1416. An Grete Meyer
1416. An Grete Meyer
Mechtshausen 26. Sept. 1903.
Liebe Grete!
Wieder mal gefiel mir Münster sehr gut. Dafür dank ich euch nun, besonders dir, doch auch dem Sonnenschein, der die alte Stadt so freundlich beleuchten thät.
Auf der Rückfahrt saß natürlich in Soest ein verdrießlicher Knoten. Durch den Tunnel treppab treppauf muß man kriechen, um den andern Zug zu erreichen. Als ich Platz nahm im hintersten Wagen, hieß es donnernd: Dieser wird abgehängt! Da es gleich los gehen sollte, eilt ich gefälligst in schmählichem Dauerlauf weit hin bis ans vorderste Ende. Von da aber ging die Sache nach Wunsch. Das Kalbsrippchen war tadellos, der Wein nicht minder. Beseligt rauchend, ließ ich Wiesen, Bächlein, Kühe und Hügel an mir vorüber ziehn. In Seesen stand der Wagen bereit. An der Pforte des Mechtshausener Pfarrhofs empfingen mich Else und Anneliese. Die Andern waren beim Zwetschenstochern. Tags drauf wurde Mus gekocht. Resultat = 70
fertige Ware.
Von Otto kam günstige Nachricht. Demnächst, noch unbestimmt wann, wird Adolf aus Verden er wartet. Tante, Else und die Kinder sind munter.
Gestern Abend sah mir der Sichelmond, über dem Heber schwebend, zum Fenster herein. Er hatte leider einen schwarzen, schmalen, horizontalen Wolkenstrich quer vor der Nase her. Auch hat sich der Wind von Osten nach Westen gedreht. Drum ist heut das Wetter verschleiert, doch immer [212] noch angenehm. Hoffentlich bleibt es so ähnlich für unsere Reisenden während der kommenden Ferienzeit.
Bleib froh und gesund, liebes Gretchen! Herzliche Grüße von uns allen an dich, an Vater, Mutter, Schwester. Und bitte, versäume nicht, an deine werthen Freundinnen eine schöne Empfehlung zu bestellen vom
Onkel Wilhelm.