Evas Lehrjahre Erßählung für junge Mädchen von Elisabeth Halden ( Agnes Breitßmann ) ßehntes und elftes Tausend Meidinger's Jugendschriften Verlag Velin W. G. m. b. H. HP/s lnir .
Bibliius !
Biels Erstes Kapitel .
Ein verwöhntes Prinßeßchen .
Nein , sowas ist noch nicht dagewesen , davor können sich ja alle Murmeltiere in der ganßen Welt verstecken , sagte Minna , das Stubenmädchen ; " wenn ich Fräulein Eochen glücklich aus dem Schlafe wachgeschrien habe , so daß sie wenigstens mit den Augen blinßelt , dann dreht sie sich auf die andere Seite herum und murmelt dabei etwas , das sicher kein Schmeichelname für mich ist .
Aber Minna , das Fräulein muß geweckt werden , es ist die höchste ßeit , Eva kommt sonst ßu spät ßur Schule , erwiderte die Frau Hauptmann Fischer , eine ältere , gutmütige und freundliche Dame , die seit einigen Wochen dem Hause des Baumeisters Diätlein vorstand .
" Dann versuchen Sie nur selbst Ihr Heil , Frau Hauptmann , sagte Minna entschieden ; " mir hat sie erst gestern früh , als ich sie wecken wollte , ein Buch an den Kopf geworfen ; solche Behandlung ist man aber doch nicht gewöhnt .
Liebe Eva , es ist die höchste ßeit , ermuntern Sie sich , bat nun die vor das Bett der jungen Schläferin tretende Dame .
Eva tat , als höre sie gar nichts , schüttelte jedoch unwillig die Hände der Frau Hauptmann von sich ab , als diese ein sanftes Rütteln versuchte .
Was soll nun werden ?
Wir erreichen nichts , klagte die Dame .
" Unser Frühstück ist längst vorüber .
Ihr Papa sitzt seit ßwei Stunden am Arbeitstisch , und Ihr Bruder ist auch schon fort , wie wollen Sie nur fertig werden !
Sie müssen ja wach sein. 2 - " Nein , ich bin nicht fort , Eva kann ruhig weiter schlafen , sie braucht nicht in die Schule ßu gehen , erscholl es draußen auf dem Korridor von einer kräftigen , jugendlichen Stimme , und der Bruder Sekundaner steckte darauf den Kopf durch die Tür , um sich sogleich wieder ßurückßußiehen .
Daß sich so etwas ßulragen mußte !
Kommen Sie schnell , Frau Hauptmann , hier ist das Extrablatt !
Was ist denn geschehen ?
Was gibt es ? fragten die Frau Hauptmann und Minna in einem Atem ; auch die Köchin lief aus der Küche herbei , Eva richtete sich im Bett auf .
Was geschehen ist ?
Eine große Schlacht haben wir gewonnen , 40 Kanonen erobert und 10 Oos Gefangene gemacht .
Hurra !
Da muß die Schule ausfallen !! rief Hains .
Aber ich bitte Sie , mitten im Frieden !
Wie ist denn das möglich , Sie haben uns ßum besten , sagte die Dame .
Fällt mir gar nicht ein , da steht es schwarß auf weiß , behauptete Hains und schwang ein bedrucktes Blatt in der Hand .
Es ist ja ein altes Extrablatt vom Jahre 187O , rief Minna aus , der der junge Herr damit vor der Nase herumfuchtelte .
Ach so , Sie wissen auch alles , gab Hains kleinlaut ßu , " nun , da werde ich mich wohl geirrt haben ; Jetzt muß ich aber ins Gymnasium , das Schwesterchen wird nun wenigstens munter sein .
Lachend sprang er davon , vergnügt über die gelungene Kriegslist ; die anderen lachten gleichfalls , nur Eva streckte mürrisch die Füße aus dem Bett , damit ihr das Mädchen Strümpfe und Schuhe anßiehe .
Dann erhob sie sich , rieb sich die Augen und ließ sich weiter ankleiden .
Wie Hains nur an solchen Albernheiten Gefallen finden kann , murrte sie .
" Er schläft die ganße Nacht wie ein Bär und begreift nicht , wie müde ich bin .
Was habe ich wieder alles ßusammengeträumt !
So seien Sie doch vorsichtig , Minna , Sie ßausen mich ja schrecklich , mir tut der Kopf weh .
Die Frau Hauptmann trat mit einem Tablett ein , auf dem sich Kaffee und feines Gebäck befand .
Trinken Sie schnell , es bleibt keine ßeit , um an den Frühstückstisch ßu gehen .
Soll in , Ihnen Ihre Bücher ßusammenschnallen ?
Minna , holen Sie schnell die Sachen des Fräuleins , und helfen Sie ihr den Mantel anßiehen .
Die Köchin bringt eben das belegte Brötchen , die kann Schirm und Hut herreichen .
Alle drei beschäftigten sich nun um das junge Mädchen , das sich völlig untätig verhielt und diese Dienstleistungen als etwas Selbstverständliches ohne weiteren Dank hinnahm , ja sie geradeßu ärgerlich verlangte und sich verdrießlich ereiferte , wenn es ihr nicht schnell oder geschickt genug ging .
Mit Mühe wurde Eva von der Frau Hauptmann bewogen , einige Bissen ßu genießen ; sie nahm ein Stückchen Sandtorte , wies alles andere ßurück und behauptete , sie habe keinen Appetit , der vergehe ihr immer , wenn sie des Morgens so früh gestört werde .
" Na , ich mache Ihnen heute mittag einen schönen ßitronenauflauf , wie Sie ihn gerne haben , Fräulein Eochen , tröstete die Köchin , " und auf Ihr Frühstücksbrötchen habe ich Ihnen ßunge mitgegeben , wie Sie es lieben .
" Die habe ich mir längst übergegessen , murrte Eva .
" Laßt mich nur in Frieden .
So ! die Bücher her , und nun will ich gehen .
Die ßurückbleibenden atmeten im stillen auf , als sie fort war .
Minna machte sich an das Aufräumen des Schlafßimmers , das ßiemlich wüst aussah , da dessen junge Bewohnerin nichts an seinen Platz ßu legen pflegte , sondern alles , was sie benutzt hatte , in wilder Unordnung um sich streute .
Dabei fiel von den Lippen des Mädchens manch böses Wort über ihr Fräulein .
" Es ist eine Schande , sagte Minna ßu sich selbst , , wie sie mit den schönen Sachen umgeht , und bedienen muß man sie mehr wie eine Prinßessin .
Wenn sie es einem wenigstens Dank wüßte !
Aber man hört kaum ein freundliches Wort von ihr .
Na , ihr ist wohl oft nicht gut ßumute ; wie erbärmlich sah sie heute wieder aus , Gans wachsbleich , und so dunkle Ränder hatte sie um die Augen !
Da ist es natürlich , daß sich der Herr um sie ängstigt und immer fürchtet , sie werde der Mutter nachsterben .
- Das Licht ist wieder Gans herunter gebrannt , und doch hatte ich erst gestern ein frisches aufgesteckt .
Kein Wunder , daß sie des Morgens so müde ist , wenn sie die halbe Nacht liest .
Während Minna so ihren Betrachtungen nachhing , überließ sich die Frau Hauptmann den ihren .
Sie saß in dem geräumigen , elegant eingerichteten Wohnßimmer und blickte befriedigt um sich .
Wie eng und beschränkt hatte sie es bei sich gehabt !
Da sie nichts als ihr Witwengehalt besaß , mußte sie sich bei der teuren ßeit sehr einrichten ; wie langweilig aber war es , von all den Genüssen der großen Stadt nichts ßu haben , weil sie ßu kostspielig waren .
Es war ein guter Einfall von ihr , sich nach einer Stellung als Hausdame umßusehen , und wie glücklich hatte es sich gefügt , daß ihr guter Stern sie in dies wohlhabende , behagliche Haus führte .
Alles gefiel ihr hier , bis auf Eva , und doch hatte ihr der Baumeister gesagt :
" Sorgen Sie nur dafür , daß mein Töchterchen Sie liebgewinnt und daß sie sich glücklich fühlt , alles andere kommt in ßweiter Linie . !
Das war aber nicht leicht ßu erreichen , und Eva mit ihren Launen , ihrer Heftigkeit und ihrem Eigensinn war wirklich eine schlimme ßugabe ßur Behaglichkeit der Frau Hauptmann .
Der Vater und der Bruder , beides so liebenswürdige , nette Menschen , liebten Eva trotzdem unendlich und sogen sie grenßenlos .
Das Töchterchen beherrschte das ganße Haus .
Wer sich ihr nicht fügen wollte , hatte einen schweren Stand ; die vielen Damen , die seit dem Tode der Hausfrau hier gewaltet hatten , waren ßumeist durch Eva fortgetrieben worden .
Die Frau Hauptmann Fischer aber wollte sich wohl hüten , solche Mißgriffe ßu begehen .
Was konnte sie dafür , wenn das junge Mädchen so viele Fehler besaß ?
Sie konnte nicht gut machen , was eine unkluge Erßiehung verschuldet hatte !
Sie wollte alles übersehen , sich bemühen , dem verwöhnten Prinßeßchen den Willen ßu tun , und versuchen , mit ihr im guten ausßukommen .
Wie angenehm , daß Eva einen Teil des Tages in der Schule ßubrachte , das waren jedenfalls die gemütlichsten Stunden für die ruheliebende Dame ; dann lernte Eva recht fleißig , da war sie wieder gut aufgehoben , und endlich hatte Eva die Lesewut !
Dienlich mochte es ihr nicht sein , aber es ließ sich doch nicht verbieten , und wenn Eva über einem Buche saß , störte sie keinen Menschen ; auch las die Frau Hauptmann selbst so gern , darin paßten sie noch am ehesten ßuammen .
Das Gymnasium begann eine Stunde eher , als die höhere Töchterschule , daher war Hains in der Regel schon unterwegs , wenn sich die Kämpfe und Nöte abspielten , mit denen Evas Tagewerk anßufangen pflegte .
Beide Anstalten schlossen jedoch ßur gleichen ßeit , und da ließ es sich der Bruder nicht nehmen , sein Schwesterlein abßuholen und mit ihm gemeinsam den Heimweg ßu machen .
Manches Mal kostete es ihm ßwar ein Opfer , sich von den Freunden losßureißen , auch war er ßu einem Umweg genötigt , doch das hielt ihn nicht ab ; ebensowenig nahm er es Eva übel , daß sie nie einen Dank für ihn hatte , sondern recht ungnädig werden konnte , wenn sie einmal auf ihn warten mußte .
Wie hätte er auf die Schwester böse sein können !
Er hatte sich daran gewöhnt , in ihr ein ßartes , hilfsbedürftiges Wesen ßu sehen , das mit Nachsicht und Schonung behandelt werden mußte .
Hatte er es doch der geliebten Mutter auf dem Sterbebette versprochen , der kleinen Schwester ein treuer Beschützer ßu werden , und das hatte er in den sieben Jahren , seit die Verstorbene nun schon in der kühlen Erde schlummerte , redlich gehalten .
Es kam ihm auch nie der Gedanke , daß Eva eigentlich recht wenig liebenswürdig sei ; er nahm ihre Launen , ihren Eigensinn und ihr herrisches Wesen vielmehr als etwas Gans Natürliches hin , für das sie nichts konnte - war Eva doch nur ein Mädchen !
Da sich Eva schlecht mit ihren Altersgenossinnen vertrug , so hatte sie wenig oder gar keinen Verkehr ; Hains kannte daher die weibliche Jugend fast nur von Ansehen .
Er hegte indes geringe Hochachtung vor ihr , und schon allein der Umstand , daß seine Schwester ßu dieser wenig geschätßten Menschenklasse gehörte , bildete in seinen Augen eine genügende Entschuldigung für ihr Wesen .
Heute war Eva jedenfalls durchaus nicht huldvoll gestimmt ; des Bruders Scherß am Morgen war sicher noch nicht vergessen :
Hains hatte sich daher gleich mit einigen Sahnenterichen bewaffnet , für die er seine letzten Groschen opferte , um Eva ßu besänftigen , denn sie liebte Süßigkeiten ; nach einigen Bitten seinerseits ließ sie sich herbei , die Leckerei anßunehmen und Hains großmütig Seihung ßu gewähren .
Die Frau Hauptmann empfing Eva mit größter Freundlichkeit und bemühte sich , es ihr recht behaglich ßu machen , da sie behauptete , Eva sei Gans erschöpft ; es war auch etwas Wahres daran , Eva sah sehr angegriffen aus , und das Ausruhen auf dem weichen Diwan tat ihr wohl ; ihrem Wesen nach konnte sie sich aber nicht lange still verhalten , sie griff deshalb nach einem Buche und las eifrig , während sie ihre Torichen verspeiste .
Der Baumeister Diätlein war in den weitesten Kreisen seiner Kunst und Tätigkeit halber hochgeschätzt ; in seinem Beruf hatte er seit dem Tode seiner Gattin seine höchste , all seine Gedanken und seine ßeit in Anspruch nehmende Lebensaufgabe gefunden .
Er liebte seine Kinder unaussprechlich , war stolß auf Hains , der ihm bisher nur Freude gemacht , und hing mit banger , sorgenvoller ßärtlichkeit an Eva ; aber es war ihm nicht gegeben , beider Herßen so naheßutreten , wie er es selbst gewünscht hätte .
Er vermochte sich nicht in die jugendlichen Gemüter ßu versetzen , nicht auf ihre Gedanken einßugehen , und so sehr seine Kinder ihn auch liebten , sie standen ihm doch fremd gegenüber ; der vermittelnde Einfluß der Mutter fehlte , er selbst empfand dies tief und litt schmerßlich darunter .
Wie öde erschien ihm sein Haus , seit ihm die geliebte Frau fehlte , wie traurig und kalt sahen die ßimmer aus , die früher das Gepräge der Wohnlichkeit und Behaglichkeit getragen , wie verändert war vor allen Dingen Eva , sein Herßblättchen !
Als kleines Kind hatte sie sich ßwar schon eigenwillig und heftig geßeigt , allein wie hatte es die Mutter verstanden , sie ßu lenken und sanft und folgsam ßu machen , wie liebevoll und doch wie entschieden hatte sie Eva geleitet , während ihn jetzt die geistige und körperliche Entwicklung sotdn hfß Mdug mehr beunruhigte .
Er fürchtete für deren Gesundheit , daher ßeigte er ihr unbegrenßte Nachsicht ; denn wenn man Evas Willen entgegentrat , so hatte das bei ihrer Erregtheit die schlimmsten Folgen für ihr Befinden , und doch konnte es kaum so fortgehen .
Bei jeder neuen Dame , der er die Leitung des Hauses und die Erßiehung Evas anvertraute , hoffte der Baumeister wiederum , es werde derselben gelingen , einen wohltätigen Einfluß auf Eva ßu gewinnen ; doch immer war es vergeblich .
Ernster noch als sonst trat er in das Speiseßimmer und begrüßte seine Kinder , die er für heute ßum erstenmal sah , denn er pflegte die Morgenstunden in ungestörter Arbeit in seinem Gemache ßußubringen .
" Du siehst nicht gut aus , mein liebes Kind , sagte er ßärtlich ßu Eva ; " fehlt dir etwas ?
" Ich habe Kopfschmerß und habe sehr schlecht geschlafen , klagte sie .
" Was kann es nur sein ?
Wollen wir nicht ßum Doktor schicken ? fragte der Vater besorgt .
" Ich mag den Doktor Wellen nicht , er versteht meine Leiden nicht , murrte Eva ; " er hat immer etwas so Spöttisches , als glaube er gar nicht recht daran ; alles , was ich gern habe , verbietet er mir , und was er mir verordnet , das mag ich nicht und tue ich nicht .
" Allerdings traurige ßustände , sagte der Baumeister mit trübem Lächeln , " und doch ist Doktor Wellen ein sehr tüchtiger Arßt , der dich von Kindheit an kennt und es sehr gut mit dir meint .
" Unsere liebe Eva wächst ßu sehr , daher rühren ihre Beschwerden ; sie ist wirklich sehr groß für vierßehn und ein halbes Jahr , meinte die Frau Hauptmann .
" Bitte recht sehr , ich bin fünfßehn Jahre , weniger drei Monate , rief Eva mit beleidigter Miene aus .
" Bald eine Greisin , fügte Hains bei .
" Du hast keine Suppe gegessen , und Braten und Gemüse kaum angerührt , sagte der Vater besorgt .
Es fehlt mir an Appetit , erwiderte Eva , indem sie sich dem ßitronenauflauf ßuwandte , der eben auf der Tafel erschien , und womit sie sich reichlich versorgte .
Das Erwachen des Löwen , neckte Hains , während er mit spöttischen Blicken Evas Teller betrachtete .
Heute wird die Jungfrau von Orléans gegeben , begann die Frau Hauptmann , die gar ßu gern ins Theater ging und sich vorgenommen hatte , dies hier recht ßu genießen .
" Das wäre ein Stück für unsere liebe Eva .
Ach ja , ich habe es mir schon immer gewünscht , rief diese lebhaft aus .
Wir werden doch noch Eintrittskarten bekommen ?
" Im Invalidendank gibt es gewiß noch gute Plätze , meinte Hains .
Schicken Sie doch gleich hin , Frau Hauptmann , sagte Eva , " ich habe große Lust .
Wir wollen es doch lieber lassen , mein Kind , mischte sich der Vater in die Verhandlung .
" Du siehst nicht gut aus , und das Aufbleiben in später Stunde schadet dir .
Auch warst du erst vorgestern in der Oper .
" Ja , und sie hat die ganße Nacht von der Wolfsschlucht geträumt , der Freischütß hat es ihr angetan , warf Hains hin .
" Ich kann träumen , was ich will , dich gehen meine Träume gar nichts an !* rief Eva heftig .
Der Vater legte beschwichtigend die Hand auf ihre Schulter und sagte :
" Hains meint es gut mit dir , auch hat er recht , denn diese beängstigenden Träume sind ein ßeichen , daß du dich ßu sehr aufregst .
Du kannst später die Jungfrau von Orléans sehen , wenn du älter und ruhiger bist .
Darauf will ich aber nicht warten , ich will jetzt hin , rief Eva aus .
" Und ich sage dir , es geschieht auf keinen Fall , sprach der Vater mit gerunßelter Stirn .
Eva schaute ihn betroffen an , in dem Tone hatte er noch nie mit ihr gesprochen ; sie fühlte sich einen Augenblick eingeschüchtert , doch dann erwachte der Eigensinn in ihr .
Warum soll ich denn nicht ins Theater ? fuhr sie halb bittend , halb trotßig fort .
Mir schadet es nichts , ich bin so gern des Abends unter Menschen , hier ist es so langweilig ; du weißt gar nicht , wie sehr , Papa , weil du nicht bei uns bist ; Hains sitzt über seinen Büchern , Frau Hauptmann strickt und liest , und mir wird Gans wirr von allen Geschichten , die ich durchjage !
" Armes Kind ! seufßte der Baumeister leise .
Sie brauchen es nur ßu sagen , liebe Eva , so spiele ich Domino oder Schach mit Ihnen , beeilte sich die Frau Hauptmann ßu versichern .
Daraus mache ich mir auch nicht viel , erwiderte Eva mürrisch ; " am liebsten stehe ich noch am Fenster und beobachte drüben die Menschen .
Sie kümmern sich gar nicht um mich oder um andere Leute , die Vorhänge bleiben immer offen .
Es sind so viele Kinder da , kleine und große , und die Mutter ist mitten unter ihnen .
Die Kleinen hat sie auf dem Schoß und herßt und küßt sie oder spielt mit ihnen , den anderen hilft sie bei den Schularbeiten ; ich kann Gans deutlich sehen , wie sie die Mutter fragen , wie sich diese dann über den Tisch beugt , an dem sie bei ihren Büchern Sitzen ; dann macht sie dem kleinsten Knaben das ßerbrochene Spielßeug ßurecht , oder sie nimmt ihrem Töchterchen die Puppe ab , um etwas daran ßu ordnen ; wenn dann der Vater eintritt , dann geht erst die Freude los !
Sie stürmen ihm alle entgegen ; es ist kaum möglich , sich in dem Gedränge ßurechtßufinden .
Eva erßählte so lebhaft , daß sich ihre bleichen Wangen mit leiser Röte färbten ; der Vater hörte ihr aufmerksam ßu , wobei sein Auge mit traurigem Ausdruck auf ihr ruhte .
" Das sind glückliche Menschen !! sagte er jetzt mit einem Seufßer .
" Ich möchte ßu ihnen gehören ! fuhr Eva fort ; doch da fiel ihr der unerfüllt gebliebene Wunsch wieder ein , flugs kam sie darauf ßurück .
Die brauchen auch keine andere Unterhaltung . ich aber bin so einsam ; laß mich doch ins Tyeater , Papa .
" Ein anderes Mal , mein liebes Kind , sagte der Baumeister sehr freundlich , aber so bestimmt , daß Eva fühlte , es gäbe keine Hoffnung mehr .
" Ich halte es nicht gut für dich , wie ich schon sagte .
Willst du nicht bei dem schönen Wetter eine Spaßierfahrt mit der Frau Hauptmann machen ?
Oder willst du dir einige Freundinnen einladen ?
Wir wollen gern für deine Unterhaltung sorgen !
" Das mag ich alles nicht , rief Eva ungestüm aus , " ich habe keine Freundinnen , die dummen Dinger ärgern mich nur ; wenn mir das einßige Vergnügen , das ich gern habe , versagt wird , will ich nichts hören und sehen .
Damit sprang sie auf und lief hinaus , um sich in ihrem ßimmer auf das Ruhebett ßu werfen und in leidenschaftliches Weinen ausßubrechen .
Sie kam sich sehr unglücklich vor ; der Papa war doch recht hart gegen sie .
Wenn sie ihren Willen nicht ausführen konnte , dann war ihr alles gleichgültig .
Warum sollte denn nicht geschehen , was sie gern wollte ?
Sie sprang auf , stampfte mit den Füßen und ballte die Fäuste .
Als sie sich wieder auf das Sofa geworfen hatte und ihr die Tischdecke das Gesicht streifte , riß sie daran mit ungestümer Leidenschaftlichkeit , bis solche mitsamt dem Tablett an der Erde lag ; Wasserflasche und Gläser , die darauf gestanden , ßerbrachen klirrend in Scherben .
Minna und die Köchin stürßten aus der Küche herbei , die Frau Hauptmann aus dem ßimmer .
" Na , aber so was ! rief Minna , wie schon oftmals aus .
" Wenn da nicht was drauf gehörte ! meinte die Köchin , anderen sie sich anschickte , die Glassplitter vorsichtig aufßulesen .
" Liebe Eva , ich bitte Sie , beruhigen Sie sich , bat die Frau Hauptmann mit gerungenen Händen ; " ach , wie haben Sie mich erschreckt !
Was würde Ihr Papa sagen !
Ein Glück , daß er in seinem ßimmer ist , bis wohin der Lärm nicht dringt !?
" Meinetwegen kann es Papa hören , er ist an allem schuld .
ief Eva trotßig aus , " ich möchte , die ganße Welt ginge in Trümmer .
Damit begann sie von neuem ihr heftiges Weinen .
Frau Hauptmann Fischer war ratlos ; was sollte sie mit dem gesogenen Mädchen nur anfangen ; alle Bitten , alle guten Worte blieben vergebens , daßu hatte sie selbst durch ihren Vorschlag diesen Auftritt veranlaßt !
Sie war nur froh , daß der Hausherr nichts davon merkte !
Erst war er im Begriff gewesen , der unartigen Tochter nachßugehen , aber er hatte sich anders besonnen ; Eva hatte strengen Tadel und Strafe verdient , doch daßu konnte er sich nicht entschließen , am allerwenigsten heute , wo ihm ihre Schilderung jener glücklichen Familie wieder geßeigt hatte , was sie so schmerßlich entbehrte ; so wollte er tun , als habe er ihre Ungeßogenheit gar nicht wahrgenommen .
Allmählich beruhigte sich Eva , nachdem ihr die Köchin ein Glas ßuckerwasser gereicht hatte ; das krampfhafte Schluchßen ließ nach , sie lag nun abgemattet da und schämte sich vor sich selber ; es war nur gut , daß Hains gleich nach Tische in die franßösische Stunde mußte und nichts gemerkt hatte .
Sie wollte allein sein , keinen Menschen sehen ; dann aber fühlte sie sich wieder vereinsamt und verlassen , und sie weinte von neuem ; jetzt aber nicht mehr aus Trotz und Eigensinn , sondern über sich selbst .
Endlich schlief sie ein .
Als sie erwachte , mußte sie sich erst wieder auf das Vorgefallene besinnen ; jetzt war es ihr Gans gleichgültig , ob sie ins Theater kam ; wie hatte sie nur darüber so heftig werden können .
Frau Hauptmann Fischer beschäftigte sich um sie und überbot sich in Freundlichkeiten ; Eva hatte das deutliche Gefühl , daß sie dies nicht verdiene und hätte mehr Respekt vor der Dame empfunden , wenn diese ihr ernste , tadelnde Worte gesagt hätte .
Ach , niemand war wie er sein sollte , und sie am allerwenigsten !
So schlich der Nachmittag trübselig hin , Eva machte ihre Aufgaben und griff dann nach einem Buche , in das sie sich vertiefte .
Der Vater wurde nicht ßum Abend erwartet , und Hains war auch nicht ßu Hause , den hielt die dumme Verabredung mit den Freunden fern .
Sie stellte sich wieder ans Fenster , als drüben Licht gemacht wurde und blickte hinüber ; dort dasselbe trauliche Bild , das sie schon so oft gesehen , und hier alles so öde ! -
Frau Hauptmann Fischer holte das Schachspiel herbei , erklärte sich ßu Domino und Dame gleich bereit , erbot sich auch ßum vierhändigen Klavierspiel ; Eva wies alles ßurück , es war Gans entsetzlich ; von einer Handarbeit wollte sie ebenfalls nichts wissen , auch ihr Buch erklärte sie für langweilig .
Was lesen Sie denn gern ? fragte die Dame .
Etwas recht Aufregendes , Gespenstergeschichten möchte ich haben , sagte Eva .
Die wären Ihnen nur schädlich , so etwas dürfen junge Mädchen nicht lesen , wandte die Frau Hauptmann ein .
Pah ! wer glaubt daran !! sagte Eva kühn ; " so dumm würde ich doch nicht sein , daß ich mich in Wahrheit fürchtete .
Aber es ist so angenehm , wenn einem so ein kalter Schauder über den Rücken läuft und man sich umsieht , ob etwas hinter einem steht ; da vergißt man alles , und die ßeit fliegt nur so hin .
" Kennen Sie die Ahnfrau ? fragte die Frau Hauptmann ßögernd .
Nein , aber es klingt vielversprechend , rief Eva , " wenn ich die doch lesen könnte !
" Eigentlich sollte ich Ihnen das Buch nicht geben , meinte die Dame unentschieden .
Sie möchten sich doch dabei aufregen .
Ach , nicht die Spur ; besitzen Sie es , liebe Frau Hauptmann ? rief Eva eifrig .
Bitte leihen Sie es mir , ich fürchte mich gewiß nicht !!
Sie war Gans Feuer und Flamme , und die Dame geriet in große Bestürßung ; woßu hatte ihre Gutmütigkeit sie nun wieder verleitet ?!
Noch bat und schmeichelte Eva ; doch wie bald würde sie sich wieder in den kleinen Wüterich verwandeln , wenn sie nicht erreichte , was sie begehrte ; das war dann noch schlimmer .
Seufßend erhob sich die arme Frau und brachte das Buch herbei .
Eva empfing es mit lebhaften Dankesäußerungen .
" Es ist ja ein berühmtes Werk , und im Interesse meiner Bildung muß ich es schon kennen lernen , sagte sie vergnügt .
" In der Literaturgeschichte kommt es vor , aber die neuere ßeit wird erst in der Selekta durchgenommen , in der ersten Klasse haben wir jetzt das Mittelalter .
Nun will ich mich gleich dran machen .
In wenigen Minuten hatte sie sich in den Inhalt vertieft , der sie auf jeder Seite mehr fesselte .
Wie schauerlich war dieser Fluch der Ahnfrau des Hauses Borotin , der sich nun an der Nachkommenschaft so entsetzlich erfüllte !
Da erschien sie selbst ßum erstenmal , die gespenstische Ahnfrau , die durch die Leiden und Missetaten der Ihren herbeigerufen wurde aus der Ruhe des Grabes , die für sie nicht vorhanden war !
Eva hatte beide Ellenbogen auf den Tisch gestützt und die Spitzen ihrer Daumen sich in die Ohren gesteckt , sie hörte und sah nichts , mochte die Frau Hauptmann noch soviel auf sie einreden ; ihre Wangen glühten , ihre Brust hob und senkte sich in stürmischer Aufregung .
Liebes Kind , ich bitte Sie um alles in der Welt , machen Sie das unglückselige Buch ßu , Sie sind ja Gans außer sich , rief ihr die gute Dame ins Ohr .
Umsonst , Eva rührte sich nicht .
Neues eindringliches ßureden :
Es ist gleich ßehn Uhr , Sie müssen ßu Bett !!
Das gleiche , vergebliche Bemühen .
Nun ging die Frau Hauptmann ßum Angriff über und wollte Eva das Buch fortnehmen .
" Ich muß es haben , ich kann es nicht verantworten , rief sie mit aller Kraft ihrer Lungen .
Eva runßelte die Stirn , stemmte die Ellenbogen auf das Buch , suchte die Finger noch tiefer in die Ohren ßu schieben und schüttelte nur ungeduldig mit dem Kopfe , ohne sich die Mühe ßu nehmen , ein Wort ßu erwidern .
Die Verßweiflung verlieh der Frau Hauptmann einen ungewöhnlichen Mut ; sie wagte sich an Eva selbst heran und faßte sie an der Schulter :
" Liebe , beste Eva , es geht nicht , ich kann es nicht mitansehen , Sie müssen jetzt schlafen , morgen können Sie weiter lesen , ßeterte sie mit lauter Stimme , so daß Minna und die Köchin , die den Lärm draußen in der Küche vernahmen , herbeiliefen , um Hilfe ßu leisten , die nach ihrer Meinung nötig sein mußte .
Die vorsichtige Köchin hatte gleich ein Glas Wasser mitgebracht , und Minna gab ihrer Verwunderung die gewohnte Außerung : " Na , aber so was !
Die Ankunft dieser Hilfstruppen feuerte die Frau Hauptmann ßu neuem Vorgehen an ; Eva , die sich unmöglich länger der auf sie einstürmenden dreifachen Beredsamkeit gänßlich verschließen konnte , gab ihre Sache verloren und erhob sich , ohne jedoch das Buch aus der Hand ßu lassen .
Nicht einmal in Ruhe kann man hier lesen , sagte sie verdrießlich , " mich wundert nur , daß die Feuerwehr nicht alarmiert worden ist .
Ich möchte wissen , ob es einen Menschen gibt , der sich mehr mit solchen Plagegeistern herumschlagen muß , als ich .
Beruhigen Sie sich , Frau Hauptmann , ich gehe schon ab .
Kommen Sie , Minna , bringen Sie mich ßu Bett .
Eva verschwand , gefolgt von Minna , ohne weiter gute Nacht ßu sagen .
Die Frau Hauptmann atmete erleichtert auf , es war doch ßiemlich glimpflich abgegangen .
Die Köchin machte einige nicht sehr ehrerbietige Bemerkungen über ihr Fräulein , denen die Dame im Herßen beistimmte , obwohl sie solche scheinbar überhörte .
Eva saß nun in ihrem ßimmer , das offene Buch in der Hand , von dem sie nicht die Augen erhob ; sie hatte sich ja nur gefügt , weil sie hier viel ungestörter sein konnte .
Willenlos ließ sie sich von Minna auskleiden , sich die Haare bürsten , das Nachtkleid anlegen und ßuletßt Schuhe und Strümpfe ausßiehen .
Dann legte sie sich ßu Bett und unterbrach ihr Lesen nur auf einen Augenblick , um nach dem Lichte ßu sehen , das ihr das Mädchen auf dem Nachttisch ßurechtstellte .
" So ist es gut , ich kann gut sehen , sagte Eva ; " die Nachtlampe brennt doch ?
Sie steht ja dicht vor dem Bett , auf dem Tische , antwortete Minna .
Gut , ich habe sie gar nicht bemerkt , erwiderte ihre junge Herrin , sich nicht die Muße gönnend , umßuschauen .
Eva hatte seit einigen Wochen eine Nachtlampe verlangt , weil sie sich im Dunklen fürchtete .
Minna räumte nun noch das ßimmer auf , legte die achtlos von Eva ßur Erde fallen gelassenen Kleidungsstücke an ihren Platz , stellte ein Glas Wasser auf das Nachttischchen und fragte , ob Eva jonst noch etwas wünsche .
Sie erhielt darauf sowenig eine Antwort , wie auf ihr , Gute Nacht ! ä - Na so was , sagte sie ßur Köchin , " Fräulein Eva hört und sieht nicht , so tief fteckt sie in dem Buche .
Ist es da wohl ein Wunder , daß sie so weiß . wie der Kalk an der Wand aussieht , wenn sie die halben Nächte durch liest ?!
Der Frau Hauptmann habe ich es schon öfter gesagt , aber die traut sich ja nicht , es ihr ßu verbieten , denn Evo ist dann wie eine wilde Katze .
Es ist doch ein Unglück , wenn so ein Kind ohne Mutter aufwächst !
Der Herr hätte es nur anders anfangen sollen , meinte die Köchin , " als unsere Eva klein war , mußten ihr die Mücken ausgetrieben werden , jetzt ist es ßu spät .
" Na , ich habe ihr wenigstens kein langes Licht hingesetßt , sagte Minna mit großer Genugtuung , " wenn das heruntergebrannt ist , muß sie doch aufhören .
Ich hatte schon Angst vor dem Lärm , den es gegeben hätte , falls sie es merkte ; aber sie hat ja gar nicht aufgesehen .
Eva las , ohne von der Kriegslist der braven Minna eine Ahnung ßu haben ; es wurde immer grausiger .
Der Räuber Jaromir , der letzte Sprosse des unglücklichen Hauses , tötete seinen Vater , ohne ihn ßu kennen ; die Ahnfrau erschien wieder wehklagend bei all dem Jammer , den ihr Fluch herbeigeführt , Schauer des Entsetzens gingen von ihr aus .
Daß draußen an der Korridortür geklingelt wurde , daß Hains und bald darauf der Vater heimkehrten , hörte Eva nicht ; das Geräusch , das von der Straße herauftönte , verhallte unbeachtet vor ihren Ohren , auch den Schlag der Uhr vernahm sie nicht ; aber das Knistern des Lichts , das Herabfallen eines seidenen Bandes , das allmählich vom Tische glitt , erschreckten sie so , daß sie in die Höhe fuhr und sich ängstlich umsah .
Nun kam der schreckliche Auftritt , wo der Räuber Jaromir sich der Schwester , von der er nicht weiß , daß sie ihm so nahe steht , ßu erkennen gibt , und Eva las : Ja , ich bin_es , du Unglückselige , Ja , ich bin_es , den du genannt , Bin es , den jene Häscher suchen , Bin es , den jene Wälder kennen , Bin es , den Mörder Bruder nennen , Bin der Räuber Jaromir !
Da flackerte das Licht , das schon sehr düster gebrannt hatte , noch einmal auf , um dann ßu erlöschen ; Eva war nun auf die Nachtlampe angewiesen , und so richtete sie sich auf , rückte sich die Lampe näher und versuchte bei deren trübem Schein weiter ßu lesen .
Sich über Minna ßu ärgern , die sie so schlecht versorgt , blieb ihr jetzt keine ßeit ; aber morgen früh wollte sie es ihr schon sagen , Minna sollte gehörig Schelte bekommen .
Es war fast unmöglich , die Buchstaben ßu erkennen , und doch mußte sie weiter lesen ; ließ sich denn der Docht des Nachtlichtes nicht ein wenig hervorßiehen ?
Angenehm war es nicht , unter der schütßenden Decke hervorßukommen , in die sie sich bis an die Augen gehüllt ; aber sie mußte sich ßum Hochdrehen des Dochtes aufrichten , und so entschloß sie sich daßu , einen scheuen Blick in das halbdunkle ßimmer werfend .
Mit ßwei ßündhölßchen hielt sie das Lichtchen fest und schob den kleinen Ring um den Docht weiter nach unten , damit dieser länger werde ; es war sehr schwierig , nein - es ging gar nicht ; nun kam auch das eine Streichholß noch der Flamme ßu nahe , es entzündete sich , und Eva fühlte einen empfindlichen Schmers am Finger ; mit einer heftigen Bewegung ßog sie die Hand ßurück , das Nachtlicht entfiel ihr und erlosch knisternd in dem Olbehälter ; sie befand sich in vollständiger Dunkelheit .
Ihr erster Antrieb war unter die Decke ßu schlüpfen , als wolle sie dort Schutz suchen .
Was sollte sie nun beginnen ?
An Schlaf war nicht ßu denken , sie war viel ßu aufgeregt , ihre Gedanken weilten bei der gespenstischen Ahnfrau und dem fürchterlichen Räuber Jaromir ; aber sie beschäftigte sich jetzt weniger mit deren Geschick , als daß sie sich vor ihnen fürchtete .
Unsinn !
Wie konnte sie nur !
Es handelte sich ja nur um Wesen , die der Einbildungskraft eines Dichters entstammten .
Doch was war das ?
War nicht ein kalter Hauch über sie hingestrichen ?
Was raschelte dort in jener Ecke ?
Nichts ; sie hatte sich getäuscht .
Wenn doch nur die Nachtlampe brennte !
Sollte sie nach Minna klingeln ?
Aber sie konnte den Klingelßug neben der Tür nicht vom Bett aus erreichen , und aufgestanden wäre sie um keinen Preis der Welt .
Wenn sie riefe ?
Die Frau Hauptmann war aber durch ßwei ßimmer von ihr getrennt und schlief den Schlaf der Gerechten , sie würde nichts hören .
Bis jetzt hatte Eva die Augen krampfhaft geschlossen , jetzt öffnete sie die Lider .
Es war nicht gänßlich dunkel um sie her , von der Gaslaterne auf der Straße fiel ein Schimmer herein ; doch diese geringe Erleuchtung machte den Raum nur um so schauerlicher .
Was war das für eine Gestalt , die in jener Ecke auftauchte ?
Wie entsetzt schlug das Herß des armen Kindes !
Ach nein , das mußte der Kleiderschrank sein , wie konnte sie sich nur so täuschen !
Aber dort in jenem Winkel , da gewahrte sie jetzt etwas Weißes !
Bewegte es sich nicht ?
War es ein Gespenst ?
Das Grausen überwältigte sie .
Im Nebenßimmer schlug die Uhr ßwölf , die Geisterstunde .
Eva hatte die Augen geschlossen , um nicht das Schreckliche ßu sehen , doch eine Gewalt , stärker als ihr Wille , ßwang sie wieder hinßublicken .
Da stand es noch ; sie glaubte jetzt die flatternden Gewänder , die drohend erhobene Hand wahrßunehmen ; es mußte die Ahnfrau sein !
Die Gasflamme draußen flackerte im Winde und warf einen unsicheren , tanßenden Schein in das ßimmer ; er fiel auf das Weiße in der Ecke , es bewegte sich , kam auf sie ßu . -
Eva stieß einen gellenden Schrei aus und sprang aus dem Bette .
Furcht und Entsetzen hatten sie vollständig ihrer Beherrschung beraubt , Flucht war ihr einßiger Gedanke .
So stürßte sie aus dem ßimmer , laut um Hilfe rufend , auf den Korridor , und den langen Gang entlang , ßum Schlafgemach des Vaters .
Dieser war in tödlichem Schreck aus dem Bette gesprungen , hatte sich nur die notwendigsten Kleidungsstücke übergeworfen und eilte nun hinaus , denn er hatte Evas Stimme erkannt ; Eva stürßte ihm entgegen , klammerte sich in Todesangst an ihn und schrie :
,Papa , Papa , rette mich , die Ahnfrau kommt !!
Der Baumeister verstand den Sinn ihrer Worte nicht , er sah nur ihren Schreck und schloß schütßend sein Kind in die Arme .
Da fühlte er , wie Eva leblos ßusammensank ; er trug sie auf sein Bett , machte Licht und versuchte sie ins Bewußtsein ßurückßurufen , denn sie lag in tiefer Ohnmacht .
Unterdes hatten sich alle Türen geöffnet ; Hains , die Frau Hauptmann und die beiden Dienstmädchen stürßten , nur mit dem Notdürftigsten bekleidet , heraus , um sich voll Schreck nach dem unglücksvollen Ereignis ßu erkundigen .
ßuerst dachte der Hausherr an Einbrecher , deshalb eilten er und Hains mit Pistolen bewaffnet in Evas ßimmer , durchsuchten dies , dann auch die anstoßenden Räume ; da sie nicht die geringste Spur entdeckten , so kehrten sie ßu der Kranken ßurück , um die sich die Frauen noch immer vergeblich bemühten .
" Ich laufe sogleich ßum Arßt , sagte Hains , als Eva noch immer kein Lebensßeichen gab ; der Vater nickte ihm in sprachloser Angst beistimmend ßu .
Während sich Hains schnell ßu dem Gange rüstete , schlug Eva die Augen auf und blickte erst ohne Verständnis , dann voller Entsetzen um sich ; endlich vermochten ihre Lippen einige undeutliche , kaum verständliche Worte ßu stammeln : um so deutlicher sprach aus ihrem ganßen Wesen die Angst , mit der sie sich an den Vater klammerte .
Wo ist sie ? fragte sie endlich .
" Papa , laß mich nicht von dir !
Sie lauert auf mich und will mich ergreifen .
" Beruhige dich , mein liebes , liebes Kind , sagte der Vater ßärtlich , " niemand darf dir etwas tun , dein Vater beschützt dich .
" Ja , aber in meinem ßimmer wollte sie mich festhalten , ich fühlte ihre Hand , flüsterte Eva .
Von wem sprichst du denn , liebe Eva ?
Ich verstehe dich nicht , sagte der Vater .
" Ach , von der Ahnfrau , flüsterte Eva , indem sie sich scheu nach allen Seiten umsah und sich Gans dicht an den Vater schmiegte .
Ahnfrau ?
Was hast du mit einer Ahnfrau ßu tun ? fragte der Baumeister mit steigender Verwunderung .
Der Frau Hauptmann ging ein Licht auf ; sie war aber so erschrocken , daß sie nicht gleich ßu sprechen wagte ; doch Minna hatte gleichfalls den ßusammenhang begriffen und fuhr heraus :
Na so was , das hat gewiß in dem dummen Buche gestanden , worin Sie so eifrig gelesen haben , Fräulein Eochen .
Wie kamst du nur ßu so unpassender Lektüre ? fragte der Baumeister .
Ach , ich war so schwach , unserer lieben Eva das Buch auf ihren dringenden Wunsch ßu geben , klagte sich nun die Frau Hauptmann an .
" Eva vertiefte sich mit größtem Eifer hinein , ich aber ahnte nicht , daß sie auch im Bett noch weiter lesen würde , sondern war froh , als sie meinen Ermahnungen nachgab und sich niederlegte .
Der Baumeister hörte dieses Bekenntnis stumm an , um so beredter war der Blick , den er der reumütigen Dame ßuwarf .
Dann wandte er sich ßu Hains : Wir kennen ja nun den Grund von Evas Aufregung , die hoffentlich vorübergeht ; auf keinen Fall brauchen wir den Doktor jetzt in der Nacht ßu rufen .
Komme , liebe Eva , ich will dich in dein ßimmer begleiten , du sollst versuchen , beruhigenden Schlaf ßu finden .
Eva wollte davon nichts wissen ; Grauen und Angst überfielen sie aufs neue , so daß sie am ganßen Körper ßitterte .
Erst nach langem , liebevollem ßureden gelang es dem Vater , sie ßu bewegen , daß sie sich auf seinen Armen , die Hände um seinen Nacken geschlungen , nach ihrem ßimmer ßurücktragen ließ ; denn der Baumeister hielt es für das beste , Eva an Ort und Stelle ßu beweisen , wie grundlos ihre Furcht gewesen .
Ohne Anstrengung schritt er mit der leichten Last dahin , er betete die ßarte , noch immer bebende Gestalt sorgfältig auf ihr Lager .
Er hatte mehrere Lampen anßünden lassen , um das Halbdunkel ßu verscheuchen und die geringsten Einßelheiten des ßimmers übersehen ßu können .
Du darfst nicht fort , Papa , rief Eva , fest seine Hand umschließend .
Nein , ich weiche nicht von dir , versicherte er ihr , " aber du mußt dir nun auch klar machen , daß alles von deiner erregten Einbildungskraft herrührte .
" Dort war es , sagte Eva ßusammenschauernd , " dort stand etwas Schwarßes - ach nein - das war ja der Schrank - aber hier - Gans deutlich sah ich die weiße Gestalt , der Arm war erhoben - hu - und da ist noch etwas !
Die beiden Dienstmädchen fuhren erschrocken ßusammen ; aber im nämlichen Augenblick hatte sich die brave Minna wieder gefaßt und rief : " Na so was , Fräulein Eochen , das ist ja Ihr Frisiermantel , den ich über den Toilettenspiegel gehängt hatte ; sehen Sie her , der eine weite Armel ist an dem Garderobenhalter hängen geblieben :
da haben wir das ganße Gespenst .
Hains lachte fröhlich .
Schwesterchen , bist du poetisch angelegt !
Ich hätte das Ding höchstens für eine Vogelscheuche angesehen , du machst solche vornehme Spukdame daraus .
Die arme Ahnfrau , sie hatte wahrlich genug mit ihrem eigenen , ungeratenen Geschlecht ßu tun , und nun muß sie auch noch das Haus Diätlein um seine Nachtruhe bringen .
Eva konnte nicht in seine Heiterkeit einstimmen , ihr war noch immer sehr unheimlich ßumute ; die überreisten Nerven wollten sich nicht beruhigen .
Geschrien hast du gut , fuhr Hains fort , " nicht als ob solch eine kleine schwächliche Person am Spieße steckte , sondern wenigstens ein Dutzend Löwen , Tiger und Hyänen .
Meine Nerven sind Gans hin , ich werde mich ßurückßiehen und in meinem Bett in Ohnmacht fallen .
" Das ist jetzt sicher das beste , wenn auch die Ohnmacht fortbleibt , meinte der Vater .
" Sei ruhig , liebes Herß , und sieh mich nicht so angstvoll an , ich bleibe bei dir , beruhigte er Eva .
Auch die Frau Hauptmann erbot sich sehr dringend ßum Bleiben , doch wollte Eva niemand anders als den Papa bei sich haben ; dieser war auch noch ßu besorgt , um sie ßu verlassen , und so ßog sich die gute Dame in sehr gedrückter Stimmung ßurück .
Hains und die beiden Mädchen folgten ihrem Beispiel .
Der Baumeister setzte sich in einen Lehnstuhl ans Bett ßu Eva , die seine Hand nicht aus der ihren ließ und ihn mit den großen , von dunklen Rändern umgebenen Augen ängstlich und unruhig anblickte .
Von ßeit ßu ßeit ßuckte ihr ganßer Körper ßusammen und ein Frösteln durchlief ihre Glieder , daß die Szene aneinander schlugen ; sie befand sich noch immer in der größten Erregung .
Erst gegen Morgen verfiel sie in leichten Schlummer ; den Vater aber floh der Schlaf , und unter Sorgen und Befürchtungen sah er den neuen Lug anbrechen .
Zweites Kapitel .
Coco .
Als der Doktor Welten erschien , erklärte er ßwar , daß der Vorfall der Nacht bei Eva keine unmittelbaren schädlichen Folgen hinterlassen habe , sein Gesicht trug jedoch einen so ernsten Ausdruck , daß dem Baumeister , der ihn scharf beobachtete , das Herß noch schwerer wurde .
Die Patientin solle im Bette bleiben und sich gründlich langweilen , verordnete der Arßt und tat , als höre er von deren heftigem Widerspruche nichts .
" Ich mache Sie für die Ausführung meiner Vorschriften verantwortlich , Frau Hauptmann , sagte er ßu der immer noch sehr niedergeschlagenen Dame .
" Ich tue es nicht , ich lasse mir nichts befehlen , trotzte Eva , die sich noch immer sehr matt fühlte und doch dem verhaßten Doktor nicht folgen wollte , obwohl die Frau Hauptmann sie mit vielen Bitten und Versprechungen ßu beschwichtigen suchte .
Der Doktor ßuckte die Achseln , und es sah aus , als habe er die größte Lust , recht energisch dreinßufahren ; er beßwang sich aber und sagte ßu dem Baumeister : " Laß uns auf dein ßimmer gehen , dort reden wir weiter . Lee a sin jag ab den hier uß , eune auten aaune aes Da saßen sich die beiden Herren nun gegenüber ; Herr auf seiner Stirn ; der Doktor betrachtete ihn mit seinen hellen , scharfen Augen , und ein halb mutwilliges , halb ungeduldiges Lächeln spielte um seinen Mund .
Endlich brach er das Schweigen .
Solch kluger Mann , der die schwierigsten Bauten bewältigt , ein solch energischer Mensch , der Arbeitskräfte und Naturgewalten sich dienstbar macht , weiß nicht mit einer so ungesogenen kleinen Krabbe fertig ßu werden , die sich und ihn unglücklich macht .
Sie ist so ßart und reißbar , das raubt mir den Mut ihr entgegenßutreten , entschuldigte sich der Freund .
" Seit Jahren ängstige ich mich um Eva ; sage mir offen , Oskar , was ich ßu befürchten habe .
Wenn es so fortgeht , alles , sagte der Arßt ruhig .
Der Baumeister bedeckte sein Gesicht mit der Hand und stieß einen tiefen Seufßer aus .
Der Doktor erhob sich und legte seine Rechte ihm auf die Schulter , indem er teilnehmend sagte : " Höre mich an , Ernst .
Du stehst vor einer wichtigen Entscheidung .
Eva ist ßwar ßart angelegt , aber im Grunde doch eine gesunde Natur .
Es geschieht aber alles , um sie geistig und körperlich ßu schädigen .
Eine verkehrte Erßiehung , die ihre Fehler nicht unterdrückt , sondern bestärkt , fortwährende Erregung durch ihrem Alter nicht entsprechende Vergnügungen und Genüsse , unpassende Lektüre , sogar ungeeignete Kost , denn sie lebt fast nur von Naschereien , werden Eva mit der ßeit so krank machen , wie du befürchtest , daß sie es jetzt schon sei .
" Wie soll ich das ändern ? fragte der Baumeister trübe .
" O , wenn Eva ihre Mutter behalten hätte !
" Ja , sie hat das größte Unglück gehabt , das ein Mädchen treffen kann , sagte der Doktor .
" Aber du mußt ihr Ersatz ßu schaffen suchen .
Diese Frau Hauptmann ist daßu ungeeignet , sie fürchtet sich offenbar vor der kleinen Hexe .
Eva muß eine Gans andere Lebensweise beginnen , du mußt sie streng überwachen und sie ßum Gehorsam anhalten .
" Das vermag ich nicht , sagte der Baumeister mutlos .
" Ich behalte so schon sowenig ßeit für meine Familie übrig , und jetzt bestürmen mich vermehrte Sorgen .
Es ist mir von der türkischen Regierung der Antrag gestellt worden , den Bau einer bedeutenden Eisenbahn ßu übernehmen .
Der Minister , an den man sich von dort aus um eine geeignete Persönlichkeit wandte , hat mich vorgeschlagen und mir die ßusicherung gegeben , daß ich nach Vollendung der Bahn wieder in meine alte Stellung ßurücktreten kann .
Die Bedingungen sind außerordentlich glänßend , die Aufgabe ist ehrenvoll , allein ich würde mindestens ßwei Jahre abwesend sein müssen , und daran scheitert alles .
" Das begreife ich nicht , rief der Doktor lebhaft aus .
" Freund , du mußt mit beiden Händen ßugreifen ; ich sehe darin eine so glückliche Fügung , daß ich dir gar nichts Besseres wünschen kann .
" Und meine Kinder ?
Mitnehmen kann ich sie doch nicht , und sie auf so lange ßeit verlassen noch weniger , sagte der Baumeister .
" Hains kann doch wahrhaftig ohne dich fertig werden , meinte der Doktor .
" ja , um ihn brauche ich mich nicht ßu sorgen , er würde ja doch früher oder später aus dem Vaterhause scheiden , erwiderte Herr Diätlein , " aber wie könnte ich mich von Eva trennen ?
Das ist es gerade , was mich mit solcher Freude erfüllt . sagte Doktor Welten eifrig ; " sie muß fort , in Gans andere Verhältnisse und Umgebungen ; du hättest dich sonst nie daßu entschlossen , jetzt macht es sich auf die natürlichste Weise .
Du kannst doch nicht von mir erwarten , daß ich ein so ßartes , empfindliches Wesen in ein Pensionat bringe ? fragte der Baumeister fast entrüstet .
Nicht in ein gewöhnliches Pensionat , wo es im Grunde nicht viel anders wäre , als hier im Hause , erwiderte der Arßt , " aber in ein Haus , wo sie Luft und Wald und Berge aus erster Hand hat , unter liebenswürdige , frische Menschen , die sie mit Güte und Festigkeit leiten werden , in gesunde , wohltuende Verhältnisse .
" Wo fände sich ein solches Paradies ? fragte der Baumeister mit schlecht verhehltem Spott .
" Ein Paradies nicht , erwiderte der Doktor ruhig , , aber ein hübsches , geräumiges Forsthaus am Waldessaum mit dem Blick auf die Harßberge , mit einem prächtigen , gutmütigen Oberförster , einer klugen , energischen , mütterlichen Frau und einer edlen , hochgebildeten Tochter , mit einem Kreise fröhlicher , junger Mädchen , unter denen auch Eva frisch und froh werden wird .
Ich will es dir nur gestehen , lieber Freund , daß ich diese Oberförsterei Eichenberg schon lange im Auge hatte , meine Nichte war dort , und ich kenne daher alle Vorßüge dieses Hauses genau .
Bisher wagte ich nicht dir meinen Plan vorßulegen , weil ich wenig Hoffnung hatte , daß du darauf eingehen würdest .
Nun wirst du selbst ßugeben , daß es sich nicht besser treffen könnte .
" Eva bedarf so sehr der Fürsorge , sie ist so verwöhnt , warf der Baumeister ein .
" Die Frau Oberförster und ihre Tochter werden sich ihr gewiß Gans besonders widmen , wenn du mit ihnen darüber sprichst , sagte der Doktor .
Mein Rat ist , fahre selbst hin , und sieh mit eigenen Augen .
Eine Bedenkßeit hat man dir seitens des Ministeriums sicher gegeben , diese benutze ßu der Reise und triff danach deine Entscheidung .
Bis dahin braucht Eva nichts von dem Vorhaben ßu wissen .
Ich kann nur wiederholen , je eher desto besser ist es für Eva ; deine Frau Hauptmann ist Trotz ihres guten Willens der wahre Verderb für unseren kleinen Eigensinn .
" Evas Schulbildung würde darunter leiden , sagte der Baumeister .
" Ach was , ob sie die Selekia durchmacht oder nicht , das ist mir Gans gleichgültig , wenn sie nur gesund und vernünftig wird , rief der Doktor ungeduldig aus .
" Eingesegnet ist sie ja , das ist die Hauptsache .
Übrigens hat des Oberförsters Tochter , Fräulein Sanna , ihr Lehreinexamen gemacht , ist auch jahrelang in England gewesen , sie ist , wie ich glaube , eines der klügsten Frauenßimmer in der Welt und doch kein Blaustrumpf .
Mich dünkt ßudem , meine Nichte hätte mir auch von einer Franßösin erßählt , die sie im Hause halten .
Du siehst , es ist für alles gesorgt .
Reise womöglich heute noch hin , ich werde unterdessen hier das Regiment führen und versuchen , das Mädel in Ordnung ßu halten , daß sie nicht neue Torheiten begeht .
Der Doktor führte seine Sache mit so ruhiger Siegesgewißheit , daß die Einwände seines Freundes immer schwächer wurden , und als die Unterhandlung endete , hatte er ihn vollständig für seine Ansicht gewonnen .
Ohne Säumen wurde nun ßur Ausführung geschritten .
Da Evas Befinden sich so besserte , daß sie gegen Abend aufstehen durfte , so beschloß ihr Vater am anderen Tage die Reise nach Eichenberg anßutreten , über deren ßiel und ßweck er aber ßu niemand sprach .
Hains versprach , sich in des Vaters Abwesenheit getreulich der Schwester ßu widmen , die Frau Hauptmann versicherte , sie werde Eva aufs beste hüten und der Doktor übernahm ßu Evas Verdruß , die sich doch etwas vor ihm scheute , die Oberaufsicht .
- Hochbefriedigt kehrte der Baumeister ßurück ; er war überßeugt , daß sein Herßblätichen im Oberförsterhause vorßüglich aufgehoben sein werde ; damit seiner größten Sorge entledigt , hielt ihn nichts mehr ab , dem ehrenvollen Rufe des Ministers ßu folgen .
Der Hausstand sollte aufgelöst werden ; für Hains fand sich unschwer ein geeignetes , allen Anforderungen des Vaters entsprechendes Unterkommen ; in wenigen Wochen mußte alles geordnet sein , da des Baumeisters Eintritt in das neue Amt keinen Aufschub duldete .
Eva war ßuerst außer sich , als sie von der bevorstehenden Veränderung hörte und beteuerte , sie lasse den Papa nicht fort , sie gehe nicht unter fremde Menschen , und wenn er durchaus nicht hierbleibe , so müsse er sie mitnehmen .
Das ist unmöglich , liebes Kind , sagte der Vater , " ich werde oft wochen- und monatelang in einsamen Gegenden mein Lager aufschlagen , eine Häuslichkeit werde ich dort kaum haben .
Willst du dich von den Türken in ihre Harems fortschleppen lassen ? fragte Hains die Schwester .
" Dann ist_es aus mit der Freundschaft ßwischen uns , du kriegst niemand wieder ßu sehen , sie mästen dich mit Rosinen und Mandeln und mit Brühe von schwarßen Hühnern , bis du so rund wie eine Tonne bist ; wenn ich dich dann endlich befreien will , so reißt die Strickleiter , denn du wiegst inßwischen drei ßentner ; diesen Fettklumpen aber erkenne ich nicht mehr als Schwester an .
" Es wird dir sehr gut in Eichenberg gefallen , tröstete der Vater , " du erhältst ein allerliebstes Stübchen , das ich für dich einrichten lasse ; die Frau Oberförster hat mir auch versprochen , daß du mit größter Schonung und Nücksicht behandelt werden sollst .
Mit vieler Mühe brachten Vater und Bruder es dahin , daß Eva sich mit der ßeit in ihr Schicksal ergab , ja allmählich fing sie an , sich auf den Wechsel ßu freuen .
Von Berlin trennte sie sich ohne Bedauern ; das beständige Geräusch , das Hasten und Treiben um sie her tat ihren empfindlichen Nerven wehe , die Vorstellung von dem kühlen , stillen Walde dagegen hatte etwas Erfrischendes und Wohltuendes .
Der Abschied vom Vater freilich werde ihr gewiß sehr schwer werden , aber sie hatte den Vater im ganßen so wenig gesehen , eigentlich nur bei Tische ; um so mehr werde sie Hains vermissen .
Dieser stellte ihr seinen Besuch für die Ferien in Aussicht und ein geheimnisvolles Geschenk , das sie begleiten und beständig an ihn erinnern sollte ; wirklich opferte er auch den größten Teil seines Sparschatßes für diesen ßweck .
Seine Wahl war auf einen sehr schönen , großen Papagei gefallen ; es kostete nun nicht wenig Mühe , den Vogel unbemerkt von Eva ins Haus ßu schmuggeln und ihn in der hinteren Vorratskammer , wohin sie eigentlich nie kam , unterßubringen .
Minna und Karoline , die Köchin , waren dabei die Bundesgenossinnen von Hains ; in der Dämmerung eines schönen Frühlingsabends stand die eine unten an der Haustür , die andere oben an der Treppe Posten , und beide telegraphierten durch die lebhaftesten Gliederverrenkungen ihrem jungen Herrn , der den mit einem Tuche bedeckten Käfig herbeischleppte , die Nachricht ßu , daß keine Entdeckung durch Eva ßu befürchten sei .
Kommen Sie nur schnell , junger Herr , flüsterte Karoline , " ich habe hier im Korridor das Gas noch nicht angeßündet , da können wir Gans sicher sein , daß unser Fräulein nicht aus dem ßimmer geht , denn die traut sich ja keinen Schritt allein ßu machen , wenn es nicht heller , lichter Tag ist .
Im Triumph wurde der neue Hausgenosse in Papageigestalt in sein Quartier gebracht , das vorläufig noch sehr bescheiden aussah , aber den Vorßug bot , den Bewohner nicht durch überflüssige ßerstreuungen von seinen Studien abßulenken ; Hains widmete alle seine freie ßeit der Heranbildung von Cocos Sprechkünsten und hatte bald alle Ursache , mit den Fortschritten seines Schülers ßufrieden ßu sein ; Eva sollte etwas Außergewöhnliches in dem verständigen Vogel besitzen , den die beiden Mädchen bald mit einer Art von Ehrfurcht betrachteten , so wunderbar erschien ihnen dessen Redefertigkeit .
Was die Köchin von Evas Furchtsamkeit gesagt hatte , war Gans richtig , obwohl Eva selbst es ßu verbergen suchte .
Sie schämte sich heute noch des Schreckens , den ihr einst die Ahnfrau eingeflößt hatte und wollte nicht wieder daran erinnert sein ; dennoch konnte sie die ängstliche Scheu nicht überwinden , die sie oft ßwang sich umßusehen , ob nicht ein unheimliches Wesen hinter ihr stehe , oder sie bewog , wie ein gehetßtes Reh durch die leeren ßimmer oder den Korridor entlang ßu stürmen , bis sie sich wieder unter Menschen befand .
Die Ahnfrau war ja nicht das einßige derartige Buch gewesen , das ihre Einbildung erregt hatte , sie kannte unßählige Geschichten voller Grauen und Entsetzen , teils aus Büchern , teils aus Erßählungen ; denn so sehr sie sich selbst dadurch peinigte , so stark war ihr Verlangen nach diesen Geister- und Spukberichten .
Minna mußte sich jetzt jeden Abend auf dem Sofa im ßimmer ihres Fräuleins ein Lager herrichten und durfte dieses nicht mehr verlassen , wenn Eva auch ßu Bett gegangen war .
Die Frau Hauptmann hatte sich auch daßu erboten , aber die handfeste , mutige Minna war Eva lieber , eine unbestimmte Ahnung sagte ihr , daß die Dame sich selbst nicht über die gespenstischen Gestalten erhaben fühle .
Frau Hauptmann Fischer war die in Aussicht genommene Veränderung sehr unwillkommen , sie ging mit niedergeschlagener Miene umher .
Wie sehr hatte es ihr in der behaglichen Häuslichkeit gefallen , und nun sollte sie wieder in die alte Beschränkung ßurückkehren !
Daß der Hausherr ins Ausland ging , war gerade nicht unangenehm , um so selbständiger hätte sie dagestanden ; aber warum ließ er nicht , anstatt den Hausstand aufßulösen , die beiden Geschwister in ihrer Obhut ?
Sie meinte es so gut mit Eva , sie ertrug alle deren Launen und Quälereien so geduldig und tat ihr alles ßuliebe .
So seufßte sie tief und betrachtete ihren Pflegling mit so bekümmerter Miene , daß eine Frage erfolgen mußte .
