[486] 533) Der Goldsucher Engelmann am Brockengebirge. 1
Engelmann, ein verdorbener Student, war wegen versuchter Falschmünzerei zu zweijähriger Festungshaft verurtheilt worden und benutzte nun seine unfreiwillige Muße zur Abfassung eines, jetzt wohl längst aus der Lesewelt verschwundenen Schriftchens unter dem Titel: »Die Gewalt der Umstände oder Geschichte C.L. Engelmann's, seiner Flucht, Verhaftung und zweijährigen Gefangenschaft auf der Citadelle von Magdeburg«, von ihm selbst herausgegeben. Er erzählt da (S. 37): Meinem Freunde B. (einem Mitstudent in Halle) fiel eine Handschrift in die Hände, die uns außerordentlich willkommen war, weil wir durch sie auf einmal zu Gelde – einem für Musensöhne gar nicht gleichgültigen Artikel – zu kommen hofften. Es waren nämlich in besagter Handschrift eine Menge Oerter des Erzgebirges, Fichtelgebirges und des Harzes angegeben, wo Gold zu finden sei. Auch waren diese Oerter durch Zeichen, z.B. in Stein gehauene Mönche, die mit dem Finger bedeutsam wohin zeigten u. dgl. näher angegeben. Ueber diese Handschrift selbst ging die Sage, es sei ein wandernder Italiener, ein Mäusefallen- und Hechelträger in einer Herberge am Kiffhäuser plötzlich krank geworden und habe beim Herannahen der letzten Stunde das Büchlein in's Feuer geworfen, das aber von dem Wirthe wieder herausgezogen und gerettet worden. Dieses Alles schien meinem Freunde und mir um desto glaublicher, da in dem Hause, worin wir wohnten, alljährlich ein italienischer Handelsmann einkehrte, der zwar schlecht gekleidet ging, mit seinen vier Begleitern aber köstlich lebte, auch eine goldene Uhr und dergleichen Ringe trug und überdem mit einer wohlgefüllten Börse versehen war. Es kam hiezu, daß ein Wurzelsammler für die Apotheken uns erzählte, er selbst sei einst nach Anweisung einer ähnlichen Handschrift in eine Höhle des Kiffhäusers gekrochen, habe daselbst bei einer Laterne zwei unbekannte Männer in voller Arbeit getroffen, Stücke Gesteins herauszumeißeln, hätte von ihnen ein solches Stück geschenkt bekommen und dasselbe in Erfurt einem Goldschmied für 1 Thlr. verkauft. Auch mehrere Gastwirthe, bei denen wir uns erkundigten, wußten allerlei Seltsames von wandernden, umherstöbernden Italienern zu erzählen, die große Bündel ihrer Hecheln und Mausefallen in die Unstrut würfen und statt deren sich dann mit schweren Säcken voll Erde u. dgl. auf den Rückweg machten. Ja selbst ein Chemiker von Halle versicherte uns, von einem jener geheimnißvollen Wanderer, der ihm aber bei einer andern Gelegenheit als ein reicher Mann erschienen sei, gehört zu haben: die Deutschen seien noch sehr zurück, da sie nach Ostindien reiseten, um dorther Schätze zu holen, die ihnen doch in ihrem Vaterlande so nahe lägen. Alle diese Erzählungen beflügelten uns denn zu einer Wanderung nach dem Harzgebirge, um mit eigenen Augen zu sehen, ob die in der Handschrift angegebenen Oerter und Zeichen sich wirklich daselbst finden würden oder nicht. Wir traten also im Jahr 1793 um Pfingsten unsere Entdeckungsreise an, wählten Wernigerode zum Standort, von wo aus wir die weitern Fahrten antreten wollten. Der Anfang ließ aber nichts Gutes ahnen. Es überraschte uns beim Umherirren im unwirthbaren, pfadlosen Walde die Nacht, wo wir bald in tiefe Schluchten, [487] bald in Sumpf und verwachsenes Dickicht geriethen. Endlich erreichten wir eine abgelegene Waldwärter-Wohnung, wo wir von zwei ungeheuern Hunden, die unter einer steinernen Treppe hervorsprangen, so grimmig angefallen wurden, daß wir noch mit genauer Noth uns auf einen nahen Holzstoß retten konnten. Hier wurden wir von den wüthenden Bestien so lange förmlich belagert, bis auf unser Hülferufen endlich aus einem kellerartigen Gemach ein Mann mit einer Laterne hervorkroch, die Hunde an sich lockte und uns freundlich in seine kleine Zelle einlud. Die nähere Bekanntschaft war bald gestiftet und wir fragten nun den treuherzigen Alten, ob ihm gewisse Thäler, deren Namen wir ihm nach Anleitung unserer Handschrift nannten, in der Umgegend bekannt wären? »Ja wohl«, entgegnete er, und beschrieb uns sodann die Lage derselben genau und ausführlich, erbot sich auch, uns des folgenden Tages dahin zu begleiten. Wir erkundigten uns nun weiter nach den umherschleichenden Italienern, ob er dergleichen auch wohl in der hiesigen Gegend gesehen habe? Und er versicherte uns, daß kein Jahr hingehe, wo nicht dergleichen Kunden um Johannis sich einfänden und