361. An Erich Bachmann
361. An Erich Bachmann
Wolfenbüttel 15 Oct. 1876.
Lieber Erich!
Deinen Brief habe ich hier in Wolfenbüttel bekommen. – Meine Reise zur Münchner Ausstellung ist ziemlich normal verlaufen. Ich fuhr über Ülzen nach Frankfurt, wo mich dann Hermann abholte. In München mußten wir erst verschiedene Wirthshäuser absuchen, ehe wir Platz fanden, so voll war's. Außer der Ausstellung hatte das jährliche Octoberfest hunderttausende von Leuten herbei gelockt. Du kannst Dir denken, wie mir der Tag verlief. Zuerst mußte ich doch meinen Bruder in allen berühmten Sammlungen und Kneipen herum führen. Dann wurden jeden Morgen ein paar Stunden in der Ausstellung zugebracht, bis wir von allem Sehn immer dümmer wurden. Der Abend fand mich bei Festlichkeiten und in Künstlergesellschaften, und jede Nacht mußte natürlich der Portier herausgeklingelt werden. Wir fuhren schließlich am Montag vor acht Tagen von Morgens 7 bis Nachts um Eins über Frankfurt nach Göttingen, wo wir bei Gebhardt übernachteten und den andern Tag weiter reis'ten; Hermann nach Wolfenbüttel, um da die letzten paar Tage seiner Ferien zuzubringen, ich nach Wiedensahl, von wo ich gleich Sonnabend hierher fuhr, um noch womöglich in meiner Bude etwas zu malen, ehe es zu kalt wird. Darum ließ ich auch mit schwerem Herzen für dies Mal Ebergötzen zur Rechten liegen; außerdem war ich mit meiner Wäsche gänzlich zu Ende und durchaus reisemürbe. – Ich denke das Versäumte unter behaglicherer Stimmung nachzuholen. – Den Morgen in Göttingen sprach ich bei Gerl vor mit dem Gedanken, dich vielleicht zufällig dort zu treffen; ich fragte Frau Gerl nach Ebergötzern; es saß nur ein einziger Gast, den ich zuerst nicht beachtet hatte, beim Frühschoppen da; der Gast erhob sich und redete mich an; der Gast war Wulze.
[171] In acht Tagen werde ich wieder in Wiedensahl sein. Ich habe dann ein paar Wochen zu zeichnen. Darauf denk ich auf acht Tage zu Euch zu kommen.
Meine herzlichsten Grüße an Deine Frau, Mutter und Schwester!
Dein getreuer Freund
Wilhelm.