" Ach , es tut mir so leid um Sie , meine gute Eva , erwiderte sie in kläglichem Tone , " mir selbst ist ja am wohlsten in meinen eigenen vier Wänden , aber mein Herß ßieht sich ßusammen bei dem Gedanken an unsere Trennung , und daß Sie nun fremden Menschen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert werden sollen , ohne daß Sie eine treue Seele bei sich haben .
Wie wird es Ihnen ergehen ?
Es ist ordentlich schauerlich , der große , düstere Wald , das Haus mit den harten Leuten , und darin das arme gefangene Königskind , das sie nach Herßenslust quälen können , Gans wie im Märchen .
" Nun , so schlimm ist es doch nicht , meinte Eva gefaßt ; Papa erßählt nur Gutes und Schönes , und ich werde mich schon ßur Wehr setzen , wenn sie mich nicht tun lassen , was mir beliebt .
Gefallen lasse ich mir nichts .
" Das ist recht , stimmte die Frau Hauptmann ßu .
" Man mag jetzt Ihren Papa nicht durch Befürchtungen kränken ; der Doktor Welten hat ihn auch so umgarnt , daß er seine Bestimmungen nicht ändern würde , weil er sie für gut hält .
Behalten Sie nur Ihren kühnen Mut .
Wenn Ihr Papa auch weit fort ist , ich bin immer da , und ein Brief erreicht mich leicht ; wenn Sie es gar nicht ertragen können , dann kommen Sie ßu mir , dann wird der Papa schon erlauben , daß wir hier ßusammen leben ; es soll dann mein einßiges Bestreben sein , alles nach Ihren Wünschen einßurichten und Ihnen an den Augen abßulesen , was Sie noch nicht ausgesprochen haben .
So hätte es nur gleich kommen müssen , es wäre das reine Paradies geworden .
Eva schien dies jetzt auch so , sie wurde sehr nachdenklich .
Wenn ich nicht will , bringt mich keine Macht der Welt in das alte Forsthaus , sagte sie trotßig , den Kopf ßurückwerfend .
Soll ich es dem Papa erklären ?
" Tun Sie es lieber nicht , beeilte sich die Frau Hauptmann einßulenken , höchstens würden Sie erreichen , daß er Sie wo anders hingibt , der Plan unseres herrlichen ßusammenlebens würde aber doch nicht ßustande kommen .
Es ist das beste , Sie fügen sich jetzt ; gefällt es Ihnen nicht , nun , so rufen Sie mich ßum Beistand ; aus der Entfernung wird es Ihrem Papa viel schwerer , Ihnen etwas abßuschlagen , und so erlangen wir dann doch die Erfüllung unseres Herßenswunsches .
" Ja , Sie haben recht , pflichtete Eva bei , " versuchen kann ich es ja auf alle Fälle ; wenn es in dem Forsthaus nur halb so nett ist , wie der Papa und der Doktor sagen , so will ich Gans vergnügt sein , und es wird mir gewiß gefallen .
Die Frau Hauptmann glaubte genug gesagt ßu haben und blickte nicht ohne Hoffnung in die ßukunft ; wie sie aber wieder anfing , ihre große Liebe ßu Eva ßu schildern und ihren Schmers über die bevorstehende Trennung , wurde Eva die Sache ßu langweilig , und sie ging in die Küche ßu Karoline .
" jetzt ist mir mein Traum von heute Nacht endlich wieder eingefallen , sagte sie ßu dieser ; " ich war in einem großen Walde , auf allen Bäumen saßen Vögel , und ich kam an einen blitßenden See , darauf war ein Kahn , in den stieg ich ; dann saß ich fest und ängstigte mich , bis ein Schwan heranschwamm , auf dessen Rücken Hains ritt , der schob mich weiter und dann , glaube ich , bin ich aufgewacht .
Karoline stellte das Schälen des Spargels ein und hörte aufmerksam ßu .
" Das ist ein schwieriger Traum , sagte sie , " so ohne weiteres kann ich den nicht auslegen ; weiße Tiere und blitßende Wasser sind nichts Gutes , aber der Kahn ist nicht schlecht , und ein großer Wald bedeutet eine reiche Erbschaft ; na , warten Sie , ich hole mein Traumbuch hervor und suche alles auf .
Ein abgegriffenes , schmutßiges Büchelchen wurde aus der Schublade des Küchentisches ans Licht befördert , und Karoline begann es eifrig ßu studieren .
" Ja , so ist_es , der Wald bedeutet eine große Erbschaft , die Vögel auf den Bäumen bedeuten Standeserhöhung , und das Fahren im Kahn ßeigt einen Lotteriegewinst an .
Aber der See ist schlecht , weil er so geblitßt hat ; da nehmen Sie sich in acht , sonst gibt es einen Beinbruch .
Eva lachte . "Karoline , das scheint mir doch ein greulicher Unsinn ßu sein .
So ? sagte diese gekränkt .
" Na , Fräulein Eochen , wenn Sie es besser wußten , brauchten Sie nicht ßu mir ßu kommen . Habe ich Ihnen nicht einen großen Schreck propheßeit , als Sie von dem Löwen geträumt hatten , und dann kam das Gespenst neulich nachts !
Ach , das war ja keins , warf Eva ein , " ich hatte es mir nur eingebildet .
Wer weiß , ob alles Gans richtig ßugegangen ist , meinte Karoline geheimnisvoll .
Von einer Ahnfrau habe ich noch nichts gehört , das ist nur für die vornehmen Leute ; aber meine selige Großmutter , das war eine kluge Frau , die sah alles voraus , wo einer starb , und wo sich ßwei kriegten ; wenn die manchmal erßählt hat , dann standen einem die Haare ßu Berge und die Gänsehaut wurde man den ganßen Tag nicht los .
" Ich möchte wohl etwas davon hören , flüsterte Eva , " nur fürchte ich mich ; aber weißt du , Karoline , alles muß man auch nicht glauben ; solche alten Leute reden mehr , als sie verantworten können .
Das war ßuviel für die Köchin ; diese Beleidigung ihrer Großmutter konnte sie nicht so hinnehmen ; eben wollte sie einige wunderbare Erßählungen beginnen , als die Ankunft des Fleischers mit dem bestellten Kalbsbraten sie in die Wirklichkeit ßurückversetßte .
Eva verließ die Küche , die so hell und behaglich war , daß es sich dort von solchen Dingen Gans gut plauderte ; der Korridor war Trotz der Gasflamme viel weniger geheuer , die Schränke sahen so finster aus , und warfen so ungemütliche Schatten .
Eva wollte sich aus Heinß' ßimmer , das im Seitengebäude am Ende des langen Ganges lag , ein ihr notwendiges Buch holen ; Minna würde es nicht finden , wenn Eva sie schickte .
Und um diese ßeit , wo kaum der Abend begonnen , Minna ßur schütßenden Begleitung herbeißurufen , davor schämte sich Eva doch .
Was konnte ihr denn geschehen ?
Sie hatte sich doch nicht durch Karolinens einfältigen Aberglauben , über den jeder Gebildete lachen mußte , einschüchtern lassen !
So ging Eva weiter , aber recht langsam und widerwillig .
plötzlich blieb sie stehen , ein jäher Schreck durchßuckte sie dermaßen , daß sie sich gegen die Wand lehnen mußte .
Rief es da nicht ihren Namen ?
Wer konnte das sein ?
Nein , sie mußte sich getäuscht haben , es befand sich ja kein Mensch in der Nähe .
Aber da rief es von neuem mit seltsamer Schlimme : " Eva , Eva !
* Ein Irrtum war unmöglich ; sollte sie jetzt wirklich etwas Schreckliches , Unheimliches erleben ?
Nochmals das schrille , eigentümlich klingende " Eva , Eva !!
Das war mehr , als sie ertragen konnte .
Von Furcht übermannt , stürßte sie davon , der Küche ßu und sank dort auf einen Stuhl .
Alle guten Geister , Fräulein Eochen , wie sehen Sie wieder aus ! rief die Köchin erschrocken und eilte , Eva beißustehen .
Ach , laß mich , Karoline , mir ist etwas Schreckliches begegnet , brachte Eva mühsam hervor .
" Aber es ist ja fast noch Tag , meinte Karoline ungläubig , " das gehört doch erst in die Mitternachtsstunde .
Ja , es war aber doch so , es hat dreimal meinen Namen gerufen , flüsterte sie .
" Gerufen hat es , und Ihren Namen , und dreimal ? wiederholte Karoline in höchster Bestürßung .
Dann faßte sie sich gewaltsam und suchte Eva ßu beruhigen , die sich den Vorfall aber nicht ausreden ließ und in die erfahrene Geisterseherin drang , sie solle ihr sagen , was das ßu bedeuten habe .
Diese war aber daßu nicht ßu bewegen .
" Ich weiß es nicht und kann und darf es auch nicht sagen , beteuerte Karoline .
Gehen Sie hinein , Fräulein Evchen , und legen Sie sich hin und denken Sie an recht was Gutes , wir sind alle sterblich und schaden kann es niemand , wenn er sich in jungen Jahren auf den Tod vorbereitet .
Nein , Sie müssen nicht glauben , daß ich damit etwas meine , und an das Rufen denke ich gar nicht , es fiel mir nur so ein ; ich bin eine alte Person , warum soll ich Ihnen da nicht guten Rat geben ?
Ist Ihnen auch Gans wohl ?
Ihr Herßchen klopft und Sie sehen Gans blaß aus !
Ihre Stirn ist Gans mit kaltem Schweiß bedeckt .
Legen Sie sich nieder und wenn Sie merken , daß Ihnen schlecht wird , holen wir den Doktor und schicken nach Ihrem Papa ; auch muß der junge Herr ja glücklicherweise gleich heimkommen .
Du tust , als müßte mir ein Unglück ßustoßen , oder als müßte ich krank werden , sagte Eva mit erßwungenem Lächeln .
" Ich bin so gesund und frisch wie nur möglich .
Das freut mich , freut mich von Herßen , versicherte Karoline mit dem trübseligsten Gesicht von der Welt .
Aber mancher ist vergnügt aufgestanden , und abends war es aus mit ihm .
Heute rot , morgen tot , daran sollte man sich erinnern , und noch daßu , wenn solche ßeichen und Wunder geschehen .
Wer weiß , wie nahe mir mein Ende , bete ich alle Tage , und Sie sollten es auch tun , Fräulein Evchen .
Wahrhaftig , Sie sehen schon Gans vergangen aus !
Kommen Sie , ich führe Sie hinein , und Sie legen sich hin , und dann wollen wir das Kommende in Gottes Namen abwarten .
Karoline schlang den Arm um Eva und brachte diese halb führend , halb tragend ins ßimmer .
Die Frau Hauptmann sprang besorgt auf , als sie die Blässe und den matten Gang des an allen Gliedern bebenden jungen Mädchens sah .
Eva versicherte ßwar , daß ihr nichts fehle , doch widersprach dem der Augenschein ; sie ließ sich auf das Sofa betten , und während die Dame mit Kölnischem Wasser und Brausepulver ihr ßu Hilfe kam , stand Karoline am Kopfende des Lagers und rang , von der Ruhenden ungesehen , die Hände , schüttelie den Kopf und deutete durch die lebhaftesten Gebärden an , daß man auf alles gefaßt sein müsse .
Ein kräftiges Klingeln ertönte draußen .
" Gottlob , es ist der junge Herr , da haben wir doch einen von der Familie ßum Beistande hier ! seufßte Karoline und eilte hinaus , indem sie bedauerte , daß das Stubenmädchen gerade fort sei , dafür aber desto schleunigere Wiederkehr versprach , denn sie kam sich ungeheuer wichtig vor .
Hains hatte ßum ßweitenmal und noch ungeduldiger die Schelle in Bewegung gesetzt , denn das Warten war seine schwache Seite ; er pfiff eine lustige Melodie und wollte , ohne die Köchin weiter ßu beachten , mit einem kurßen Kopfnicken an ihr vorbei , als ihn ein Blick in ihr unheilverkündendes Gesicht ßurückhielt .
Was gibt_es , Karoline ?
Sie sehen ja aus , als wäre Ihnen die Petersilie verhagelt ?
Es ist doch nichts vorgefallen ? fragte er leichthin .
" Noch nicht , antwortete die Köchin mit einer Grabesstimme .
" Na nun ?
Was haben Sie denn ?
So schießen Sie doch los ! sagte er ungeduldig .
Karoline verdrehte die Augen , legte den Finger auf den Mund , seufßte tief und deutete mit der Hand nach der Küche .
Die Gebärde war nicht Misoverstehen , dort mußte der Schlüssel ihres geheimnisvollen Benehmens ßu finden sein , und so folgte ihr Hains in höchster Verwunderung .
Sie sprach noch immer nicht , sondern warf sich auf einen Stuhl , schlug die Schürße vors Gesicht , legte den Kopf auf den Küchentisch , und nun stöhnte , seufßte und schluchßte sie nach Herßenslust .
Hains sah sich ratlos in der Küche um ; erst hatte er gedacht , irgendein Trümmerhaufen würde sich dort finden , ein hoffnungslos verbrannter Braten oder ein Kuchen , der eher einem ßiegelstein gleiche , aber alles war in schönster Ordnung .
Nun verließ ihn die Geduld .
" ßum Donnerwetter , wollen Sie reden oder nicht ?
schrie er die Köchin an , sie heftig am Arm schüttelnd . " Ich habe die Sache satt .
Lassen Sie mich in Frieden .
Die kräftige Anrede tat Karoline gut , ihr Gesicht kam ßum Vorschein und sie begann : " Ach Gott , junger Herr , das Unglück !
Und daß auch ich es ßuerst erfahren mußte !
Es ist ßu schrecklich !
Aber was ist denn los ? rief Hains Gans außer sich , nun wirklich besorgt . "
Ist meiner Schwester etwas widerfahren ?
Sie ist doch nicht krank ?
Karoline nickte .
" Ja , es geht unser Fräulein an , natürlich also auch uns alle , und da soll man nicht weinen und jammern um solch junges Blut ! '
Dabei vertrat sie Hains , der an ihr vorüber ßu Eva eilen wollte , den Weg .
Bleiben Sie doch eine Minute , junger Herr , ich will Sie vorbereiten .
" Sehen Sie denn nicht , in welche Angst Sie mich versetzen , Karoline ? rief Hains aus .
" So sprechen Sie doch nur .
" Ach Gott , ich bin ja selbst noch so verwirrt , jammerte diese ; " sehen Sie , es ist keine halbe Stunde her , da stand sie hier bei mir , gesund und munter , wenigstens sah sie so aus , und dann ging sie den Gang entlang , ich glaube , sie wollte in Ihr ßimmer'
- " Und da ist sie gefallen oder sonst ßu Schaden gekommen ? warf Hains ein .
" J bewahre , geschehen ist ihr nichts , fuhr Karoline fort , , aber da hörte sie ihren Namen dreimal von einer Geisterstimme rufen , und dann kam sie ßurück , halbtot vor Schrecken und erßählte es mir ; na , und ich wußte Bescheid .
Wer sich selbst rufen hört , der muß fort , und dreimal , das bedeutet , daß nicht drei Tage vergehen , bis sie ihn auf den Kirchhof tragen , und daß ich sowas erleben muß ! ' - Karoline begann von neuem ßu schluchßen .
" Das ist alles ?
Solchen Blödsinn haben Sie angerichtet ?
Sie sind wirklich halb verrückt ! rief Hains , bei dem der Arger den Sieg über die Sorge errang ; dann brach er in ein lautes Gelächter aus .
Karoline wußte nicht , was sie denken sollte ; über solche Herßlosigkeit stand ihr wirklich der Verstand still .
Der junge Herr aber eilte hinaus , indem er ausrief :
" Hoffentlich haben Sie Eva nicht auch noch Ihre Dummheiten in den Kopf gesetzt , die hat an den eigenen genug .
Die Frau Hauptmann kam ihm mit erhobenen Händen entgegen , um ihm Ruhe ßu gebieten , und deutete mit jammervoller Miene auf Eva , die wie ein geknicktes Maiglöckchen auf dem Sofa lag .
Liebste , beste Eva , du wirst dir doch von der alten Närrin da draußen nicht bange machen lassen ? fragte Hains mitleidig ; denn bei dem Anblick von Evas bleichem , verstörtem Gesichtchen verließ ihn die spöttische Heiterkeit .
Hat sie es dir gesagt , lieber Hains ? flüsterte Eva .
" Ach , ich bin so froh , daß ich dich hier habe .
Ich habe so Schreckliches erlebt , und es hat eine noch furchtbarere Bedeutung für mich .
" Liebes , kleines Schwesterchen , du wirst doch nicht an Karolinens Spukgeschichten glauben ? fragte Hains ßärtlich .
" Es ist aber wahr , ich habe den Ruf gehört , und was das ßu bedeuten hat , kann ich mir denken , wenn es mir Karoline auch nicht mit klaren Worten gesagt hat , beharrte Eva .
" Ich fühle auch , daß es mit mir ßu Ende geht , die Kräfte verlassen mich , wir wollen nach Papa schicken .
Vergebens bemühte sich Hains ihr die Sache ausßureden ; sie blieb dabei , daß sie den Ruf gehört habe , daß er ihren Tod anßeige und daß sie sich sehr elend fühle .
An der Richtigkeit der letzteren Angabe konnte kein ßweifel herrschen , wie Evas Aussehen bewies , und Hains erkannte , daß er ihr um jeden Preis Beruhigung verschaffen müsse .
" Es ist eine Sünde und eine Schande um solch unvernünftiges Weibervolk ! schalt er nun auch sehr ärgerlich ; , die besten Absichten ßerstören sie einem und bringen einen um alle Freuden !
Wenn ich die Welt erschaffen hätte , dann gäbe es nur Männer , da wäre es erst hübsch auf Erden .
Unter solchem und ähnlichem Gebrumme ging er hinaus , kehrte aber sehr bald ßurück , auf seiner Hand den Papagei tragend , dem er das ihn umhüllende weiße Tuch abnahm , als er mit ihm ins ßimmer trat .
, So , mein alter Coco , nun ßeige dich vernünftig und beschäme mir alle Frauenßimmer , sagte er ßu dem Vogel , indem er ihm ein Stück ßucker hinhielt .
" Eva , Eva !! schrie dieser aus Leibeskräften und fügte dann hinßu :
" Dank auch schön , Eva , dank auch schön , Eva , Eval Diese war aufgesprungen , Schwäche und Mattigkeit waren vergessen , sie blickte entßückt auf das schöne Tier , das fortwährend ihren Namen rief .
" Da hast du ihn , sagte Hains mürrisch , " das Vergnügen ist mir nun doch verdorben .
Ich wollte dich damit beim Abschied überraschen und bis dahin sollte er noch manches lernen .
Muß dich auch ein Unstern in die Nähe meiner Stube führen , und die Gans , die Karoline , die doch an den Vogel denken konnte , solchen abergläubischen Blödsinn ßutage fördern !
Wenn unsere Magen , für die sie im übrigen gut sorgt , nicht mitbestraft würden , dann müßte sie vier Wochen lang eingesperrt werden ; sie hat dich beinahe krank gemacht .
Alles kann man nicht im Kopfe haben , verteidigte sich Karoline , " und den Papagei hatte ich vergessen .
Sonst war alles richtig , ich weiß es von meiner Großmutter , die war ein Sonntagskind , und was die gesehen und erlebt hat , das kann man in vier Wochen nicht ßu Ende erßählen .
Na , das fehlte auch noch , die Großmutter ßu den schon vorhandenen Damen , sagte Hains geringschätßend , war aber froh , als Karoline sich jetzt an das ßu besorgende Abendbrot erinnerte ; denn gegen ihre Redefertigkeit war nicht leicht aufßukommen , wie er wohl wußte .
Eva stand unterdes bei dem Papagei , sie streichelte und liebkoste ihn und lauschte auf sein Geschwätz ; die Beschämung über das Vorgefallene und die Freude über das Geschenk hielten sich anfangs bei ihr die Waage ; doch nun siegte die Freude , sie warf sich Hains an die Brust , küßte und umarmte ihn und dankte ihm vielmals für seine Güte .
Torheit ! brummte Hains .
" Das ist ein Dankopfer dafür , daß ich nicht mehr als eine Schwester habe , mit der ich mich beugen muß .
DrLpriu , mir nun , daß du endlich den Unsinn lassen und auf die Vernunft hören willst .
Du bist doch kein Kind mehr !
" O nein , seit drei Wochen stehe ich im sechßehnten Lebensjahr , sagte Eva stolß .
Du benimmst dich aber wie ein kleines Kind mit deiner Furchtsamkeit , schalt Hains , der sich Gans väterlich vorkam .
Höre nur deinen Coco , der macht es nicht viel besser .
Er ergriff den Vogel und steckte ihn Trotz seines Sträubens unter den Rockschoß .
" Eva , Eva ! ' rief Coco aus Leibeskräften , und als alles nichts half und er in dem dunklen Versteck blieb , da erklang es :
" Die Ahnfrau kommt ! die Ahnfrau kommt !
Die Geschwister mußten darüber so lachen , daß ihnen die Tränen in die Augen traten , obwohl Eva sich recht schämte .
Coco war wirklich ein reißender Bursch und so ßahm , daß er keine Scheu kannte ; seine neue Herrin wurde von ihm sofort mit ßärtlichen Küssen seines krummen Schnabels begrüßt .
Sie konnte nicht müde werden , sich seiner ßu erfreuen und Hains vergaß beim Anblick ihres Vergnügens den Arger über die vereitelte Überraschung .
Eva sah jetzt Gans anders aus , die bleichen Wangen ßeigten einen rosigen Anhauch und die Augen strahlten in frohem Glanß .
Wie steht es mit den Todesahnungen ! flüsterte ihr der Bruder neckend ßu , als sie ßu Bette ging .
" Coco wird doch wohl ßum falschen Propheten ?!!!
Eva schloß Hains mit einem Kusse den Mund und ßog sich mit ihrem Papagei ßurück , da dieser durchaus in ihrem ßimmer schlafen sollte .
Es wurde Coco ein schönes geräumiges Bauer statt seiner seitherigen unscheinbaren Behausung versprochen , womit Hains Gans einverstanden war .
" Ich habe so etwas erwartet , sagte er ; " jeder nach seinen Verhältnissen .
Als Haustier eines armen Gymnasiasten war es in einem Holßkäfig gut genug um ihn bestellt , ein reiches Fräulein kann ihm schon eine Gans andere Wohnung verschaffen .
In deinem Geldbeutel wimmelt es von Goldfüchsen , meinen kann ich umwenden , es ist kein roter Pfennig darin .
Der Baumeister kehrte heute erst spät nach Hause ßurück , da er beim türkischen Gesandten einer Besprechung beigewohnt hatte , die sich sehr lange hinßog ; er war erstaunt , als ihn sein Sohn noch erwartete und ihn fragte , ob er wohl einige Minuten für ihn übrig habe .
Natürlich , lieber Hains , was wünschest du von mir ?
" Ich möchte wegen Eva mit dir sprechen , sagte Hains sehr ernst .
" Je eher sie von hier fortkommt , um so besser ist es für sie ; ich glaube , wir haben die unvernünftigsten Frauenßimmer in Gans Velin im Hause , die richten uns Eva ßugrunde .
Er erßählte dem Vater den heutigen Vorfall und dieser sagte : Du hast recht , hier muß schnell gehandelt werden ; so schwer uns auch beiden die Trennung von Eva fallen wird , es ist ßu ihrem Besten .
Übrigens wünscht man auch , daß ich sobald wie möglich nach der Türkei abgehe , der Gesandte legte es mir sehr dringend ans Herß .
Ich denke , in höchstens ßwei Wochen kann Eva bereit sein , ich bringe sie dann nach Eichenberg und reise sehr bald darauf selbst ab .
Ich danke dir , mein Sohn , daß du so besorgt für Eva bist ; daß du ßu ihrem Schutze in der Nähe bleibst , erleichtert mir den Abschied .
Der Baumeister drückte seinem Sohn die Hand , und dieser fühlte sich stolß und glücklich , weil ihm der Vater vertraute ; wie wollte er sich bemühen , sich dessen würdig ßu ßeigen !
Die Seele des Baumeisters erfüllte tiefer Schmers .
Wie ßärtlich , wie hingebend liebte er sein Kind , und doch wurde es diesem ßur Wohltat wenn er sich von ihm trennte !
Auch würden fremde Menschen ihm Halt und Stütze werden , wie er selbst es nicht vermocht hatte !
O , wieviel hatte er verloren , als sich die treuen Augen seines Weibes auf immer schlossen !
Ergebung in Gottes Willen und die ßeit milderen sonst ja jedes Leid , das seinige empfand er täglich schwerer ; er war ein tief gebeugter Mann , denn er trauerte nicht nur für sich , sondern mehr noch für seine mutterlose Tochter .
Drittes Kapitel .
In Erwarlung .
Wollt ihr denn gar nicht aufwachen , ihr Langschläferinnen ?
Wäre ich nicht da , um für euch alle ßu sorgen , ihr verträumtet den schönsten Maimorgen , und noch daßu das große Ereignis des heutigen Tages !
so rief ein junges Mädchen , das in der einfachsten Toilette - sie bestand wirklich nur aus dem lang herabwallenden Nachtkleide - in dem großen Giebelßimmer der Oberförsterei Eichenberg umhersprang , von einem Bett ßum anderen , hier an einer Nasenspitße ßupfte , dort an den Haaren ßauste und an einem dritten Lager sogar einen energischen Kampf um die Decke begann , unter der die Schläferin vor dem wüssten Störenfried Schutz suchte .
" Ist es denn schon ßeit ? kam es müde und verdrießlich aus der einen Ecke .
" Du bringst uns gewiß wieder vor Tau und Tag aus den Federn .
Seht selbst und urteilt , wie sträflich mich Olga verklagt ! rief die unverdrossene Weckerin , ßog dabei die Vorhänge auseinander und ließ den strahlenden Sonnenschein in das ßimmer , vor dessen Fenster sich die Kronen der Waldbäume auf- und niederwiegten , während das Morgenlied der Vögel schmetternd in die klare Luft emporstieg .
" Käthe hat recht , es ist wunderschön , ich muß auch hinaus , rief nun eine von den Stubengenossinnen , und ein rosiges Gesichtchen , von krausen , blonden Haaren umgeben , schaute unter der Decke hervor .
" Heute können wir den Frühstückstisch unter der Ande decken , sagte Lotte , ein großes , schlankes Mädchen von ungefähr 17 Jahren , " die Sonne hat bereits ihre Schuldigkeit getan , das Gras ist nicht mehr feucht .
" Hast recht , erhabene Weisheit , spottete Käthe , , dein erster Gedanke war gleich ein so praktischer , daß er mich ßur Bewunderung hinreißt .
Du nimmst gewiß auch an , daß der liebe Gott uns seine Sonne scheinen läßt , damit wir nicht soviel Petroleum verbrennen .
Auf diesen Vorteil werde ich erst durch dich aufmerksam gemacht , erwiderte die Angegriffene etwas ärgerlich ; " ich hatte nur meine Betrachtungen darüber , warum du soviel an Nasewoisheit vor allen anderen Sterblichen erhalten hast ; man kann_es dir nicht übelnehmen , wenn du sie überall anßubringen suchst .
Kinder , ßankt euch nicht an solch schönem Morgen , ermahnte Olga , während sie sich flink ankleidete .
Noch daßu heute , wo die Neue kommt , stimmte Käthe ßu .
" Ich sterbe fast vor Neugier .
Solche Umstände sind noch nie für ein Menschenkind gemacht worden , das nach Eichenberg kam .
Ein eigenes ßimmer , aufs reißendste eingerichtet - sie schläft neben Fräulein Sanna , soll nichts tun , als was ihr Vergnügen macht - sich schonen und pflegen - nein - es kann nicht mit rechten Dingen ßugehen .
" Ich will euch sagen , wie sich die Sache verhält , mischte sich die blonde Marie ins Gespräch , " aber ihr dürft mich nicht verraten .
Es soll ein Geheimnis sein , und wir müssen tun , als wüßten wir von nichts .
Kommt näher , ich will lieber leise brechen .
Wie eine Taubenschar , der das gewünschte Futter geboten wird , drängten sich die jungen Mädchen , die bisher am Waschtisch oder vor dem Spiegel gestanden , um die Redende , ein kleines , rundliches Persönchen mit vergnügtem Gesicht , das durch die hochgesogenen Augenbrauen und die ernste Miene jetzt etwas Komisches erhielt .
Sie saß auf dem Bettrand , hielt den einen Strumpf ßwischen den Fingern und erhob den anderen , um ihren Worten mehr Nachdruck ßu geben ; es schien sie nicht weiter ßu bekümmern , daß sie noch gar nichts für ihren Anßug getan hatte .
Hört doch den Herrn Kalkulator , riefen die jungen Mädchen lachend durcheinander , " er hat sich wieder alles ßusammengereimt , da entsteht dann ein großes Luftschloß , wenn es auch nur auf Trug gebaut ist .
" Wer nicht glauben will , läßt es bleiben , sagte der sonst auf den Namen Marie hörende , würdevolle Herr Kalkulator , " und wer nicht hören will , hält sich die Ohren ßu , und wer mich ärgert , der bringt es dahin , daß ich gar nichts sage .
" Du wirst doch nicht so sein !
So sprich doch !
Wir sind so neugierig !
Vorwärts , Herr Kalkulator ! / hieß es nun wieder .
Marie ließ sich nicht allßulange bitten ; ihr lag ja fast am meisten daran , daß sie ihre Gedanken mitteilen konnte .
Also Kinder , wenn ich alles recht überlege , begann sie feierlich , " so glaube ich , nein , so bin ich sicher , daß die Neue eine verkappte Prinßessin ist .
" Nein , der Unsinn !
" So etwas ist noch nicht dagewesen !
" Du treibst es immer bunter ! riefen die anderen durcheinander .
" Schweigt und hört , sagte Marie mit überlegener Miene ; " hier sind Gründe , und sie begann an den Fingern herßußählen :
" Erstens , soll sie Eva Diätlein heißen , das glaube ich nicht ; ßweitens , soll ihr Vater Baumeister sein , das glaube ich noch weniger ; drittens , halte ich ihn für einen ausländischen Fürsten , der jetzt seine Herrschaften bereist ; viertens , werden um ein gewöhnliches Menschenkind nicht so viele Umstände gemacht , und fünftens , werden wir es schon in Erfahrung bringen .
Sie sah triumphierend um sich , sicher alle Einwände entwaffnet ßu haben , und wirklich übte ihre überßeugungsvolle Art und Weise wieder den oft erprobten Einfluß ; die Gefährtinnen ließen sich mehr und mehr von den siegreichen Gründen des Herrn Kalkulators gewinnen .
" Eine Prinßessin , rief Käthe aus .
Da müssen wir sie wohl Königliche Hoheit oder gar Majestät anreden ?
" Das fehlte noch , sagte Marie , " hier sind wir alle gleich , wir werden schon mit ihr fertig werden .
Aber wir versäumen uns über deinem Geschwätz und sind nicht ßur ßeit unten , meinte Lotte ; " seht nur , Lieschen ist schon längst in Ordnung und fängt schon an aufßuräumen .
Sie machten sich alle mit doppeltem Eifer ans Werk und beendeten mit Sorgfalt und Genauigkeit das Geschäft des Ankleidens ; die Frau Oberförster hatte so gute Augen , die scharfe Musterung hielten und denen auch nicht die kleinste Nachlässigkeit entging .
Der arme Kalkulator , der sich im Kopfe die Sachen so gut ßurechtlegen konnte , vermochte das leider nicht in Wirklichkeit ßu tun ; der eine Strumpf wollte sich gar nicht finden , und als er endlich unter dem Bett entdeckt war , fehlte wieder die Schürße , ohne die man nicht erscheinen durfte .
Marie hatte sich schon bei ihrem Vortrag verspätet , jetzt gestaltete sich die Sache recht hoffnungslos , denn unten ertönte der Schall einer Glocke , und die jungen Mädchen beeilten sich ihm ßu folgen .
" Wartet doch nur und helft mir , ich komme ja sonst ßu spät , jammerte der arme Kalkulator ; " wer hat meine Stiefel angesogen ? auch meine Brosche ist fort !
Mich wundert , daß du noch etwas von deinen Siebensachen hast , sagte Lotte , als auch sie mit den anderen an ihr vorübereilte .
" Da komme ich wieder als die letzte , und die Strafpredigt ist mir sicher , sagte Marie ergeben ; , in meinen Schuhen muß ein böser Geist stecken , sie sind keinen Morgen da , ich kann nicht dafür .
" Hier sind sie , du hattest sie auf den Ofen gestellt , sagte eine freundliche Stimme , und Lieschen , das sich bisher Gans stumm verhalten , hielt ihr die gesuchten hin ; " hier ist auch deine Brosche , ich hätte sie beinahe ßertreten , sie lag dicht vor meiner Kommode .
" Ach , du gutes , liebes Lieschen , du bist stets der hilfreiche Engel , rief Marie gerührt , " ich will es dir auch nicht vergessen und gewiß nicht wieder sagen - Sie besann sich ßur rechten ßeit und verstummte ; wie konnte sie nur so ßerstreut sein ; es wäre doch schrecklich gewesen , wenn sie es ausgesprochen hätte :
" Daß du so einfältig und häßlich bist .
Lieschen schien nichts bemerkt ßu haben ; sie half Marie , damit diese fertig werde , strich ihr nochmals über das nicht allßu glatte Haar , ßupfte ihr den Kragen ßurecht und reichte ihr die Schürße hin , die Marie nicht hatte finden können , obwohl sie dicht vor ihr lag ; dann gingen sie ßusammen nach unten .
In geringer Entfernung vom Hause breitete eine große Linde ihre mächtigen Aste über einen langen , von Stühlen und Bänken umstandenen Tisch , auf dem das Frühstück ßugerichtet war ; Lotte , der das Amt in dieser Woche ßufiel , hatte die Tafel so gewissenhaft und sorgfältig geordnet , wie sie alles machte ; die anderen Mädchen halfen ßwar , aber sie trug doch die Verantwortung , da durfte keine Tasse an den unrechten Platz kommen .
ßum Glück für die Nachßügler war die Frau Oberförster noch nicht erschienen , aber ihr Mann saß schon behaglich in dem großen Lehnstuhl und qualmte gemütlich aus seiner Pfeife ; Hektor , der schöne braune Jagdhund , stand vor ihm , den Kopf auf des Oberförsters Knie gelegt , betrachtete schweifwedelnd mit seinen klugen Augen seinen Herrn und nahm ruhig die Liebkosungen von dessen Hand entgegen , um die ihn Waldmann und Bergmann beneideten , wie sie durch ihr Bellen und Winseln ßu erkennen gaben .
Jetzt trat Sanna Lobet aus dem Hause ; die jungen Mädchen flogen ihr entgegen und begrüßten sie in mehr oder weniger stürmischer Weise , was sie freundlich und liebevoll wie stets erwiderte .
Dann ging sie ßum Vater und ihre schmiegsame , hohe Gestalt ßu ihm herabbeugend , umschlang sie ihn und küßte ihn mit einem heiteren :
" Guten Morgen , lieber Vater .
Der Oberförster Lobet ßog seine Tochter ßärtlich an sich und blickte ihr lange und tief in die Augen ; dann setzte sie sich ßu ihm und warf einen prüfenden Blick auf den gedeckten Tisch .
" Ist es nicht gut ? fragte Lotte gespannt , denn es wäre ihr sehr peinlich gewesen , hätte sich etwas ßu tadeln gefunden .
" O gewiß , wie alles , was unsere Lotte besorgt , sagte Sanna freundlich , " und doch vermisse ich etwas , was ich nicht gern an einem so schönen Tage entbehre .
Lotte bemühte sich augenscheinlich vergebens , das Fehlende herausßufinden , so sehr sie auch jedes einßelne durchging .
" Ich weiß , ich weiß , rief Marie in vollem Triumphgefühl , einen Strauß Frühlingsblumen meint Fräulein Sanna , ich hole welche .
Daran hätte ich nicht gedacht , sagte Charlotte gedehnt ; Marie aber sprang wie ein Eichkätßchen davon , kam jedoch nicht weit , denn sie prallte in ihrem ungestümen Lauf so hart an die behäbige Gestalt der eben aus dem Hause tretenden Frau Oberförster , daß diese sogar in ein leichtes Taumeln geriet , während das junge Mädchen sich nicht vor einem Falle bewahren konnte , von dem sie aber im selben Augenblick auch wieder in die Höhe schnellte .
" Nun , du Sausewind , was treibst du schon wieder ? schalt die Hausfrau .
Bei dir ist man ja seines Lebens nicht sicher .
Schade , daß du nicht wieder einen Topf Milch oder einen Satz Teller in der Hand hast , wie die letzten Male .
Wirst du denn nie Bedacht lernen ?
" Ich konnte wirklich nichts dafür , entschuldigte sich Marie kleinlaut , die wohl wußte , daß die Strafpredigt nicht so schlimm gemeint war , " ich sah Sie nicht .
" Woßu hast du denn die Augen ?
Nächstens wirst du das Haus umrennen , sagte die Frau Oberförster .
Aber nun hole das Vergessene , wonach du so eilig liefest .
Ach so - die Blumen - ich dachte schon gar nicht mehr daran , gestand Marie , die sich der Dame angeschlossen hatte und nun wieder kehrtmachte , während diese den Kopf schüttelte und mit dem Finger auf die Stirn deutete .
Marie kannte diese Gebärde sehr gut , sie sollte ihr die Pflege ihrer Vernunft anempfehlen , deren ßustand der Frau Oberförster oft ßweifel und Sorge erregte .
In etwas langsamerem Tempo ging sie weiter , da begegnete ihr Lieschen mit einem prächtigen Fliederstrauße .
" Wo hast du die Blumen so schnell herbekommen ? fragte sie Lieschen verwundert .
" Aus dem Garten , erwiderte Lieschen einfach .
" Ich dachte mir , sie würden uns alle erfreuen , da ging ich gleich , um sie ßu pflücken .
" Ich wollte dasselbe tun , sagte Marie und setzte Gans nachdenklich hinßu , indem sie sich an Lieschens Arm hing : " Wie geht es nur ßu , daß du so oft schon ausgeführt hast , woran wir anderen kaum denken ?
ßeit ßur Lösung dieser Frage blieb nicht , sie waren nun wieder bei der Linde angelangt , wo die Hausfrau den Sitz neben ihrem Gatten eingenommen hatte ; Lotte hielt die Kaffeekanne in der Hand und goß den dampfenden Trank ein , Käthe schnitt das prächtige Landbrot in feine Scheiben , und während Lieschen den von Sanna mit freundlichem Lächeln begrüßten Strauß auf den Tisch stellte , reichte Marie die goldgelbe Butter und die Büchse mit Honig den älteren Herrschaften hin , damit diese sich ßuerst versorgten .
Daß ein Stuhl unbesetßt geblieben war , entging der Frau Oberförster nicht ; aber ehe sie etwas sagen konnte , ertönte eine klagende Stimme , und ein kleines , schmächtiges Persönchen mit grauen Locken , an denen sich die Hände noch ßu schaffen machten , mit fliegenden Bändern , die von einer schief sitßenden Haube ausgingen und in einem etwas seltsamen Anßug , der die Mode Gans unberücksichtigt ließ , trippelte herbei .
" O mon dieu , Quelle horreur !
Pardon . Jck'ab nickt gewußt , daß es sein so spät , sagte die Dame sich entschuldigend ßu der Hausfrau .
" Es sein Gans gegen meiner Absickt , Sie werden entschuldige , es sein das letßtemal , daß ich sein trop tard .
Wir wollen das nicht hoffen , Mademoiselle Dubois , meinte der Oberförster lachend , , dann hätten Sie ja die längste ßeit gelebt ! Mais certainement , beteuerte die alte Franßösin , ich werde Micke sicker korrigieren .
Die Frau Oberförster kannte seit mehr als ßwanßig Jahren die guten , nie ßur Ausführung kommenden Vorsätße der treuen Hausgenossin , und wußte wohl , daß hier Nachgeben das klügere war ; Sanna erkundigte sich freundlich , ob der Nheumatismus Gans verschwunden sei .
Mademoiselle wollte eine lebhafte Schilderung ihrer Leiden beginnen , die durch den kräftigen , aus der Hausapotheke stammenden Tannenspiritus beseitigt waren , wurde aber durch die Frau Oberförster unterbrochen .
Sie trinken Ihren Kaffee ja schwarß , sagte sie ; " Kinder , Mademoiselle hat weder Milch noch ßucker , Butter oder Honig , so setzt doch alles in Umlauf .
Ein fröhliches Gelächter folgte der Ermahnung , denn wie gewöhnlich fanden sich die genannten Gegenstände bei Olga versammelt , denen diese unter tiefem Schweigen tapfer ßusprach .
" Du erlaubst doch für einen Augenblick ? fragte Käthe neckisch ; " es soll alles gleich wieder ßurückkommen .
Olga nickte freundlich gewährend , Gans ahnungslos , wie sehr sich die übrige Gesellschaft auf ihre Kosten belustigte .
" An dieser Klippe scheitert manches , spöttelte Marie .
Wie heißt es doch im letzten Verse der Loreley ?
Olga , hilf mir doch , du hast ja ein gutes Gedächtnis .
" Die Wellen verschlingen am Ende noch Fischer und Kahn , begann diese bereitwillig , nachdem sie eben den letzten Bissen ihres Butterbrotes hinuntergeschluckt hatte und sich ein neues ßurechtmachte .
" Danke , danke , das genügt , rief Marie vergnügt , " es wird sonst ßu grausig , du gleichst auch den Wellen gar ßu sehr .
jetzt erst merkte Olga , wie das lose Mädchen sie ßum besten gehabt hatte ; allein sie nahm so leicht nichts übel , auch nicht die Spöttereien über ihren gesegneten Appetit , und so stimmte sie harmlos in das Lachen ein , das sich auf ihre Kosten erhob und in das sogar Hektor einige Male sein kurßes Gebell mischte , ßum ßeichen , daß er auch Anteil an allen Vorgängen nehme .
Die Frau Oberförster hob nun die Tafel auf .
Wir müssen an die Arbeit , sagte sie , " es gibt heute besonders viel ßu tun , denn ihr wißt , wir erwarten unser neues Familienmitglied .
Ich möchte euch bitten , recht liebenswürdig gegen die neue Gefährtin ßu sein .
Sie soll kränklich und sehr verwöhnt sein , sie bedarf der Nachsicht und Schonung , wir werden sie erst allmählich an unsere Hausordnung gewöhnen können .
Die jungen Mädchen hörten sehr aufmerksam ßu , und Marie , der Kalkulator , nickte verständnisvoll und flüsterte Lotte ins Ohr : Siehst du , daß sie eine Prinßessin ist !
Wie würde es sonst solche Ausnahmen geben !
" Nun beginnt euer Tagewerk , Kinder , fuhr die Frau Oberförster fort .
" Lotte und Olga haben die Küchenwoche , Lieschen mag ihnen beim Spargeleinmachen helfen , Käthe und Marie mögen die Wäsche legen , in ßwei Stunden könnt ihr damit fertig sein .
" Jawohl , jawohl' , stimmten diese eifrig ßu , denn es lag ihnen daran , wieder im Vorderhause ßu sein , wenn der Wagen mit den Gästen ankäme , den der Oberförster soeben ßu deren Abholung nach der Bahn schickte .
Sanna ging in den Garten und pflückte die schönsten Blumen , um damit das für die Erwartete eingerichtete ßimmer ßu schmücken .
Dies sah wirklich allerliebst aus , so recht passend für ein junges Mädchen .
Die Fenster waren weit geöffnet und ließen Sonnenschein und Waldesduft herein ; die das Forsthaus umgebenden Buchen und Eichen ließen eine Lichtung frei , da ruhte der Blick auf den bewaldeten , den Horißont begrenßenden Bergen aus ; man mußte sich fast gewaltsam von dem Bilde losreißen .
Aber auch drinnen mochte sich das Auge erfreuen ; da stand das Bett mit den duftigen Musselinvorhängen , das kleine Sofa mit dem geblümten Beßuge ßeigte die frischesten Farben in geschmackvollem Muster ; dann ein kleiner Schreibtisch und am anderen Fenster ein Nähtisch , und das prachtvolle Pianino , das der Baumeister Diätlein für sein Töchterchen geschickt hatte , nahm die andere Wand ein .
Noch fehlte der Schmuck der Bilder und mancher anderer Dinge , aber die großen Kisten , die angelangt waren , enthielten diese Gegenstände wohl in reichem Maße , und Sanna bemühte sich , durch die Blumen dem Gemache Leben und Traulichkeit ßu geben .
" Darf ich hinein ? fragte es von draußen , und ein blonder Mädchenkopf erschien in der Spalte der Tür , dem sehr bald die übrige Persönlichkeit folgte .
Die kann sich aber freuen ! sagte Käthe , die jetzt neben Sanna stand und sich an sie schmiegte .
" Ich möchte wohl mit ihr tauschen .
Wirklich ? fragte Sanna sanft ßurück .
Weißt du auch daß die arme Eva keine Mutter mehr hat und daß ihr Vater auf Jahre fortgeht ?
" Ach ja , da habe ich es doch besser !
Wie schön ist es daheim bei den Eltern in dem lieben Pfarrhause , unter all den Geschwistern ! rief Käthe aus .
Wenn ich mir alles das vorstelle , dann möchte ich keine Prinßessin beneiden .
Aber bei Ihnen bin ich auch gern , liebes Fräulein Sanna , fügte sie schnell hinßu .
" Und ich auch , wir alle ! rief es hinter ihnen , und da standen auch Olga und Marie und blickten sich neugierig in dem Stübchen um .
Aber sagt nur , ihr Kinder , was heute für ein Geist in euch gefahren ist !! schalt Sanna . "
Die Wäsche kann doch noch nicht fertig sein , in der Küche gibt es auch viel Arbeit und trotzdem seid ihr alle in Bewegung , als wenn die Heinßelmännchen eure Geschäfte besorgen würden !
" Wir gehen gleich wieder ans Werk , entschuldigte Marie ; " aber es läßt uns nicht recht Ruhe , wir möchten so gern die Neue ankommen sehen , in der Wäschekammer und in der Küche gehen aber die Fenster nicht auf die Landstraße .
Geschähe euch Gans recht , wenn ihr das große Ereignis versäumtet ! sagte das Fräulein lächelnd .
Auf diese Weise werdet ihr wirklich nicht vorher fertig .
Übrigens habe ich eine ßu gute Meinung von eurem ßartgefühl , um ßu befürchten , daß ihr dem armen Kinde durch Neugier lästig fallen könntet .
" J bewahre , versicherte Käthe , " uns soll kein Mensch anmerken , wie wir auf sie brennen !
Woßu gäbe es denn Türspalten und Fenstervorhänge , um ungesehen dahinter Ausschau ßu halten !
Fräulein Sanna schüttelte wohl mißbilligend den Kopf , aber sie meinte es nicht so streng , sie konnte sich ßu sehr in die Seele der jungen Mädchen versetzen , um deren Aufregung nicht erklärlich ßu finden ; allein es half ihnen doch nichts , sie mußten nun wieder an die verlassene Arbeit ; sie begab sich dann auch selbst in die Wäschekammer , damit die Hände dort ihre Schuldigkeit ordentlich tun und die Gedanken sich nicht in die Weite verlieren möchten .
Alle Augenblicke trat ein Stillstand ein .
" Horch , war das nicht Wagengerassel ! ? rief die eine ; alle lauschten vergeblich , nichts rührte sich .
Dann hieß es wieder :
" Sie kommen ! ' und nun gab es ein Drängen und ein Laufen nach der Tür , bis Fräulein Sanna fast böse wurde und sich Nuhe und Ordnung ausbat .
Seid ihr denn bald fertig ? rief Lotte in die Wäschekammer .
" Ihr habt es gut , aber wir brauchen Hilfe , es gibt ßuviel bei uns in der Küche ßu tun .
" Da liegt noch ein ganßer Berg ! ' seufßte Marie .
" Kinder , es wäre gräßlich , wenn wir die Ankunft verfehlten !
Man hört und sieht hier nichts .
Ich will schon Nat schaffen !! rief Käthe plötzlich , " ich habe einen Einfall , und damit lief sie davon , ohne weiteres ßu verraten .
Hektor lag im Schatten und schlief ; die beiden Dachshunde balgten sich in ehrerbietiger Entfernung ; sie waren noch jung , und ihre Erßiehung nicht Gans vollendet , an der sich der erprobte Hühnerhund öfter in fühlbarer Weise beteiligte .
Daher hüteten sie sich , ihm ßu naheßukommen , aber sie stürßten fröhlich kläffend auf Marie ßu , die sie Kurs abwehrte .
Sie war sehr gut Freund mit Hektor , und als sie sich ihm näherte , deutete er seine Gefühle für sie durch sanftes Wedeln mit dem Schwanße an , ohne sich aus seiner bequemen Lage ßu rühren .
Ach was , alter Faulpelß , damit ist mir nicht gedient . sagte Marie Kurs und entschieden und ßerrte ihn am Halsband in die Höhe .
Hektor begriff , daß es sich um etwas Bestimmtes handele , und war sogleich bei der Sache .
So ist_es recht , du guter , alter Kerl , belobte ihn Marie .
Nun paß auf , es kommt Besuch , melde gut ! ' dabei deutete sie auf die Landstraße .
Der kluge Hund hatte sie verstanden ; mit gespitßten Ohren faße er und bewachte den Weg .
Da man sich auf ihn verlassen konnte , kehrte Marie beruhigt ßur Arbeit ßurück .
Die Wäsche war längst ßusammengelegt und die Frau Oberförster hatte bei ihrem Rundgang andere Beschäftigung für die jungen Mädchen gefunden ; da endlich erscholl Hektors tiefe Stimme in kräftigen , kurßen Lauten , seine Art der Meldung , daß Freunde kamen , denn er hatte den Wagen sogleich erkannt ; nun stürßte die junge Gesellschaft auf die verborgenen Späherposten , während der Oberförster mit Frau und Tochter vor die Haustür trat , um die Ankommenden ßu begrüßen .
In kurßer ßeit war alles vorbei , die Gäste traten ins Haus und entschwanden den beobachtenden Blicken .
Aber wie war der Wagen bepackt !
Von dem Kulscher sah man fast nichts vor Schachteln und Koffern , und neben ihm auf dem Sitze stand ein riesiger Vogelbauer von glänßendem Nickel , durch eine Decke ßum Teil verhüllt , und daraus ertönte es :
Eva , Eva !
Guten Tag , meine Herrschaften !
O meine Nerven !
Rike , das sogenannte Hausmädchen , die noch sehr unerfahren war , denn sie befand sich noch nicht lange in der ßucht der Frau Oberförster , ließ entsetzt die Arme sinken , so daß ein paar Gepäckstücke ßu Boden rollten ; einen sprechenden Vogel hatte sie noch nie gesehen , der Schreck darüber war ßu groß , und die ermutigenden Worte des Kulschers , der sich unterwegs mit dem Wunder vertraut gemacht hatte , gingen unverstanden an ihr vorüber .
Die jungen Mädchen hielten sich nicht länger und stürßten heran .
Geben Sie her , Schmidt , wir wollen etwas tragen ! riefen sie dem Kutscher ßu , der ihnen gern ein Stück nach dem anderen hinreichte .
" Ach , der reißende Papagei ! "
Ich möchte ihn haben !
Nein , ich ! " Ach , lassen Sie mich ihn tragen .
Jede begehrte den Vogel , der in der Aufregung , in die ihn die Reisevorgänge versetzten , seinen ganßen Sprachschatß ßum besten gab und dann ängstlich hin- und herflatterte , als Hektor und die beiden Dachshunde ihn bellend und schnuppernd umkreisten .
" Die Ahnfrau kommt !
O Eva , die Ahnfrau kommt ! schrie er einmal über das andere , und dann hieß es wieder : " O meine Nerven ! gerade so jämmerlich , wie die Frau Hauptmann Fischer es sagte .
" Willst du fort , Hektor ! rief Lotte aus , die sich des Bauers bemächtigt hatte und , hinaus , Hektor ! hieß es von allen Seiten , denn der Hund machte Miene , sich auf den Hinterbeinen aufßurichten , um den neuen Ankömmling in nächster Nähe ßu besichtigen ; er mußte doch ins klare kommen , ob er ihn als Schnepfe oder Rebhuhn oder friedliches Hausgeflügel ßu behandeln habe .
Heute half ihm aber sein Ansehen nichts ; er wurde ebenso schimpflich hinausgejagt wie die Dachshunde , und dann folgten die jungen Mädchen schwer beladen der voranschreitenden Lotte , die den Papagei trug , der noch immer schrie und ßeterte .
Habt ihr sie gesehen ?
Wie gefällt sie euch ? fragten sie sich untereinander , während sie mit einer Art scheuer Verwunderung die unßähligen Sachen betrachteten , die das Eigentum der , Neuen bildeten .
" Sie ist recht groß , aber so dünn !
Eine rechte Hopfenstange ! meinte Marie .
" Hübsch finde ich sie nicht , sagte Olga , " sie hat solch ungesunde Farbe .
Wie fein sie angesogen war ! rief Käthe daßwischen .
" Ach , aber sie sieht so blaß und angegriffen aus , sagte Lieschen ; wir müssen recht gut gegen sie sein , sie ist gewiß leidend .
" Nun , ich werde mich nicht ßu sehr um sie bemühen . meinte Lotte ; " sie soll sich nicht einbilden , daß sie etwas Besseres ist als wir , weil soviel Wesens mit ihr gemacht wird " Aber Lotte , wie du nur immer bist , sagte Olga vorwurfsvoll ; aber da wurden Schritte und Stimmen im Hausflur vernehmbar , Fräulein Sanna kam mit der Fremden die Treppe herauf , und die jungen Mädchen huschten davon , trotzdem der Papagei ihnen nachrief :
" Ich bin so allein , wo ist die Nachtlampe ?
Viertes Kapitel .
Im neuen Heim .
Erst Kurs vor Tische machten die jungen Mädchen die ersehnte Bekanntschaft .
Fräulein Sanna rief Eva ins Wohnßimmer und sagte :
" Hier , liebe Eva , sind deine Gefährtinnen , mit denen du dich hoffentlich bald befreunden wirst .
Sie nehmen dich gern in ihren Bund auf .
Eva sagte nichts , ihr war doch etwas verlegen ßumute ; den anderen erging es nicht besser , selbst die schlagfertige Käthe konnte kein Wort finden , so blieb es denn beim stummen Händeschütteln .
Der Baumeister blickte lächelnd auf die junge Schar und richtete die freundliche Bitte an die Mädchen , sie möchten in seiner Tochter eine gute Kameradin sehen .
" Wie wohl und frisch sind Ihre Pfleglinge ! ' sagte er ßur Frau Oberförster .
Meine arme Eva sticht mit ihren bleichen Wangen sehr gegen sie ab .
" Das wird sich alles finden , tröstete der Hausherr .
Bei uns heißt es tüchtig getummelt , und dann schmeckt das Essen , und die Waldesluft tut das übrige .
Sie werden Ihr Töchterchen kaum wieder erkennen , wenn sie erst einige ßeit bei uns ist .
" Das gebe Gott ! ' seufßte der Baumeister .
Er hatte dann noch eine lange Unterredung mit der Frau Oberförster und erbat sich darin alle mögliche Schonung für Eva .
Diese solle nur tun , was ihr beliebe , und alle die Dienstleistungen , an die sie gewöhnt sei , müßten ihr auch ferner erwiesen werden .
" Das ist aber Gans verkehrt ! eiferte die Frau Oberförster ; " solch Schlaraffenleben bekommt keinem Menschen ; erst die Arbeit macht froh und gesund , und wenn Ihr Töchterchen so bedient wird , wird im ganßen Leben nichts aus ihr .
" Eva würde jeden ßwang und jede Anforderung als Härte empfinden , warf der Vater ein , " ich habe sie behütet wie eine Treibhauspflanße .
So sieht sie auch aus , sagte Frau Lobet , " wie konnte sie bei solcher Erßiehung Saft und Mark gewinnen ?
Na , wir machen doch noch eine deutsche Eiche aus ihr , scherßte der Oberförster .
Auf solche Weise nie , behauptete seine Frau .
Aber Eva würde sich nie gewöhnen , wenn man ihr anders entgegenträte , sagte der Baumeister , " sie kann so eigensinnig sein , und wenn man ihr nicht ihren Willen läßt , ist gar nichts mit ihr anßufangen .
Beruhigen Sie sich , Herr Baumeister , sagte Sanna mit ihrem gewinnenden Lächeln , " wir werden schon das Richtige treffen .
Nicht wahr , Mama , wir machen es wie die Sonne und nicht wie der Sturm , die dem Wanderer den Mantel entreißen wollten ; langsam und unmerklich wird sich alles finden .
Unterdes waren die jungen Mädchen mit Eva in deren ßimmer gegangen , dort hatte sich schnell die Befangenheit abgestreift ; sie standen mit ihr vor Coco , der noch immer sehr gesprächig in seinem Bauer war und seine Herrin mit gerechtem Stolß über seine Leistungen , die solche Bewunderung erregten , erfüllte .
" Er ist ein Geschenk von meinem Bruder , sagte Eva .
Also haben Sie noch einen Bruder ? fragte Käthe .
" Jawohl , und was für einen ! sagte Eva stolß , " Hains heißt er , es ist der beste Junge auf der ganßen Welt " Ich habe vier Brüder , berichtete Käthe , , manchmal erlebe ich Freude an ihnen , oft machen sie mir Verdruß .
So Gans ist der Sorte nie ßu trauen .
Dann habe ich noch drei Schwestern .
Schrecklich viel , meinte Eva teilnehmend ; " das denke ich mir nicht sehr angenehm ; ich glaube , der einßelne kommt nicht genug ßu seinem Recht .
" O , so ist es nicht , rief Käthe eifrig ; " meine Eltern haben Liebe genug für noch so viele Kinder , und Raum ist im Pfarrhause auch ; nur verwöhnt wird keins von uns , das schadet auch nichts .
" Wir sind ja auch fünf Geschwister , erßählte Marie .
" Wo sind Sie denn her ? fragte Eva .
" Die Nachtlampe !
Die Nachtlampe ! schrie Coco mit solchem Eifer daßwischen , daß er jede andere Unterhaltung verhinderte .
" Es ist ja heller Tag , du dummer Coco , schalt seine Herrin .
" Dank schön , dank schön , schnarrte er wieder .
Wieviel er spricht , äußerte Olga bewundernd .
" Ja , er lernt alles , oft schnappt er etwas auf , so daß er mich selbst in Erstaunen setzt , lobte ihn Eva .
" Aber Sie wollten mir ja sagen , wo Sie her sind , wandte sie sich an Marie .
" Ach richtig , eigentlich müssen Sie es von uns allen erfahren , erwiderte diese .
" Aber das Mittagbrot !
ich muß in die Küche , rief Lotte bedauernd .
" Bleibe nur ruhig hier , entschied Käthe nach schnellem Umblick .
Lieschen ist nicht hier , die erfüllt für uns alle die Pflichten am Herde , und auf die kann man sich verlassen .
Also erst die regelrechte Vorstellung .
Stellt euch auf und ich werde eure Biographie liefern .
Hier ist ßunächst Olga von Bellin , gutmütig , verträglich , sehr nach der Nahrung .
" Das verbitte ich mir , rief diese .
" Du schweigst , gebot Marie ; " der Augenschein lehrt ja die Unwahrheit der Behauptung .
Nun mußte Olga auch noch das Lachen der Gefährtinnen in den Kauf nehmen , in das Coco wieder seine Klage mischte :
O meine Nerven , um dann selbst in ein kräftiges Gelächter ausßubrechen , das er seinem Erßieher Hains abgelauscht hatte .
Also keine Unterbrechung wieder , sagte Käthe streng .
" Olga ist noch nicht fertig .
Verträglich , aber schwer beweglich , wird dereinst das väterliche Gut verwalten und in Küche und Keller schalten .
- Hier ist Lotte Bauer , unser Musterexemplar , kann aber schlecht Spaß vertragen , sonst weiß ich keinen Fehler ßu sagen , will einst Hausfrauen stützen und dadurch der Welt nützen . -
Das ist Marie Müller , Doktorstochter , leichtsinnig , unßuverlässig , nur stark im Fabulieren , befindet sich bei uns ßur Besserung , und wir tragen alle daßu bei , sie vernünftig ßu machen ; aber was man in einer Woche mit saurer Mühe errichtet , das hat ihr schlechter Charakter bald wieder vernichtet .
Das brauche ich mir doch nicht gefallen ßu lassen ! rief Marie lachend aus , " so schlimm bin ich doch nicht .
Was sagst du nun von dir ?
" Nun , ich bin die lustige Käthe , tauge ßwar nicht allßuviel , bin aber stets bereit ßu Scherß und Spiel .
Geschwister habe ich die Menge , da schaffte der Vater mich aus dem Gedränge .
Jeder Mensch soll nützen auf Erden , da soll ich hier brauchbar gemacht werden .
O meine Nerven ! schrie Coco schon wieder .
" Der Vogel hat ein Einsehen , lachte Marie , die Poesie geht ihm sogar über den Spaß und greift Leben und Gesundheit an .
Nun bleibt nur noch Lieschen .
Sie ist eigentlich die Beste von uns .
Man hört wenig von ihr , aber man fühlt ihre Gegenwart oft , sie ist immer da , wenn man sie braucht , und wenn einem etwas Angenehmes widerfährt , so ist sie dabei im Spiel .
" Du wirst ja Gans begeistert , rief Olga .
Sie verdient es , beharrte Marie .
Sie ist eine Waise und Gans arm , und früher , ehe sie hierher kam , hat sie es sehr schlecht gehabt , aber sie klagte nie .
Wir sind nicht immer gegen sie , wie wir sollten , und ich mache mir manchmal Vorwürfe , daß wir ihre Güte und Gefälligkeit mißbrauchen .
Ach was , daran ist sie selbst schuld , sagte Lotte .
" Mir dürfte es kein Mensch ßumuten , was sie freiwillig tut .
Käthe hatte sich inßwischen ein Herß gefaßt und war dicht ßu Eva getreten .
Nun sagen Sie uns auch , wer Sie sind , bat sie ßutraulich .
Wissen Sie es denn nicht ? fragte Eva verwundert , , die Tochter des Baumeisters Diätlein !
" Ja , das wohl , aber sagen Sie uns die Wahrheit , drang endlich Käthe in sie .
Eva sah noch erstaunter aus .
" Sind Sie wirklich keine Prinßessin ? flüsterte ihr Käthe ßu , während die übrigen voll Spannung auf Eva blickten .
Eva lachte laut und Coco tat das gleiche .
" Ich eine Prinßessin ?
Wie kommen Sie nur ßu solcher Vorstellung ? rief sie endlich .
" Ja , der Kalkulator hat_es gesagt , hieß es ; Marie ließ den Kopf hängen .
" Der Kalkulator ? fragte Eva erstaunt .
" So nennen wir Marie , weil sie sich soviel ßusammendenkt , erklärte Lotte .
" Ich habe es gleich nicht geglaubt .
Da siehst du_es , Marie , wie du es immer machst- " Es stimmte aber alles , entschuldigte sich der arme Kalkulator kleinlaut .
" Ich habe euch die besten Gründe angeführt und ihr habt es so gut geglaubt , wie ich Käthe hatte sich am ersten gefaßt .
" Ach was , ßankt euch nicht , Kinder , entschied sie .
Wenn Eva keine Prinßessin ist , dann ist es auch gut , nein , dann ist es noch besser , und dann brauchen wir nicht Sie ßu sagen , und ich werde dich dußen , Eva .
" Ach ja , tue das , rief diese vergnügt .
" Da hast du den Schwesterkuß , fuhr Käthe fort , ergriff sie heim Schopfe und küßte sie herßhaft ab .
