, Aspasia!
ASPASIA.
Ich folge diese Bahn,
Weil öfters der Verzug uns schmerzlich schaden kann.
THEODOSIA.
Ermuntre dich mein Herz! du wirst dich bald erfreun,
Weil Phocas will ein Knecht der Bauermägde sein,
Und als ein geiler Bock bedienet schlechte Ziegen:
So wird mein Arm wohl auch die Bestie besiegen.
12
Zwölfter Auftritt.

Honoria. Siroe. Arconte. Idreno.


HONORIA.
Mein König, Prinz und Schatz!
SIROE.
Mein Engel, Herz und Leben!
HONORIA.
Mein Arm umfasset Ihn.
SIROE.
Mein Herz muß Sie umgeben.
HONORIA.
Durch deine Gegenwart wird mir der Schmerz versüßt.
[463]
SIROE.
Ich lebe höchstbeglückt, wenn mich mein Engel küßt.
ARCONTE.
Die Ohnmacht schmecket wohl, wo man solch Labsal findet.
IDRENO.
Ich sichre, daß ein Kuß die Ohnmacht überwindet.
ARCONTE.
Allein was seh ich dort?
IDRENO.
Weh uns, der Kaiser kömmt!
ARCONTE.
Au weh! nun sind wir hin.
13
Dreizehender Auftritt.

Jetzt ermeldte Personen. Phocas, die Pagen und Trabanten.


PHOCAS.
Euch ist der Tod bestimmt:
Weil ihr in Gegenwart des Kaisers Frevel übet.
ARCONTE.
Wo Ihre Majestät noch diese Schöne liebet,
So wird ihr Vater auch noch in Genaden sein.
Und dies ist Adimir, mein Sohn.
PHOCAS.
Ich geh es ein,
Daß er als Bruder darf der Schwester Lippen küssen,
Allein, wer dieses sei, daß will ich gleichfalls wissen.
IDRENO.
Was sag' ich?
ARCONTE.
Dieser ist Dorilbo, auch mein Sohn,
Der jüngste meiner Frucht, der Liebe süßer Lohn.
PHOCAS.
So könnt ihr beiden euch nur in die Burg erheben.
Du Alter sollst verziehn.
ARCONTE.
Was wird's, o Himmel, geben?
HONORIA.
Was soll mein Hoffen sein?
IDRENO.
Kommt Prinz!
SIROE.
Ach soll ich gehn?
Ja, ja mein Schweigen soll das Reden überhöhn.
Die Augen sollen statt der stillen Zunge lallen,
Und eine Tränenbach soll statt der Worte fallen.
PHOCAS.
Mein Schäfer, wisse dies, daß meiner Majestät
Das höchste Glücke selbst zu steten Dienste steht,
Und das Verhängnis richt in meinen starken Händen.
Ich kann den Erdenkreis nur nach Belieben wenden.
Und dennoch ist dein Kind zu meinen Seufzern taub:
Sie achtet meine Huld, die göttlich ist, wie Staub.
Du aber schaffe: daß sie sich sofort bequeme,
Und diese Brunst mit Lust von einem Kaiser nehme.
Wo nicht, so soll sie bald, eh noch die Nacht bricht ein,
Bei meiner Statuen ein blutig Opfer sein.

Er gehet weg.

14
Vierzehender Auftritt.

Arconte. Honoria.


HONORIA.
Und warum blitzet nicht des Himmels strenge Rache?
Verzeucht noch Jupiter von seinem Sternendache,
[464] Mit Donner, Flamm und Glut zu spielen auf den Hund,
Der Ehr' und Leben raubt, die Seele mir verwundt.
ARCONTE.
Es kann die Großmut oft den größten Sturm besiegen,
Und Sie, Prinzessin, kann sich selbst und uns vergnügen:
Ein Stoß von Ihrer Hand kann dieses Reich befrein,
Und unser Leben wird als neu geboren sein.
Sie berge Zorn und Haß, und zwinge die Gebärden:
Bis Sie von Phocas wird voll Brunst umarmet werden:
Alsdenn so küsse er den Tod an Ihrer Statt.
HONORIA.
Hier ist die Grausamkeit der allerbeste Rat.

