562. An Marie Hesse
562. An Marie Hesse
Wiedensahl 14. Jan. 83.
Liebe Frau Heße!
Ihren guten, freundlichen Brief erhielt ich in Wolfenbüttel, wo ich bei einer stillen Bowle Ihrer gedacht habe. Es waren trübe regnichte Tage, die durch die traurigen Berichte über die schrecklichen Waßersnöthe noch drückender wurden. Dazu kam, daß die Schwiegermutter meines Bruders sehr heftig erkrankte. So packt ich denn mein Bündel, eh ich's gedacht. – Ein ganz anderes Wetterbild war mein Reisebegleiter: eisig und sonnenklar. In Fußsack und Decke gehüllt, erreicht ich mein liebes Dörflein wieder. – Schneidig weht der Ostwind über das Feld daher. Nase und Ohrmuscheln gewinnen schnell eine peinlich gläserne Sprödigkeit, wenn man, dem Wind entgegen, zum Walde strebt, wo's drin saust, wie das Meer zwischen den Buhnen.
Wo genießen denn Sie die herbe Heiterkeit dieser entschiedenen Wintertage? Noch in Liegnitz oder schon in Breslau?
Möge das Jahr 83 all das Gute über Sie ausschütten, was Ihnen von ganzem Herzen wünscht
Ihr aufrichtiger Freund
Wilh. Busch.