Die übrigen folgten ihrem Beispiele .
Coco sah verwundert ßu , offenbar neidisch , und da er sich nicht wirklich beteiligen konnte , so ahmte er wenigstens das Geräusch sehr treffend nach und versandte seine Küsse in die Luft .
" Nun muß ich aber in die Küche , rief Lotte , " kommt mit und helft , sonst hole ich das Versäumte nicht ein .
" Ich gehe auch mit , erklärte Eva eifrig .
" Das geht doch nicht , du bist ja noch Gast , wandte Olga ein .
" Ach was , ich gehöre ins Haus so gut wie ihr , rief Eva , " und Lieschen muß ich doch auch kennen lernen .
Dagegen ließ sich nichts einwenden ; sie stürmten nun alle die Treppe hinab , und die Frau Oberförster , die das Gepolter drinnen vernahm , ließ es heute ßu Ehren des Tages hingehen , sonst hätte sie die Ungestümen ßurückgerufen und diese hätten noch einmal Gans ehrbar und gesittet den Abstieg ausführen müssen .
Mit Lieschen war die Schwesterschaft schnell vollßogen ; dann stand Eva in der Küche und sah ßu , wie die jungen Mädchen so flink und sicher ihre Pflichten ausführten .
Sie war ihnen recht im Wege , doch das störte die gute Laune nicht , und ebensowenig die Puffe , die ihr ßuteil wurden und die sich beim besten Willen nicht vermeiden ließen .
Nun ertönte die Glocke , die Mädchen eilten davon , um sich ßurechtßumachen , und in wenigen Minuten war der Anßug geordnet , das Haar geglättet und jede Spur der häuslichen Tätigkeit verwischt .
Eva hing sich an Maries Arm und Käthe faßte sie an der anderen Seite unter , so betraten sie das Eßßimmer .
Der Baumeister wollte kaum seinen Augen trauen , als er sein Töchterchen , das sonst so schwer ßugänglich war , in so enger Freundschaft erblickte .
Es freute ihn sehr , und er lächelte wehmütig und doch befriedigt , als Eva , die ßwischen dem Vater und Fräulein Sanna Sitzen sollte , sich gegen diesen Ehrenplatß sträubte , und den bei den neuen Freundinnen vorßog .
Lotte war in der Küche geblieben , um das Anrichten ßu besorgen , und die anderen jungen Mädchen beteiligten sich bei der Aufwartung bei Tische , da Rike noch gar ßu sehr in den Anfängen steckte .
" Sie gefallt , sagte Mademoiselle Dubois ßum Baumeister , " sie wird sein bald eine von uns ; ich kenne das mit die junge Mädchens .
Ihre Propheßeiung schien sich ßu erfüllen ; Eva war mitten unter den Gefährtinnen , und als nun wieder der Kaffeetisch unter der Linde ßurechtgemacht wurde , wollte sie dabei mithelfen , obwohl sie nur Unheil anrichtete .
Es ist wunderhübsch , Papa , du brauchst dich um mich nicht ßu ängstigen , versicherte sie dem Vater , als dieser sich ßur Rückreise rüstete .
" Einmal in seinem Leben hat der alte Doktor doch etwas Gutes gestiftet .
Mir könnte es nirgends besser gefallen , hier ist_es lustiger als ßu Hause in Berlin .
Wie gern höre ich das , erwiderte der Vater , sein Herßblatt an sich ßiehend .
Ihm wurde das Herß schwerer , je mehr die Trennung herannahte , und das Kind , das er so sehr liebte , glitt spielend darüber hinweg .
" Sage nur Hains , er soll sich nicht um mich grämen , fuhr Eva fort , , ßu den Sommerferien hat ihn die Frau Oberförster ja schon eingeladen , und bis dahin wird mir die ßeit schnell genug vergehen .
Wir machen oft weite Spaßiergänge und Ausflüge ins Gebirge , und ich lerne kochen wie die anderen .
ßuerst muß ich solche Kuchen backen , aber Gans allein , wie es heute ßum Kaffee gab ; sie schmecken so schön und sehen allerliebst aus .
Lotte will dabei helfen .
Kann ich dir nicht welche nach der Türkei hinschicken , Papa ?!
Eva selbst benimmt mir jede Sorge , sagte der Baumeister ßu Sanna Lobet , neben der er am Fenster stand ; " sie scheint sich überraschend schnell einßuleben . ! Sanna entging das leichte Beben in seiner Stimme nicht , sie verstand auch das schmerßliche Gefühl , das ihn bewegen mußte .
Die Neuheit der Verhältnisse reißt sie fort , entgegnete sie , " aber ich bin überßeugt , daß die Stunden nicht ausbleiben werden , in denen sie mit schmerßlicher Sehnsucht nach dem Vater verlangt und daß sie erst durch die Trennung verstehen lernen wird , wie sehr er sie liebt und welchen Schatz sie in seiner Liebe besitzt .
" Glauben Sie ? fragte der Baumeister .
" Bis jetzt ist es ihr kaum klar bewußt geworden .
Dann setzte er nach einer Pause hinßu :
" Sie werden ihr in solchen Stunden treu ßur Seite stehen , nicht wahr , Fräulein Lobet ?
In Ihnen wird mein Kind ßu jeder ßeit und in jeder Lage eine Freundin finden ?
" Das wird sie , sagte Sanna .
Und als sie Evas Vater die Hand reichte und ihn mit den schönen treuen Augen so ernst und fest anblickte , da fühlte dieser , daß er auf ihr Wort bauen könne ; dieses Versprechen erhellte ihm späterhin manch trübe Stunde des Bangens und der Einsamkeit .
Der Oberförster begleitete seinen Gast bis ßum Vahnhof und suchte ihm in seiner biederen , gutmütigen Weise über den Abschied fortßuhelfen .
Eva war es doch recht schwer geworden , als sie ßum letzten Male für so lange ßeit an der Brust des Vaters ruhte , sie weinte und schluchßte und bat , er möge sie wieder mitnehmen ; als er sich endlich im letzten Moment und fast gewaltsam losriß , da schrie sie laut auf , und ohne Sannas stütßenden Arm wäre sie wohl ßu Boden gesunken .
Sie lag nun drinnen auf dem Sofa , jammerte , weinte und erklärte , sie bleibe auf keinen Fall und morgen müsse sie ßum Papa ßurück , ohne den sie nicht leben könne ; auf die beschwichtigenden Worte der Frau Oberförster hörte sie gar nicht , und auch die schüchternen Liebkosungen , welche Käthe und Marie auf Grund der neuen Freundschaft wagten , wurden als unangenehme Velästigungen ßurückgewiesen .
Sie trieb sie alle fort , nur Sanna harrte geduldig bei ihr aus .
Diese hatte das ßimmer verdunkelt , sich einen Stuhl an das Lager gesogen , und saß stumm neben Eva , fächelte ihr manchmal Kühlung ßu , trocknete ihr sanft die Tränen ab , strich ihr mit weicher , ßarter Hand beruhigend über das sich in wilder Unordnung befindende Haar , und drückte ihr ßuweilen teilnehmend die Hand .
Allmählich beruhigte sich Eva ; die ungestümen Schmerßenslaute wurden ßu leisen Klagen , Eva lauschte auf Sannas Trostesgründe , sie dachte nicht mehr an den Abschied , sondern ließ sich ßu dem kommenden Wiedersehen hinleiten ; dann kamen Pläne und Entwürfe , wie die ßeit angewendet werden sollte , um dem Vater recht viel Freude ßu bereiten , und dabei erwachten Lebenslust und Lebensfreude von neuem und scheuchten das Leid aus der jungen Seele .
Was werde ich alles lernen ! sagte Eva ßuletßt vergnügt .
Wenn der Papa ßurückkommt , soll er es kaum für möglich halten .
Wir richten dann alles für ihn ein , nicht wahr , Fräulein Sanna ?
Sie kommen mit nach Berlin und helfen mir .
Aber das erste Mittagessen bereite ich Gans allein , Karoline darf gar nichts dabei tun , ich glaube , Rebraten ißt der Papa am liebsten , und so schönes Taubenfrikassee , wie es heute gab .
Ich will nur gleich in die Küche , damit ich keine ßeit versäume .
Sie erhob sich und Sanna mußte lächelnd ihren Eifer dämpfen , denn für heute war es schon ßu spät für den Antritt der Lernßeit ; Sanna schlug dagegen einen gemeinsamen Spaßiergang vor , worauf Eva gern einging .
Sanna ordnete ihr das Haar , ließ sie ihre verweinten Augen mit Wasser kühlen und führte sie hinaus , wo sich die jungen Mädchen bald um sie scharten .
Alle freuten sich auf eine Wanderung in den Wald , und der Vorschlag der Frau Oberförster , auf den Katßenstein ßu gehen , von wo man den Sonnenuntergang so schön genießen konnte , fand ungeteilten Beifall .
Nun galt es aber schnell sein , denn Frau Sonne ließ nicht mit sich reden und ging rechtzeitig ßur Ruhe , auch gab es noch Körbe mit allerlei Mundvorräten ßu packen , denn das Abendbrot sollte dort eingenommen werden , und Tücher und warme Hüllen durften nicht vergessen werden ßum Schutz gegen die Kühle des Abends .
Wie flogen die flinken Mädchenfüße durch das Haus !
Wie schnell und fest packte Lotte die Körbe !
Eva sah staunend ßu , was alles hineinkam , da konnte ja nach ihrer Schätßung eine Familie eine Woche lang davon leben , und doch versicherte man ihr aus vollster Uberßeugung , auf dem Rückweg würde es außer leeren Flaschen und Tellern nicht viel ßu tragen geben .
Hektor stand selbstbewußt in der Tür , er gehörte viel ßu sehr ßur Familie , um nicht sicher ßu sein , daß er mitgenommen werde ; aber die beiden Teckel waren in schrecklichster Aufregung , für sie stand die Sache schlecht , und sie hatten es Evas Bitte ßu danken , der die drolligen Gesellen gefielen , daß sie mitdurften .
Peter , der Kater , der seinen glänßend schwarßen Pelß schnurrend an Olgas Kleide rieb , hegte solche Wünsche nicht , sondern war Gans ßufrieden mit der Milchschüssel , die ihm ßur Entschädigung doppelt reichlich gefüllt wurde .
Wenn er nur meinem Coco nichts tut , sagte Eva , ihn mißtrauisch betrachtend .
Die ganße Mädchenschar verbürgte sich für Peters Tugend , die durch eine vorßügliche Erßiehung befestigt sei .
" Der Herr Oberförster duldet sonst keine Katzen ' , berichtete Marie , " wegen der Vögel , denen sie so nachstellen ; aber Peter ist von Jugend auf daran gewöhnt , der tut selbst dem frechsten Sperling nichts , er ist viel ßu stolß daßu .
Vorsicht ist die Mutter der Sicherheit , meinte Fräulein Sanna , " und ich rate Eva , daß sie ihre ßimmertür lieber nicht offen läßt , wenigstens nicht , bis die Freundschaft ßwischen Peter und Coco einige Festigkeit erlangt hat .
Nun wurde Mademoiselle noch gesucht , die sich wie gewöhnlich verspätet hatte , und mit vielen Entschuldigungen herbeikam , dann trat man den Spaßiergang an .
Eva ging an Sannas Arm , die Frau Oberförster unterhielt sich mit Mademoiselle , die ihr wunderliches Kauderwelsch radebrechte , die jungen Mädchen umringten sie unter heiterem Geplauder .
Die im Sinken begriffene Sonne warf einen rötlichen Schein auf den grünenden Waldesboden , die Vögel sangen ihr Schlummerlied , die Bäume wiegten ihre Wipfel im leisen Abendwind , Frieden und Ruhe sprachen sich in der Natur aus , und fanden auch Einlaß in den Menschenherßen .
Evas Brust hob sich leichter und freier , so wohl war ihr seit langem nicht gewesen und fröhlich sang sie das von Sanna angestimmte Lied mit : " Wer hat dich , du schöner Wald .
Nun hatten sie die Spitze des Hügels , das ßiel ihrer Wanderung , erreicht ; der Blick war beßaubernd , hinter ihnen lag der Wald , ßur Rechten türmten sich die dunklen Massen des Gebirges auf , und nach Westen schweifte der Blick über die weite , fruchtbare von den letzten Strahlen der scheidenden Sonne beleuchtete Ebene .
Schon stand die Sonne am Rande des Horißonts , ein glühender , gewaltiger Ball , schnell sank sie hinab , nun verschwand der letzte goldene Saum , und die rötlichen Farbentinten der Abenddämmerung traten an ihre Stelle .
Von den Kirchtürmen der umliegenden Ortschaften erklang bald laut , bald schwächer das Geläut der Glocken in die stille Luft , die Mädchen blickten schweigend und andachtsvoll auf soviel Schönheit und ihre Seelen fühlten sich emporgesogen ßu dem , der das alles geschaffen .
Olgas Stimme unterbrach das feierliche Schweigen .
Sie scheuchte Bergmann heftig fort , der eben die Durchsuchung der von ihm lange im stillen bewunderten Körbe begonnen hatte .
" Du abscheuliches Tier ! schalt sie , " das hätte ein schönes Unglück geben können , wenn ich nicht auf dem Platße wäre !
Wir wollen uns lieber an das Abendbrot machen , damit es in Sicherheit kommt .
Ich bin recht hungrig .
" Das glaube ich gern , sagte Marie trocken , und selbst die Frau Oberförster konnte ein Olgas Eigentümlichkeit geltendes Lächeln nicht unterdrücken .
Es schmeckte ihnen allen nicht schlecht und Eva staunte über sich selbst , so hatte sie noch nie essen können .
Dann erhielten die Hunde ihren Anteil , den Bergmann und Waldmann mit sehnsüchtigem Winseln erbettelten , und ßuletßt war es wirklich eingetreten , was Lotte vorausgesagt hatte : außer leeren Tellern , Gläsern und Flaschen hatte man nichts ßurückßutragen .
Wie schön war der Heimweg !
Es war so dunkel im Walde , daß nur die weiße Landstraße hell durch die Finsternis schimmerte , sonst konnte man nichts unterscheiden ; allein wo es eine Lücke ßwischen den Baumkronen gab , da schimmerten die Sterne silbern an dem dunklen Himmelsgewölbe , und ihr milder Schein verscheuchte Furcht und ßagen .
Wie anders war das , als im Hause !
Erst als sich die Mädchen wieder von den vier Wänden eingeschlossen fanden , fiel es Eva ein , daß sie feindliches Dunkel umgab , das durch das Licht der Lampe nie völlig vertrieben werden konnte ; sie ßögerte ängstlich auf der Schwelle ihres Stübchens und sah sich bittend nach den Gefährtinnen um , die sie hinaufbegleitet hatten .
" Ihr kommt doch mit ? fragte sie kleinlaut .
Sie taten es nur ßu gern , denn es lockte sie mächtig , alle die Herrlichkeiten ßu betrachten , die ßum Teil ausgepackt , ßum Teil noch in den Kisten verborgen waren , und die jetzt laute Bewunderung erregten .
" Ich bin nur neugierig , wie du das alles unterbringen wirst , sagte Olga , " es scheint fast unmöglich .
" Ich weiß es auch nicht , gestand Eva kleinlaut .
" Und das schreckliche Staubwischen ! meinte Lotte ; " da hast du täglich eine schöne Arbeit .
Eva blickte sie erstaunt an und fragte gedehnt :
" Ich ?
Was geht mich denn das an ?
Das ist doch Sache der Dienstboten .
Die Mädchen lachten .
" Laß das die Frau Oberförster nicht hören , riet ihr Käthe , , die würde dir schön den Kopf ßurechtsetßen .
Ich würde auch lieber Holß spalten oder Schafe hüten , als diesen täglichen Kampf gegen den ßudringlichen Staub führen , aber da hilft alles nichts , man muß ' ran .
" Ich tue es auf keinen Fall ! rief Eva , indem sie trotßig den Kopf ßurückwarf ; da hat sich die Frau Oberförster geirrt , wenn sie mich ßur Magdarbeit ßwingen will .
Woßu ist denn Rike da ?
Wieder gab es ein heiteres Lachen . " Da nimm nur Abschied von deinen hübschen Sachen , denn was in Rikes Hände fällt , das ist geliefert , hieß es .
Na , dann mag meinetwegen der Staub fußhoch liegen , mir ist es Gans gleichgültig , sagte Eva ärgerlich .
Wo nur meine Nachtlampe sein mag ?
Ich hatte doch Minna gesagt , sie solle sie obenauf packen , damit ich sie gleich bei der Hand habe .
" Eine Nachtlampe brennst du ? fragte Marie lachend .
, Die braucht man doch nur bei kranken Leuten oder kleinen Kindern .
Du gehörst doch ßu keinen von beiden .
Woßu hast du eine nötig ?
Eva hätte um keinen Preis ihre Furcht eingestehen mögen .
" Coco kann nicht im Dunklen schlafen , sagte sie Kurs .
" Aha , deshalb rief er auch immer nach der Nachtlampe , wie klug er ist , sagte Käthe harmlos . Aber wie willst du die finden ?
Da kannst du bis Mitternacht suchen .
Heute muß sich der anspruchsvolle Monsieur einmal im Dunklen begnügen , der Mond scheint ja hell ins Fenster .
" Das tue ich auf keinen Fall , rief Eva hastig aus .
" Dann lasse ich das Licht brennen .
" Ich möchte es dir nicht raten , sagte Lotte , die Frau Oberförster versteht keinen Spaß , wenn man nicht vorsichtig mi- Licht und Feuer umgeht .
" Darf ich nicht nach der Lampe suchen ? - mischte sich Lieschen schüchtern in die Unterhaltung ; sie dankte dann so freundlich für die erhaltene Erlaubnis , als ob ihr die größte Gunst gewährt worden sei .
Während die anderen lachten und scherßten , suchte sie still und emsig ; bald hatte sie die Nachtlampe ßutage gefördert , sie ßurecht gemacht und brennend auf das Nachttischchen gestellt .
Still , um des Himmels Willen !
was war da draußen ? rief Eva jetzt aus , indem sie kreideweiß wurde und sich an Olga , die ihr ßunächst stand , anklammerte .
" Was hast du denn ? fragte diese verwundert .
" Hektor schnuppert an der Tür , der Papagei raubt ihm die Seelenruhe .
" Ist es auch wahr ? fragte Eva angstvoll .
" Natürlich , antwortete Käthe ; " was sollte es sonst sein ?
Wir wollen ihn hereinlassen , er kann sich noch einmal an Coco erfreuen .
Käthe öffnete die Tür ; Hektor drang ohne Umstände ein und wandte sich sogleich der Ecke ßu , wo der Papagei in seinem Käfige schlief .
Erst ging alles ruhig ab , als sich aber Hektor aufrichtete , die Vorderpfoten auf den Ständer setzte und seine Hundenase so nahe wie möglich an die Gitterstäbe legte , da erwachte Coco und stieß ein lautes Angstgeschrei aus .
" Eva , Eva , o meine Nerven ! rief er einmal über das andere ßum Schrecken des Hundes , gegen den sich nun auch der ßorn der Mädchen wandte .
Ohne Umstände wurde er fortgejagt , indem sie die Tür aufrissen und ihm ein gebieterisches :
Hektor 'raus ! ßuriefen , dem er sich fügte , während Coco noch lange über seine Nerven jammerte .
" Nun müssen wir aber fort , erinnerte Lotte , " sonst gibt es Schelte .
Du bist ja noch immer nicht ausgesogen , Eva " So schnell geht das nicht bei mir , sagte diese ; sie schämte sich ßu verraten , daß sie sich ohne Hilfe nicht entkleiden könne .
" Nun denn , gute Nacht und laß dir was Gutes träumen , hieß es , und die Mädchen gingen davon .
" Sollen wir dich wirklich wecken ?
Du darfst ja schlafen , solange du willst .
Nein , ich stehe mit euch auf und trinke unter der Linde Kaffee , es muß reißend sein , sagte Eva ; " bleibt doch noch , bis ich im Bett bin .
" Es geht nicht , es ist schon ßu spät ; gute Nacht , Schlei wohl .
Damit gingen sie fort , und Eva , der es in dem wüssten ßimmer , in dem soviel umherstand , nicht Gans geheuer war , machte nun kurßen Proßeß mit dem Auskleiden .
Sie löste Bänder und Knöpfe und ließ die Sachen ßu Boden fallen , wo sie gerade hinkamen ; die Haare sich selbst ßu bürsten , kam ihr gar nicht in den Sinn und das Licht ausßublasen erst recht nicht .
Die anderen hatten es gut , die waren ihrer so viele , aber sie befand sich Gans allein auf dieser Seite des Hauses , was konnte ihr da nicht alles begegnen !?
Wenn nur erst Fräulein Sanna käme !
Eva kroch unter die Decke , um nichts ßu hören und ßu sehen , und ihr Herßchen hämmerte so laut , daß sie sein Pochen deutlich vernahm , und dabei brach ihr in der dichten Verpackung der Schweiß aus allen Poren .
Wie lange sie so in Furcht und Unbehagen gelegen , wußte sie selbst nicht ; dann wurde ihr die Decke sanft fortgeßogen , Fräulein Sanna stand vor ihr und lächelte ihr gütig ßu .
" Ich konnte dich kaum finden , so hattest du dich vergraben , sagte sie .
Mir war so bange , gestand Eva .
Sanna hielt dies wohl für das natürliche Gefühl des Fremdseins , sie beugte sich herab und küßte das junge Mädchen .
Dann setzte sie sich auf den Bettrand , nahm Evas Hand und redete ihrem Schütßling freundlich ßu .
" Hast du schon dein Abendgebet für dich und deine Lieben gesprochen ? fragte sie endlich .
" Noch nicht , sagte Eva ; sie hätte um alles in der Welt nicht eingestehen mögen , daß sie gar nie ßum Beten kam ; sie pflegte ja immer ßu lesen , und wenn sie damit aufhörte , war sie müde oder so mit dem Inhalt ihres Buches beschäftigt , daß sie nicht an ein Abendgebet dachte .
Sanna machte sich im ßimmer ßu schaffen , das sie schweigend in Ordnung brachte , und Eva folgte ihren anmutigen Bewegungen , bis Sanna das Licht erlosch , sie nochmals küßte und hinausging .
Dann faltete Eva die Hände und betete für sich , für den Papa und Hains , und daß Fräulein Sanna sie so liebgewinnen möchte , wie sie dieselbe schon hatte .
Dann schlief sie ein und schlummerte so ruhig und friedlich , daß sie sich des gen Regens auf einen Traum besann .
Fünftes Kapitel .
Der erste Sage .
Der Herr Kalkulator war ßwar dafür bekannt , daß er sehr schwer aus dem Bett finden konnte , heute überwog jedoch die Freude am Neuen , und so schlüpfte das kleine , runde Persönchen schnell in seine Pantoffeln und lief ßu Eva hinüber , um ihr ßu verkünden , daß es bald sechs Uhr und ßeit ßum Aufstehen sei .
Diese benahm sich höchst ungnädig , brummte und knurrte allerlei Unverständliches und drehte sich ohne Umstände nach der Wand ßu .
Marie ließ sich nicht so leicht abschrecken und setzte ihre Versuche fort ; endlich gelang es ihr , Eva ßum Bewußtsein der veränderten Lage ßu bringen .
" Gut , gut , sagte diese mürrisch , , ich dachte , Minna stehe vor mir .
Ihr habt hier greuliche Sitten .
Welcher anständige Mensch steht mit den Hühnern auf !
" Dann bleibe liegen , sagte Marie Kurs gefaßt .
" Das will ich auch nicht , antwortete Eva verdrießlich und gähnte wie ein Löwe .
Marie gefiel Evas Benehmen nicht sonderlich ; sie machte sich davon und lieferte eine Beschreibung ihres Empfanges , die nicht sehr vorteilhaft für Eva war .
Mich soll nur wundern , ob sie aufstehen wird , sagte Käthe .
" Das Haar rann sie sich nicht selbst machen , das hat sie mir gestern schon erßählt , berichtete Olga ; " was wird sie nun anfangen ?
Wir müssen ihr helfen , sagte Lieschen .
" Gans schön , aber ich gebe mich nicht ßur Kammerjungfer her , meinte Lotte schnippisch , " wenigstens kann sie uns erst schön darum bitten .
Damit waren alle einverstanden , und da Eva nichts von sich hören ließ , so kümmerten sie sich auch nicht um sie , sondern vollendeten ihren Anßug und machten sich dann an das Aufräumen ihrer Stube .
Lieschen war wie gewöhnlich ßuerst fertig und schlüpfte unbemerkt hinaus und ßu Eva hinüber .
Sie fand sie noch auf dem Bettrand sitzend , den einen Strumpf hielt sie in der Hand , den anderen hatte sie angesogen , aber mit der Ferse nach oben .
Das Haar hing ihr unordentlich ins Gesicht , sie sah sehr ärgerlich aus .
Weiter bist du noch nicht ? fragte Lieschen .
" Ich wollte fragen , ob ich dir beim Haarmachen helfen kann ?
" Nein , sagte Eva Kurs , das schneide ich nachher ab , das kann ich wenigstens allein .
" Du wirst doch nicht , meinte Lieschen erschrocken und blickte wie Hilfe suchend nach Fräulein Sannas Tür , aber die hatte Marie schon vorsichtig geschlossen .
" Natürlich tue ich es ! trotzte Eva , " wer will es mir verbieten ?
Es ist mein Haar , und ich kann damit machen , was ich will .
Es ist nur schade , daß ich mir die Füße nicht auch abhacken kann .
Woßu hat man die dummen Dinger !
Aber wenigstens trage ich keine Strümpfe wieder .
Die alten Griechen und Römer haben es nie getan !
Warum soll ich nicht barfuß gehen ?
Damit schleuderte sie den Strumpf , den sie in der Hand hielt , in die Ecke , streifte ungestüm den ßweiten ab und warf ihn in die andere , dann riß sie an den Knöpfen ihres Nachthemdes , als solle es heute noch ßugrunde gehen .
" Die Griechen hatten auch ein besseres Klima , als wir , sagte Lieschen ruhig , indem sie die Strümpfe aus Nord und Süd " warum willst du denn eine so absonderliche ßusammensuchte ; Tracht anfangen ?
Weil ich die Strümpfe nicht anßiehen kann , murrte Eva , " es sind greuliche , widerspenstige Dinger , sie gehen nicht auf die Füße , und sind sie endlich glücklich darauf , so Sitzen sie verkehrt .
Ich werde mich nicht um ein Paar Strümpfe ßu Tode ärgern .
Entweder gehe ich barfuß und sterbe an Erkältung , und dann ist es mir auch recht , oder Papa muß Minna herschicken , damit sie mir hilft , allein kann ich mich nicht anßiehen .
" Laß mich dir ßeigen , wie man es macht , dann wird es schon gehen , bat Lieschen .
Aber ich will mich nicht alle Tage quälen und ärgern , brummte Eva .
" Du wirst es lernen , es ist wirklich Gans leicht , tröstete Lieschen ; dabei hatte sie leicht und geschickt schon den einen Fuß bekleidet .
Eva schämte sich und wollte auch Beistand leisten , machte es aber so schlecht , daß sie von ihrer Helferin auf ein anderes Mal vertröstet und ermahnt wurde , es sich ruhig gefallen ßu lassen , da die ßeit dränge .
Das Ankleiden ging nun rasch vonstatten , obgleich sich Eva nicht viel anders als eine Puppe benahm und alles über sich ergehen ließ ; dabei kam sie sich noch recht verlassen und stiefmütterlich behandelt vor .
Als die beiden Mädchen unten erschienen waren , hatte das Frühstück längst begonnen , aber niemand sagte ein tadelndes Wort .
Die Frau Oberförster erkundigte sich freundlich , wie Eva geschlafen habe ; der Hausherr bestellte noch viele Grüße vom Papa , und Mademoiselle redete Eva franßösisch an und war sehr erfreut , daß diese so fließend und mit so gutem Akßent antwortete .
" ßunächst muß Eva ihr ßimmer und ihre Sachen in Ordnung bringen , sagte die Frau Oberförster , " damit sie sich heimisch fühlen kann .
Käthe und Lieschen mögen sie dabei unterstützen , wenn es ihr angenehm ist .
Lotte muß sogleich den Spargel stechen , bei der Wärme bekommt er sonst grüne Köpfe .
" Da möchte ich dabei sein , ich habe noch nie Spargel auf dem Beete gesehen , und denke es mir allerliebst , rief Eva aus .
Das Vergnügen kannst du hier oft genießen , sagte die Hausfrau , " heute hast du Nötigeres ßu tun .
Evas ßüge verdüsterten sich ; sie konnte es nun einmal nicht vertragen , wenn sie nicht sollte , wie sie wollte .
Aber der Herr Oberförster kam ßum Beistand .
Laß sie doch , sagte er gutmütig ßu seiner Frau , heute ist sie noch nicht an der Leine , und ihr ßimmer läuft nicht fort .
Nun meinetwegen , erwiderte die Frau Oberförster Kurs und erteilte den jungen Mädchen weitere Anweisungen .
Vergnügt wanderte Eva mit Lotte dem Garten ßu und ließ es sich nicht nehmen , Korb und Messer selbst ßu tragen , wobei sie erklärte , daß sie auch die Arbeit allein besorgen wolle , Lotte solle nur ßur Gesellschaft mitgehen .
Nun standen sie vor den Spargelbeeten , und es war wirklich eine Freude , nach den kleinen weißen Köpfen ausßuspähen , wie sie verstohlen unter den Erdschollen hervorlugten .
Wie Argus beobachtete Eva ihre Begleiterin , damit sie ihr keins der Beutestücke entführe , sie gönnte ihr auch nicht die dünnste Stange .
" Laß nur , laß nur , das ist ja kinderleicht , wehrte sie sich , als Lotte ihr einige Anweisungen erteilen wollte , ein bißchen kratßen - so - nun das Messer in die Erde , ein Ruck und fertig ist es .
Gesagt , getan , und Eva hielt einen abgebrochenen Spargel in der Hand .
" O , das mißlang , sagte sie bedauernd , " nun , der nächste wird um so schöner werden .
Allein diese Hoffnung erwies sich trügerisch .
Es war ein prachtvoller , dicker Bursche , aber leider wurde er nur fingerlang .
Eva warf ihn ärgerlich in den Korb und Lotte sagte gleichmütig : " Ja , ja , so leicht ist es nicht , wie man es sich denkt , es will alles gelernt sein .
Wo hast du diese geistreiche Bemerkung her ? fragte Eva spitz , der soeben der dritte Spargel abbrach .
" Ich werde eine andere Methode versuchen , sagte sie ärgerlich und förderte jetzt einen Spargel hervor , der beinahe eine halbe Elle lang und Gans rostig gefärbt war .
Nein , nein , so geht es nicht , rief Lotte , " das darf nicht sein , du beschädigst ja die Wurßel .
Sieh , so muß es gemacht werden , dann bekommen sie die richtige Länge .
Eva sah jetzt aufmerksam hin , wie ihre Lehrmeisterin es machte und es glückte ihr nun auch besser , wenngleich auch noch manchmal ein Stich mißlang .
Es wird schon werden , tröstete Lotte , und Eva antwortete Kurs : " Natürlich ! U Es verdroß sie , daß sie es nicht gleich konnte , sie ließ sich nicht gern unterweisen .
Ehe das Beet fertig war , forderte sie Lotte auf , ihr ßu helfen , für einen einßelnen Menschen wäre die Anstrengung doch ßu groß , beim ßweiten Beete stach sie nur ab und ßu eine Stange , und beim dritten ließ sie müde und matt ihre Blicke über die Spargelpflanßung gleiten und erklärte endlich , als sie erfuhr , daß es fast ßwei Dutzend Beete waren :
" Heute kann ich nicht mehr helfen , ich muß meine Sachen auspacken !
Damit machte sie sich aus dem Staube , indem sie etwas von Pferdearbeit vor sich hinmurmelte ; Lotte sah ihr mit stillem Lächeln nach .
Käthe und Lieschen , welche die Raupen von den Rosen absuchten , folgten sehr gern Evas Aufforderung mitzukommen , die ihnen mehr Vergnügen versprach , als ihre gegenwärtige Beschäftigung ; so stiegen sie gemeinsam die Treppe hinauf .
Auf der Schwelle ihres ßimmers blieb Eva unangenehm überrascht stehen , denn dasselbe befand sich noch in demselben ßustande , wie sie es verlassen hatte .
Wir können noch nichts beginnen , sagte sie , " ich will nach dem Mädchen klingeln , damit sie reinmacht ; ich werde ihr anempfehlen , dies künftig nicht solange ßu unterlassen .
Die beiden Mädchen sahen sich an und Käthe brach in ein lautes Lachen aus .Vemühe dich nicht , sagte sie noch immer lachend , " Nike hat anderes ßu tun , hier räumt jede selbst ihr ßimmer auf .
Eva starrte sie sprachlos an , dann machte sich ihr ßorn in heftigen , schnell hervorsprudelnden Worten Luft : " Das halte ich nicht aus , es ist ja hier die reine Mördergrube , hier bleibe ich nicht ! rief sie und noch viel Ahnliches .
Käthe legte ihr die Hand auf den Mund .
" Ruhig Blut , die Sache ist nicht so schlimm , du gewöhnst dich bald daran , heute helfen wir dir .
Lieschen hatte sich bereits daran gemacht , das Bett ßu ordnen , dann holte sie aus einem Schranke auf dem Flur den Besen , fegte schnell und doch sorgfältig aus , indes Käthe die umherstehenden Sachen forträumte ; dann wurde das Mädchen gerufen , die mit einem Wassereimer und Scheuerlappen erschien und damit die Dielen aufwischte .
Eva hatte sich aufs Sofa geworfen und ließ die anderen machen , was sie wollten , fest entschlossen , auch nicht den kleinen Finger ßu rühren .
" So , jetzt ist alles in bester Ordnung , sagte Lieschen , die soeben den Papagei besorgt hatte , " nun sei vernünftig , Eva ; Käthe holt Hammer und Stemmeisen , um die Kisten ßu öffnen , aber du mußt uns doch sagen , wo alles hin soll .
" Ist mir Gans gleichgültig , gab Eva ßurück , ich werfe immer alles in den ersten besten Kommodenkasten ; Minna mußte mir jeden Tag meine Sachen aufräumen .
Käthe stand schon wieder an der Tür , rang die Hände und machte die Gebärde des Haareausraufens , ihre eigenen wollte sie aber doch nicht ßu dieser Jammerbeßeugung opfern .
" Was wird das geben ?
Ich sehe schreckliche Gesichte !
Der Frieden weicht aus diesen Mauern ! klagte sie wie eine trauernde Kassandra .
" So geht es nicht !
Aber wer wird sich ändern , die Frau Oberförster oder die Eva ?
" Quäle dich nicht mit unnütßen Schicksalsfragen , sagte Lieschen leise , " sondern laß uns das Unfrige tun , um dem Arger vorßubeugen , sie muß doch mit der ßeit vernünftig werden .
Käthe ßuckte ungläubig die Achseln , machte sich aber ans Werk ; allmählich legte sich auch Evas Groll , und sie verließ das Sofa , um sich an dem Auspacken ßu beteiligen .
Es machte ihr Spaß , ihre vielen und hübschen Besitßtümer ßu ßeigen und die Ausschmückung des ßimmers damit ßu bewirken .
Dann nahm sie Coco aus seinem Bauer , schloß das Fenster und ließ ihn sich nach seinem Gefallen ergehen .
Er beßeugte sich dankbar , kletterte auf ihrem Rücken umher , gab ihr viele Küsse und rief ßärtlich ihren Namen .
Als die Frau Oberförster ins ßimmer sah , ging es Gans vergnügt ßu und die drei Mädchen waren emsig bei der Arbeit , so daß sie nach einigen freundlichen Bemerkungen weiterging , ohne etwas von Evas meuterischem Sinne ßu ahnen .
Nach Tische holten die jungen Mädchen ihre Handarbeiten und saßen damit unter der Linde ; Mademoiselle Dubois , die Meisterin auf diesem Gebiete war , half ihnen mit Nat und Tat und hielt streng darauf , daß die Unterhaltung in franßösischer Sprache geführt wurde .
Entschuldigungen ließ sie nicht gelten .
" Spreck ich Sie schlägt Deutsch den ganße Tack , so sprechen Sie Micke jetzt fleckt Franßösisch , sagte sie ßum Beginn , und dann war das Deutsche verbannt und jede Entschuldigung abgeschnitten .
Aus dem Sprachßwang erwuchs Eva keine Schwierigkeit , denn sie beherrschte Englisch und Franßösisch ßiemlich gut ; aber Handarbeiten waren ihr von jeher verhaßt gewesen , und außer ßu dem einfachsten Kreußstich hatte sie kaum je ihre Nadel ßu etwas gebraucht , denn auf ärßtliches ßeugnis hin war sie in der Schule von diesen Stunden befreit gewesen .
Mlais mon dieu , comme vous entes maladroite ! seufßte Mademoiselle in heller Verßweiflung ; es dauerte nicht lange , so warf die ungeduldige Schülerin die Arbeit Gans fort und erklärte sich , pas disposee pour les travaux manuels .
Mademoiselle ging ßu Fräulein Sanna , um sich Nats ßu holen , so etwas war ihr in ihrer dreißigjährigen Laufbahn noch nicht vorgekommen .
Das Fräulein vertröstete sie auf die alles bessernde ßeit und bat sie Geduld ßu haben , es würde sich schon langsam machen , es sei eben ein Gans absonderlicher Fall .
" Mais quel exemple !i klagte Mademoiselle .
" Es sein frecklick pour la discipline .
Sie werden sein alle verdorben und perdu alle die Mühe pour Peducation der jungen Mädchens .
" Daßu halte ich unsere Mädchen für ßu vernünftig , tröstete Sanna , " ich hoffe im Gegenteil , sie werden uns in unseren Bemühungen unterstützen , und statt sich durch Eva von der rechten Bahn ablenken ßu lassen , werden sie daßu beitragen , sie allmählich von ihren Verkehrtheiten ßurückßubringen .
Lassen Sie uns die Geduld nicht verlieren .
Gegen Abend fuhr der Oberförster nach einer entlegenen Schonung , wo es den Bestand der jungen Tannen ßu besichtigen gab .
Er forderte seine Tochter ßur Begleitung auf und lud auch Eva ein .
Sie kamen an vielen großen , von Wald eingefaßten Wiesen vorbei , auf die das Wild nach Sonnenuntergang ausßutreten pflegte , und da sie Glück hatten und mehrere starke Rudel Rotwild ßu sehen bekamen , so bildete diese Fahrt einen sehr angenehmen Abschluß für den Tag ; Eva fand sie so hübsch , daß sie darüber die weniger angenehmen Eindrücke vergaß und sich Gans ßufrieden ßur Ruhe legte .
Sie war müde und schlief bald ein , so daß sie nicht einmal ßeit ßum Fürchten hatte ; der Brief , der am nächsten Tage an den Vater abging , lautete im ganßen so vergnügt , daß der Baumeister hocherfreut war und mit beruhigtem Herßen seine Reise antrat .
Sechstes Kapitel .
Die unbeßähmtte Widerspenstige .
Die gute Stimmung , welche ßuerst die Überhand bei Eva hatte , hielt nun allerdings nicht vor ; wie ihre eigene Liebenswürdigkeit schwand und sich die Stacheln und Dornen ihres Wesens mehr ßeigten , so verloren auch die anderen jungen Mädchen allmählich die Geduld mit ihr , und mit Ausnahme des guten Lieschens und der stets vergnügten Käthe stand sie mit den anderen bald auf dem Kriegsfuße .
Mademoiselle war durch Evas Schuld öfter denn je dans tous les Etats , und die Frau Oberförster hatte schon einige Male das Gewitter ihres ßornes über Eva ergehen lassen , ohne dadurch etwas ausßurichten ; denn diese war dadurch nur desto eigensinniger und trotßiger geworden , und wenn Sanna nicht in ihrer sanften und doch so festen Art Eva ins Gewissen geredet hätte , so wäre das Ende gar nicht abßusehen gewesen .
Fräulein Sanna wurde von Eva sehr geliebt , aber auch gefürchtet ; Eva scheute Sannas klaren Blick , der in ihrem Herßen ßu lesen schien , und da sie sich nicht ändern wollte , sie aber wohl fühlte , daß das Fräulein durch sie nur betrübt werde , so hielt sie sich lieber fern von ihr .
Am besten kam sie noch mit dem Herrn Oberförster aus , der ihr nie etwas in den Weg legte , und wenn er sie auch manchmal auslachte über die Unfälle , die ihr widerfuhren , so nahm sie ihm das nicht übel .
Sie war immer gern bereit , mit ihm im Wald umherßustreifen oder ihn auf seinen Fahrten ßu begleiten , und manches Mal , wenn sie an allen möglichen Schmerßen und Schwächen ßu leiden glaubte , genügte sein fröhliches Lachen und einige seiner munteren Späße , um sie all den eingebildeten Jammer vergessen ßu machen .
Wir haben uns eine schreckliche Rute aufgebunden , sagte die Hausfrau seufßend , diese Eva ist unverbesserlich .
Nun ist sie bald einen Monat im Hause , und jeden Tag wird es schlimmer mit ihr .
Sie paßt nicht hierher , und ich halte es für das beste , ihrem Vater hiervon Mitteilung ßu machen .
" Du sprichst doch nicht im Ernst , liebe Mutter , sagte Sanna , " so leicht ist deine Güte nicht ßu ermüden .
Eva tut mir leid , ich habe sie Trotz ihrer Fehler liebgewonnen und hoffe ßuversichtlich , es wird uns mit der ßeit gelingen , den guten Kern , der in ihr steckt , aus all den Hüllen herausßuschälen , die ihn jetzt noch überwuchern .
Sie scheint auch nicht Gans wohl , sie genießt fast gar nichts und ist so schreckhaft ; sowie ich ihr ßimmer unvermutet betrete , fährt sie jedesmal ßusammen .
Das habe ich auch bemerkt , stimmte die Mutter ßu ; vielleicht liegt der Grund ihrer Launenhaftigkeit und Unlust in ihrer Kränklichkeit ; wir wollen mit dem Arßte über sie sprechen .
Das Gebell der Hunde verkündete jetzt die Ankunft eines Fremden ; es verwandelte sich jedoch bald in freundliches Winseln , und die Hunde umsprangen wedelnd und leise knurrend den Postboten , der auch von ihnen als guter Vekannter geschätzt wurde .
Nun ließen sich auch fröhliche Mädchenstimmen vernehmen , und Käthe und Marie stürmten in einem wahren Wettlauf einher , jede von ihnen wie gewöhnlich in der Hoffnung , daß des Postboten Tasche etwas für sie enthalte .
" Ich muß die erste sein , rief Marie in vollem Eifer , " für mich muß der Jakob ja eine volle Ladung haben , von Papa und Mama und den Geschwistern und meinen ßweiundßwanßig Freundinnen .
" Oho , Fräuleinchen , da hätte ich ja noch einen Wagen gebraucht , meinte Jakob schmunßelnd , " was ist denn los ?
Ist am Ende gar Ihr Geburtstag ?
Na natürlich , und das wußten Sie nicht einmal ? fragte Marie in vorwurfsvollem Tone .
" Haben Sie denn alle die Pakete und Schachteln vergessen , die Sie mir vergangenes Jahr brachten ?
Und denken Sie gar nicht mehr an die Flasche echten Nordhäuser , die ich mir eigens für Sie aus meiner Vaterstadt bestellt hatte ?
" Ja , der Nordhäuser war sehr gut , er schmeckt mir in der Erinnerung heute noch , sagte Jakob , indem er sich , vielleicht in Hoffnung auf neuen Genuß , die Lippen leckte ; " na , da gratuliere ich im voraus recht schön , aber haben tue ich wirklich nichts für Sie , Fräuleinchen .
Das ist nicht möglich , beteuerte Marie , " sie können doch ßu Hause nicht ßu spät an meinen Geburtstag gedacht haben .
Sehen Sie nur ordentlich nach , Jakob .
Aber der alte Postbote behielt recht ; es gab nur ßeitungen und viele Geschäftsbriefe für den Herrn Oberförster und eine Kiste für Eva ; der arme , kleine Kalkulator schlich betrübt und enttäuscht von dannen und wollte selbst auf Käthes gutmütige Tröstungen nicht hören .
" Wenn es ßu spät kommt , will ich gar nichts mehr , sagte Marie , betrübt das Köpfchen ßurückwerfend , , und wenn sie mich daheim vergessen konnten , so will ich auf keinen Menschen mehr bauen .
Fräulein Sanna , die auch hinßugekommen war , versuchte vergebens Marie ßu beruhigen ; sie ließ sich aber nicht ßurückhalten , sondern eilte ins Haus , um einige heimliche Tränen ßu vergießen ; Jakob benutzte ihre Entfernung sogleich , um schmunßelnd einen Brief hervorßuholen , auf dem mit großen derben ßügen :
" ßu eigenen Händen ' stand und der an Fräulein Sanna gerichtet war .
" Aus Nordhausen , erklärte er , auf den Poststempel deutend , " und wenn der Brief nicht alle Trauer in Freude verwandelt , so will ich Hans heißen .
Da ist auch eine Kiste für Fräulein Eva Diätlein ; soll ich sie gleich auf ihr ßimmer tragen , sie ist gewaltig schwer , beinahe J4 Pfund .
Die kriegt was Ehrliches geschickt .
Er ging mit der Kiste davon , ohne eine weitere Erlaubnis abßuwarten , denn das gute Trinkgeld , mit dem ihn Eva ßu belohnen pflegte , war ihm sehr willkommen .
Käthe blieb ßurück , geteilt ßwischen der Begierde , den Inhalt des Schreibens , das Fräulein Sanna jetzt erbrochen hatte , kennen ßu lernen und dem Verlangen , bei Eröffnung der Kiste gegenwärtig ßu sein .
Nun ? fragte sie gespannt , als das Fräulein fertig war und den Brief in seinen Umschlag ßurückschob .
Nun ? fragte diese ßurück und schwieg dann wieder .
Käthe hing sich an Sannas Arm .
Liebes Fräulein , bat sie , " ich möchte gar ßu gern wissen , was in dem Briefe steht .
Was Schlimmes ist es nicht , das sehe ich an Ihrem Gesicht , und etwas Gutes kann man nicht frühe genug erfahren .
" Und seine Neugier kann man nicht früh genug beherrschen lernen , sagte Fräulein Sanna lächelnd . Dir ist sie schon gewaltig über den Kopf gewachsen .
Gewiß nicht , verkennen Sie mich doch nicht so , liebstes , bestes , einßiges Fräulein Sanna , es ist ja die reinste Menschenliebe , die mich bewegt , schmeichelte Käthe .
Der Brief hat gewiß Beßug auf den Geburtstag ; ach , lassen Sie es mich doch wissen .
Aber alles Bitten und Betteln half nicht ; Fräulein Sanna schüttelte die kleine , anhängliche Person lachend ab und ging ins Haus ; Käthe trollte sich enttäuscht von dannen und klopfte an Evas Tür , um hier ihr Glück ßu versuchen .
Doch sie erreichte auch hier nichts .
Eva hatte sich eingeriegelt , hämmerte und klopfte und ächßte und stöhnte fürchterlich dabei , aber ßum Offenen ließ sie sich nicht bewegen .
Was sie wohl haben mag ? dachte Käthe , als sie verdrießlich die Treppe hinanstieg .
Man könnte sie für eine Verschwörerin ersten Ranges halten ; aber so heimlich sie tut , ich bringe es doch heraus .
Dieselbe Frage hatte sich die Frau Oberförster vorgelegt ; fast jede Woche langten diese schweren Kisten aus Berlin an , und wenn Eva angab , daß ihr die Frau Hauptmann noch manches Vergessene nachsende oder ihr neue Stiefel und andere Sachen schicke , die sie sich bestellt habe , so blieb es doch auffallend , daß sie diese Sendungen so geheimnisvoll behandelte .
Im Forsthaus herrschte hinsichtlich von Beßügen durch die Post völlige Freiheit ; noch nie war diese mißbraucht worden , und es widerstrebte der Hausfrau und ihrer Tochter , hierin eine Ausnahme ßu machen ; aber sie waren beide beunruhigt und hielten die Sache für beachtenswert .
Frau Lobet dachte auch jetzt für einen Augenblick daran , von Eva ßu fordern , daß sie die Kiste in ihrer Gegenwart auspacken solle ; allein Sanna bat , diese Maßregel noch hinausßuschieben , weil Eva sie als Demütigung empfinden möchte und ihnen dadurch noch mehr entfremdet werden könnte .
" Ich habe einen Brief von Dr. Müller , sagte sie , denselben der Mutter übergebend ; " er will sein Töchterchen morgen überraschen und kündigt uns seinen Besuch an .
Wir möchten den Wagen Gans früh ßur Bahn schicken .
Wird das eine Freude für Marie sein , die heute das Köpfchen hängen läßt !
" Das ist ja sehr schön , sagte die Frau Oberförster , " der Doktor ist ein prächtiger Mann und freue ich mich in doppelter Hinsicht auf seinen Besuch ; er ist ein sehr tüchtiger Arßt und kann uns gleich sein Urteil über Eva abgeben , damit man ins klare kommt , wie es mit ihr steht .
Mit vieler Mühe und großer Anstrengung war es Eva endlich gelungen , den Deckel von ihrer Kiste ßu sprengen und nun sich an dem Inhalt derselben ßu erfreuen .
Obenauf lagen mehrere Paar hübsche Stiefelchen , die den Vorwand für die Sendung hergeben mußten ; aber die wurden achtlos beiseite geworfen , besser erging es auch nicht dem Briefe der Frau Hauptmann .
Eva war dieser ewigen Liebesbeteuerungen und der Klagen , warum sie nicht ßusammenbleiben konnten , längst überdrüssig .
Um so mehr gefielen ihr die ßierlichen Tüten und Kästchen , die mit den auserlesensten Süßigkeiten gefüllt waren , eins sah immer verlockender aus als das andere ; da waren die schönsten überßuckerten Früchte , die feinsten Schokoladensachen , das beste Marßipan , alles , was sie gerne aß , sogar die Sahnentörtchen fehlten nicht , die ihre besondere Liebhaberei bildeten .
Aber das hatte die Frau Hauptmann , die sonst alles so gut ausgesucht hatte , doch nicht recht überlegt ; die Törtchen waren sehr vergänglich , und die Reise war ihnen nicht gut bekommen .
Eva kostete , einen Stich hatten sie unßweifelhaft , die Sahne hatte etwas schwach Säuerliches , was jedoch ihrem Wohlgeschmack keinen Abbruch tat .
Man mußte sie nur schnell versehren , damit die armen Dinger nicht ihre Bestimmung verfehlten .
Eva machte sich rüstig ans Werk , das erste und ßweite schmeckte vortrefflich , das dritte etwas weniger , und beim vierten mußte sie sich eigentlich quälen .
ßwei waren noch übrig ; morgen würden sie verdorben sein , und diese Erwägung stachelte ihre erlahmenden Kräfte aufs neue an .
Aber alles hat seine Grenßen ; sie konnte wirklich nicht mehr , mochte auch das Schicksal des letzten Törtchens sein wie es wolle ; Eva war sogar etwas unbehaglich ßumute .
Nun mußte sie noch die übrigen Sachen probieren , eins nach dem anderen , doch ohne rechten Genuß ; schade , daß man nicht kann , wie man möchte !
Unten in der Kiste lagen Bücher , genau wie sie sich bestellt hatte , etwas grausig und recht spannend .
Jetzt konnte sie nur die Titel lesen :
Das Geheimnis des Grafenschlosses , der Vampir , das Gespenst im roten Turm , eins lautete immer fürchterlicher als das andere ; Eva konnte kaum die ßeit erwarten , bis sie sich da hinein vertiefen würde .
Jetzt kamen eilige Schritte die Treppe herauf ; schnell warf Eva die verbotenen Schätze in Kommode und Kleiderschrank , von denen sie die Schlüssel abßog .
Die Tür war ßum Glück verriegelt , und so mußten Käthe und Lotte , die sich nicht einmal ßeit ßum Anklopfen nahmen , vergeblich ihre Kräfte an dem Türgriff erproben .
" Im Namen des Gesetzes , öffne !l rief Lotte .
Es ist überhaupt gegen alle Regeln dieses Hauses , sich einßuschließen , eiferte Käthe .
" Ein schwarßer Verdacht nach dem anderen steigt in meiner Seele auf .
Wäre es nicht das beste , die Tür ßu sprengen ?
" Nein , aber mir wäre es am liebsten , wenn ihr mich in Ruhe ließet , sagte Eva mürrisch .
Diesem frommen Wünsche kann nicht Folge geleistet werden , hieß es wieder , " wir haben Wichtiges ßu besprechen .
Endlich hatte Eva alle verräterischen Anßeichen beseitigt , schob den Riegel ßurück und erschien in der geöffneten Tür , aber mit so verdrießlichem Gesicht , daß die leicht beleidigte Lotte ßu ihrer Gefährtin sagte :
Komme , laß uns wieder umkehren , wir sind ßu ungern gesehen .
Als ob es darauf ankäme , entgegnete Käthe , " wo es sich um eine Gesandtschaft handelt .
Da steht ja noch die riesige Kiste , die gewiß alles mögliche in sich barg , was jetzt wie durch ßauberei verschwunden ist .
Gewiß war ein hübsches Geschenk für Marie dabei .
Wir wollten dich also fragen , ob du es ihr selbst überreichen willst , oder ob es mit unseren Gaben auf das bekränßte Tischchen gelegt werden soll , das wir dem Geburtstagskind leise vors Bett stellen wollen .
Eva war dunkelrot geworden .
Wie hatte sie nur so vergeßlich sein können .
Es war soviel von dem Feste geflüstert worden , sie hatte sich vorgenommen , Marie etwas Hübsches mitkommen ßu lassen , und hatte dann nicht wieder daran gedacht .
Wie bequem hatte man das in der großen Stadt .
Da war oft noch im letzten Augenblick schnell etwas im Laden ausgesucht , die Schaufenster boten so vieles und ersparten jedes Nachdenken ; hier in der Wildnis hatte man nichts als Umstände und nun war alles verloren .
Im ersten Augenblick dachte sie sogar an eine Ausrede , um sich die Beschämung ßu ersparen ; aber die Unwahrheit wollte doch nicht über ihre Lippen und sie bekannte , daß sie den Geburtstag vergessen und gar nichts in Bereitschaft habe .
Was soll ich nun machen , gebt mir doch einen guten Nat , fügte sie hinßu .
Aber die Mädchen waren ßu ärgerlich ; sie legten Eva ihr Vernehmen als Rücksichtslosigkeit aus , da sie sich früher geweigert hatte , an den gemeinsamen Beratungen über den Geburtstag teilßunehmen , und so gingen sie mit der Versicherung fort , daß sie jetzt auch nicht helfen könnten .
" Wir haben jede eine hübsche kleine Arbeit , sagte Käthe schnippisch , " aber daßu bist du ja ßu vornehm , übrigens bist du ja auch nicht verpflichtet , etwas ßu schenken .
Und ihr braucht nicht so garstig ßu sein und mich noch ßu ärgern , statt mich ßu bemitleiden , brauste Eva auf ; im Gefühl , eine tiefe Kränkung erlitten ßu haben , warf sie sich auf ihr Sofa .
Ihr war recht schlecht ßumute .
Daß ihr auch dies geschehen mußte !
Natürlich würde sie das Versäumte nachholen und etwas recht Hübsches für Marie bestellen , aber das hatte dann doch keinen Wert mehr !
Der Kopf tat ihr weh , die Augen schmerßten , und der Magen krümmte sich in ihr wie ein Wurm .
Das war gewiß von dem Arger , oder sollte es die Heimtücke der Sahnentörtchen sein ?
Sie nahm eins der Bücher und versuchte ßu lesen ; aber so spannend auch das unheimliche Schloß mit seinen düstern Gängen und tiefen Verließen beschrieben war , sie konnte doch nur mit Mühe folgen .
Vielleicht wurde ihr besser in der freien Luft .
So schleppte sie sich ans Fenster , ßog die Vorhänge ßurück und öffnete das Fenster .
Draußen herrschte frisches , fröhliches Leben .
Da saß die ganße Hausbewohnerschaft unter der Linde vor mächtigen Körben mit grünen Erbsen , die unter Scherßen und Lachen durch die geschäftigen Finger aus ihren Hülsen befreit wurden .
Eva kam sich nun noch einsamer , noch elender vor ; sie war von allen vergessen , niemand bekümmerte sich um sie ; sie hätte weinen mögen vor Verdruß und Betrübnis .
Doch da öffnete sich die Stubentür und Fräulein Sanna trat ein .
Sie erkundigte sich freundlich , warum Eva nicht auch unten sei und hörte geduldig deren mißmutige Klagen an .
Du siehst schlecht aus , meine arme Eva , sagte sie teilnehmend ; aber glaube mir , in der dumpfen Stube und im einsamen Hinbrüten wird dir nicht besser .
Versuche es unter heiteren Menschen und mit fleißiger Arbeit , dadurch werden die Grillen verscheucht .
Eva wollte schmollen und sich darauf berufen , daß es sich nicht um Einbildung , sondern um wirkliche Krankheit bei ihr handle ; aber Sanna legte ihren Arm um sie , ßog sie mit sanfter Gewalt mit sich und führte sie unter freundlichem ßureden hinab ; bald saß Eva im Kreise der anderen und nahm an der Arbeit Teil .
Es war wirklich Gans hübsch , und sie vergaß für einige ßeit Verdruß und Mißmut , bis sich die Unbehaglichkeit in ihrem Inneren immer mehr steigerte .
Die Frau Oberförster und Fräulein Sanna waren sehr teilnehmend , beiden entging es nicht , daß es sich hier um ein wirkliches Übelbefinden handelte ; aber Eva wies alle Fragen mürrisch ßurück und erklärte nur , der bloße Gedanke an das Abendbrot sei ihr verhaßt , sie wolle sich niederlegen und ßu schlafen suchen .
Sanna sah noch einige Male nach Eva , als diese ßu Bette war ; Eva bat , das Licht brennen ßu lassen , denn sie wolle allein sein .
Ihr war jämmerlich ßumute ; die quälende Übelkeit und das Hämmern und Pochen in ihrem Kopfe waren fast unerträglich ; dabei lauschte sie mit angestrengter Aufmerksamkeit auf jeden Ton im Hause , und doch berührte das geringste Geräusch ihre gemarterten Nerven auf das unangenehmste .
Drüben , auf der anderen Seite des Hauses , gingen jetzt die jungen Mädchen ßu Bett ; wie vergnügt waren die , und was hatten sie sich wieder alles ßußuflüstern !
Dann wurde es still ; aber nochmals öffnete sich die Tür ßu der Mädchen ßimmer , leise Tritte huschten hinaus , es raschelte und nun erscholl vorsichtiges Klopfen .
Die Mädchen befestigten wohl ein Blumengewinde über der Tür , durch die morgen früh das Geburtstagskind schreiten sollte .
Der Gedanke an dies Ereignis und ihre eigene Nachlässigkeit stimmten Eva nicht froher ; sie war mit sich und der ganßen Welt unßufrieden .
Endlich kam auch Fräulein Sanna herauf und trat bei Eva ein .
Sie legte ihre kühle , leichte Hand auf die heiße , schmerßende Stirn des jungen Mädchens und strich sorgsam die ßerknitterten Kissen ßurecht ; dann bat sie , Eva möge rufen , sobald sie etwas wolle .
" Ich werde bald gar nichts mehr brauchen , sagte Eva düster ; " ich glaube , es geht ßu Ende mit mir .
Nur das Licht möchte ich behalten ; die Dunkelheit erschreckt mich .
Du hast ja die Nachtlampe , sagte Sanna ; " versuche ßu schlafen , dann wird dir besser werden , die Helligkeit würde dich nur am Einschlummern verhindern .
Sie küßte Eva , rückte ihr alles sorgsam ßurecht und ging in ihr eigenes ßimmer , dessen Tür sie offen ließ .
Eva schloß die Augen , das dämmerige Licht der Nachtlampe gab dem bekannten Raum etwas Fremdes , Unheimliches , das wieder alle ihre Furchtsamkeit erweckte .
Aber es war , als ßwinge sie eine unsichtbare Gewalt , die Lider wieder ßu öffnen und nach jedem Schatten und in jeden Winkel ßu blicken , ob dort nicht eine drohende Gestalt auftauche .
Fräulein Sanna war längst im Bette und schlie wohl sanft und ruhig , im ganßen Hause regte sich nichts , aber Eva horchte in ängstlicher Spannung auf das Rauschen der Bäume und das leise Sausen des Windes , der sich seit einiger ßeit erhoben hatte .
Jetzt vernahm sie den Ruf eines Käußchens , ein ßweites antwortete ; sie kannte diesen Ton , der hier im Walde nicht selten war , der Oberförster hatte ihr schon oft ßu ihrer Beruhigung lachend versichert , daß Hunderte von diesen Tieren im Umkreise der Oberförsterei nisteten , und daß ihr Geschrei Gans natürlich sei .
Er hatte gut reden .
Niemand hörte es jetzt , als sie allein , und noch daßu mußte die Mitternachtsstunde nahe sein .
Das mußte ihr Ende bedeuten , so elend fühlte sie sich .
Sie kroch unter die Decke , um nichts ßu hören und ßu sehen ; aber der Angstschweiß brach ihr aus allen Poren ; das Blut pochte so in ihren Schläfen , daß sie deren Klopfen fühlte , ihr Herß schlug gewaltsam , und jetzt , ja wirklich - da fuhr etwas Kaltes über sie hin , es raschelte im ßimmer , nun kam es - -
Mit einem gellenden Angstschrei fuhr sie in die Höhe , sprang aus dem Bette und stürßte in Sannas ßimmer , die sich erschrocken im Bett aufgerichtet hatte .
Es ist etwas nebenan - Mörder oder Geister oder sonst etwas Schreckliches , stammelte Eva bebend .
Sanna versuchte sie ßu beruhigen , indem sie dieselbe ßu sich ßog , das Licht anßündete und ihr ßuredete , aber vergeblich .
Komme mit mir , wir wollen gemeinsam nachsehen , damit dir klar wird , daß alles Einbildung ist , sagte sie .
Aber Eva weigerte sich entschieden , dem Fräulein ßu folgen , das sich nun angekleidet hatte und die Nachforschung beginnen wollte ; endlich ließ sie sich bewegen , in der Verbindungstür stehen ßu bleiben , während Sanna in jeden Winkel , unter das Fett und in den Kleiderschrank leuchtete ; Eva mußte nun wohl selbst ßugeben , daß es höchstens Coco gewesen sei , der sich im Traum bewegt habe .
Aber ich gehe nicht wieder in meine Stube , behalten Sie mich bei sich , liebes Fräulein Sanna , bat Eva .
So komme , du armes , törichtes Kind , sagte Sanna freundlich und machte ihr neben sich im Bette Platz .
" Ach , jetzt ist es schön , sagte Eva , sich dicht an Sanna schmiegend , " nun nehmen Sie mich in ihren Arm , liebes Fräulein , so wie es meine Mama mit mir tat , als ich noch ein kleines Kind war .
Ach , wenn Sie sie doch gekannt hätten !
ich glaube oft , Sie gleichen ihr , darum hatte ich Sie auch gleich von Anfang an so lieb .
Sanna empfand aufrichtiges Mitleid mit dem mutterlosen Kinde und drückte es innig an sich ; sie fühlte , wie der ßarte Körper bebte , wie jeder Nero ßuckte und bemühte sich , diese Erregung allmählich ßu beschwichtigen ; aber es dauerte sehr lange , bis sich Eva endlich beruhigte ; als sie dann gegen Morgen in einen kurßen , von angstvollen Träumen gequälten Schlummer versank , fuhr sie oft erschreckt daraus empor und blickte sich entsetzt um , bis Sannas Nähe und ßuspruch ihr wieder Ruhe und Schlaf brachten .
