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(Ew.)Euer Excellenz

überbringt diese Zeilen der (Geh.)Geheime OberbauRath Schinckel, welcher in höchsten Aufträgen,
die Erwerbung der Boisseréeschen GemäldeSammlung betreffend, nach Heidelberg reiset.
Da ihm sehr daran gelegen seyn muß, über diesen wichtigen Gegenstand von Ihnen
eine geneigte Belehrung zu erhalten, so hofft er auf das Glück, Ihnen persönlich
aufwarten zu dürfen, welches ich ihm, als meinem lieben Freunde, um so mehr von
ganzem Herzen wünsche, als ich überdem nicht bezweyfle, daß seine schätzbare Per-
sönlichkeit Ihnen den Besuch angenehm machen werde.

Es liegt mehrentheils in der Eigenthümlichkeit seines reinen Kunstbestre-
bens, daß in den zahlreichen Werken, welche Schinckel mit unglaublicher Schnelligkeit
im landschaftlichen Fache liefert, Farbe und Ton gegen die fast durchaus verdienstvolle
und geniale Erfindung noch immer sehr zurückstehen; denn die Ursache davon ist,
daß er sich zur todten Nachahmung unfähig fühlt und selbst das Vollkommenste nicht nach-
ahmen mag und kann. Nur was er mit eigenem Sinn aufgenommen und empfunden, ver-
mag er darzustellen; allein wie aufmerksam er auch die Natur studire, wie vertraut
[26v]er sich mit der Bedenkung ihrer Erscheinungen zu machen suche, so ist sie in unseren Ge-
genden doch gar zu ungünstig, um ihn wesentlich fördern zu können, ja er verfehlt, bey
seiner lebhaften Auffassung, eben deshalb oft das Ziel. Wiese ein gütiges Schicksal ihm
den Aufenthalt unter einem schöneren Himmel an, entfernt von hin und hertreibenden Störun-
gen und Anforderungen der Welt, so würde dieses bedeutende und durchaus zum Be-
deutenden geneigte Talent seinem Streben leichter genügen können.

Die Schrift des (He.)Herrn BergRath Voigt über die organischen Farben, auf welche Sie
mich aufmerksam zu machen die Güte gehabt, enthält einen Schatz von wohlgeordneten
Materialien, dessen Werth ich um so höher anschlage, je mehr dieser Reichthum des Le-
bens der Natur mir bisher fremd geblieben war. Die ruhige, redliche Beobachtung,
wie sie sich in diesem Werke ausspricht, leistet zum Verständniß der Erscheinungen
gewiß das Meiste, und es ist nichts so sehr zu wünschen, als daß dieser Weg
immer allgemeiner möge betreten werden.

Eine andere Schrift, die ich in dieser Stunde von der Buchhandlung erhalte,
Über das Sehen und die Farben von Schopenhauer, erregt große Erwartung; ich bin
sehr begierig, sie befriedigt zu finden. Die Behauptung, die ich blätternd darin
antreffe, daß aus zwey entgegengesetzten Farben das Weisse hergestellt werden
könne, macht mir aber bange, daß der Verfasser aus Mangel an ruhiger Beo-
bachtung fehlgegangen seyn möchte; denn aus Schatten läßt sich doch ein für
allemal kein Licht machen.

[27r]

Immer ist es erfreulich zu bemerken, daß Ihre mannhafte Bekämpfung
der Newtonischen Irrlehre von so manchen Seiten dankbar anerkannt und die
dadurch gewonnene Freyheit der Ansicht für eins der lebendigsten Gebiete
der Natur mehr und mehr benutzt zu werden anfängt.

Ehrerbietigst verharrend
Schultz

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 6. Juli 1816. C. L. F. Schultz an Goethe. Z_1816-07-06_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-B88A-6