Hierauf sang sie also.

1.
Wohlan! wohlan! der Schluß ist festgemacht:
Dies Untier soll durch meine Faust vergehn.
Der Wütrich fall ins Grabes schwarze Nacht.
Mich aber soll der Keuschheit Lilj' erhöhn!
2.
Mein Siroë! mein Engel und mein Kind!
Versichre dich, der Himmel wird uns rächen.
Versichre dich: ich sei recht treu gesinnt,
Und daß kein Sturm wird meine Flammen schwächen.
15
Funfzehender Auftritt.

Des Kaisers Constantini warmes Bad mit Vorhäusgen und wasserspritzenden Statuis.

Emilianus. Heraclius.


EMILIANUS.
Sie schaue, schönes Bild, des Marmels hohe Stärke,
Auf welchem prächtigst ruhn der Künste Wunderwerke.
Dort steht ein altes Bild, hier springt die Silberflut.
In einem Alabast, und kühlet Lust und Mut.
Man hört des Wassers Fall mit feuchter Stimme klagen.
HERACLIUS.
Der himmelgleiche Bau läßt dieses von sich sagen:
Daß er nur Torheit sei. Der hoffartsvolle Witz,
Der Menschen bauet viel, und denkt, weil jeder Blitz
Den Augen näher fällt dem furchterfüllten Grabe:
Daß er durch diesen Bau sich nun verewigt habe.
16
Sechzehender Auftritt.

Emilianus, Heraclius, Phocas.


EMILIANUS.
Der große Kaiser kömmt!
HERACLIUS.
Ihr Götter! steht mir bei.
[465]
PHOCAS.
Mein Abgott!
HERACLIUS.
Ihm, mein Herr, steht nunmehr alles frei.
Mein Kaiser darf nunmehr ein holdes Urteil fällen.
EMILIANUS.
Wie kann Verräterei sich doch so freundlich stellen!
PHOCAS.
Geh bald, Emilian! die Pforten zu versehn,
Mit Waffen sonder Zahl.
HERACLIUS.
Was wird mir nun geschehn?
PHOCAS.
Du wirst, mein Engel, dich nunmehro bald entkleiden,
Und deinen Kaiser hier auf tausend Rosen weiden.
Hier wo Kristallen selbst vor Liebe fließend sein.
HERACLIUS.
Ihr Götter! stellet euch zur Hülfe schleunig ein.
PHOCAS.
Wie? was verweilet Sie mein Wollen zu erfüllen?
HERACLIUS.
Mein Fürst, Er wolle doch sich gnädigst lassen stillen:
Bis Nacht und Schatten wird den Himmel überziehn:
Alsdenn so will ich mich aufs äußerste bemühn,
Des Kaisers steife Brunst im Lager abzukühlen.
PHOCAS.
Auf ferneren Verzug wird Sie vergebens zielen.
HERACLIUS.
Nun fehlet treuer Rat.
PHOCAS.
Sie mach, Sie mache fort.
HERACLIUS.
Daß ich gehorsam sei, befiehlt des Kaisers Wort.
Es müsse dieses Kleid den zarten Leib verlassen.

Hier warf sie ein Teil der Frauenkleider von sich.


Damit mein nackter Arm ihn besser kann umfassen.
PHOCAS.
Wohl! wohl! so komme denn, du Göttin dieser Zeit!
Laß mich in deinem Schoß erregen Lust und Streit.

Heraclius läßt den Rock fallen, worunter er ganz gewaffnet erschien, seine Hand auf des Phocas Mund legte, und mit der andern ein verborgenes Schwert entblößte, sagende.


HERACLIUS.