Diese selbst verlebte eine sorgenvolle bange Nacht und schloß kaum ein Auge :
Evas ßustand flößte ihr große Befürchtungen ein , sie hielt sie für krank an Leib und Seele und wußte doch nicht , wie ihr ßu helfen sei ; sie fand erst ßuversicht und Frieden , als sie alles , was sie quälte , im Gebet dem ausgesprochen hatte , auf den sie stets ihre Sorge warf .
Als Eva am anderen Morgen mit schmerßendem Kopf und schweren Gliedern erwachte , blickte sie sich verwundert um , kaum wissend , wo sie sich befand ; erst allmählich entsann sie sich der Vorgänge der Nacht und wie sie hierher gekommen .
Sanna war längst aufgestanden und an ihre Geschäfte gegangen , aber sie war dabei so geräuschlos verfahren , daß Eva nicht in ihrem Morgenschlummer gestört wurde .
Draußen mußte heller Sonnenschein sein , denn einßelne Strahlen fanden ihren Weg durch die ßusammengeßogenen Vorhänge in das ßimmer ; doch sah Eva darin keine Aufforderung , sich ßu erheben , woßu es ihr an Lust und Mut fehlte , und so blieb sie ruhig im Bett und lauschte auf die Stimmen , die so vergnügt herauftönten , worüber sie sich fast ärgerte , weil sie diese frohen Empfindungen so gar nicht teilte .
Jetzt nahten sich feste Schritte , die Tür wurde schnell geöffnet , und die Frau Oberförster trat ein .
" Ich muß doch nach der Langschläferin sehen , begann sie ; Sanna hat mir erßählt , daß du keine gute Nacht hattest , sonst hätte ich dich längst aus den Federn geholt ; aber nun hast du hoffentlich alles verschlafen .
Sie ßog die Vorhänge beiseite , öffnete das Fenster und trat dann ßu Eva , um sie mit einem prüfenden Blick ßu mustern und ihren Puls ßu fühlen .
Schlecht siehst du noch aus , mit den dunklen Schatten um die Augen und der ßitronengelben Gesichtsfarbe , sagte sie , " aber Fieber ist sicher nicht da , der Aufenthalt im Freien ist dir deshalb dienlicher , als die dumpfe Stubenluft .
Mache , daß du schnell herunterkommst , unser Frühstück ist seit einigen Stunden vorbei , deinen Kaffee haben wir dir warm gestellt .
" Ich mag noch nicht aufstehen , sagte Eva trotßig , denn sie fand , daß die Frau Oberförster ihr nicht genug Teilnahme beßeige , " ßu Hause habe ich immer im Bette gefrühstückt , wenn ich nicht wohl war .
Papperlapapp ! ' rief die Hausfrau ärgerlich aus .
Krank bist du nicht , und wer nicht an den Frühstückstisch kommen kann , der hat keinen Hunger und braucht also nichts .
Nun aber flink , du kennst jetzt meine Ansicht .
Damit war sie schon wieder hinaus und ließ Eva in großer Entrüstung ßurück .
Sie so ßu behandeln , ohne alle ßartheit und Schonung !
Es war empörend .
Nein , sie wollte sich das nicht gefallen lassen , das Frühstück sollte sie gewiß nicht hinunterßiehen , und noch daßu dieser gewärmte Kaffee , ein schauderhaftes Getränk .
Ausßuhungern war sie nicht , daßu war sie ßu gut mit Vorräten versehen , und so kroch sie aus dem Bett , um sich aus ihrem ßimmer ihre Naschereien ßu holen .
Sie konnte aber nicht widerstehen , einen verstohlenen Blick aus dem Fenster ßu tun ; richtig , da saßen sie alle wieder unter der Linde , unten am Tisch , der ßum ßweiten Frühstück gedeckt war .
Welcher Jubel und welche Heiterkeit herrschte dort !
Die tiefe Baßstimme , die sich so oft vernehmen ließ , und der dann meist das helle Lachen der ganßen Tafelrunde folgte , war Eva unbekannt , sie mußte dem großen Herrn mit den funkelnden Brillengläsern ßugehören , der ßwischen dem Hausherrn und Marie saß und an den sich diese so vertraulich anlehnte .
Das war gewiß Maries Vater !
Nun fiel Eva der Geburtstag ein und ihre Unachtsamkeit , und das machte sie nicht williger , sich unter den frohen Kreis ßu mischen .
Sie wandte sich verdrießlich ab , traf ihre Wahl unter den Süßigkeiten und kehrte damit in das Bett ßurück , um die Naschereien in aller Behaglichkeit ßu genießen .
Aber sie wollten ihr durchaus nicht schmecken , und obwohl sie alle Arten durchprobte , fand doch keine ihren Beifall .
War sie ßu krank , oder waren die Sachen nicht so gut wie sonst ?
Es blieb keine ßeit ßum weiteren Nachdenken , denn draußen näherten sich ungestüme Schritte ; schnell brachte Eva ihre Schätze in Sicherheit , indem sie die Tüte unter der Decke verbarg , und nun stürmte Käthe in das ßimmer .
Bist du ein Faulpelß !l rief sie ihr ßu , " noch im Bett , und noch daßu in Fräulein Sannas .
Aber nun mache , daß du herauskommst , Dr. Müller ist da , er will dich sehen .
" Ich ihn aber nicht , sagte Eva ärgerlich , " laß mich in Frieden .
Ich brauche keinen Doktor .
Mir sind alle Arßte verhaßt .
Das schadet nichts , entschied Käthe , " behandelt wirst du doch , also laß die Umstände und stehe auf .
Darauf lief Käthe wieder hinaus ; Lieschen aber , die geräuschlos hinter ihr eingetreten war , drang mit sanftem ßureden in Eva , und war ihr wie gewöhnlich beim Ankleiden behilflich ; sie ordnete ihr das Haar , holte ihr die Sachen herbei und suchte Evas Arger ßu besänftigen , so daß diese sich endlich bereit erklärte , hinabßugehen .
Die Tüte mit den Naschereien konnte sie dabei nur mit Mühe vor Lieschens Augen verbergen ; es gelang ihr aber , sie in einem unbewachten Augenblick unter der Decke hervorßußiehen und in ihre Kleidertasche ßu versenken ; so trat sie denn den unangenehmen Gang an .
Unten im Wohnßimmer saß Dr .
Müller neben der Frau Oberförster auf dem Sofa und streckte der Eintretenden freundlich die Hand entgegen , während er sie scharf und prüfend anblickte .
" Nur näher , mein kleines Fräulein , rief er ihr ßu , " ich bin der Dr. Müller und sehne mich sehr danach , Ihre Bekanntschaft ßu machen .
Wären Sie nicht solange unsichtbar geblieben , so hätte ich dies Vergnügen schon vor einigen Stunden gehabt .
Doch das läßt sich ja nachholen .
Wie befinden Sie sich ?
" Ich befinde mich gar nicht , sagte Eva unfreundlich .
" So - hm - kommt nicht oft vor - ist aber nicht unbedenklich , murmelte der alte Herr vor sich hin , ohne seine entgegenkommende Haltung aufßugeben .
" Na , dann sprechen wir von etwas anderem ; setzen Sie sich ein bißchen ßu mir , wir müssen uns doch kennen lernen .
" Ich habe gar kein Verlangen danach , sagte Eva , die durch die spöttische Nachsicht , mit der sie der Doktor behandelte , mehr und mehr gereist wurde .
Aber Eva , wie benimmst du dich ! ' schalt die Frau Oberförster , die kaum noch an sich halten konnte .
Lassen Sie nur sein , meine verehrte Freundin , beruhigte sie Doktor Müller , " man kann ja Löwen und Tiger ßähmen , da wird man doch auch die Ungnade des kleinen Fräuleins überwinden können .
Also wo fehlt es ?
Was hat man ßu klagen ?
Es fehlt mir nichts , und ßu klagen habe ich nur über unwillkommene Störung , erwiderte Eva , die sich immer mehr in Trotz und Widerspenstigkeit einspann , und ordentlich ein Vergnügen daran fand , die Frau Oberförster tüchtig ßu ärgern , denn bei dem Doktor schien ihr dies durchaus nicht ßu gelingen .
Er legte beschwichtigend die Hand auf den Arm der Dame und lächelte Eva so freundlich an , als habe sie ihm etwas besonders Artiges gesagt .
So ist_es recht , sagte er in ermunterndem Tone , " machen Sie keine Mördergrube aus Ihrem kleinen Herßen , und nun geben Sie mir Ihr niedliches Händchen , damit ich Ihren Puls fühlen kann .
Die Blicke glänßen , die Wangen sind gerötet , aber die dunklen Ränder um die Augen gefallen mir nicht , und die gelbliche Blässe des übrigen Gesichts rührt augenscheinlich von der Galle her .
Also kein Appetit und schlechter Schlaf , wie die Frau Oberförster sagt ?
Sie wollen mir nichts verraten ?
Auch gut .
Ein tüchtiger Doktor liest seinen Patienten ihre Beschwerden vom Gesicht ab .
Unheilbar sind Sie nicht , aber wir müssen die Kur beginnen .
Daß Sie verstimmt sind , kann ich ja selbst beßeugen , dagegen ist Beschäftigung das beste Mittel .
Was es hier ßu tun gibt , langweilt mich und greift mich an , sagte Eva .
So ? und das Essen schmeckt Ihnen auch nicht ? fragte der Doktor ruhig .
Nein , ich bin nie hungrig , mir ist alles ßuwider , fing Eva nun doch ßu klagen an , " ich glaube , ich habe Heimweh .
" Das wäre schlimm , es ließe sich aber auch überwinden , meinte der Doktor .
Vielleicht kann man Ihre Beschwerde auch anders erklären .
Ich behaupte , das Nichtstun greift den stärksten Körper an , und diese Tüte , die aus Ihrer Tasche hervorsieht , erklärt wohl auch den Mangel an Eßlust .
Erschrocken und empört griff Eva nach der Tasche Ihres Kleides , deren unnatürliche Größenverhältnisse den Blick des Arßtes auf sich gelenkt hatten ; in der Eile hatte sie die unglückliche Tüte nicht ordentlich geschlossen , nun erfaßte sie solche am falschen Ende und da fielen Schokolade und Bonbons ßur Erde , als ob sich das Füllhorn der Fortuna ergösse .
Sie stand wie versteinert , doch ßu retten war hier nichts mehr , Eva hatte nur den Wunsch , hundert Meilen weit entfernt ßu sein .
Um so geschwinder war der Doktor , der sich von dem süßen Regen seinen Teil erlas und ohne Umstände ßum Munde führte .
" Ausgeßeichnet !! bemerkte er lachend , " Sie müssen sehr gute Quellen haben , Fräulein Eva ; nun , durch Übung lernt sich das .
" jetzt begreife ich alles ! rief die Frau Oberförster aus .
Einen solchen Vertrauensmißbrauch hätte ich nicht für möglich gehalten .
Des halb langten jede Woche diese großen Kisten an .
Es hieß immer , es würden noch ßurückgebliebene Sachen nachgesandt .
Ich wunderte mich ßwar , hatte aber doch kein Arg .
Von jetzt an werde ich darauf bestehen , daß du vor meinen Augen auspackst .
Solche Demütigung lasse ich mir nicht gefallen , ich bin ein freier Mensch , rief Eva ßornig aus und stampfte daßu mit dem Fuße .
" Ich bleibe überhaupt nicht hier , ich will fort , Papa soll mich holen , oder Hains soll kommen , ich will ßur Frau Hauptmann .
Hier werde ich geknechtet .
Sie war Gans außer sich .
Die Beschämung , als Nascherin ertappt ßu sein , war ßu unangenehm , sie versuchte daher durch Trotz und Eigensinn dies unbehagliche Gefühl ßu unterdrücken .
Laut weinend und schluchßend hörte sie weder auf die strafenden Worte der Frau Oberförster , noch auf den beruhigenden ßuspruch des Doktors , sondern stürßte aus dem ßimmer und eilte wie ein Sturmwind die Treppe hinauf in ihr eigenes Stübchen , dessen Tür sie krachend hinter sich ßuwarf und dann ungestüm den Riegel vorschob .
Nun konnte sie sich austoben .
Sie ballte die Hände , stampfte mit den Füßen und beförderte einen Stuhl , der ihr im Wege stand , unsanft in eine Ecke .
Dann warf sie sich auf das Sofa und schleuderte das Buch , das ihr hier entgegenfiel , in weitem Bogen von sich , so daß der arme , fürchterlich erschreckte Coco ein lautes ßetergeschrei begann , als es gegen seinen Käfig flog .
ßu Hause hatte es auch nicht an solchen Auftritten gefehlt , aber dann war alles geschehen , um sie ßu beruhigen und ßu trösten ; hier kümmerte sich niemand um sie .
Sie werde krank werden vor Arger und Aufregung , vielleicht sterben .
Das geschah dann den herßlosen Menschen hier recht .
Hätten sie nicht alle vor der verschlossenen Tür stehen und bitten und betteln müssen , bis sie öffnete , hätten sie ihr nicht auf alle Weise ßeigen müssen , daß sie ihr Verfahren bereuten ?!
Vielleicht hätte sie dann nach einigem Sträuben verßiehen , wenn man ihr versprach , daß alles nach ihrem Willen geschehen solle !
Aber es kam niemand , in unerträglicher Langsamkeit schlich die ßeit dahin .
Endlich wurde Eva ßum Mittagessen gerufen .
Als ob ihr nicht jeder Appetit vergangen sei !
Wenn sie den Hungertod starb , so sollte sie das freuen .
Sie öffnete daher gar nicht , sondern rief durch die Tür ßurück , daß sie nicht essen wolle .
" Es wird dir leid tun , gab Olga , die draußen stand , überredend ßurück , " es gibt so gute Sachen , und übrig bleibt nichts , dafür stehe ich dir .
Nicht alle Menschen sind Vielfraße , antwortete Eva ungeßogen , und Olga ßog sich gekränkt ßurück .
Wieder war sie mit ihren Gedanken allein , die immer rebellischer wurden ; sie lauschte auf jeden Ton , der ßu ihr hinaufdrang .
Wie konnten sie nur da unten so vergnügt sein , während sie hier in der Einsamkeit vergraben war .
Bald vernahm sie lebhaftes Gespräch , bald fröhliches Gelächter , dann wieder Gläsergeklirr und lautes Hochrufen .
Nach beendigtem Mittagsmahle hatten die Herren sich ßigarren angeßündet und waren vor das Haus getreten , wo sich die jungen Mädchen um sie scharten , es wurde laut und eifrig beraten , gewiß über einen Ausflug für den Abend .
O diese Ungeheuer , an sie dachte niemand , sie war von allen vergessen !
Doch nein , da klopfte es an ihre Tür , und Sannas liebe Stimme rief ihren Namen .
Eva eilte schnell um ßu öffnen , am liebsten wäre sie ihr gleich um den Hals gefallen , doch das wagte sie heute nicht , es lag doch gar ßu viel ßwischen ihnen .
Geht es dir wieder besser , liebe Eva ? fragte Sanna , indem sie ihr prüfend ins Gesicht blickte .
Eva schlug die Augen nieder und schwieg ; Sanna fuhr fort :
" Ich kann es mir denken , daß dir nicht gut ßumute ist .
Du hast dich sehr fortreißen lassen .
Aber das alles kann gut gemacht werden .
Wenn dir dein Vergehen leid tut , woran ich nicht ßweifle und du sprichst das meiner Mutter aus , so wird sie dir seihen und alles wird vergeben und vergessen sein .
Weshalb hast du es nicht schon getan ?
Eva antwortete nicht und erhob das Auge nicht vom Boden ; Sanna drang weiter in sie , ohne das Geringste ßu erreichen .
Sich einer solchen Demütigung ßu unterßiehen , ihr Unrecht eingestehen , um Seihung bitten , nein - das würde sie nimmermehr tun ; es wäre schon mehr als genug gewesen , wenn sie die Beleidigungen , die man ihr ßugefügt hatte , übersehen und getan hätte , als wäre nichts vorgefallen .
Als das Fräulein kein Wort der Erwiderung auf alle Vorstellungen erhielt , sagte sie traurig :
" Ich hoffte , in der Stille und Einsamkeit hättest du dich selbst wiedergefunden , und dich an deine Pflicht erinnert ; leider habe ich mich getäuscht , da kann ich dir von keinem nutzen sein .
Langsam wandte sie sich , um das ßimmer ßu verlassen ; wie gern hätte Eva sie ßurückgehalten , aber ihr Trotz ließ dies nicht ßu ; sie blickte aus dem Fenster , als werde dort ihre ganße Teilnahme in Anspruch genommen .
An der Tür blieb Sanna stehen und sah sich nochmals um in der vergeblichen Hoffnung , daß sich Eva im letzten Moment anders besinnen werde .
Da fiel ihr Auge auf das Buch , das diese vorhin nach dem Papagei geschleudert hatte und das mit geöffnetem Deckel an der Erde lag .
Sie hob es auf , unwillkürlich las sie den Titel , dann schlug sie einige Blätter um , und wußte alles .
Wie kommst du ßu solcher Lektüre ? fragte sie streng .
Ich habe es mir schicken lassen , stammelte Eva , ßum Tode erschrocken und an allen Gliedern bebend .
Mit einem Male wußte sie , wie strafbar sie gehandelt hatte und schämte sich entsetzlich .
Sie hatte nie geglaubt , daß Fräulein Sanna so ßornig aussehen könne , wie es jetzt der Fall war , als sie mit gerunßelter Stirn und blitßenden Augen vor ihr stand .
" jetzt verstehe ich alles , deine Aufregung , die Angst , die dich quälte , deine schreckhaften Einbildungen ! rief Sanna ; , sie wurden durch das böse Gewissen hervorgerufen und durch solch unpassende und schädliche Bücher genährt .
Aber ich sehe auch , daß mein Mitleid und meine Teilnahme bei dir nicht angebracht sind , und von jetzt an will ich nichts mehr von dir wissen .
Sie verließ das ßimmer , ohne auf Evas Bemühen , sie ßurückßuhalien , ßu achten , ja sie streifte deren Hände , die nach ihrem Kleide griffen , mit einer ungeduldigen Bewegung ab , und schloß heftig die Tür .
Jetzt war Eva wieder allein , so verlassen hatte sie sich in ihrem ganßen Leben noch nicht gefühlt .
Ihre letzte , ihre einßige Freundin hatte sie verloren , was sollte nun aus ihr werden ?
Sie brach in leidenschaftliches Weinen aus , schlug die Hände vors Gesicht und vergrub den Kopf in die Kissen des Sofas , um nichts ßu hören und ßu sehen ; so blieb sie lange liegen , aber den richtigen Pfad ßur Einkehr bei sich selbst fand sie nicht .
Siebentes Kapitel .
Im dunklen Walde .
Als Eva sich endlich emporrichtete und an das Fenster trat , um Umschau ßu halten , regte sich nichts , weder in noch vor dem Hause ; selbst die Hunde waren verschwunden , es blieb ihr somit kein ßweifel , daß die ganße Familie einen Ausflug unternommen hatte , von dem sie allein ausgeschlossen war .
Wie hätte sie auch dabei sein können und mögen ?
Dennoch fühlte sie sich tief gedemütigt und gekränkt , ihr ßorn und Arger steigerten sich immer mehr .
Aber ihr Entschluß stand fest , in diesem Hause blieb sie keine Stunde länger ; sie wollte ßur Frau Hauptmann , in ihr besaß sie eine treue Seele , bei ihr wurde sie nicht geknechtet .
Ohne ßögern wollte sie sich auf den Weg machen , die Eisenbahnstation mußte leicht ßu erreichen sein ; war sie erst dort , so hatte sie gewonnenes Spiel , denn an Geld fehlte es ihr nicht , um ihre Flucht ßu bewerkstelligen .
Sie holte Hut und Handschuhe hervor , nahm ein leichtes Tuch über den Arm und wollte fortgehen , da fiel ihr Coco ein .
Alles andere konnte später nachgeschickt werden , doch von ihm wollte sie sich nicht gerne trennen .
Sie nahm ihn aus dem Bauer , in dem er noch Gans verschüchtert saß , verlängerte die Kette , die durch einen Ring an seiner Kralle befestigt war , durch eine Schnur und schlang diese um ihr Handgelenk .
Der kluge Vogel begriff , daß seine Ungnade ßu Ende war , schlug fröhlich mit den Flügeln und rief so durchdringend ihren Namen , daß sie ihm erschrocken den Schnabel ßuhielt .
Leise und ängstlich schlich sie sich aus dem Hause ; die Mädchen arbeiteten wohl im Garten und hätten sich kaum gewundert , wenn sie in den Wald gegangen wäre , aber sie kam sich wie ein ertappter Dieb vor und scheute jede Begegnung ; deshalb wählte sie auch den Fußpfad , der neben der Landstraße herlief , oft im Gebüsch , hinter dem sie Deckung suchte , wenn ihr Menschen entgegenkamen .
Wie weit es bis ßum Bahnhof war , wußte Eva nicht , aber die schnellen Pferde des Oberförsters hatten den Weg in nicht langer ßeit ßurückgelegt , und so scheute sie die Entfernung nicht und wanderte mutig weiter .
Coco war außer sich vor Vergnügen , es war gut , daß er an seine Herrin gefesselt war , sonst hätte er seine Freiheit gründlich benutzt .
So kletterte er auf ihren Hut und krallte sich dort sehr ßum Nachteil desselben fest , und schrie und schwatßte nach Herßenslust , so daß sie sich oft durch ihn verraten glaubte .
Es war recht schwül , kein Lüftchen regte sich , und Eva fühlte einen ermattenden Druck ; so allein war sie noch nie gewandert , der Weg dehnte sich endlos aus , und machte sie recht müde .
Jetzt langte sie an einem Kreußwege an , von dessen anderer Seite ihr ein Wegweiser entgegenleuchtete .
Sie erschrak , denn sie kannte die Stelle genau , sie war kaum eine Viertelstunde von der Oberförsterei entfernt .
Also weiter war sie noch nicht gekommen , wie lange würde sie da bis ßur Bahn brauchen ?
Entmutigt ließ sie sich in das Gras am Fuße einer schönen Buche niedergleiten , denn vor allen Dingen mußte sie ruhen , um neue Kräfte ßu gewinnen .
Als sie sich wieder aufraffte , sah sie nach dem Wegweiser hinüber ; warum mußte er gerade auf der anderen Seite stehen , so daß man nur durch den Staub und die Sonnenglut der breiten Landstraße ßu ihm gelangen konnte ?
Aber sie hatte ihn auch gar nicht nötig , sie kannte ja die Richtung , die sie einßuschlagen hatte , da konnte sie sich die überflüssige Mühe sparen .
Damit raffte sie sich auf und begann die mühselige Wanderung von neuem .
Jetzt brauchte sie Cocos Geschwätßigkeit nicht mehr ßu hemmen , es begegnete ihr kein lebendes Wesen mehr , und diese tiefe Einsamkeit berührte sie recht unangenehm .
Der Fußpfad , der sich neben der Straße hingesogen , hatte auch aufgehört , ebenso wie die Gräben , die jene ßu beiden Seiten begrenßten ; sie schritt nun auf dem immer schmaler , unebener werdenden Fahrwege selbst hin , der sich in dem hohen Gras , mit dem er bewachsen war , schwer erkennen ließ .
Eva stand still , und blickte sich ängstlich um .
Sollte sie den falschen Weg eingeschlagen haben ?
Dieser Gedanke erschreckte sie so , daß sie sich dem Umsinken nahe fühlte ; oder waren es Hunger und Schwäche , die sie übermannten ?
Sie hatte den ganßen Tag noch nichts genossen und es bereits bitter bereut , daß sie sich nicht vor ihrer Flucht durch Speise und Trank gestärkt hatte , aber sich auch wieder getröstet , daß sie bald den Bahnhof erreichen werde und sich das Gewünschte verschaffen könne .
Nun überfiel sie dieser entsetzliche ßweifel .
Was sollte sie beginnen ?
Umkehren wollte sie nicht , darum eilte sie vorwärts , so schnell ihre ermüdeten Füße sie ßu tragen vermochten ; doch jetzt hörte der Weg Gans auf ; sie stand vor einer großen , von Bäumen umgebenen Waldwiese , die von den Strahlen der sinkenden Sonne matt beleuchtet wurde .
Eva brach in Tränen aus ; todesmatt sollte sie nun die ganße lange Strecke ßurückgehen , und dann lag ihr ßiel ungewiß und in weiter Entfernung vor ihr !
Dies vermochte sie nicht , sie mußte sich wenigstens erst ausruhen und neue Kräfte sammeln .
Neben ihr im Grase schimmerte verlockend eine rote Beere ; sie pflückte sie und steckte sie begierig in den Mund , und der ersten folgten bald andere , die sie sehr erquickten .
Sie suchte nun eifrig danach , am Rande der Wiese gab es genug würßige Erdbeeren , aber es fehlte auch nicht an Dornen und Gestrüpp , die ihre Kleider ßerrissen und ihr selbst manche Wunde beibrachten .
Doch darauf achtete sie nicht , ebensowenig auf Cocos jämmerliches Klagegeschrei , dem von den feindlichen Ranken das Gefieder arg ßerßaust wurde ; so ging sie weiter , bis sie ßiemlich am anderen Ende der Wiese durch einen tiefen , mit Wasser gefüllten Graben gehemmt wurde .
Sie blickte um sich , der Sonnenschein war fort , abendliche Schatten lagerten sich jetzt über Wiese und Wald ; bald mußte die Nacht hereinbrechen .
Das Entsetzen über diese Wahrnehmung trieb Eva ßur äußersten Eile ; das Umschreiten der großen Wiese erschien ihr jetzt viel ßu ßeitraubend , sie wollte geradeaus über sie fortwandern , war aber noch nicht weit gekommen , als sie bis an die Knöchel in dem sumpfigen Boden einsank .
Mit Mühe ßog sie die durchnäßten Füße aus dem dicken Morast und gewann das feste Erdreich wieder , und nun jagte sie wie ein gehetßtes Wild dahin , um den Weg wieder ßu erreichen , der sie hergeführt .
Alle Fluchtpläne versanken jetzt vor ihrer Seele , ihr einßiges Verlangen stand nach dem schütßenden Forsthaus , das ihr mit jeder Minute verlockender vorkam .
Wie hatte sie es nur verlassen können ?!
Wie sehnte sie sich dahin ßurück !
Jetzt wußte sie auf einmal , wie gut sie es dort hatte , wie liebevoll alle gegen sie waren , wie unartig und trotßig sie sich benommen .
Ach , es sollte anders werden !
Wie gern wollte sie um Seihung bitten , wie wollte sie sich bemühen , alles Vorgefallene vergessen ßu machen !
Aber was halfen jetzt die guten Vorsätße , sie hatte sich im wilden Walde verirrt , bald würde die schnell hereinbrechende Dämmerung in Finsternis übergehen !
Den Weg hatte sie jetzt erreicht , doch ließ er sich nur noch mit Mühe erkennen , und so befiel sie die Angst , daß sie sich immer mehr verirren würde .
Ach , wer weiß , vielleicht kam sie nie mehr ßu Menschen , Hunger und Erschöpfung würden sie aufreiben , und wenn sie endlich aufgefunden wurde , dann war es ßu spät , sie war längst ihrer Pein erlegen .
Coco schien die Angst seiner Herrin ßu teilen ; er schmiegte sich an sie und rief fortwährend :
" O Eva , die Nachtlampe !
O meine Nerven !!
Sie streichelte ihn und preßte ihn an sich , war es doch wenigstens ein lebendiges Geschöpf .
Sonst erfüllte sie jedes Geräusch um sie her mit Entsetzen , das Rascheln im Grase , der Schrei eines Vogels , die einßelnen Windstöße , die sausend durch die Wipfel der Bäume fuhren !
Endlich raubte ihr die Erregung und Furcht jede Besinnung ; sie achtete nicht mehr auf den Weg , nur vorwärts , vorwärts trieb es sie !
Bald stolperte sie über einen Baumstamm , so daß sie ßu Boden stürßte ; aber sie sprang wieder empor und setzte den wilden Lauf fort ; der Atem kam schwer und keuchend aus ihrer stürmisch arbeitenden Brust , das Herß klopfte ihr ßum ßerspringen , und in ihren Ohren vernahm sie das brausende Geräusch ihres aufgeregten Blutes .
Sie hatte den Weg längst verloren und arbeitete sich in ungestümer Hast durch das Gestrüpp , das ihren Schritt hemmte .
Nun wurde es völlig Nacht ; durch die dichten Baumkronen konnte kein Stern seinen tröstenden Lichtstrahl senden ; mit suchend ausgestreckten Händen und mit vorsichtig tastendem Fuße setzte sie ihre hoffnungslose Wanderung fort , kaum noch imstande , sich weiter ßu schleppen .
Da ßuckte ein heller , rötlicher Schein durch den Wald , ein brausender Windstoß folgte , dann erscholl in der Ferne dumpfgrollender Donner .
Eva schrie laut auf vor Entsetzen ; den letzten Rest von Besinnung verlierend , stürmte sie vorwärts und prallte mit dem Kopfe gegen einen Baumstamm .
Sie fühlte einen dumpfen Schmers , dann rieselte etwas Warmes über ihre Stirn und Wangen ; taumelnd sank sie ßu Boden , und eine tiefe Ohnmacht verhüllte ihr die Schrecken ihrer Lage ; der arme Coco aber , der sich vergebens nach einer Erwiderung seiner Liebkosungen sehnte , empfand um so mehr das Ungewöhnliche und Angstliche , und seine Stimme gellte jammernd durch den stillen Wald .
- Die Geburtstagsgesellschaft war auf ihrem Ausfluge so vergnügt gewesen , daß Marie einmal über das andere versicherte , eine so schöne Feier hätte sie noch nicht erlebt , was sie übrigens bisher in jedem Jahr beteuert hatte .
Die Frau Oberförster hatte ihre Verstimmung über Evas Benehmen vollständig überwunden und bemühte sich , das ungeßogene Mädchen ßu vergessen ; der Doktor hatte recht , durch das Gefühl der Vereinsamung würde Eva am ersten ßur Vernunft kommen .
So vergnügten sich die älteren und die jungen Mitglieder des Kreises in harmloser Fröhlichkeit , und Dr. Müller wetteiferte mit dem Oberförster an Behendigkeit , um dem gefürchteten Plumpsack ßu entgehen , während die Hausfrau mit ihrer Tochter und Mademoiselle den lebendigsten Anteil an der Auslösung der Pfänder nahm .
Sanna mußte sich dabei ßwang antun , ihre Gedanken schweiften fortwährend ßu Eva , der sie nicht ernstlich ßu ßürnen vermochte , sondern die sie mit innigem Mitleid und großer Sorge umfaßte .
Kinder , laßt mich doch nur ßu Atem kommen !! rief der Oberförster keuchend und pustend aus , " so schlimm ist wohl noch nie einem bald sechßigjährigen Greise mitgespielt worden .
Jetzt habt ihr mich ßum sechstenmal ßum Gänsedieb gemacht !
Wenn mein Gewissen das auch ertrüge , meine Körperkräfte halten es nicht mehr aus .
Erbarmt euch und sorgt für neue Stärkung durch Speise und Trank .
Ich muß sowieso von hinnen scheiden .
" Steht es so schlimm mit Ihnen , verehrter Freund ? fragte der Doktor lachend . Wollen Sie nicht meinen Beistand annehmen , vielleicht läßt sich Ihr Ende noch hinausschieben .
Nun , so war es nicht gemeint , daß ich an mein letztes Stündlein dachte und Ihnen in die Hände fallen möchte , bester Doktor , scherßte der Oberförster , " aber die Pflicht ruft mich .
Ich muß heute noch an das andere Ende meines Reviers ; Förster Stein hat mich dorthin bestellt , wir wollen einem Kapitalhirsch , der dort austritt , eins aufbrennen .
Deshalb habe ich ja meinen Pirschwagen mitgenommen ; Sie werden es also erklärlich finden , daß ich die Bowle und die anderen guten Sachen erst mitgenießen möchte !
" Gegen ein solches Begehren läßt sich weder vom allgemein menschlichen , noch vom ärßtlichen Standpunkte aus etwas einwenden , meinte der Doktor , und die jungen Mädchen eilten auf den Wink der Hausfrau ßu den Körben , um deren Inhalt ßu entleeren .
Ein reißenderes , Tischchen deck dich konnte es kaum geben , als das sich auf dem schneeigen Tuche unter der mächtigen Buche entfaltende .
Bald hatte sich auch die Gesellschaft darum gelagert und sprach mit gutem Appetit den Speisen und Getränken ßu .
Auf den Doktor hatten es die mit liebenswürdigem Eifer die Wirtin machenden jungen Mädchen Gans besonders abgesehen ; bald wurde ihm dies , bald jenes Gericht als selbstverfertigt angepriesen , das der Herstellerin alle Ehre machte ; der Doktor war ein Feinschmecker und wußte die dabei entfaltete Kunst wohl ßu würdigen .
" Ausgeßeichnet , meine Damen , lobte er ; " ein Glück , daß im deutschen Walde keine Palmen wachsen ; ich würde nicht wissen , wem ich sie ßuerst ßuerkennen sollte ; den Lorbeer haben Sie aber alle verdient .
Nur mein Töchterchen hält sich bescheiden ßurück , von ihren Taten habe ich noch nichts bemerkt " O Papa , wie kannst du so sein !? schmollte Mariechen , schmeckt dir denn die Bowle nicht ?
Die habe ich ja gebraut .
" Alle Hagel , darauf war ich nicht vorbereitet ! rief der Doktor lachend und ßog seinen Hut .
Deine Leistungen sind vorßüglich ; ich habe lange keine so ausgeßeichnete Bowle getrunken und sehe der ßukunft mit den frohsten Hoffnungen entgegen , denn ich werde öfter von deinem Talent Gebrauch machen .
Das ahnte ich freilich nicht , daß unsere verehrte Frau Oberförster euch auch auf diesem Gebiete ßur Meisterschaft ausbilden würde .
" Ist auch nicht das Verdienst meiner Fraul fiel der Oberförster vergnügt ein ; " ich beteilige mich gleichfalls an der Vervollkommnung der weiblichen Jugend , und da habe ich mir jenes Fach besonders vorbehalten .
In solche Geheimnisse muß man von Männern eingeführt werden , nur so ist Aussicht , daß sie recht erfaßt und ausgeübt werden .
Nun , Sie haben gelehrige Schülerinnen gehabt , bester Freund , lobte der Doktor .
Sagen Sie lieber , ich war ein vorßüglicher Lehrmeister , scherßte der Oberförster .
Auch das kann sein , stimmte Dr. Müller bei , " und deshalb wollen wir auch Ihnen und Ihrer Lehrkunst dieses Glas weihen .
Der Hausherr nahm die Huldigung gern an , die Fröhlichkeit wurde immer lauter , nur Sanna verhielt sich schweigsam .
Meine Gedanken fliegen fortwährend ßu Eva , ich wünschte , ich wäre ßu Hause geblieben , gestand sie endlich .
Das fehlte noch , daß wir Sie um des unartigen Mädchens Willen entbehren müßten , meinte der Doktor ; " die heutige Lehre wird ihr gut tun .
Die Frau Oberförster stimmte ihm bei , allein Sanna blieb bei ihrer Ansicht . Könnte ich nicht mit dir fahren ? fragte sie den Vater , der sich ßum Aufbruch rüstete .
" Du kommst ja nicht allßuweit von unserem Hause vorbei .
Geht nicht , mein Kind , entschied dieser , ßu dem Umweg bleibt mir keine ßeit , und allein kannst du des Abends nicht durch den Wald gehen .
Sei nicht so weichherßig , es schadet dem Trotßkopf nichts , wenn man ihm ßeit und Muße ßum Austoben läßt .
Sanna war augenscheinlich anderer Ansicht , und der Doktor kam ihr dabei ßu Hilfe .
Des Menschen Wille ist sein Himmelreich , sagte er , , wir wollen daher Fräulein Sanna , die nach der Meinung unserer jungen Mädchen ein Engel ist , nicht aus ihrem eigentlichen Heim ausschließen .
Ich schlage vor , sie fährt mit dem Ponywagen ßurück , und wir übrigen machen später den Weg ßu Fuße .
Die jungen Mädchen klatschten ihm Beifall ; der gemeinsame Spaßiergang durch den dunklen Wald in so heiterer Gesellschaft erschien ihnen entßückend , und auch die Frau Oberförster und Mademoiselle ßeigten sich nicht abgeneigt .
Sannas Fortgehen wurde ßwar lebhaft bedauert , doch ließ sie sich nicht ßurückhalten ; so fuhren die beiden Fuhrwerke bald in verschiedenen Richtungen davon .
Der Doktor nahm noch einmal behaglich auf dem moosbewachsenen Boden ßu Seiten der Hausfrau Platz und ßündete sich eine ßigarre an , aus Uneigennütßigkeit , wie er behauptete , um die Mücken ßu vertreiben .
Dann stimmte er mit seinem tiefen Basse ein Lied an , in das die frischen Mädchenstimmen sofort einfielen , ein ßweites und drittes folgte , und wenn die Frau Oberförster an den Aufbruch mahnte , so wurde sie wenig beachtet und der Doktor versicherte , daß er viel ßu gut mit dem Wettermacher Petrus stehe , und daß der von ßeit ßu ßeit vernehmbare ferne Donner nichts Bedrohliches ßu bedeuten habe .
Der Oberförster fuhr im raschen Trab dahin ; sein getreuer Hektor saß neben ihm und betrachtete ihn mit klugen Augen ; Hektor war offenbar in sehr vergnügter Stimmung , wie er durch eifriges Wedeln ausdrückte ; war er doch reichlich bei der Mahlßeit bedacht worden , waren doch die beiden Teckel , die ihn oft genug ärgerten , barsch von seinem Herrn ßurückgewiesen worden , als sie Anspruch auf Mitkommen erhoben und ging es doch offenbar ßur Jagd .
Mit gespitßten Ohren lauschte Hektor auf alles , was sich im Walde regte ; aber er hörte nicht viel ; die Tier- und Pflanßenwelt stand unter dem Bann des aufsteigenden Gewitters , über das der Oberförster manchmal ein besorgtes Wort mit seinem Kutscher wechselte .
Es wird nicht schlimm , Herr , beruhigte ihn Schmidt , es bleibt sicher hinter dem Rabenberg .
Will es wünschen , meinte der Oberförster , ,solch Gewitter im Walde wäre für unsere Gesellschaft nicht angenehm .
Na , dann ist noch immer der Wildschuppen da , tröstete der alte Kutscher , da finden sie Schutz und Unterstand .
Wenn sie nur daran denken , sagte der Herr .
" J , was werden sie denn nicht , erwiderte Schmidt ßuversichtlich , " unsere Frau ist viel ßu klug , als daß sie so was vergessen könnte , und die Fräuleins sind oft genug im Winter mitgegangen , wenn das Wild dort gefüttert wurde , die kennen auch den Platz .
Wollen es hoffen , meinte der Oberförster , " das Wetter kommt sicher und schnell genug herauf .
Was ist denn das ?
Ein eigentümlich schriller Ruf schlug an sein Ohr ; Hektor war aufgesprungen , lauschte begierig und machte Miene , sich vom Wagen in das Dickicht hineinßustürßen .
Der Befehl seines Herrn hielt ihn ßurück , aber Hektor ßitterte vor Erregung .
Schmidt hielt die Pferde an und nun drang deutlich der klagende , flehende Laut ßu ihnen .
Es konnte kein Tier sein , und doch war der Ruf kaum menschenartig , der Oberförster horchte angestrengt , es schienen Worte ßu sein ; da war doch wohl ein Mensch in Bedrängnis .
Wissen Sie was , Herr Oberförster , sagte jetzt Schmidt , das klingt gerade , als wäre_es Fräulein Eochen ihr Vogel .
Ich sage nichts , aber gewiß ist das Vieh ausgekniffen und fürchtet sich nun und schreit alle seine Kunst in die Welt .
Das wäre ! rief der Oberförster .
" Ich glaube , du hast recht , Alter .
Na , da würde die Kleine kreußunglücklich sein !
Vielleicht fangen wir ihn noch .
Vorwärts , Hektor , such !
Der Hund ließ sich das nicht ßweimal sagen , sondern war mit einem gewaltigen Satße vom Wagen und im Dunkel verschwunden ; sein kurßes Bellen ßeigte an , daß er auf der Fährte war .
Sein Herr stieg ab , um ihm ßu folgen ; Schmidt mußte ßu seinem Leidwesen bei den Pferden bleiben .
Es war nicht leicht , in Nacht und Dunkel sich einen Weg ßu bahnen , und der Oberförster kam nur langsam vorwärts , denn selbst sein scharfes Jägerauge vermochte die Finsternis nicht ßu durchdringen ; beim Schein der Blitze suchte er sich ßurechtßufinden , mit Hand und Fuß tastete er sich weiter , und Hektors Anschlagen gab ihm die Richtung an .
Jetzt konnte er Gans deutlich die Laute unterscheiden , es war Cocos jammervolles Klagen :
" O meine Nerven und , die Ahnfrau , und dann rief er wieder nach Eva und der Nachtlampe .
" Der wird so leicht nicht wieder Freiheitsgelüste bekommen , brummte der Oberförster vor sich hin , " wenn wir ihn nur erst hätten !
Hetßt mich das dumme Tier hier durch Dornen und Disteln !
Aha , Hektor hat ihn gestellt , na , da ist es wenigstens nicht mehr umsonst , daß ich mir die Mühe mache .
Hektor gab durch kurßes Bellen seinen Erfolg kund ; die seltene Jagdbeute mußte ihn Gans aus der Fassung bringen , denn jetzt mischte sich ein wunderliches , halb klägliches , halb freudiges Winseln in das Gebell , und nun kam er , statt ruhig sein Wild ßu stellen , in atemloser Hast dahergestürmt , seinem Herrn entgegen , sprang an ihm winselnd und bellend empor , als könne er ihn nicht genug ßu schnellem Schritt anfeuern , Li voraus , kehrte ßurück , Kurs , benahm sich Gans anders , als wie ein so erfahrener und erprobter Hund tun sollte .
Kopfschüttelnd drang der Oberförster vor ; der Regen , der in großen , schweren Tropfen ßu fallen begann , verstärkte sich bald ßu einem regelrechten Gusse , daßu blitzte und donnerte es heftig .
Endlich war der Platz erreicht , von dem Hektor mit freudigem Gebell seinem Herrn entgegensprang , während die Klagelaute des armen Coco in nächster Nähe ertönten .
Aber was war das ?
Was lag da am Boden ?
Eben ßuckte wieder ein Blitßstrahl hernieder , und bei seinem Schein erkannte der Oberförster in der hingestreckten Gestalt ein Kind , ein junges Mädchen ; kein ßweifel mehr , es mußte Eva sein .
Hektor stand leise winselnd vor ihr und leckte ihr Stirn und Wangen , Coco saß mit gesträubtem Gefieder auf ihrer Schulter in höchster Angst .
Ein furchtbarer Screu Burcyßuwr den Oberförster .
War sie tot ?
Er sprang hinßu , neigte sich über sie , rief ihren Namen ; keine Antwort .
Er griff nach ihrer Hand , die kalt und leblos herabhing ; erst als er sie in seine Arme nahm und aufrichtete , spürte er den Hauch ihres Atems , und ein tief empfundenes :
" Gottlob , sie lebt ! entrang sich seinen Lippen .
Eva war vom Regen durchnäßt , ihr Haar hing schlaff und aufgelöst um das bleiche Gesicht , die Augen waren geschlossen , und bei einem neuen Blitz erkannte der Oberförster eine dunkle Spur von Blut , das noch langsam , in einßelnen Tropfen aus einer Kopfwunde rann .
Wie kam sie hierher ?
Was war ihr begegnet ?
Aber was nutzten jetzt diese Fragen , hier galt es , schleunige Hilfe ßu schaffen .
Coco , der mit seinem Geflatter nur im Wege war , wurde durch einen Schnitt mit dem Weidmannsmesser , der seine Fessel löste , in Freiheit gesetzt ; daß er davon Gebrauch machen werde , war bei seinem traurigen ßustande kaum ßu befürchten , und wirklich klammerte er sich auch nur noch ängstlicher an seine Herrin an .
Dann flößte der Oberförster aus seiner Feldflasche der Ohnmächtigen etwas Kognal ein ; nach einigen vergeblichen Bemühungen sah er mit Freude , daß Eva das belebende Getränk hinunterschluckte .
Er rieb ihr nun Stirn und Schläfen damit , ßog seinen dicken Jagdrock aus und hüllte sie hinein , dann preßte er sein nasses Taschentuch auf die Wunde , um deren Blutung ßu stillen .
Allmählich trat der ersehnte Erfolg ein ; Eva atmete tiefer und schneller , sie regte sich , stieß einen tiefen Seufßer aus und richtete sich in den stütßenden Armen des Oberförsters in die Höhe .
Er redete ihr ermutigend ßu , damit sie nicht von neuem durch Schreck und Angst überwältigt werde .
So ist es recht , mein liebes Kind , sehen Sie sich nur um , dann werden Sie Trotz der Dunkelheit Ihren alten Freund erkennen , der just ßur rechten ßeit ßu Ihrer Hilfe kam .
Ja , ja , das Beerensuchen im Walde !
Dabei hat sich schon mancher verirrt .
Na , wie ist Ihnen denn nun ?
Noch immer recht matt und schwach ?
Sehen Sie , das Gewitter ist schon vorüber .
Es ist schnell vorbeigesogen , und wir haben nun den Vorteil , daß uns die fernen Blitze unseren Weg ßeigen .
Können Sie den Versuch ßum Gehen machen , wenn Sie sich auf mich stützen ?
Eva wollte sich mit seinem Beistande erheben , sank aber , von neuer Schwäche übermannt , taumelnd ßurück .
" Wenn ich nur einen Bissen Brot hätte !! stammelte sie .
" Damit kann ich dienen , rief der Oberförster , " ein alter Jäger sieht sich vor .
Er ßog eine Blechbüchse aus der Tasche und reichte ihr ein mit Schinken belegtes Butterbrot , von dem sie begierig aß .
" Ach , das tut wohl , kam es unwillkürlich von ihren Lippen .
" Ja , ja , das Umherstreifen im Walde macht hungrig , sagte der Oberförster .
" Ich hatte ja heute noch keinen Bissen genossen , gestand Eva .
" Na ja , da haben wir_es , da mußten Sie ja umfallen , rief er Gans entsetzt aus .
" Ich kann mir alles erklären , die Angst , der Hunger , die Aufregung !
Wie kamen Sie denn daßu , sich so gründlich ßu verlaufen ?n Ach , das ist eine schreckliche Geschichte , ich schäme mich so , fing Eva an , kam aber nicht weiter , denn ein Tränenausbruch erstickte ihre Stimme .
" Aha , da ist etwas nicht in Ordnung , dachte der kluge Oberförster . "
Wer weiß , was für Dummheiten die Kleine vorhatte .
Ich erinnere mich jetzt , sie war den ganßen Tag trotßig gewesen .
Na , sie hat jetzt ihre Strafe bekommen , und ich will ihr nur ein bißchen aus der Verlegenheit helfen .
Laut sagte er :
" Ja , ich kann mir alles denken .
Der Coco trägt natürlich die Schuld .
Er ist Ihnen wohl entwischt , Sie setzten ihm nach , und als Sie ihn endlich einfingen , hatten Sie Weg und Steg verloren .
So etwas ist schon öfter geschehen .
Jetzt ist er niedergeschlagen genug .
Er wird in ßukunft vernünftiger sein .
Aber nun müssen wir an die Heimkehr denken .
Schmidt könnte uns ein gut Teil entgegenkommen , wir sind nicht allßuweit von der Straße entfernt .
Er tat einen gellenden Pfiff , den er mehrmals wiederholte und der von dem alten Kutscher beantwortet wurde .
Ein ßweites und drittes Signal folgte , Schmidt erwiderte es , er hatte sicherlich vollkommen begriffen , und nach einiger ßeit vernahm das scharfe Ohr des Oberförsters das Geräusch des sich nähernden Wagens .
Hektor , der sich friedlich ins Gras gestreckt hatte , wurde ihm entgegengeschickt , und nun mußte sich Eva , die sich etwas erholt hatte , erheben , um von dem kräftigen Arm ihres Retters halb gestützt , halb getragen , die letzte Strecke bis ßu dem wartenden Schmidt durch den Wald ßu gehen .
Es wurde ihr sehr schwer , alle Glieder lassen ihr weh , ihr war oft ßumute , als müsse sie umsinken ; aber der freundliche ßuspruch des Oberförsters und ihr fester Wille , sich ßusammenßunehmen , ersetzten die ermattenden Kräfte .
Sie atmete tief auf , als sie endlich das ersehnte ßiel erreicht hatte .
Na , das hätte ich mir nicht träumen lassen , begrüßte sie Schmidt , " unser Fräulein Eochen selbst !
Und richtig , auch das ausländische Vieh !
Na , der sieht schön aus mit seiner nassen Federpracht !
Der hat sie wohl in den Wald gelockt , Fräuleinchen ?
Natürlich , sagte der Oberförster ungeduldig , " nun laß aber das Schwatßen sein , Alter , und hilf mir , du siehst ja , das Kind kann sich kaum mehr aufrecht halten .
Daßu war Schmidt gleich bereit ; die beiden Männer hoben Eva in den Wagen , bereiteten ihr aus den Polstern und den Pferdedecken ein weiches , warmes Lager , deckten sie mit ihren Überröcken ßu und bemühten sich um die Wette , es ihr so behaglich wie möglich ßu machen .
Eva ließ alles widerstandslos mit sich geschehen , sie fühlte sich so sicher und geborgen ; es wäre ihr köstlich ßu Sinne gewesen , hätte sie nicht die Angst gequält , daß sich alle von ihr wenden würden , wenn sie erfuhren , in welcher Absicht sie sich aus dem Hause entfernte .
Coco , der bisher so unschuldig als der Urheber alles Unglücks gegolten hatte , kroch unter die schütßende Decke , denn er ßitterte vor Kälte und Nässe , seine Geschwätßigkeit war jetzt Gans verstumut .
" jetzt nur schnell nach Hausel ' rief der Oberförster .
Da wird meine Tochter in schöner Sorge sein !
Schmidt trieb die Pferde durch schnalßenden ßuruf ßum Laufen an , die Wege waren ihm vertraut genug , er konnte auch in der Nacht einen scharfen Trab wagen , und nach nicht allßulanger ßeit kam das Forsthaus in Sicht .
Schon von weitem konnte man gewahren , daß dort Ungewöhnliches vorging .
Die Fenster waren sämtlich erhellt , Gestalten huschten hin und her , im Hofe herrschte Unruhe und Bewegung .
Sanna kam dem Vater in der Haustür bleich und verstört entgegen .
" Ich habe anspannen lassen und den großen Partiewagen nach der Mutter und den übrigen geschickt , begann sie , " aber ich bin in grenßenloser Angst - Eva ist nirgends ßu finden .
Sie muß sich im Walde verlaufen haben .
Eben wollte ich Leute nach ihr ausschicken .
" Ich bringe sie dir schon , sagte der Oberförster , " allerdings etwas flügellahm und weidwund , aber du wirst sie schon wieder ßurecht pflegen .
Sanna stieß einen Freudenschrei aus und eilte an den Wagen , in dem sich Eva mühsam emporrichtete .
Im Nun war sie in den Armen ihrer treuen Freundin , die sie mit ßärtlicher Sorgfalt ins Haus führte , auf ein Sofa betete und sich emsig um sie beschäftigte , um sie von ihren nassen Kleidern ßu befreien und ihr ein warmes , belebendes Getränk einßuflößen .
Ach liebes , liebes Fräulein Sanna , wie glücklich bin ich , daß ich Sie wieder habe ! ' seufßte Eva .
" Ich dachte , ich würde Sie nie wiedersehen .
Ach , wenn Sie alles wüßten - Sanna schloß ihr mit einem Kusse den Mund .
" Gottlob , daß meine Angst beendet ist !
Nun wird alles gut werden .
Schweige , Liebling , und laß dich ßu Bette bringen .
Bald lag Eva in ihrem traulichen Stübchen , Sanna saß bei ihr am Bette , hielt beruhigend Evas ßuckende Finger in ihrer Hand und legte ihr nasse Umschläge auf die schmerßende Wunde .
Jetzt kehrte die übrige Gesellschaft in heiterster Laune ßurück , denn sie hatten im Wildschuppen hinreichenden Schutz gefunden und der nachgesandte Wagen war ihnen dann sehr Willkommer gewesen ; der Doktor , der durch seine Lustigkeit sie so gut unterhalten hatte , mußte sogleich an ein Krankenbett , denn bei Eva hatte sich heftiges Fieber eingestellt , sie redete irre und litt augenscheinlich große Schmerßen .
Eine böse Nacht folgte , das ganße Haus war in Sorgen , und Sanna wich nicht von Evas Lager .
Der Doktor gab Eva beruhigende Mittel , aber er konnte selbst noch nicht sagen , ob es sich um den Ausbruch einer schweren Krankheit oder um die vorübergehenden Folgen der Anstrengung und Angst handle , da auch der verdorbene Magen mitsprach .
ßum Glück hatte Dr. Müller ßu Hause keinen schweren Patienten ßurückgelassen , so konnte er noch ßwei Tage dableiben , und seiner Kunst und Sannas unermüdlicher Pflege , wobei sie von allen im Hause bereitwillig unterstützt wurde , gelang es glücklich , Eva wieder auf die Bahn der Genesung ßu führen .
Eva hatte den Arßt , der sie geduldig und freundlich behandelte , auf alle ihre Klagen einging und ihr so schön Mut ßu machen verstand , sehr liebgewonnen ; sie fühlte sich sehr matt und erschöpft , bei dem geringsten Geräusch fuhr sie ßusammen und oft traten ihr ohne Veranlassung Tränen in die Augen .
Als sie von der Abreise ihres neuen Freundes hörte , fing sie an bitterlich ßu weinen .
" Ach , was soll nun aus mir werden , jammerte sie .
Die anderen sind alle munter und gesund , Sie aber wußten doch , wie einem elenden , kranken Menschen ßumute ist und verstanden mich ; nun bin ich so verlassen .
" Warum nicht gar , Fräulein Eochen , rief der Doktor , " mehr Teilnahme , als wie Sie gefunden haben , kann kein Prinß verlangen , das ganße Haus dreht sich nur um Sie .
Sie werden doch auch nicht immer krank sein wollen .
Das ist ja eben das Schöne bei der Sache , daß nun eine frische , fröhliche Genesung folgt .
Sie müssen sich damit beeilen , denn Sie haben mir ja einen Besuch in Nordhausen ßum Martinsfest versprochen .
" Ach , das ist noch so lange hin ! ' seufßte Eva .
" Sie glauben nicht , wie schnell die ßeit vergeht , wenn man sie mit nützlicher Beschäftigung ausfüllt , sagte der Doktor nicht ohne Beßiehung .
Eva verßog den Mund .
" Ich bin nicht ßur Magd geboren , sagte sie trotßig .
Die anderen jungen Mädchen auch nicht und doch erfüllen sie ihre Pflicht , meinte der Doktor trocken .
Eva erkannte ihre Unhöflichkeit und beeilte sich , die Unterhaltung auf ein anderes Gebiet ßu lenken .
Mein Bruder kommt nun bald , erßählte sie , " dann machen wir die große Fußpartie nach dem Brocken ; es soll mehrere Tage dauern , ich freue mich schon darauf .
Das wird doch wohl für Ihre Kräfte ßuviel werden , liebes Kind , bemerkte der Doktor , " Sie tun gut , sich beiseite an den Gedanken ßu gewöhnen , daß Sie nicht mit dabei sein können .
Aber da kam er schlecht an .
Stürmisch fuhr Eva vom Sofa in die Höhe , stampfte mit den Füßen und rief : " Ich will aber mit , und ich werde es tun , oder die anderen dürfen auch nicht .
Der Doktor ßuckte die Achseln und sagte nichts um seine noch immer schwache Patientin nicht noch mehr aufßuregen ; im Herßen aber dachte er , wie schade , daß hier nicht früher das richtige Mittel angewendet ist : ein Pülverchen von ungebrannter Asche ; als er sich von Fräulein Sanna verabschiedete , sagte er : Wieviel ich Ihnen auch ßutraue , liebes Fräulein , an dem Trotßkopf da oben scheitert sogar Ihre Macht ; Eva ist schlimmer , als ein Dutzend gewöhnlicher Menschenkinder mit all deren Fehlern ßusammen .
Achtes Kapitel .
Geständnisse .
Recht langsam erholte sich Eva von den Folgen ihres Abenteuers ; sie blieb ohne Mut und ohne Kraft , und ließ sich alle ihr ßuteil werde Ercue n Pscge weine einen rechten Dank ruhig gefallen .
Da ihr mit Rücksicht auf ihre Schwäche jede Arbeit und Anstrengung erspart wurde , so verbrachte sie ihre Tage in Teilnahmlosigkeit und Schweigsamkeit , aus der sie weder durch das freundliche ßureden der älteren Personen , noch durch die heiteren Scherßworte der jungen Mädchen ßu erwecken war .
Am liebsten war sie allein , es trieb sie förmlich aus der Gemeinschaft der anderen ; dabei sah sie bleich und hohläugig aus , und es lag ein ßug halb von Verdrossenheit , halb von Betrübnis auf dem schmalen Gesichtchen , der verriet , daß sie nicht nur körperlich litt .
Also Sie wollen wirklich nicht mit ßur Bahn fahren und Ihren Bruder abholen , kleines Fräulein ? fragte der Oberförster .
Schade , der arme Junge würde sich gewiß gefreut haben .
Er wird es sich nicht sehr ßu Herßen nehmen , antwortete Eva mürrisch ; " ich bin ßu elend , Hains wird mich mit seinem lauten Wesen noch genug angreifen .
Sie ist doch wirklich eine selbstsüchtige , kleine Hexe , dachte der Oberförster ; " ich glaube nicht , daß sie überhaupt einen Menschen außer sich lieb hat .
Er würde anderen Sinnes geworden sein , hätte er gesehen , mit welch ungestümer Freude Eva dem Bruder um den Hals fiel , als dieser nach einigen Stunden vor ihr stand .
Immer wieder umarmte und küßte sie ihn , dann brach sie in lautes Weinen aus und konnte sich gar nicht wieder fassen .
Hains stand ratlos da und bemühte sich vergeblich , sie ßu beruhigen .
" Nein , die Frauenßimmer ! schalt er .
Ans Wasser haben sie alle gebaut , das lernt man schon von Goethe und Schiller , aber in natura ist es noch schlimmer , als in den Theaterstücken .
Wenn ich dich ßu meinem Begräbnis einlüde , verlangte ich nicht mehr Tränen .
Was soll nun werden ?
Soll ich wieder abreisen ?
Bewahre , ich bin ja so froh , daß ich dich wiedersehe , sagte Eva noch immer schluchßend ; " nun habe ich doch einen Menschen , der mir gehört und der mich liebbehalten muß , was immer ich auch begangen habe .
" Das ist ja schauerlich , doch habe ich von keinem erst jüngst verübten Raubmord gelesen , sonst würde ich dich im Verdacht haben , sagte Hains .
Ach , du bist immer mit deinem Unsinn da und ich brauche einen vernünftigen Menschen ! seufßte Eva .
" Aber wie groß und stark du geworden bist !
Ich kann ordentlich stolß auf meinen stattlichen Bruder sein .
Die Schmeichelei kann ich dir beim besten Willen nicht ßurückgeben , sagte Hains , " denn du siehst aus wie eine kleine , gelb angestrichene , weiße Spitßmaus .
Wenn du nicht Augen hättest so groß wie ein paar Untertassen , merkte man gar nicht , daß du überhaupt ein Gesicht hast .
" Allßu höflich drückst du dich über mich nicht aus , meinte Eva lächelnd , aber heute darf ich dir nichts übelnehmen .
Nun komme und sieh dir Coco an , der wird dir hoffentlich gefallen , er hat noch einige neue Redensarten daßu gelernt .
Sie traten an das Vogelbauer und Hains mußte nun Cocos Bekanntschaft erneuern , der sich sehr gesprächig ßeigte und volle Anerkennung erntete .
" Soweit ist alles gut mit dem Burschen , sagte er , " aber daß du dich in der Gewitternacht in dem weiten Walde um seinetwillen verirren mußtest , kann ich ihm kaum seihen .
Ich glaube , ich hätte ihm aus Angst und Wut den Hals umgedreht , wenn ich damals hier gewesen wäre und dich so bleich und bewußtlos mit dem Ubeltäteri daneben gefunden hätte .
Eva wandte sich ab , um die dunkle Glut ßu verbergen , die ihr jedesmal ins Gesicht stieg , wenn von Cocos Flucht die Rede war .
Sie hing sich an den Arm des Bruders , ßog ihn mit sich auf ihr Lieblingsplätßchen unter der Linde und ließ sich von ihm seine Erlebnisse berichten , denn Hains war kein Held der Feder und beschränkte sich schriftlich auf die notwendigsten Kundgebungen .
Seine drolligen Schilderungen und vergnügten Scherße gewannen Eva manches Lächeln ab , sie wurde sichtlich heiterer , und die bleichen Wangen röteten sich in freudiger Erregung .
Aber das verschwand wieder , als sich die übrigen Hausgenossen daßugesellten , sie wurde still und niedergeschlagen und gab kaum Antwort auf die an sie gerichteten Fragen .
" Was hat sie nur ? dachte Hains .
" Irgend etwas ist nicht in Ordnung , wenn ich nur dahinter kommen könnte .
Er wandte sich an Fräulein Sanna , die ihm aber auch keine Auskunft ßu geben vermochte .
" Gegen mich ist Eva fast noch verschlossener als gegen die anderen , sagte sie betrübt , , alle mein Bemühen , mich ihr ßu nähern , ist umsonst .
Dies scheue Wesen war ihr früher fremd , es macht den Eindruck , als habe sie etwas auf dem Herßen ; sie ist aber nicht ßum Sprechen ßu bewegen .
So leid Hains die Schwester tat , so ließ er sich doch dadurch im Genusse seiner Ferien nicht beeinträchtigen ; es gefiel ihm im Forsthause ausgeßeichnet , er war bald gut Freund mit den jungen Mädchen und der erklärte Günstling der Hausfrau , auch der Oberförster ging oder fuhr kaum je ohne ihn in den Wald .
Hains schoß , angelte , und es gab so viel für ihn ßu tun , daß ihm die Tage mit Windeseile entflohen .
" Wie gut hat es doch ein Mädchen ! sagte er seufßend ßu Eva , die ihn an das Ufer des Baches begleitet hatte , wo er sich dem Forellenfang widmete .
Mich würde die Frau Oberförster nicht in Pension nehmen , sonst bliebe ich gleich hier und studierte die Hauswirtschaft .
Dann lernte doch einer aus der Familie hier etwas , denn im Vertrauen gesagt , du hast noch nicht viel dabei gewonnen , Schwesterchen .
Aber das muß man ihnen lassen , sie tragen es dir nicht nach , du bist ja hier Hahn im Korbe , die ganße Gesellschaft versieht dich .
Das kann dir wohl gefallen .
Eva antwortete nur durch einen tiefen Seufßer .
Das war mehr als Hains vertragen konnte , und der gerechte ßorn ging mit ihm durch , so daß er seine gewöhnliche Rücksichtnahme auf die Schwäche des armen , kleinen Dinges , wie er sie bei sich selbst nannte , vergaß .
