1546. An Friedrich August von Kaulbach
1546. An Friedrich August von Kaulbach
Mechtshausen 1. Juli 1906.
Lieber Kaulbach!
Hab Dank für den guten Brief, der mich noch in Frankfurt erwischte. Ja, es war mir so wohl im Rathskeller mit Euch zwei herrlichen Leuten, daß ich trotz meiner Jahre gar nicht bemerkt, was die Glocke geschlagen hatte. Ob's noch mal wieder paßirt? Im nächsten Juni etwa? Vorsichtig sich auszudrücken geziemt dem Alter. "Wind und Wetter vorbehalten" heißt es in den Fahrplänen der Dampfer. – Und so bin ich denn wieder nach Mechtshausen gesaust. Die Rosen blühen. Die Erdbeeren hängen voll saftiger Früchte. Freilich die Singvöglein schweigen, nachdem sie ihre Liebesangelegenheiten für diesmal erledigt haben. Nur die Amsel flötet noch früh und spät im Wipfel des Birnbaums ihre gebrochenen Strophen, als besänne sie sich vergebens auf Lieder eines früheren Lebens. All dergleichen beachte ich noch gern – aber mehr rückwärts gekehrt – die Hand auf dem Drücker der bekannten eisernen Thür, durch die man in die unbekannte Hinterwelt geht, während du noch, in emsiger Gegenwart, weiter schaffst als Maler von Gottes Gnaden.
Ich hoffe, du wirst alt wie Tizian, und dann, wenn's noch magst, laß die kleinen Bücher in Facsimile drucken, die du neulich bei der Frau Keßler [251] so wohlwollend besichtigt hast. Nämlich, eher als bis ich 30 Jahre unter der Erdkruste geschlummert, wird die Sach kaum möglich sein.
Leb wohl, lieber Kaulbach. Tausend Grüße an dich und Frau und Kinder von deinem alten
W. Busch.