[1592] [1627]1723.

Der Gemein-Geist zum 13. Augusti 1740.


Mel. Lamm, Lamm, o Lamm!


1. Ich beuge mich so inniglich, so voller schaam, doch nicht mit furcht und gram, vor meines Königs fuß; mein kuß ist ganz verliebt: was mich betrübt, ist einzig das, könt ichs ohn unterlaß.

2. Ich bin ganz voll, und weiß gar wohl, was mir gescheh, wenn ich zurükke seh, und sage ohne scheu und frey: Der Creuz-Monarch von seiner arch hat mich erkannt, und zur Gemein ernannt.

3. Und denk ich dran vom anfang an, wie wunderbar so viele hundert jahr nunmehr durchwallet sind, so find ich ieden tritt und ieden schritt wohl werth, daß ich mit dank erinnre mich.

4. Du holder Hirt! hast mich bewirtht't, als ich noch zart, und gnädiglich bewahrt vor mancherley gefahr; ja gar, der erste grund, darauf ich stund, das war der hang zu deinem todes-gang.

5. Selbst das gehör von deiner lehr kam durch so was, dem ich gar ferne saß; das hat mir meine art bewahrt, als um und um das salz ward dumm. Mein Hirte 1 schlief, den Fremden 2 ich entlieff.

6. Der fremde Knecht bekam ein recht: die mächtge welt braucht etwas, das sie hält; und was sie schützen solt, und wolt 3, das ging zu grund zur selben stund; da rieff man: Schwert! erhalt uns himm'l und erd!

7. Da schlug man todt 4 um wein und brot; und schrie um rach, wenn man nicht hieb und stach: denn hielt man auf dem saal ein mahl sich zum gericht, wie Paulus spricht; und Satanas gewann alleine was.

[1627] 8. Die schrift die galt; man rief gewalt, so bald ein wort nicht blieb am rechten ort. Es hieß; Matthäus 5 sprach; seht nach, so schreibet ers; und für den vers vergaß man schon den ganzen berg-sermon 6.

9. Man suchte mich: allein ich wich von dieser bahn, und gab mich sonst wo an; wo man schon lange ruht auf blut. Ein kirchen-schrein ging eben ein; sein leuchter wich, und überstrahlte mich.

10. Die gnaden-wolk bethaut' mein volk, die itzt verschwand; und der ein feuerbrand um Jesu willen wird, der Hirt 7, gibt mir zuvor die wacht aufs thor: ich nahm dafür sein übriges zu mir.

11. Man schmeichelte und heuchelte mir eine weil, auch ward mir creuz zu theil, man ehrt' und haßte mich ich wich; die grossen Herrn die hätten gern das knäbelein mit ihnen machen schrey'n:

12. Allein dein zug der überwug, lehrt' mich ein klein und stilles volk zu seyn: fand einer von natur die spur, etwas zu seyn, dem war das pein, den bükte ich; und sieh, er schämte sich.

13. Die creuzes-bahn die blieb mein plan; ich folgte dir, und war bald da, bald hier; ich sah im geist ein heer und mehr durch deine kraft herbey gerafft, und zu der pracht der kirche raum gemacht.

14. Ich zielte schon auf union; ich dacht, allein kan doch nichts ganzes seyn; ich gläubt', als schon geschehn, zu sehn, daß da und dort an manchem ort beym abend-schein Gemeinschaft würde seyn.

15. Und dieses blieb mein steter trieb von kindheit auf, ich wart'te herzlich drauf; und wenn ich wohin ging, und fing ein fremdes licht, es zünd'te nicht; die wissenschaft die krigte keine kraft.

16. Du gabst mir gnad auf diesem pfad, daß auch mein mund was von dir zeugen kunt: die welt ward mir zu eng; gedräng gabs überall; des wortes schall ging dennoch frisch in hölen und gebüsch.

17. Beym äussern dienst war mein gewinst kein anderer, als solcher wanderer: und in demselben sinn gings hin zu einer stadt 8, die Podje [1628] brad, der lands-regent, gab, daß ich wohnen könt'.

18. Der ehestand war so bewandt, wies denn so geht, wenn man im leiden steht. Man nahm sich lediglich für dich; der jünger theil ließ eine weil das freyen gar, und blieb, wie man so war.

19. So gings in freud die längste zeit; das senfkorn zart zu einem baume ward, deß sich manch vögelein kont freu'n. Die Fürsten sahn einander an; der Kayser 9 spricht: Das volk veracht ich nicht.

20. Die nachbars-leut, die zu der zeit erst aufgewacht, und alles licht gemacht, und was die finsterniß durchriß, und trennte sich bald jämmerlich, das alles blieb mit mir in fried und lieb.

21. Was ich geglaubt, ward mir erlaubt: ich predigte, der Herr verthädigte; das evangelium lieff rum durch stadt und land ohn wiederstand. Calvinus sprach: Die Kirche macht doch nach.

22. Lutherus sinn ging nicht dahin; er sagte zwar: Wir wollen Eine schaar in Christo seyn: allein ihr haltet mehr, als nöthig wär, aufs mein und dein; ich will fürs ganze seyn.

23. Wir blieben so, und waren froh; wir sungen: ER ist GOTT und keiner mehr; und unser psalmen-spiel zog viel. Auf eine stund entstund ein bund, der solte stehn bis zum welt-untergehn.

24. Wir wurden groß 10; und in dem schoos der königsstadt 11, wo Huß gelehret hat; da krigten wir sein haus 12 voraus; die herrlichkeit der kirchen-zeit kam ganz zu stand; wir wurden dominant.