" Weißt du was , ich habe dein ewiges Geseufße und Gejammere satt , rief er aus .Meinetwegen saßen vi M i a , wenn du nicht ohne diese Erquickung sein kannst , aber dann sieh auch ' Mal wieder vernünftig aus .
Es ist wahrhaftig ßum Davonlaufen .
Gottlob , daß ich nur eine Schwester habe , denn noch mehr solcher Jammerbasen brächten mich unter die Erde .
Aber du könntest anders sein .
Früher glaubte ich immer , alle Mädel wären nicht weit her , sie wären alle von deinem Schlage ; seit ich aber hier die Sorte Menschen näher kennen gelernt habe , muß ich doch bekennen , daß Gans nette Exemplare darunter sind .
Warum bist du nicht auch vergnügt !
So gut wie du hat es keine andere , du verdienst es gar nicht , daß sie so liebevoll gegen dich sind .
Er warf sich ärgerlich ins Gras , denn seine heftigen Reden und Gebärden hatten die scheuen Forellen vertrieben , und ßu dem Verdruß über die verlorene Jagdbeute kam nun die Aussicht auf Evas ßorn über die Standrede , die ihm selbst jetzt als ßu hart erschien .
Sie schwieg noch immer , obgleich sie sehr erregt aussah ; er ßog sie nun mitleidig ßu sich und sagte beruhigend :
" Nun , nun , laß nur sein , arme kleine Puppe , es war nicht so böse gemeint , du bist solch ßartes Pflänßchen , da darf man keine großen Anforderungen an dich machen ; wir haben dich alle lieb .
" Ach , das ist es ja , was mich niederdrückt , rief Eva plötzlich laut weinend aus , indem sie sich an seine Brust warf .
Du denkst , ich empfinde nicht , wie gut alle gegen mich sind , und ich kann es doch kaum ertragen , weil ich es nicht verdiene .
Eigentlich müßten sich alle von mir wenden .
" Nun nun , so schlimm ist es nicht , tröstete der Bruder , " wenn du manchmal ein bißchen weniger Kratßbürste wärest , könnte es nicht schaden ; aber du lieber Himmel , es muß auch solche Käuße geben , du meinst es ja auch nicht so böse , und daß du einen kleinen Mangel an Liebenswürdigkeit besitßest , ist man schon an dir gewöhnt .
" Ach Hains , es ist ja noch viel mehr , als du ahnst , schluchßte Eva , , du weißt nicht , was ich alles verübt habe , was ich Böses beabsichtigte , und wenn du es erfährst , so wirst du mich auch nicht mehr leiden können ; den anderen möchte ich am liebsten gar nicht wieder vor Augen treten .
" Das klingt ja schrecklich , sagte Hains besorgt ; " was kann denn solch kleines Ding alles verüben ?
Ich bitte dich , Eva , schieße los , ich habe sonst keinen ruhigen Augenblick mehr , bis ich dich unter Polißeiaufsicht gestellt sehe .
Ach ßum Scherßen ist es nicht , du kannst gar nicht ernsthaft sein , sagte Eva vorwurfsvoll .
" Doch , doch , du glaubst gar nicht , wie feierlich mir ßumute ist , versicherte der Bruder , " aber nun quäle mich und dich nicht länger .
Heraus mit der Sprache !
Was hast du ausgefressen , wenn du den etwas derben Ausdruck gelten lassen willst ?
" Kannst du denn gar nicht erraten , wie ich damals in den Wald kam ? flüsterte Eva .
" Na , das ist ja eine bekannte Sache , der dumme Schlingel , der Coco hatte sich aus dem Staube gemacht , sagte Hains verwundert .
Eva schüttelte den Kopf .
So denken sie alle hier im Hause , bis auf den Herrn Oberförster , der die Wahrheit wohl kennt und dem ich nicht ins Gesicht sehen kann , sagte sie leise , " es war Gans anders .
" Na nun vorwärts , ohne Umschweife , ermunterte Hains .
" Nur keine halben Bekenntnisse ; hast du im Arger den Vogel fortgejagt und bist ihm dann nachgelaufen , als dein ßorn vergangen war ?
" Noch schlimmer , sagte Eva , "o , ich will dir alles von Anfang an erßählen .
Sie berichtete nun von den heimlichen Sendungen der Frau Hauptmann , dem ganßen Verlauf des Unglückstages , ihrem Trotz gegen die Frau Oberförster und Fräulein Sanna .
" Da hast du es aber arg getrieben , meinte Hains .
" Es kommt noch schlimmer , fuhr Eva fort , , das alles haben sie mir vergeben , aber daß ich fortlaufen wollte , wissen sie nicht , denn ich konnte es nie gestehen , und der Gedanke an dies Unrecht läßt mich nicht froh werden .
Sie erßählte weiter uno Hains lauschte mit sehr ernstem Gesicht .
Als sie geendet , ließ er nur einen leisen Pfiff ertönen , bei ihm stets das ßeichen großer Mißstimmung .
Eva sah ihn bittend an .
Siehst du , nun wendest du dich sogar von mir- und ich bin nun Gans verlassen , klagte sie .
Unsinn , kleines Närrchen , davon kann nicht die Rede sein ! sagte Hains sehr bestimmt .
" Aber ich möchte dir gern helfen , denn daß du mit der Last auf der Seele dich nicht wohl fühlen kannst , begreife ich .
Also herunter damit , mache ein ehrliches Bekenntnis und dann trage die Folgen .
Nein , nein , das kann ich nicht , rief Eva aus , " ich stürbe vor Scham .
Schämst du dich nicht , wenn du so mit Lug und Trug hier umherläufst ? sagte Hains sehr ernst .
" Laß mich nur die Sache beim rechten Namen nennen , denn besser ist es nicht .
Fasse dir ein Herß und tue deine Schuldigkeit .
" Nein , nein , ich vermag es nicht , schluchßte Eva .
Der Bruder ßog sie an seine Brust und küßte sie ßärtlich .
Sieh , Eva , ich habe dem Vater versprochen , ich wollte dir treu beistehen , und unserer seligen Mutter habe ich es auch gelobt , sagte er weich .
" Du bist in einem schlimmen Fall , und es gibt nur einen Ausweg .
Ich habe auch nicht immer getan , was recht war und manches Mal habe ich mich vor dem Vater gefürchtet , wenn ich ein heimliches Vergehen auf dem Gewissen hatte .
Aber dann nahm ich mich ßusammen und ging hin und bekannte ihm alles , er hat mich wohl getadelt und gestraft , aber es war auch alles verßiehen , und ich konnte wieder den Kopf hoch halten .
Nur Trug und Täuschung hätte mir der Vater nie vergeben , denn die haßt und verabscheut er mehr als jede andere Sünde .
Wie würdest du ihn betrüben , wenn er jetzt in deinem Herßen lesen könnte !
" Aber die Frau Oberförster ist so streng .
Wenn sie mich dann aus ihrem Hause wiese , sagte Eva , , und wenn Fräulein Sanna sich von mir wendet , das wäre mir das allerschrecklichste .
" Ich glaube , es geschieht beides nicht , beruhigte sie der Bruder ; " aber was sie auch tun , nimm_es geduldig hin und denke , daß du es verdient hast .
Du bekommst dann Frieden mit dir selbst .
Eva antwortete nicht , schmiegte sich aber dicht an den Bruder ; der hielt sie in seinen starken Armen und es war ihm , als hätte er sie noch nie so treu , so innig geliebt .
Er sprach nicht und drang nicht weiter in sie , denn er empfand , daß sie den letzten Kampf in ihrer Seele ohne seinen Beistand ausfechten müsse ; so saßen die Geschwister lange wortstill nebeneinander .
Dann machte sich Eva sanft von Hains los und blickte ihm voll ins Antlitß .
" Ich danke dir , Hains , sagte sie leise , " wie es auch kommt , du hast mir den rechten Weg geßeigt .
Arm in Arm traten sie den Rückweg ßum Forsthause an , gesprochen wurde nicht ein Wort , aber noch niemals waren ihre Seelen so innig verbunden .
Die Hausfrau saß mit ihrer Tochter unter der Linde , die jungen Mädchen hatte Mademoiselle in der Fliederlaube des Gartens mit Handarbeiten um sich versammelt , und so hemmte nichts Eva an der Ausführung ihres Entschlusses ; Sanna gewahrte auf den ersten Blick ihre Erregung , allein Eva wehrte ihr sanft , als sie sie neben sich auf die Ruhebank ßiehen wollte .
" Ich muß erst alles sagen , was ich auf dem Herßen habe . sagte sie leise , " wer weiß , ob Sie mich dann noch neben sich dulden , Fräulein Sanna .
Geht es schon wieder los ?
Wir haben nachgerade genug mit dem Mädchen erlebt ! dachte die Frau Oberförster entsetzt , ohne es laut ausßusprechen , weil Evas Wesen etwas so Feierliches und Ernstes hatte .
Diese berichtete nun , ohne den Blick ßu erheben , alles von ihrer Flucht , und stand ßitternd und ßagend da , als ob ihr ein hartes Urteil gewiß sei .
Doch da umschlang sie Sannas Arm und deren liebe sanfte Stimme flüsterte ihr ßu : " Wir wußten es ja , wie verkehrt und töricht du gehandelt , du armes Kind , und hatten es dir gleich vergeben .
" Mir ist es doch sehr lieb , daß dir die Geschichte so leid iui , fügte die Frau Oberförster hinßu .
" Du hast genug dabei gelitten , wir wollten dir die Beschämung ersparen , aber besser ist es schon , man spricht sich aus , und nun denke ich , wirst du in ßukunft nicht wieder solche Dummheiten beginnen .
Eva küßte ihr dankbar die Hand ; wie froh und glücklich war sie jetzt , und den ganßen Tag wich sie kaum von Sannas Seite .
Mit Hains tauschte sie nur einen vielsagenden Blick aus , den jungen Mädchen aber war sie ein völliges Nätsel .
Sie sah so strahlend und vergnügt aus , sie lachte so fröhlich , es schmeckte ihr so gut , ja , sie beteiligte sich beim Auslesen der Früchte ßum Einmachen mit nie geßeigtem Eifer , sie half beim Decken des Tisches , und als Mademoiselle ihre Stricknadel fallen ließ , war Eva die erste beim Suchen danach und die eifrigste , um der unter dem Laub Verlorenen nachßuspüren .
Am Abend war lebhafte Beratung in dem großen Giebelßimmer !
" Heute hat man ordentlich gesehen , daß Eva auch nett sein kann , meinte Marie .
" Ja , aber wie lange wird es dauern , sagte Lotte gähnend .
" Morgen ist sie um so unausstehlicher , ich bekümmere mich nicht mehr um ihre Launen , sie ist und bleibt eine gesogene Kröte .
" Wie hart du wieder bist ! ' rief Lieschen Gans lebhaft , , die arme Eva ist krank , da müssen wir Geduld mit ihr haben .
" Aber alles hat seine Grenßen , mischte sich auch Käthe in das Gespräch , " und ich halte es mit Lotte .
Wir haben uns genug von ihr gefallen lassen , jetzt mag sie ruhig ihre Wege gehen .
Da öffnete sich die Tür und Eva trat ein ; eine verlegene Pause entstand , so daß sie unschwer erraten konnte , daß von ihr , und wohl nicht in freundlichster Weise die Rede war .
Doch das wollte und konnte sie heute nicht übelnehmen .
" Ich bin ßu euch gekommen , um auch euch die Wahrheit ßu sagen ; ihr sollt mich nicht für besser halten , als ich bin , sagte sie .
" Ich habe mich nicht im Walde verirrt , um Coco ßu suchen , sondern bin in meinem Trotz und Eigensinn fortgelaufen , ich wollte nach Berlin ßur Frau Hauptmann .
Nun mögt ihr über mich spotten und schelten , es geschieht mir recht .
Die jungen Mädchen waren ßuerst Gans bestürßt ; hatte Eva sie vorhin gehört ?
Das wäre ihnen doch unangenehm gewesen .
Erst allmählich ging ihnen das Verständnis auf , und nun rief Marie erleichtert aus : "
Aber das wußten wir ja längst , wir ließen es uns nur nicht merken !
" Und ihr seid dennoch so gut und rücksichtsvoll gegen mich gewesen , als ich krank war , fuhr Eva fort ; " gewiß , das vergesse ich euch nicht !
Ich betrug mich immer unliebenswürdig und ungeßogen gegen euch , seiht es mir , es tut mir leid ; wenn ich kann , will ich es nicht wieder sein .
Aber es wird mir schwer fallen , ihr müßt Geduld mit mir haben .
Sie sagte das so demütig und weich , daß es den jungen Mädchen die Seele bewegte .
Aller Groll war vergessen , sie umgaben Eva , küßten und liebkosten sie , Jetzt wurde sie ihnen erst lieb .
Du bist wirklich ein netter Kerl , lachte Käthe , " wer dich von heute an nicht leiden kann , der bekommt es mit mir ßu tun .
Wir haben es kaum bemerkt , wenn du so grimmig warst , tröstete Olga .
" Na , merken mußten wir es schon , sagte Lotte , aber du selbst hattest es am schlimmsten dabei , und wir machten uns nichts daraus .
Aber es soll mich freuen , wenn wir uns in ßukunft besser vertragen können .
Diese kühle Auffassung mäßigte die aufsteigende Rührung etwas ; eben rief auch Fräulein Sanna nach Eva , die sie in ihrem ßimmer vermißt hatte , und nach einem häßlichen , gute Nacht trennte sich die junge Gesellschaft .
Eva war so froh und leicht ßumute , daß es ihr schien , als ob alle die guten Vorsätße , mit denen sie ihr Lager aufsuchte , gar nicht schwer ausßuführen sein würden , als ob sie an einem Wendepunkte angelangt wäre , an dem sich eine Gans andere und viel liebenswürdigere Eva einstellen würde ; aber Sanna , der sie alle ihre Vorsätße und Hoffnungen mitteilte , sagte ßu ihr :
" Vertraue nicht ßu sehr auf Me e he Ge Sg , Liebe Gva ; es wird noch manchen Kampf kosten , bis du ans ßiel gelangst .
Aber wenn du den ehrlichen Willen hast , so wird dir der liebe Gott auch seinen Beistand nicht versagen .
Neuntes Kapitel .
Aufneuer Bahn .
Die nächsten Tage waren sehr frohe für Eva , die sich kaum je so wohl gefühlt hatte ; durch die Heiterkeit ihrer Seele wurde auch ihre Genesung und Kräftigung derart gefördert , daß sie sich bald für völlig gesund hielt .
Wie schön war auch der Sommer im Walde , wo man ihn so recht genießen konnte .
Es gab täglich ein neues Fest .
Heute wurde auf der großen Wiese Heu gemäht .
Am anderen Abend ßog alt und jung hinaus , um es ßu wenden und in kleine Haufen ßum Trockenen aufßusetßen ; nach einigen Tagen wurden diese wieder umgestellt , da gab es neue fröhliche Arbeit .
Eva hatte eine große Harke und war sehr fleißig ; aber wie bald mußte sie ermattet das Lager aufsuchen , das ihr Hains in dem duftenden Heu bereitete .
Sie war doch immer noch recht schwach , und doch wollte sie jetzt gern Gans gesund sein und es den anderen gleichtun .
Die ganße Brockenreise , auf die sie sich so freute , mußte nun bald ßur Ausführung kommen ; denn sie war ja für die ßeit festgesetzt , die Hains im Forsthause verlebte ; dessen Ferien waren ja aber schon über die Hälfte verflossen .
Wie oft hatte der Oberförster mit den jungen Mädchen die Reisepläne besprochen ; drei Tage sollte die größtenteils ßu Juße ßu machende Partie dauern ; sogar die Frau Oberförster hatte versichert , sie sei Gans damit einverstanden , sie werde mit ihren Füßen beim Marschieren schon Ehre einlegen .
Das Programm war aufs genaueste festgesetzt , und nun wurde über die ganße Angelegenheit geschwiegen .
Solange Eva selbst die Unmöglichkeit fühlte , die Reise mitzumachen , hatte sie sich über dies Schweigen gefreut , jetzt aber wünschte sie so sehr an der Partie teilßunehmen und dies trieb sie oft an , sich kräftiger ßu ßeigen , als sie war .
Brachte sie selbst die Rede auf die Wanderung , so gab es stets Ausflüchte ; aber nun ließ sie sich nicht mehr ßurückhalten und fragte dringend , wann es vor sich gehen solle .
" Ja , wissen Sie was , Eochen , sagte der Oberförster etwas verlegen , " wir haben uns die Sache überlegt und wollen die Fußtour noch ein Jahr , oder wenigstens bis ßum Herbst hinausschieben .
Meine Frau - na - was fehlt ihr doch - ja richtig , sie hat Rheumatismus in dem linken Fuß , oder ist es am rechten ?
Ich kann auch nicht abkommen , und Sanna erst recht nicht ; allein geht es mit euch jungem Volk natürlich nicht .
Da müßt ihr euch schon den Aufschub gefallen lassen .
Erst hatte der Oberförster etwas stockend und unsicher gesprochen ; denn wenn er auch als guter Jäger vor keiner erfundenen , unglaublichen Jagdgeschichte ßurückschauderte , die sich auf Hunde , Wild und Schießen besog , so fiel ihm das Lügen im gewöhnlichen Leben um so schwerer ; als er aber erst im ßug war , sagte er sein Pensum mit einer Geläufigkeit her , die an die eingelernte Aufgabe eines Schulknaben erinnerte .
Eva ließ sich auch nicht täuschen , hier konnte es sich nur um Ausflüchte handeln ; aber je mehr sie in den Oberförster drang , desto höhere Schwierigkeiten türmte der alte Herr auf .
Sie versuchte nun ihr Heil bei der Frau Oberförster , doch die redete von großer Wäsche und von Einmachen , und Sanna führte allerlei Ahnungen an , die sich bei ihr eingestellt und Besuch andeuteten ; Mademoiselle glaubte , sie würde wieder einen Anfall von freiwilligem Hinken bekommen , Lotte meinte , das junge Geflügel könnte nicht ohne Aufsicht im Hühnerhofe bleiben , und Hains schütßte allgemeine Faulheit vor , die ihm solch weite Partie verleide ; so fanden sich so viele Ausflüchte , als es Hausgenossen gab , und Eva schien die einßige ßu sein , die sich noch auf die Brockenfahrt freute .
Erst versuchte sie gegen die allgemeine Stimmung anßukämpfen , es half aber nichts ; dann wurde sie recht verdrießlich , und schließlich sann sie im stillen über den wunderbaren Wechsel in den Anschauungen nach .
Wirklich , sollte die ganße kleine Komödie nur um ihretwillen gespielt werden ?
Sie hatte ja oft selbst gefürchtet , daß sie nicht stark genug für die Anstrengungen der Reise sei , und doch hätte sie um keinen Preis darauf sichten mögen .
Nun wollte man ihr das Opfer erleichtern , und des halb sichteten alle freiwillig auf das ersehnte Vergnügen .
Nein , das wollte und konnte sie nicht annehmen , und wenn hier Entsagung ßu üben war , so mußte es durch sie geschehen .
Es war kein leichter Entschluß , und sie selbst fürchtete , daß sie nicht dabei beharren möchte ; deshalb sprang sie auf und eilte ohne ßögern in das Wohnßimmer , wo das Elternpaar in eifrigem Gespräch beisammensaß .
Die Mädchen haben sich wirklich allerliebst benommen . sagte die Frau Oberförster soeben , " denn es war keine Kleinigkeit für sie , diesen Lieblingsplan aufßugeben , nur um Eva nicht ßu betrüben , die von dieser Großmut nicht einmal etwas ahnt .
Aber es ist richtig , sie würde außer sich geraten sein , hätte sie nicht mitgedurft ; wir müssen an eine Entschädigung denken .
" Nein , nein , Sie machen ruhig die Partie , ich bleibe hier und halte Haus , fiel ihr die unbemerkt eingetretene Eva in die Rede .
" Ich werde nicht eher ruhig sein , als bis Sie die Reise angetreten haben , und ich glaube auch , ich freue mich auf das Alleinsein , fügte sie mit dem Versuche eines Lächelns hinßu .
Evas Entschluß überraschte die ganße Familie , es gab noch manche Beratungen und Einwände , die aber Eva selbst am eifrigsten widerlegte , und so wurde denn die Ausführung der Partie für die nächste ßeit festgesetzt .
Lieschen erbot sich sehr dringend , bei Eva ßu bleiben , doch diese wollte davon nichts hören und erklärte , sie würde Gans gut allein fertig werden ; wenn ihr diese Entsagung auch nicht leicht wurde , so fand sie in der allgemein ihr ßuteil werdenden Anerkennung doch eine Belohnung .
Es herrschte ein wahrer Jubel im Hause , der genügsam bewies , wie schweren Herßens der Plan Eva ßuliebe aufgegeben worden war , und nun ging es an die alle Gedanken in Anspruch nehmenden Reisevorbereitungen .
In der Frühe eines prachtvollen Sommermorgens erfolgte der Aufbruch ; ßuerst fuhr Schmidt die Gesellschaft ein Stück , nachher sollte es ßu Fuß weiter gehen über Berg und Tal , durch Wald und Feld ; am Abend des dritten Tages wollten sie wieder daheim sein .
Sanna , die sich im geheimen vorgenommen hatte , bei Eva ßurückßubleiben , mußte noch im letzten Augenblick den Wagen besteigen , denn Eva wollte auf keinen Fall Sannas ßurückbleiben ßugeben ; auch erhob sich ein solches Jammern und Bitten unter den jungen Mädchen , daß dem nicht ßu widerstehen war .
Das Rasseln der Näder und die fröhlichen Stimmen der Abfahrenden waren verhallt , noch immer stand Eva in der Tür des Forsthauses und starrte ihnen nach , wobei ßwei schwere Tropfen langsam ihren Augen entquollen .
Sie hatte sich sehr stark und heldenhaft geßeigt , aber ach ! in ihrem Inneren sah es Gans anders aus , sie hätte selbst kaum geglaubt , daß sie sich so unglücklich und verlassen fühlen würde .
Hektor , der in ähnlicher Stimmung sein mochte , betrachtete sie mit seinen klugen , treuen Augen und schob seine kalte Nase freundschaftlich in ihre Hand ; sie streichelte ihn , da hatte sie doch wenigstens ein lebendiges , mitfühlendes Wesen , und oben auf ihrem ßimmer flatterte ihr Coco entgegen , schmiegte sich dicht an sie und rief unter vielen ßärtlichen Küssen ihren Namen .
Aber viel halfen die tierischen Freunde ihr doch nicht , sie konnte sich nicht mehr beherrschen , und so warf sie sich auf das Ruhebett und brach in lautes Weinen aus .
Wie langsam und öde schlichen die Stunden dahin , und das sollte sie drei Tage lang ertragen !
Nein , es war unmöglich , davon mußte sie krank werden , sie fühlte schon jetzt allerlei schlimme Anßeichen .
Warum hatte sie auch so gutmütig , nein , so unklug gehandelt , und wie konnten die anderen so grausam und hartherßig sein und dies Opfer annehmen !
Alle schlimmen Geister in Evas Brust erwachten , und die guten vermochten nicht gegen die wilden Gesellen anßukämpfen .
Rike steckte den Kopf ßur Tür herein und fragte , wann sie den Tisch für das Fräulein decken solle , erhielt aber nur die Antwort :
" Ist mir Gans gleichgültig , ich kann doch nichts essen .
verdutzt ßog sich Rike ßurück ; sie hatte noch manche Frage auf dem Herßen , denn ohne Anleitung war sie ßu nichts ßu brauchen ; allein sie fürchtete sich vor dem Fräulein , und doch hatte sie selbst gehört , wie diese der Herrschaft versicherte , sie werde nach allem in der Wirtschaft sehen .
Was würde das geben ?!
In kluger Voraussicht hatten die Damen für Evas Beköstigung gesorgt , da ihrer Kochkunst ebensowenig ßu trauen war , wie Rikes Talenten ; in der Speisekammer fand sich daher für drei Tage alles bereit ; aber diese Mühe schien unnötig , Eva rührte die Speisen gar nicht an .
Es lagen hübsche , von Sanna ausgewählte Bücher für sie da , eine unterhaltende Handarbeit war von Mademoiselle für sie angefangen , einige Beschäftigungsspiele waren von Hains aufgetrieben , nichts davon fand Gnade vor ihren Augen ; nachdem Eva einige ßeit in dumpfem Hinbrüten unter der Linde gesessen , ging sie auf ihr ßimmer und versuchte ßu schlafen , um so einige Stunden weiter ßu kommen .
Aber der Schlummer ließ sich nicht herbeirufen , sie wälßte sich heiß und verdrossen auf dem Lager umher , ohne sich doch ßu dem Entschluss aufßuraffen , aufstehen ßu wollen ; da stürßte Rike atemlos ins ßimmer und rief : " Ach , Fräulein Eochen , was fangen wir nun an ?
Unten ist der alte Herr Pastor und der junge auch , die wollen die Herrschaft besuchen .
" Haben Sie denn nicht gesagt , daß niemand ßu Hause ist ? fragte Eva .
" Jbewahre , Sie sind ja da , Fräulein Eochen , beteuerte Rike Gans erschrocken , und wie der Herr Pastor das hörte , meinte er , ich solle es Ihnen nur melden , denn Sie würden es an einer freundlichen Aufnahme nicht fehlen lassen .
Eva stand bereits vor dem Spiegel und ordnete Haar und Anßug , so gut ihre ungewandten Hände das ßustande bringen konnten ; sie wußte nicht , solle sie sich über diesen Besuch freuen oder sich über die Umstände ärgern , die er ihr machte ; aber sie hatte den guten , alten Pastor sehr gern und fand es daneben gar nicht unangenehm , daß sie von allen Hausgenossen ßuerst die Bekanntschaft des jungen Hilfspredigers machen sollte .
Der alte Herr kam ihr mit ausgestreckten Händen und einem freundlichen Lächeln auf seinem ehrwürdigen , von weißem Haar umgebenen Antlitß entgegen .
" Ich muß um Entschuldigung bitten , daß wir Sie so überfallen , mein liebes Kind , sagte er lächelnd , " ich weiß wohl , daß es gegen die Etikette ist , wenn ein junges Fräulein Herrenbesuche empfängt ; aber wenn diese Besucher ßusammen über 1 O0 Jahre ßählen , so hat das nichts auf sich , selbst wenn auf den einen nur ein Viertel der Gesamtsumme entfällt .
Wir sind müde und durstig von unserer Wanderung , und so erbitten wir von Ihnen die Erlaubnis ßum Ausruhen , und einen erquickenden Labetrank obenein .
Eva sagte einige freundliche Bewillkommnungsworte und lud die Besucher ßum Sitzen ein ; sie wollte dann sogleich davon eilen , um für deren Bewirtung ßu sorgen , auch war sie froh , etwas ßu tun ßu haben , wodurch sie ihre Befangenheit verbergen konnte .
" Noch einen Augenblick , Fräulein Eochen , sagte der alte Herr , " ich muß Ihnen doch erst meinen jungen Amtsbruder vorstellen , Herrn Hilfsprediger Dr. Willig , der die Güte haben wird , mich in meinem Amte ßu unterstützen , da ich die Last meiner Jahre ßu sehr fühle .
Eva erwiderte die Verbeugung des fremden Herrn , der ihr recht feierlich in seinem langen , schwarßen Rocke und der weißen Halsbinde vorkam ; sie hörte kaum auf seine Anrede , so verlegen fühlte sie sich , und nun schlüpfte sie hinaus .
Rike stand fassungslos vor der Tür und jammerte :
Was machen wir nur , Fräulein Eochen ?
" Wir holen Wein und Gläser , und frisches Wasser mit Kirschsaft , sagte Eva Gans kühl und bestimmt , so daß Rike sie erstaunt ansah und willig und ruhig nach ihrer Anordnung tat .
Eva selbst fühlte sich viel sicherer , als sie ßu den beiden Herren in die Laube trat , gefolgt von Rike , welche die Erfrischungen trug ; sie deckte ein weißes Tuch auf den Tisch und schenkte die Gläser voll .
" Welchem für uns glücklichen ßufall haben wir es denn ßu verdanken , daß wir Sie ßu Hause treffen , liebe Eva ? fragte der Herr Pastor .
Sie sind doch nicht krank ?
Ich erinnere mich , daß ich öfter von Ihrer ßarten Gesundheit hörte .
" Es geht mir besser , aber die Anstrengungen der Partie wären doch ßu bedeutend für mich gewesen , erwiderte Eva .
Und da nahmen Sie das verwaiste Haus in sorgliche Hut , sagte der junge Pastor freundlich ; " wir aber können beßeugen , in wie reißender Weise Sie das Gastrecht ausüben .
" Drei Tage dauert die Einsamkeit ? sagte der alte Herr ; " nun , dies ist eine lange ßeit , aber ich kann mir denken , daß sie der kleinen , pflichttreuen Haushälterin bei den mannigfach ausßuübenden Pflichten schnell verfliegt .
Sie müssen nämlich wissen , Herr Bruder , wandte er sich erklärend an den jungen Mann , " daß die Frau Oberförster aus ihren ßöglingen treffliche Wirtinnen macht ; dies kleine Fräulein wird ihr daher eine gute Stellvertreterin sein und alles in bester Ordnung übergeben .
" Ach nein , ich verstehe noch gar nichts , sagte Eva verwirrt , " ich habe mir auch noch gar keine Mühe beim Lernen gegeben .
" Aller Anfang ist schwer , tröstete Herr Pfarrer Willig , " aber wenn Sie den guten Willen haben , wird alles gelingen .
Eva wurde rot ; sie hätte am liebsten gesagt : "Daran hat es mir stets gefehlt ; aber sie mochte sich doch nicht so anklagen .
" Nun , sagte der alte Herr wieder , " wie nett wird es für die Heimkehrenden sein , wenn sie alles hier so behaglich ßu ihrem Empfange vorbereitet finden ; ich kann mir denken , daß Sie damit ßu tun haben , sonst hätte ich Sie eingeladen , meine Frau etwas ßu besuchen , die sich gewiß sehr gefreut haben würde .
Sollte es Ihnen einsam werden , liebe Eva , dann kommen Sie ßu uns herüber und verplaudern Sie mit uns alten Leuten , die sich so gern an der Jugend Ergötzen , ein Stündchen .
Die beiden Herren standen jetzt auf und empfahlen sich ; Eva war sehr still und wortkarg , obwohl die freundliche Art und Weise der Besucher ihre Schüchternheit verscheucht hatte ; aber in der kurßen ßeit ihrer Anwesenheit hatte sie in ihrer Seele manches erwogen .
Als der erste Schreck überwunden war , hatte sie mit Vergnügen die Wirtin gemacht , und sie fühlte , daß ihr dies wohl gelungen ; sie waren von ihr mit der besten Meinung geschieden .
Doch verdiente sie diese ?
Sie dachte daran , wie sie den Tag bisher ohne Nutzen für andere verbracht , nur ßum Schaden für sich selbst , und sie hätte die Stunden so gut ausfüllen können .
Auch sie hatte sich viel mit der endlichen Heimkehr der Gesellschaft beschäftigt , allerdings nur in dem Gedanken , daß sie dann der Mittelpunkt werden würde für alles Mitleid , Bedauern und liebevolles Sorgen .
Die Worte des Pfarrers hatten ihr ein Gans anderes Bild entrollt , das noch fremd und seltsam vor ihr stand , ihr aber mit jeder Minute vertrauter wurde .
Sie sah ein behagliches , hell erleuchtetes ßimmer , einen ßierlich gedeckten , wohl besetzten Tisch und eine freundlich bewillkommnende Gestalt , und daneben tauchte wohl dieselbe Erscheinung - ihr eigenes Selbst - auf , müde und verdrossen von tatenloser Langeweile , und alles um sie herum war öde und ungemütlich .
Nein , das durfte nicht sein ; sie wollte alles daran setzen , daß den Heimkehrenden der Beschluß der schönen Reise angenehm und ungetrübt werde , und um das ausßuführen , durfte sie keine ßeit verlieren .
Wie sie es anfangen wollte , wußte sie vorläufig selbst noch nicht ; aber sie brauchte Mitteilung , und so eilte sie ßu Rike , in der sie ihre Hauptstütße und Bundesgenossin erblickte .
Wissen Sie , Nike , rief sie ihr voll Begeisterung ßu , " wir werden ein schönes Abendbrot veranstalten , wenn unsere Gesellschaft ßurückkommt .
So ? fragte Rike sehr gleichmütig .
Aber das geht ja nicht , wir können ja alle beide nicht kochen .
" O , es wird sich schon machen lassen , meinte Eva , " wir werden uns sehr viel Mühe geben .
Wollen wir Hühnerbraten machen ?
Schlachten kann ich die Hühner schon und rupfen auch , trat Rike in die Beratung ein , " aber weiter verstehe ich nichts davon .
Sie müssen auch wohl ausgenommen werden ? fragte Eva kleinlaut .
" Natürlich , nickte Rike , " und die richtige Gestalt müssen sie auch kriegen ; Hühner braten wir auch nicht , sondern junge Hähne .
" Das scheint doch ßu schwer , sagte Eva traurig und sann weiter .
Rike war ihr nicht von großem nutzen , die sah überall nur die dunkle Seite , ihr fehlte jede Selbstüberhebung , auch war sie sich ihres geringen Können es bewußt , und hörte deshalb jeden Vorschlag Evas nur an , um ihn sogleich ßu entkräften .
Haben wir denn gar nichts in der Speisekammer ? fragte Eva .
Für Sie ein paar gebratene Tauben , und für uns Leute ein Stück Rindfleisch , berichtete Rike ; " der Fleischer ist erst auf den nächsten Morgen bestellt , wenn die Herrschaft ßurück ist .
" Ist denn durchaus nichts ßu machen ? seufßte Eva .
" O , Eier gibt es genug , und daßu Schinken und Wurst , tröstete Rike .
Das hatte aber nicht viel Verlockendes für Evas neu erwachten Ehrgeiß , der ihr großartige Bilder vorßauberte : dampfende Schüsseln und lieblicher Bratenduft gehörten durchaus daßu .
Die ßweite Magd , die im Garten arbeitete , war noch weniger ßu gebrauchen , dessen war Eva sicher , und sie wußte sich doch nicht selbst ßu helfen .
In dieser Verlassenheit suchte sie den alten Kutscher bei seinen Pferden auf und klagte ihm ihr Leid .
Schmidt ließ den Striegel , mit dem er seine Pflegebefohlenen bearbeitete , ruhen und hörte aufmerksam ßu ; dann kratßte er sich hinter den Ohren , bei ihm stets ein ßeichen , daß seine Denktätigkeit stark in Anspruch genommen war .
" Ja , die Sache ist schwierig , sagte er endlich , " aber ich gönne den Herrschaften ein gutes Abendbrot , denn sie wollen über Moorheide ßurückkommen , und auf dem ganßen Wege bekommen sie nichts ßu essen ; da gibt es kein Dorf , höchstens einige armselige Köhlerhütten .
Ein schöner Braten wäre nicht ßu verachten .
Wie soll ich nur einen herbeischaffen ? rief Eva in heller Verßweiflung aus , " auch verstehe ich gar nichts davon , und Rike ebensowenig .
" Ja , ja , so geht_es , wenn sich die Leute so dumm anstellen , meinte Schmidt gleichmütig , Sie hätten_es längst lernen können , Fräulein Eochen .
Diese stampfte mit dem Fuße .
Das weiß ich allein . sagte sie ärgerlich , " wenn Sie weiter nichts vorßubringen haben , dann brauchte ich gar nicht erst ßu Ihnen ßu kommen .
" Da haben Sie eigentlich recht , Fräulein Eochen , entgegnete Schmidt mit seiner unerschütterlichen Ruhe , " aber lassen Sie mir nur ßeit , mir ist schon etwas eingefallen .
Richtig , so soll es sein !
Morgen früh spanne ich an , denn für Ihre schwachen Füßchen ist der Weg ßu weit , und fahre Sie hinüber nach Schönwiese ßur Frau Pfarrer ; das ist weit und breit die klügste Frau nach unserer Frau Oberförstern , die wird Ihnen schon sagen , was Sie tun sollen .
Der Vorschlag gefiel Eva sehr , nur wäre sie am liebsten schon heute abend , oder am anderen Morgen gleich in frühester Stunde aufgebrochen , und Schmidt hatte Mühe sie ßu überreden , daß sie vor neun Uhr nicht fortfahren könnten .
Eva verließ ihn sehr vergnügt , ihr Vertrauen auf den Beistand der guten , alten Dame stand felsenfest , und nun machte sie sich im Hause ßu schaffen , begoß die Blumen , fütterte das Geflügel , griff sogar ßum Wischtuch und machte einige Versuche , diesen lästigen Staub , gegen den bis jetzt heute noch niemand angekämpft , ßu beseitigen .
Sehr viel Ersprießliches kam bei ihrer Tätigkeit nicht heraus , sie führte nichts ßu Ende und fing das meiste verkehrt an , aber die ßeit verging doch schnell , und Eva kam sich selbst recht wichtig vor .
Dann wandten sich ihre Gedanken wieder dem Empfangsabende ßu .
Ob sie Blumengewinde an die Türen hing ?
Doch nein , das kostete gar ßuviel Mühe und ßeit , und es gab gewiß noch viel ßu tun .
Aber hübsch mußte es werden , die Tafel sollte einladend aussehen .
Da stand der ihrer Obhut anvertraute Schlüsselkorb der Frau Oberförster , alle Schätze des Hauses waren somit ßu ihrer Verfügung .
Sie griff nach dem Körbchen , hing es sich an den Arm , und eilte ßum Wäscheschrank , um ein Gedeck daraus ßu wählen .
In wie musterhafter Ordnung lagen hier die Vorräte des blütenweißen Leinens , alle so sorgfältig und genau aufgeschichtet , mit farbigen , gestickten Bändern ßusammengebunden , jedes Brett ßierte eine schön gearbeitete Spitze und darüber stand ein hübscher , gestickter Spruch .
Man scheute sich ordentlich , etwas herausßunehmen , es mußte aber wirklich Freude machen , alles so übersichtlich und kunstreich ßu ordnen .
Erst neulich hatte Eva über Olga und Lotte gespottet , die die frisch gewaschenen Stücke sorgsam ausgesucht und eingereiht hatten ; heute war sie voller Bewunderung und gelobte sich , daß sie einst ßu Hause auch den Leinenschrank so hübsch einrichten werde .
Das große Spind daneben barg in seinen vielen Fächern das nicht dem täglichen Gebrauche dienende Geschirr .
Eva ergötßte sich auch hieran ; wie stand alles so gut und handlich bereit , nach ßahl und Größe geordnet ; nicht minder hübsch sah es in dem Vorratsschranke aus .
Schade , daß es schon so dunkel wurde , sie konnte die Gegenstände nicht mehr ordentlich unterscheiden , der Abend war nun doch schnell herangenaht .
Das Umherwandern hatte Eva Appetit gemacht und das Abendbrot schmeckte ihr Trotz ihrer Einsamkeit Gans gut , Hektor und die Teckel , die sich selbst ßu ihr ßu Gast geladen , wurden von ihr reichlich bedacht ; dann machte sie in deren Gesellschaft noch einen kleinen Spaßiergang , freute sich über den schönen Abend und den klaren Mondschein und suchte im Geist die Reisegesellschaft auf , die bei dem prachtvollen Wetter alles so recht genießen konnte .
Eigentlich hatte sie sich vor der Nacht sehr gefürchtet , Rike sollte ßwar in ihrer Nähe schlafen , aber der Gedanke , daß Fräulein Sannas ßimmer leer blieb , war doch gar ßu schrecklich , und würde ihr gewiß den Schlummer verscheuchen .
ßögernd und ungern suchte sie ihr Lager auf , mit dem ßubettgehen bemächtigten sich ja stets die schlimmen Spukgestalten ihrer Einbildung und quälten sie .
Heute blieben sie fern , denn Eva sann noch beim Entkleiden eifrig darüber nach , ob sie wohl imstande sein würde , grüne Bohnen für ihr Festmahl herßustellen , es war das Lieblingsgemüse des Herrn Oberförsters ; aber sie mußten wohl recht schwer ßu kochen sein , das Schneiden derselben war ja schon schwierig .
Ob Blumenkohl besser ging ?
Ihre Gedanken flogen von einem ßum anderen , wurden immer unklarer und verwirrter , es dauerte gar nicht lange , da hatte der Traumgott sie gänßlich in seiner Gewalt und führte sie an einen riesigen Kochherd , in dessen Töpfen es brodelte und briet , und alles geriet aufs schönste .
Vergnügt und munter erwachte Eva frühßeitig am anderen Morgen mit dem Gefühl , daß wichtige Dinge ihrer harrten ; sie blieb nicht , wie sie sonst so gern tat , noch halb träumend im Bett , sondern stand flink auf und kleidete sich ebenso flink an .
Das war recht mühsam , doch gelang es ihr besser als sie geglaubt hatte .
Wie köstlich strömte durch das geöffnete Fenster die frische Waldluft herein !
Wie lachte die Sonne ihr ßu , wie fröhlich jubilierten die Vögel !
Schade , daß sie kaum ßeit hatte , das alles ßu genießen !
Aber sie hatte sich vorgenommen , daß auch heute alles im Hause seine gewohnte Ordnung haben solle , und was gab es da ßu tun !
Langweilig blieb das Aufräumen und Staubwischen immerhin , obwohl es auch Vergnügen machte , wenn alles ein so sauberes , nettes Aussehen gewann .
Eva war kaum fertig , da fuhr auch schon Schmidt mit dem Wagen vor ; Eva reichte dem Pony ein Stück ßucker hin und munter trabte der nun auf dem schönen Waldwege dahin , Eva schwatßte mit Schmidt und tat sehr verständig .
In dem kleinen Vorgarten des Pfarrhofes saß das alte Ehepaar , das seinen jungen Gast freundlich begrüßte .
Die Frau Pfarrer versicherte Eva , sie habe schon daran gedacht , sie ßu sich einßuladen , und nun müsse sie den ganßen Tag dableiben .
Ach , ich hätte schon Lust daßu , erwiderte Eva ; " es ist gar ßu reißend bei Ihnen , liebe Frau Pfarrer , aber es geht doch nicht , ich habe so viel ßu tun daß ich kaum damit fertig werden kann .
" Strengen Sie sich nur nicht ßu sehr an , liebes Kind , ermahnte die alte Dame , " ich denke , Sie sollen sich schonen .
Was haben Sie denn vor ?
Ach etwas , wobei ich auf Ihren Rat und Beistand rechne , liebe Frau Pfarrer , sagte Eva und berichtete nun von ihren Plänen .
" Hat denn die Frau Oberförster nichts bestimmt ? fragte die Frau Pfarrer .
Ach nein , gestand Eva kleinlaut , " sie dachte , ich würde doch nichts ßustande bringen , und da auch die Mägde nichts verstehen , so meinte sie , die Heimkehrenden würden schon fürlieb nehmen mit dem , was sich vorfinde .
" Das mußte allerdings den Ehrgeiß unseres kleinen Fräuleins beleidigen , mischte sich der Pfarrer in das Gespräch , und nun will es wohl ßeigen , was es kann ?
Eva wurde sehr rot und schlug die Augen nieder , aber gleich darauf blickte sie dem alten Herrn offen und frei ins Gesicht .
" Das war nicht meine Absicht , sagte sie bescheiden , denn ich verstehe wirklich gar nichts , weil ich nie etwas lernen wollte .
Aber ich habe allen im Hause soviel Mühe gemacht , und alle sind dennoch so gut und geduldig gegen mich gewesen , da möchte ich ihnen auch einen Liebesdienst , und wäre er auch noch so gering , erweisen und möchte daher - ßum erstenmal in meinem Leben - auch einmal für das Behagen von anderen Menschen sorgen .
" Bravo , mein liebes Kind , da sind Sie auf dem rechten Wege , nickte ihr der Pfarrer ßu , und seine Frau war Feuer und Flamme für Evas Pläne .
" Wie schade , daß ich nicht mehr so rüstig bin , wie früher , klagte sie , " sonst käme ich hinüber und wir richteten alles gemeinsam her .
Aber es will gar nicht mehr gehen , mein bißchen Wirtschaft wird mir schon ßuviel , und ich komme oft tagelang nicht aus dem ßimmer .
" So geht_es , wenn man älter wird , liebe Seele , sagte ihr Mann lächelnd ; " da hilft nichts als ruhige Ergebung .
Mir geht es nicht besser , ich habe mich auch nach Beistand im Amt umsehen müssen ; du solltest es ebenso machen und dir eine Unterstütßung aussuchen .
" Später , später , lieber Alter , ein Weilchen geht es wohl noch , meinte die Frau Pfarrer ; dann fing die Beratung mit Eva wieder an .
Also ein vollständiges Abendessen möchten Sie auftischen , liebes Kind ?
Hören Sie auf meine Warnung und nehmen Sie sich nicht ßuviel vor .
Sie wissen nicht , welches Gemüse Sie wählen sollen , noch wie es ßubereitet wird ?
Da lassen Sie das doch einfach fort und geben Sie Kartoffeln ßum Braten , die wird Rike doch ßu kochen verstehen .
Daßu kommt grüner Salat und etwas geschmortes Obst auf den Tisch ; ist Ihnen das recht ?
Eva war einverstanden .
" Was soll es für ein Braten sein ? fragte sie .
" Lassen Sie sehen , sagte die Frau Pfarrer .
" Geflügel wird ßu schwer für Sie sein , außerdem ist es hungrigen Wanderern oft nicht einmal willkommen .
Wie steht es denn mit Wildbret ?
Habt ihr etwas auf Eis liegen ?
" Es ist nicht das Geringste im Hause , berichtete Eva niedergeschlagen .
" Nun , so braten wir eine schöne Kalbskeule , entschied die Frau Pfarrer , , die ist nicht ßu schwer herßustellen und herbeischaffen läßt sie sich auch .
Aber wie ? fragte Eva .
Ihre Schutßpatronin sann einen Augenblick nach . Die Leute sind jetzt alle auf dem Felde beschäftigt , da ist es schwer , selbst für Geld und gute Worte einen Boten ßu bekommen .
Ob die Müllern nicht gehen könnte ? fragte sie ihren Mann .
Die hat noch immer den schlimmen Fuß , entgegnete dieser , " ich habe ihr erst gestern neues Verbandßeug gegeben .
Hm !
Grete Fischer mag ich auch nicht schicken , sie vergißt immer die Hauptsache , überlegte die Frau Pfarrer ; , aber da ist der Georg König , stark genug ist er , um einen tüchtigen Korb aus der Stadt heimßutragen , und seiner Mutter sind die paar Groschen , die sich der Junge verdient , wohl ßu gönnen .
Da können Sie nachher selbst vorsprechen , Eochen , und ihm Bescheid sagen , was er uns außer dem Braten noch aus der Stadt mitbringen soll .
Eva nickte , sah aber noch sehr bedrückt aus .
" Ist Ihnen der Kalbsbraten nicht recht ?
Möchten Sie etwas anderes ? fragte die Frau Pfarrer .
" O nein , aber was soll ich damit anfangen ? seufßte Eva sehr jämmerlich .
Mich dünkt , es geschah immer allerlei mit solchem Braten , ehe er in die Pfanne kam , ich weiß nur nicht was .
Das Fell ßieht ihm doch der Fleischer ab ?
" Natürlich , aber daß es so schlimm mit Ihrer Kochkunst steht , hätte ich doch nicht gedacht , rief die Frau Pfarrer entsetzt aus .
" Da würde doch nichts Gutes ßustande kommen , wir wollen es daher nur anders einrichten .
Soll ich Ihnen meine Jette hinüberschicken ?
Ich behelfe mich schon den einen Tag , und die besorgt Ihnen alles .
Eva machte ein so betrübtes Gesicht , daß sie der guten , alten Dame leid tat .
Diese sann nach und hatte bald wieder einen Ausweg gefunden .
" Nun , da fährt Sie Schmidt morgen wieder her , Jette ßeigt Ihnen alles , und der Braten wird hier ßurechtgemacht und gespickt .
Ach ja , so soll es sein ! jubelte Eva und fiel der Frau Pfarrer um den Hals .
Wie froh bin ich ! o , ich werde so aufpassen und mir solche Mühe geben , daß es schon gehen wird " Das hoffe ich auch , sagte die alte Frau lächelnd ; , dann können Sie hier auch eine süße Speise mit Jettes Beistand machen .
" O , die soll es auch geben , ja , das wird wunderschön ; der Herr Oberförster ißt sie so gern , rief Eva und tanßte vor Freude im ßimmer umher .
Wenn es doch erst morgen abend wäre , und alles stände wohlgelungen da und schmeckte ihnen auch .
" Wir wollen das beste hoffen , sagte der Pfarrer , der voll Teilnahme ßugehört hatte , jetzt mit munterem Lachen .
" Schade , daß mich meine Frau nie in der Küche geduldet hat , sonst böte ich meine Dienste an ; aber so verstehe ich mich leider nur aufs Essen , und da wird keine auswärtige Hilfe nötig sein .
Trotz alles ßuredens ließ sich Eva nun nicht länger halten , sie kam sich ßu Hause unentbehrlich vor .
Nachdem Jette hereingerufen und von der Verabredung gebührend in Kenntnis gesetzt worden war , sich auch bereiterklärt hatte , das Lehramt ßu übernehmen , stieg Eva in den Wagen und fuhr davon , ßunächst nach dem Häuschen der Witwe König .
Es war ein elendes Hüttchen am Ende des Dorfes , mit Lehmwänden und einem niedrigen Schilfdach , die Haustür hing morsch in den Angeln und viele Fensterscheiben waren durch Papier ersetzt .
Außer der Küche und einer Stube mochte die kleine Behausung noch eine oder ßwei Kammern enthalten , der Fußboden bestand aus Lehm , und der Kalkbewurf der Wände war vielfach abgefallen .
Eva schauderte vor dem Anblick ßurück , aber Schmidt blickte sich nach ihr um und sagte :
" Gehen Sie nur hinein , Fräulein Eochen , die Frau ist krank und kann nicht aus der Stube .
So faßte sie sich ein Herß und überschritt die Schwelle .
Eine dumpfe Luft , die ihr fast den Atem benahm , schlug ihr entgegen ; das Licht bahnte sich mühsam Weg durch die kleinen Fenster , Eva hatte Not , die Gegenstände ßu erkennen .
Das Stübchen enthielt wenig und höchst ärmlichen Hausrat ; ein dürftiges Bett , einige Holßstühle , ein wurmstichiger Tisch und die Ofenbank , daßu einige Töpfe und Schüsseln , das war alles .
In der Nähe des Fensters saß eine bleiche , krank aussehende Frau und spann emsig ; ein Mädchen von ungefähr 10 Jahren stand auf dem Hausflur , die Schürße mit allerlei Gras und Kraut gefüllt , und ein kleines Kind kroch auf der Erde umher und versehrte mit augenscheinlichem Behagen eine Brotrinde .
Noch nie hatte Eva die bitterste Armut in solcher Nähe gesehen ; was ihr auf den Straßen der Hauptstadt entgegengetreten war , das hatte sie sorgsam gemieden , oder sich mit einem hastig gespendeten Geldstück von dem Anblick losgekauft und dann das unliebsame Bild ßu vergessen gesucht .
Hier erßählten das einfallende Hüttchen , die blasse Frau , die verkümmerten Kinder eine Geschichte von Not und Mangel , von banger Sorge und langem Kampfe gegen das Elend .
Frau König hatte sich erhoben , um die Eintretende höflich ßu begrüßen , ihre Tochter war in Scheu und Verlegenheit ängstlich ßurückgewichen , und das kleine Kind richtete sich auf seinen krummen Beinchen mühsam auf und griff nach Evas Sonnenschirm , was die Mutter ßu verhindern suchte .
" Ich wollte fragen , ... ich möchte bitten , stammelte Eva verwirrt , " daß Ihr Sohn Georg für mich nach der Stadt geht .
Wird er es wohl tun ?
Natürlich , das versteht sich von selbst , erwiderte die Frau .
Marie , rufe ihn schnell !
Wir haben draußen ein Stückchen Kartoffelland , da arbeitet er , setzte sie , gegen Eva gewandt , hinßu .
Da versäumt er sich aber , sagte diese , noch immer unsicher .
" O das schadet nichts , entgegnete die Mutter , " Georg ist unverdrossen , er wird schon alles nachholen .
Wenn es etwas ßu verdienen gibt , ist er Tag und Nacht bereit .
" Ist es Ihr ältester Sohn ? fragte Eva .
" Jawohl , und mein größter Trost , antwortete Frau König .
Er ist nun bald 12 Jahre alt , aber schon verständig und bedachtsam wie ein Großer .
Als mich vor ßwei Jahren das Unglück traf und sie mir meinen Mann sterbend nach Hause brachten - ein Baumstamm hatte ihn beim Fällen getroffen da wich Georg nicht von seinem Vater und hat ihm die Hand darauf gegeben , daß er mir ein guter und getreuer Sohn sein wolle .
Ich war dann lange krank , und dann wurde das Würmchen da geboren , aber erholt habe ich mich seitdem nicht Wie traurig ist das , sagte Eva teilnehmend , und beugte sich ßu dem Kinde herab , das seinen Vater gar nicht gekannt hatte .
" Ja , es ist sehr schrecklich ! ' seufßte die Frau .
" Wir waren ja arm und mußten uns redlich plagen , aber wir hatten doch immer genug ßu essen für uns und die Kinder , und ßur Kleidung reichte es auch , und wenn man alles ßusammenhielt , so blieb auch noch ein Notgroschen übrig ; wir waren ßufrieden und wünschten es uns nicht besser .
Und dann war mit einem Male alles anders .
Sie weinte leise vor sich hin .
Hat Ihnen denn niemand beigestanden ? fragte Eva mitleidig .
" O gewiß , es hat nicht an guten Menschen gefehlt , erwiderte Frau König ; " was der Herr Pfarrer und seine Frau an uns getan haben , das ist gar nicht alles ßu sagen , und aus dem Forsthause haben wir auch immer etwas erhalten , Fräulein Sanna ist ein Engel ; wie oft hat sie mich besucht und mich mit dem lieben Gott getröstet , der der Vater für Witwen und Waisen ist ; die Frau Oberförster hat uns ßu essen und auch Kleidungsstücke geschickt , und ihr Mann läßt uns Holß für den Winter ßukommen .
Aber eine Familie von vier Personen braucht viel , und was wir verdienen konnten , war wenig .
In diesem Augenblick trat Georg ein , die Wangen von der Arbeit gerötet und Gans außer Atem von dem hastigen Lauf .
Sein treuherßiges Gesicht gewann ihm gleich Evas Gunst .
" Bist du nicht ßu müde , um sogleich nach der Stadt ßu gehen ? fragte sie ihn .
" O nein , ich will mich schon eilen , erwiderte er , und nahm nun Evas Aufträge und Bestellßettel entgegen .
" Du kannst von dem Fleischer noch ßwei Pfund gutes Rindfleisch mitbringen , sagte Eva , " und wenn du alles ßu meiner ßufriedenheit ausrichtest , erhältst du einen Taler .
Ein glückliches Lächeln trat auf Georgs ßüge und seine Augen blitßten vor Freude .
" Ich will schon das Meine tun , sagte er eifrig .
Die Mutter starrte noch immer auf Eva , sie glaubte nicht recht gehört ßu haben , und diese mußte das große Wort wiederholen ; dann kamen so viele Danksagungen , daß sich Eva ihnen schnell entzog und das Haus verließ .
" Ja ja , da ist viel Not und Armut , erßählte unterwegs Schmidt , der sich mehrmals umgesehen und wohl bemerkt hatte , wie ernst und nachdenklich eh G aen Frau hätte ein besseres Los verdient , sie ist kreußbrav und ihr Mann war es auch .
Und der Georg ist ein Prachtjunge ; wenn der nur erst groß ist , dann hat die Sorge ein Ende , der ernährt die ganße Familie .
" Die Frau sah so elend aus , sagte Eva traurig .
" Das macht der Kummer , erklärte Schmidt .
Sie war ein bildhübsches Mädchen und blühte wie eine Rose .
Wer weiß , wie lange sie es noch macht , dann sind die armen Kinder Gans verwaist .
" Das wird der liebe Gott nicht ßulassen , rief Eva erschrocken aus .
Wollen es hoffen , sagte Schmidt ; " es wäre schlimm für die Gemeinde , wenn ihr die Kinder ßur Last fielen .
Es gibt so schon Bürde genug mit der vielen Armut hier .
Sie können_es sich gar nicht vorstellen , Fräulein Eochen , wie schlimm es ist , und wie alle Wohltätigkeit nicht genügt .
Eva war wieder blaß geworden , traurigen Auges sah sie vor sich hin .
Wie schrecklich war dieser Blick ins Leben und was hatte sie heute alles gelernt , wovon sie bisher keine Ahnung gehabt !
Sie war froh , als sie wieder im Forsthause angelangt war , da konnte sie tüchtig schaffen und sich die Betrübnis damit verscheuchen .
Wie würde den armen Menschen die gute Suppe und das kräftige Fleisch schmecken , das sie ihnen schicken wollte !
Wieviel hätte sie an kräftiger Nahrung für die Darbenden für das Geld kaufen können , das sie so leichtsinnig vernaschte !
Die Mägde schüttelten die Köpfe und sahen sich verwundert an ; so etwas hatten sie an dem Stadtfräulein noch nicht erlebt !
Das lief ja heute unermüdlich Trepp auf , Trepp ab , war bald im Hause , bald im Garten , fing hier etwas an , um sogleich wieder dorthin ßu eilen und etwas anderes vorßunehmen .
Eva machte in ihrem Eifer den Dienstleuten den Kopf Gans wirre ; aber die gutmütigen Mädchen begriffen doch , um was es sich handelte und waren gern erbötig , nach Kräften ßu helfen .
" Morgen gibt es schrecklich viel ßu tun , erklärte Eva , " den Tisch muß ich heute schon decken , und auch das Obst ßum Kompott soll heute schon geschmort werden .
O , ich weiß , wie es gemacht werden muß , die Frau Pfarrer hat mir genau Bescheid gesagt .
Sie schälte Birnen und Apfel , wobei ihr das Versehen begegnete , daß sie die ersteren ßu Muss einschnitt und die letzteren in ßwei Hälften schmoren wollte ; ein Teil brannte auch leider an , und bei dem anderen war der ßucker vergessen , dann hatte sie wieder allßuviel ßimmet ßugesetßt , der sich unangenehm bemerkbar machte ; Kurs , so Gans tadellos war das Erreichte nicht , aber es ließ sich doch wenigstens essen , wie die wahrheitliebende Rike als höchstes Lob sagte .
Gegen Abend erschien Georg mit dem sehr stattlichen Braten , erhielt seinen versprochenen Lohn und das Rindfleisch daßu und entfernte sich erfreut unter vielen Danksagungen .
Eva hatte diesmal gar keine ßeit , sich vor der Nacht ßu fürchten , es ging ihr so vielerlei durch den Kopf , daß sie sogar vergaß , ihre Nachtlampe anßußünden .
Sie lag schon im Bett , als ihr dies einfiel , mochte deswegen aber nicht nochmals aufstehen , und war eingeschlafen , ehe sie es sich versah .
Leider mußte sie viel im Traume erdulden ; erst träumte ihr , die beiden Teckel hätten ihren Kalbsbraten vor und ßerrten daran herum , dann flog sogar Coco mit der mächtigen Kalbskeule im Schnabel über die große Waldwiese , so daß Eva vor Schreck aufwachte und sich nun freute , daß es nur ein Trugbild war .
Sie drehte sich auf die andere Seite und schlummerte weiter , und nun schickte ihr Gott Morpheus seine liebenswürdigsten Traumgeister , die ihr nur Angenehmes vorßauberten .
ßehntes Kapitel .
Eine gelungene Aberraschung .
Mit dem Gefühl , daß etwas sehr Wichtiges bevorstehe , er- Sott Wenße en de ng a ge ; es war noch gülß still im Hause , nur das Krähen der Hähne ließ sich vom Hühnerstalle her vernehmen .
Aber in den Federn konnte sie unmöglich länger bleiben .
Sie stand auf und wurde heute schon schneller und besser mit dem Ankleiden fertig ; dann eilte sie in das Eßßimmer und betrachtete die gedeckte Tafel , die sie sorgfältig durch darüber gebreitete Tücher vor Staub beschützt hatte .
Ordentlich und ßierlich lag und stand alles da , nur sah es noch allßu nüchtern aus , es fehlte der Blumenschmuck , für den es noch ßu früh war , und in der Mitte fehlte noch eine Schale mit schön aufgebauten Früchten .
Die Mägde wollten kaum ihren Augen trauen , als sie Eva so fanden .
Sie schämten sich , denn sie hatten sich die Abwesenheit der Hausfrau ßunutße machen wollen und hatten viel länger geschlafen , als ihnen erlaubt war .
" Ja , wenn wir gedacht hätten , daß Fräulein Eochen so auf dem Platße sein würde , dann hätten wir uns auch mehr rangehalten , gestand Rike , und Eva mußte an das Wort der Frau Oberförster denken , wie das Beispiel wirke , und wie eine gute Hausfrau stets ßuerst ausüben müsse , was sie von ihren Untergebenen verlange .
Es dauerte ihr gar ßulange , ehe sie ßu Pfarrers konnte , und Schmidt mußte fest bleiben , sonst wären sie allßufrüh abgefahren .
" Jetzt muß ich die Hände in den Schoß legen , seufßte Eva , " und nachher habe ich so schrecklich viel ßu tun .
" Es wird alles fertig , tröstete der alte Kutscher , " morgens kann man doch noch kein Abendbrot kochen .
Eva drehte ihm ärgerlich den Rücken und ging in den Garten , um sich die schönsten Salatköpfe ßu merken , die sie später schneiden wollte .
Endlich war es doch so weit , daß der Ponywagen vorfuhr und der Kalbsbraten mit ihr einstieg , denn diesem räumte sie entschieden den Vorrang vor ihrer eigenen Person ein .
Wie unangenehm , ja widerwärtig war ihr sonst der Anblick des rohen Fleisches gewesen , das sie um keinen Preis berührt hätte ; jetzt stand sie , eine große weiße Schürße vorgebunden , neben Jette in der Pfarrküche , und mühte sich redlich und eifrig , die Häute ßu entfernen ; dann schnitt sie Speck in kleine feine Streifen , wie es ihr die alte Köchin geßeigt hatte , und nun kam der große Moment , wo das Spicken begann .
Es sah Gans leicht aus , wie Jette das so schnell und ßierlich machte , und Eva ßitterte ordentlich vor Verlangen , es selbst ßu tun ; allein es war doch ßiemlich schwierig , und die hübschen geraden Reihen brachte sie nicht ßustande ; ja , als sie sich ärgerte und nicht mehr recht hinblickte , weil es ihr doch nicht gelang , stach sie sich mit der Spicknadel tüchtig in den Finger .
Es tat ihr recht weh und blutete stark , und Jette mußte Eva einen Leinwandstreifen um die Wunde binden .
Das Unangenehmste dabei war aber , daß gerade der Herr Pfarrer mit dem Hilfsprediger am Küchenfenster vorbeiging , daß beide nach der Küche hineinblickten und Eva lächelnd über ihr Unglück trösteten .
Es fehlte nicht viel , so hätte Eva die Geduld verloren , sich von dem Braten losgesagt und alle ihre Pläne aufgegeben ; doch nein , das durfte nicht geschehen ; sie beßwang sich , wurde ruhiger und versuchte ihre Geschicklichkeit von neuem ; jetzt gelang es viel besser ; Jette lobte Eva und diese sah mit Vergnügen , wie hübsch und ansehnlich sich der Braten unter ihren Händen gestaltete .
Wenn man ihn nur roh genießen könnte ! seufßte sie .
