650) Das Kloster am Huyberge. 1

Im Jahre 1038 hatte Burkhard I. Bischof von Halberstadt sich auf einer Waldhöhe im Huy eine Kapelle, der Jungfrau Maria geweiht, erbaut, wohin er sich öfters in die Einsamkeit zurückzog, um fern vom Gewimmel, der Stadt mit seinem Gott allein zu sein. Bald darnach bat ihn eine Nonne aus dem Kloster zu Quedlinburg, Namens Pia, die sich gleichfalls nach der Waldeinsamkeit sehnte, inständigst, daß sie sich im Huy in seine Kapelle einschließen dürfe. Diese Erlaubniß erhielt sie aber erst ziemlich lange nachher durch den Nachfolger des Bischofs Burkhard oder Bucko (1070). Einige Zeit nachher siedelte sich auch ein Domherr, Namens Eckhard, bei der Kapelle als Priester an, da bereits so viele fromme Seelen aus der Nachbarschaft hierher pilgerten, daß ein stehender christlicher Seelenhirt dort zur Nothwendigkeit ward. Nun dauerte es nicht lange, so kam auch noch eine dritte Fromme dahin, eine Nonne Namens Adelheid aus Gandersheim. Damit war das heilige Kleeblatt vollständig. Die ganze Umgegend pries sich glücklich ob dieser heilsamen Nachbarschaft. Um nun aber den Ruhm und die Verehrung des neuen Heiligthums noch zu erhöhen, begab es sich, [611] daß ein Anwohner des Huybergs in einer Nacht eine wunderbare Erscheinung hatte. Er sah nämlich ganz augenscheinlich, wie an der Mitternachtseite des Klosterberges plötzlich mit hellem Klingen ein Quell wie reines Silber hoch aussprudelte und zwischen wonnigem Grün von der Höhe in das Thal herniederrieselte, und wie von allen Seiten die Bewohner der Ebene herbeieilten, schöpften, tranken und sich labten. Indem läutete das Glöcklein droben in der Kapelle zur Frühmette und davon wachte der gute Mann auf. Nun verkündete er allenthalben, was ihm Wundersames begegnet war und sprach: »Dieses prophetische Gesicht bedeutet, daß ebenso wie jenes Wasser dort vom Huyberge hernieder floß und Tausende labte, ebenso reichen zu aller Zeit die daselbst wohnenden Heiligen das erquickende Wasser des wahren Heils immerdar Allen, die es dort suchen werden.« Und so geschah es, daß schon im Jahre 1080 die Zahl der frommen Brüder und Schwestern droben dergestalt zugenommen hatte, daß der fromme Eckhard zum ersten Abt des aus der kleinen Kapelle zum stattlichen Kloster erwachsenen Heiligthums erwählt wurde. Bis zum Jahre 1411, wo die geistlichen Schwestern aus der Geschichte des Klosters verschwinden, scheinen geistliche Brüder und Schwestern hier treulich neben einander gewohnt zu haben. Im Jahre 1804 ist endlich dieses Gestift, welches im Laufe der Zeit sehr reich an liegenden Gründen geworden war, eingezogen worden. Der Bestand der letztern betrug damals 128 Hufen Landes.

Fußnoten

1 S. Sagen aus der Vorzeit des Harzes S. 251.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Der Harz. 650. Das Kloster am Huyberge. 650. Das Kloster am Huyberge. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-512F-F