Du mußt, verfluchter Hund, von meinen Händen sterben!
Ich bin Heraclius, der Thron und Kron zu erben
Vom Himmel ist bestimmt. Der Mörder ist gefällt!
Wie aber ist es nun, Heraclius, bestellt?
Des Bades Pforten sind bewahret mit Soldaten.
Doch soll mir dieses Schwert zur Flucht und Sache raten.
Nur frisch, mein Geist! wo man Gefahr vor Augen schaut:
Da hat der Tapferkeit vorm Tode nie gegraut.
17
[466] Siebenzehender Auftritt.

Theodosia kämpfende mit Emiliano. Priscus. Heraclius.


THEODOSIA.
Ergib dich meiner Hand!
PRISCUS.
Du Bestie! mußt weichen.
EMILIANUS.
Ich bin besiegt, hier ist mein Schwert, das Siegeszeichen.
HERACLIUS.
Ihr Götter! was ist dies?
THEODOSIA.
Wie steht's? ist
Phocas tot?
HERACLIUS.
Ja, ja, nunmehro ist verschwunden alle Not.
Der unzuchtsvolle Hund mußt' in den Wässern sterben.
THEODOSIA.
Mich dünkt, ich seh' ihn schon Tarpejens Lorbeern erben,
Die voller Ehrsucht nun auf seinem Haupte stehn,
Um ihn, Heraclius, nach Würden zu erhöhn.
HERACLIUS.
Und auf was Art bin ich durch Sie erlöset worden?
THEODOSIA.
Es ging so schwer nicht her die Mörder zu ermorden.
Denn als Constantius der unbezwungne Held,
Der, dem die Tapferkeit fast selbst zu Fuße fällt,
Mit seiner Waffen Macht durch Erd und Kluft gedrungen,
Und mir in dieser Not zu Hülfe beigesprungen:
So drang er neben mir, und Priscum durch das Tor,
Und schaffte, daß die Wacht so Blut als Mut verlor.
Nachdem nun dieser Ort durch unser Schwert erfüllet
Mit vielen Leichen ist: Emilian gestillet,
Und überwunden war: so ward das Tor gesprengt:
Und so hab' ich, mein Schatz! das Leben ihm geschenkt.
HERACLIUS.
Wo muß man billich dich ins Siegesbuch einschreiben.
THEODOSIA.
Dich oben in die Zahl der Helden einverleiben.
HERACLIUS.
Und also küß' ich dich, als ein' erworbne Braut.
THEODOSIA.
Weil dich als Bräutigam mein Aug' und Herze schaut.
HERACLIUS.
Nun küß' ich diese Brust, durch die ich überwinde.
THEODOSIA.
Nun küß' ich diesen Mund, durch den ich Leben finde.
HERACLIUS.
O freudenvolles Licht! o höchstbeglückter Tag!
Daran sich unser Herz höchstrühmlich freuen mag.
THEODOSIA.
O freudenvolles Licht! o höchstbeglückter Tag!
Daran sich unser Herz höchstrühmlich freuen mag.

Sie gehen, einander umarmende ab.

18
Achtzehender Auftritt.

Honoria. Siroe.


HONORIA.
Auf! was verweilet Er? Ich will mein Blut vergießen:
Eh, daß mich Phocas soll in seine Arme schließen.
Es treffe meine Brust ein tötliches Gewehr.
Ich sterbe mehr vergnügt. Auf! was verweilet Er?
SIROE.
Ihr Götter! sollt' ich wohl die holde Brust verwunden?
[467] In welcher nichts mein Geist als Anmut hat gefunden.
Es hat, mein Engel, mich Megæra nicht gesäugt,
Viel weniger hat mich ein Tigertier gezeugt.
HONORIA.
So will Er mich der Glut des Phocas übergeben?
SIROE.
Nein! Ihr Beständigsein kann diesem widerstreben.
HONORIA.
Ich werde mich umsonst durch Schmeichelei bemühn,
Aus des Tyrannen Brust Begierd' und Brunst zu ziehn.
SIROE.
So ist, o Himmel! nun dein Siroë verdorben!
HONORIA.
Wer als ein Opfer nur der Ehren ist gestorben,
Dem schenket Fama selbst den Kranz der Ewigkeit,
Und seines Namens Licht verdunkelt keine Zeit.
SIROE.
So Lieb als Eifersucht, was wollt ihr mir erlauben?
Soll ich Geist, Seel' und Licht dem schönen Engel rauben?
Nein, nein, mein Herze, nein! der Donner schmettre den,
Der dir mit Vorsatz läßt das minste Leid geschehn!
19
Neunzehender Auftritt.