" Ich glaube , es ist gesünder und naturgemäßer .
Aber Fräulein Eochen , wir sind doch hier keine Menschenfresser ! rief die entsetßte Jette aus .
Tut man so etwas bei Ihnen in Berlin ?
Leider nicht , liebe Jette , beruhigte sie Eva ; " ich wünschte es auch nur , weil ich mich vor dem Braten der Keule so fürchte .
Sehen Sie , da habe ich Papier und Bleistift mitgebracht .
Also nun diktieren Sie , sonst behalte ich es nicht .
Der Bratofen muß tüchtig gehißt sein , dann kommt der Braten in die Sahne , man gießt Wasser drauf und gibt ßuletßt Butter ßu .
Um Himmelswillen , da stehen einem ja die Haare ßu Berge !! schrie Jette .
Wie können Sie nur solchen Unsinn reden , Fräulein Eochen .
" Ich dachte , es wäre richtig , meinte Eva mutlos , " ich hatte doch gut aufgepaßt .
Aber nun noch einmal :
Wie muß ich es machen ?
Jette erklärte alles aufs genaueste , denn auch ihr war bange vor dem Erfolg .
Nun wurde noch die Speise gemacht ; Eva durfte alles abwiegen , die Mandeln stoßen und sollte sogar die Eier aufschlagen , aber sie ßeigte sich der Aufgabe , das Weiße von dem Gelben ßu trennen , nicht gewachsen , nach dem ßweiten mißglückten Versuch gestattete daher Jette keinen weiteren .
Es ist doch schrecklich mit solchem Berliner Kinde , dachte sie ; wenn da die Leute alle so dumm sind , so bleibt es ein Wunder , daß sie nicht samt und besonders Hungers sterben .
Als aber Eva so betrübt aussah , erweichte sich Jettens Herß wieder und sie gönnte Eva einen Anteil bei der Bereitung der Speise , wenn es auch mehr ßum Schein war .
Dann kamen der Herr Pfarrer und die Frau Pfarrer in die Küche , besahen sich den Braten , lobten ihn sehr und sprachen ihre Hoffnungen für seine letzte Entwicklung aus ; die Speise war ja fertig und brauchte am Abend nur umgestülpt ßu werden , was nach Jettes Versicherung jedes Kind ßustande bringen konnte ; so fuhr denn Eva , die durchaus nicht ßum Mittagessen in der Pfarre bleiben wollte , mit ihren schätzen wieder heim .
Vor acht Uhr konnte sie die Rückkehr der Gesellschaft nicht erwarten , und Jette hatte Gans genau festgesetzt , wann der Ofen gehißt und der Braten hineingeschoben werden sollte .
Aber es fehlte nicht an Beschäftigung .
Eva stellte Blumen auf den Tisch , machte die Schale mit Obst ßurecht , und fand noch immer etwas Neues , was ßur Verschönerung dienen konnte .
Dann kam endlich der große Augenblick heran , den Rike mit nicht geringerer Aufregung erwartete , wie Eva selbst .
Die Butter soll kreischen , sagte Eva , " wie machen wir das ?
" O , die kreischt schon von selbst , wenn sie im Ofen ist , erklärte Rike .
Baff ! da lag ein großes Stück Butter auf der heißen Platte , kreischte und ßischte wie ein wildes Ungeheuer und verbreitete einen schrecklichen , entsetzlich riechenden Qualm durch die ganße Küche .
Aber was machen Sie denn da , Fräulein Evchen !? schrie Rike Gans außer sich der Missetäterin ßu , die in ihrer Angst alle Fassung verlor .
Sie haben es ja gesagt , jammerte sie .
Na , so was ist noch nicht dagewesen ! ' brummte Rike , während sie Türen und Fenster aufriß , um dem erstickenden Qualm einen Ausweg ßu öffnen , und nach Scheuerlappen und ßeitungspapier griff , um dem vom Bratofen herabfließenden Bache geschmolßenen Fettes entgegenßuarbeiten .
Wo brennt_es ? schrie Schmidt , der in atemloser Hast mit seinen Stalleimern voll Wasser herbeikam , um gleich ßu löschen .
Na , das ist eine schöne Bescherung ! setzte er hinßu , sich hinter den Ohren krauend , " mir hat gleich nichts Gutes geahnt !
Ist der Braten ßum Teufel ?
Es war ja nur die dumme Butter , ich habe Rike mißverstanden , erklärte Eva , der das Weinen bedenklich nahe war .
Helfen Sie uns doch nur , Schmidt , das Fett fließt durch die ganße Küche .
Eva schämte sich unbeschreiblich , jetzt konnte sie selbst ihren Unverstand nicht begreifen .
Schmidt hatte Mitleid mit ihr , half nach Kräften und tröstete : " Na , noch ist Polen nicht verloren , das halbe Pfund Butter verschmerßen wir , nun kann das Vergnügen wieder losgehen .
Eva getraute sich jetzt kaum , aufs neue Butter in die Pfanne ßu tun , sie befürchtete abermals Unheil .
Die beiden Gehilfen sprachen ihr Mut ein , und so wurde der Braten feierlich und nicht ohne Herßklopfen in den Ofen geschoben .
" Jetzt muß er begossen werden ! rief sie in der nächsten Minute .
" Na , so hitßig ist es nicht , erklärte Schmidt , " ein bißchen muß er erst drin sein , so viel weiß ich sogar , als Mannsperson .
Eva stand mit gefalteten Händen da und starrte auf die Tür des Bratofens ; ihr war fürchterlich bange .
plötzlich ergriff sie Nike so heftig beim Arm , daß diese vor Schmers und Schreck laut aufschrie .
Wir haben ja kein Salß dran getan , rief sie ihr ßu .
" Wahrhaftig , aber deshalb brauchten Sie mich nicht so ßu kneifen , Fräuleinchen , meinte Rike gleichmütig , " noch ist es nicht ßu spät daßu .
" Wieviel ?! fragte Eva ratlos und bat den Kutscher , der eben die Küche verlassen wollte , doch auch ein Urteil über die Menge des Salßes abßugeben .
Leicht war es nicht , die drei hielten einen ordentlichen Kriegsrat und schließlich wurde Schmidts Meinung , die er mit großer Bestimmtheit abgab , befolgt .
Allmählich wurde Eva ruhiger und weniger ängstlich ; das Heißen des Bratofens verstand Rike , da sie es schon oft besorgt hatte ; so gab es jetzt weiter nichts ßu tun , als den sich schon bräunenden Braten fleißig ßu begießen - er schien wirklich Gans gut ßu werden .
Der ßeiger der Uhr rückte vor , der lange Sommertag ging in den Abend über , und die Heimkehr der Abwesenden konnte bald erfolgen .
Die Kartoffeln sollten bei dem ersten ßeichen , das der als Wächter aufgestellte Schmidt geben würde , aufgesetßt werden .
Die Speise war unter banger Sorge ohne Unfall umgestülpt worden , Eva mischte eben den Salat , da schrie Schmidt mit gewaltiger Stimme :
, Sie kommen , sie kommen !
Die Hunde stießen ein fröhliches Bellen und Heulen aus und stürmten dann den Herannahenden entgegen .
So unentbehrlich sich Eva auch in der Küche fühlte , so mußte sie ihnen doch ßur Begrüßung entgegengehen .
Wie sie in die Haustür trat , fand sie sich schon in den Armen ihres Bruders , der den übrigen vorausgeeilt war .
" Nun Eva , kleines Frauenßimmer , lebst du noch ?
Wie geht_es dir ?
Du blühst ja wie eine Pfingstrose !
Wo hast du diese roten Backen her ?
Ohne Antwort auf diese Fragen abßuwarten , küßte er die Schwester herßhaft ab .
Jetzt kamen auch die anderen , und Fragen und Begrüßungen schwirrten durcheinander .
" Wie geht es dir , Eva ?
Ach , es war ßu schön !
Und das prachtvolle Wetter !
Die himmlische Aussicht !
Wie vergnügt waren wir , aber du fehltest uns sehr !
Wir haben soviel an dich gedacht !
Und wie schrecklich müde sind wir .
" Ja und so hungrig ! seufßte Olga .
Wie die Wölfe , versicherte Käthe , und die anderen stimmten ßu .
" Es soll gleich etwas ßu essen geben , tröstete die Hausfrau .
Und wenn es weiter nichts ist als Eier und Schinken , dann ist die Sache nicht weit her , brummte der Oberförster schlecht gelaunt ; denn wenn sein Magen nicht die rechte Befriedigung fand , verstand er keinen Spaß .
Aber lieber Mann , sei doch vernünftig , es ließ sich ja nicht anders einrichten , begütigte ihn die Frau Oberförster ; sie setzte , ßu den jungen Mädchen gewandt , hinßu :
" Kinder , beeilt euch , legt eure Sachen ab und besorgt uns das Abendbrot .
Meine liebe , liebe Eva , dir war wohl recht einsam und verlassen ßumute ? sagte Fräulein Sanna , indem sie Eva ßärtlich streichelte .
" Ach gar nicht , versicherte Eva vergnügt , " es war wunderhübsch , aber ich habe jetzt keine ßeit , ich muß fort .
Damit machte sie sich von der verwunderten Sanna los und eilte davon ; gleich darauf hörte man die soeben das Eßßimmer betretende Hausfrau ausrufen :
" Das ist ja allerliebst ; seht nur , wie hübsch Eva den Tisch gedeckt hat , ich hätte es gar nicht von ihr erwartet .
Die jungen Mädchen liefen hinßu , auch für sie war es eine Überraschung .
" Wie nett hat sie das gemacht !! riefen Marie und Käthe und Olga wie aus einem Munde .
" Hat sie das wirklich alles selbst gemacht ? fragte Lotte ungläubig ; , da wird wohl die Hälfte vergessen sein .
Aber ihr musternder Blick , der nur Mängel ßu finden erwartete , entdeckte nichts , und sie schlug die Lider nieder , als sie den Augen Sannas begegnete .
Lieschen fühlte sich am Kleide geßupft ; Eva stand neben ihr .
" Komme und hilf mir , ich kann jetzt nicht weiter , bat sie , " aber von den anderen lassen wir keinen in die Küche .
Lieschen war mit Freuden bereit ; es stand jetzt der Hauptmoment bevor ; die Sahne sollte auf den Braten kommen und die Sauce hergestellt werden , das ging über Evas Kräfte ; aber Lieschen war der Aufgabe gewachsen und alles ging vortrefflich .
Vor der verriegelten Küchentür standen die anderen und begehrten umsonst Einlaß .
" Es riecht prächtig , sagte Käthe hoffnungsvoll .
" Rührei oder Eierkuchen ist das nicht , mein Magen freut sich , meinte Olga und klopfte fröhlich auf das bei ihr eine so große Nolle spielende Organ .
Wie kann aber Eva etwas fertig bringen ? fragte Lotte .
Das kann nur ungenießbar sein , wenn sie sich nicht etwa eine Kochfrau hat kommen lassen !
" Ich rate euch , eure Vermutungen noch ßu verschieben , sagte Fräulein Sanna .
" Eva hat uns auf alle Fälle ein reißendes Tischchendeckdich bereitet , an dem wir jetzt unsere Plätze einnehmen und das Weitere erwarten werden .
Selbst wenn ihr nicht alles gelungen sein sollte , so wird jede von euch sicher bereit sein , die gute Absicht anßuerkennen .
Die Frau Oberförster kam aus dem Kopfschütteln nicht heraus ; so etwas hätte sie sich nie träumen lassen .
Was hatte nur Eva vor ?
Eine Freude war es der Hausfrau sicher , daß Eva alles soweit hergerichtet hatte ; sie nickte daher auch ihrem noch sehr am Gelingen ßweifelnden Manne freundlich ßu und bat ihn , sich ßu setzen .
Er tat es und legte prüfend die Hand an die aufgestellten Flaschen ; alles in Ordnung ; Bier und Weißwein kühl , der Rotwein ein wenig erwärmt , das war schon etwas Gutes .
Jetzt tat sich die Tür auf , und Eva erschien mit einer mächtigen Schüssel , die sie mit sichtbarer Anstrengung trug ; hatte sie sich doch dies Ehrenamt nicht nehmen lassen wollen !
Auf der Schüssel lag der duftende , bräunliche Braten .
Hinter Eva schritt Rike mit der Kartoffelschüssel und der dicken , dunkelgoldigen Bratensauce einher .
Rikens gutmütiges Gesicht sah durch das Schmunßeln höchster Befriedigung noch viel breiter aus , als sonst .
" Hurra !
das nenne ich eine Überraschung ! schrie Hains mit Löwenstimme .
Der Oberförster aber rief voller Freude :
" Hierher mit dem Burschen !
Ich will ihn ßerlegen !
Das ist ja ein Prachtstück .
Na , da hast du mir eine angenehme Überraschung bereitet , liebe Frau , nun will ich gern meine Nahrungssorgen vergessen , die mein Gemüt solange verdüsterten .
" Ich bin Gans unschuldig daran und nicht minder erstaunt , wie du , mein Alter , sagte die Hausfrau .
" Kinder , wie habt ihr das ßustande gebracht ?
Welche Heinßelmännchen haben euch beigestanden ! ?
Alles von Fräulein Eochen besorgt , sagte Rike stolß ; " na , warum sollen wir beide nicht auch etwas Ordentliches können ?!
Es gab einen wahren Sturm des Erstaunens und der Verwunderung ; aber Eva hörte nur mit halbem Ohr hin , noch stand das Urteil der Tafelrunde nicht fest .
Der Oberförster beteiligte sich fürs erste gar nicht an den Beifallsäußerungen , sondern widmete sich mit allem Eifer der Aufgabe des ßerlegens .
Widerstehen konnte er aber der Neugier auch nicht , Eva und ein guter , von ihr selbst ßubereiteter Braten waren doch ßu große Widersprüche , er mußte die Tischregeln übersehen und einmal kosten .
" Ausgeßeichnet , saftig und schön , lobte er ; damit fiel der jungen Köchin ein Stein vom Herßen .
Nun ging es ans Schmausen , daß es eine Lust war .
Es traf sich daher glücklich , daß der Braten eine so schöne Größe hatte .
Die Frau Oberförster sah Gans strahlend aus , solche Freude hatte sie kaum je an einem ihrer ßöglinge erlebt ; in Sannas glänßenden Augen aber lag eine stille Rührung .
" Hast du es aber hinter den Ohren ! sagte Käthe ßu Eva , als sie den ersten Hunger gestillt hatte und nun ihren Mund wieder ßum Sprechen brauchen konnte , , du verstehst es ja besser als wir alle .
" Ja , ich hätte mich nicht mehr wundern können , wenn das Kalb uns die Eva gebraten und aufgetragen hätte , als es nun umgekehrt der Fall ist , versicherte der Hausherr .
" Ich hätte die Sauce noch etwas dicker gemacht , flüsterte Lotte , " und Gans tadellos ist das Spicken auch nicht .
Alter Splitterrichter !
gab ihr Olga entrüstet ßur Antwort , " alles war vortrefflich und ich wünschte nur , ich hätte ßwei Magen , um noch mehr essen ßu können .
" Eva , Herßenskind , daß du deinem Bruder solche Ehre machst , vergesse ich dir nie , sagte Hains und tat , als müßte er sich Tränen der Rührung mit der Serviette abtrocknen .
Weißt du was ?
ßur Belohnung für dich heirate ich niemals , sondern nehme dich als Haushälterin und Köchin ßu mir .
Dafür bedanke dich nur , Eva , rief der Oberförster , " ein Mädchen , das solche Braten machen kann , bekommt ßehn Männer statt einen .
" Das ist ja wie in der Türkei , nur umgekehrt ! lachte Hains .
" Ach , was würde unser Vater daßu sagen , wenn wir ihm einen solchen Beweis von Evas Kochkunst hinschicken könnten .
Vergeblicher Wunsch !
Ich möchte wahrhaftig den Knochen , der als einßiger ßeuge von Evas großer Tat ßurückgeblieben ist , unter Glas bringen lassen und ihn über Papas Schreibtisch aufhängen .
Dann hätte er doch auch etwas davon .
Als Eva im Bett lag , ßufrieden und glücklich wie noch nie in ihrem Leben , trat Sanna ßu ihr ein , setzte sich ßu ihr und ergriff ihre Hand ; schweigend las jede in dem Herßen der anderen .
" Wie gut hast du diese Tage angewendet , mein Liebling , sagte Sanna endlich , " ich bangte mich so um dich .
" Erst war es mir auch schrecklich , gestand Eva , " aber sobald ich diesen Plan gefaßt hatte , blieb mir gar nicht mehr ßeit ßu trüben Gedanken , denn dessen Ausführung machte mir großes Vergnügen , Trotz aller Angst , die ich dabei ausstand .
Sonst fand ich alle diese Dinge höchst widerwärtig , aber wenn man etwas für liebe Menschen vollbringt , dann ist das Gans anders .
Sanna nickte ßustimmend .
" Das Leben und Wirken der Frau steht größtenteils im Dienste des Hauses , sagte sie , , die Liebe heiligt ihr Schaffen .
Wo diese nicht ausreicht , da tritt ihre ernstere Schwester , die Pflicht , heran .
Wer deren Gebot gehorcht , dem wird auch das Schwere leicht und das Geringe wichtig .
" Ich will von jetzt ab auch dieser Pflicht folgen , Fräulein Sanna , sagte Eva ernst ; " falls ich darin einmal ermüde , so suche ich bei Ihnen Kraft und neuen Mut .
" Suche beides bei einem Höheren , meine Eva , sagte Sanna ; " wer dort oben anklopft , dem wird stets aufgetan .
Als sich Sanna endlich erhob , um ihr eigenes ßimmer aufßusuchen , sah sie sich bei Eva vergeblich nach der Nachtlampe um , denn sie wollte dieselbe anßünden .
Wir wollen das lassen , Fräulein Sanna , erklärte Eva ; " ich bin schon gestern im Dunklen eingeschlafen , und es ist mir trotzdem nichts widerfahren .
Fortan werde ich mich nicht mehr fürchten , ich habe nunmehr an so viel anderes ßu denken .
Elftes Kapitel .
Der Nordhäuser Marlinslag .
Den anderen Tag gab es so viel ßu erßählen , daß Mund und Ohren im Forsthause unausgesetßt in Anspruch genommen waren ; Eva wollte in alle Einßelheiten der Brockenpartie eingeweiht werden , ein jedes wollte auch nach seiner Art berichten und sich nicht mit der Schilderung der anderen begnügen .
Käthe war besonders vergnügt , war ihr doch auch eine freudige Überraschung ßuteil geworden ; die ganße elterliche Familie , die in einem Pfarrdorfe auf der nördlichen Seite des Harßes wohnte , hatte sich mit allen Kindern aufgemacht und am Fuße des Brockens hatte dann die ßusammenkunft mit Käthe und den übrigen stattgefunden .
" Es kribbelte ordentlich von kleinen Beinen , erßählte Käthe mit Stolß , " wir sind ja eine solch große Familie , sogar das kleine Elschen , das kaum laufen kann , hatten sie mitgebracht .
Elschen kannte mich doch noch , obwohl ich se seu langem nicht gesehen habe , denn ich soll während meiner Lehrßeit nicht nach Hause .
Ach , sie ist reißend !
Nicht wahr , Lieschen , es gibt nichts Schöneres , als solch Wiedersehen mit Eltern und Geschwistern ?
Du hast dich ja mit uns gefreut , und die Kinder hingen bald wie die Kletten an dir .
Lieschen nickte ßustimmend , ohne etwas ßu sagen , und Käthe bemerkte den Schatten nicht , der über deren sanfte ßüge flog .
Käthe war noch so erfüllt von dem Wiedersehen und dachte so viel an die ßeit , wenn sie erst wieder mitten unter den Ihren sein würde , daß sie den ganßen Tag davon sprechen mußte ; da fand sie keine geduldigere ßuhörerin als Lieschen .
Eva mußte auch erßählen , wie sie alles angestellt hatte , und fand die regeste Teilnahme .
Gleich am Morgen erklärte sie der Frau Oberförster , daß sie nun auch in Reihe und Glied dienen wollte , und ßwar gleich von Beginn der neuen Woche ab .
Die Besorgnis , daß sie daßu doch ßu ßart sei , verlachte sie ; wirklich sprachen auch ihr leichter Schritt , die geröteten Wangen und die glänßenden Augen von Gesundheit und Jugendkraft .
Es schmeckte Eva vortrefflich , auch schlief sie ein , sobald sie ihr Lager aufgesucht hatte .
" Ich scheide mit ruhigem Herßen , sagte Hains , dessen Ferien ßu Ende gingen , , die Raupe Eva entwickelt sich ßu einem liebenswürdigen Schmetterling .
Mit dem Kalbsbraten hat_es angefangen , und je weiter du in die Geheimnisse der Wirtschaftsführung eindringst , um so mehr gewinnst du an Leib und Seele .
" Das mag wohl sein , gab Eva lachend ßu , , aber angefangen hat es mit dem guten Rat , den mir mein verständiger Bruder gab .
" Und den meine kluge Schwester befolgt hat , fügte Hains hinßu . Also können wir miteinander ßufrieden sein , und auch ich will mich bemühen , daß ich dir keine Schande mache .
Mich soll wundern , wer von uns den Tugendpreis erhalten wird , wenn ich Weihnachten wiederkomme .
" Das ist noch so lange hin ! sagte Eva seufßend , " ich fürchte mich so vor dem einsamen , öden Winter hier .
Wenn du doch bei mir bleiben könntest !!
" Unsinn , kleines Frauenßimmer , schalt Hains .
" Sagt nicht schon Schiller :
Vom Mädchen reißt sich stolß der Knabe usw. Du kennst ja die Stelle .
Na , ich freue mich schon darauf , wenn ich euch Jungfrauen vor mir stehen sehe , herrlich in der Jugend Prangen und kaum wissen kann , wer die schönste von allen ist .
Eins steht freilich fest , Lieschen ist es nicht ; tue doch ein gutes Werk und lege Feuer in ihren Garderobenschrank , sie entwickelt einen entsetzlichen Geschmack in ihrem Anßuge .
Eva schalt den spottsüchtigen Bruder , wenngleich sie ihm recht geben mußte , sie hatte oft dasselbe gedacht .
Der Abschied von Hains wurde ihr recht schwer , sie hatten sich früher noch nie so nahe gestanden .
Als dann Schmidt mit ihm davonfuhr , da blickte sie dem Wagen so lange nach , bis er unter den Bäumen verschwand ; dann suchte sie sich ein stilles Plätßchen im Walde auf , warf sich auf das Moos und weinte bitterlich .
Wie verlassen , wie einsam kam sie sich vor !
Die Mutter im Grabe , der Vater weit fort in der Fremde , und der Bruder nun auch wieder fern !
Keinen Menschen hatte sie hier , der ihr so Gans ßugehörte .
Sie waren ja alle gut und freundlich gegen sie , und Fräulein Sanna liebte sie von ganßem Herßen ; aber jedes hatte seinen , durch die engsten Familienbande ihm verbundenen Kreis , nur sie stand außerhalb und sehnte sich nach einem Wesen , dem sie jeden Gedanken mitteilen , dem sie sich so Gans anschließen konnte .
Da empfand sie die Berührung einer leichten Hand , und Lieschens sanfte Stimme erklang an ihr Ohr .
Sei nicht böse , liebe Eva , daß ich dich störe , bat sie ; " es tut mir aber so leid , dich allein und betrübt ßu wissen ; wenn ich dir jedoch lästig bin , so schicke mich fort .
" Nein , bleibe bei mir , bat Eva ; " ich fühle mich ßu unglücklich .
" Das geht vorüber , tröstete Lieschen , " deine Lieben kehren ßu dir ßurück , und dann wirst du ihre Nähe nur um so höher schätzen .
" Aber es dauert so lange , klagte Eva .
Lieschen schwieg ; sie mußte erst Mut fassen , um von sich selbst ßu sprechen ; dann sagte sie :
" Sieh , ich habe weder Vater noch Mutter , weder Verwandte noch Geschwister und bin doch ßufrieden .
Eva richtete sich auf und blickte Lieschen teilnehmend an .
" Armes Lieschen , ich wußte , daß du eine Waise bist , aber ich habe nie darüber nachgedacht , sagte sie .
Meine Eltern habe ich gar nicht gekannt , erßählte Lieschen ; " ich habe einen Vormund , der für mich sorgt .
" War er immer gut gegen dich ? forschte Eva .
" Ich bin ihm vielen Dank schuldig , entgegnete Lieschen .
Er hat viel Mühe von der Vormundschaft gehabt , die er aus Menschenfreundlichkeit übernahm , weil mein Vater lange Jahre in seinem Geschäft tätig gewesen war .
Die Hinterlassenschaft meiner Eltern war sehr gering , und selbst als alles verkauft wurde , reichte der Erlös kaum ßu meinem Unterhalt und meiner Erßiehung aus .
Wie traurig ! sagte Eva schaudernd .
" Arm und verwaist !
Bliebst du bei dem Vormund ?
" Das wäre wohl kaum gegangen , erwiderte Lieschen ; " er gab mich in Pension .
" Und da hattest du es gut ? fragte Eva begierig .
" Die Leute besaßen viele Kinder , ihr Einkommen war gering , da nahmen sie noch mehr Kostgänger ins Haus , sagte Lieschen .
" Es mag wohl schwer gewesen sein , mit der geringen Entschädigung , die sie dafür erhielten , ausßukommen ; an Arger und Arbeit fehlte es ihnen auch nicht , da war ihnen solch kleines Kind , wie ich , gewiß eine große Last .
Ich drückte mich still in die Winkel und Ecken und war froh , wenn niemand nach mir fragte .
Nur einen Wunsch hatte ich , ach so viele Jahre lang , der mich fortwährend quälte und doch stets unerfüllt blieb .
" Welcher war das ? fragte Eva .
" Ach , ich hätte gern einmal so viel gegessen , wie ich gemocht , entgegnete Lieschen mit trübem Lächeln .
" Wie schrecklich !
Du mußtest hungern ?
" Das wohl nicht , erwiderte Lieschen ; " aber etwas spärlich war die Kost , und ich bin vielleicht ein rechter Nimmersatt gewesen .
Wenn ich dann einmal ßum Vormund kam , wo der Tisch reichlich besetzt war , getraute ich mich nicht ßußulangen , oder auch nur ßu versehren , was auf meinen Teller gelegt wurde , und ich hätte es doch so gern getan ! -
Als ich in die Schule kam , wurde es schon viel besser für mich .
Der Lehrer und die Lehrerinnen waren immer freundlich , selbst wenn ich manchmal die Arbeiten nicht hatte machen können , denn ich mußte schon fleißig in der Wirtschaft helfen , und des Abends war oft nicht Platz für mich am Tische in der Nähe der Lampe .
" Und du hattest keinen Menschen , der dich tröstete , dem du dein Leid klagen konntest ? rief Eva aus .
" Einen Menschen wohl nicht , sagte Lieschen , " aber doch ein Wesen , eine Freundin .
Es war ßwar nur eine Puppe , eine Gans einfache , die mir eine Lehrerin ßu Weihnachten geschenkt hatte .
Wie liebte ich sie aber !
Mir war nicht mehr bange in meinem dunklen Dachkämmerchen , wenn ich sie im Arm hielt , und ich fühlte kaum , wie ich selbst unter der dünnen Decke fror , wenn ich sie nur warm einhüllen konnte .
Ihr erßählte ich jedes Ereignis des Tages , mein ganßes Herß schüttete ich ihr aus ; als ich sie verlor , da weinte ich und grämte ich mich , als wäre mir die treueste Freundin gestorben .
" Was wurde aus der Puppe ? fragte Eva gespannt .
Sie dachte daran , wie sie deren unßählige kostbare und schöne gehabt und wie achtlos sie solche beiseite geworfen hatte .
" Die Knaben , vor denen ich den Aufenthalt meiner Else sorgfältig verbarg , hatten ihn doch entdeckt , erwiderte Lieschen , " und in ihrem Mutwillen nahmen sie mir die Puppe heimlich fort und ließen sie von ihrem jungen Hunde , dem sie Else ßum Spielßeug gaben , ßerreißen .
Sie hatten wohl keine Vorstellung davon , wie weh sie mir taten .
Ich war Gans außer mir vor ßorn und Schmers , und die Pflegemutter mußte schließlich strenge werden , um mich nur wieder vernünftig ßu machen .
" Bekamst du keine andere Puppe ? fragte Eva .
Lieschen schüttelte den Kopf .
" Ich sei viel ßu groß für solche Spielereien , sagte die Pflegemutter , " auch hätte ich keine wieder gemocht .
Meine Else war für mich ein lebendes Geschöpf , sie konnte mir nicht ersetzt werden .
" Und bei diesen grausamen Menschen mußtest du dein ganßes Leben bleiben !* rief Eva aus .
" Ich hätte mich beim Vormund beklagt .
" Daßu hatte ich keinen Grund !
Mußte ich nicht dankbar sein , daß ich nicht ins Waisenhaus kam ? fragte Lieschen .
" Nach meiner Einsegnung brachte mich der Vormund hierher , damit ich tüchtig werde , um mir mein Brot selbst ßu verdienen .
Eigentlich sollte es nur auf ßwei Jahre sein ; aber ich war noch so klein und schmächtig , daß ich mich erst kräftigen und auswachsen mußte , und da die Frau Oberförster das Kostgeld für mich sehr herabsetßte , so wurde beschlossen , daß ich drei Jahre bleiben solle , bis der letzte Rest meines Vermögens verbraucht sei .
Das ist nun bald geschehen ; aber wie gut ist es mir ergangen , wie glücklich habe ich mich gefühlt .
Ich hoffe , ich werde imstande sein , mich dann in irgendeiner Stellung nützlich ßu machen und mir meinen Unterhalt ßu verdienen .
Dann gehst du bald fort , wie schade ! rief Eva mit warmem Bedauern .
Doch erst im Laufe des Winters , wenn sich etwas Geeignetes bietet , entgegnete Lieschen .
" O , so laß uns Freundinnen sein , bat Eva .
" Wie oft habe ich mich nach einer Herßensfreundin gesehnt .
" Wie gern ! ich hatte dich immer sehr lieb , aber ich wagte gar nicht , es ßu ßeigen , rief Lieschen .
" Ihr seid alle so viel klüger und reicher und vornehmer als ich , da mochte ich mich nirgends aufdrängen .
Eva umfaßte sie und küßte sie innig .
" Von heute an sind wir Schwestern , sagte sie , " und alles ist uns gemeinsam , Freude und Leid .
Am Abend berichtete Eva Fräulein Sanna von dem mit Lieschen geschlossenen Bunde .
Nicht wahr , Sie sind und bleiben auch meine Freundin , sagte sie , sich eng an Sanna anschmiegend , " aber Sie stehen über mir , ßu Ihnen komme ich , wenn mir meine Mutter fehlt , daneben brauche ich noch eine andere Freundschaft .
" Ich bin nicht eifersüchtig , sagte Sanna lächelnd , " je mehr Liebe ein Herß gibt , um so reicher wird es daran , meine Eva .
" Ich möchte nun aber mit Lieschen alles teilen , fuhr Eva fort ; " sie besitzt so wenig , während ich , glaube ich , eigentlich reich bin .
Erst heute noch habe ich mit Hains über Lieschens Anßug gespottet , sie ist aber - wie ich jetzt weiß - nicht imstande , ihn anders einßurichten , und viel ßu verständig , um sich darüber ßu betrüben .
Könnte ich ihr nicht ein Kleid schenken ?
Sie braucht es so nötig .
" Das würde ich dir widerraten , liebe Eva , sagte Sanna .
" Lieschen besitzt ein hohes ßartgefühl , und je näher ihr euch tretet , um so mehr mußt du es schonen .
Derartige Gaben würden sie beschämen .
Wenn ich nur die rechte Form fände !
Ich gebe den Gedanken noch nicht auf , erwiderte Eva .
Ach , ich möchte so gern von dem mitteilen , was ich im Überfluß habe .
Wie schäme ich mich jetzt , daß ich mein reichliches Taschengeld so vergeuden konnte !
Es gibt so viele Arme und Bedürftige .
Sie müssen mir helfen , Fräulein Sanna , meine Mittel besser ansauenden .
" Nun , dafür kann Rat werden , sagte Sanna ; " wir haben leider viel Armut , und wenn du mich bei meinen Besuchen im Dorf begleiten willst , so wird es dir nicht an Gelegenheiten fehlen , die Freuden des Wohltuns kennen ßu lernen .
Sanna hielt Wort , und bald hatte sich Eva ein neues Gebiet erschlossen .
Sanna war die Freundin und Helferin vieler Bedrängten , und wenn Eva in ihrer Gesellschaft in die Hütten der Armut eintrat , so erfuhr sie von den Sorgen und dem Ringen dieser Menschen , die ihr bisher so fern gestanden , und sie gewann Überblick über Verhältnisse , die ihr sonst stets fremd geblieben wären .
Sie lernte auch nachdenken bei ihren Unterstütßungen , um sie richtig ßu gewähren , und sah ein , wie weit man mit verhältnismäßig geringen Mitteln kommen kann , wenn sie nur klug und ßielbewußt angewendet werden .
Evas Eifer ergriff auch die anderen jungen Mädchen , und die Frau Pfarrer hatte jetzt nicht mehr Ursache , ihre ßunehmende Schwäche , die sie von tatkräftigem Wirken ßurückhielt , so oft ßu bedauern ; standen ihr jetzt doch so viele freundliche Sendboten ßur Verfügung , die unter ihrer Leitung und nach ihren Angaben den Dienst der Liebe an den Armen verrichteten .
Mademoiselle brauchte jetzt auch nicht mehr über Evas Ungeschick und bösen Willen ßu seufßen , denn diese hantierte so eifrig mit Nadel und Schere , daß mancher unvermeidliche Mißgriff gern mit in den Kauf genommen wurde .
Die alte Franßösin war unermüdlich im ßuschneiden und Einrichten , denn Sanna hatte die jungen Mädchen darauf aufmerksam gemacht , wie vieles , was diese als unbrauchbar beiseite legten , sich mit etwas Mühe und Geschick für die Armen verwenden ließ ; nun hatte sie nur aufßupassen , daß nicht vor der ßeit etwas verabschiedet wurde und daß Unpassendes fernblieb .
Ein ßimmer war von der Hausfrau ßur Werkstatt hergegeben , wo die Arbeit frisch vonstatten ging , während Sanna vorlas .
Unmerklich fast war der Winter herangekommen , und die Schneeflocken , die in diesem Jahre ungewöhnlich früh ßur Erde herabwirbelten , breiteten eine weiße Decke über die letzte Farbenpracht des Herbstes .
Die Wege wurden grundlos , größere Spaßiergänge mußten fortfallen .
Aber in der Oberförsterei fürchtete man den schlimmen Gast nicht , sondern sah ihm mit freudigem Behagen entgegen .
Wie traulich waren die langen Abende , in denen die ganße Familie um den großen runden Tisch saß , arbeitend und plaudernd .
Ein gutes Buch nach dem anderen wurde gelesen , es wurde musißiert und gesungen , immer mehr traten die Vorbereitungen für Weihnachten in den Vordergrund .
ßuweilen flogen Evas Gedanken ßurück nach Berlin , wo sie froh gewesen war , wenn sie gähnend und gelangweilt endlich ihr Bett aufsuchen und sich in ein aufregendes Buch versenken konnte ; manchmal fragte sie sich wohl auch , ob denn alles so sein mußte , ob sie nicht selbst etwas hätte tun können , um diese Ode ßu beleben und behaglich ßu machen .
Der arme Vater !
Wie freudlos mußte ihm sein Haus erschienen sein ; Eva hatte nur immer das beklagt , was sie selbst vermißte .
Wenn er erst ßurückkehrte , dann sollte alles anders werden .
Dr. Müller aus Nordhausen schrieb pünktlich , um sich ßum Martinsfeste den in Aussicht gestellten Besuch ßu erbitten .
Oberförsters sollten aber das ganße Haus mitbringen , Kind und Kegel , Mann und Maus , wenigstens dürfte Coco , das Wundertier , nicht fehlen ; Eva hatte natürlich die größte Lust , ihren Liebling mitßunehmen .
Marie widerriet es ihr ernstlich .
Bei uns herrscht ein wahrer Mordfanatismus ßum 10. November , sagte sie , " und wenn er auch nur den unglücklichen Gänsen gilt , so bleibt Federvieh doch Federvieh ; wer weiß daher , ob wir nicht Coco auch gebraten auf den Tisch bekommen .
Dieser Gefahr wollte ihn seine Herrin doch nicht aussetßen , und Schmidt , dessen bewährter ßuverlässigkeit Haus und Hof übergeben werden sollte , versprach seine Fürsorge auch auf , das ausländische Vieh , wie er den Papagei stets nannte , ausßudehnen .
Was gab es nun nicht alles ßu bedenken und ßu bestimmen !
Die Frau Oberförster traf Anstalten , als wolle sie nach Amerika reisen , und wenn sie vorher noch ihr Testament ßu machen gehabt hätte , so konnte sie nicht andauernder überlegen .
Es war unmöglich , daß Schmidt und Rike , die sich mit jeder Woche mehr hervortat , nur die Hälfte aller Anordnungen behalten konnten , aber sie sagten stets , ja , und damit gab sich die Hausfrau ßufrieden .
Die jungen Mädchen hatten kaum weniger ßu bedenken .
Dieser Besuch der größten Stadt der Umgegend war auch ein Ereignis , ßumal er der einßige vor Weihnachten bleiben sollte ; da galt es Einkäufe ßu machen , Listen darüber aufßusetßen , um nichts ßu vergessen , und Berechnungen darüber aufßustellen , was der Geldbeutel erlaubte und was er verbot .
Lieschen hatte sogar einen Augenblick daran gedacht , sich von der Fahrt ausßuschließen ; den Grund wollte sie nicht recht angeben , bis sie ihn endlich Eva im geheimen anvertraute .
Sie schämte sich in ihrem schwarßen Einsegnungskleid ßu erscheinen , ihrem einßigen und besten Kleide , dem sie entwachsen und das so vertragen war , daß alle Bemühungen , ihm ein besseres Aussehen ßu verleihen , scheiterten .
Aber durch das ßureden der übrigen ließ sie sich doch bestimmen ; Eva bot ihr an , ihr mit einem Kleide ausßuhelfen , doch davon wollte Lieschen nichts wissen .
" Nur keine fremden Federn , sagte sie lachend , " die Krähe mag auch als Krähe erscheinen ; wer mich nicht ansehen will , der sieht daneben .
Leicht wurde ihr diese Weisheit nicht , und sie hatte oft erwogen , ob sie nicht auf irgendeine Weise sich die Anschaffung des so sehr gewünschten Kleides ermöglichen könne ; dem Vormund durfte sie damit nicht kommen , der hatte schon früher ähnliche Bitten schroff ßurückgewiesen ; da blieb ihr nur der hübsche Ring , den sie als ein von den Eltern ererbtes Andenken so hoch hielt .
Der Stein war wertvoll , und die Fassung massives Gold ; für den Erlös ließ sich schon etwas erlangen .
Aber sie wies den verführerischen Gedanken beschämt ßurück ; wie konnte sie sich um etwas so Nichtiges von dem teuren Erbstück trennen ! ? In letzter ßeit war sie wieder anderen Sinnes geworden ; sie besaß so gar nichts , um sich an den Geschenken für die Armen ßu beteiligen , und doch hätte sie so gern ihr Scherflein in die Sammelbüchse getan , der ungeßählt und unbeobachtet die größeren oder kleineren Beiträge anvertraut wurden , welche jede erübrigen konnte .
Eva war in großer Spannung ; sie hatte jetzt oft so viel ßu sinnen , ehe sie einschlief ; aber nicht mehr über phantastische Spukgeschichten dachte sie nach , sondern wie sie es am besten einrichtete , um anderen eine Freude ßu bereiten .
Lieschen mußte ßu Weihnachten ein hübsches , fertiggemachtes Kleid bekommen , das sollte jetzt mit Fräulein Sannas Beistande in Nordhausen heimlich gekauft und ßur Schneiderin gebracht werden ; Eva hatte ja fast dieselbe Größe , nur ein wenig stärker und breiter war Lieschen , und dann sollte ihr die Post die namenlose Sendung überbringen ; sie konnte ja unmöglich erraten , woher es kam !
Eva sichtete für sich gern auf das neue Kleid , ßu dem ihr der Papa das Geld geschickt hatte und das ihr noch vor kurßem so unentbehrlich schien .
Das war eine Freude und ein Jubel , als sie in Nordhausen anlangten , wo sie der Doktor mit seinen Kindern auf dem Bahnhofe erwartete ; nur die Frau Doktor war ßu Hause geblieben .
Der Doktor wollte Eva kaum als seine ehemalige Patientin erkennen , so blühend und wohl sah sie aus , sie ließ sich auch gern seine Neckereien über ihre früheren Jammerßustände gefallen .
Die Straßen wimmelten von Menschen , größtenteils Landleuten , die in Scharen herbeiströmten , um die gastfreundliche Bewirtung der Nordhäuser ßu genießen und in den vorsorglich mitgebrachten Körben und Tüchern noch reichliche Geschenke an Kuchen heimßunehmen .
War es doch uralter Brauch , daß die Brennereien , die den berühmten , Nordhäuser * lieferten , am heutigen Tage ihre Kunden am wohlbesetßten Tische freihielten ; je mehr draufging beim Schmause , um so größer war die Ehre für das Haus .
Auf dem Marktplatße saßen viele hundert Verkäufer mit ihren schnatternden Gänsen , in den großen Wassergefäßen schwammen lustig die fetten Karpfen umher , Hausfrauen und Mägde drängten sich herßu und suchten sich die schönsten Braten und Fische aus , um die heute nicht viel gefeilscht wurde .
Die Schuljugend belebte die Straßen in hohem Vergnügen , sie hatte ja heute einen freien Tag , denn die Andacht , in der Dr. Luthers und seines großen Werkes gedacht wurde , war vorüber und die jungen Herßen waren dem Reformator besonders dankbar dafür , daß er einst an seinem Geburtstag nach Nordhausen gekommen war und sich bei einem Schuster den Gänsebraten und die Karpfen so wohl hatte schmecken lassen , daß man noch jetzt ihm ßu Ehren sich daran gütlich tut .
Der alte Brauch , ßu den Lehrern ßu gehen und ihnen die Martinsgans , den Fisch , Kuchen und Wein ßu überbringen , war ßwar abgeschafft , aber die gute Sitte , daß der folgende Tag frei von jeder Arbeit war und nur der Pflege des überangestrengten Magens gewidmet wurde , bestand ßum Glücke noch .
Die Frau Doktor Müller stand in der Haustür und spähte nach den Gästen aus .
Marie flog die Strate entlang und warf sich in ihre Arme ; sie war noch immer der alte Sausewind , und die Mutter mußte sich endlich gewaltsam freimachen , um ihren Pflichten als Hausfrau nachßukommen .
Sie hatte heute alle Hände voll ßu tun , aber das sah sie wohl , auf den Beistand des Töchterchens war nicht viel ßu rechnen ; dagegen fand sich Lieschen sehr bald in der Küche ein , band sich eine Schürße vor und leistete in ihrer ruhigen und stillen Weise sehr wesentliche Dienste .
Als das kräftige Frühstück , das heute um die Mittagsstunde aufgetragen wurde , versehrt war , ßerstreuten sich die Gäste , um die Läden ßu besuchen und Besorgungen ßu machen ; Eva , die mit Sanna einen bedeutungsvollen Blick gewechselt hatte , ging mit dieser und wollte niemand erlauben , sie ßu begleiten .
Lieschen schlich sich unbemerkt fort und suchte in den Straßen nach einem Juwelierladen .
Am Markt fand sie einen solchen und trat klopfenden Herßens ein .
Sie wagte nicht , die Augen ßu erheben , sonst würde sie in dem Herrn , der mit dem Besitzer des Geschäfts sprach , den wohlbekannten , sie erstaunt anblickenden Pastor Willig nicht übersehen haben .
" Ich möchte diesen Ring verkaufen , brachte sie mühsam hervor , als der Goldschmied sich mit der Frage nach ihrem Begehre an sie wandte .
Er nahm ihr den Ring ab und prüfte ihn sorgsam .
" Es ist ein interessantes , altes Stück , sagte er dann , " für den Kenner von Wert , denn die Fassung ist kunstvoll und die Steine sind gut .
Aber ich kann Ihnen nur das Gold und die Steine beßahlen , die sehr verlieren , sobald sie herausgebrochen sind .
Daher würde ich Ihnen raten , den Ring , der jedenfalls ein Andenken ist , ßu behalten .
" Ach nein , ich möchte lieber das Geld , sagte Lieschen leise mit hochgerötetem Gesicht und bebender Stimme .
Wie es Ihnen beliebt , mein Fräulein , erwiderte der Juwelier achselßuckend ; indem er eine kleine Summe nannte , setzte er hinßu : " das ist der höchste Preis , den ich Ihnen bewilligen kann .
Lieschen neigte stumm den Kopf ; der Juwelier ßählte ihr das Geld hin , das sie eilig einstrich und dann das Geschäft verließ , ohne sich weiter umßublicken .
Der junge Geistliche war ein aufmerksamer Beobachter des Vorganges gewesen ; es setzte ihn in Verwunderung , das junge Mädchen hier so allein und in solchem Beginnen ßu sehen ; ihr ganßes Wesen machte einen fast schuldbewußten Eindruck , und unwillkürlich stieg der Gedanke in ihm auf , ob Lieschen den Ring etwa heimlich verkaufe , um sich für den Erlös allerlei Tand anßuschaffen .
" Schade um den Ring , sagte der Juwelier , der denselben noch prüfend in der Hand hielt ; es ist gewiß ein Familienstück , einige Jahrhunderte alt .
Nach Not sah das junge Mädchen eigentlich nicht aus , wenn sie auch sehr einfach angesogen war .
Aber was macht sich solch junges Ding aus dem Kunstwert und den Erinnerungen !
Eine bunte Schleife ist ihm lieber .
Es tut einem leid , solch Stück ßu ßerstören , und doch ist es die einßige Art , es ßu verwerten .
" Lassen Sie mich den Ring sehen , bat Pastor Willig ; dann fügte er nach einer Pause hinßu :
" Ich möchte ihn erwerben , er ist sehr schön .
Nehmen Sie ihn für denselben Preis , den ich soeben geßahlt habe , sagte der Juwelier , " ich freue mich , wenn er erhalten bleibt .
Als der Pastor den Laden verließ , begegnete ihm der Oberförster mit dem Doktor Müller und begrüßte ihn mit freudigem Erstaunen .
" Wo kommen Sie denn her , Herr Pastor ?
Von Ihrem Hiersein hatte ich ja keine Ahnung .
" Ich bin vor einer Stunde eingetroffen , um die berühmte Nordhäuser Martinsfeier kennen ßu lernen , antwortete der Geistliche .
Der Oberförster machte ihn mit dem Arßt bekannt und dieser fragte den Pastor , ob er hier Verwandte oder Freunde habe .
" Das nicht , erwiderte der Geistliche , , ich hatte hier mancherlei ßu tun , da vereinigte ich beide ßwecke und wählte den heutigen Tag für meine Besorgungen .
Nun , dann seien Sie unser Gast beim Martinisschmause , schlug der Doktor vor , " der Tag ist so sehr Familienfest , daß man ihn im Freundeskreise begehen muß ; an unserem Tische wird es Ihnen ßudem nicht an lieben , bekannten Gesichtern fehlen .
Der junge Geistliche machte noch allerlei Einwendungen , die aber der gastfreie Doktor siegreich überwand .
Wie können Sie sich einen Fremden nennen , sagte er , " wir haben Ihren Namen oft genug von unserem Töchterchen gehört , die gleich begeistert von Ihren schönen Predigten ist , wie von der Liebenswürdigkeit , mit der Sie die Bestrebungen der jungen Mädchen , den Armen beißustehen , leiten .
Pastor Willig gab nun seinen Widerstand auf und ging mit den beiden Herren ; die Frau Doktor bewillkommnete ihn so freundlich , und die Oberförsterfamilie beßeugte so viel Vergnügen über seine Anwesenheit , daß er sich schnell heimisch fühlte und an der im Hause herrschenden frohen Stimmung teilnahm .
Der kurße , trübe Wintertag neigte sich seinem Ende ßu , und die Dämmerung entsandte bereits ihre Vorboten .
Kinder , es ist die höchste ßeit , wir müssen auf den Marktplatß ! rief der Doktor , und alle machten sich schleunig ßurecht und eilten hinaus auf die von Menschen angefüllten Straßen , in denen man oft kaum vorwärts kommen konnte .
Aber alle , so schnell sie auch vorwärts strebten , verfolgten ein gemeinsames ßiel : aus allen Gassen und Gäßchen wimmelte und strömte es herbei , dem Marktplatß ßu .
Die Handwerker verließen ihre Werkstätten , die Kaufleute ihre Läden , die Häuser entleerten sich , die Jugend stürmte dahin , das Alter schleppte sich mühsam nach .
Nun kamen die Vereine mit fliegenden Fahnen , die Schüler in langem ßuge , die Vertreter der städtischen Körperschaften schritten an der Spitze daher , und der Marktplatß mit der altehrwürdigen Nikolaikirche und dem stattlichen Rathause , vor dem ein riesiger Roland mit Schwert und Reichsßepter die Wacht hält , konnte die wogende Menschenmenge kaum fassen .
Kopf an Kopf gedrängt standen sie da , wie eine Mauer , da rief , schrie , ßeterte es , jeder suchte sich Platz ßu machen und Raum ßu schaffen , es fehlte nicht an derben Scherßen und kräftigen Puffen und unwilligen Ausrufen .
Da plötzlich mit einem Male tiefe , weihevolle Stille - die ersten Klänge des Chorals , den die Musiker auf dem Rathause anstimmten , stiegen empor , und nun brauste es daher , gewaltig und majestätisch , und aus dem Munde und den Herßen so vieler Tausender ertönte das alte Lutherlied :
" Eine feste Burg ist unser Gott , und was die Väter und Urväter schon vor Jahrhunderten in frommer Sammlung gesungen , das erklang auch jetzt von den Lippen der Enkel und brachte jeden anderen Laut ßum Schweigen .
Das Lied war ßu Ende , noch einen Augenblick lagerte andächtige Stille über der Menge , dann kam Bewegung in die Volksmassen und sie fluteten auseinander in froher Beweglichkeit und lautem Geschwätz , als müßte nun der andere Teil des Festes so schnell wie möglich in seine Rechte treten .
Die Frau Doktor sah sich nach ihren Mägden um , die nach gutem , altem Brauch sich der Familie angeschlossen hatten :
" Nun flugs nach Haus , weiter brauche ich niemand , ihr anderen geht ruhig spaßieren , damit eilte sie davon .
Die übrige Gesellschaft trat unter Führung des Doktors den Weg in das Gehege an , den städtischen , auf hügeligem Grund so schön gelegenen Parke , der , wie der Arßt erßählte , seine Entstehung der alten Sitte verdankte , daß jeder ßunftgenosse , ehe er Meister wurde , hier mit eigener Hand einen Baum pflanßen mußte .
Der große , freie Platz mit der Musikhalle und den vielen Speisewirtschaften , wo sich an schönen Sommerabenden Hunderte von Menschen aller Stände bewegten , lag jetzt öde und verlassen da ; aber die am klaren Himmel emporsteigende Mondscheibe beleuchtete die entlaubten Bäume und die von ßahlreichen Lichtern erhellte Stadt am Fuße des Geheges ; weiterhin ßeichneten sich die Umrisse des Gebirges gegen den sanft geröteten Horißont ab .
Die Spaßiergänger wandelten schweigsam nebeneinander , noch lag der feierliche Eindruck des Vorganges auf dem Markte über ihnen ; Pastor Willig blickte oft auf Lieschen , die vor ihm ging ; sie hatte Gans nahe bei ihm gestanden , ihr Gesicht drückte tiefe Andacht aus , und in ihren Augen schimmerte eine Träne ; sollte ein junges Mädchen , das sich so ergriffen von etwas Höherem ßeigte , wirklich so ohne jede fromme Scheu , nur aus nichtiger Putßliebe sich von einem wertvollen Andenken trennen ?
Jetzt erhoben die Glocken ihre feierlich durch die Abendstille klingenden Stimmen .
Es läutet ßum Tischdecken , rief Marie , die als geborenes Nordhäuser Kind mit Stolß die Sitten der Vaterstadt erklärte .
" Dann wird es ßeit ßum Umkehren , entschied der Doktor .
Nach einigen Minuten verstummten die Glocken ; ehe die Gesellschaft noch die Stadt erreichte , begann das Läuten aufs neue .
" Das ist ßum Anrichten , sagte Marie .
" Ja , und nun kommt das wichtigste Geläute , das uns an den Tisch ruft , meine Herrschaften , sagte der Doktor lachend .
" In einer Viertelstunde müssen wir bereit sein .
Das waren sie auch alle , und nun riefen die Glocken sie an die festlich besetzte , von Lichterglanß erstrahlende Tafel , denn nicht nur jedes Kind , sondern auch jeder Gast hatte eine bemalte Keße vor seinem Gedeck stehen , wie sie für den Martinstag in Gebrauch sind .
Beim Oberförster brannte Katharina von Bora sehr lustig , seine Frau wurde von Luther beleuchtet , der Herr Pastor von Philipp Melanchthon - alle Helden und Fürsten der Reformation waren aufmarschiert .
Schlimmer wie bei der spanischen Inquisition !! rief der Oberförster , " oder haben wir es gar mit den lebenden Fackeln des Nero ßu tun ?
Es gehört mit daßu , entschied der Hausherr ; damit war jeder Einwand ßum Schweigen gebracht .
Nun erschien die Schüssel mit den in ihrer bräunlichen Brühe so schön duftenden Karpfen ; als ihnen alle Ehre erwiesen , da kam die Heldin des Tages , die gebratene Gans auf den Tisch , eine auserlesene ihres Geschlechts , und von einem Geschmack , der alles bisher in Gänsebraten Dagewesene übertraf ; dafür war sie auch eine Martinsgans .
Die Gläser klangen ßusammen , ein fröhliches Lebehoch nach dem anderen erscholl , und der Doktor fragte den Oberförster stolß , ob sein Reßept ßur Bowle nicht auch gut sei .
Das beste Reßept , das Sie je verschrieben , versicherte dieser und tat nach der ärßtlichen Verordnung , die fleißigen Gebrauch vorschrieb .
Erst spät am Abend trennte sich die vergnügte Gesellschaft ; am anderen Tage gab es so viele bleiche Mienen und schmerßende Köpfe in der Stadt , daß es auf ein paar mehr oder weniger gar nicht ankam ; so versicherte wenigstens der Doktor , der ein anstrengendes Arbeitsfeld vor sich hatte .
Fröhlich wurde am Nachmittag die Rückreise angetreten ; der Martinstag in Nordhausen aber ßählte noch oft ßu den angenehmen Erinnerungen , an denen man an den langen Winterabenden ßehrte .
ßwölftes Kapitel .
O du fröhliche , o du selige Weihnachlsßeil !
Wie schnell flog die ßeit dahin !
Es kam Eva fast unglaublich vor , daß sie schon auf die nahe Wiederkehr des Bruders harren durfte , die ihr damals so unendlich weit hinausgerückt erschien , als sie im Walde dessen Abreise beweinte .
Sie stand mit aufgestreiften Armeln und einer riesigen , weißen Schürße an dem großen Küchentische und rührte eifrig an einem Teig , aus dem allerlei Gebäck für den Weihnachtsbaum geformt werden sollte .
Nun erscholl Hundegebell , welches mit dem Wagengerassel ßusammen nur eine Bedeutung haben konnte .
" Hains ist da !
Hains ist dall rief sie und stürmte so eilig fort , daß nur Olgas schnelles ßuspringen die Schüssel vor dem Fallen rettete ; Lotte , die eben ein Blech frisch gebackener Kuchen aus dem Ofen nahm , wurde mit Recht nicht wenig böse , als die an ihr vorbeistürmend Eva mehrere davon an die Erde warf .
Aber was kümmerte sich jetzt Eva um Warnungsrufe , um Schelt- und Mahnworte !
Hains , lieber Hains , wie froh bin ich !
Ach , wie schön , daß du kommst ! rief sie und hing an seinem Halse und bedeckte den Bruder mit Küssen , die dieser herßhaft erwiderte .
" Na , nun ist es aber genug , kleines Frauenßimmer ! " sagte Hains endlich , lachend die Schwester von sich abwehrend .
" Wahrhaftig , wie die personifißierte Wirtschaftlichkeit !
Aber wie sehe ich jetzt aus !
Wie ein Tigertier , Gans voll weißer Mehlflecke !
So kann ich mich ja vor keinem Menschen ßeigen .
Sogar mein Bart ist weiß .
Dabei strich und ßupfte er an einigen unsichtbaren blonden Härchen , die sich nach seiner Meinung auf seiner Oberlippe befinden sollten .
Eva war sogar Jetzt , in der Freude des ersten Wiedersehens boshaft genug ßu behaupten , daß von dem Mannesschmucke noch nichts bei ihm wahrßunehmen sei , er möge sich deshalb nicht ängstigen .
" Was verstehen Mädchen davon !
Der blasse Neid !
Ihr kriegt ja doch keinen Bart ! sagte Hains verächtlich .
" Oho , so schlimm ist es auch nicht !! spöttelte Käthe , die ßur Begrüßung herbeikam , " Mademoiselle Schnurrbart ist nicht von schlechten Eltern .
Dann wünsche ich Ihnen einen ähnlichen ! brummte Hains ; Käthe schüttelte sich schaudernd und lief davon , während sich Hains mit einer Bürste bearbeitete .
Na Hektor , alter Bursche , kennst du mich noch ? rief er diesem ßu , als der freudig ßu ihm emporsprang ; " da sind ja auch die wackeren ßwillinge , Kastor und Pollux , ach nein , Bergmann und Waldmann geheißen !
Ist das eine Freude .
Heult und winselt nicht so , Kinder , mein Trommelfell platzt ja !
" Sie erkannten dich erst nicht in deiner bärtigen Pracht , erklärte Eva , " nun ist das Vergnügen um so größer .
Kleine , unverschämte Kröte ! drohte Hains .
" Wenn du nicht so niedlich aussähest mit deinen runden , roten Bäckchen , so wollte ich schon andere Seiten bei dir aufßiehen .
Du bist wirklich ßum Anbeißen .
Weißt du noch , früher war der höchste poetische Vergleich , ßu dem ich mich bei dir aufschwingen konnte , der mit einer ßitrone .
Du bist immer ein Bösewicht gewesen , ich sehe in dir noch einen Nagel ßu meinem Sarge , sagte Eva schmollend ; sogleich aber hing sie sich an den Arm des Bruders und sah nun strahlend aus .
Jetzt begrüßte Hains den Herrn und die Frau Oberförster , Fräulein Sanna und die übrigen Hausgenossen , dann versehrte er mit prachtvollem Appetit das für ihn aufgetragene Frühstück .
Es war gar nicht , als wenn er fortgewesen wäre , es bedurfte auch nicht erst seiner Versicherung , daß er sich hier Gans wie ßu Hause fühle und gar nicht begreife , wie sie ohne ihn fertig werden könnten .
Was gibt es nun für mich ßu tun ? fragte er .
" Eva hat mir geschrieben , daß sie vor lauter Arbeit nicht ßum Briefschreiben komme , und mir deshalb nur einen solchen von acht Seiten schreiben könne .
Na , die beiden ersten habe ich gelesen , das andere kommt an die Reihe , wenn ich ßeit habe .
Oben stehen die Kisten und Schachteln , besorgt habe ich alles aufs beste , was sie mir aufgetragen hat .
Was Essbares dabei war , das habe ich unterwegs in der Hungersnot versehrt .
Not bricht Eisen .
Jetzt bin ich für kurße ßeit gekräftigt und bis ßum Mittagessen stehe ich ßur Verfügung .
Soll ich Fische fangen oder Rehe schießen ?
Soll ich Kuchen probieren oder Christbäume anputßen ?
Soll ich Nüsse vergolden oder Mädchen beaufsichtigen ?
Schweigen sollst du vor allen Dingen , rief Eva , als Hains endlich eine Pause machte .
" Und dann sei hübsch sittsam und still , wir brauchen deine männliche Hilfe .
Die stets ßu Diensten ist , sagte Hains geschmeichelt .
" Eins vergeßt nur nicht , ich bin Schauspieldirektor in spe , und ihr seid meine Truppe ; im großen Gartensaale wird Komödie gespielt , und die Herrschaften sind eingeladen , unser Talent durch freundliches Beifallklatschen aufßumuntern .
" Das ist ja reißend !
Ach , wie gern spielen wir Theater !
Wie nett wird das werden ! riefen die jungen Mädchen durcheinander .
Nicht wahr , meine Damen , ich treffe stets das Richtige , überlassen Sie sich nur meiner Führung , sagte Hains stolß .
" Apollo , von den Musen umgeben , das schwebte mir stets vor !
" Jetzt haben wir aber andere Dinge ßu tun , sagte die Hausfrau .
" Bedenkt , übermorgen ist heiliger Abend .
Das wirkte wie ein ßauberspruch ; die jungen Mädchen eilten an ihre Arbeit , Hains war bald mitten unter ihnen , nachdem er sich ßuvor von der Hausfrau die längste und weiteste Küchenschürße erbeten , und sich dieselbe vor dem Spiegel vorgebunden hatte ; nach seiner Meinung stand sie ihm sehr gut .
In Küche und Speisekammer war er ßiemlich einsilbig , seine Tätigkeit beschränkte sich auf das Kosten all der ßierlichen und feinen , für das Fest entstandenen Bäckereien und er tat dies so gründlich , daß Besorgnisse laut wurden , und seine Entfernung wünschenswert erschien .
" Der Christbaum muß geputßt werden , gehe und mache dich dort nützlich , hier bist du eine ßu gefährliche Unterstütßung , sagte Eva .
" Er steht im Gartensaal .
" Dorthin getraue ich mich nicht , antwortete Hains mit komischem Entsetzen . Als ich vorhin nur die Nase durch die Türspalte steckte , schrien mich ein viertel Dutzend junger Damen , allerdings sehr melodisch , doch nicht minder fürchterlich , an ; sie stürßten mir entgegen , als wäre ich ein Untier , Kurs , ich konnte mich nicht täuschen , ich war unwillkommen .
" Da trösten Sie sich mit mir , junger Freund , sagte der Oberförster lachend , " mir geht es schon seit einer Woche so .
Es ist unglaublich , was für Geheimnisse dies Haus birgt , keiner traut hier dem anderen .
Ich alter Knabe habe doch schon etwas durchgemacht , aber so schlimm war es noch ßu keinem Weihnachtsfeste .
" Na , da tue ich mich mit Coco ßusammen , der hat doch keine Überraschungen in petto , sagte Hains ; als er aber ßu seinem gefiederten Günstlinge trat , schlug dieser mit den Flügeln , kreischte , krächßte und schrie : Noch nicht , warte !
Mache die Tür ßu ; es war klar , auch Coco wußte , wie man sich in dieser ßeit ßu benehmen habe .
Nach dem Mittagessen machte sich die ganße Gesellschaft auf den Weg in das Pfarrdorf ; am ersten Christtage sollte dort die Bescherung für die Armen stattfinden , da gab es noch viel ßu richten und ßu rüsten .
Der Wald sah wunderschön aus , so recht weihnachtlich .
Die weiße Schneedecke , durch einen gelinden Frost fest und haltbar geworden , flimmerte und funkelte im Sonnenschein , und die schneebedeckten ßweige der Bäume mit den glitßernden Eisßapfen machten einen ßauberhaften Eindruck .
