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An Marianne von Willemer

Sie haben, theuerste Marianne, meine wunderliche Sendung freundlich aufgenommen, den Inhalt empfunden und Ihr liebes Herz thut sich wieder auf, Ihr holder Blick wendet sich zu mir, und wie sollte gegenseitig dies nicht auch mein Fall seyn. Leider muß die Entfernung manches fragmentarisch lassen; doch einige Worte über jenes Zeichen des treuen Andenckens können hier auch etwas thun.

[136] Als ich des guten Eckermanns Büchlein aufschlug fiel mir S. 279 zuerst in die Augen; wie oft dessen Lob vernommen und in der Stille mir lächlend angeeignet was denn auch wohl im schönsten Sinne mein eigen genannt werden durfte.

In derselben Stunde fuhr ich mit meiner Schwiegertochter nach Belvedere und in den Grünhäusern brach ich die beyden Zweige, verknüpfte sie und mit wenigen, aber wohlempfundnen Reimen begleitet gingen sie ab.

Einer freundlichen Aufnahme blieb ich versichert, die Sie nun so liebenswürdig aussprechen und mich glücklich machen. Auch mir schwebt gar oft die Nothwendigkeit des Wiedersehens vor. Nur in Gegen wart läßt sich das Beständige wie das Vergängliche fühlen und beurtheilen; die Wahrheit der Verhältnisse bestätigt sich alsdann, wenn das Scheinbare unaufhaltsam verfliegt.

Lassen Sie mich nun vor das gar hübsche Bild hintreten, das, durch zwey frühere Flußansichten vorbereitet, eben so wie jene die Hauptstelle verbirgt wo [man] sich eigentlich hinbegeben möchte. Diesmal war mein erster Gedancke der Dame zu folgen die mit dem Knaben vorwärts an der lincken Seite geht, mich um die Ecke zu schlagen, um bald am Ziel meiner Wünsche zu seyn.

In diesem Augenblick wird freylich der Platz nicht so geräumig und reinlich aussehen, und der Herr Burgemeister [137] selbst wird sich einigermaßen durchdrängen müssen. Es wird ohngefähr seyn wie zu jener Zeit wo im Getümmel angehörige Stimmen erkannt, im Gewimmel verbundene Freunde gefunden wurden. Das war schön, sehr schön und gut. Auch schmückt der Sonnemond noch heute mein Schatzkästchen.

Hier trifft mich Ihr liebes Blat und nun gleich mit vorstehendem, längstgeschriebenen auf die Post!

Tausend Liebes und Gutes!

treulichst

Weimar, Jubilate [9. Mai] 1824.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Marianne von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C9D-8