884. An Nanda Keßler
884. An Nanda Keßler
Hattorf 9. Sept. 92.
Liebe Nanda!
Umhüllt von dem triefenden Regenschleier des vorgestrigen Abends, erreicht ich das Pfarrhaus.
Alsbald wurde zur Besichtigung des »Würmchens« geschritten. Da lag's in seinem Kißen auf dem Schoß der Verfaßerin; dämmernd in sich; röthlich; die Augen, dunkler, als das übliche Waßerblau, verquer und ausdauernd nach der Lampe gerichtet; die zierlichen Händchen geballt auf der Brust. Und wie ich's antupf mit dem Finger aufs Kinn, gleich geht's Mäulchen auf, und lutschen möcht's. Dann plötzlich Umschlag der Witterung und vollendete Mimik des äußersten Schmerzes. – Ich kann wohl sagen, daß mich so ein »Päckchen«, welches ja unversichert auf die Weltpost gegeben wird, recht merklich zu rühren vermag.
Wie mir schien, ließ das kleine Dinglein dir sagen: es wär auch der Meinung, der Rubens sei hie und da doch etwas verbeßrungsbedürftig.
Ach ja! Es geht doch nichts über das angeborene Kunstverständniß, vermöge deßen man gleich Alles am besten weiß!
Mit dem Wunsch, daß das »Freßkörbchen« gelangt hat und daß meine lieben Reisenden von den Behörden der Vaterstadt programmentsprechend empfangen wurden, grüßt allerseits bestens
Dein pünktlicher Onkel W.