Honoria. Siroe. Idreno. Arconte. Aspasia hernach.


IDRENO.
Der Himmel, Luft und See und Erde soll sich freuen.
Die halbe Welt erschallt durch starkes Jubelschreien.
ARCONTE.
Durchlauchter Prinz, es wird der Himmel selbst erfüllt,
Durch eine Heldentat, die allen Kummer stillt.
Es hat Heraclius höchst rühmlich sich gerochen,
Weil er den geilen Wanst des Phocas durchgestochen,
Den Leib entseelet hat.
HONORIA.
Ist der Tyranne tot?
SIROE.
O freudenreiche Post! nun hat es keine Not.
ASPASIA.
Jetzt jauchzt, itzt springet man, itzt muß man fröhlich lachen,
Weil mit dem Kaiser will mein Fräulein Hochzeit machen;
Und weil man Überfluß auf allen Ecken schaut,
So lauf ich mitten durch, als eine Nebenbraut.
HONORIA.
Wir haben diese Post mit Freuden angenommen.
IDRENO.
Man sieht Heraclium schon im Triumphe kommen.
ARCONTE.
Man hört des Kaisers Ruhm durch der Trompeten Schall.
SIROE.
Und daß er doppelt sei, bezeigt der Widerhall.

Hier ward eine Musik nebst einer Symphonie von Trompeten gehöret.

20
[468] Zwanzigster und letzter Auftritt.

Heraclius und Theodosia in kaiserlichen Habit.

Honoria. Siroe.

Arconte. Idreno. Aspasia. Eine große Menge griechisch- und römischer

Cavalliere, Hauptleute, Pagen, Trabanten und Soldaten.


Das ganze Chor stimmet folgenden

Glückwunsch an.


Es leb Heraclius! Er leb! er leb! er lebe!
Daß Theodosia sich stets nebst ihm erhebe!
HERACLIUS.
Ihr, Theodosia, gebührt die Kaiserkrone,
THEODOSIA.
Und Er, mein Kaiser, ist höchst würdig, daß ihm lohne
Ein güldner Sternenkranz. Denn was die Tugend gibt,
Ist wert, daß man es mehr als Kaiserkronen liebt.
HONORIA.
Großmächtigster Monarch! Hier liegt zu Seinen Füßen,
Die, die Mauritium als Tochter konnte küssen.
Die von des Kaisers Hand mit Tränen was begehrt,
Das mich glückselig macht, den Kaiser nicht beschwert.
HERACLIUS.
Sie bitte, was Sie will, ich will es Ihr versprechen,
Und sollt es auch den Thron, und Kron und Szepter schwächen.
HONORIA.
Hier dieser, den Er itzt als einen Hirten sieht,
Hat als ein Erbprinz sich aus Persen herbemüht,
Der Walstatt Trauerfeld entdeckte mir sein Leben,
Als fast die Seele schien am Gaumen nur zu kleben:
Da hab ich ihm beglückt die Geister wiederbracht,
Hingegen hat er mich so weit beglückt gemacht,
Durch einen Wunderfall, daß er mich innigst liebet,
Und nebst dem Herzen mir auch seine Krone gibet.
ASPASIA.
Der Ausgang ist erfreut.
ARCONTE.
Glückselig der Beschluß.
SIROE.
Verzeihe, großer Fürst! Was ich itzt bitten muß:
Daß uns erlaubet sei, die Herzen zu verbinden,
Wenn man die Fackeln wird zu Hymens Fest anzünden:
Wenn jetzt Heraclius mit Theodosia
Beglückt erfüllen wird das längst versprochene Ja.
HERACLIUS.
Schaut wie der Himmel spielt! Er läßt das minste fehlen.
Was unsern Geist vergnügt. Er lasse sich vermählen,
Mein Prinz! Honoriam an Seine werte Hand.
Sein Haupt bekröne stets so Palm' als Diamant.
HONORIA.
So leb' ich Ihm, mein Schatz! zu steter Treu verbunden.
[469]
SIROE.