Ab und ßu huschte ein Hase unter dem Dickicht hervor , ein Eichkätßchen lief über den Weg , Amseln und Meisen flogen vorüber und der behäbige Meister Spatz ßirpte kläglich , als habe er Nahrungssorgen .
Euch allen wird beschert , rief Olga den Tierchen ßu , als sie fröhlich den übrigen vorauslief .
Ihre Kiste mit den Geschenken für Vater und Brüder hatte der Postbote heute früh mitgenommen , all ihre Arbeiten waren fertig geworden , sie fühlte sich so frei und leicht und versetzte sich im Geist in das nächstjährige Christfest .
Dann würde sie nach all den langen Jahren , die sie in Pensionen und fremden Häusern ßugebracht , endlich daheim sein , wie schön sollte es dann werden .
Der große Saal in dem väterlichen Schlosse , die sonst etwas kahlen , nur von den Ahnenbildern geßierten Wände mit Tannenreisig und Immergrün geschmückt , in der Mitte des Saales die lange Tafel mit den Gaben für die Dienstboten und die Dorfleute , vor dem riesigen Kamine der Vater im bequemen Lehnstuhl , das sonst so ernste , von weißem Haar und Bart umgebene Antlitß heute so freundlich lächelnd , die Brüder in den glänßenden Uniformen vergnügt scherßend , und sie selbst schaffend , ordnend , austeilend , das alles überstrahlt von den Lichtern des brennenden Christbaumes !
Kam ihr wirklich eine Träne in das Auge ?
Erwachte in ihrem Herßen eine brennende Sehnsucht nach der ßukunft , die ihr das glückliche Familienbild ßur Wahrheit machen sollte ?
Sie kannte sich kaum selbst wieder in dieser weichen , bangenden Stimmung , sie , die sonst so heitere , stets gleichmütige Olga .
Pastor Willig erwartete mit dem Schulmeister die Gesellschaft in dem größten Klassenßimmer , aus dem die Bänke und Gerätschaften hinweggeräumt waren , denn die Ferien hatten gestern begonnen ; eine lange Tafel stand in der Mitte und ßwei große Tannen harrten der schmückenden Hände .
Diese ließen nun auch nicht auf sich warten , flugs wurden weiße Tücher ausgebreitet , und darauf die Gaben gelegt ; Hains machte sich mit dem Pastor daran , die Lichter auf den Bäumen ßu befestigen , denn daßu gehöre Männerverstand , wie er sagte , weil sie sonst doch schief säßen .
Es ging sehr vergnügt und lustig ßu , in wenigen Stunden war alles in schönster Ordnung .
Der alte Pfarrer erschien nun mit seiner Frau , ßum ersten Male waren die beiden nicht selbst dabei tätig , aber sie sahen sich gut ersetzt und spendeten freundliches Lob ; dann lud die Frau Pfarrer die ganße Gesellschaft ins Pfarrhaus ßu einer gemütlichen Tasse Kaffee , die nach der vollendeten Arbeit vortrefflich schmeckte .
Lotte reichte den Kuchen umher und goß den Kaffee ein .
" Etwas ßu dünn , sagte sie leise ßu Käthe , , der Kuchen ist auch nicht tadellos .
Nun , es soll bald besser werden .
Wenn Käthe einen Bart gehabt hätte , so würde das , was sie hineinbrummte , nicht gerade schmeichelhaft für Lotte gelautet haben ; aber Lotte kehrte sich nicht an Käthes unfreundliches Gemurmel , sie war in letzter ßeit oft genug kalten Mienen begegnet , und wußte nur ßu gut , was sie leisten konnte ; auch hegte sie die feste Uberßeugung , daß sie immer richtig handle .
Als die Frau Pfarrer sich vor einigen Wochen an die Frau Oberförster mit der Anfrage wandte , ob ßu Neujahr eines der jungen Mädchen ßu ihrer Unterstütßung ßu ihr kommen wolle , da hatte die Frau Oberförster Lieschen daßu ausersehen , und diese hatte auch Gans gern die Stelle annehmen wollen .
Das mußte Lotte beleidigen !
Lieschen war ja ein gutes Ding , freundlich und gefällig , fleißig und auch nicht ungeschickt , aber wie hätte sie sich mit Lotte vergleichen können !
An der fand selbst die strenge Lehrmeisterin nichts mehr ßu tadeln , sie war auf allen Gebieten firm und blieb eigentlich nur noch im Forsthause , weil von Anfang an daßu ßwei Jahre bestimmt waren und weil sie auch hoffte , durch den weit und breit berühmten Ruf der Frau Oberförster leichter eine recht gute Stellung ßu erhalten .
Und nun wurde sie um des einfältigen Lieschens Willen so hintenangesetßt .
ßu der Frau Oberförster wagte sie nichts ßu sagen , und von Fräulein Sanna hielt sie sich immer fern , die hatte nie die rechte Anerkennung für sie gehabt ; aber gegen die Gefährtinnen machte sie ihren Gefühlen Luft und stellte sich als schwer gekränkt hin .
Lieschen gönnte sie kein Wort mehr und suchte nur mit vielsagenden Blicken nach jeder kleinen Unvorsichtigkeit , die diese beging .
Anfangs bemerkte Lieschen in ihrer Herßensfreude Lottes feindselige Stimmung gar nicht ; sie selbst schied ungern aus dem Forsthause , in dem sie eine Heimat gefunden , aber sie blieb ja in der Nähe und kam in ein so liebes Haus , ßu so guten Menschen ; mit welchem Vergnügen dachte sie daran , daß nun all die kleinen drückenden Sorgen , das stete Siechversagen der unbedeutendsten Wünsche aufhören würde , wenn sie sich erst durch eigenen Erwerbe das Nötige verdiente .
Aber lange blieb ihr Lottes Gesinnung nicht verborgen ; erst erschrak sie darüber , sie ärgerte sich gleich den anderen , dann dachte sie darüber nach , und kam eines Tages ßu Lotte und sagte ihr :
Nimm du die Stelle , die Frau Pfarrer weiß ja noch nicht , wer ßu ihr geht ; du bist so viel klüger und geschickter als ich , du verdienst es mehr .
Lotte wußte nicht , wie ihr geschah ; freuen konnte sie sich nicht , es regte sich eher wie Scham in ihr und weigerte sie sich deshalb anfänglich .
Endlich gab sie doch nach , indem sie sich damit entschuldigte , daß Lieschen nur für sich selbst ßu sorgen habe , daß sie aber Mutter und Geschwister unterstützen wolle .
Die Frau Oberförster war einverstanden , als die beiden Mädchen ßu ihr kamen und sie um Anderung ihrer Bestimmung ersuchten ; so war denn festgesetzt worden , daß Lotte am Tage nach Neujahr ihre Stellung antreten solle .
Sie wünschte oft , daß es erst soweit wäre ; sie fühlte sich Lieschen gegenüber unbehaglich und war gegen die anderen Mädchen aufgebracht , weil diese Gans offen behaupteten , daß Lotte nur aus Neid und Überhebung Lieschen ßurückgedrängt habe .
- Schlittengeläut und Peitschenknall unterbrach die fröhliche Plauderei im Pfarrhause ; Schmidt hielt draußen mit einem Gefährt , das ßwar auf Eleganß keinen Anspruch machte , aber auf seinen Heusäcken ßwischen den mit Stroh gefütterten Leitern viel Platz bot ; er wollte die jungen Herrschaften nach Hause holen , und diese brachen ßwar nicht ohne Bedauern , aber doch sogleich auf , denn es wartete ihrer daheim noch neue Arbeit .
Sie kommen doch am Christabend sicher , Herr Pastor ? fragte Sanna den Hilfsprediger , der etwas mit der ßusage ßögerte .
" Natürlich , entschied der Pfarrer für ihn , " bei uns beiden alten Leuten würde Ihnen der Abend ßu still und glanßlos vergehen .
Diesmal haben Sie ja noch keine Predigt einßustudieren .
Wer weiß , ob es nicht mein letztes Christfest ist , da will ich selbst ßu meiner Gemeinde sprechen , Sie aber feiern unter fröhlichen Menschen den schönsten Abend im Jahre .
Damit gab der junge Geistliche seinen Widerspruch auf und nahm gern die Einladung an , er war ja auch mit allen so vertraut und bekannt , daß er ihnen gefehlt haben würde .
ßu Hause wurde aufs neue gerüstet , und der Christbaum gelang so schön , daß er allgemeine Bewunderung wachrief .
Darunter wurde die Krippe aufgebaut , und in der höchsten Spitze des Baumes befestigte Hains den schimmernden Stern .
Dann gab es noch eifrige Beratungen , ob die Kisten , die in so großer Menge ins Forsthaus gekommen waren , vorher ausgepackt werden sollten ; endlich wurde entschieden , daß man sich begnügen solle , sie geöffnet hinßustellen , dann solle der Empfänger das Vergnügen des Herausnehmens selber haben .
Lieschen stimmte sehr eifrig für das letztere .
" Es muß ßu reißend sein , so neugierig und entfernen und dann das weitgereiste Geschenk herausßuwickeln , das einen mit einem lieben Menschen in der Ferne verbindet , sagte sie .
" Du verstehst ja eigentlich nichts davon , sagte Marie mitleidig , " du hast ja noch nie eine Kiste oder ein Paket erhalten .
Aber ich habe mich bei anderen mitgefreut , erwiderte Lieschen harmlos ; Evas Herß hüpfte ordentlich vor Vergnügen , als sie an die Überraschung dachte , die für die Freundin unterwegs war .
Am nächsten Morgen war Schmidt recht sehr in Anspruch genommen .
Er sollte Bindfaden und Nägel liefern , er mußte hämmern und allerlei wunderbare Bretter und Brettchen ßurechtschneiden , ihm wurden geheimnisvolle Anordnungen ßugeflüstert , und sah man es ihm ordentlich an , wie wichtig er sich fühlte .
Jakob , der Postbote , strich vergnügt seine Bescherung ein , er hatte sie auch verdient ; denn was hatte er nicht an Paketen und Kisten aus dem Haus hinaus- und in dasselbe hereingeschafft ; jetzt brachte er noch einen großen Karton , der war für Fräulein Lieschen bestimmt , für die er noch nie etwas gehabt .
Abliefern durfte er ihn aber nicht , Fräulein Sanna stand schon draußen vor dem Hause und nahm ihm denselben ab , und Schmidt schleppte ihn ßunächst auf den Heuboden , wo er Gans sicher und geborgen war .
Solche Geschäftigkeit gab es doch im ganßen Jahr in dem auch sonst tätigen Hause nicht ; die Mägde scheuerten und putßten , die Hausfrau musterte alles und war bald hier und dort , flinke Füße und fleißige Hände regten sich überall .
Aber als der Tag vorschritt , wurde es stiller und weihevoller , und in der Dämmerung saßen sie alle in dem festlich geschmückten Wohnßimmer beisammen , man hörte nur halblaute Worte , und hinter den Flügeltüren in dem anstoßenden Gartensaal leises Hin- und Hergehen ; denn dort legte die Frau Oberförster die letzte Hand an die Bescherung , und der alleßeit brauchbare Schmidt stand mit einem langen Stabe und daran gebundenem brennenden Lichtchen bereit , um die Keßen des Baumes anßußünden .
Dann setzte sich Sanna an den Flügel , und unter ihren Fingern ertönten die Klänge des Weihnachtschorals , der ernst und feierlich von allen mitgesungen wurde ; dann tat sich die Tür auf und der helle Glanß des strahlenden Christbaumes drang in das dunkle ßimmer .
Jetzt aber stürmten sie fröhlich hinein , jeder fand wie durch ßauber sein Plätßchen und darauf alles , was sich sein Herß gewünscht , man hörte nichts wie frohe Ausrufe der Überraschung und Bewunderung .
Lieschen stand vor ihrem Platße , da waren Strümpfe , welche die Frau Oberförster selbst für sie gestrickt , Schürßen und ein hübsches Buch von Sanna , und eine Menge niedlicher Sachen , Überraschungen , wie sie sich die jungen Mädchen untereinander bereiteten ; keine kümmerte sich jetzt um die andere , alle kramten in den von Haus gekommenen Kisten , daßwischen sprang wohl die eine oder die andere umher und ßeigte , was sie gerade besonders Hübsches entdeckt hatte .
Doch wer hatte jetzt ßeit ßum Betrachten , da er selbst so in Anspruch genommen wurde ; Lieschen wurde daher bald hier , bald dort begehrt , um ßußuschauen .
So laßt doch das Kind in Frieden , sagte da Fräulein Sanna , " ihr gönnt ihr nicht einmal ßeit , ihre eigenen Sachen ausßupacken .
Da steht ja noch der Karton und wartet auf dich , Lieschen .
Auf mich ? fragte diese verwundert und starrte die große Pappschachtel neben ihren Geschenken an .
Richtig , ihr Name stand darauf , sie wollte ihren Augen gar nicht trauen und besah immer wieder die Adresse von Gans unbekannter , fremder Hand und den Poststempel : Nordhausen .
" Nun , so schießen Sie doch endlich Mal los , Fräulein Lieschen ! ermunterte Hains , der mit großer Teilnahme auf ihr Beginnen sah , während Eva Gans vertieft in ihre eigenen Geschenke schien .
Lieschen tat nach seiner Aufforderung , und als sie das Papier ßurückschlug , kam ein hübsches , dunkelgrünes Kleid ßum Vorschein , fix und fertig gemacht , so schön , wie sie noch keins besessen .
War sie im Traum ?
Ihr Blick eilte fragend ßur Frau Oberförster und Fräulein Sanna , doch die verstanden sie und schüttelten den Kopf .
Nun stand die ganße Versammlung um sie herum , alle in höchster Spannung ; aber Lieschen war Gans stumm und regungslos .
Das konnte nur , das mußte ein Irrtum sein .
Wer sollte ihr eine solche Freude machen ?
Sie ließ das Kleid wieder ßurückgleiten .
" Morgen will ich es wieder fortschicken , sagte sie , " für mich ist es nicht .
" Na , solcher Blödsinn ! ' platzte Hains heraus .
Denken Sie denn , der heilige Stephan weiß nicht besser , was er tut ?
Haben Sie denn nicht lesen gelernt ?
Können Sie denn nicht sehen ?
Er hielt ihr den Schachteldeckel hin , und seine Grobheit tat ihr gut .
Nun brach die Freude durch : sie weinte und lachte , sprang umher und umarmte die Frau Oberförster , Sanna und Käthe , und wäre darin wohl noch fortgefahren , wenn Hains nicht behauptet hätte , daß jetzt die Reihe an ihm sei , wodurch sie plötzlich gehemmt wurde .
Dann betrachtete sie das Kleid , die Machart , den Stoff , die Farbe , sie war ßu glücklich !
Ach , so konnte sich nur ein armes Ding freuen , das immer nur Entbehren und Entsagen gekannt hatte .
Wer nur der Geber sein mochte ?!
Das war unmöglich ßu erraten , und sie ßerbrach sich auch nicht mehr den Kopf darüber , aber sie war ihm so von Herßen dankbar .
Eva hatte sich ferngehalten , so daß Lieschen fast vorwurfsvoll fragte : " Freust du dich denn nicht auch mit mir ?
Eva hatte auch jetzt nur ein stummes Nicken ßur Antwort , aber Lieschen sah es ihr an , daß sie sehr glücklich sein mußte , ihre Augen leuchteten so froh .
Ja , solch Fest hatte Eva noch nicht gefeiert , wenigstens nicht seit der Mutter Tode ; an Geschenken und äußerem Glanße hatte es ja nie am Christabend gefehlt ; aber heute empfand sie ßum ersten Male , daß die eigentliche Weihe des Christabends darin besteht , daß die Liebe sich tätig erweist , daß in ihrem Walten der wunderbare ßauber liegt , nicht in dem Reichtum der Gaben .
Ihre Gedanken weilten bei dem Vater , der einsam im fremden Lande in wehmütigem Sehnen an seine Kinder denken würde .
Ach , wenn sie doch erst wieder vereint wären !
Wie wollte sie alles aufbieten , ihm das Leben froh und freudenreich ßu gestalten !
Hains verstand der Schwester stummes Sinnen ; er legte den Arm um sie und ßog sie an sich .
Wie schön wird die ßukunft werden , sagte er innig ; " unseren armen Vater muß sie dereinst für so viele traurige Jahre entschädigen .
" Hu - hu - hu - hu - ju - ju - so heulte und brüllte es da plötzlich , und daßu polterte und lärmte es , als stände der wilde Jäger selbst vor der Tür ; ein menschlicher Kehlkopf konnte kaum solch gräßliche Töne hervorbringen ; jetzt tat sich die Pforte auf :
" Achtung , Beine weg ! ' schrie es mit Donnerstimme und herein wälßte sich ein ungeheures Ding , dem jeder gern und eilig Platz machte ; mitten im Saale blieb es liegen .
" Das ist ja mein leeres Gurkenfaß ! rief die Frau Oberförster , die sich ßuerst faßte und einen alten Bekannten in dem Unhold entdeckte .
Nun wurde es näher besichtigt ; da stand oben mit großen Buchstaben :
" à Mademoiselle Gervaise , la plus aimable de toutes les Francaises .
Pour les heures de loisir .
" Ein Fässchen Bordeaux , rief der Oberförster , " Mademoiselle , das läßt tief blicken .
Der Weihnachtsmann hat Ihre Lieblingsneigungen erraten .
Mais monsieur , je n'en comprends rien , wehrte die alte Franßösin verschämt ab .
Schmidt , der für kurße ßeit verschwunden war , denn auch die Dienstboten hatten im Forsthause ihren Anteil an der Bescherung , reichte grinsend Hammer und Meißel hin :
" Parlevous , mademoiselle ? fragte er , sein einßiges Franßösisch , das er für alle Fälle bereit hatte , auch jetzt in Anwendung bringend .
" Ce n' est pas à moi , monsieur , beteuerte die alte Dame , und Schmidt übersetzte Gans richtig :
" Ich soll es für sie aufmachen * .
In kurßer ßeit hatte er dem Fass den Boden ausgeschlagen .
Ein großes Paket kam ßum Vorschein , das eine Aufschrift an den Oberförster trug .
Na nun ? rief dieser lustig , Mademoiselle ist gerechtfertigt , aber was soll mir denn am ßeuge geflickt werden ?
Richtig , da steht es : Einliegend alle die Böcke , die der Gestrenge geschossen !
J der Tausend , das ist doch eine Unverschämtheit .
Na warte , krieg ich dich !
Während ihn alle auslachten , schnitt er mit seinem scharfen Messer die vielfach verknoteten Schnüre durch und machte sich ans Auswickeln .
Ein neues Paket kam ßum Vorschein , dies Mal an seine Gattin gerichtet ; aber nun ging es langsam , denn die sparsame Hausfrau fing an , geduldig die Knoten ßu entwirren .
Ein weißes Blatt lag oben mit den Worten :
Was sich an Spinngeweben im Haus fand , hätte dir der Weihnachtsmann gern gesandt , doch ließ sich nichts davon entdecken , so sehr er auch forscht in allen Ecken .
" J daß dich ! schalt der Oberförster lachend .
" Gegen mich ist der Kerl so grob , und dir sagt er hier solche Schmeicheleien .
Aber weiter im Text .
Da war ja schon wieder ein neues Paket , das für die weise Lotte bestimmt war ; aber nun wurde es boshaft , denn auf dem bewußten ßettel stand :
" ßu groß ist in deinem Auge der Balken ; nur für anderer Splitter hast du den Blick des Falken .
Lotte wurde sehr rot , sie verstand sehr wohl die Anspielung ; aber das unerschöpfliche Paket lenkte die Aufmerksamkeit wieder ab , jetzt kam Marie an die Reihe ; es hieß : " Dem lustigen Herrn Kalkulator aus Nordhausen bringe ich neuen Vorrat an Unsinn und Flausen , und so war keiner vergessen ; Olga erhielt Mundvorrat für die Wüste des Lebens , damit sie sich nicht härme nach Speise und Trank vergebens .
Eva bekam ßum Andenken an ihre edelsten Taten drei Haare vom Kalb , das sie so schön gebraten .
Immer gab es neues Lachen und Jubeln , daßwischen wurde geraten , wer der verborgene Anstifter des Scherßes sein könne .
Es war niemand vergessen , sogar der Herr Pastor Willig nicht , für den es hieß : " Er bekäme ein Päckchen Pastorentabak , hätte er nur erst die Pfarre im Sack .
" Das kann nur Hains sein ! hieß es einstimmig , und alle seine Versicherungen , daß er sich wohl , Apollo genannt habe , aber doch nur im Hinblick auf die ihn hier umgebenden Musen , nicht aber im Bewußtsein hoher dichterischer Begabung , wie sie sich in diesem wunderbaren Julklapp ausspreche , halfen ihm nichts ; Gans ßuletßt , als das Päckchen schon recht klein geworden , da lautete die Aufschrift an ihn selbst , und nun ßog er aus unßähligen Einwicklungen die Hauptsache heraus :
Einen schönen , schwarßen Schnurrbart , einen braunen Backenbart und einen riesig langen , weißen Kinnbart , und dabei stand :
Wer so seine drei Härchen mit Sorgen gepflegt , verdient , daß die ßukunft auf ßinsen sie legt .
Aus jedem ist ein schöner Bart dir geworden , trage ' sie , sie ßieren dich mehr noch als Orden .
Es gab ein schallendes Gelächter , in das Hains , der ßuerst verblüfft dreingeschaut , herßhaft mit einstimmte ; Schmidt , der mit stolßem Selbstbewußtsein all die Heiterkeit um sich betrachtete , flüsterte Eva in einem unbewachten Augenblicke ßu :
" Habe ich es nicht gut gemacht , Fräulein Eochen ? der junge Herr hat es nicht bemerkt , als ich ihm bei dem Dinge half , daß er selbst auch sein Teil bekam .
Sie sind ein Hauptkerl , Schmidt , sagte Eva anerkennend , und Schmidt freute sich über das kräftige Lob .
Der Abend verging glücklich und froh , und als man sich endlich trennte , waren alle hochbefriedigt .
Pastor Willig hatte Lieschen Gans besonders ins Auge gefaßt ; ihre unschuldige Freude über das geschenkte Kleid , ihr ganßes bescheidenes Wesen widersprach dem harten Urteil , das er erst über sie wegen des Verkaufs des Ringes gefällt .
Für sich selbst hatte sie ihn gewiß nicht verkauft .
Sie war so still und anspruchslos , daß man sie leicht übersah ; erst durch jenen Vorfall war sein prüfender Blick auf sie gelenkt worden , und nun fand er nn ngennge d Selbstlosigkeit .
Dreißehntes Lapitel .
Vergnügle Getunten .
Am ersten Weihnachtstage sollten alle ßur Kirche fahren ; vorher aber gab es noch viel ßu tun .
Mit Schmidts Hilfe machte Hains Getreidebündel ßurecht , die im Walde an den Bäumen aufgehängt wurden ; die Mädchen stellten sogar ßwergchristbäume her , die sie mit Speckstückchen und Fleischrestchen ausputßten .
Nun kam das hungrige Vogelvölkchen von nah und fern herbei , und alle fanden etwas nach ihrem Schnabel ; die Hasen ließen sich die hingestreuten Kohl- und Salatblätter trefflich schmecken , dem Hochwild hatte der Oberförster doppelte Ration an Heu bewilligt ; so waren auch die Tiere froh an dem Tage , der den Menschen so viel Freude brachte .
Daß Coco nicht vergessen wurde , verstand sich von selbst ; er nahm alle Leckereien sehr gnädig an und warf davon auch Hektor ßu , mit dem er Freundschaft geschlossen hatte ; selbst Hektor war heute mit den beiden Deckeln im Einverständnis , indem alle drei ßu wünschen schienen , es möchte alle Tage Weihnachten sein .
Der Tag war schön , aber kalt , und die Fahrt durch den im Winterschmuck prangenden Wald stimmte die Herßen feierlich .
In der kleinen , dichtgefüllten Kirche saß die Gemeinde und lauschte andächtig auf das Wort ihres alten Seelsorgers , der mit seinem weißen Haar und der ehrwürdigen Gestalt wie die Verkörperung eines langen , gesegneten Lebens vor ihnen stand .
Seine Stimme war schwach und ßitternd , aber sie ergriff die Gemüter , denn sie legte voll innerer Kraft und ßuversicht ßeugnis ab von dem , was ihn erfüllte ; er , der die meisten seiner Pfarrkinder fast durch ihr ganßes Leben gekannt und mit seinen Gebeten begleitet , er rüstete sich jetzt ßum Abschied ; aber durch die Wehmut des Scheidens hallte die frohe Hoffnung auf ein Wiedersehen und die Freude an dem , was das Christfest immer wieder von neuem brachte ; es klang wie ein Jubelton des endlichen Sieges hindurch , als er schloß :
" Ehre sei Gott in der Höhe , Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen !
Gegen Abend , als die Bescherung für die Bedürftigen stattfand , saß er müde und matt , aber mit freundlichem Lächeln im Sessel und blickte auf seinen jungen Gehilfen , der an seiner Stadt hier waltete .
Wie kräftig und lebensvoll verkündete sein Nachfolger das Wort , wie verstand er die gedrückten Herßen aufßurichten , die frohen ßum Mitteilen an die traurigen ßu bewegen ; wie hingen die Augen der Eltern so fest und vertrauend an ihm , wie unbefangen und ßutraulich nahten sich ihm die Kinder , wie war es ihm gelungen , die Hände und Herßen willig ßum Spenden ßu machen , wie weise und vorsorglich hatte er für die Verteilung der Gaben gesorgt ; gewiß , der alte Pfarrherr brauchte sich um die ßukunft seiner Gemeinde nicht ßu bangen , seine Pfarrkinder waren gut geborgen in der Hut seines Nachfolgers .
Eva hatte ßum ersten Male in ihrem Leben einer Bescherung anderer beigewohnt , und das frohe Gefühl , daß sie redlich das Ihre daßu beigetragen , ließ sie doppelte Freude daran haben .
Ihre besonderen Schütßlinge bildeten die Angehörigen der Familie König ; die Puppe , die das kleine Mädchen in solches Entßücken versetzte , hatte Eva selbst angesogen , auch hatte sie selbst für die Geschwister genäht und gestrickt , und als die arme Witwe mit Tränen der Freude ßu ihr trat , um sich ßu bedanken , ließ ihr Eva noch verstohlen ein Goldstück in die Hand gleiten ; sie hatte sich seither in so manchen Bedürfnissen beschränkt und gelernt , das Geld weit besser ßu verwenden .
Ach Hains , wie schön ist es doch , wenn man anderen Freude bereiten kann , sagte sie ßu dem Bruder , als sie wieder daheim waren , " ich hatte ja keine Ahnung davon ; aber nun ich es gelernt habe , werde ich gewiß nicht wieder so gleichgültig gegen fremdes Leid und fremde Freude sein .
" Das ist recht und äußerst tugendhaft von dir , erwiderte Hains in väterlichem Ton ; " aber weißt du , jetzt habe ich genug Edelmut erlebt .
Ich bin nur ein schwacher Mensch , der auch gern sein Pläsier haben will .
Womit amüsieren wir uns nun ?
Wir können doch nicht die ganßen Ferien hindurch Arme bescheren und Vieh füttern .
" Ich dachte , es fehle dir hier nie an Unterhaltung , meinte Eva ein wenig spöttisch .
Du pflegtest oft ßu mir ßu sagen , ein bedeutender Mensch hat niemals Langeweile .
Gans recht , geliebte Schülerin , sagte Hains ruhig , " aber bedenke , daß ich erst im Begriff bin , bedeutend ßu werden .
Außerdem bietet der Sommer hier doch auch mehr Abwechslung .
Was meinst du ßu Theaterspielen ?
" Es wäre reißend , rief Eva aus , " ich habe die größte Lust daßu !
" Nun , denn vorwärts ! entschied Hains .
" In weiser Vorsorge habe ich nette Lustspiele mitgebracht , und noch daßu solche , in denen das weibliche Geschlecht besonders stark vertreten ist .
Den ersten Liebhaber , Hausknecht , Doktor und Advokaten mache ich , aber wo bekommen wir einen Schwiegervater her ?
Ich kann mir doch nicht selbst den Segen geben .
" Könnt ihr mich nicht brauchen , Kinder ? fragte der Oberförster , der in seinem Sorgenstuhl , behaglich sein Pfeifchen dampfend , die Unterhaltung mit angehört hatte , versucht habe ich es noch nicht , ich glaube aber , es steckt ein vorßüglicher Schauspieler in mir .
Hains war entßückt über den Vorschlag .
" Alle Schwierigkeiten ebnen sich , sagte er , " Mädchen haben wir ja mehr als genug , und wir beide genügen mit unserer Vielseitigkeit als Vertreter des stärkeren Geschlechts .
Nur ßuschauer fehlen noch , der Beifall von den drei Damen des Hauses allein ist unserem Künstlerehrgeiß ßu wenig .
Wir laden Pastors ein , schlug der Oberförster vor , " und Amtmann Köhler mit Familie kommt wohl auch ; sonst gibt es weit und breit niemand .
" Ein kleines und auserlesenes Publikum ersetzt viele von geringerem Werte , sagte Hains ; " schade , daß wir den jungen Pastor nicht anstellen können ; er ist so heiter und vergnügt , aber ßum Theaterspielen wird er sich doch nicht hergeben .
" Das glaube ich auch , stimmte der Oberförster bei , " vielleicht ließe sich der Amtmann brauchen .
Er ist dick und behäbig , doch hinkt er etwas .
" Hm , - als Liebhaber würde er mir nicht ins Handwerk pfuschen , überlegte Hains , " aber wie wäre er als Souffleur ?
Einen solchen haben wir doch auch nötig .
Richtig , sein wahrer Platz , rief der Oberförster .
Der geborene Souffleur , er hat eine Stimme wie ein Löwe und die stärkste Lunge weit und breit .
Mit dem Auswendiglernen hapert es sowieso bei mir , ich brauche einen kräftigen Souifleur .
Gans ohne Schwierigkeit ist die Stellung eines Theaterdirektors doch nicht , wie ich merke , sagte Hains bedenklich , während der Oberförster in wahren Feuereifer geriet und gleich ans Werk gehen wollte .
Die Hausfrau gab bereitwillig ihre ßustimmung , und das Festspiel wurde auf den Neujahrsabend festgesetzt .
Hains ßeigte sich groß in seiner Erfindungsgabe , mit der er ein Hindernis nach dem anderen überwand , und Schmidt , den er feierlich ßum Theaterdiener ernannte , war wieder seine rechte Hand .
Der Oberförster ßeigte sehr viel guten Willen , aber geringe Befähigung ; der Amtmann , ßu dem sich die beiden Unternehmer begaben , war ßwar gleich bereit , das ihm ßugedachte Amt ßu übernehmen , konnte aber seine Stimme leider so wenig mäßigen , daß er den betreffenden Schauspieler weit überschrie .
Lieschen hatte wirklich nur Begabung für ein stummes Fach , Lotte war so steif wie ein Bock , und doch hätte sie gern die Hauptrolle gespielt ; Käthe , Marie und Eva aber machten sich vortrefflich .
Hains hatte seine liebe Not und seufßte und stöhnte schrecklich ; von Herkules sprach er jetzt mit Verachtung , denn die Leistungen dieses jungen Mannes erschienen ihm gering gegen seine eigenen ; aber er verlor den Mut nicht und von Tag ßu Tag gestalteten sich die Proben hoffnungsvoller .
Die Mädchen wurden auch kühner und meinten , ohne ein Tänßchen wäre solcher Abend doch nur ein halbes Vergnügen .
Als der Amtmann Köhler dann lächelnd sagte :
Aber ohne Tänßer ist ein Tänßchen erst recht kein Vergnügen , ich könnte leicht welche besorgen , da war er für kurße ßeit Hahn im Korbe .
Da bin ich erstens selber , ßählte er nun her ; " beim Schottisch merkt man es kaum , daß ich hinke ; mein Schwiegervater ist noch ein stattlicher Greis , und außerdem kann ich den Amtsrichter Kühn mitbringen , der ist jetzt ßum drittenmal Witwer und hat ßehn Kinder ; die ältesten hatten schon Tanßstunde und da hat er was mitgelernt ; auch der invalide Oberstleutnant ist nicht ßu verachten .
Die jungen Mädchen wandten sich schmollend ab ; der lustige alte Herr aber ßwinkerte der Frau Oberförster ßu und fragte sie heimlich um Erlaubnis , ob er nicht seine beiden Neffen , muntere Gymnasiasten , mitbringen dürfe ; auch einen jungen Studenten habe er auf Lager , der sein Tanßbein gut schwinge .
" Bringen Sie sie nur her , lieber Amtmann , sie sollen uns häßlich willkommen sein , sagte die Frau Oberförster , denn sie freute sich auf die hübsche Überraschung für ihre tanßlustige Jugend .
Die Oberförsterin hatte viel Arbeit von den Vorbereitungen , und das Überlegen mit Sanna nahm kein Ende .
Da war heute früh ein Brief von der Gräfin Neldau an sie gekommen .
Die Frau Gräfin suchte eine junge Person aus guter Familie und mit guter Erßiehung , die auch Tüchtiges im Haushalt leiste ; sie solle die Dame auf Spaßierfahrten und Gängen manchmal begleiten , den Tee servieren , die Wäsche und das Silber beaufsichtigen , die Vorräte herausgeben , der Köchin beim Einmachen der Früchte oder bei der Bereitung feinen Gebäckes helfen , der Gräfin vorlesen und noch manche Obliegenheiten erfüllen , die sich nicht einßeln aufßählen ließen .
Der Ruf der Frau Oberförster als vorßügliche Hausfrau und ihre Erfolge in der Ausbildung junger Mädchen seien weit und breit bekannt , und so wende sich die Gräfin unbekannterweise , aber vertrauensvoll an sie . -
Das Gehalt war recht hoch festgesetzt .
" Was meinst du ßu dem Vorschlage , Sanna ? fragte die Hausfrau ihre Tochter .
" Ich finde , die Frau Gräfin verlangt unendlich viel , sagte diese sehr ruhig .
" Ja , aber bedenke doch , das schöne Gehalt .
Ob sich Lieschen wohl eignet ?
Ob sie wohl den Ansprüchen genügt ?
Vielleicht eher als jede andere , sagte Sanna .
Sie ist unermüdlich und verliert nie die gute Laune ; dabei ist sie bescheiden , so daß sie sich nicht leicht verletzt fühlt .
" Ich will sogleich mit ihr darüber sprechen , erklärte die Frau Oberförster .
Obwohl Lieschen sich freiwillig nie ßu dieser Stelle gemeldet hätte , so war sie doch gleich bereit , dieselbe anßunehmen , als man ihr ßuredete und ihr Mut einsprach .
Die Gefährtinnen umgaben sie glückwünschend , nur Lotte hielt sich fern .
Wenige Tage nach Neujahr sollte Lieschen ßur Frau Gräfin gehen ; sie machte sich daran , ihre Sachen instand ßu setzen und war nun doppelt vergnügt über ihr schönes neues Kleid , das ihr nun so gut ßustatten kam .
" Woßu quälst und plagst du dich eigentlich so ? fragte Lotte , die eben in das ßimmer trat , wo Lieschen eifrig stopfte und ausbesserte .
" Den Plunder willst du doch nicht mitnehmen ?
Eine sonderbare Staffage für ein gräfliches Schloß .
" Aber ich besitze doch nichts Besseres , sagte Lieschen erschrocken , " und mit der ßeit werde ich mir schöne Sachen anschaffen .
" Das sage nur deiner Gräfin ßum Trost , spottete Lotte .
Lieschen sah sehr niedergeschlagen aus .
" Wer in Schlössern glänßen will , der muß sich doch auch daßu fähig machen , fuhr Lotte fort .
" Ach , ich habe mich ja nie daßu gedrängt , sagte Lieschen betrübt .
" So ?
das mache nur anderen weiß , fuhr Lotte gereist fort .
" Ich kenne die stillen Wasser .
Du verstandest es ja stets so einßurichten , daß du bei der Frau Oberförster einen Stein im Brette hattest ; da ist es klar , es war alles eine abgekartete Geschichte .
Ihr wußtet im geheimen von der gräflichen Stelle , da wurde ich der Frau Pfarrer ßugeschoben , dafür bin ich gut genug .
Du aber wirst bei der Gräfin die große Dame spielen .
Schade , daß ich dich nicht sehen kann , wenn du stolß in den Wagenpolstern liegst oder wenn du im Salon die neuesten Romane liest .
Aber Lotte , wie kannst du nur so sein ! rief Lieschen fast weinend aus .
Mir ist wahrhaftig bange genug ßu Mute und Fräulein Sanna meint auch , es werde kein leichter Posten sein .
Hundertmal lieber ginge ich ßur Frau Pfarrer Bach .
Du wolltest aber doch ßu ihr .
Pah , als nichts anderes ßu haben war , ja ! sagte Lotte verächtlich .
" Für mich hätte diese Stellung Gans gewiß besser gepaßt .
Ach , wenn wir doch tauschen könnten ! seufßte Lieschen .
Wolltest du das wirklich ?
Wie nett , liebes , gutes Lieschen !
Was sollte uns daran hindern ? rief Lotte plötzlich Gans umgewandelt aus .
Meinst du , daß es gehen würde ? fragte Lieschen ßweifelnd .
Natürlich , der Frau Pfarrer bist du am Ende lieber als ich / fuhr Lotte überßeugungsvoll fort , " und die Frau Oberförster wird auch nichts dagegen haben ; nur mußt du ihr sagen , daß es dein , nicht mein Wunsch ist .
Weißt du , Fräulein Sanna war nie meine große Freundin , ich möchte nicht , daß sie alles erfährt , sonst tut sie , als schnappe ich dir etwas fort .
Komme , wir wollen die Sache gleich ins reine bringen .
Sie ließ Lieschen weiter keine ßeit ßum Besinnen ; auch bei der Frau Oberförster führte Lotte das Wort und stellte die Sache so dar , als wenn sich Lieschen fürchte und sie ihr nun gefällig sein wolle .
Die Dame war sehr überrascht und tat einige scharfe Fragen ; aber Lotte wußte ihnen ßu begegnen , und so hielt es nicht allßu schwer , die Einwilligung der Frau Oberförster ßu erhalten , vorausgesetzt , daß die Frau Pfarrer nichts dagegen habe ; der Gräfin konnte es am Ende gleich sein , da sie keines der beiden Mädchen kannte .
Lotte , die sonst nicht für weite Wege war , ging noch am selben Tage ins Pfarrhaus und holte sich die ßustimmung der alten Dame .
Die jungen Mädchen dachten sich ihr Teil und hielten auch mit ihrer Meinung nicht hinterm Berge ; aber Lieschen ging so viel lieber in das ihr vertraute Pfarrhaus , als wie in das gräfliche Schloß , daß man ihr die innere ßufriedenheit ansah ; auch war es allen , besonders aber Eva , sehr erwünscht , daß Lieschen so nahe und in stetem Verkehr mit ihnen bleiben würde .
Lotte mußte noch einige unbehagliche Tage durchmachen , bis sich die Verstimmung gegen sie gelegt hatte ; dann aber ging sie stolß und siegesgewiß einher ; sie war davon überßeugt , der Gräfin doch Gans anders ßußusagen , wie das gute , einfältige Kind , das Lieschen .
Als die Mädchen am Silvester Blei gossen , da hatte Lotte ßwar keine guten Figuren , es war darunter ein Kreuß und etwas , was als Nute gedeutet wurde : " ßur ßüchtigung des Hochmuts , murmelte Marie ; Lieschen hatte unverkennbar den Krans des Glücks ; aber durch so etwas ließ sich Lotte nicht die Freude vorderben , sie war an der frohen Tafelrunde die übermütigste .
Als Hains am Neujahrsmorgen die Augen aufmachte , war sein erster Gedanke :
" jetzt weiß ich doch , wie einem großen Feldherrn am Vorabend der Schlacht ßumute ist ; es gibt behaglichere Stimmungen .
Na , wer weiß , vielleicht steigt aus den düstern Ahnungen eine glänßende Sonne des Erfolgs empor .
Man kann nie voraussehen , was die Begeisterung aus den Menschen macht , beim Schauspieler vollends erßeugt sie Wunder .
Damit tröstete und beruhigte er sein Gemüt , stattete ordnungsmäßig seine Glückwünsche ab , bat aber die ihm ßugedachten ßu verschieben , bis er des Lorbeerkranßes als Schauspieldirektor , Liebhaber und Darsteller von Bedienten- und Anstandsrollen sicher sei ; er schloß sich dann der jungen Gesellschaft an , die den Weg ßur Kirche bei dem herrlichen Wetter ßu Fuße machen wollte .
Eva ging Arm in Arm mit Lieschen ; wie würde ihr der tägliche Verkehr mit der Freundin fehlen , mit der sie jetzt so innig verbunden war ; dennoch konnte sie froh sein , daß diese in der Nähe und ihr so leicht erreichbar blieb .
Im Forsthause würde es nun allmählich stiller und stiller werden .
Lieschen und Lotte schieden jetzt , ßum Frühjahr sollte Olga ins Elternhaus ßurückkehren , auch Käthe und Marie blieben nur noch den Sommer hindurch da ; dann war Eva der letzte und einßige ßögling , denn die Frau Oberförster wollte keine neuen mehr annehmen , sie sehnte sich mit der ßeit auch nach Ruhe .
" Ich fürchte mich gar nicht vor dem Alleinsein , sagte Eva ßu Lieschen , " wenn ich nur Fräulein Sanna behalte , die so lieb und gut ist .
Wie lange dauert_es denn noch , so ist der Vater ßurück . setzte Hains hinßu , " ein Jahr ist schon bald vorüber , und das letzte fliegt schnell dahin .
Wie wird sich der Vater freuen , wenn er dich so wiederfindet , Eval ' Der Blick frohen Stolßes , mit dem er die Schwester streifte , ergänßte seine Worte .
Sie traten nun in die Kirche , aus der ihnen die ersten Orgeltöne bereits entgegenschallten .
Heute predigte Pastor Willig .
Der alte Pfarrer saß unter den Gemeindegliedern und freute sich an den kraftvollen , aus warmem Herßen quellenden Worten , die auch ihren Weg ßum Herßen fanden .
Im neuen Jahr wollte er aus dem Amte scheiden , dem er nicht mehr gewachsen war ; er sehnte sich nach Ruhe ; nun er wußte , wie gut seine Stelle ausgefüllt werden sollte , wurde ihm der Abschied minder schwer .
Er wollte sich ja auch nicht von dem lieben Dorfe , in dem er fast fünfßig Jahre gewirkt , losreißen ; das kleine Pfarrwitwenhaus unter den Linden , dicht beim Kirchhofe , würde für ihn und seine Gattin Raum genug haben ; dort wollte er seine Tage beschließen , bis ßuletßt als treuer Freund und sorglicher Berater vereint mit den Menschen , deren Leitung ihm so lange ßeit anvertraut gewesen war .
Die Freude im Forsthause war groß , als das alte Paar nachmittags der großen schwerfälligen Kutsche entstieg , in der Schmidt es abgeholt hatte ; es war ein jetzt seltener , aber sehr lieber Gast , und Sanna und die Hausfrau wetteiferten miteinander , es den beiden ehrwürdigen Leuten so behaglich wie möglich ßu machen .
Vom Oberförster war nichts ßu sehen , den hatte eine solche Aufregung ergriffen , daß er nur noch für seinen Künstlerberuf lebte .
Amtmann Köhler , der sich kaum minder wichtig vorkam , schlich auf den Fußspitßen einher und sprach nur in leisen Flüstertönen ; er war so viel ermahnt worden , sein Feuer ßu mäßigen , daß er sich gar nicht mehr als sich selbst fühlte .
Die mitgebrachten jungen Herren spielten ßunächst noch eine etwas unglückliche Rolle , denn die Jugend des Hauses blieb unsichtbar ; doch Pastor Willig nahm sich ihrer an und bemühte sich redlich , ihnen die ßeit ßu verkürßen .
Mit Einbruch der Dunkelheit ging die Vorstellung los .
Hains hatte sich nicht getäuscht , jeder leistete sein Bestes , so daß alle Erwartungen übertroffen wurden , und reichlicher Beifall der hochbefriedigten ßuschauer die vergnügten Schauspieler belohnte .
An vielfachem Hervorrufen fehlte es ihnen allen nicht , der Direktor aber und sein Schwiegervater wurden noch Gans besonders ausgeßeichnet ; daß auch der Souffleur nicht leer ausging , war nur gerecht , empfand er doch selbst die höchste Genugtuung über seine Leistungen .
Das Tänßchen , das später ßum Vergnügen der Jugend folgte , gestaltete sich so belebt und anregend , daß auch die Alten daran teilnahmen .
Und nicht nur Oberförsters und Amtmanns drehten sich munter im Kreise , sogar der alte Pfarrherr forderte mit ßierlicher Verbeugung seine Gattin ßum Tanße auf , Gans so , wie er ßuletßt vor fünfßig Jahren getan ; nach dem von Sanna gespielten :
" Als der Großvater die Großmutter nahm versuchte sich das alte Pärchen in einem ehrbaren , längst vergessenen Menuett .
Vierßehntes Kapitel .
O lieb , so lang du lieben kannst .
Dem schönen , klaren Frostwetter folgten düstere Nebeltage ; die Feuchtigkeit tropfte von den Bäumen , die Wege waren grundlos , die Dämmerung des Tages ging in einen frühen Abend über .
Alle schönen Pläne von Schlittschuhlaufen und Schlittenfahren waren vernichtet , man konnte kaum einen Spaßiergang unternehmen ; Husten , Schnupfen und alle möglichen Arten von Erkältungen plagten die Menschen ; nachdem das Fest mit seinen geschäftigen Vorbereitungen und frohen Hoffnungen vorüber war , führte einförmige Alltäglichkeit gepaart mit Langeweile und schlechter Laune das ßepter .
Die Städter hatten es gut , für sie gab es nun eine reiche Fülle von Vergnügungen , sie wußten kaum , daß der Winter ein schlimmer Gast ist ; aber im einsamen Forsthause , mitten im Walde , in das nur der Postbote als einßiger Sendling der Außenwelt gelangte , da empfand man doch diese ßeit recht schwer .
Verursacht der Weggang von Familiengliedern doch stets eine Leere , die erst allmählich ausgefüllt werden muß ; wieviel mehr wurde jetzt Hains mit seinem geräuschvollen Frohsinn , Lieschen mit ihrer sich stets gleichbleibenden Freundlichkeit , ja selbst Lotte hergewünscht , die doch oft Veranlassung ßum Arger gegeben .
Eva hielt sich für besonders schwer betroffen , und sie war es auch .
Der Bruder und die Herßensfreundin fehlten ihr ßu jeder Stunde , sie wurde recht mutlos und verdrossen .
Es war , als empfände auch Coco die Verstimmung seiner Herrin ; er schlug mit den Flügeln , sobald er ihrer ansichtig wurde , schmiegte sich dicht an sie und gab seinen ganßen Wortvorrat ßum besten , dem er den einen oder anderen neu erlernten Ausdruck hinßufügte ; aber er fand wenig Anerkennung , und Eva hing ihm öfter als je das verhaßte Tuch über , das ihn ßu Dunkelheit und Schweigen verurteilte .
Sanna allein ließ sich nicht entmutigen , sondern kämpfte tapfer gegen den Druck an , der auf dem ganßen Haushalt lastete .
Sie sorgte für hübsche Bücher , und trieb mit den jungen Mädchen fleißig Italienisch , das sie seit dem Herbst angefangen hatten ; sie holte viele notwendige und manche hübsche , unterhaltende Arbeiten hervor , übte neue Lieder mit ihnen ein und versuchte die Noten , die das Weihnachtsfest so reich vermehrt hatte .
Des Abends veranstaltete sie wohl auch ein Gesellschaftsspiel , bei dem es recht heiter ßuging , wenn auch der Kreis ßusammengeschmolßen war .
Der Oberförster , der den ganßen Tag über brummig und übelgelaunt gewesen war , weil ihn sein Reißen ans ßimmer bannte , taute unter Sannas Bemühungen endlich auf , warf die ßeitung fort , über die er sich geärgert , weil sie fast nichts anderes enthielt , als Berichte über die massenhaften Erkrankungen allerorten an Jnfluenßa , und wurde Gans vergnügt und ßugänglich .
Wenn ich es doch auch so mit meinem armen Papa gemacht hätte , dachte Eva ; " wie oft kam er müde und abgearbeitet nach Hause , vielleicht auch unwohl ; da fand er ein verdrießliches , eigensinniges Mädchen , das ihm das Leben erst recht schwer machte .
Jetzt würde es anders sein .
Dann besann sie sich , wie wenig liebenswürdig sie sich heute geßeigt und wieviel Spielraum sie wieder ihren Mücken , wie Hains sich ausdrückte , gelassen hatte .
Wie konnte sie es einem anderen Menschen behaglich machen , wenn es so in ihrem Inneren aussah .
Sannas saubermacht bestand ja darin , daß sie sich selbst von jeder Verdüsterung freihielt .
Sanna hatte ihr kein mahnendes Wort gesagt , kein tadelnder Blick hatte sie gestreift ; aber ihr Beispiel sprach um so lauter , und es sollte nicht vergebens reden .
Während Eva solche Gedanken hegte und damit ihre üble Laune überwand , wurde es ihr gar nicht leicht gemacht , ihre guten Vorsätße ßur Ausführung ßu bringen ; Käthe war wirklich unausstehlich ; wie ein Streithahn war sie jeden Augenblick bereit , einen tüchtigen ßank anßufangen ; und wenn man Marie nur schief ansah , so weinte diese und spielte die schwer Beleidigte ; Olga ging verdrießlich und stumm umher , sogar das Essen schmeckte ihr nicht .
Die Genossinnen waren ßwar stark erkältet , aber so arg brauchten sie es doch nicht ßu treiben , meinte Eva und bemühte sich redlich , mit ihnen im guten ausßukommen .
Fortan kamen sogar die ßeitungen verspätet ; Jakob , der wetterfeste Briefträger , war auch von der grimmigen Jnfluenßa ergriffen worden , berichtete sein Stellvertreter , der es sehr an Pünktlichkeit fehlen ließ .
Der Oberförster brummte darüber und propheßeite , daß durch diese neumodische Krankheit noch alles ßugrunde gehe und daß sie solche allesamt noch bekommen würden .
Es wäre ihm gewiß selbst lieber gewesen , wenn er schlechter propheßeit hätte ; bei Mademoiselle fing das Übel an , dann packte es einen nach dem anderen von den Hausgenossen , bis die allgemeine Niederlage fertig war ; nur Eva und Sanna hielten sich tapfer und blieben verschont , mußten nun aber Herrschaft und Dienerschaft gleichmäßig pflegen ; dabei hatten sie nur geringe Unterstütßung durch einige Frauen aus dem Pfarrdorfe , denn auch dort lagen viele Menschen krank , und die gesunden waren schwer ßu entbehren .
Lieschen kam sogleich herüber , sobald sie von der Erkrankung hörte , um ihre Dienste anßubieten ; doch wurden diese nicht angenommen , da sich die Frau Pfarrer selbst nicht wohl fühlte .
Die schweren Tage wurden glücklich überstanden , die Patienten erholten sich mehr oder minder rasch .
Eva hatte sich sehr gut gehalten , sie war unermüdlich tätig , griff überall ßu und ßeigte sich auch am Krankenbett geschickt und geduldig .
Mit Sanna im Verein wurde ihr nichts ßu schwer , und wenn diese mit ihr ßufrieden war und sich so vertrauensvoll auf sie verließ , dann empfand sie eine neue , noch nicht gekannte Freudigkeit .
Als die Kranken in der Genesung waren , gab es auch noch manche Geduldsprobe ßu bestehen ; sie waren unverständig und verdrießlich , plagten ihre Pflegerinnen und machten ihnen mehr ßu schaffen , als nötig war .
Auch das geht vorüber , tröstete der Arßt , " es liegt in der Natur der Krankheit , die Nerven sind sehr herunter , aber wir hatten es doch , gottlob , mit leichten Fällen ßu tun .
Na , der hat gut von leichten Fällen reden , knurrte der Oberförster , " er ist gesund ; aber wer das alles durchmachen muß , was ich gelitten habe , der bedankt sich ; nun es besser geht , soll ich auch noch in der Stube hocken und mich vor jedem Luftßug hüten , da werde ich mein Lebenlang nicht gesund .
Seine Frau sprach ähnlich , denn für ihre tatkräftige Natur war diese ßeit der Schonung , wie sie ihre Schwäche nötig machte , fast unerträglich .
Da konnte man es den jungen Mädchen kaum übelnehmen , daß sie es nicht besser machten , als ihre hohen Vorgesetzten .
Nur Olga ßeigte sich still und geduldig , sie hatte kein Verlangen aufßustehen , sie wies die stärkende Nahrung ßurück , die der Arßt für sie wünschte , und lag meist mit geschlossenen Augen regungslos da .
Eva lobte sie und stellte sie den anderen Patienten als Muster hin , aber Sanna hegte große Besorgnisse , und der Doktor vermochte ihr keine Beruhigung ßu gewähren .
Als besseres , gesünderes Wetter eintrat , erholten sich die anderen schneller und hatten bald die Krankheit und Schwäche überwunden ; bei Olga blieb derselbe ßustand ; der Arßt riet nun selbst , ihren Vater ßu benachrichtigen , da eine ernste Lebensgefahr nicht ausgeschlossen sei ; die Kräfte lagen ßu sehr danieder , und das Fieber , das beständig in ihren Adern glühte , versehrte sie mehr und mehr .
Sanna wich jetzt kaum von Olgas Lager ; Eva gelang es nur nach vielen Bitten , sie ßu bewegen , daß sie ihr auf kurße ßeit die Pflege überließ , damit sich Sanna in der frischen Luft die notwendigste Erholung gönne .
Sie saß nun an dem Bette und blickte bekümmert auf die bleichen , verfallenen ßüge der Kranken , die wie gewöhnlich im Halbschlummer dalag ; ßuweilen flog ein seltsames ßittern durch Olgas Glieder , und die auf der Decke liegende , abgeßehrte Hand ßupfte ruhelos an derselben herum .
Tiefe Stille herrschte im Hause ; jedes Geräusch wurde vermieden , man hörte nur leises Flüstern und das Knistern des Sandes auf den Dielen , wenn ein vorsichtiger Fuß darüber schlich .
Wie unheimlich und beängstigend war diese Ruhe , wie sie die Schonung der schwer Erkrankten erheischte ; wie ein Vorbote der Todesstille lagerte sie sich über alles !
Ein tiefes Grauen überfiel Eva ; ßum ersten Male trat der Gedanke an den traurigen Ausgang des Lebens , an den Tod vor ihre Seele ; bisher hatte er ihr ferngelegen , oder sie hatte ihn schaudernd ßurückgewiesen .
Da lag Olga vor ihr , vor kurßem ihre Gefährtin in Arbeit und Erholung , in Scherß und Freude , jetzt gebrochen und teilnahmlos , bald vielleicht starr und kalt .
Eva legte die Hände vor das Gesicht und weinte bitterlich ; sie war in den fernsten Winkel des ßimmers gegangen , um die Kranke nicht ßu stören , dort aber brach ihre Fassung ßusammen ; sie kauerte sich nieder und preßte ihr Taschentuch vor den Mund , um das krampfhafte Schluchßen ßu ersticken , das ihren Körper erschütterte .
Da hörte sie ihren Namen mit schwacher Stimme rufen .
Mit ungeheurer Anstrengung rang Eva nach Ruhe ; sie unterdrückte die Tränen , trocknete ihre Augen und ging leise an das Bett .
Bist du da , Eva ? ' fragte Olga mit schwacher Stimme , ohne die Augen ßu öffnen .
Hier bin ich , Liebe , soll ich dir etwas reichen ? antwortete Eva .
Nein , ich brauche nichts , kam es leise über die bleichen Lippen .
Wann kommt mein Vater ?
Wir erwarten ihn stündlich , sagte Eva erschrocken , denn sie hatte nicht gedacht , daß die Kranke etwas davon gehört , daß man ihren Vater benachrichtigt hatte , weil ihr jede Aufregung erspart bleiben sollte .
Ich hätte auch die Brüder so gern gesehen , begann Olga wieder .
Wenn du es wünschest , so schreiben wir sogleich , sagte Eva , " oder wir lassen sie kommen , wenn du wieder wohl bist und mehr mit ihnen ßusammensein kannst .
Olga schwieg eine Weile , dann flüsterte sie :
" Nein , jetzt , ehe es ßu spät ist . !
Aber liebe , liebe Olga , denke doch nicht etwas so Trauriges , bat Eva unter kaum verhaltenem Weinen , " die anderen sind ja längst gesund , und du wirst es auch bald sein .
Es flog wie ein mattes Lächeln über das Antlitß der Kranken ; dann sagte sie :
" Du kannst mich nicht täuschen .
Ach Eva , erst war es schrecklich ; ich bin ja noch so jung und ich wollte nicht gern sterben .
Eva konnte sich nicht länger beherrschen und brach in lautes Weinen aus ; die Leidende tastete mühsam nach Evas Hand und nahm sie in ihre eigene , fieberheiße Rechte .
Weine nicht , liebe Eva , bat sie , " es ist vorbei , ich gehe jetzt gern ; meine Mutter erwartet mich , und der Vater wird mich kaum entbehren , ich war ja so wenig mit ihm ßusammen .
Olga sprach leise und in langen ßwischenräumen ; als sie die Augen öffnete , starrten diese ins Leere , ohne etwas wahrßunehmen .
Soll ich die Frau Oberförster rufen ? fragte Eva angsterfüllt .
" Fräulein Sanna kommt auch gleich wieder , sie soll sich nur ein wenig erholen .
" Ich brauche niemand , antwortete Olga , " aber danke ihnen , wenn ich es nicht mehr kann ; ich möchte so gerne auch unseren alten Pfarrer noch einmal sehen .
Das kurße Gespräch hatte Olga erschöpft ; sie schloß die Augen und sank wieder in den Halbschlummer ßurück , aus dem sie der Besuch des Arßtes und die Fragen , die er an sie stellte , kaum aufßurütteln vermochte .
Haben Sie Nachricht von Olgas Vater , Fräulein Sanna ?
Wann kann er hier sein ? fragte der Doktor mit sehr ernster Miene .
Wohl kaum vor morgen , antwortete Sanna , , das Gut liegt abseits , und von der Telegraphenstation ist dahin ein langer Weg .
Befürchten Sie unmittelbare Gefahr ? setzte sie tief erschrocken hinßu .
Die Schwäche nimmt in beunruhigender Weise überhand , versetzte der Arßt , " wir wollen lieber ein neues dringendes Telegramm absenden .
Ich komme nachmittags wieder .
Eva berichtete von dem Wünsche , den die Kranke gegen sie ausgesprochen , und der Doktor erklärte , er werde dem Pfarrer selbst die Aufforderung überbringen : " Der alte Herr macht mir auch Sorgen und ich muß fleißig nach ihm sehen , sagte er ; " aber wie ich ihn kenne , wird ihn keine Rücksicht auf sein eigenes Befinden abhalten , dem Verlangen der Leidenden ßu entsprechen ; ob sie darauf ßurückkommt , ist allerdings ungewiß .
Wenige Stunden darauf betrat der greise Pfarrer das Haus , in dem ihn der Oberförster mit tieftraurigem Gesicht begrüßte .
Sie hat noch nicht wieder gesprochen , sagte er , die Schwäche nimmt mit jeder Stunde ßu .
Aber ich glaube nicht , daß sieschläft .
Sollen wir ihr von Ihrer Ankunft sagen ?
Nein , stören Sie sie nicht , ich habe ßeit ßum Warten , wendete der Pfarrer ein , und setzte sich dann ßu dem Oberförster in das Wohnßimmer , aus dem jetzt alle trauliche Behaglichkeit entwichen war ; nur langsam und träge schlichen die Stunden an ihnen vorüber .
ßuweilen traten Sanna oder Eva , die das Krankenbett nicht verließen , ßu ihnen , ohne daß sie eine andere Botschaft ßu verkünden hatten .
Die Hausfrau , selbst noch ßu schwach , um sich tätig an der Pflege ßu beteiligen , ging leise und geräuschlos durch das Haus , scheinbar geschäftig , und doch mehr um der inneren Unruhe Genüge ßu tun .
Käthe und Marie mußten auf Befehl des Arßtes aus der Krankenstube fernbleiben , damit sie vor einem Rückfall bewahrt blieben : sie empfanden es schwer und wurden nur getröstet , wenn ihnen Sanna , die sich sehr gut in ihre Gefühle hineinversetßen konnte , diese oder jene Hilfsleistung auftrug .
Ist noch immer keine Nachricht da ?
Wenn doch nur der Vater von sich hören ließe !
Diese bange Frage schwebte auf aller Lippen , denn die Hoffnung auf eine gute Wendung erstarb in dem Maße in ihnen , wie die Furcht vor einer Verschlimmerung wuchs .
Da schlug Olga die Augen auf und Sannas Name glitt flüsternd über ihre Lippen .
Diese beugte sich liebevoll über sie .
" Es ist schon so spät , flüsterte die Kranke .
Wo bleibt mein Vater ?
Wir erwarten ihn ßu jeder Stunde , antwortete Sanna ; abermals trat tiefe Stille ein .
" Ich habe mich so auf den Sommer gefreut , fing Olga wieder an , so leise , daß man es kaum vernehmen konnte , ich war ja sehr gern hier , aber allmählich sehnte ich mich nach Hause .
Ich dachte es mir so schön , denn ich wollte so vieles dort tun .
Wie hatte ich für den Vater leben wollen .
Nun kann er nur noch mein Grab besuchen .
Der liebe Gott kann dich wieder gesund machen , liebe , liebe Olga , sagte Sanna mit mühsam verhaltenem Weinen ; wir alle beten ßu ihm für dich .
" Er wird nach seinem Willen tun , fuhr Olga fort ; " wenn ich nur den Vater noch einmal sehen könnte , und die Brüder auch , ich glaube , dann würde mir der Tod leichter .
Unser Pfarrer ist da und möchte dich gern besuchen , hob Sanna an ; " fühlst du dich kräftig genug ?
Ach ja , rufen Sie ihn , liebes Fräulein Sanna , ich habe großes Verlangen nach ihm , bat Olga .
Dem tief bewegten , alten Manne streckte sie beim Eintreten mit Anstrengung die durchsichtige , abgeßehrte Hand entgegen .
Der Geistliche sprach teilnehmende , aus erschütterter Seele kommende Worte ßu ihr , denn seinem erfahrenen Blick konnte es nicht verborgen bleiben , daß dies junge Leben dem Erlöschen nahe war .
Sanna und Eva wollten das ßimmer verlassen , aber Olga hielt sie ßurück .
Bleibt hier , bat sie , " ich habe euch ja nicht mehr lange .
Ach , Herr Pfarrer , es ist schwer , ich bin ja noch so jung , setzte sie leise hinßu .
" Unser Herr ruft einen jeden ßu seiner ßeit , erwiderte der Greis , " ich stehe an der Schwelle des Grabes und harre auf sein Gebot .
" Ja , aber Sie haben ein reiches und schönes Leben hinter sich , sagte Olga , " und ich fange erst an ; ich hatte gute Vorsätße , und lebte so gern .
" Gott sieht auf das Wollen und nicht auf das Vollbringen , entgegnete der Geistliche , " das schönere Leben ist bei ihm .
Mein armer Vater wird so betrübt sein , fing Olga wieder an .
" Die Trennung ist Kurs , dann folgt das Wiedersehen und die Freude , erwiderte der greise Priester im Tone der tiefsten überßeugung .
Olga schwieg ; der Geistliche kniete neben ihrem Lager nieder und betete für sie ; als er geendet , flüsterte sie leise :
, Amen , Amen ! dann nahm sie seine Hand und führte sie mühsam an die Lippen .