25. (Du liebe frau in Sarons au! wie mocht dir seyn in deinem winkelein? Du hatt'st dein volk umher; wie schwer ein armer mann zum könig kam, und zum vezier, da sorgtest du nicht für.)

26. Ach hätten doch die führer noch daran gedacht, eh mich der mann veracht, der auf das niedre sieht. Itzt flieht der gute hirt, der mich bewirth't; und auf einmal bin ich um seine wahl.

Röm. 9.

27. Um fremde schuld fällt ungedult und zorn auf mich: allein, was dachte ich; traff nicht den Jonathan Sauls bann? was Josaphat an [1629] schiffen hat, geht bey dem bund Samaria zu grund.

28. Der töpfer nimt, was er bestimmt, zu seinem haus, und macht ein Chaos draus, den unschätzbaren kump zum klump; was noch so groß, zum erdenkloß, Jerusalem zum stall in Bethlehem.

29. Allein das herz, das grössern schmerz um seine stadt, als sie, und sorge hat, daß er an einem topf mehr klopf, der hart gebrannt, hat seine hand nicht abgethan; er hilft auch wieder an.

30. Der hochmuth fällt, die demuth hält, erbarmung bricht die härte vom gericht. Der thon, der wieder weich, wird gleich zu neuer pracht zurecht gemacht, durchs feur geführt, und auf die daur glasiert.

31. Ein alter greis, der seinen schweiß daran gewandt, und nun im fremden land mit dem Elias sang, so krank, so hoffnungs-los: Da steh ich bloß; der fahe doch der andern hoffnung 13 noch.

32. Der Drach verspielt'; das Lamm behielt sich seine leut in stiller einsamkeit: ein fünkelein wol klein, doch voller feur, und darum theur, glomm unterm haus, und schlug zum dache naus.

33. Du theures Haupt, dran ich geglaubt, wie zeig ichs an, was du seitdem gethan! Du hast, was ich begehrt, gewährt: ich krigte kaum ein bißgen raum, so saß ich vest, wies vögelein im nest.

34. Was für ein feld hatt' ich bestellt in kurzer zeit, und bald gings weit und breit? du hatt'st bey so viel sturm den wurm doch durchgebracht, ihm bahn gemacht; mein augen sahn sich einen grossen plan.

35. Und dieses nun so ganz zu thun, damit nichts mehr dabey im wege wär, ließ alles williglich im stich, gut, muth und ehr, das sonst so sehr gedrükket hatt', und keinen geist macht satt.

36. Du hast die leut, die sich geweyht zu deiner sach, belohnet tausendfach: ihr tausch war wohl gethan, sie sahn, die neue thür ging auf dafür zur gnaden-stadt, die Gott gebauet hat.

37. Was gabst du nicht, du blut'ges licht! für creuzes-kraft zur neuen pilgerschaft: [1630] es rufften meine leut gar weit dem menschen-heer, nur übers meer viel hundert mal, zum grossen abendmahl.

38. Der menschen haß ohn unterlaß, und zwar sehr hart, auf ganz besondre art, währt bey dem allen doch auch noch. Das dank ich dir! weiß, daß es hier schon so muß seyn, dort sieht es anders drein.

39. Was sag ich doch dem Lamme noch? Ich fing wol an, wenn habe ich gethan? Vor allen dank ich dir, daß mir zur eignen lehr ie mehr und mehr dis worden ist, daß du Gott mit uns bist;

40. Daß nichts mehr haft't von wissenschaft, als einzig die, die creuz-theologie: die ist mein element. Ja, könt ich selig seyn, und nicht allein durch JESU blut, so hätt' ich keinen muth.

41. So viele treu ist schon vorbey: ich fange dann von neuen wieder an, zu gehen meinen schritt, und bitt dich, liebstes Lamm, mein Bräutigam! deß magd ich bin, leit mich nach deinem sinn.

42. Ich hang an dir, du bleibest mir mein ziel und zwek, sonst werf ich alles weg. Ich, deine wunden-mad, ich bad und schwimm im meer des bluts daher. Mir ists gewinn, daß ich die sünd'rin bin.

43. Drauf gebe ich die hand an dich mit frohem muth, wag alles auf dein blut; das zeugt der welt mein mund. Der grund ist felsenvest: ich weiß aufs best, wer also gründ't, daß der das haus auch spünd't.

44. Das bleibt mein schluß, nicht weil ich muß, nein! weil ich will; denn ich bin seine füll'. Ich und die kinderlein sind sein. Das kleine heer hat mit der lehr nichts eingebüßt, die GOTT aus JESU schließt.

45. Es lästre dann, wer will und kan; ich bin des sinns: Wers creuz-reich sucht? Ich bins. Was bin ich denn vor dir? Ein thier, arm, sündig, klein, des Lamms Gemein; so wahr ich leb, am weinstok eine reb'.

Fußnoten

1 Die Griechische Kirche.

2 Die Lateinische Kirche.

3 Constantinopel.

4 Die Calixtiner.

5 Matth. 26, 27.

6 Matth. 5, 6, 7.

7 Stephanus, der Waldenser Bischoff.

8 Lititz.

9 Rudolphus.

10 Anno 1620. &c.

11 Prag.

12 Die Bethlehems-kirche.

13 Episcopos in spem contra spem.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von. Gedichte. Geistliche Lieder. 1740. Ich beuge mich so inniglich, so voller schaam. 1740. Ich beuge mich so inniglich, so voller schaam. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B3D0-9