So sei um unser Haupt ein Myrtenkranz gewunden.


Sie küssen einander.

HERACLIUS.
Mein Schatz und Kaiserin! Sie schaue doch beliebt,
Wie jene Sonne lacht, und tausend Küsse gibt,
Weil dieses Sternenpaar so Glut als Lust genießen:
So läßt Sie billig auch die holden Strahlen schießen
Auf mein entflammtes Herz. So schwindet Furcht und Nacht,
Und alles hat die Gunst des Himmels wohlgemacht.
Beide singen zusammen.

Glück zu! Glüdt zu! so siegt Beständigkeit!
So kann Cupido uns den Ehrenkranz bereiten!
So können wir mit Ruhm in Hymens Bette schreiten,
Und legen an das schöne Purpurkleid.
THEODOSIA.
Heraclius! mein Abgott! sei gegrüßt!
So lange Titan wird durch Luft und Wolken gehen,
Wird Theodosia dir stets zu Diensten stehen.
Heraclius! mein Abgott! sei geküßt!
HONORIA.
Mein Siroë! mein Engel! sei gegrüßt!
So lange Venus wird den güldnen Pol erhöhen,
Wird auch Honoria dir stets zu Diensten stehen.
Mein Siroë! mein Engel, sei geküßt!
Diese beide zusammen.

Io! Triumph! nun ist das Labsal da!
Nun können wir vergnügt die Hochzeitlieder singen.
Wohl diesen, die den Sturm des Unglücks stets bezwingen:
Wie Theodos und die Honoria!
Alle Anwesenden singen zu dreien Malen.

Es leb Heraclius und Theodosia!
Zugleich auch Siroë mit der Honoria!

Und mit diesem vollstimmigen Glückwunsche endigte sich dieses wohlabgelaufene Schauspiel.

Nach geendigter Vorstellung, worüber sich alle höchst vergnügt erzeigeten, eileten alle Zuschauende zur Ruhe.

Folgende Zeiten aber erinnerten unsere Gekrönten, daß jedes Reich seines Hauptes Gegenwart hoch vonnöten hätte; dahero das schmerzliche Wort Scheiden auf die Bahn gebracht wurde. Als nun jede Armee nochmaln gemustert, und durchgehends reichlich beschenket worden: nahmen diese kaiser- und königliche Personen mit beweglichsten Worten, [470] brünstigen Umarmungen, größten Versicherungen ewiger Freundschaft und tränenden Augen voneinander Abschied, und zog jedweder König mit seiner so teuer erworbenen Gemahlin und bei sich habenden Völkern unter dreimaliger Lösung aller Stücken um Pegu nach seinem Reiche: Den tapfern Balacin bei seiner schönen Banisen als einen mächtigen Kaiser und beglückten Kaiserin in höchster Vergnügung hinterlassende: welche das Reich Aracan dem Kaisertum Pegu, jedoch als ein freies Reich, einverleibten, und dem Himmel lebenslang danketen vor ein so erwünschtes


ENDE [471]

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TextGrid Repository (2012). Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von. Roman. Die asiatische Banise. Die asiatische Banise. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B3B1-2