besonders in einem Thale, das »Düsterthal« genannt, mehrere Gruben gemacht und dann ihre Säcke mit Erde und Sand gefüllt hätten. Man kann denken, daß des alten Mannes Erzählungen unsere Neugierde aufs Höchste spannte und wir kaum den glückverheißenden nächsten Morgen abwarten konnten. Endlich brach die Sonne durch die dicken Harznebel. Unser Wirth, den wir aus unsern Tabaksbeuteln und Reiseflaschen bestens regalirt hatten, gab dafür süße Milch und kräftiges Brod zum Frühstück, und so traten wir denn unter seiner Führung die Wanderschaft nach dem Eldorado des Harzes an. Der Weg war sehr mühselig. Unter abwechselndem Regen und Schneegestöber mußten wir manches Moor durchwaten, bis wir endlich zu der geheimnißvollen Stelle hindurchgedrungen waren. Große Steine, in welche Mönchsgestalten eingemeißelt waren, schienen mit den Fingern nach gewissen Punkten hinzuweisen, auch Gruben waren hie und da zu sehen, ja, ein Schmelztiegel lag nicht fern. Wir wanderten eine Strecke weiter, gelangten in das Düsterthal und erblickten mit unsern Augen Gruben, die aus neuester Zeit herrühren mußten. Seltsame Zeichen waren hie und da in Bäume geschnitten. Aber den Ort, wo nur die Gold- und Silberkörner und die Dukaten-Erde in unsere Tornister einzusacken wären – diesen Ort konnten wir leider nicht entdecken. Unsere hochfliegenden Hoffnungen sanken mit gelähmtem Fittig kläglich nieder. Schmerzlich getäuscht und mit noch leerern Beuteln, als womit wir von Halle ausgewandert waren, kehrten wir, zu müde, um auch nur eine Ladung des geheimnißvollen Sandes mit uns zu nehmen, dorthin zurück, beschlossen jedoch, um Johannis die Fahrt zu wiederholen, um wo möglich die famösen Italiener bei ihrem Werke zu überraschen und mit ihnen halb Part zu machen.
Es sei mir erlaubt, fährt Engelmann fort, hierbei noch eines seltsamen Ereignisses zu erwähnen, welches der sel. Professor Büttner zu Jena einem meiner Freunde erzählte. Der Professor hielt sich vor seiner Berufung nach Jena in Göttingen auf, wo er mit einem benachbarten Gutsbesitzer, einem großen Freund der Chemie, worin ihn Büttner unterrichtete, in genauem Umgange stand. Dieser Edelmann durchreiste einst Italien und traf auf der Rückkehr von Neapel an der Straße eine ungemein schöne und prachtvolle Villa, die seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.
[488] Während er nun das herrliche Bauwerk betrachtete, öffnete sich ein Fenster, ein stattlicher Herr blickte aus demselben, faßte unsern Reisenden scharf in's Auge und – rief ihn bei Namen, wobei er ihn zugleich freundlichst zu sich einlud. Die Einladung wurde mit Vergnügen entgegengenommen. Das Innere der Villa wurde dem Aeußeren vollkommen entsprechend gefunden. Der Besitzer bewirthete den Gast auf's Köstlichste. Beim Nachtisch eröffnete er dem Staunenden, daß alle diese Herrlichkeiten aus des Gastes Gute bei Göttingen herstammten. Man kann sich die Ueberraschung des Reisenden vorstellen. Er bat um eine nähere Erklärung und der Italiener erzählte nun: »Ich und meine Söhne haben eine Zeitlang unter der Maske von Hechelfabrikanten Deutschland viele Male besucht. Aus einer Grube in der Nähe Ihres Landgutes haben wir den Sand genommen, der uns das Gold geliefert hat, aus welchem alles Schöne, was Sie hier sehen, entsprungen ist.« Weiter aber wollte sich der Italiener, so artig er übrigens war, durchaus nicht erklären. Nicht sobald aber war der Gutsbesitzer heimgekehrt, als er auch sogleich Büttner zu sich lud und ihm das seltsame Abenteuer erzählte. Beide stellten nun die sorgfältigsten Untersuchungen an, fanden auch eine Grube und Spuren ehemaliger daselbst vorgenommenen Arbeiten. Man prüfte mehrere Sorten des Sandes chemisch, konnte aber nirgends einen Gold- oder Silbergehalt darin entdecken. Die Sache blieb demnach eine Zeitlang liegen, bis Büttner doch einmal wieder auf den Gedanken kam, ein Beutelchen von dem Sande zu holen und die chemische Prüfung mit noch größerer Genauigkeit als früherhin anzustellen. Und siehe! diesmal fand sich im nochmals erkalteten Schmelztiegel ein Klümpchen des reinsten Goldes auf dem Boden des Gefäßes. Die Versuche wurden nun mit verdoppeltem Eifer wiederholt, aber ohne Erfolg. Jenes Goldklümpchen hat nachher Büttner, als er nach Jena übersiedelte, der dortigen Naturaliensammlung geschenkt, wo es vermuthlich noch jetzt verwahrt wird.
Fußnoten
1 S. Sagen und Geschichten aus der Vorzeit des Harzes und der Umgegend. Halberstadt 1847. S. 562.