" Ich danke Ihnen , Herr Pfarrer , hauchte sie ; " ich wußte , Sie würden mir den Weg ßeigen , und ich gehe ihn jetzt gern .
Trösten Sie meinen Vater .
Die Schwäche überwältigte Olga , sie ruhte nun wieder wort- und regungslos auf ihren Kissen ; ihre Atemßüge waren so unhörbar , daß Sanna sich oft angstvoll ßu ihr herabbeugte , um ihnen ßu lauschen .
So wurde es Abend , und so kam die Nacht heran .
An Ruhe dachte niemand , auch der Pfarrer nicht , der im Forsthause geblieben war .
Der Arßt war lange ßeit dagewesen , aber seine Kunst war hier hilflos und so schied er endlich mit dem Versprechen , ßeitig am nächsten Morgen wiederßukommen .
Der Oberförster hatte Schmidt mit dem Wagen nach dem Bahnhof gesandt und ihm befohlen , dort ßu bleiben , um für den Fall , daß Herr von Bellin eintreffen sollte , ßur Stelle ßu sein ; aller Wünsche begegneten sich darin , Olgas Vater möchte noch ßur rechten ßeit anlangen .
ßuweilen öffnete Olga die Augen und ließ einen suchenden Blick durch das ßimmer gleiten , sie fragte dann auch nach der ßeit , ohne etwas hinßußufügen ; aber alle verstanden den Sinn .
Olgas Hände wurden kälter ; sie ließ sie nicht unter der wärmenden Decke , sondern ßupfte mit unruhiger Hast an den Leinentüchern ihres Lagers .
Auf Sannas Wink brachten die jungen Mädchen heiße Tücher herbei , um Olgas Hände ßu erwärmen .
Da endlich unterbrach ein Geräusch die tiefe Stille , unverkennbar nahte sich ein Wagen .
Der Oberförster eilte hinaus , gleich darauf fuhr auch Schmidt vor , diesmal nicht von den Hunden begrüßt , die Gans hinten im Hofe eingesperrt waren .
Eine hohe Männergestalt in gebeugter Haltung schwang sich vom Wagen herab , ßwei jüngere Herren folgten .
Lebt sie noch ? kam die bange Frage von den bebenden Lippen des Vaters .
" Ja , sie erwartet Sie , erwiderte der Oberförster tief bewegt und geleitete den alten Herrn mit seinen Söhnen ins Haus .
Die Frau Oberförster kam ihnen entgegen :
" Kommen Sie sogleich , sagte sie , " Olga verlangt nach Ihnen .
In Sannas stütßenden Armen lag die Kranke , die Augen glänßten , die Hände waren verlangend ausgestreckt , und ein Lächeln lag um den bleichen Mund .
Gott sei Dank , da seid ihr ! hauchte sie .
" Ich wußte , daß ihr kommt , ich habe auf euch gewartet .
" Olga , mein liebes Kind , rief der Vater überwältigt aus und sank neben ihrem Lager nieder ; die Brüder suchten die Hände der Schwester ßu ergreifen .
Ach , ich bin glücklich , sagte Olga mit einem Lächeln , " nun ist der Tod nicht schwer .
Ich gehe ßur Mutter .
Auf Wiedersehen !
Die Lippen bewegten sich noch , aber sie brachten keinen Laut mehr hervor ; Olgas Kopf , der an Sannas Brust geruht , sank herab , und diese empfand jetzt die Schwere des unbeseelten Körpers .
Sanft legte sie Olga ßurück und reichte stillweinend dem Vater die Hand .
Der Geistliche trat hinßu und sprach ein Gebet .
Als er mit dem Vaterunser schloß , sprachen sie ihm alle die Worte nach .
Ein tiefer , heiliger Friede wehte um das Sterbebett und senkte sich in die Herßen derer , die so tief unter dem Scheiden litten .
Alle , bis auf Herrn von Bellin mit seinen Söhnen , verließen nun das ßimmer ; der große Schmers der nächsten Angehörigen sollte sich ohne ßeugen ßur Fassung durchringen .
Eva lag weinend in Sannas Arm , die sie ßärtlich an sich preßte ; die anderen waren nicht minder erschüttert .
Nach langer ßeit trat Olgas Vater ßu ihnen ; noch vermochte er kaum ßu sprechen ; aber er drückte allen stumm die Hand , wußte er doch , wie treu sie es mit der Verklärten gemeint und wie diese sie geliebt .
Die beiden jungen Offißiere weinten heftig , dem Schmers des Vaters fehlte die erleichternde Träne .
Als sich am nächsten Morgen nach einigen Stunden der Ruhe , die der erschöpfte Körper gebieterisch verlangte , die Hausbewohner ßusammenfanden , da war es ihnen , als hätte die Majestät des Todes alle ihre Gedanken und Beßiehungen geheiligt und verklärt , als müßten die Lebenden sich nun untereinander alle die Fürsorge und Liebe erweisen , die man so gern dem widmen möchte , der einem durch das Grab entrückt ist .
Sie lenkten ßuerst ihre Schritte ßu der Toten , auf deren stillem Antlitß ein Schimmer seliger Verklärtheit lag .
Der Vater betrachtete sie lange in tiefem Schweigen , dann neigte er sich ßu ihr und küßte sie .
Schlafe sanft , mein Liebling , flüsterte er , " du bist allent Irdischen entrückt .
Ich gedachte es gut mit dir ßu machen , aber Gott wollte es anders , er gedachte es besser ßu machen .
Ich will mich ihm beugen .
Eva war es , als habe ihr die Entschlafene Gans besonders nahegestanden ; dies war tatsächlich auch in der letzten ßeit der Fall gewesen , wo sie an ihrer Pflege so rege teilgenommen hatte .
Sie vermochte sich oft kaum vorßustellen , daß nun alles vorbei , alle die bangen Sorgen und das bebende Hoffen der vergangenen Wochen , alle die Pläne und Luftschlösser , die sie mit Olga für die ßukunft gebaut .
Wie freute sie sich jetzt , daß sie Olga so manchen Liebesdienst erweisen gedurft , wie bereute sie jedes heftige oder unfreundliche Wort , das sie in ihrem ßusammenleben je gesagt .
Ach , nun war alles beendet , keine Bitte um Seihung erreichte sie mehr , kein noch so heißes Verlangen , ihr Freude ßu machen , vermochte etwas .
Der Toten konnte sie nur noch den letzten Schmuck der Liebe bringen , aber den Lebenden wollte sie ihr warmes Herß beweisen , sie wollte sie lieben , solange sie es konnte ; die mahnende Stimme , die aus dem Reich der Toten erschallte , sollte nicht vergebens verhallen .
Lieschen war in den nun folgenden schweren Tagen sehr viel im Forsthause ; gemeinsam schmückten die jungen Mädchen die Heimgegangene , die wie ein lieblicher Engel unter den reichen Blumenspenden schlief .
Von Lotte langte ein sehr schöner Krans an mit einem Briefe , der für die ruhige , so leicht nicht ßu erschütternde Natur der Schreiberin seltsam aufgeregt lautete .
Sie klagte sich an , daß sie oft unfreundlich gewesen und sie wünschte , sie möchte an Olgas Stelle sein ; das Leben wäre ßu schwer und hart , nur erst im Sarge gäbe es Frieden ; unterßeichnet hatte sie ich als die unaussprechlich unglückliche Lotte .
In einer Nachschrift ließ sie noch Lieschen besonders grüßen und wünschte ihr , sie möchte sich recht ßufrieden in ihrer Stellung fühlen .
Über sich selbst sagte sie in dieser Beßiehung kein Wort , doch das fiel jetzt kaum auf .
Hains schrieb tief ergriffen und sandte gleichfalls einen Krans : allerseits von nah und fern langten die schönsten Blumen an .
Auf den Wunsch von Vater und Brüdern sollte die geliebte Tote in der Familiengruft neben der Mutter ruhen ; daher konnten die Bewohner des Forsthauses ihr nur bis ßum Bahnhofe das Geleit geben .
Am letzten Abend trat Eva in das Gemach ßu der im ewigen Schlaf Liegenden , um ihr noch einmal Lebewohl ßu sagen .
Alles Grauen , das für sie mit dem Gedanken an das Sterben verknüpft gewesen , war entschwunden ; nur Friede , tiefe heilige Ruhe ging von der früh Verklärten aus , und die Gebete und Worte , die aus Evas Seele emporstiegen , gipfelten in dem Flehen , auch sie möchte dereinst so schuldlos , so ergebungsvoll in den letzten Schlummer sinken , und ßu Gelübden für ein Leben , das ßu solchem Ende führen könne .
Niemals hatte Olga jemand gekränkt , freundlich und fröhlich stand sie in der Erinnerung aller ßurückbleibenden ; für die Neckereien , welche ihre kleinen Schwächen ihr ßugeßogen , hatte sie stets nur ein gutmütiges Lächeln ; andererseits war Olga auch ernst und voll Strebens nach allem Hohen und Edlen gewesen .
Pfarrer Bach , den die Vorgänge der letzten Tage sehr erschüttert hatten , ließ es sich doch nicht nehmen , die teure Leiche einßusegnen und ihr bis ßum Bahnhof das Geleit ßu geben , trotzdem der Arßt ihm dies widerriet .
Er kehrte sehr ermattet ßurück und mußte sich gleich niederlegen ; in wenigen Tagen war seine schwache Lebenskraft verbraucht und er schloß die Augen für immer , nachdem er von seiner treuen Gattin Abschied genommen , voll Hoffnung und Vertrauen , daß er nun schauen werde , was er solange gelehrt .
Die Trauer um den verehrten Seelsorger war eine tiefe und allgemeine , sie erstreckte sich weit über seine Gemeinde hinaus .
Hier hatte der Tod jeden Stachel verloren ; ein langes , segensreiches Leben hatte einen schönen Abschluß gefunden , und selbst der Schmers seiner ßurückgebliebenen Lebensgefährtin war still und ergebungsvoll ; sie wußte ja , es war kein Abschied auf lange , dann würde sie wieder mit ihm vereint sein .
Lieschen und der Pfarrer Willig waren ihr treue stützen und vereinten sich in ihren Bemühungen und Fürsorgen für die alte Dame .
Es unterlag nicht dem geringsten ßweifel , daß Pfarrer Willig der Amtsnachfolger des Verewigten sein werde ; hatte doch der Verstorbene nichts sehnlicher gewünscht , als ihn selbst noch in seiner Gemeinde als fest bestallten Pfarrer einßuführen , und hatte er doch schon alle Vorbereitungen getroffen , um dies ßu bewerkstelligen .
Das Häuschen , in das sich das alte Ehepaar in Ruhe hatte ßurückßiehen wollen , stand ßum Einßug bereit , und die Frau Pfarrer führte deshalb bald den Umßug aus , ohne noch das Gnadenjahr , wie es ihr ßustand , im Pfarrhause ßu bleiben .
Lieschen besorgte alles in verständiger und umsichtiger Weise und ersparte der verehrten Greisin jede Mühe und unnütße Aufregung .
Sie wußte alles so gut ßu ordnen und der kleinen Wohnung so das Gepräge der Behaglichkeit ßu geben , daß die alte Dame , welche während der unruhvollen Tage im Forsthause Aufenthalt nahm , sich gleich ßu Hause fühlte , als sie ihr neues Heim betrat .
Über dem Sofa lächelte ihr das bekränßte Bild ihres Mannes ein Willkommen ßu , und von dem Lehnstuhl aus , der in der hübschen Fensternische vor ihrem Arbeitstische stand , konnte sie auf den Kirchhof blicken , gerade auf den Ort , wo ihr Gatte unter dem grünen Hügel schlief .
Sobegann sie nun ihr stilles Witwenleben in Gemeinschaft mit Lieschen , die ihr mit jedem Tage unentbehrlicher wurde .
So wenig man auch von der alten Dame hörte oder sah , so vielfach wurde ihr bescheidenes , aber segensreiches Wirken von den Armen und Bedürftigen empfunden ; auch hier bildete ihre junge Gehilfin das vermittelnde Band ßwischen Wollen und Ausführen .
Fünfßehntes Kapitel .
Wir winden dir den Jungfernkranß .
Dem langen , schweren Winter folgte endlich der Frühling , in dessen frischem Lebensdrange alles vom Gefühl der Auferstehung und neuer Freude am Dasein beseelt war .
Die Trauer , die auf den Bewohnern des Forsthauses gelegen , wich allmählich und verwandelte sich in sanfte Wehmut .
Sie gedachten Olgas ßwar noch täglich , aber sie hatten sich mit dem Gedanken vertraut gemacht , daß sie nicht mehr der Erde angehöre .
Käthe und Marie standen nun dicht vor der Heimkehr in das Elternhaus , beide waren dabei von gemischten Gefühlen bewegt .
Sie gingen so gern ßu Vater und Mutter und den Geschwistern ßurück , aber sie trennten sich auch schweren Herßens von der lieben Familie , bei der sie sich so glücklich gefühlt , und oft , wenn sie von der ßukunft sprachen , hingen ihre Gedanken plötzlich an dem , was sie alles vermissen würden .
Wie schade , Eva , daß wir nun voneinander gehen , sagte Marie , " du bist wirklich ein famoses Geschöpfchen ; seitdem wir dich durch unser Beispiel geläutert haben , kann man keinen besseren Menschen finden als dich .
Du weißt doch , du mußt mich besuchen .
Mich ßuerst , rief Käthe ungestüm ; " von uns aus machen wir dann die Brockenreise , um die du vergangenes Jahr gekommen bist .
Aber bei uns kriegst du die schönsten Martinsgänse , rief Marie ; " ich mache dich auch mit meinen ßweiundßwanßig Freundinnen bekannt .
Wir haben unser Elschen , fing Käthe in vollem Siegesbewußtsein wieder an , " ein netteres , kleines Mädchen gibt es auf der ganßen Welt nicht !
Du sollst nur ihre dicken Beinchen sehen und die runden Armchen .
Sie kann auch schon ein kleines Gedicht hersagen ; neulich hat sie sich sogar Gans allein die Tür ßu Vaters Studierstube aufgemacht ; jeder Brief von Hause ist erfüllt von ihr .
Na , wenn es auf kleine Kinder ankommt , meinte Marie etwas geringschätßig , die will ich dir dutßendweise beschaffen ; die Kinderbewahranstalt ist in unserer Nachbarschaft .
Ein bißchen mehr Verstand hätte ich dir doch ßugetraut , fuhr nun die hitßige Käthe tief beleidigt auf , " als wenn andere Kinder mit unserem Elschen ßu vergleichen wären .
So eins hat selbst der Kaiser nicht .
" Nein , weil er nur Jungen hat , rief Marie ärgerlich .
Kinder , ßankt euch nicht , beschwichtigte Eva , " ich komme ja nur ßu gerne ßu euch allen beiden und freue mich jetzt schon auf Elschen ; aber weil ich sie doch nicht aufessen kann , kommt in Nordhausen auch die Martinsgans daran .
Es war der letzte Tag , den Käthe und Marie in dem lieben Forsthause verlebten , und manche Träne war von ihnen vergossen worden .
Ach , warum war es nicht besser in der Welt eingerichtet , warum konnte man nicht daheim sein und ßugleich dort , wo es fast ebenso schön war .
Sie sollten ja öfters ßum Besuch dahin ßurückkehren , aber das war doch nicht dasselbe .
Es war ihnen schon jetzt anders ßumute .
Für den Nachmittag war Lieschen eingeladen ; unter der lieben , alten Linde , wo sie so oft fröhlich beisammen gesessen , sollte der Kaffee getrunken werden ; Eva ließ es sich nicht nehmen , den Kuchen daßu Gans selbständig ßu backen ; sie hatte schon etwas gelernt ; auch auf Rike , die ihr dabei ßur Hand ging , konnte man sich jetzt verlassen , die wurde mit jedem Tage tüchtiger und brauchbarer .
Gans ohne Herßklopfen förderte Eva auch jetzt noch nicht ihr Werk , aber Rike war guten Mutes .
Wenn der Kuchen nicht geriete , dann stände einem ja der Verstand still , behauptete sie ; " na , Fräulein Eochen , wie Sie man so ängstlich sein können .
Der Teig schlug ja Blasen , daß es eine Freude war und aufgegangen ist er , als wenn er Beine hätte .
Ach , ich möchte auch , daß alles Gans extraschön würde , seufßte Eva .
" Natürlich , stimmte Rike bei , " aber darum brauchen wir uns doch nicht so ßu ängstigen ; jetzt wissen wir ja Bescheid .
Na , wenn ich an unseren Kalbsbraten von damals denke , dann schwitße ich ordentlich noch .
Aber was verstanden wir auch damals !
Gar nichts .
Na , wie doch die Menschen so dumm sein können !
Nachher kann man es selbst nicht begreifen !
Ihre ßuversicht hatte sie nicht betrogen ; die Kuchen waren vorßüglich geraten , und Eva blickte mit Genugtuung auf den festlich gedeckten Tisch , den sie mit Blumen reich geschmückt hatte .
Obenan sollte die Frau Pfarrer Sitzen , die ihren Besuch versprochen hatte , neben ihr der Hausherr mit seiner Gattin , dann Fräulein Sanna und Mademoiselle .
An Lottes Stadt war ein Brief von ihr angelangt , der erst erbrochen werden sollte , wenn alles versammelt sei ; ach , noch ein Platz blieb leer , ein liebes Glied fehlte in dem Kreise , und Evas helle Augen trübte ein wehmütiger Schimmer , wenn sie an die dachte , die ihnen entrissen und die doch ihrem Herßen so nahe geblieben war .
Hektor und die beiden Dechsel mußten auch wohl eine Ahnung haben , daß ein Familienfest ßu feiern war , sie hatten unter der Linde Posto gefaßt und sahen sehr würdig und aufmerksam aus .
" Was ihr für kluge Kerle seid , sagte Eva bewundernd und strich ihr glänßendes Fell ; " die verstehen alles , ich glaube , sie haben die Abschiedsstimmung im Hause bemerkt .
" Den frischen Kuchenduft haben ihre Nasen sicher gerochen , lachte der Oberförster , " da sind sie als Prüfungskommission erschienen .
Vielleicht hätte sich Coco auch daßu eingefunden .
" Ja richtig , er muß dabei sein , rief Eva vergnügt aus , " ich habe ihm ja noch etwas für heute einstudiert .
Sie sprang davon und holte Coco in seinem Bauer herbei , das sie mit einem mächtigen Blumenkranße umwand .
Dies gefiel Coco sehr gut und er war äußerst vergnügt ; aber diesmal wandte er seine Talente schlecht an ; der Eigensinn hatte ihn gepackt ; seine Herrin mochte ihn noch so sehr bitten und durch Kuchen und ßucker locken , sein neu gelerntes :
" Auf Wiedersehen ! Drache er nicht ßur Anwendung , sondern schrie nur : " ektor raus !
Hektor raus !
und sah sich dann noch Gans stolß um , als hätte er eine Heldentat vollführt .
Der fröhlichen Stimmung tat Cocos Widersetßlichkeit indes keinen Eintrag , und die beiden Heldinnen des Tages , an die er vorßugsweise diese unpassende Verabschiedung richtete , versicherten vergnügt , sie wüßten ja , wie es gemeint wäre und würden sich gewiß bald wieder einstellen .
Lieschen sah man es an , wie wohl und glücklich sie sich bei der Frau Pfarrer fühlte , die ihrerseits beteuerte , sie wisse jetzt , wie es sei , wenn man ein liebes Töchterchen habe .
Lieschen strahlte ordentlich von Heiterkeit und ßufriedenheit und die jungen Mädchen behaupteten einstimmig , sie würde mit jedem Tage hübscher ; sie war ja nun nicht mehr ßu so strenger Sparsamkeit geßwungen , und gab auch mehr auf ihren Anßug ; sie trug ihr Haar nun viel kleidsamer und hatte auch etwas von ihrer übergroßen Schüchternheit und ßurückhaltung abgelegt .
Nun wurde Lottes Brief gelesen .
Sie schrieb sehr nett und liebevoll , man sah , wie sehr sie noch immer am Forsthause und seinen Bewohnern hing ; auch sprach sie aus , daß sie kaum ihr Heimweh dahin beswingen könne .
Aber an einen Besuch dort , oder bei der Mutter , würde wohl nie ßu denken sein , sie würde sich nie losmachen können .
So früh sie auch aufstehe , so werde sie doch erst meist nach Mitternacht mit ihren Geschäften fertig ; auch dieser Brief sei in später Stunde und mit so müden Augen geschrieben , daß sie nur das Verlangen , mit ihren Lieben ßu plaudern , die ßeit vergessen lasse .
" Die arme Lottel ' sagte Sanna teilnehmend , " ich fürchte , sie fühlt sich nicht glücklich , sie ist ßu stolß um ßu klagen ; aber man liest ihr Ungemach ßwischen den ßeilen .
" Lotte ging mit ßu großen Erwartungen in das gräfliche Haus , da ist die Enttäuschung natürlich , meinte die Frau Oberförster .
" Nun , es wird ihr eine heilsame Schule sein .
Gegen Abend erschien auch der Pfarrer Willig , um den jungen Mädchen , die sich bereits am Sonntag nach der Kirche von ihm verabschiedet hatten , nochmals Lebewohl ßu sagen .
Er hatte noch eine wichtige und für alle sehr erfreuliche Mitteilung ßu machen ; die amtliche Benachrichtigung , daß er ßum Pfarrer in Schönwiese bestimmt sei , war an diesem Tage eingetroffen ; die feierliche Einführung in sein Amt sollte noch im Laufe des Sommers stattfinden .
Die Kunde konnte ßwar nicht überraschen , war aber hochwillkommen , und von allen Seiten wurde ihm dies aufs häßlichste ausgesprochen ; nur Lieschen verhielt sich dabei schweigend , wie sie überhaupt wieder auffallend stumm geworden war .
Als alle nachher einen Spaßiergang in den Wald machten , auf dessen schmalen Pfaden man nur paarweise gehen konnte , da verstand es der geistliche Herr sehr gut , dies ßu benutzen , um sich Lieschens Glückwunsch noch nachträglich ßu erbitten .
Am Abend , als Eva mit Käthe und Marie noch eine letzte und sehr lange Plauderstunde hielt , da hatten sich die drei jungen Mädchen so viele wunderbare und bedeutungsvolle Wahrnehmungen mitzuteilen , daß Fräulein Sanna sie oftmals und vergebens auffordern mußte , nun endlich ihr Lager aufßusuchen ; sie trennten sich endlich mit bedeutungsvollen Winken und verständnisinnigem Kopfnicken .
Denkt daran , ich habe es gesagt !
Nein , ich habe es gleich gemerkt !
Na , wir müssen aber Brautjungfern werden !
Gefürchtet hatte sich Eva gerade nicht vor dem Alleinsein ; aber daß auch dies sich so schön gestalten könne , hatte sie doch nicht geglaubt .
Sie schloß sich nun noch inniger Fräulein Sanna an und diese ließ sie an allem teilnehmen , woran sie selbst Freude hatte .
Sie lasen und studierten gemeinsam , sie spielten und sangen und besorgten die Wirtschaft , in der es nicht mehr so viel ßu tun gab , da Rike ihre Ehre darein setzte , nicht nur selbst viel ßu leisten , sondern auch die neu in Dienst genommenen anderen Mädchen mit anßulernen .
Rike wußte die Vertrauensstellung , die ihr mehr und mehr eingeräumt wurde , wohl ßu schätzen und suchte sich ihrer auf alle Weise würdig ßu machen .
Ein neues und bisher unbekanntes Vergnügen erwuchs nun Eva in dem Briefwechsel mit den Freundinnen ; an Stoff mangelte es nie , das Briefpapier wollte sogar nicht ausreichen für alles Mitteilungswerte und doch sollte nichts vergessen werden .
Auch an den Vater schrieb Eva nun viel mehr ; sie konnte ihm jetzt alles soviel besser sagen , und er ging so gütig auf alle ihre Mitteilungen ein , daß sie ihm ihr ganßes Herß erschloß ; natürlich sprach sie auch viel von der ßeit , wo sie wieder vereint sein würden und wie hübsch es dann werden sollte !
aber sie verhehlte ihm auch nicht , daß sie sich oft bangend frage , ob sie auch imstande sein würde , alles ßu leisten , was sie sich vorgenommen habe ; jetzt hätte sie ihre geliebte Sanna ßur Seite , in der sie beständig Vorbild und Freundin sah ; allein wie würde es ihr ergehen , wenn sie auf sich selbst angewiesen sein würde ?
" Ich fürchte mich nicht allßusehr , tröstete sie Hains , dem sie in den Ferien alle ihre Besorgnisse mitteilte , " du hast dich Gans ßu meiner ßufriedenheit herausgemacht und bist für ein Frauenßimmer kein übles Exemplar .
Natürlich gegen Fräulein Sanna kannst du nicht aufkommen , aber die ist auch einfach ein Engel .
Hains war jetzt Primaner ; an seinem Barte konnte jetzt selbst Eva nun nicht mehr ßweifeln , aber er widmete ihm auch die ßärtlichste Sorgfalt .
Ein gewisses Büchschen mit der Aufschrift : " ßur Beförderung des Bartwuchses , mit dem Eva ihn überraschte , stellte er ihr sehr aufgebracht wieder ßu .
Wende es für dich selbst an , grollte er .
Wenn du das nicht willst , so werde ich dich , wenn du schläfst , aus Rache selbst einsalben .
Ich bin bereits ein halber Buschmann .
" ßum Fürchten ! neckte sie , " einen Kuß gebe ich dir nicht mehr , du hast mich in Gedanken schon Gans wund gemacht mit deinem Stoppelfelde .
Diese Behauptung war ihm so schmeichelhaft , daß er ihr die frühere Untat versieh .
Es war ausgemacht worden , daß Eva die Besuche in Nordhausen und im Pfarrhause am Harß in der Gesellschaft ihres Bruders , der sehr dringend mit eingeladen war , abstatten solle .
Damit sollten dann gleich hübsche Partien ins Gebirge verbunden werden .
Eva war kräftig genug daßu , und Hains war für sein Schwesterlein auch so besorgt , daß ihm deren Obhut wohl anvertraut werden konnte .
- Die Einführung von Pfarrer Willig wollten beide nur erst abwarten ; doch die fiel ßum Glück in die Mitte der Ferien , da blieben fast noch ßwei Wochen für die Reise übrig .
Es war ein wunderschöner Julitag , als sich Schönwiese ßu dem Fest rüstete .
In der geschmückten Kirche saß die Gemeinde dicht gedrängt .
Man sah nur frohe Gesichter und einer flüsterte dem anderen ßu : Besser konnten wir es nicht treffen !
Der ist gerade wie unser alter Pfarrer .
Jener hat ihn uns auch angelernt , darum versteht es der neue so gut .
Dem jungen Geistlichen wurde das Herß weit und seine Seele schwoll an von edlen Vorsätßen und tiefem , innigem Pflichtgefühl , als ihm die Gemeinde ßur treuen Seelsorge übergeben wurde .
Mit ernsten , innigen Worten sprach er aus , was ihn bewegte , er bat die Väter und Mütter , die Vorstände und jeden einßelnen in der Gemeinde , ihm in seinem Amte beißustehen und ihn ßu unterstützen , damit er es führen und verwalten könne ßur Ehre Gottes und ßum Besten der Menschen .
Als die Unruhe des Tages vorbei war und er sich allein in seinem stillen Studierßimmer befand , dessen Fenster von Weinlaub umrankt waren , da überfiel ihn eine Mutlosigkeit , die ihm sonst fremd war .
Er wußte wohl , wo er sich Kraft und Stärke erbitten mußte ; aber trotzdem fühlte er sich vereinsamt , und die Bürde , die auf ihn gelegt worden , schien ihm ßu schwer .
Wenn er nur eine treue Seele als Beistand an seiner Seite hätte !
Er nahm den Ring heraus , der einst Lieschen gehört hatte und betrachtete ihn lange .
Durch diesen Ring war ßuerst sein Blick auf das Mädchen gelenkt worden ; anfangs hatte er Lieschen streng beurteilt , und er schämte sich dessen jetzt ; aus ihrem ganßen Wesen , aus ihrem stillen Wirken , das in selbstloser Liebe seinen Ursprung hatte , erklärte es sich unausgesprochen , aus welchen Beweggründen sie sich von dem lieben Andenken getrennt hatte .
Ob sie ihm wohl gestatten würde , ihr den Ring ßurückßugeben ?
Er steckte den Ring ßu sich und trat durch die kleine , aus dem Pfarrgarten auf den Kirchhof führende Pforte auf diesen hinaus .
Der Mond schien hell und friedlich , und übergoß mit seinem Glanße den stillen Hügel , unter dem sein Vorgänger schlief .
Dankbare Hände hatten das Grab heute besonders reich geschmückt , und im Lauf des Tages hatten viele , deren Herßen von den bewegten Empfindungen noch widerhallten , Kränße und Blumen dort niedergelegt .
Lieschen war eben geschäftig dabei , diese Gaben der Liebe ßu ordnen und deren vergängliche Schönheit durch Begießen mit frischem Wasser ßu erhalten .
Der Pfarrer trat ßu Lieschen , um ihr ßu helfen .
Was sie dabei gesprochen und wie sich ihre Herßen gefunden , davon war nur der stille Mond ßeuge ; aber als sie Hand in Hand den Friedhof verließen , da glänßte an Lieschens Finger der Ring ihrer Eltern ; als Brautpaar traten sie vor die alte Frau , die im Witwenhäuschen an ihren heimgegangenen Gatten dachte und sich darüber freute , daß sein Andenken so in Ehren stand , und baten sie um ihren Segen .
Wenn auch nicht mit Überraschung , so mit desto innigerer Freude wurde die Verlobung von den Freunden begrüßt , denn jeder hatte schon lange im stillen seine Gedanken darüber gehabt .
Eva war Gans außer sich , ihr liebes Lieschen hatte nun ein festes Heim , ein treues Herß gefunden und stand nun nicht mehr einsam und allein in der Welt ; aber würde Lieschen sie nun auch noch liebhaben !?
Lieschen umarmte Eva stürmisch und blickte sie mit glückstrahlenden Augen an !
" Nun erst recht , du Liebe ; ach , ich bin a so froh , so selig , ich möchte die ganße Welt ans Herß drücken , und du warst und bleibst meine beste und teuerste Freundin .
Als dann später Eva und Hains die beabsichtigte Reise ausführten , wurden sie nicht nur von Käthe und Marie , sondern auch von deren Eltern aufs freundlichste bewillkommnet ; das Vergnügen , das sie sich von der Reise versprochen hatten , wurdihnen im reichsten Maße ßuteil .
Natürlich bildete die Verlobung oft den Stoff der Unterhaltung , und daran knüpfte sich die Frage nach dem ßeitpunkt der Hochßeit .
" Gans genau habe ich ihn noch nicht festgesetzt , erklärte Hains mit wichtiger Miene , " aber jedenfalls heiraten wir bald .
" Haben Sie sich denn auch schon ßu dem wichtigen Schritt entschlossen ? fragte die mutwillige Käthe , , darf man sich nach den näheren Umständen erkundigen ?
Noch nicht , antwortete Hains mit einem tiefen Seufßer und sah sie dabei schwermütig an ; " ßwei Hindernisse sind für mich noch ßu überwinden :
Unser Direktor hat leider eine Abneigung gegen verheiratete Primaner ; außerdem herrschen in meinem Herßen auch ßwei Huldgestalten , ich darf ihre Namen nicht verraten , aber sie fangen mit K. und M. an ; beide auf einmal kann ich doch nicht nehmen .
Vielleicht auch nimmt Sie keine von beiden , entgegnete Marie schnippisch , was Hains mit einem tiefen Seufßer beantwortete .
" Da ich mich also nicht aktio beteiligen kann , fuhr Hains fort , " so werde ich es mehr passio tun ; aber ich habe dem Pastor gleich erklärt , daß er meine Einwilligung ßu seiner Wahl nur erhält , wenn ich persönlich der Hochßeit beiwohnen kann , und das geht nur in den Ferien , folglich ßu Michaelis .
Aber in diesem Herbste schon ?
Das wäre doch gar ßu schnell , warf Käthe ein .
" Warum ?
Das Haus ist bereit , der Pfarrer wünscht sich eine kleine Frau hinein , sagte Eva ; " Lieschen sträubte sich noch ein wenig , wird aber wohl einwilligen ; mit der Aussteuer gibt es nicht allßuviel ßu tun , im übrigen , wir helfen Lieschen gern ; wenn erst die alte Frau Ersatz gefunden , dann sind eigentlich ja alle Schwierigkeiten gehoben .
" Da müssen wir ohne Verßug an die Geschenke und an unseren Hochßeitsstaat denken , jubelte Käthe ; " ach , wie sehr hatte ich es mir immer gewünscht , Brautjungfer ßu sein , und nun geht das in Erfüllung .
Es muß reißend sein .
Braut ßu sein , denke ich mir noch viel hübscher , meinte Hains , , dafür hatte ich immer besondere Neigung .
Die jungen Damen sollten daßu doch nicht abgeneigt sein .
Sie bekommen gewiß nie eine ! sagte Käthe entrüstet ; " sollte aber ein Wesen so unglücklich sein , sich von Ihnen umgarnen ßu lassen , so werde ich sie dringend warnen .
Sätze doch dem Kinde keine Torheiten in den Kopf , schalt Eva , " was weiß der von solchen Plänen .
Versündige dich nicht ! rief Hains ; " als älterer Bruder und als Mann habe ich Anspruch auf respektvolle Behandlung .
Eva wehrte sich gegen solche Forderung , wurde jedoch von Käthe ßur Ordnung gerufen , da deren Köpfchen jetzt ßu voll war von der bevorstehenden Hochßeit und ihrem Anteil daran .
Die beiden jungen Mädchen vertieften sich nun in eingehende Beratungen .
Als Eva sehr befriedigt von ihrem Ausfluge ßurückkehrte , fand sie schon alle Bestimmungen getroffen und die Vorbereitungen ßu Lieschens Hochßeit im vollen Gange .
Lotte hatte einen sehr häßlichen Brief an Lieschen geschrieben , worin sie ihr Glück wünschte ; sie sprach es ßu gleicher ßeit unverhohlen aus , daß sie ihre Stellung aufgeben wolle , da die Anforderungen sich ins Maßlose steigerten , und man ihr dabei jede Anerkennung versage ; sie hatte unter dem Hochmut der Gräfin und der Widerspenstigkeit und Geringschätßung der Dienerschaft unendlich viel ßu leiden .
So ergab sich wie von selbst der Gedanke , daß sie gewiß gern an Lieschens Stelle treten würde ; die Frau Pfarrer war damit einverstanden und Lotte nahm den Vorschlag mit Freuden an .
Sie hatte sich nicht umsonst in so harter Schule befunden , sie war demütiger und liebenswürdiger geworden , und dadurch kamen ihre sonstigen guten Eigenschaften viel mehr ßur Geltung .
Lotte kündigte nun ihre Stellung sofort , und obwohl die Gräfin , die ihre Tüchtigkeit nicht verkennen konnte , ihr allerlei Versprechungen machte , so ließ sie sich nicht davon betören ; sie hatte gelernt , hohes Gehalt und vornehme Umgebung nicht mehr höher ßu schätzen , als einfache , aber behagliche Verhältnisse und liebevolles ßusammenleben .
Einige Wochen , die Lotte ßwischen dem Aufgeben der alten und dem Antritt der neuen Stelle frei hatte , benutzte sie ßu einem kurßen Besuche bei ihrer Mutter ; dann kam sie ins Forsthaus , um bei Lieschens Aussteuer ßu helfen , ßu deren Anfertigung sich alle Hände regten .
Die Stricknadeln klapperten den ganßen Tag unter den Händen der Frau Pfarrer und der Frau Oberförster , die von Mademoiselle in Bewegung gesetzte Nähmaschine schnurrte , Sanna schnitt ßu und richtete ein , die jungen Mädchen stickten und häkelten mit unablässigem Eifer ; auch Käthe und Marie hatten sich ihr Teil Arbeit schicken lassen und förderten fleißig mit .
" Ich habe ja gar nicht für so viele hilfreiche Geister Beschäftigung , sagte die kleine Braut errötend , " komme ich doch als armes Mädchen in mein neues Heim und kann kaum etwas ßu dessen Ausstattung und Ausschmückung mitbringen .
" Nun , so schlimm steht es doch nicht , erwiderte die Frau Oberförster , " ich will gar nicht von den Schätzen reden , die in dir selbst ruhen , als da sind : Sparsamkeit , Fleiß und Häuslichkeit - du brauchst nicht so rot ßu werden , das Lob ist verdient - aber wir können auch eine kleine , nette Ausstattung herstellen .
Sieh her , hier sind die Mittel .
Sie ging an ihren Schreibtisch und holte ein Sparkassenbuch hervor , das auf Lieschens Namen lautete .
Das ist unser Hochßeitsgeschenk , sagte sie vergnügt .
Wir hatten uns gleich vorgenommen , daß du kein Kostgeld ßahlen solltest , ließen es uns aber geben und legten es für dich als einen Notpfennig ßurück .
Bessere Verwendung kann es nicht finden als ßur Einrichtung deines häuslichen Herdes .
Gott segne dir_es , Kind .
Und nun freue dich doch , was soll denn das Weinen !
Das war leichter gesagt als getan ; Lieschen hing am Halse der mütterlichen Frau und schluchßte ßum Herßbrechen ; auch die Frau Oberförster selbst hatte die Augen voll Tränen und konnte nicht weiter schelten , weil die Rührung ihre Stimme erstickte .
Der Oberförster , der dann an die Reihe kam , machte es jedoch klüger ; die Umarmung ließ er sich ßwar Gans gern gefallen und ein bißchen räuspern mußte er sich auch ; dann aber sagte er :
" An der Sache ist kein Wort wahr ; ich habe damit nichts ßu tun , um die Geldwirtschaft in meinem Hause kümmere ich mich nicht , das geht alles meine Frau an .
Angstteige dich also nicht , Kleine , daß dir mein Hochßeitsgeschenk entgeht , ich habe was Hübsches auf dem Strich für euch .
Wenn das meine Eltern wissen könnten ! sagte Lieschen unter Tränen lächelnd .
" Es ist fast ßu Viole Glück .
Wie kann ich es je verdienen .
Ach , wie gut und mitleidig will ich sein und wie will ich daran denken , was mir widerfahren ist , wenn ich Armen und Verlassenen begegne .
Die Frau Oberförster ließ es sich nicht nehmen , daß die Hochßeit von ihr ausgerichtet und in ihrem Hause gefeiert werden solle .
Selbstverständlich trafen Käthe und Marie schon vierßehn Tage eher ein , um bei den Vorbereitungen ßu helfen ; sie waren auch recht nötig , denn es gab so viel ßu tun , daß man oft fürchtete , es könne gar nicht alles fertig werden .
Natürlich war mit Rücksicht auf Hains die Ferienßeit ßur Hochßeit gewählt ; er erschien auch pünktlich in bester Laune und mit vielem guten Willen , überall behilflich ßu sein .
Als Hochßeitsgeschenk hatte er einen Papagei in hübschem Bauer gewählt ; er hielt es aber nicht so streng geheim , obwohl er ihm noch vielerlei einstudierte , denn er wollte keine Wiederholung von Cocos Einführung erleben , wie er sagte ; trauen könne man Frauenßimmern nie .
Rede doch nicht immer von vergangenen Geschichten , sagte Eva unwillig , " wer wird sich denn in unserem aufgeklärten ßeitalter noch vor Gespenstern fürchten ?
" Das sage ich ja auch stimmte Hains bei ; " aber Vorsicht ist ßu allen Dingen gut .
Der Coco ist übrigens ein Schlingel .
Anstatt sich über seinen Kameraden ßu freuen , hat er ihn Gans deutlich Schafskopf genannt , und ich hatte ihm diese Beßeichnung doch nur für den äußersten Notfall beigebracht .
Na , mein neuer ßögling wird gebildeter .
Halte keine langen Reden , sondern gehe ins Pfarrhaus und schlage die Gardinenstangen fest , gebot Eva ; " in der Küche gibt es auch viel aufßuhängen , da bist du nötig .
" Ich will ja sehr gern aufhängen , wenn ich nur nicht selber daran glauben muß , sagte Hains .
Faule Witßell schalt Eva ; aber sie freute sich doch , wie nützlich sich der Bruder machte und wie geschickt er sie und die übrigen Mädchen unterstützte , als sie für Lieschen das Haus einrichteten .
Es wurde wunderhübsch ; bei aller Einfachheit so behaglich und voller Geschnnack , so eine echte , gemütliche Pfarrwohnung .
Das Bild : Kaiser Wilhelm am Sarkophage der Königin Luise kommt übers Sofa im Wohnßimmer , bestimmte Hains ; " es war doch nett von Herrn von Bellin , daß er es als Hochßeitsgeschenk sandte ; wie wird sich die kleine Frau Pfarrer darüber freuen .
" Ach ja , und es wird ihr eine liebe Erinnerung an Olga sein , rief Marie ; " wieviel haben wir ihrer in diesen Tagen gedacht .
- Wo legen wir nur die schönen Bärenfelle vom Herrn Oberförster hin ?
Er hat ihre früheren Inhaber selbst geschossen , als er einmal ßur Jagd nach Rußland eingeladen war .
" So , die hat er geschossen ?
Es waren stattliche Bären !
Na , aufgebunden hat er seitdem mancheinem schon manchen , sagte Hains .
Eva ßuckte die Achseln .
Das Nähtischchen hast du also gestiftet ? fuhr Hains fort .
" Sehr hübsch , und die Decke macht dir alle Ehre .
Der Teppich gefällt mir sehr , Fräulein Mariechen , Sie haben meinen Geschmack getroffen ; ßu meiner Hochßeit arbeiten Sie auch einen , der dann vor meinem Schreibtisch liegen soll , auch Jungfrau Lottes Kissen paßt sehr gut daßu .
Kinder , was habt ihr alles ßustande gebracht !
Wo bleiben wir nun mit all den Schätzen ?
Es fand sich für jedes Ding ein Platz , und schließlich sah alles so aus , als könne es gar nirgends anders stehen und liegen ; dies war die beste Probe für die gute Einrichtung .
Die alte Frau Pfarrer aber , die herübergeholt wurde , um alles ßu besichtigen , legte die große Bibel mit den silbernen Klammern , der man den vielen Gebrauch ansah , auf den Schreibtisch des jungen Pfarrherrn ; sein Vorgänger hatte sie täglich benutzt , und dem Amtsnachfolger allein gönnte sie das teure Andenken .
Die Dorfbewohner kamen nun auch mit ihren Gaben und brachten Butter , Eier , Wurst und Schinken für die junge Wirtschaft .
Lieschen konnte kaum Dankesworte genug finden für alle Liebe , die ihr erwiesen wurde ; wer aber in ihr vom Glück verklärtes Gesicht und in ihre strahlenden Augen blickte , der konnte darin lesen , wie tief sie bewegt war .
Im weißen Kleide saß sie oben in dem großen Giebelßimmer , die Gefährtinnen umgaben sie hilfreich und setzten ihr den Myrtenkranß mit dem Schleier auf .
Sie sah wunderhübsch aus , so bräutlich und ßaghaft , und doch wieder so froh und ßuversichtlich , daß alle gar nicht begriffen , wie sie dies früher nie bemerkt hatten .
Schmidt war nicht wenig stolß darauf , daß er die Braut fuhr ; er hatte seine Pferde ihr ßu Ehren mit Blumen geschmückt und seine Peitsche mit bunten Bändern durchwanden ; die Bürste und der Ausklopfer , die sich in dem neuen Haushalt fanden , rührten von ihm her .
Wer in der Gemeinde nicht durch schwere Krankheit verhindert war , der hatte sich ßur Trauung in der reich geschmückten Kirche eingefunden ; war doch Lieschen in jeder Hütte ebenso geliebt und gekannt , wie der Pfarrer verehrt und hoch geachtet war .
Daß das Brautpaar nach der Trauung auf den Kirchhof ging und an dem Grabe des alten Seelenhirten ein stilles Gebet sprach , gewann ihm die Herßen der Dorfleute noch mehr .
Daß aber das Hochßeitsfest nachher einen sehr vergnügten und fröhlichen Verlauf nahm , dafür sorgten der Oberförster und Hains .
Von allen schönen Festen , die bisher im Forsthause gefeiert wurden , bildete es doch den Höhepunkt .
Sechßehntes Kapitel .
Ende gut , alles gu . .
Der Winter war vorüber , die über die Wipfel der Bäume dahinbrausenden Stürme verkündeten das Nahen des Frühjahrs .
Ostern stand vor der Tür .
Der Pfarrer saß in seinem Studierßimmer und wählte die Sprüche aus , die er den Konfirmanden am nächsten Sonntage mit auf den Lebensweg geben wollte .
Seine kleine Frau hatte tüchtig im Hause umhergewirtschaftet ; es glänßte und blinkte darin ja stets vor Sauberkeit , doch ßum Feste mußte sie es noch besonders schön haben ; ßumal , wenn sie nach der Einsegnung die älteste Tochter der Witwe König in ihre Dienste nahm , da sollte das Mädchen von vornherein nur die besten Vorbilder haben .
Lieschen meinte es ja so gut mit dem Kinde , die vaterlose Waise sollte in ihrer Herrschaft einen Anhalt fürs Leben finden .
Dann hatte Lieschen sich an ihren Schreibtisch gesetzt und Berechnungen darüber angestellt , wieviel Pfund Mehl und was sonst sie an ßutaten für die Festkuchen gebrauchen würde ; sie hatte ja nicht nur für das eigene Haus ßu sorgen , sondern sie wollte auch noch manche arme Familie erfreuen ; dann war es ßeit geworden , den Kaffeetisch ßierlich ßu ordnen ; Eva hatte ja für heute ihren Besuch versprochen , und auch Freund Schmidt sollte es behaglich und nett in der Pfarrküche finden .
Nun konnten sie jeden Augenblick eintreffen .
Ihr Gatte hatte seit langem gearbeitet , sie wagte es endlich , die Tür ein wenig ßu öffnen , vielleicht verstand er die Mahnung .
Gans leise und vorsichtig tat sie dies und spähte dabei durch die Spalte ; wenn er ßu sehr vertieft war , würde er es gar nicht merken .
Doch er hatte das leichte Geräusch gehört , blickte sich lächelnd um und erhob sich .
Bist du böse ? fragte sie ihn , " ich dachte , du könntest dich jetzt ein wenig erholen ?
Böse auf meine kleine Frau ? fragte er lächelnd . "
Wann wäre ich das je .
Außerdem hat sie auch immer recht !
Er erhob sich , schlang den Arm um sie , und so gingen sie in das hübsche Wohnßimmer , wo ihnen Lulu , Heinßens Hochßeitsgeschenk , ein lautes Willkommen entgegenschrie .
Der Pfarrer ließ einen befriedigten Blick durch das Gemach gleiten und bog dann die blühenden Blumen und schönen Blattgewächse , unter denen Lulus Bauer stand , ßur Seite , um mit diesem ßu plaudern ; da fuhr der Ponywagen vor und lockte beide Eheleute schnell ßur Begrüßung hinaus .
Eva war ein häufiger und gern gesehener Gast in der Pfarre ; die beiden Freundinnen hatten sich ja stets soviel ßu sagen und miteinander ßu beraten ; auch Frau Lieschen benutzte jede Gelegenheit ßu einem Besuch im Forsthaus ; aber sie hielt auch viel auf ihre junge Hausfrauenwürde und behauptete , Eva sei um vieles freier , da dürfe sie nicht ßu genau aufs Kerbholß blicken .
Bald saßen alle drei in gemütlicher Plauderei vor dem Tische , auf dem das Wasser in der Kaffeemaschine siedete und ßischte ; Lieschen machte eine allerliebste Wirtin und sorgte aufmerksam für ihren Mann und den Gast ; hatte sie aber diese Pflichten erfüllt , so lehnte sie sich in ihre Sofaecke ßurück , schob die Hand in die ihrer Freundin und preßte diese von ßeit ßu ßeit mit großer Innigkeit an sich .
" Ist es nicht ßu schön !! sagte sie endlich . "
Wenn ich so ßwischen euch beiden lieben Menschen Sitze , so wüßte ich mir kaum noch etwas ßu wünschen .
Wie schade nur , daß es nicht mehr lange dauert .
Eva konnte einen leichten Seufßer nicht unterdrücken . " Ich hätte nie geglaubt , daß es so werden könnte , sagte sie ; " so sehr ich mich auf Papas Rückkehr freue , so ungern scheide ich von Eichenberg , ich weiß nicht , soll ich froh oder traurig sein .
Ich kann mir gar nicht vorstellen , wie ich ohne dich fertig werden soll , fing Lieschen wieder an ; " du mußt sehr oft ßu Besuch kommen , aber dann mußt du auch bei uns im Pfarrhause wohnen .
So häufig wie ich möchte , kann ich mich doch nicht frei machen , jagte Eva ; " Papa hat niemand als mich , und nach all der langen ßeit , in der er ßu Hause alle Pflege und Gemütlichkeit entbehren mußte , und nach den Anstrengungen der letzten Jahre muß ich alles aufbieten , es ihm behaglich ßu machen .
Er soll ja jetzt erst kennen lernen , daß er eine liebende , fürsorgliche Tochter besitzt , denn früher war ich eigentlich nur eine Last für ihn .
Das hat er gewiß nicht empfunden , sagte der Pfarrer ; " daß er sich aber jetzt so wohl fühlen wird , daß er sich gar nicht von Ihnen trennen will , glaube ich sicher .
" Wenn es mir nur gelingt , seufßte Eva .
" An gutem Willen fehlt es mir nicht , aber mir ist doch oft recht bange .
Hier im Forsthause hatte ich immer Rat und Hilfe bei der Hand ; wie ich aber ohne Sanna fertig werden soll , kann ich mir gar nicht vorstellen .
Mit jedem Tage habe ich sie liebergewonnen und mich enger an sie angeschlossen ; ach , es ist mir , als fehle mir der stütßende Halt , wenn ich von ihr getrennt sein werde .
" Ihre Freundschaft besteht in gleicher Weise fort , Trotz der räumlichen Trennung , tröstete der Pfarrer ; " und wenn Ihnen Kleinmut und Versagtheit nahetreten und der ßuspruch lieber Menschen nicht ßu erreichen ist , dann wissen Sie ja , wo Sie stets um Trost und Kraft bitten dürfen .
" Wann erwartest du deinen Vater ? fragte Lieschen .
" Genau weiß ich es nicht , erwiderte Eva , " es kann sehr bald sein .
Dieser heutige Besuch hier ist vielleicht mein letzter vor dem Abschied .
Hains kommt jetzt ßu den Ferien , und es ist möglich , daß Papa uns abholt .
Mit Bestimmtheit ließ sich der ßeitpunkt seiner Rückkehr noch nicht festsetßen .
" Wie wirst du mir fehlen , klagte Lieschen weiter .
" Du hast ja deinen Mann , sagte Eva , " aber denke nur , wieviel ich einsam sein werde , wenn Papa wieder bei seinen Bauten ist und Hains seinen Studien nachgeht .
Wundere dich darum nicht über die schrecklich langen Briefe , die ich schreiben werde ; wenn ich mich noch so sehr der Wirtschaft annehme und noch so fleißig lese und studiere , ich werde doch oft nicht wissen , wie ich die vielen Stunden des Alleinseins ausfüllen soll .
Am vergnügtesten werde ich sein , wenn ich Besuch habe ; der ist mir ja so vielfach ßugesagt , denn ich bin jetzt reich an Freunden .
Ein Klopfen an der Tür unterbrach die Unterhaltung ; es war Lotte , die ßu einem Plauderstündchen herüberkam und allseitig freundlich bewillkommnet wurde .
Sie hatte sich wirklich sehr ßu ihrem Vorteil verändert ; die Frau Pfarrer Bach war ihres Lobes voll , auch Lieschen war ihr von Herßen ßugetan .
Der Pfarrer ßog sich nun wieder in seine Studierstube ßurück , die drei Freundinnen vertieften sich in gemeinsame Erinnerungen .
Was hatten ihnen diese ßusammen verlebten Jahre nicht alles an Leid und Freude , an Schmers und Lust gebracht !
Weißt du wohl noch , Lotte , wie ich mit dir am ersten Morgen den Spargel stach ? fragte Eva .
Es blieb mehr bei dem Wollen , antwortete diese lachend ; " erst taugte deine Arbeit nichts , dann verlorst du die Lust ; ich dachte mir damals gleich mein Teil .
Es wird was Gutes gewesen sein , meinte Eva , " gut , daß ich es nicht ßu hören bekam !
Allßu liebenswürdig und nachsichtig habe ich allerdings nicht geurteilt , bekannte Lotte , " ich hatte selbst noch soviel ßu lernen , dünkte mich aber doch schon sehr klug und fehlerfrei .
Wir mußten alle eine Lernßeit durchmachen , sagte Eva ; " meine Lehrjahre waren oft schwer genug , aber ich werde meinen Lehrmeistern immer dankbar sein und gern auf die ßeit ßurückblicken .
Sie hat mir reichen Gewinn gebracht !
Die Stunden vergingen ihnen wie im Fluge ; hätte nicht Schmidt daran erinnert , daß es ßeit ßum Aufbruch sei , so hätte Eva Gans vergessen , daß sie versprochen hatte , früh heimßukehren , weil der Mond ßeitig unterging und dann der schlüpfrige Waldweg , der noch die Winterschäden ßeigte , nicht gut ßum Befahren war .
So verabschiedete sie sich ; Schmidt aber hatte auch jetzt noch alle seine Geduld nötig , denn es fiel den Freundinnen immer wieder etwas Wichtiges ein , das doch noch besprochen werden mußte .
Endlich aber mußte doch geschieden sein .
Wir müssen gut ßufahren , wenn wir ßum Abendbrot ßu Hause sein wollen , konnte sich Schmidt nicht versagen , ßu brummen ; er ließ sich aber bald wieder besänftigen und unterhielt sich Gans vergnügt mit Eva .
Pfarrers ihr Vieh , der Lulu , scheint ja auch recht klug ßu sein , nach dem , was mir die Jette erßählt , meinte er ; " aber über unseren kommt er doch nicht .
Jetzt ruft der nun auch meinen Namen .
So ein Vieh muß doch Menschenverstand haben , im Auslande mag das wohl vorkommen .
Nur einmal hat er sich recht dumm benommen , wissen Sie wohl , Fräulein Eochen , wie er daßumalen ausgekniffen war und Sie ihm nachliefen und wir Sie in Nacht und Nebel fanden .
Ach , davon wollen wir lieber nicht sprechen , Schmidt , sagte Eva , " sehen Sie , da scheinen ja schon die Lichter von Eichenberg durch die Bäume ; ach , es sind so viele Fenster erhellt , es kann doch nichts los sein ?
Wollen einmal ßusehen , meinte Schmidt und schnalßte mit der ßunge , um den Pony ßu schnellerem Laufen anßutreiben .
Mademoiselle riß die Haustür auf , sobald sie anhielten : Mais mon dieu , que vous etes tard .
Et quel Evenement !
Doch sie wurde unsanft beiseite geschoben und der Oberförster rief ihr auf gut Deutsch ßu :
Können Sie denn durchaus nicht den Mund halten !
Damit hob er Eva aus dem Wagen und setzte sie auf dem Hausflur nieder .
Wird nicht mehr lange gehen ! ' sagte er lachend .
Als Sie herkamen , Eochen , waren Sie leicht wie eine Feder , jetzt sind Sie schon ein recht gewichtiges Persönchen .
Wie konntest du denn solange ausbleiben , Kind ! ließ sich die Frau Oberförster vernehmen .
" Wir haben mit großer Ungeduld auf dich gewartet .
" Es ist doch nichts geschehen ?
Was gibt es denn ? fragte Eva besorgt , da ihr die Sache seltsam vorkam .
" J bewahre , aber man kann doch Sehnsucht haben , erwiderte der Oberförster , " es ist auch ein Brief vom Papa da , in Berlin ist er schon .
Eva sah den Oberförster einen Augenblick starr an , dann stieß sie einen Jubelruf aus , und nun bedurfte es keiner Vorbereitung mehr .
" Papa ist hier , wo ist er ?!
Papa , lieber Papa ! ' rief und jauchßte sie .
Dann aber wurde sie still , denn ßwei starke Arme umschlossen sie .
Eva ruhte an einem Herßen , das nicht minder heftig klopfte als ihr eigenes .
Als sie endlich die Freudentränen aus ihren Augen wischte und nun wieder sehen konnte , da blickte sie in das geliebte , teure Antlitß des Vaters , das sich mit innigster ßärtlichkeit über sie neigte .
" Eva , mein liebes , liebes Kind !
Bist du es denn wirklich ?
Wie groß und stattlich bist du geworden !
Und wie wohl siehst du aus ! sagte der Baumeister , immer wieder sein Kind betrachtend .
Mein lieber , einßiger Papa ! ' flüsterte Eva , sich an ihn schmiegend .
" Ach , ich bin ja ßu glücklich .
Nun bleiben wir immer ßusammen !
Na , einen Kuß könntest du für mich doch auch noch übrig haben , mischte sich nun auch Hains mit merkwürdig verschleierter Stimme ein ; " ich habe mich doch als Pflegevater gar nicht schlecht gemacht , und jetzt siehst du mich gar nicht mehr an .
" O doch , da hast du drei Küsse , sagte Eva lachend ; abgesetzt bist du durchaus nicht , du bleibst stets mein bester Bruder !
" Die Ausßeichnung ist nicht so groß , da du nur einen einßigen hast , murrte Hains nur halb befriedigt ; dann wandte er sich ßum Vater :
" Nun , haben wir unsere Sache nicht gut gemacht ?
Sie sieht ordentlich wie ein weiblicher Mensch aus und nicht mehr wie ein verhungertes Kätßchen .
Wenn Eva nicht meine Schwester und ich so ungeheuer bescheiden wäre , so würde ich sagen , daß sie ein Gans hübsches Mädchen ist .
Die Krallen haben wir ihr auch beschnitten , und einen schönen Kalbsbraten haben wir ihr gleichfalls beigebracht !
" Du preist mich ja an , als ob du mich verkaufen wolltest , schmollte Eva , die sich an den Arm des Vaters gehängt hatte .
" Ich würde dich doch nicht los werden , erwiderte der ungalante Bruder ; " aber ich will wenigstens ßeigen , daß deine Lehrjahre nicht verloren waren .
" Unter solchen Lehrmeisterinnen konnte das gar nicht anders der Fall sein , sagte der Baumeister mit einem dankbaren Blick auf die Frau Oberförster und auf Sanna .
Wir haben uns bemüht , unsere Pflicht ßu erfüllen ! sagte die letztere bescheiden ; " wenn der Erfolg die Mühen lohnte , so war es in erster Reihe Evas Verdienst , die mit Ernst und Eifer an sich arbeitete .
Was wäre ohne Sie aus mir geworden , liebes Fräulein Sanna , entgegnete Eva bewegt ; " Ihr Wort und Ihr Vorbild ermutigten mich ; ich kann mir noch nicht vorstellen , wie ich ohne Sie leben soll .
Dieser Gedanke war der einßige , der Evas Glück störte und ihr selbst den Genuß der schönen Tage , in denen sie mit all ihren Lieben vereint war , trübte .
Der Baumeister wollte nur kurße ßeit im Forsthause bleiben , ehe er wieder in sein Amt eintrat ; diese Erholungspause gestaltete sich aber über alles Erwarten so angenehm , daß er gern den Bitten seiner Kinder nachgab und den Aufenthalt noch verlängerte .
In Eichenberg war er , dessen durfte er sicher sein , ein hochwillkommener Gast ; auch die Trennung von Eva fiel allen dort so schwer , daß sie über den Aufschub der Abreise sehr froh waren .
Endlich nahte doch die Abschiedsstunde .
Hand in Hand stand Eva mit Sanna und blickte mit ihr in den Wald hinaus , der jenen leichten , grünenden Schimmer ßeigte , welcher vom Frühjahr und von kommender schöner ßeit sprach .
Beide hatten ein Wiedersehen verabredet , ßunächst in Velin , dann sollte ein Vesuch im Forsthause folgen ; allein all dies blieb doch nur ein schwacher Ersatz für den innigen täglichen Verkehr .
Sie waren bei diesem Gedanken verstummt .
Sanna kämpfte mit ihren Tränen , Eva konnte sich gar nicht mehr beherrschen und eilte auf ihr ßimmer , um sich ihrem Schmers ßu überlassen .
Der Vater begegnete ihr in der Tür und blickte sie erstaunt an .
Wird es dir so schwer , armes Kind ? fragte er sie teilnehmend .
Würdest du lieber hier bleiben ?
Eva schüttelte den Kopf und stammelte :
" Nein , gewiß nicht , ich muß nur die Trennung überwinden !
Sie weinte sich aus und errang mit Mühe ihre Fassung wieder , das Unvermeidliche mußte ertragen werden ; den Pflichten , die jetzt ernst an sie herantraten , wollte sie nun ihre ganße Kraft widmen .
Wenn sie für ihre Lieben sorgte und schaffte , dann würde sie am leichtesten sich selbst und unerfüllbare Wünsche vergessen .
Da öffnete sich die Tür und der Vater trat mit Sanna ßusammen ein ; beide sahen ernst und doch so freudig bewegt aus , daß Eva die Ahnung eines unaussprechlichen Glückes durchßuckte .
Der Vater neigte sich ßu seiner Tochter und umschlang sie .
Weine nicht länger , mein liebes Kind , sagte er weich , , Sanna erhört unseren innigen Wunsch und geht mit uns .
Du hast nun wieder eine Mutter .
Mutter , meine Mutter ! stammelte Eva , von Freude und Glück überwältigt .
" O , wie habe ich mich danach gesehnt !
" Ich will dir eine treue Mutter sein , mein liebes , liebes Kind , sagte Sanna und schloß Eva an ihr Herß .
Während Eva in überströmender Glücksfülle mit Freudentränen ßu kämpfen hatte , die ihr immer wieder in die Augen traten , machte Hains seiner Freude in lautem Jubel und übermütigem Scherß Luft .
Mädchen müssen heulen , sonst ist ihnen nicht wohl , versicherte er , " aber Männer verhalten sich anders .
Gut , daß Coco meinem Geschlecht angehört .
Mit diesem schloß er sich dann auch eine ßeitlang ein .
Schmidt wurde nun nach Schöneiche hinübergeschickt , um das junge Ehepaar , die alte Frau Pfarrer und Lotte ßur Verlobung herüberßuholen .
Eva bedauerte nur , daß nicht auch Käthe und Marie ßu erreichen waren und nur telegraphisch von ihrem Glück benachrichtigt werden konnten .
Des Abends hatte sie sich aber auch wieder in der Gewalt , Kopf und Füße , die ihr vor Freude den Dienst versagt , standen ihr wieder ßu Gebote und Eva half der Hausfrau das festliche Mal herrichten , ber dem alle höchst vergnügt waren .
Hains bestand darauf , daß Coco , der doch keine kleine Nolle in Evas Lehrjahren gespielt habe , auch dem Feste beiwohnen möchte .
Der kluge Vogel benahm sich äußerst gesittet und machte seinem Lehrmeister alle Ehre ; denn als das Wohl der Verlobten von dem Oberförster ausgebracht und von der Gesellschaft jubelnd getrunken wurde , da tat auch Coco seinen Schnabel auf und gab sein eben erlerntes Sprüchlein ßum besten , indem er rief : " Ende gut , alles gut !
- Rechtsinhaber*in
- Bildungsroman Projekt
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Korpus. Evas Lehrjahre. Evas Lehrjahre. Bildungsromankorpus. Bildungsroman Projekt. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0f1.0